Zeitschrift für Sozialismus und Frieden                                      4/2004

Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik (e.V.)

Spendenempfehlung: 1,60 Euro  

 

Ausgabe

Mai-Juni

2004


 

Inhalt:

 

Redaktionsnotiz

Interview mit Ingo Niebel über die Lage in Venezuela

 

Zur politischen Ökonomie des Sozialismus:

Hermann Jacobs: „Die Crux mit dem Wertgesetz“. Zu den bisher erschienenen Positionen

Ingeborg Böttcher: Hallo Andrea und Gerald, was ist eigentlich Euer Anliegen?

Hearing zur Programmdebatte der DK

Vorbemerkungen

Helmut Dunkhase: Diskussionsbeitrag im Plenum – Folgen einer falschen Analyse

Willi Gerns: Zu einigen Aspekten der sozialistischen Demokratie

Diese von Willi Gerns vertretenen Positionen sind nicht neu: Kautsky und Carillo

Sage mir, wer Deine Freunde sind und ich sage Dir, wer Du bist

Berichte.

Dieter Rolle: DKP, KPD, KPF gemeinsam

Vorstand des Vereins zur Förderung demokratischer Publizistik: Über das Treffen mit dem RotFuchs

Buch- und Webseitenbesprechung

Klaus von Raussendorff: Die Webseite www.kurt-gossweiler.de

Feter Feist: Begriffe werden zu Kaugummi

Resonanz

Hans-Günter Szalkiewicz: Das ist der Punkt, der mich gegenüber Deiner Zeitschrift auf Distanz gehen läßt

Redaktion Offensiv: Nachbemerkung zu Hans-Günter Szalkiewicz

Andrea und André Vogt: Eine kurze Meldung von uns.

Ronny Hirsch: Ich bin da anderer Meinung.


 

Redaktionsnotiz

Wenn es um die Diskreditierung des Sozialismus und natürlich auch der Kommunisten geht, ist die Bourgeoisie ja wirklich nicht faul. Kürzlich war mal wieder die DKP dran: Sie habe geheime militärische Ausbildung organisiert und Waffenlager gehabt – natürlich auf Geheiß der SED.. Die Beweggründe liegen auf der Hand: die DKP kandidert zur Europawahl und ist an den Massenprotesten beteiligt. Wir weisen solche billigen Kriminalisierungsversuche aufs schärfste zurück und erklären uns solidarisch mit der DKP.

Da wir das Thema Europawahl schon berührt haben: wir rufen selbstverständlich zur Wahl der DKP auf. Die PDS kann man nicht wählen, denn wenn auch zwei „Lichtgestalten“ auf ihrer Liste kandidieren, so machen sie aus der antikommunistischen, im Kapitalismus angekommenen PDS-Führung und der Mehrheit der ebenso antikommunistischen und im Kapitalismus angekommenen Fraktionsmitglieder und Landesregierungsmitglieder keine für das Ziel sozialer Gerechtigkeit (für mehr schon gar nicht!) akzeptable Partei. Man schaue nach Berlin – und man weiß, wie rückgratlos diese Partei ist. Wir hätten in diesem Zusammenhang gern den Artikel von Willi Opitz „Ist die PDS noch wählbar?“ gebracht, weil er nach fundierter Begründung zu dem Schluss kommt: „nein!“ Indes, es reicht wegen unseres umfangreichen Schwerpunktes „politische Ökonomie“ der Platz nicht aus. Der Artikel von Willi Opitz ist aber in „Die Rote Fahne“, Zeitung der KPD, Ausgabe Mai 04, erschienen. Es lohnt sich, ihn zu lesen! (Die Rote Fahne, Dingelstedter Str. 14, 13053 Berlin)

Wie eben schon erwähnt, ist der umfangreichste Schwerpunkt dieses Heftes die politische Ökonomie. Sowohl Ingeborg Böttcher als auch Hermann Jacobs nehmen zur bisherigen Debatte Stellung. Dies tun beide unabhängig voneinander, d.h. die hier abgedruckten Artikel beziehen sich zwar auf Vorheriges, nicht aber direkt aufeinander. Wir halten die Debatte für sehr interessant und hoffen, dass Ihr sie aufmerksam verfolgt, denn die ökonomischen Fragen sind die Grundfragen.

Wir freuen uns, das Heft mit einem Interview mit Ingo Niebel beginnen zu können. Er ist Redakteur des geheimdienstkritischen Magazins „Geheim“ und in dieser Funktion in Venezuela, kann also aus erster Hand berichten. Wer Interesse an einem Vortrag von Ingo Niebel hat und anschließend mit ihm diskutieren will, meldet sich bitte bei uns. Ebenso sei hier darauf hingewiesen, dass Ingo Höhmann, Mitglied des Herausgeberkreises der Offensiv, vor einiger Zeit in Kolumbien war und über die dortige Lage und die F.A.R.C. einiges zu berichten weiß. Auch Ingo Höhmann ist bereit, vor Ort zu berichten und zu diskutieren. Bei Interesse und wenn es terminlich zu vereinbaren ist, können auch beide gemeisam eine Veranstaltung anbieten. Wie gesagt: Bei Interesse bitte bei uns, der Redaktion Offensiv, Egerweg 8, 30559 Hannover, Tel. u. Fax: 0511-52 94 782, Mail: redaktion@offen-siv.net, melden!

Neben diesen interessanten und guten Nachrichten gibt es leider auch weniger Angenehmes zu vermelden: Es gab Unstimmigkeiten über die Veröffentlichung eines Diskussionsbeitrages von Hans-Günter Szalkiewicz (siehe „Resonanz“) - in der Berliner DKP gab es Bestrebungen zu einem „Die oder Wir“, d.h. entweder arbeite man in der DKP mit oder mit der „Offensiv“ zusammen, man müsse sich entscheiden – und das Gespräch zwischen „RotFuchs“ und „Offensiv“ ging ohne die erhofften positiven Verabredungen aus (siehe Artikel). Mut macht hingegen der Bericht über die Zusammenarbeit von DKP, KPD und KPF in Sachsen-Anhalt (auch hierüber ein Artikel).

Zur Programmdebatte in der DKP bringen wir zwei exemplarische Beiträge, beide gehalten beim Hearing in Hannover. Wir sind der Auffassung, dass sie sehr gut die inhaltlichen Probleme zeigen, um die es dort geht. Und wir sind der Auffassung, dass man sich wird entscheiden müssen.

Noch ein wichtiger Hinweis zum Schluss: unsere E-Mail-Adresse lautet am Ende .com! Also komplett: redaktion@offen-siv.com. Uns hat die Redaktion einer Schülerzeitung darauf hingewiesen, dass sie schon mehrfach Mails bekommen hat, die für uns bestimmt waren, weil sie mit dem Ende .de abgesandt wurden. Also nochmals: nicht: .de, sondern: .com am Ende!

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Interview mit Ingo Niebel[1] über die Lage in Venezuela

1)     Venezuela bleibt in den Schlagzeilen. Offensichtlich halten die Versuche der US-Administration an, die ungeliebte Regierung des Hugo Chavez wegzuputschen. In diesem Zusammenhang wurde eine Anzahl von nach Venezuela eingedrungenen kolumbianischen Paramilitärs verhaftet. Was ist da eigentlich abgelaufen?

INGO: Anfang Mai verhafteten die venezolanischen Sicherheitskräfte in Caracas 100 bis 150 Kolumbianer. Unter den Männern befanden sich auch Jugendliche. Die Verhafteten trugen Kampfanzüge und wurden für eine militärische Operation in der venezolanischen Hauptstadt trainiert. Sie standen unter dem Kommando von bekannten kolumbianischen Paramilitärs, deren Photos die venezolanische Regierung ins Internet gestellt hat. Die venezolanischen Sicherheitsbehörden vermuten, die Söldner-Kompanie sollte einen Anschlag auf Präsident Hugo Chávez durchführen. Die Festnahme erfolgte auf der Hacienda „Daktari“ im Nobelvorort „El Hatillo“. Das legt die Vermutung nahe, daß die venezolanische Opposition hinter der Aktion steht.

2)     War dies der erste ernstzunehmende Putschversuch?

INGO: Nein, er ist der letzte einer Serie, die im April 2002 begann und wird nicht der letzte gewesen sein. Am 11. April 2002 putschten Chávez-Gegner mithilfe der Medien und ihnen nahestehender Militärs. Im Verlauf des Aufstandes ergab sich Chávez den Putschisten, ohne aber formell zurückzutreten. Mit seinem Handeln verhinderte er die Bombardierung des Regierungspalastes Miraflores. Bilder, wie wir sie vom 11. September 1973 kennen, als Pinochets Handlanger den chilenischen Präsidentenpalast sturmreif schossen und dann den rechtmäßigen Präsidenten Salvador Allende erschossen, blieben uns erspart. Statt dessen gaukelten uns die Medien – auch die europäsichen – das Bild eines vorgeblichen Volksaufstandes à la Mauerfall 1989 vor, der ganz „demokratisch“ den „Despoten“ Chávez aus Amt und Würden getrieben hätte. Das dies alles Lug und Trug war, zeigte die auf ARTE ausgestrahlte, erstklassige und einmalige Dokumentation „Innenansichten eines Putsches.“ Der Vorsitzende des Unternehmerverbandes, Pedro Carmona, ließ sich zum Interimspräsidenten inthronisieren. Der Gewerkaschaftsboss Carlos Ortega half dabei. Die erste Amtshandlung der angeblichen „Demokraten“ bestand darin, sämtliche Verfassungsorgane der bolivarianischen Republik von Venezuela aufzulösen – obwohl Chávez, verfassungsrechtlich betrachtet, immer noch Präsident war. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurde den zögernden, loyalen Militärs klar, daß Carmona und seine Spießgesellen sie an der Nase herumgeführt hatten. Hinzu kamen die massiven Demonstrationen der venezolanischen Bevölkerung, die die Rückkehr von Chávez forderten. Innerhalb von 48 Stunden brach der Putsch in sich zusammen. Carmona flüchtete nach Kolumbien, Ortega in die USA.

Aus dem Exil intrigieren sie weiter gegen die legitime Regierung in Caracas. In der Folge versuchten sie und die im Land befindliche „demokratische Opposition“ mittels Wirtschafts-sabotage und Massendemonstrationen das Land in den wirtschaftlichen Ruin zu treiben. Für westliche Putschstrategen gilt, daß die wirtschaftliche Unsicherheit die Grundbedingung für einen Staatsstreich ist. So kam es 2002/2003 zum „Öl-Streik“, den Chávez gekonnt parierte.

Es folgte die Instrumentaliserung des Referendums zur Abwahl des Präsidenten Ende 2003. Ich verfolgte als internationaler Wahlbeobachter im November und Dezember die Unterschriften-sammlungen und konnte mit Akteuren aus beiden Lagern sprechen. Mir wurde klar, daß die Opposition kein anderes Ergebnis als die Abwahl von Chávez tolerieren würde. Aber das ist in der heutigen Situation absolut illusorisch – Chávez wurde 2000 mit 60% der Stimmen im Amt bestätigt. Deshalb kam es zu massiven Wahlmanipulationen vonseiten der Hardliner-Fraktion innerhalb der Oppositionsbewegung. Aber auch diese Aktion war so dilettantisch durchgeführt, daß sie auffallen mußte. Nur: selbst wenn die Opposition auf legalem Wege das Referendum bekommen hätte, wäre das noch lange nicht Chávez’ Ende. Denn in einer geheimen und freien Wahl würde er sicherlich wieder 60% der Stimmen bekommen. Und eben weil die führenden Oppositionellen und die Strippenzieher aus Washington wissen, daß sie Chávez legal nicht kleinbekommen, haben sie schonmal einen Alternativplan ausgeheckt, in dem die Kolumbianer die Drecksarbeit übernehmen sollten. Auf sicherheitstechnischen Standpunkte gesehen, befindet sich Chávez in derselben Situation wie Fidel Castros – permament im Fadenkreuz der USA – und das ist wörtlich zu nehmen.

3)     Wieso ist Hugo Chavez ins Fadenkreuz der USA gekommen?

INGO: Hugo Chávez stellt mit seiner Politik die politische und wirtschaftliche Vormacht-stellung der USA in Lateinamerika in Frage. Er ist nicht der südamerikanische Durchschnittspräsident, der sich an der mehr oder minder langen Leine von Uncle Sam führen läßt. Chávez macht genau das Gegenteil von dem, wovon uns die neoliberalen Globalisierer vorschwärmen: keine Privatisierung, kostenloses Gesundheitswesen für die Armen, Gratis-studium, Landreform u.a. Hinzu kommt, daß er sich das fehlende Know-How und die personelle Unterstützung aus Kuba geholt hat. Die kubanische Revolution hat jetzt, in ihrem 50. Geburtsjahr, die Möglichkeit, der Welt zu zeigen, wie gut ihre Ärzte sind, was ihre Lehrer und Agraringenieure drauf haben, um den Armen einen Weg aus ihrer Misere zu zeigen. Kurzum: Venezuela ist momentan so etwas wie eine gigantische Messe für Kuba, auf der alle anderen lateinamerikanischen Länder sehen können, daß die Errungenschaften der Revolution doch funktionieren und eine Alternative zur neoliberalen Globaliserung darstellen. Diese hat schließlich Argentinien in den Ruin getrieben. Auch wenn die USA der Hauptfeind des bolivarianischen Venezuelas ist, darf man nicht vergessen, daß Chávez‘ Politik auch den europäischen Wirtschaftsmächten ein Dorn im Auge ist. Hier ist besonders das spanische Finanzkapital zu nennen, daß die Expansion iberischer Energie-, Bau- und Tele-kommunikationsfirmen in Südamerika während der 90er Jahre forciert hat.

4)     Du warst selber in Venezuela und konntest die Lage vor Ort beobachten. Wie ist die Rolle der hierzulande so oft gelobten so genannten „demokratischen Opposition“? Wer sind die sozialen und politischen Träger der bolivarischen Revolution? Sind Fortschritte und gesellschaftliche Veränderungen wahrzunehmen?

INGO: Die venezolanische Gesellschaft ist tief gespalten: grob gesagt in 30 Prozent Reiche und 70 Prozent Arme. Die erste Gruppe hat alle ihre Privilegien, auf denen ihr Reichtum basierte, zu verlieren, die zweite hat alles zu gewinnen. Zur letzteren gehören Menschen, die heute nicht wissen, was sie morgen essen werden. Sie wissen aber, daß sie bisher nichts lernen durften, weil es die Reichen so wollten. Sobald die Armen ihren Protest auf die Straße trugen, schlugen  die lokalen Polizeien und auch das Militär brutal zurück. So erreichte die Oligarchie eine weitgehende Entpolitisierung der armen Bevölkerungsmehrheit. Diese sah in Chávez ihren „Befreier“, den sie 1998 mit 58% der Stimmen zum Präsidenten wählte. Der ehemalige Fallschirmjäger revanchierte sich, u.a. mit verschiedenen „Misiones“. In diesen Aktions-programme lernten die Analphabeten lesen und schreiben, konnten Schulabschlüsse nachholen und sich auf die neue, kostenlose Universität vorbereiten. Hinzu kommt das Gesundprogramm, bei dem kubanische Ärzte in den Armenvierteln medizinische Erstversorgung leisten. Mir sagte ein venezolanischer Medizinstudent, die venezolanischen Ärzte seien sich zu fein gewesen, unter den katastrophalen hygienischen Bedingungen in den Armenvierteln, den „Ranchos“, ihrem hypokratischen Eid nachzukommen. Sie zogen es vor, lieber unter Ihresgleichen, den Reichen, ihr Geld zu machen. Deshalb mußte Chávez die kubanischen Fachkräfte holen. Auf der Insel werden auch die medizinischen Not- und Härtefälle behandelt.

Chávez’ einzige Chance, sich eine stabile personelle Machtbassis zu schaffen, liegt darin, die einst „Entrechteten“ zu den mittelfristigen Trägern der bolivarianischen Revolution zu machen, indem er sie physisch wie geistig dazu ausbildet. Bei meinem Besuch bekam ich öfters den Satz zu hören „Chávez ist der Erste, der sich um uns kümmert.“ Das war keine leere Phrase, sondern die Lobrede auf den Präsidenten endete mit dem Versprechen, ihn weiter zu wählen, bis seine gerade geborene Enkelin die erste Präsidentin Venezuelas werden wird. Das wird in 21 Jahren der Fall sein oder in drei Amtsperioden à sieben Jahren. Da Chávez 50 Jahre alt ist, müssen sich seine Gegner darauf einstellen, daß er es – wie Castro – bis dahin schaffen könnte.

Die „Opposition“ besteht laut eigenen Angaben aus 13 Parteien und ca. 60 NGOs. Sie ist ein Sammelsurium von Interessen, unfähig, eine in sich geschlossene politische Alternative zu Chávez zu präsentieren. Der einzige gemeinsame Nenner ist: „Chávez muss weg – egal wie.“ Das verbindet sie mit den USA. Käme sie an die Macht, dann würde wohl das große Abschlachten von Chavisten stattfinden, damit sich die Panne vom April 2002 nicht wiederholen kann, als Tausende für ihren Präsidenten auf die Straße gingen. Mir sagte ein Oppositionsführer, man wolle nach Chávez einen „Sozialpakt“ durchsetzen, der für lange Zeit jegliche Art von Streik ausschlösse. Ich mußte unwillkürlich an Chile 1973 denken. Nur mit KZs, Massenexekutionen und brutaler Repression liesse sich in Venezuela das Rad der Geschichte auf den Stand von 1998 zurückdrehen.

5)     Das Thema Venezuela beschäftigt ja auch die politischen Parteien in der BRD. Wer hat sich da wie positioniert?

INGO: In Deutschland hat sich im Reichstag eine Phalanx von Chávez-Gegnern gebildet. SPD, Grüne, Liberale und CDU/CSU vertreten mit kleinen Differenzen dieselbe Stoßrichtung – Chávez ist nicht gut und muss weg. Peinlich ist die Unwissenheit, die die deutschen Politiker bei der Diskussion über Venezuela an den Tag legen. Sie reportieren ungefiltert die Ansichten der venezolanischen Opposition. Am lautesten tritt die CDU auf, die mehr oder minder den Sturz des Präsidenten fordert. Ihre Konrad-Adenauer-Stiftung fungiert als Finanzier einer venezolanischen Gruppe, die auch in den Putsch vom April 2002 involviert war. Die FDP verlangte ein EU-weites Einreiseverbot für Chávez. Ich muss bei dem ganzen Getue an die Worte denken, die Galileo Galilei in Brechts gleichnamigen Stück sinngemäß sagte: „Wer die Wahrheit nicht kennt, ist ein Dummkopf. Doch wer die Wahrheit kennt, sie aber eine Lüge nennt, der ist ein Verbecher.“ Ich würde die Herrschaften der deutschen Möchtegern-Anti-Chávez-Koalition fragen, zu welcher Gruppe sie sich zählen lassen wollen.

6)     Was kann die Linke in Deutschland am zweckmäßigsten tun, um den revolutionären Prozess in Venezuela zu unterstützen?

INGO: Nun ja, unter Berücksichtigung des aktuellen Zustandes der Linken in Deutschland wird ihre Hauptaufgabe darin liegen, sich über Venezuela zu informieren, so wie sie es in den letzten Jahrzehnten mit Kuba gemacht hat. Information ist die beste Waffe im Zeitalter der Desinformation. Die deutsche Linke kann in diesem Fall von Chávez lernen: So wie er ein neues Venezuela parallel zu den alten Strukturen aufbaut, so muss in diesem Land parallel zu den hier existierenden Strukturen etwas Neues entstehen. Im wahrsten Sinne des Wortes sollte man beispielsweise die „Venezuela-Experten“ des Deutschen Bundestages links liegen lassen – ohne sie aber aus den Augen zu verlieren. Ein Ziel muß es sein, hier einen Informationsstand zu  erreichen, der am Tag X verhindern kann, daß die Parteien im Bundestag widerspruchslos eine wie auch immer geartete politische oder militärische Aktion gegen das bolivarianische Venezuela durchführen können.

Chávez zeigt eindrucksvoll, wie man Altes mit Neuem und Bewährtem verbinden kann. Inwieweit das hier praktikabel ist, steht noch offen. Ich denke, zum jetzigen Zeitpunkt können die Europäer eher von den Venezolanern lernen, als daß sie ihnen etwas beibringen können.

Wenn ich mich in den Problemvierteln meiner Heimatstadt Köln umschaue und zum Beispiel sehe und höre, wie die aus Rußland und der Türkei stammenden Jugendlichen schreiben und sprechen, dann weiß ich nicht, wie lange es noch dauern wird, bis wir die Venezolaner fragen müssen, wie sie das von der UNO-prämierte kubanische Alphabetisierungsprogramm an ihre Verhältnisse angepaßt haben. 

Ähnlich wie Chávez in Venezuela stehen wir am Anfang eines langen Weges, der zu einer gerechteren Welt führen soll. Damit dieses Ziel erreicht wird, benötigen wir aufgrund der veränderten Weltlage eine entsprechend angepaßte Vorgehensweise, die sich an Erfahrungen vergangener Jahrzehnte anlehnen kann, aber nicht muss.                                                                                                                      Ingo Niebel, Köln

Zur politischen Ökonomie des Sozialismus

Hermann Jacobs: „Die Crux mit dem Wertgesetz“. Zu den bisher erschienenen Positionen

Auf meinen Artikel „Die Crux mit dem Wertgesetz“ hat es zwei Erwiderungen gegeben - eine sehr ausgiebige von Ingeborg Böttcher (in zwei Teilen, „Offensiv“ 5 und 6/2003) und eine gemeinsame von Andrea Schön und Gerald Hoffmann („Offensiv“ 13/2003) -, auf die ich bisher noch nicht geantwortet habe, was ich nunmehr aber tun möchte, und zwar in einem allgemeinen Sinne, d.h. ich möchte - auch zur besseren Verständigung mit dem Leser - die Positionen markieren, die jeweils eingenommen worden sind. Das sind drei und sie sind zugleich die in dieser Frage, sofern der reale Sozialismus verteidigt werden soll, auch objektiv möglichen.

Noch einmal zu meiner Position: Zu keiner Zeit von sozialistischer Realität nach der Oktoberrevolution - je später nach ihr desto weniger - hat es in der Sowjetunion eine Warenproduktion, deren „besondere sozialistische Form“, gegeben; weder wirkte der Wert, das Wertgesetz, noch regulierten diese die Produktion, auch nicht eingeschränkt, bezüglich bestimmter Gebiete oder Seiten der Produktion und Verteilung, d.h. auch nicht im Verhältnis von Volkseigentum und Genossenschaften. Scheint es noch möglich, diese Meinung - keiner Warenproduktion - unmittelbar für die Zeit nach der Revolution anzuzweifeln (z.B. NÖP in Sowjetrußland), d.h. bedarf es hier einer besonderen Beweisführung um vom Gegenteil überzeugt zu werden, so muß sie aber ab der Zeit der Planwirtschaft (ab 1929/30 UdSSR) absolut gelten und kann folglich nicht mehr angezweifelt werden, da die Planwirtschaft mit ihrem anderen Prinzip der Aneignung als dem des Wertes beginnt; sie kann wiederum nicht beginnen, wenn der Wert noch die Aneignung beherrscht, d.h. hier herrscht ein gegenseitiger Ausschluß: entweder diese Form oder jene Form, beide zur gleichen Zeit geht nicht.[2]

Diese Auffassung ist nun an die Bedingung geknüpft - und hier wieder anhand der Praxis -, dass das Geld im Sozialismus (also nicht das Geld schlechthin, sondern das Geld ab einer bewußten Einflußnahme der herrschenden Arbeiterklasse auf die Geld- und Preispolitik) getrennt vom Wert erklärt wird, d.h. es muß das Geld existieren können, ohne dass es auf den Wert von Produktionsgütern Bezug nimmt oder umgekehrt, Produktionsgüter in Bezug auf das Geld den Wert wahrnehmen. Die Trennbarkeit des Geldes vom Wert ist die erste Bedingung einer Trennbarkeit der Menschheit von der Warenproduktion überhaupt; ginge das nicht, gäbe es keine Übergangsform zur kommunistischen Produktionsweise, die Verhältnisse müßten springen - von einem Tag zum anderen. (Und das wäre absolute Diktatur.) Hat die erste Beweisführung - einer Negierung des Wertprinzips, daher Warenprinzips - in der NÖP noch vom Preis auszugehen, d.h. ist der Preis schon wesentlich nichtäquivalent (während das Geld noch als Wertmaß unterstellbar ist), so hat die zweite, ab der Planwirtschaft, methodisch vom Geld auszugehen. Geht es im ersten Fall also um die berühmte Abweichung der Preise vom Wert, so im zweiten darum, ob überhaupt noch Ware zum Geld tauscht.

Für eine Existenz des Geldes ohne seine Funktion als Ware des Wertmaßes muß nun die theoretische Erklärung gefunden werden, sonst bewegt sich die Theorie außerhalb ihrer sozialistischen Praxis, d.h. sie wird deren Gegensatz!

Um die Realität dieses Sozialismus zu erkennen, muß in der Theorie der Anteil/Einfluß/Rolle der Warenproduktion zurückgebaut und muß der Aufbau einer Planwirtschaft in den Vordergrund gerückt werden. Von dieser Position sage ich auch, dass sie die für die Arbeiterbewegung zukünftig zu entwickelnde ist. Damit ist auch die offizielle Theorie, worin der reale Sozialismus als eine Symbiose von Planwirtschaft und Warenproduktion erklärt wie verteidigt worden ist, überholungsbedürftig. Ihr rationaler (planwirtschaftlicher) Kern ist dadurch hervorzuheben, dass ihr Teil Warenproduktion über Bord geworfen wird.

Das ist das Neue an meiner Position, sie sieht die Praxis des Sozialismus anders, weiter in Bezug auf den Kommunismus hin entwickelt; gegen sie anzugehen, entlarvte die warenökonomischen Reformen von vornherein als Revisionismus, und an ihr haben gestandene Marxisten am meisten zu knabbern, weil sie sich eben in der Theorie auf eine Symbiose von Plan und Warenproduktion eingelassen haben und dadurch - ob sie das schon begreifen oder nicht - ein offenes Ohr für die Reform gewinnen: im Sinne einer langsameren Trennung von der Warenproduktion, daher ihrer „größeren Rolle“, und eines nicht so schnellen Übergangs zum Kommunismus usw.

Es ist möglich, dass die sozialistische Wissenschaft ihre erste, aus der NÖP-Periode (die im weitesten Sinne die Periode vor dem Aufbau einer Planwirtschaft ist) herrührende Theorie ökonomischer Verhältnisse in die zweite Periode, die der direkten Planwirtschaft, mit hinüber schleppt - das kann man zur Not noch verstehen, Tatsache aber ist, dass es zum Widerspruch der politischen Ökonomie des Sozialismus werden muß, wenn sich die eine, überholte Auffassung vom Sozialismus nun mit der neuen falschen ökonomischen Auffassung vom Sozialismus, also der „Reform des Sozialismus“, in der Mitte trifft, d.h. statt sich zu revidieren zu der anderen Theorie - eines Sozialismus als Warenproduktion - übergeht.

Es ging ab den ersten selbstständigen, die Ökonomie betreffenden Maßnahmen - erst in der Sowjetunion, dann in den anderen sozialistischen Ländern - immer um die Planwirtschaft und nicht mehr um die Warenproduktion. Die innere geschichtliche Entwicklung des Sozialismus lief - oder läuft - von der Warenproduktion weg und nicht zu ihr hin.

Der einzige „Widerspruch“, das nicht von vornherein zu Verstehende, in „meiner“ Auffassung scheint zu sein, dass die Planwirtschaft mit Hilfe des Geldes begonnen wurde, dass der gesellschaftliche Händewechsel der Produkte über einen Rücklauf in der Geldform vonstatten ging, d.h. Planwirtschaft mit einer Geldwirtschaft einherging. Warum muß man dennoch von einer Planwirtschaft sprechen, aber mit einer Geldwirtschaft? Hier steht die neue Theorie vor ihrer Bewährung, denn die alte macht es sich einfach, folgert sie im Sozialismus die Warenproduktion doch formell aus dem Geld; und hier wird nun das Gegenteil behauptet. Geld im Sozialismus drückt nicht ein Neben- oder Ineinander, sondern ein Nach- und Gegeneinander von Plan- und Warenwirtschaft aus.[3] Warum ein Gegeneinander? Weil die Geldwirtschaft 1. auf keinem Preissystem beruhte, in dem die Preise beständig und systematisch auf den Wert zurückgeführt wurden, so dass 2. Geld in seiner Menge auf der Vermehrung der Warenmenge beruhte, womit der Wert der Ware nicht mehr meßbar ist, denn ein Wert läuft nicht kongruent mit der Menge der Waren, sondern dieser entgegengesetzt. Nur wenn das Geld eine zur Warenmenge entgegensetzte Bewegung ausführt, kann die der Warenmenge entgegengesetzte Bewegung der Ware, deren Bewegung als Wertmenge, gemessen werden, sonst nicht. (Alle Verhältnisse des Wertes der Ware müssen entgegengesetzt zur Menge der Waren ausgedrückt werden, sonst findet der Doppelcharakter der Arbeit nicht mehr zu seiner Erscheinung.) Sonst wird Geld ein Analog der Warenmenge (oder Arbeitsproduktivität). Und damit anderes Geld, d.h. kein Geld. Bei Parallelität von Ware und Geld wird der Wert unmessbar weil unerscheinbar. (Dass der Wert von 20 Ellen Leinewand gleich 20 Ellen Leinewand wäre, also in seinem eigenen Gebrauchswertkörper gemessen würde, nannte Marx eine Tautologie.) D.h. das sozialistische Preissystem war ein Nichtwert-Preissystem und das Geld keine eigene Ware. Nur deshalb kann man trotz der Geldwirtschaft vom Sozialismus als keiner Warenproduktion mehr sprechen, sondern als einer dieser entgegengesetzten Gesellschaft. (Sonst bliebe ja nur die Abschaffung des Geldes, aber das begreift dann auch ein „Schulkind“.) Nur weil im Geld nicht mehr der Wert ausgedrückt wurde, konnte das Geld in die Planwirtschaft oder kann es weiter in den Kommunismus hineingenommen werden.[4] 

Dies also ist meine Position, von der ich gern sähe, dass sie die allgemein anerkannte, auch im Rahmen dieser Diskussion, würde; ich bitte zu berücksichtigen, dass ich keine Meinung von den Dingen äußere, denen nun andere Meinungen entgegenzustellen wären, sondern versuche, mit einem möglichst klaren Bild den realen Mechanismus einzufangen, der im Sozialismus gewirkt hat. Und weil überzeugt, dass dies der wirkliche Sozialismus ist, bin ich auch gegen die wertökonomischen Reformen aller Coleur im Sozialismus, sowohl damals wie heute.

Denn alle Reformen - man betrachte sie - haben nichts als den Sinn, die Wertform für die Preise wieder herzustellen, was doch - auf jeden Fall die Anhänger der offiziellen Position - verwundern muß, wenn sie vom Sozialismus sagen, der Sozialismus sei eine Warenproduktion, wenn auch „der besonderen Art“ (mit „völlig anderem Inhalt“). Gerade die Orientierung der Reform auf den Preis zeigt, dass man nicht von einer Warenproduktion reden kann, wenn deren „richtiges Preissystem“ erst herzustellen wäre. Die Ware richtig, aber deren Preis falsch, das muß doch wohl ein sich ausschließender Gegensatz sein. Die offizielle, also Parteiposition, kann den Gehalt (die Absicht, das Vorgehen) der Reform dazu benutzen, um zu erkennen, dass der Sozialismus, so wie er unreformiert ist, eine andere Erklärung als die einer Warenproduktion verlangt.

Damit ist dann klar, dass das reale Preissystem der Planwirtschaft nicht das schlechtere Preissystem für die Warenproduktion innerhalb der sozialistischen Planwirtschaft ist, sondern das richtige (notwendige) für die Planwirtschaft, und seine Ersetzung durch das richtige Preissystem einer Warenproduktion nur die Revision der Planwirtschaft bedeuten kann.

Damit hat sowohl der Revisionismus im Sozialismus wie die Verteidigung des Sozialismus gegen den Revisionismus auch eine Form, die zu verteidigen ist: Es ist das jeweilige Preissystem. Preissystem der Planwirtschaft und Preissystem der Warenproduktion sind entgegengesetzte Systeme. Planwirtschaft und Reform der Planwirtschaft verhalten sich zueinander wie Sozialismus und Anti-Sozialismus.

Es kommt darauf an, die Reform, d.h. die „Theorie der sozialistischen Warenproduktion“, wieder aus dem Sozialismusverständnis der Arbeiterbewegung zu verdrängen; sie ist bürgerliche Revision des Sozialismus.[5] Man muß das klar aussprechen, weil ohne es klar auszusprechen kein sozialistisches Bewußtsein erneut entstehen kann - heute also nur auf dem Boden des Antirevisionismus. Aber das ist Anti-Reform. D.h. der Antirevisionismus, die bewußte Verteidigung der Revolution als Anti-Reform setzt erst ab sagen wir Mitte der 50er Jahre in der Sowjetunion ein, und sie gilt gegen alle Reformen aller sozialistischen Länder (gilt nur nicht gegen die Vorgeschichte, die zur Errichtung einer geplanten Wirtschaft geführt hat).

Nun zu den beiden Positionen in den Erwiderungen auf meinen Beitrag.

Ingeborg Böttcher verteidigt den Sozialismus, verteidigt ihn aber in der Form, wie er - hinsichtlich unseres Problems - verstanden worden ist: Als einerseits Planwirtschaft, aber verbunden mit einer wirklichen, also echten Warenproduktion. Geld ist Ingeborg Böttcher Wertmaß, das Produkt also Ware, Wert ist ihr notwendig Preis oder Preis notwendig Wertausdruck, das Wertgesetz wirkt noch, bei ihr über den Sozialismus hinaus (wenn auch „eingesperrt im Großrechner“) usw. - das erscheint an vielen Textstellen. In dieser Symbiose - von Plan und Ware - ist der Sozialismus von den regierenden sozialistischen Parteien verstanden und theoretisch auch verteidigt worden, eine Position, die Ingeborg Böttcher immer noch wahrnimmt, und die ich als den exzellenten Widerspruch zwischen Theorie und Praxis des entwickelten Sozialismus betrachte[6]. Sofern sie mit dieser doppelten Form der Wahrnehmung des Sozialismus nicht einseitig die Position nur der Reform, der Kritik an der - „ungenügenden“, „unzureichenden“ usw. - Warenökonomie des Sozialismus wahrnimmt, betrachte ich das als gut und bedenke es mit Respekt. (Und an diesem Respekt - zugegeben mit einem „weinenden Auge“ - habe ich es all die Jahre in der DDR nicht fehlen lassen.) Aber sie nimmt dadurch auch nicht die Kritik am Revisionismus, an eben dieser Reform wahr - was sie als Person natürlich nicht muß. Aber sie steht wegen dieser Position für die Partei, und das gestattet es, über sie vermittelt uns (endlich) mit der Position der Partei auseinanderzusetzen. Die Partei hat immer so getan, als stünde sie - theoretisch - auf der Höhe der Zeit; sie, die SED (KPdSU etc.), nahm doch das Neue wahr - bei Ausnutzung noch des Alten. - Nein, sage ich, damit nahm sie das Neue falsch, in einem Widerspruch wahr. Sie war immer durch eine Reform „ergänzbar“, und das waren auch ihre Wissenschaftler, Politiker, bis heute.

Den Widerspruch der Kommunisten/der Partei - in dieser Frage - kann man nach zwei Seiten hin lösen; die Reform ist nur die eine.

Es reicht für den Marxismus nicht, nur eine/seine Meinung zu haben, er kann nicht neutral sein gegen jene, die ihm widersprechen. Wenn es neben seiner Auffassung von den Dingen noch andere gibt, muß er zu einer Stellungnahme zu diesen erweitert werden, man kann nicht so tun, als existiere man alleine auf der Welt; die Reform des Sozialismus ist die wichtigste Herausforderung des Sozialismus. Und hier war der Wunsch der Reform auf andere Praxis die Pflicht der Partei zu einer anderen Theorie, also entweder erweiterten oder direkt anderen Theorie. Aber... aber die Partei, in der SU also die KPdSU, in der DDR die SED usw., behandelte ihre Ökonomie, deren Kategorien, als solche der Warenökonomie; die Partei hätte sie - meine Meinung - als Kategorien der Nichtwarenökonomie, einer Bedarfsökonomie oder unmittelbar gesellschaftlichen Ökonomie behandeln müssen, dann hätte sie sich ökonomisch über die „Warenproduktion“ gestellt, d.h. auf den Boden ihrer anderen Ökonomie gestellt. So aber kam es zu einer anderen Reaktion, einer, die im Rahmen ihrer Widersprüchlichkeit hängen blieb. Sie orderte sich (wie schon aus der 1. Periode gewohnt) weiter politisch, als Subjekt, als Partei, als führende Rolle etc. über der Ökonomie - vielleicht jetzt etwas stärker als vor der Kritik durch die Reform -, als Partei, die mit „der Ökonomie“ auch in einen Konflikt geraten kann. Aber man muß mit der ökonomischen Reform ökonomisch in Konflikt geraten, und das war sie als Planwirtschaft. Das ist der springende Punkt. Dann hätte es eine revidierende Reform geben können, aber nur als Gegensatz; die andere Theorie der Praxis hätte die andere Reform sofort als Gegensatz erkannt. Aber die selbst als Warenproduktion bestimmte Theorie konnte nur einen Unterschied, keinen Widerspruch erkennen. Mehr wollte sie nicht sein, sie wollte ihre Unterschiede nicht zu ihrem Gegensatz entwickeln. Das ist - Koexistenz.

Koexistenz beim Aufbau des Sozialismus? Das kann es nicht geben, denn Koexistenz ist ein Verhältnis zwischen verschiedenen Systemen; es ist in einer Theorie, die für eine Planwirtschaft konzipiert ist, unterstellt, dass sie kein Verhältnis zu einem anderen, sondern nur zu ihrem eigenen System eingeht. (Warum sollte sie über Warenkategorien vermitteln müssen, entwickelt sie keine eigenen?) Es zeigt sich, dass eine falsche Theorie - der Arbeiter von sich selbst - die Partei der Arbeiter dazu bringen kann, aufzuhören zu kämpfen.

Es ist bekannt, dass das Bekenntnis der Partei zur Warenproduktion ebenso oft, allzu oft, zugleich ein Bedenken gegen die Warenökonomie (sprich: Marktwirtschaft[7]) war; d.h. der Ansatz zum Antagonismus - als Form der Lösung von Widersprüchen - war schon da, aber eben als einem solchen Antagonismus, der an ein Bekenntnis an seinen Gegensatz noch gebunden war. Das Problem des realen Sozialismus ist in dem einen Satz ausgedrückt, dass der Gegensatz zur Warenproduktion politisch betont wurde, aber nicht ökonomisch erkannt; (wobei das eine richtige Theorie für die Übergangsperiode ist; aber da deshalb richtig, weil es noch keine entwickelte Planwirtschaft gab, anders steht die Frage, wenn diese existiert). Die Ökonomie wurde so der Boden für zwei Theorien, d.h. der Boden der Partei wurde so der Boden für die Antipartei. Die Reform des Sozialismus konnte sich konstituieren - pro Bekenntnis und gegen die Bedenken. So wurde die Reform die bessere, die konsequentere Partei, wurde die Reform führend und die Revolution „konservativ“. Stalins, oder der Parteien, Triumph, den Sozialismus aufgebaut zu haben, kann nicht verdecken, dass er nicht hinreichend als Bruch verstanden wurde. „Stalin“ vorzuwerfen, dass er „brach“, kann vom Marxismus nur so beantwortet werden, dass er nicht genug brach. Der Beginn des Sozialismus war von vornherein mit einem ungenügenden Bewußtsein vom Sozialismus belastet. Wobei es nicht um Bekenntnis zu Zukunftsprojekten ging/geht, sondern um Theorie, die haargenau der Praxis entspricht; das Problem war zugleich ein gegenwärtiges (es schien eine Mittel-Diskussion zu sein, keine Ziel-Diskussion, am Ziel wurde ja „festgehalten“).

Warenökonomie ist ein warenökonomisches Subjekt, und eben nicht Partei und Arbeiterklasse als Subjekt. Dieses Fixieren in der Ökonomie auf Ware, aber ohne Subjekt, und in der Ebene der Leitung auf Partei - als ein noch schlechthin politisches Subjekt -, war die Voraussetzung für den Gegensatz, in den die Partei/Arbeiterklasse dann notwendig geraten mußte. In jeder wirklichen warenökonomischen Reform ist die Partei letztlich überflüssig, und im selben Verhältnis überflüssig wie das ökonomische Subjekt wieder markiert ist, das der Warenökonomie unmittelbar entspricht.[8]

Also: Ingeborg Böttcher fehlt nicht die Verteidigung des Sozialismus, sondern es fehlt bei ihr der Angriff auf die Reform (und er fehlt bei ihr nur, weil bei ihrer Partei, weil beim realen Sozialismus), der aber nur möglich ist, wenn nicht die Partei, der Staat, die Gesellschaft als „über die ökonomischen Kategorien gestellt“ sich darstellen - was übrigens typisch sein muß für die Symbiose von „Plan und Markt“ -, sondern als Ausdruck der ökonomischen Kategorien der anderen Gesellschaft. (Die Partei hatte sich einen falschen Widerspruch auf den Buckel geladen - und „entging“ ihm oder „löste“ ihn, indem sie ihre „führende Rolle“ in der Gesellschaft der Symbiose festschrieb; die Überhöhung der Partei in der Gesellschaft, überhaupt die „parteiliche Pädagogik“ (der ewige Bekenntnisritus, das Erscheinen von Schwäche im Sieg) konnte nur den Eindruck bekräftigen, dass die Ökonomie eigentlich eines anderen Subjektes bedurfte als dem der Partei/Staates oder Ideologie im allgemeinen: „inneren“ Subjekts statt „äußeren“, „Warenproduzenten“ statt „Politbüromitglieder“). Das Hervorheben der „führenden Rolle“ der Partei war nicht Ausdruck der Stärke, sondern der Schwäche, war bereits der Ausdruck der Abgabe der Macht der Partei „an die Gesellschaft“. „Das Volk“ schien anders.

Organisch gehört der gesellschaftliche Zentralismus zu einer anderen Produktionsweise als der der Warenökonomie, so dass er, wenn er der Warenökonomie als führendes Moment gegenübergestellt wird, immer deren Widerspruch provoziert. Um kein Widerspruch zu sein, muß der Zentralismus auf seine eigene Ökonomie zurückgeführt werden, deren Überbau er ist.[9]

Die geltende Auffassung oder herrschende Meinung der Partei war nicht revisionistisch, sie kam aber theoretisch der Reform, dem Revisionismus entgegen, ja, arbeitete ihm unbewußt (wirklich unbewußt?) in die Hände.

„Plan und Ware“ war geltende Meinung der Parteien, ist es aber nicht mehr mangels Parteien, deren Meinung sie sein kann - insofern ist der von Ingeborg Böttcher markierte Standpunkt auch ein von der Partei aufgegebener Standpunkt, ein Im-Stich-gelassener Standpunkt, bzw. es ist der Standpunkt keiner Partei mehr, weil von sozialistischen Parteien im wesentlichen der Übergang zur Position der Reform des Sozialismus vollzogen worden ist, der natürlich auch unserer Rezensentin - wegen des inneren Widerspruchs dieser Position - drohen kann. Die Revolution hat vor der Reform kapituliert. Weil auch diese Parteien von dem Wertverhältnis der Arbeit wie der Wertform ihrer Produkte ausgingen, wurden sie ansprechbar im Sinne der Reformen, die doch das, was in der Theorie „sowieso anerkannt war“, nur „etwas besser“, „richtiger noch“ ausgestalten wollten. Dass Ingeborg Böttcher also den Sozialismus „klassisch“ verteidigt, daher die Kritik an der Reform nicht in ihren Texten klar ausgesprochen wird (sie orientiert mehr auf die letzte Form, die Restauration oder Wende, d.h. erst mit dem Ende des Sozialismus begreift sie (wie die Partei) die Wende im Sozialismus), empfinde ich als das Problem ihrer/dieser Position. Sie ist als Position, worin der Sozialismus verteidigbar ist, überholt. Sie erklärt ja auch den Passivismus der sozialistischen Parteien bei Übergang zum formellen Ende des Sozialismus[10] und das (fast) völlige Übergehen der politischen Aktion auf die Kräfte der Reform. Der Sozialismus kann entweder nur noch als konsistente Warenökonomie wiederaufgegriffen werden, also a priori Reform sein - und bleiben, oder als konsequente, sich auf die Vorarbeit durch den realen Sozialismus stützende Negation der Warenökonomie konstituieren, also als bewußt beginnende Bedarfsökonomie (mit Geld). Es muß mehr Kommunismus - der Theorie nach - in den Sozialismus hinein.

Dagegen kommt in der Position von Andrea Schön und Gerald Hoffmann im Unterschied zu Ingeborg Böttcher die Kritik an der Reform, am inneren Revisionismus in Bezug auf die Planwirtschaft des Sozialismus klar zum Ausdruck, die Reformen für mehr Warenproduktion werden als antisozialistisch (revisionistisch) eingestuft[11], aber ... beide Autoren übertreiben nach meiner Auffassung in der Frage der praktischen Durchsetzung der Reform. Sie erheben, was nur Widerspruch, noch nicht Bruch war, schon zum Bruch (des Sozialismus mit sich selbst). Der Sozialismus war rein seiner Praxis nach nicht so weit revidiert, wie sie ihn revidiert wähnen. (Siehe dazu ihre Fußnote 102[12]) D.h. er war im wesentlichen noch sozialistisch. Es muß einen wesentlichen Unterschied in unserem Verhältnis zum realen Sozialismus machen, ob wir von der Reform als einer Theorie oder einer Praxis ausgehen. Es besteht die Gefahr einer durch das Aufwerfen der Revisionismusfrage entstehenden Entfremdung gegen den realen Sozialismus, wenn sie bereits gegen seine Praxis, nicht nur gegen seine Theorie gerichtet ist, so daß das Aufwerfen der Revisionismusfrage für den Sozialismus zwar richtig ist, und zugleich falsch werden kann. D.h. sie operiert bereits mit Eindeutigkeiten, wo es erst noch um das Erkennen von Ambivalenzen geht (und statt uns praktisch verteidigen, verteidigen wir uns personell). Der Sozialismus ist nicht gleich Revisionismus, weil es revisionistische Theorien/Projekte gibt. Man muß also nicht bis auf Stalin zurückdatieren, um den Sozialismus verteidigen zu können - wie das in den Texten von Andrea Schön und Gerald Hoffmann aufscheint (auch mit den Punkten, wo ich bereits von den Schwächen der theoretischen Analyse Stalins ausgehe; Stalins - wie auch ihr - Problem ist die Genossenschaftsfrage im Sozialismus), umgekehrt: weil wir den inneren Revisionismus wesentlich erst als theoretisches Problem erkennen (und erklären), muß man die Frage, wann der „Revisionismus“ begann, bis auf Stalin usw., also gleich den Beginn des Sozialismus resp. seiner Planwirtschaft vordatieren. Nicht „nach Stalin“ fing die revisionistische Praxis an, sondern mit Stalin bereits hing die Theorie des Sozialismus hinter der Praxis zurück! Und war deshalb im Sinne einer falschen Entwicklung (= Reform) auszudeuten. Um diesen Mut - zur Selbstkritik - bei der Verteidigung des Sozialismus wird gebeten.

Es gibt in der Position von Andrea Schön und Gerald Hoffmann die entwickelte Form der Kritik an der so genannten Reform, aber noch keine an der ambivalenten, nach zwei Seiten auslegbaren offiziellen Position der Partei, auch dann nicht, wenn - in ihrer Position - die Geschichte des Sozialismus bereits in eine Periode vor der Reform und eine ab/nach der Reform eingeteilt wird. So dass trotz der Kritik am Revisionismus der Reformen oder eben dieser zweiten „Periode“ - die praktisch unberechtigt, aber theoretisch absolut berechtigt/richtig ist - keine Kritik an der Position einer „ersten Periode“, also der offiziellen Theorie, erfolgt, was praktisch auch unberechtigt gewesen wäre, theoretisch aber relativ berechtigt gewesen wäre. (Im Gegenteil, diese Position verteidigen Andrea Schön und Gerald Hoffmann im Großen und Ganzen als die in der Theorie wie Praxis richtige Position, d.h. Plan und Ware sind auch bei ihnen weitgehend berechtigt.[13] Nur die Reform ist bei ihnen eben unberechtigt; „Plan und Ware“ bei Stalin sind bei ihnen nicht dasselbe wie „Plan und Ware“ bei Ulbricht, Kossygin und Nyers usw., eben in den Reformen.)

Wir brauchen dagegen eine Kritik an der Reform, in der die ungenügende Analyse des Sozialismus durch die Linken oder durch die Revolution selbst - als der theoretischen Voraussetzung der Kritik des Sozialismus durch die Rechten - mit einbezogen, also nicht ausgeschlossen ist. Der Sozialismus darf nicht so tun, als bedürfe er keiner Kritik, als bedürfe der Kritik nur die Reform. Es gibt nicht nur eine rechte Kritik wie rechte Reform am Sozialismus, sondern auch eine linke Kritik (und Reform) am Sozialismus (oder meinetwegen „an Stalin“; dazu habe ich mich ja auch geäußert, was das für eine Kritik ist. In „Offensiv“ 12/2003). Es gibt keine Entwicklung des Sozialismus oder Marxismus („zu neuen Höhen“), ohne dass die linke Kritik am Sozialismus konstituiert wird (was im übrigen nichts mit „linker“ Kritik am Sozialismus zu hat, Trotzkismus etwa. Der Trotzkismus ist das (russische) Relikt Bakunins. Aber bei uns geht es um Verständnis des Zentralismus, das Fassen der Gesellschaft als Gesamtheit).

Die Praxis der Reform, des Revisionismus in der Frage der Warenproduktion (oder rein des wertökonomischen Preissystems, wie ich hier angemerkt habe) hat nicht stattgefunden, liebe Andrea und lieber Gerald (sehen wir mal von der jugoslawischen Selbstverwaltung ab, aber sie ist ja immer als ein Unterschied im Wesen betrachtet worden). Es hat nie ökonomische „Selbstständigkeit“ der Betriebe im Sinne der Reform gegeben, zumal wenn es um waren- wie wertökonomische Selbstständigkeit gehen soll, wie am Preis- und Geldsystem sehr leicht nachzuweisen ist. Dass immer so getan wird, als haben wir es bei der Reform bereits mit einer Praxis zu tun, gehört mit zu der Absicht der Reformer, sich gegen den realen Sozialismus über Gebühr, d.h. gerade ohne ihre Praxis, also rein theoretisch, rein ihre Theorie aufzuwerten. Es bleibt dem Marxismus (oder Mitgliedern, besonders den langjährigen, sozialistischer Parteien), sich zum realen Sozialismus praktisch zu bekennen. Der Revisionismus der Reform ist wesentlich über eine theoretische Form - zu der ich den Widerspruch der zentralistischen Verteidigung der Planwirtschaft zähle, also die offizielle Auffassung vom Sozialismus als einer Planwirtschaft verbunden mit einer besonderen Form der Warenproduktion (denn auch diese Auffassung ist revisionistisch) - nicht hinausgegangen.

Es geht um die Wiederherstellung des Sozialismus-Verhältnisses sozialistischer resp. kommunistischer Parteien bzw. von Parteien dieses Verhältnisses. Bestehende Parteien sind orientierungslos, solange sie die Spaltung im Sozialismus nur auf die eine oder andere Weise reflektieren, aber eben nicht verarbeiten. Die eigene, innere Verunsicherung ist nach außen getragen worden, aus den kommunistischen Parteien im Sozialismus in die kommunistischen oder sozialistischen Parteien im Kapitalismus. Während die einen verschwunden, sind die anderen geblieben. Dass sie aber geblieben, heißt auch, dass in ihnen der Revisionismus des Sozialismus überdauert. Bei ihnen ist das Problem hängengeblieben, die Frage der Warenökonomie im Sozialismus - ob hier eine kommunistische Entwicklung möglich oder eine bürgerliche Revision notwendig ist - zu klären. Davon hängt ihr Grad der Kritisierbarkeit noch der kapitalistischen Gesellschaft ab. Und deshalb ist das auch zu unserem Thema, Thema im „Offensiv“, geworden.

Wird die Reform des Sozialismus dem Sozialismus ebenso zugeschlagen wie seine planwirtschaftliche Form, wird nicht die Reform als Gegensatz, als Ausschluß von Sozialismus und Antisozialismus empfunden, im Gegenteil: Weil sich die „Hardliner im Politbüro“ der „Reform verweigerten“, sind sie die Antisozialisten und tragen sie die Schuld, dass der Sozialismus einen Zusammenbruch erfuhr. Es hat eine völlige Umkehrung in den Verhältnissen stattgefunden: Als revolutionär gilt nicht, wer es war, sondern wer sich „reformieren“ („bessern“) will. (Und das gilt im weitesten Sinne immer seinem Verhältnis zum Kapitalismus; was Revision des Verhältnisses zum Sozialismus war, wird Revision des Verhältnisses zum Kapitalismus; der die kommunistischen Parteien von heute (wesentlich Europa) ergreifende Prozess der Überprüfung aller Werte der Partei - als Partei wie als Verhältnisse, die die Agitation im Kapitalismus betreffen - sind nichts als die Auswirkungen, ja, Umsetzungen der Revision des Verhältnisses der sozialistischen Parteien zum Sozialismus). Wollten wir allerdings das wahre Verhältnis wieder herstellen, geht das nur, wenn mit einer erweiterten Theorie über den realen Sozialismus.

In diesem Sinne kann der Sozialismus wiederkommen ohne wiederholt zu werden.

Das Resümee der drei vorgestellten Beiträgen zu dieser Thematik ziehend möchte ich sagen, dass sie alle, dem Wesen nach, das Prädikat einer Verteidigung des realen Sozialismus gegen seine warenwirtschaftliche Reform verdienen - in den drei geschichtlichen Varianten, die als seine Verteidigung gelten können: 1. einer Verteidigung der Planwirtschaft (oder des Sozialismus bzw. DDR, UdSSR usw.) in all ihrer realen Schwäche, ohne explizite Kritik an der rechten Reform, ohne sie allerdings zu teilen, 2. einer Verteidigung der Planwirtschaft mit einer solchen Kritik, aber nicht verbunden mit einer Kritik auch an der theoretischen Schwäche der ersten Variante als einer Voraussetzung der Reform, die also die falsche Auffassung einer Einheit von Plan und (sozialistischer) Ware nicht in die Kritik mit einbezieht - was ihren Fortschritt oder Stärke über die erste Variante hinaus halbiert, und die 3. Variante, die eben die Einheit beider Kritiken ist; sie allein zieht nicht nur einen Schlußstrich unter die Reform, sondern auch unter die Symbiose von Plan und Reform (Ware). Die erste Position muß verlassen werden, sie kann nicht mehr als der Ausgangspunkt der Analyse sein, die zweite Position darf nicht schon für die Theorie genommen werden, in der sich der Blick auf den Sozialismus erweitert. Als nur nach außen, gegen die Reform gerichtete Position überwindet sie nicht den Widerspruch in der inneren Art/Anlage, der bisherigen Auffassung vom Sozialismus selbst. Eine Kritik an einer Sache kann sich nicht darin erschöpfen, dass sie die Sache nicht macht (mitmacht), sie muß andere Sache sein. Womit sich die Frage, was denn ein „Kardinalfehler“ ist, wo er denn liegt (siehe Andrea Schön und Gerald Hoffmann auf Seite 56 in 13/03), etwas anders beantwortet. Der eigentliche „Kardinalfehler“ ist natürlich die Reform. Einen schlimmeren Fehler als den, von noch keiner Realität des Sozialismus zu sprechen, weil erst die warenökonomische Reform sie sein soll, kann es nicht geben. Dieser „Fehler“ stellt dadurch die utopische Form für den Sozialismus wieder her, weil er alles, was objektive Realität sein kann, auf die bürgerliche gesellschaftliche Form zurückwirft. In der Verteidigung gegen diesen „Kardinalfehler“, deren passive und deren aktiven Formen, dagegen sehe ich keinen Fehler; es gibt in ihr nur Stufen der Konsequenz; es gibt ein Zurückbleiben der Theorie hinter der Praxis, aber das ist ja nun ausgesprochen.

Schließlich: Der eigentliche Fortschritt der bisherigen Debatte besteht nicht darin, dass nun offen von der Reform als Revisionismus gesprochen wird - obwohl das auch ein Fortschritt ist: der zweite -, sondern dass von einer anderen, höheren, kommunistischeren Praxis - und deshalb Theorie - der Planwirtschaft gesprochen wird, ihrer eigentlichen. Ein Revisionismus im Sozialismus (in Sachen Warenökonomie) ist genetisch gesehen erst zu bestimmen, wenn eine höhere Form des Kommunismus praktisch bestimmt werden kann, d.h. ein Revisionismus im Sozialismus kann gar nicht vor, sondern nur innerhalb seines sozialistischen Stadiums, also erst nachdem die Planwirtschaft begonnen hat, bestimmt werden. (Das erklärt auch, dass der Revisionismus nach Stalin beginnt, und nicht zu seiner Zeit, es sich bei der Reform auch um keinen „Verrat“ an Stalin handeln kann - sondern ein Fehler in der Diagnose an sich hat sich ausgelebt.) Dass der Revisionismus „so spät“ im Sozialismus, so weit nach der politischen Form der Revolution auftritt, drückt auch eine historische Entwicklung des Sozialismus aus, und nicht etwa einen Rückfall der Revolution in ihre Voraussetzung oder gar den Zerfall wieder des Sozialismus, worauf ja auch - im Übereifer der Reformer - geschlossen worden ist. Der Reformismus/Revisionismus sieht sich sehr gern durch die „Stagnation des Dogmatismus“ bestätigt, er braucht die „Fehler“ der Anderen, um selber als „richtig“ zu erscheinen. Erst mit der Bestimmung des Sozialismus als Planwirtschaft hat der Kommunismus ein Maß, woran er auch seine Gegensätze, also Revisionistisches bis hin zum wirklichen Revisionismus, messen kann - oder seine Gegensätze sich an ihm -, vorher ist Antirevisionismus/Revolution (in Bezug auf die „Warenproduktion“) eine theoretische Ambition, die praktisch nicht belegt werden kann. D.h. unter der Bedingung, dass noch von keiner kommunistischen Praxis die Rede sein kann, kann auch das Gegenteil des Kommunismus Kommunismus sein.[14] Oder soll ich besser sagen: Ein Fortschritt für die Menschheit sein? Vielleicht ist das besser, weil das unsere Ambivalenz erklärt, einerseits unser sehr schnell wechselndes Verhältnis zu uns selbst, d.h. zu den verschiedenen „Perioden“ des Übergangs zum Sozialismus, im allgemeinen aber unser Verhältnis überhaupt zur Privatgeschichte der Menschheit relativiert; wir dürfen diese nicht ablehnen, weil wir nur über sie zum Kommunismus gelangen. Absolute Negationen können erst die Folge der relativen Negationen sein (deren Kehrwert - Ergänzung, fehlender Teil - ja die relative Bejahung ist).

Aber über diesen Stand waren wir ja hinaus.

Das Zögern der Kommunisten vor einem theoretischen Paukenschlag hat seine Ursache in der Furcht, den Kommunismus vor dem allgemeinen Wohlstand zu deklarieren. Das hat zur Folge, dass wir die qualitativen Faktoren beim Aufbau des Kommunismus unter- und die quantitativen überbewerten, der Kommunismus wird auf eine Entwicklung der Produktivkräfte reduziert. Bevor diese nicht entwickelt sind - kein Kommunismus.

Falsch daran ist, dass es im Kommunismus von Anfang an, mit jedem Schritt in eine höhere gesellschaftliche Produktivität, um allgemeine Aneignung des Produzierten geht, nie um exklusive. Und diese allgemeine Form der Aneignung, die der exklusiven in Eigentumsgesellschaften diametral entgegensteht, hat der Kommunismus von seinen Verhältnissen her, nicht seinen Produktivkräften. Deshalb ist es richtig von kommunistischen Verhältnissen des Sozialismus von Anfang an zu sprechen, und nicht erst von jenen Produktivkräften als kommunistisch, auf die er noch eine Weile hin zu arbeiten hat. Man ist also gut beraten, wenn man von der Reform des Sozialismus - die nichts als der Versuch ist, die „Zwischenperiode“ zu überspringen: für Wenige - nur redet, aber nie handelt. Die Revolution muß ihren Anfang - oder Widerspruch - einfach aussitzen.

*

Die Eigenart eben jenes Sozialismus (des Kommunismus) ist, dass sich, statt „ruhigen Schrittes“ zum Kommunismus zu „marschieren“, eine Zweiteilung der Auffassung vom Sozialismus, der ersten Phase des Kommunismus herausgebildet hat. Viel gravierender als bei Marx vermutet, der nur an einen Übergang unentwickelt Gleichen zu entwickelt Gleichen dachte, aber nicht an einen handfesten Gegensatz. Es stellt sich bei der Frage nach einer tiefer liegenden Ursache dieser Zweiteilung das Problem einer nochmaligen, auch im Sozialismus, nach Aufhebung des Privateigentums möglichen Teilung der Gesellschaft in zwei „Klassen“, in eine Klasse mit größerer Berechtigung auf ökonomischen Fortschritt (schnelleren Kommunismus), und eine Klasse mit geringerer Berechtigung auf die Aneignung des gesellschaftlichen produktiven Fortschritts, denn nichts anderes steckt im Sozialismus (!) hinter der Frage von Waren- und Nicht-Warenproduktion. Denn für eine Nicht-Warenproduktion kann man nur die Frage der Gleichheit stellen (alle sind selbe Eigentümer), für eine Warenproduktion aber stellt sich die Frage der Differenz (alle sind unterschiedlich Eigentümer). Das ganze Geheimnis dieser Debatte ist gelüftet, wenn klar ist, dass es darum geht, ob der Gleichheitsgedanke des Kommunismus noch einmal historisch vertagt werden soll, und der Unterschied zur ersten Sozialdemokratisierung der Arbeiter, in der sich der „aristokratische“ Teil der Arbeiter direkt der bürgerlichen Klasse unterstellt, der ist, dass sich in der zweiten dieser Teil selbst zu einer quasi bürgerlichen Klasse erhebt.

Wie verhält sich unter dieser Bedingung einer inneren Spaltung der bis dato „einheitlichen“ (weil zugleich unentwickelten) sozialistischen Gesellschaft der Marxismus? Verschwindet er (zurück in den Kapitalismus, so dass er nur hier wiederbelebbar ist), oder spaltet er im Sozialismus auch auf (wie bisher jede geschichtliche politische Idee)? D.h. wird er Gegensatz in der Politik? Und wie wirkt sich das auf die Gesellschaft, auf die Arbeiterbewegung aus? Geht sie geschlossen auf die neue Position über oder spaltet sie ebenfalls auf? Oder wird der Marxismus bleiben, aber nur unter der Bedingung, dass er doppelt kritisch wird? Kritisch zum Kapitalismus und kritisch zum „Sozialismus“, so dass sein gesellschaftliches Bekenntnis noch unbefriedigt ist, er im wesentlichen noch immer erst ein theoretischer Marxismus ist? Und Politik über Marxismus hinausgeht?

Natürlich müssen wir uns der Frage stellen, ob es nach der Aufhebung des Privateigentums zu einer Geschichte der Wiederholung des Privateigentums - oder vielleicht besser: Privilegierung - kommt, jetzt an den Konsumtionsmitteln statt an den Produktionsmitteln, aber bei „Begründung durch die Produktionsmittel“, was die Eigentumsfrage - oder eben Warenökonomie - erneuert. Und wie dem begegnen, zunächst durch marxistische Theorie, danach sozialistische Praxis. Oder vielleicht durch besondere Diktatur in der eigenen Klasse.

Will man heute Marxist sein, muß man sich zu dieser nicht erwarteten Entwicklung verhalten, und nun entweder positiv oder „negativ“. Es bringt nichts, dass man nur Bekanntes wiederholt. Unsere Geschichte ist neuer Historismus und bedarf neuer Theorie.

Wir müssen besser, richtiger über diesen Gegenstand diskutieren als im Sozialismus über ihn diskutiert worden; wir müssen - höchstes Ziel - im Kapitalismus, also heute und morgen, zur Klarheit über diese Frage kommen, die eine vergangene schon war, in Wahrheit eine zukünftige aber ist. Bevor es wieder zum Sozialismus kommt, müssen wir per Theorie - die auf der Praxis des Sozialismus beruht - die Frage der Warenproduktion, des Abschieds von ihr (oder des Nichtabschieds von ihr) - klären. Wir müssen heute debattieren, um den künftigen Sozialismus frei von dieser Debatte zu machen. Experimente sind einmal gut - auch falsche, aber nicht zweimal gut. Es handelt sich um eine theoretische programmatische Diskussion für eine Praxis von morgen. Wir können uns geschichtlich so umgekehrt verhalten, weil wir in richtiger Folge - erst Praxis, dann Theorie - vorgehen. In dieser Debatte befindlich, sind wir im Sozialismus befindlich, denn es war eine Debatte des Sozialismus, und indem wir sie aufgreifen, verlassen wir den Sozialismus nicht, sondern befinden wir uns mitten in ihm. Unsere Beständigkeit in der Frage des Sozialismus beweisen wir, indem wir diese Debatte führen.

                                                                                                                                Harmann Jacobs, Berlin


Ingeborg Böttcher: Hallo Andrea und Gerald, was ist eigentlich Euer Anliegen?

Ihr habt also in unserer Diskussion Kardinalfehler bei der Bestimmung von Grundkategorien der politischen Ökonomie festgestellt, die nach Eurer Meinung der grundsätzlichen Klärung bedürften, aber weniger den Autoren Jacobs/Böttcher, als vielmehr dem revisionistischen Paradigmenwechsel in der UdSSR 1965 anzulasten wären, womit viel Verwirrung in die politische Ökonomie des Sozialismus hineingetragen worden sei, was sich verheerend in der ökonomischen Praxis ausgewirkt hätte. Ihr springt dann unter Mißachtung chronologischer Reihenfolgen der Ereignisse davor, sofort in die Perestroika und konzentriert Euch deshalb auf die nach Eurer Meinung leider auch in der DDR-Forschung Einzug gehaltenen wichtigsten theoretischen Verzerrungen. Was ist das für ein Unsinn. Nach der inzwischen gelesenen Arbeit von Gerald über Voraussetzungen und Ergebnisse würde ich eigentlich mehr Sachlichkeit und Berücksichtigung konkreter historischer und politischer Zusammenhänge voraussetzen.

Zum Thema würde ich außerdem erwarten, daß Ihr von dem wirklichen Paradigmenwechsel in der sozialistischen Staatengemeinschaft Europas, veranlaßt durch den Wechsel nach dem Tod Stalins 1953, dem Deal der Geheimrede im Anschluß an den XX. Parteitag der KPdSU 1956, sowie der 15 Jahre später aus dieser neuen Richtung resultierenden Absetzung Walter Ulbrichts und des NÖS 1971 in der DDR, aufgrund autoritärer Maßnahmen Moskaus, neben serienweise hier nicht zur Sprache kommenden ähnlichen Vorgängen im gesamten RGW-Bereich, ausgeht und schließlich zur Thematik auf dem Laufenden seid, indem Ihr die Publikationen der letzten Jahre besonders der Marxistischen Blätter, so die Arbeiten in Heft 4-97, von Gerns, Kalt und Szameitat, der Vollständigkeit halber auch zu Epoche, Menschheit und Imperialismus von Sohn, besonders empfehlenswert aber die ausführliche Arbeit von Professor Doktor Ulrich Huar in den Weißenseer Blättern, Hefte 1 bis 3/98, kennt.

1. Epoche, Imperialismus, Proletariat, Menschheit.

Um diese Gedanken zu erhärten, erlaube ich mir, Manfred Sohn aus den o.a. Literaturstellen, (MBL 4-97, Seite 63), zu zitieren: „Nun wäre es albern, so zu tun, als wäre der Imperialismus von 1997 noch derselbe wie der von 1916. Was ist neu? (..) Neu ist vor allem, daß die Entwicklung der technischen Seite der Produktivkräfte die Selbstvernichtung der Menschheit doppelt und vielleicht sogar dreifach ermöglicht. – Anders als 1916 ist die Menschheit seit 1945 in der Lage, sich nicht nur als Zivilisation, sondern als Gattung selbst zu vernichten. Dafür steht Hiroshima. - Sie ist seit ungefähr 1970 in der Lage und dabei, die natürlichen Grundlagen ihrer - wahrscheinlich nicht biologischen, aber zivilisatorischen – Existenz nachhaltig so zu vernichten, daß ein „point of no return“  absehbar ist. Dafür stehen Bophal, Tschernobyl und die Prognosen des Club of Rome. – Sie hat seit Februar 1997 der realen Möglichkeit ins Auge gesehen, sich selbst zu klonen und damit die genetische Individualität der einzelnen Menschen als ein Bestimmungsmerkmal der Gattung Mensch zu eliminieren. Dafür steht Dolly, das Schaf. (..) Neben dieser elementaren Möglichkeit der Selbstvernichtung (..) die Umwandlung eines immer größeren Teils der industriellen Reservearmee in ein wachsendes stehendes Heer von Überflüssigen (..) angedeutet in dem Marxschen Hinweis auf massenhaft entstehende „konsolidierte Überbevölkerung“. (MEW 23, S. 673)

Epochen sind nach dem Lexikon Zeitabschnitte, die unter dem Aspekt besonderer historischer Ereignisse und Vorgänge ihre Definition erhalten. Zu solchen gehört u.a. die Epoche des Imperialismus als höchstem Stadium des Kapitalismus, die aufgrund schärfster sozialpolitischer Widersprüche weitgehend mit der des revolutionären Überganges vom Kapitalismus zum Sozialismus zusammenfällt. Die hier nach der Konterrevolution in Europa neuerdings zunehmend schneller sich ereignenden gravierenderen Eruptionen gesamtgesellschaftlicher Strukturen in der Welt stellen den revolutionären Kampf der proletarischen und kolonialen Bewegungen national wie international vor immer brisantere Probleme.

Habt Ihr Euch wirklich darüber noch keine Gedanken gemacht, in welche Aussichtslosigkeit heute das Proletariat zunehmend gestoßen wird, es längst nicht mehr das ist, wie Marx, Engels und Lenin es kannten, inzwischen ein weltweites Milliardenheer Ausgestoßener, die nicht nur in Folge der Niederlage des Sozialismus in Europa, sondern auch durch den zunehmenden massenhaften Ausstoß aus dem Arbeitsprozeß in den Metropolen des Imperialismus, an proletarischer Substanz verlieren und außerdem mittels der modernen Kommunikationsmittel in der Hand der Weltbeherrscher bis hinter den letzten Winkel dieser Erde ideologisch konfus manipuliert werden, so daß der zwischen den Systemen immer krimineller tobende Klassenkampf durch die Ereignisse, an seiner Hauptsubstanz, dem proletarischen Internationalismus verloren hat und so der Siegeseuphorie des Imperialismus, der dazu übergeht seine spezifische Weltordnung auf sehr gefährliche Art zu manifestieren, gespalten und zerstritten gegenüber steht?

Daß die Arbeiter und Bauern generell, aber zur Zeit schon bis an die zurück gebliebensten Stellen der Welt, wo die unerträglich gewordenen Widersprüche zum verzweifelten Existenzkampf zwingen, diesen auf sich allein angewiesen, also partiell, bildlich gesehen mit der Machete, überdimensionaler Bewaffnung gegenüber stehen.?

Die Waffe der Kritik kann die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muß gestürzt werden, durch materielle Gewalt, allein auch die Kritik wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift. (Karl Marx, zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, ME/AW in VI Bd., Dietz Verlag 1975, Bd. I, S.18 / das heißt: nicht streiten, sondern Marxismus verbreiten. )

Zerstritten, gespalten, bis auf wenige Ausnahmen in die Defensive geraten, eine solche Arbeiterklasse, den Angriffen und hemmungslosen Repressionen des Imperialismus ohnmächtig ausgeliefert, kann tatsächlich in eine Alternative zwischen Sklaverei bzw. Urgesellschaft, oder zusammen mit der ganzen Menschheit in ein unumkehrbares Ende geraten, wenn sich nicht Marxisten in aller Welt endlich einig werden. Man muß sich fragen, wann und wie dieser Rückschlag behoben, die revolutionäre Kraft wieder erlangt dieser Gefahr wirksam entgegentreten und sie schließlich überwunden werden kann. Schlimm ist es, wenn sogar Marxisten, oder die es sein wollen mit einer Arroganz über einander herfallen daß es einem die Sprache verschlagen möchte. Das geht sehr wohl in letzter Konsequenz die ganze Menschheit, abgesehen von den im Verhältnis dazu wenigen Superimperialisten, etwas an (Hierzu einige Klassikerstellen, da ich es für klüger halte, sie statt meiner sprechen zu lassen):

Erstens: (Definition Lenins zur Einordnung des modernen Proletariats:) Was bedeutet aber „Aufhebung der Klassen“? Alle die sich Sozialisten nennen, erkennen dieses Endziel des Sozialismus an, aber bei weitem nicht alle denken sich in seine Bedeutung hinein. Als Klassen bezeichnet man große Menschengruppen, die sich voneinander unterscheiden nach ihrem Platz in einem geschichtlich bestimmten System der gesellschaftlichen Produktion, nach ihrem (größtenteils in Gesetzen fixierten und formulierten) Verhältnis zu den Produktionsmitteln, nach ihrer Rolle in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit und folglich nach der Art der Erlangung und Größe des Anteils am gesellschaftlichen Reichtum, über den sie verfügen. Klassen sind Gruppen von Menschen, von denen die eine sich die Arbeit einer anderen aneignen kann infolge der Verschiedenheit ihres Platzes in einem bestimmten System der gesellschaftlichen Wirtschaft. (Lenin, Werke Band 29, S.410, Dietz Verlag 1976)

Zweitens:

Das Proletariat ergreift die öffentliche Gewalt und verwandelt Kraft dieser Gewalt die den Händen der Bourgeoisie entgleitenden gesellschaftlichen Produktionsmittel in öffentliches Eigentum. Durch diesen Akt befreit es die Produktionsmittel von ihrer bisherigen Kapitaleigenschaft und gibt ihrem gesellschaftlichen Charakter volle Freiheit, sich durchzusetzen. Eine gesellschaftliche Produktion nach vorbestimmtem Plan wird nunmehr möglich. Die Entwicklung der Produktion macht die fernere Existenz verschiedner Gesellschaftsklassen zu einem Anachronismus. In dem Maß wie die Anarchie der gesellschaftlichen Produktion schwindet, schläft auch die politische Autorität des Staats ein. Die Menschen, endlich Herren ihrer eigenen Art der Vergesellschaftung, werden damit zugleich Herren der Natur, Herren ihrer selbst – frei. Diese weltbefreiende Tat durchzuführen, ist der geschichtliche Beruf des modernen Proletariats Ihre geschichtlichen Bedingungen und damit ihre Natur selbst, zu ergründen und so der zur Aktion berufenen, heute unterdrückten Klasse die Bedingungen und die Natur ihrer eigenen Aktion zum Bewußtsein zu bringen, ist die Aufgabe des theoretischen Ausdrucks der proletarischen Bewegung, des wissenschaftlichen Sozialismus.

(Karl Marx, Friedrich Engels/Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, letzter Absatz, ebd. Bd. V, S.476/77 oder Werke Band 19, S.227/228)

Drittens:

Wenn das Proletariat siegt, ist es dadurch keineswegs zur absoluten Seite der Gesellschaft geworden, denn es siegt nur, indem es sich selbst und sein Gegenteil aufhebt. Alsdann ist ebensowohl das Proletariat - wie sein bedingender Gegensatz, das Privateigentum verschwunden. (M/E,A/W in VI Bd., Bd. I, S.111 bis 115, Die heilige Familie, Kritische Randglosse Nr.II, ganz lesen!)

Woran glaubt Ihr mit kein Fußbreit? - An Wunder, an einen kommenden Tribun, oder an den Kampf der Widersprüche? Letzterer muß zur Lösung führen, benötigt aber Klarheit, Einigkeit und vereinigte Konsequenz der Aktiven. Wo sind sie aber, die vereinigten Heere? Sicher, man ahnt sie, es ist ein Entwicklungsprozeß in dem sich neue Qualitäten weltweiter Gegenbewegungen aufbauen könnten im Gange. Zur Zeit läßt sich aber noch wenig durchgreifende Strategie erkennen, Vorhandenes wird von vorgeblich Linken sogar auch noch negiert; und - was ist links? Viel Bewegung, aber verschwommene Ziele, reicht das für eine Weltrevolution? Ich bin weder Miesmacher noch Pessimist, aber unbedingt gegen alle Miesmacherei des ersten realen Sozialismus- Anlaufs, durch die die letzten Befürworter dieses Weges auch noch zum Aufgeben gebracht werden sollen.

2. Kapitalismus, Warenproduktion, Sozialismus und Grundkategorien der politischen Ökonomie,

Ihr werft leichtfertig mit dem Terminus idealistische Verformungen um Euch. Der Marxismus, auf den Ihr Euch ja des öfteren beruft, umfaßt nicht nur die Analyse der politischen Ökonomie, sondern insgesamt die Weltanschauung des historischen und dialektischen Materialismus. Marx, Engels, Lenin, haben ihr Lebenswerk nicht geschaffen, um der Nachwelt nur Analysen des Kapitalismus und Imperialismus zu hinterlassen, sondern um die Grundlagen herauszuarbeiten, mit denen die revolutionäre Bewegung für den Aufbau der alternativen Gesellschaft das nötige theoretische Rüstzeug erhält. Marx und Engels haben in ihren Schriften außerdem mehrfach durchblicken lassen, daß die zur Herstellung von Gebrauchswerten aufzuwendende gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit nicht nur im Kapitalistischen Gesellschaftssystem, sondern auch für die planmäßige sozialistische Produktion relevant ist.

Sowohl weder z.B. im Manifest noch in den Randglossen zum Gothaer Programmentwurf oder gar im Kapital habe ich ein Wort darüber gefunden, daß in jener Übergangsperiode der Diktatur des Proletariats, sofort die Warenproduktion abgeschafft sein müßte. Im Gegenteil. Im Kapital läßt Marx verschiedentlich durchblicken, daß nicht die Warenproduktion der springende Punkt für den Charakter der kapitalistischen Produktionsweise ist, sondern die Ausbeutung der Ware Arbeitskraft und die private Aneignung des daraus resultierenden Profits. Beides war im realen Sozialismus abgeschafft. Auch die noch vorhandenen genossenschaftlichen und privaten Produktionsbereiche unterlagen Gesetzen und Restriktionen der Diktatur des Proletariats, durch die beides zum Nutzen der Gesamtgesellschaft planmäßig eingeschränkt war.

Nun zu den Grundkategorien:

Erstens:

Die Aufteilung des gesellschaftlichen Gesamtprodukts (im Sozialismus, für die Marx mit Sicherheit Planmäßigkeit voraussetzte). Das gleiche Recht ist hier daher immer noch – dem Prinzip nach – das bürgerliche Recht, obgleich Prinzip und Praxis sich nicht mehr in den Haaren liegen, während der Austausch von Äquivalenten beim Warenaustausch nur im Durchschnitt, nicht für den einzelnen Fall existiert. (ME/AW in VI Bd./Bd. IV, S.388/ Karl Marx, Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei, unter 3.) Auch die nachfolgenden Textstellen der Klassiker sind geeignet, diese Inhalte nachzuweisen,.

Zweitens:

Ein Gebrauchswert oder Gut hat also nur einen Wert, weil abstrakt menschliche Arbeit in ihm vergegenständlicht oder materialisiert ist. Wie nun die Größe seines Werts messen? Durch das Quantum der in ihm enthaltenen „wertbildenden Substanz“, der Arbeit. Die Quantität der Arbeit selbst mißt sich an ihrer Zeitdauer, und die Arbeitszeit besitzt wieder ihren Maßstab an bestimmten Zeitteilen, wie Stunde, Tag u.s.w. (MEW Band 23, S.53)

Drittens:

Es ist also nur das Quantum gesellschaftlich notwendiger Arbeit oder die zur Herstellung eines Gebrauchswertes gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, welche seine Wertgröße bestimmt. (MEW Bd.23, S.54)

Viertens:

In der Gesamtheit der verschiedenartigen Gebrauchswerte oder Warenkörper erscheint eine Gesamtheit ebenso mannigfaltiger, nach Gattung, Art, Familie, Unterart, Varietät verschiedener nützlicher Arbeiten – eine gesellschaftliche Teilung der Arbeit. Sie ist Existenzbedingung der Warenproduktion, obgleich Warenproduktion nicht umgekehrt die Existenzbedingung gesellschaftlicher Arbeitsteilung. (MEW Bd. 23, S.56) Mit diesem Zitat habt Ihr übrigens eine Eurer Behauptungen selbst widerlegt!

Fünftens:

 In einer Gesellschaft, deren Produkte allgemein die Form der Ware annehmen, d.h. in einer Gesellschaft von Warenproduzenten, entwickelt sich dieser qualifizierte Unterschied der nützlichen Arbeiten, welche unabhängig voneinander als Privatgeschäfte selbständiger Produzenten betrieben werden, zu einem vielgliedrigen System, zu einer gesellschaftlichen Teilung der Arbeit. (MEW 23, S.57) (Seite 56 und 57, zwei unterschiedliche Aspekte der Arbeitsteilung: der erste als Voraussetzung, der zweite als Spezialisierung zwischen den privaten Produzenten)

Sechstens:

Die Gleichheit der menschlichen Arbeiten erhält die sachliche Form der gleichen Wertgegenständlichkeit der Arbeitsprodukte, das Maß der Verausgabung menschlicher Arbeitskraft durch ihre Zeitdauer erhält die Form der Wertgröße der Arbeitsprodukte, endlich die Verhältnisse der Produzenten, worin jene gesellschaftlichen Bestimmungen ihrer Arbeiten bestätigt werden, erhalten die Form eines gesellschaftlichen Verhältnisses der Arbeitsprodukte. (..)  Dagegen hat die Warenform und das Wertverhältnis der Arbeitsprodukte, worin sie sich darstellt, mit ihrer physischen Natur und den daraus entspringenden dinglichen Beziehungen absolut nichts zu schaffen. (..) Gebrauchsgegenstände werden überhaupt nur Waren, weil sie Produkte von einander unabhängig betriebener Privatarbeiten sind. Der Komplex dieser Privatarbeiten bildet die gesellschaftliche Gesamtarbeit. (..) (Ebd. S.86/87) (Es ist die Spontaneität dieses Vorganges, vom Wertgesetz gesteuert, durch die er sich vom gleichen, aber planmäßigen Vorgang im Sozialismus unterscheidet./IB)

Siebtens:

Hätten wir weiter geforscht: Unter welchen Umständen nehmen alle oder nimmt auch nur die Mehrzahl der Produkte die Form der Ware an, so hätte sich gefunden, daß dies nur auf der Grundlage einer ganz spezifischen, der kapitalistischen Produktionsweise geschieht. Eine solche Untersuchung lag jedoch der Analyse der Ware fern. Warenproduktion und Warenzirkulation können stattfinden, obgleich die weit überwiegende Produktenmasse, unmittelbar auf den Selbstbedarf gerichtet, sich nicht in Ware verwandelt, der gesellschaftliche Produktionsprozeß also noch lange nicht (oder nicht mehr/IB) in seiner ganzen Breite und Tiefe vom Tauschwert beherrscht ist.

Die Darstellung des Produkts als Ware bedingt eine so weit entwickelte Teilung der Arbeit innerhalb der Gesellschaft, daß die Scheidung zwischen Gebrauchswert und Tauschwert, die im unmittelbaren Tauschhandel erst beginnt, bereits vollzogen ist. Eine solche Entwicklungsstufe ist aber den geschichtlich verschiedensten ökonomischen Gesellschaftsformationen gemein. (..) Anders mit dem Kapital. Seine historischen Existenzbedingungen sind durchaus nicht da mit der Waren- und Geldzirkulation. Es (das Kapital/IB) entsteht nur, wo der Besitzer von Produktions- und Lebensmitteln den freien Arbeiter als Verkäufer seiner Arbeitskraft auf dem Markt vorfindet und diese eine historische Bedingung umschließt eine Weltgeschichte. (Ebd. S.183/184)

Achtens :

In meinem Anti-Dühring heißt es unter IV. Verteilung (18.Absatz), der einzige Wert, den die Ökonomie kennt, ist der Wert von Waren. Was sind Waren? Produkte, erzeugt in einer Gesellschaft mehr oder weniger vereinzelter Privatproduzenten, also zunächst Privatprodukte. Aber diese Privatprodukte werden erst Waren, sobald sie nicht für den Selbstverbrauch, sondern für den Verbrauch durch andre, also für den gesellschaftlichen Verbrauch produziert werden; sie treten ein in den gesellschaftlichen Verbrauch durch den Austausch. (ME/AW in VI Bd., Dietz Verl.1978, Bd. V, S.335)

(Zur Hervorhebung: In Abwesenheit von Privateigentum bringt die gesellschaftliche Arbeitsteilung keine Warenproduktion hervor, (ist eine nicht hinreichend bewiesene Behauptung). So lange die Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus nicht abgeschlossen ist, wird der Widerspruch von gesellschaftlicher Arbeit und privater Aneignung neben dem sozialistischen Sektor aus verschiedenen Gründen nicht so schnell zu überwinden sein.

Neuntens:

Zweitens bleibt nach Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise, aber mit Beibehaltung gesellschaftlicher Produktion, die Wertbestimmung vorherrschend in dem Sinn, daß die Regelung der Arbeitszeit und die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit unter die verschiedenen Produktionsgruppen, endlich die Buchführung hierüber, wesentlicher denn je wird. (Marx/Kapital Bd. III, Dietz Verl. 1953, S.907)

Zehntens:

(Euer Zitat aus Engels Anti-Dühring, aus dem Ihr den für den Sozialismus interessanten Teil unterschlagen habt, folgend nochmals vollständig): Sobald die Gesellschaft sich in den Besitz der Produktionsmittel setzt und sie in unmittelbarer Vergesellschaftung zur Produktion verwendet, wird die Arbeit eines jeden, wie verschieden auch ihr spezifisch nützlicher Charakter sei, von vorn herein und direkt gesellschaftliche Arbeit. Die in einem Produkt steckende Menge gesellschaftlicher Arbeit braucht dann nicht erst auf einem Umweg festgestellt zu werden; die tägliche Erfahrung zeigt direkt an, wie viel davon im Durchschnitt nötig ist. Die Gesellschaft kann einfach berechnen, wieviel Arbeitsstunden in einer Dampfmaschine, einem Hektoliter Weizen der letzten Ernte, in hundert Quadratmeter Tuch von bestimmter Qualität stecken. (..) Allerdings wird auch dann die Gesellschaft wissen müssen, wieviel Arbeit jeder Gebrauchsgegenstand zu seiner Herstellung bedarf. Sie wird den Produktionsplan einzurichten haben, nach den Produktionsmitteln, wozu besonders auch die Arbeitskräfte gehören. Die Nutzeffekte der verschiedenen Gebrauchsgegenstände, abgewogen untereinander und gegenüber den zu ihrer Herstellung nötigen Arbeitsmengen, werden den Plan schließlich bestimmen. (..) Der Wertbegriff ist der allgemeinste und damit umfassendste Ausdruck der ökonomischen Bedingungen der Warenproduktion. (Anti-Dühring ebd. S.338/39)

Elftens:

Die wissenschaftliche Analyse der kapitalistischen Produktionsweise beweist dagegen umgekehrt, daß sie eine Produktionsweise von besonderer Art, von spezifischer historischer Bestimmtheit ist; daß sie, wie jede andere bestimmte Produktionsweise, eine gegebene Stufe der gesellschaftlichen Produktivkräfte und ihrer Entwicklungsformen als ihre geschichtliche Bedingung voraussetzt; eine Bedingung, die selbst das geschichtliche Resultat und Produkt eines vorhergegangenen Prozesses ist, und wovon die neue Produktionsweise als von ihrer gegebenen Grundlage ausgeht; daß die dieser spezifischen historischen bestimmten Produktionsweise entsprechenden Produktionsverhältnisse (..) welche die Menschen in ihrem gesellschaftlichen Lebensprozeß, in der Erzeugung ihres gesellschaftlichen Lebens eingehen. – einen spezifischen, historischen und vorübergehenden Charakter haben; und daß endlich die Verteilungsverhältnisse wesentlich identisch mit diesen Produktionsverhältnissen, eine Kehrseite derselben sind, so daß beide denselben historisch vorübergehenden Charakter teilen. (..) Es sind zwei Charakterzüge, welche die kapitalistische Produktionsweise von vorn herein auszeichnen. (..) Erstens. Sie produziert ihre Produkte als Waren. Waren zu produzieren unterscheidet sich nicht von anderen Produktionsweisen; wohl aber dies, daß Ware zu sein, der beherrschende und bestimmende Charakter ihres Produkts ist. Es schließt dies zunächst ein, daß der Arbeiter selbst nur als Warenverkäufer und daher als freier Lohnarbeiter, die Arbeit also überhaupt als Lohnarbeit auftritt. (..) Der Charakter 1. des Produkts als Ware, und 2. der Ware als Produkt des Kapitals, schließt schon die sämtlichen Zirkulationsverhältnisse ein, d.h. einen bestimmten gesellschaftlichen Prozeß, den die Produkte durchmachen müssen, und worin sie bestimmte gesellschaftliche Charaktere annehmen; (..) ergibt sich aus den beiden obigen Charakteren des Produkts als Ware oder der Ware als kapitalistisch produzierter Ware, die ganze Wertbestimmung und die Regelung der Gesamtproduktion durch den Wert. In dieser ganz spezifischen Form des Werts gilt die Arbeit einerseits nur als gesellschaftliche Arbeit; andererseits ist die Verteilung dieser gesellschaftlichen Arbeit und die wechselseitige Ergänzung, der Stoffwechsel ihrer Produkte, die Unterordnung unter die Einschiebung in das gesellschaftliche Triebwerk dem zufälligen, sich wechselseitigen Treiben der einzelnen kapitalistischen Produzenten überlassen. Da diese sich nur als Warenbesitzer gegenübertreten und jeder seine Ware so hoch als möglich zu verkaufen sucht, (..) setzt sich das innere Gesetz nur durch, vermittelst ihrer Konkurrenz.(..) Nur als inneres Gesetz den einzelnen Agenten gegenüber als blindes Naturgesetz, wirkt hier das Gesetz des Werts und setzt das gesellschaftliche Gleichgewicht der Produktion inmitten ihrer zufälligen Fluktuationen durch. (..) Das zweite, was die kapitalistische Produktion speziell auszeichnet, ist die Produktion des Mehrwerts als direkter Zweck und bestimmendes Motiv der Produktion. Das Kapital produziert wesentlich Kapital. Nur weil die Arbeit in der Form der Lohnarbeit und die Produktionsmittel in der Form von Kapital vorausgesetzt sind – also nur infolge dieser spezifischen gesellschaftlichen Gestalt dieser zwei wesentlichen Produktionsagentien – stellt sich ein Teil des Werts (Produkts) als Mehrwert und dieser Mehrwert als Profit (Rente) dar, als Gewinn der Kapitalisten, als zusätzlicher disponibler, ihm gehöriger Reichtum; Die bestimmte Form worin sich die gesellschaftliche Arbeitszeit im Wert der Waren durchsetzt, hängt allerdings mit der Form der Arbeit als Lohnarbeit und der entsprechenden Form der Produktionsmittel als Kapital in sofern zusammen, als nur auf dieser Basis die Warenproduktion zur allgemeinen Form der Produktion wird. (..) Diese bestimmten Verteilungsformen unterstellen also bestimmte gesellschaftliche Charaktere der Produktionsbedingungen. (..) Das bestimmte Verteilungsverhältnis ist also nur Ausdruck des geschichtlich bestimmten Produktionsverhältnisses. (Karl Marx, Kapital Band III, Dietz Verlag Berlin 1953, Seiten 934 bis 939)

Im Grunde geht es im Sozialismus darum, daß vergesellschaftete Produktivkraft nicht privat ausgebeutet wird, (auch nicht bei noch bestehendem privaten und kollektiven Eigentum, sondern im Interesse und zum Nutzen der ganzen Gesellschaft bei diesen normativ begrenzt. Dies zu erproben und zum Funktionieren zu bringen, ist Gegenstand des Sozialismus, als relativ selbständige Gesellschaftsformation. Wir haben das mit der Entwicklung und Einführung des Neuen ökonomischen Systems, NÖS, in der DDR mit guten Ergebnissen praktiziert. Erst mit seiner autoritären Absetzung, begannen die Verzerrungen.

Daß das Leben seine Turbulenzen hat und widersprüchliche Kräfteverhältnisse manches in diesen Prozessen des Aufbruchs wieder zerstören, dafür machen wir die Dialektik der Natur und Gesellschaft, insbesondere die ihr innewohnenden antagonistischen Widersprüche verantwortlich, die im Rahmen der Diskussion über den Revisionismus bezogen auf den gesamten Marxismus in der Politik besser aufgehoben sind, als nur in der Ökonomie, was auch beinhaltet, daß das Wissen der Menschen immer nur von der Praxiserfahrung bestätigt wird und sie dabei auch manchmal mogeln. Dazu nochmals:

3. Grundsätzliches

In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt und der bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen.

Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt, ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt.

Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um.

Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der gesamte ungeheure Überbau  - langsamer oder rascher – um. In der Betrachtung solcher Umwälzungen muß man stets unterscheiden zwischen der materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz, ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewußt werden und ihn ausfechten.

Sowenig man das, was ein Individuum ist, nach dem beurteilt, was es sich selbst dünkt, ebensowenig kann man eine solche Umwälzungsepoche aus ihrem Bewußtsein beurteilen, sondern muß vielmehr dieses Bewußtsein aus den Widersprüchen des materiellen Lebens, aus dem vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen erklären.

Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind.

Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind.

Die bürgerlichen Produktionsverhältnisse sind die letzte antagonistische Form des gesellschaftlichen Produktionsprozesses (..) aber die im Schoß der bürgerlichen Gesellschaft sich entwickelnden Produktivkräfte schaffen zugleich die materiellen Bedingungen zur Lösung dieses Antagonismus. (Karl Marx, Vorwort zur Kritik der politischen Ökonomie, M.E./A.W. in VI Bd., Band II, Dietz Verlag Berlin 1978, S.503/504)

4. Paradigmenwechsel UdSSR/DDR 1953/56/59/68/71/85 oder ?

Harpal Brar wies in seiner Publikation zwar die Verlogenheit der Perestroika und ihr schnelles Ende nach, ging aber nur sehr oberflächlich auf die Vorgeschichte ein. Er verweist auf die Einschätzung Chruschtschows durch die  KP der VR China, den revisionistischen Charakter seiner Politik und das versteckte Ziel der Wiedereinführung des Kapitalismus im Bereich des RGW. Der Boden für die Perestroika wurde also lange vor dieser Fortsetzung, seitens Gorbatschow, nämlich aus Anlaß des Generationswechsels in der Führungsetage des Kreml vorbereitet. Die Misere wurde Anfang 1953 mit Stalins Tod, schon mit dem Einsatz Chruschtschows als Stellvertreter sichtbar. Seine, d.h. des Sozialismus alte Todfeinde erhoben sich sofort. An der Spitze eben der Trotzkist, Antitrotzkist und wieder Trotzkist (so entnommen bestimmten Hinweisen Gossweilers in der Taubenfuß-Chronik I, Seite 20) Chruschtschow, der sofort mit den US-amerikanischen Geheimdiensten zu kungeln begann und auf diesem Wege seine Instruktionen für die nachfolgende Politik bekam, was ab 1985 von Gorbatschow fleißig fortgesetzt wurde.

Es gab gerade zu dieser Zeit namhafte Ökonomen in der UdSSR, die umfangreiche Analysen über und Maßnahmen für die Qualifizierung der Ökonomie dort erarbeiteten, die aber von der Führung nicht zur Kenntnis genommen oder angewendet wurden.

Drei Jahre nahmen sich Chruschtschow und Konsorten Zeit, sich auf ihre Machenschaften mittels Geheimrede im Februar 1956 vorzubereiten. Mit ihr wurde den wichtigsten Errungenschaften und Erfolgen des Sozialismus seit Lenin in der UdSSR und im RGW der Todesstoß versetzt. Die fortschrittliche Welt hielt entsetzt den Atem an. Der gleichzeitig verkündete Plan des sofortigen Aufbaues des Kommunismus sprach allem politischen und ökonomischen Verständnis Hohn.

Demgegenüber ergab sich der Paradigmenwechsel in der DDR erst fünfzehn Jahre später. Nachdem hier das Neue Ökonomische System erfolgreich angelaufen war, kam es deshalb zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Breshnew und Ulbricht und Letzterer wurde mit dem zweifellos demagogisch herbeigeführtem Einverständnis Honeckers durch Weisung aus Moskau und dem dazu in Berlin herbeigeführtem Beschluß des ZK und Politbüros, auf dem VIII. Parteitag der SED abgesetzt und mit ihm das NÖS. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es DDR-Forschung speziell auch in der Ökonomie, in deren Verlauf Ulbricht tausende Mitstreiter: Wissenschaftler, Wirtschaftsfunktionäre, Politiker, Gewerkschaftler, Arbeiter, Angestellte, Studenten u.a. in dieses Gemeinschaftswerk einbezog, das bis zu seinem Abbruch 1971 bereits beachtliche Erfolge aufweisen konnte, aber den Bürgern der DDR auch noch viele harte Jahre verhieß, bis die vorgesehene Produktivkraft entsprechend dem allgemeinen Weltstand entwickelt sein würde, so daß sich das für alle beginnen konnte auszuzahlen.

Die ersten Schwierigkeiten kamen nicht aus dem Westen, sondern bedauerlicher Weise durch Lieferstornierungen und Vertragsänderungen über Menge und Qualität, zum Beispiel bei Öl und Erzeugnissen der Metallurgie, aus Moskau. Gerade auf diese Erzeugnisse aber war man in der DDR wesentlich angewiesen.

Verzerrungen entstanden erst durch Abbruch des NÖS, die Brüskierung der Menschen die mit Hingabe und unter vielen Entbehrungen an der Ausarbeitung und Einführung, Ausbau des Sozialismus gearbeitet hatten, wurden auch hier, wie 1956 in Moskau, geschockt.

Natürlich stellten sie sich auf die neue Losung: Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik ein, aber diejenigen, die am NÖS mitgearbeitet hatten wußten, daß dieser neue Kurs den Wind für die Zukunft aus den Segeln nehmen würde. Eine Wirtschaft kann ihre Produktivkraft nur steigern, wenn sie den höchstmöglichen Anteil bei der Verteilung ihres Nationaleinkommens zunächst längere Zeit sinnvoll in deren Basis investiert, also in der Abteilung I.

Genau dafür hat uns Moskau den Hahn abgedreht und genau das Gegenteil haben Partei und Regierung in Berlin dann getan, nämlich den Anteil der Konsumtion gegenüber der Akkumulation in Handelsabkommen mit dem Westen überdimensioniert.

(Über das NÖS gibt es ein Buch: Politische Ökonomie des Sozialismus und ihre Anwendung in der DDR,/Dietz Verlag Berlin 1969, vielleicht einzusehen im Internet)

5. Privat-, Kollektiv-, Volks- oder Staatseigentum ?

Warum nicht? Wir haben angefangen, mit Enteignungen aus den Festlegungen des Potsdamer Abkommens. Wir selbst, also unsere Arbeiterklasse hat den revolutionären Umbruch gewissermaßen von der Roten Armee, also der Sowjetunion in den Schoß gelegt bekommen, aber mußte auch die Werkzeuge und Maschinen aus den Trümmern bergen und für die Reparationen ganz Deutschlands fast allein aufkommen.

Die revolutionären Traditionen der kommunistischen Partei der Arbeiterklasse KPD, sowie die Erfahrungen aus Faschismus und Krieg gaben uns unter diesen harten Bedingungen dennoch die Kraft, mit dem Gegebenen das Bestmögliche anzufangen.

Wir sahen unter diesen Voraussetzungen keine Berechtigung, mittleres und kleines Privateigentum an Produktionsmitteln, die also keine Kriegsverbrecher waren, von uns aus zu enteignen. Bis 1961, also bei offenen Grenzen, war ohnehin kein Gedanke daran, denn es konnte auf keine Produktions- und Dienstleistungseinheit verzichtet werden.

Was dann nach der Umorganisation und Umerziehung am Ende als Genossenschaften und Kleinbetriebe übriggeblieben ist, wären die Letzten gewesen, die den restaurativen Umbruch von sich aus gewollt hätten. Sie waren in die Pläne eingebunden, haben gleichberechtigt mitgearbeitet und ihnen wurde solidarische Hilfe geleistet, wenn sie z.B. wie in der Landwirtschaft bei der Pflege und Ernte der Hackfrüchte, oder bei der Obsternte in Bedrängnis kamen.

Eure Vorstellungen, wie Sozialismus aufzubauen ist, oder zu sein hat, riechen nach Dogmatismus. Zu jeder anderen Zeit und an jedem anderen Ort werden die damit verbundenen Probleme andere sein und immer wieder neu gelöst werden müssen. Dankenswerte politische und moralische Starthilfe, unabhängig von überdimensionierten Reparationslasten, für die sie nicht kompetent waren, gaben uns während der Zeit vor Gründung der DDR die Vertreter der sowj. Militäradministration.

Worin seht Ihr den Unterschied zwischen Volks- und Staatseigentum. Wir hatten VEB (Volks Eigene Betriebe im Sinne als Eigentum des gesamten Volkes) und in Staatseigentum Anlagen und Verkehrs-, Gesundheits-, Kultur-, Bildungs-, Justiz-, und sonstige, im allgemeinen öffentliche Einrichtungen. Wie sollte das im Namen des gesamten Volkes unter Kontrolle gehalten werden, wenn nicht mit wirtschaftlicher Rechnungsführung? Welche Art der Wahrnehmung von Eigentümerrechten würdet Ihr denn vorschlagen? Ist es nicht für Planerfüllung, Rentabilität, Schutz des Volkseigentums, Sparsamkeit an Material, Zeit, Energie u.a. wichtig, daß ganze Betriebsbelegschaften sich verantwortlich fühlen, ihre Betriebsleitung zur Rechenschaft ziehen? Das war in der DDR organisiert.

Es gab regelmäßige Rechenschaftslegungen der Betriebsleitungen vor den Belegschaften oder vor den betrieblichen Vertrauensleuten der Gewerkschaft, es gab regelmäßig die sogenannten ständigen Produktionsberatungen. Was versteht Ihr von Ökonomie, wenn Ihr nicht wißt, daß Betriebe Buchführung und Kostenrechnung benötigen? Nicht zur Berechnung des Profits, sondern für die Rechenschaftslegung vor Partei und Regierung und damit vor dem Volk. Was ist Diktatur des Proletariats ohne gesellschaftliche Eigentümerrechte im Ablauf einer Übergangsepoche? Zweimal jährlich wurde die volkswirtschaftliche Gesamtbilanz in der Tageszeitung veröffentlicht.

Wie stellt Ihr Euch Verteilung von Gebrauchswerten vor? Woher wollt Ihr wissen, wieviel und was produziert wurde und werden muß und ob es ausreichend auf den wirklichen Bedarf abgestimmt war oder ist. Im realen Sozialismus hat es Jahre gedauert bis man herausgefunden hatte wie das zu ermitteln und zu organisieren ist. Ohne digitale Rechentechnik ein mühseliger Akt.

Innerhalb jener Erfahrungen, die ich in über vierzig Jahren Berufstätigkeit in nur zwei VEB verschiedener Branchen (Konfektion und Elektronik) in der DDR gewinnen konnte wurde jener Terminus, für den mich sicher unsere Klassiker auch gerügt hätten, zum Leitprinzip, nämlich alle wirtschaftlichen Proportionen nach dem Wert der Arbeit, also der Gesamtheit der eingesetzten gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit pro Gebrauchswert berechnen zu müssen, weil Rentabilitätsfrage. Unbestreitbar ist, wenn auch der Zungenschlag falsch, der Gedanke richtig. Karl Marx hätte einfach festgestellt: Gleich viel Arbeit in einer Form gegen gleich viel Arbeit in einer anderen ausgetauscht = dasselbe Prinzip wie beim Austausch von Warenäquivalenten. (siehe Gothaer Programmkritik, ebenda) oder:

Zwölftens:

Das gesellschaftliche Bedürfnis, d.h. der Gebrauchswert auf gesellschaftlicher Potenz, erscheint hier bestimmend für die Quota der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit, die den verschiedenen besonderen Produktionssphären anheimfallen. (..) Diese quantitative Schranke der auf die verschiedenen besonderen Produktionssphären verwendbaren Quoten der gesellschaftlichen Arbeitszeit ist nur weiterentwickelter Ausdruck des Wertgesetzes überhaupt; obgleich die notwendige Arbeitszeit hier einen anderen Sinn erhält. Es ist nur soundso viel davon notwendig, zur Befriedigung des gesellschaftlichen Bedürfnisses. Die Gesellschaft kann unter den gegebenen Produktionsbedingungen nur so viel von ihrer Gesamtarbeit auf diese einzelne Art von Produkt verwenden. (Karl Marx, Das Kapital, Band III, unter VI. Verwandlung von Surplusprofit in Grundrente, 37.Einleitendes,kurz vor „3“, in meiner Ausgabe, Dietz Verlag 1953, S.686)

6. Wirtschaftliche Rechnungsführung baut bewußt Eigentümerrechte in Betrieben und Genossenschaften auf? Warum denn nicht ?

Eigentümerrechte in volkseigenen Betrieben, wo die ganze Belegschaft sich für ihren Betrieb als Volks- oder Kollektiveigentum verantwortlich fühlt? Hier geht es doch nicht um kapitalistische Eigentümerrechte und Profit zu machen, sondern um sozialistische Rechte! Alles zum Wohl des gesamten Volkes nach der vorgegebenen materiellen wie finanziellen Planaufgabe, um jedes Gramm und jede Minute, um jeden Pfennig und jede Mark! Was soll daran verkehrt sein? Was stellt Ihr Euch eigentlich unter sozialistischer Demokratie vor?

Sozialistische Demokratie, das ist z.B. im Wirtschaftsbereich: Offenlegung der Halbjahres – und Jahresbilanzen über Aufkommen und Verwendung des volkswirtschaftlichen Gesamtprodukts,

in Betrieben monatliche, Quartals-mäßige und jährliche Rechenschaftslegungen der Betriebsdirektoren über finanzielle und materielle Planerfüllung in allen Teilen, vierteljährliche Vertrauensleute-Vollversammlungen der Gewerkschaft über Diverses, und ständige Produktionsberatungen der Brigaden vierteljährlich. Hier wurde über alle anstehenden Probleme und Ergebnisse kämpferisch diskutiert, auch über Arbeitsbedingungen, Qualität, Sonderschichten oder Ausfallstunden, den Kindergarten oder das Kantinen-Essen. Allenthalben sind heute die Leute aktiv im Gezeter über fehlende Demokratie im realen Sozialismus. Hier wurde sie aber sehr kämpferisch gelebt!

Sozialismus war für uns kein Spielchen, sondern Klassenkampf. Wie wir von der westlichen Seite geprellt wurden, darüber könnte einem heute noch schlecht werden, z. B. durch Abwerbung von gut ausgebildeten Arbeitskräften, Fachleuten und Akademikern. Sich auf Märkten gebären? Das gab es Freitags auf dem Wochenmarkt, wo die Genossenschaften freie Spitzen verkauften, oder jemand eine Erfindung anpries!

Im Sozialismus haben Betriebe (später Kombinate, also Erzeugnisgruppen), ihre planmäßigen Angebote, z.B. in der Elektronik, auf der Leipziger Messe zur Disposition gestellt um die erforderliche Qualität und Konfiguration abzustimmen, den aktuellen Bedarf zu erfahren und nach Möglichkeit zu befriedigen, Entwicklungsrichtungen neu zu ermitteln. Das waren Initiativen, um die Planpositionen zu präzisieren, ebenso wie in der Konfektion zwei mal jährlich Submissionen, um die saisongerechte Auswahl nach Modellen, Größen und Stückzahlen abzustimmen. Niemand kam bei der Planerfüllung um diese Fragen herum. Verteilung von Gebrauchswerten, das gab es in Form von Bezugscheinen, gleich nach dem Kriege. Wir haben insgesamt rund vierzig Jahre Sozialismus aufgebaut und praktiziert und nicht einmal schlecht. Nicht um die Wirkung von ausgesuchten ökonomischen Gesetzen ging es oder geht es, sondern um politischen Gesamtüberblick. Es war schnell klar geworden, worin der Gegensatz zwischen den beiden ökonomischen Systemen zu sehen ist. Anarchie oder Planmäßigkeit, private oder gesellschaftliche Aneignung zur Entwicklung der Volkswirtschaft und ständige Verbesserung der Lebensbedingungen der Gesamtgesellschaft, insbesondere der Werktätigen.

Natürlich mußte Planwirtschaft erst erlernt werden und vor allem das gesellschaftliche Verständnis für den Vorrang akkumulativer Anstrengungen gegenüber konsumtiver Befriedigung von Einzelbedürfnissen, erst erworben und Letzteres schrittweise zunehmend qualifiziert werden.

Nach Eurer Version hätten wir schon nach der ersten Vegetationsperiode verhungert oder erfroren sein müssen, geschweige vierzig Jahre zu überstehen, bis das Ganze eher politisch als ökonomisch zugrunde ging und die Ursachen grundsätzlich revisionistischen Ursprungs waren.

Siegreich kann ein revolutionäres System nur in Wahrung seiner einheitlichen Strategie sein und die hängt mit Sicherheit von den gesellschaftlichen Bedingungen insgesamt in diesem System ab, deren Gefahren sich sicher theoretisch und ideologisch zuerst andeuten jedoch auf der Höhe der Anforderungen der wissenschaftlich technischen Revolution nicht gemeistert wurden und auch in Zukunft der Arbeiterklasse und damit der Menschheit noch einige Nüsse zu knacken geben werden.

Sicher ist für mich nur Eines:

Der Sieg des revolutionären Fortschritts der menschlichen Gesellschaft zum Kommunismus wird nur möglich sein, wenn es der bis dahin abhängigen Klasse gelingt, Moral und Kultur für die Meisterung der nächsten Revolution im Sinne internationaler Solidarität zu realisieren was heißt, zuerst die Epoche des Überganges vom Kapitalismus zum Sozialismus in den Industrieländern abzuschließen, aber gleichzeitig die weltweite solidarische Unterstützung international unterschiedlich dimensionierter und entwickelter Völkergemeinschaften wieder zu festigen, die der Imperialismus heute noch gnadenlos zerstört und auseinander treibt.

Ich denke, daß sowohl in den Industriemetropolen, als auch der ganzen internationalen Szene der zweiten und dritten Welt, der Wiederaufbau starker, den gegenwärtigen internationalen Anforderungen entsprechender marxistischer Parteien in Gang kommen muß, die in der Lage und bereit sind, sich ein einheitliches Welt- Kommunikationszentrum zu schaffen und gegenseitig zu akzeptieren.

Darum ist es in erster Linie so wichtig, daß Kommunisten und Marxisten, auch Linke, ihren Streit kommunikativ ausdiskutieren um auf die richtige Handhabung ihrer Theorie zu kommen, denn sie erreichen mit Spitzfindigkeiten, Dogmatismus und Besserwisserei oder gar trotzkistischen Spaltermethoden das Gegenteil.

Oberstes Gesetz aller Handlungen muß immer die Überprüfung der Theorieanwendung am Praxisergebnis sein und die Praxisgestaltung in der Rückkopplung zur Theorie liegen, aber nie statt dessen Hirngespinsten zu folgen, denn es wird sich nämlich sehr schnell herausstellen, daß Hirngespinste idealistischen, also revisionistischen Ursprungs sind und man plötzlich erneut vor einem Fiasko steht.

Heute hat die Welt mit Marxismus nicht viel am Hut, deshalb wird zur Zeit auch Revisionismus nicht für Relevant gehalten, aber es tun sich neue Bewegungen auf deren Motivation nichts anderes als der Kampf gegen die augenblicklich Herrschenden und ihre Entmachtung ist.

Je länger sich die revolutionäre Konstituierung der Avantgarde des Proletariats und seiner Verbündeten Zeit zum Herumstreiten nimmt, desto größer wird die Gefahr, die der Menschheit und allen höheren Lebewesen dieser Erde droht. Der Marxismus versetzte den wachen und revolutionären Teil der Menschheit, insbesondere der Arbeiterklasse in die Lage, die Welt sowie ihre Probleme richtig zu erkennen und das Leben auf fast einem Drittel des bewohnbaren Territoriums der Erde sozialistisch zu gestalten, war aber auch für ihre Feinde der Angriffspunkt, das Erreichte zu unterwandern und zunichte zu machen. Dennoch bleibt die objektive Realität in ihrer Weiterentwicklung nicht stehen. Der Kampf der Widersprüche geht weiter.

Sehen wir uns an, was einer der Aktiven der populärsten internationalen antiimperialistischen Bewegung der Gegenwart ATTAK als die wichtigsten bevorstehenden Aufgaben zu benennen hat: Die neue Weltordnung basiert auf dem falschen Konsens von Washington und Wall-Street, der das System freier Märkte als einzige mögliche Wahl auf dem schicksalhaften Weg zu globalem Wohlstand verordnet. Alle politischen Parteien, einschließlich der Grünen der Sozialdemokraten und der ehemaligen Kommunisten, heulen heute mit im Rudel derjenigen, die diese neue Weltordnung beschwören.

Auf die Globalisierungsgegner, die sich in den letzten Jahren immer vernehmlicher zu Wort gemeldet haben, und nun anfangen, die Festung des G8-Kartells zu bestürmen, kommen in Zukunft schier unlösbare Aufgaben zu. Sie müssen die hinterhältigen Verbindungen der internationalen Finanzorganisationen aufdecken. Sie müssen alles daransetzen, staatliche Institutionen und zwischenstaatliche Organisationen aus der Umklammerung der Finanzetablishments zu befreien. Sie müssen der eklatanten Konzentration von Eigentum und privatem Reichtum entgegentreten, dem spekulativen Handel und der Geldwäsche Hindernisse in den Weg legen, Steueroasen austrocknen, für den Wiederaufbau des Wohlfahrtsstaates kämpfen. Sie müssen eine breite Koalition mit der Friedensbewegung eingehen, da das Militär, die Aufrüstung und die Sicherheitsdienste des Westens nicht nur unmittelbar den Weltfrieden bedrohen, sondern grundsätzlich auch die herrschenden Wirtschaft- und Finanzinteressen stützen. Sie müssenden Globalen Medien und den von ihnen fabrizierten Nachrichten, mit denen die Weltereignisse verzerrt dargestellt werden, eigene Öffentlichkeit entgegenstellen, um das  „falsche Bewußtsein“, das unsere Gesellschaften durchdringt und kritische Debatten im Ansatz erstickt, aus den Köpfen vertreiben. Wir müssen diesen Kampf auf breiter Linie führen – in allen Ländern und in allen Gesellschaftsbereichen. Wir müssen uns über nationale, ethnische und soziale Grenzen hinweg verständigen, vernetzen und vereinigen. Wir müssen auf beispiellose Weise solidarisch und international handeln und der Wall Street-Globalisierung die Globalisierung unseres Widerstandes entgegensetzen. Um die Armut zu beseitigen und den Weltfrieden zu sichern, müssen wir die neue Weltordnung entwaffnen. (Michael Chossudowsky, GLOBAL/BRUTAL/Der entfesselte Welthandel, die Armut, der Krieg/ Verlag Zweitausendeins/ S. 35/36)

Der Kampf geht in neuen Dimensionen weiter, steht aber erst am Anfang: Diese Bewegung lebt seit 1989. Ihr erster Sieg war die Verhinderung des internationalen Abkommens für ausländische Investitionen MAI, durch Offenlegung. Seitdem kommen zu gravierenden Ereignissen zig Tausende mit Protestdemonstrationen, Aktionen und zu Beratungen jährlich, manchmal öfter im Jahr, zusammen. Noch scheint es eine lose Vereinigung, über Netzwerk mobilisierter Massen, die aber mit unheimlicher Zuverlässigkeit immer wieder zur Stelle und anscheinend verblüffend einig sind.

Die nächste revolutionäre Welle wird weltweit sein, aber noch wissen wir nichts über Organisation und Wirkung der entstehenden Bewegung. Unsere wichtigste Aufgabe oder die nächsten Schritte können nur darin bestehen, Marxismus so zu publizieren bzw. zu verbreiten, daß unsere Theorie wieder populärer und mit zunehmender Intensität wirklich wieder zur materiellen Gewalt werden kann.

                                                                                                                  Ingeborg Böttcher, Altlandsberg


 

Hearing zur Programmdebatte der DKP - 17.4.04 - Hannover

Redaktion Offensiv: Vorbemerkung

Wer sich genau über das Hearing bzw. über die gahltenen Beiträge informieren will, sollte sich den Reader über das Hearing beim Parteivorstand der DKP bestellen.

Wir bringen hier nur zwei Beiträge des Hearings als exemplarische Beispiele dafür, wie weit die Positionen auseinanderliegen. Und wir sind der Meinung, dass niemand, egal ob innerhalb oder außerhalb der DKP, der sich als Kommunist versteht, an einer Entscheidung, einer eigenen Stellungnahme zu diesen sich gegenseitig ausschließenden Positionen vorbeikommt.

Und da wir parteilich sind, d.h. den Marxismus-Leninismus gegen den Revisionismus verteidigen, vergleichen wir die Positionen von Willi Gerns mit ähnlichen Positionen anderer Leute: mit Karl Kautsky (nach Lenins Wort ein „Renegat“) und Santiago Carillo (spanischer Eurokommunist).

Außerdem fügen wir diesen Beiträgen eine neue Etappe von: Sage mir wer Deine Freunde sind.. hinzu. Diesmal geht es nicht um den Irak, sondern um die Kommunistische Partei Japans.

                                                                                                                                       Redaktion Offensiv


 

Helmut Dunkhase[15]: Diskussionsbeitrag im Plenum – Folgen einer falschen Analyse

Patrik Köbele hat in seinen Thesen darauf hingewiesen, dass unterschiedliche Analysen zu unterschiedlichen Strategien führen. Ich möchte anhand zweier eng miteinander zusammenhängender innerparteilicher Konfliktfelder, Imperialismusanalyse und Sozialismus-vorstellungen, zeigen, dass die von der PV-Mehrheit vertretenen Positionen die Partei in eine existenzgefährdende Situation bringen können.

Die These vom kollektiven Imperialismus

Aus der Verabsolutierung bestimmter ökonomischer Prozesse (Intensivierung der Kapitalverflechtung, insbesondere die gegenseitigen Direktinvestitionen innerhalb der Triade, Internationalisierung der Produktionsprozesse) und der militärischen Übermacht der USA wird die These abgeleitet, dass es keine nationalen Imperialismen mehr gäbe, sondern nur noch Abteilungen eines durch Austragen taktischer Differenzen sich ausbalancierenden globalen imperialistischen Systems mit den USA „als eine Art Gesamtdienstleister für globale Umstrukturierung und Kontrolle des transnationalen Kapi­tals".[16] Daraus folgt eine Abwertung der Rolle der Nationalstaaten als eigenständige Akteure zugunsten einer Frontstellung gegen die Interessen des transnationalen Kapitals mit seinem in den USA ange­siedelten Kern. Als strategische Konsequenz ergibt sich daraus zum einen, dass der analysierte globale Imperialismus vor allem auf globaler Ebene bekämpft werden muss: in seinen supranationalen Strukturen von EU über NATO bis WTO, durch Kampagnen gegen besonders aggressive oder ökolo­gische Verwüstungen in der sog. dritten Welt in Kauf nehmende Multis und durch die internationale Antikriegsbewegung; zum ändern, dass der Imperialismus auch nur auf einmal, weltweit besiegt wer­den kann: eine sozialistische Revolution ist nur weltweit möglich oder gar nicht.

Die Berührungspunkte mit den „Globalisierungsfetischisten" der Antiglobalisierungsbewegung liegen auf der Hand. Die nenne ich so, weil sie den objektiven, die Menschheit seit Jahrhunderten begleiten­den Prozess innerhalb der Entwicklung des Produktivkraftsystems mit der kapitalistischen Hülle identi­fizieren, in der er sich vollzieht. Auf diese Weise können dem Kampf gegen supranationale Strukturen auch Vorstellungen zu Grunde, die in den Multis lediglich Auswüchse der Marktwirtschaft sehen und die sich sehr wohl mit der herrschenden Ideologie in den heimischen Staaten vertragen und/oder mit antikommunistischen Ressentiments verbunden sein können. Wer vor lauter globalen Ausbeutungs­verhältnissen (Ausbeutung der „dritten Welt" durch die Metropolen) das ihnen zu Grunde liegende, notwendig nationalstaatlich verfasste Ausbeutungsverhältnis von Kapitalist und Arbeiter ausblendet, wird auch offen sein für das zapatistische Konzept „Die Welt verändern ohne die Macht zu überneh­men".[17] Soziologisch ergibt sich daraus eine Bewegung, die sich, wie manchmal sogar nicht ohne Ge­nugtuung erklärt wird, weitgehend außerhalb der Arbeiterklasse und an den traditionellen parteipoliti­schen, also auch kommunistischen Parteistrukturen vorbei entwickelt.

Es ist nicht zu leugnen, dass diese „neuen Bewegungen" in den letzten Jahren in den kapitalistischen Metropolen einen enormen Aufschwung zu verzeichnen haben (man denke nur an ATTAC) und ihre Vorstellungen auch in die bürgerlichen Medien dringen, während Marxismus-Leninismus (neben dem Bankgeheimnis) weiterhin ein Tabu bleibt. Das mag dazu beigetragen haben auch bei Genossen das Gefühl zu erzeugen, dass die entscheidenden, vorwärts weisenden Diskussionen in diesen neuen Diskussionszusammenhängen und an den Gewerkschaften und der kommunistischen Partei vorbei geführt werden. Angesichts der marginalen Rolle, die die DKP in unserer Gesellschaft spielt, ist sie besonders dem opportunistischen Druck ausgesetzt sich in fremd gesetzte Leitideen und Strukturen einzureihen, während es umgekehrt sicherlich kein Zufall ist, dass die aus meiner Sicht richtigen Analysen und strategischen Überlegungen, die frei von solchen opportunistischen Anpassungen sind und auf die ich noch zu sprechen komme, von einer starken und einflussreichen Partei wie der KP Grie­chenlands kommen.

Sozialismusvorstellungen

Nun könnte man einwenden, dass die Theoretiker des kollektiven Imperialismus doch gar nicht von Globalisierung schlechthin, sondern von imperialistischer Globalisierung sprechen. Doch dass es sich hierbei lediglich um ein Epitheton ornans, ein schmückendes Beiwort handelt, wird daran deutlich, dass über das Gegenstück, nämlich einer kommunistischen Globalisierung jeglicher Plan fehlt. Das kann auch nicht anders sein, wenn man sich die schleichende Revision des Zieles einer kommunisti­schen Partei, die Arbeiterklasse zum Aufbau des Sozialismus zu befähigen, vor Augen führt, die uns seit geraumer Zeit vom PV angeboten wird. Vielleicht ist der einen oder dem anderen schon mal auf­gefallen: In offiziellen Verlautbarungen der DKP finden wir viel Kritik am Kapitalismus/Imperialismus. Es wird auch viel darüber geredet, dass wir überall, wo wir gehen und stehen, unsere Positionen ein­bringen sollen/müssen. Doch worin diese Positionen eigentlich bestehen, was wir eigentlich wollen - darüber dringt wenig an die Öffentlichkeit. Man beschränkt sich häufig auf Mitmachen, Verstärken dessen, was an Bewegung schon da ist. Wenn überhaupt von Sozialismus die Rede ist, dann in nega­tiver Bestimmung: anders als der untergegangene Sozialismus[18] oder in den dürrsten Worten[19]. In Ver­suchen einer positiver Bestimmung[20] finden wir bereits ein grobes Missverständnis. Statt der durch den historischen Materialismus vermittelten Einsicht in die Notwendigkeit des Übergangs des zur Fessel der Produktivkraftentwicklung gewordenen Kapitalismus in eine neue Produktionsweise erscheint der Sozialismus als idealistisches Konstrukt, ein Wunschkatalog von Werten und Wünschen.[21]

So kommt dabei heraus: Die DKP als antikapitalistische Protestpartei fordert den Sozialismus als his­torische Alternative. Unverkennbar die Rückzugsgefechte vor der Offensive bürgerlicher Ideologie, wenn vorab (dem freien Bürger?) versichert wird, dass es diesmal von Anfang an ganz demokratisch zugehen müsse[22]7 (womit suggeriert wird, dass es beim vorangegangenen Anlauf daran wohl geman­gelt habe), dass geglaubt wird, was die Kapitalisten auf Grund ihrer Klassenschranken nicht anders propagieren können: die Unmöglichkeit eine Volkswirtschaft zu planen. Es ist nun aber mal so, dass Politik der konzentrierte Ausdruck der Ökonomie ist. Zu Willi Gerns' Vorstellung eines Sozialismus mit einer Vielfalt von Eigentumsformen, mit kollektiven Betriebseigentümern, die sich statt Einzelkapitalis­ten auf dem Markt tummeln, passt eine Demokratievorstellung, die ein Mehrparteiensystem einschließlich Opposition, das den Ausgleich der so entstehenden partikulären Interessen besorgt; so wie es bei der von den kollektiven Eigentümern des gesamten Produktionsapparates geplanten sozialistischen Ökonomie darauf ankommt, das gemeinsame Projekt von unterschiedlichen (nicht verschiedenen) Aspekten her zu bewerten. Vielleicht dämmert dann einigen, dass etwa die Zusammensetzung der DDR-Volkskammeraus FDGB, Frauenbund, FDJ, usw. eine auf einer höheren Entwicklungsstufe der Produktionsweise begründete höhere Form der Demokratie darstellte als jedes bürgerliche Parlament und in denen die Blockparteien als ein Relikt vergangener Zeiten verblieben.

Ein Sozialismusbild, das die Abgrenzung vom bisherigen Sozialismus betont, in dem Demokratie als idealistisches Konstrukt erscheint, in dem keine, ausweichende oder an Marktwirtschaft orientierte Aussagen über eine sozialistische Ökonomie gemacht werden, ist in der Tat passförmig zu politischen Anstrengungen des PV, die Partei auf die „neuen Bewegungen" zu orientieren und insbesondere die - lange Zeit hinter dem Rücken der Mitglieder betriebene - strategische Einbindung in die EAL zu betreiben.[23]

Die EAL ist bekanntermaßen dominiert von trotzkistischen Organisationen, die ja in letzter Zeit in auf­fälliger Weise in der DKP hoffähig gemacht werden. Trotzkistische Aussagen über den Sozialismus lassen sich - bei aller Unterschiedlichkeit und bei aller Vagheit ihrer Bestimmungen - ungefähr so zusammenfassen: Das im untergegangenen Sozialismus auf bürokratische und stalinistische Weise kollektivierte Staatseigentum sei gegen soziale Emanzipation und insbesondere gegen die Arbeiter­bewegung gerichtet. Wirkliche Vergesellschaftung, Arbeiterdemokratie genannt, finde statt in der Selbstverwaltung der auf dem Markt agierenden Unternehmen und Arbeitsstätten des öffentlichen Sektors. Das Ganze unter der Perspektive von Überwindung von Ware, Wertgesetz, Lohnabhängig­keit - eine Perspektive, die allerdings das „ganz Andere" darstellt und dessen Bestimmungen im Ne­bel des Ungewissen versinken.[24] Klar, dass, wenn der „stalinistischen" Vorstellung der Planbarkeit einer Volkswirtschaft eine Absage erteilt wird, der Sozialismus im Wolkenkuckucksheim angesiedelt werden muss.

Mit der oben beschriebenen - gelinde gesagt - Verdunkelung des sozialistischen Ziels, die man zu­nehmend in unseren Dokumenten findet, wären die inhaltlichen Voraussetzungen für die Eingliede­rung in die politische Identität der EAL und damit die Voraussetzung für die Liquidierung auch der organisatorischen Existenz der DKP als kommunistischer Partei geschaffen. Folgerichtig hat die Par­teiführung diejenigen Parteien besonders in ihr Herz geschlossen, in denen der Verfallsprozess schon weiter fortgeschritten ist: z. B. die KP Japans, die den untergegangenen europäischen sozialistischen Ländern keine Träne nachgeweint hat, weil die in ihren Augen sowieso keinen Sozialismus hatten, die den Putsch in Jugoslawien vom 3.10.00 als Beginn der Demokratie gewürdigt hat und die inzwischen die japanische Truppenpräsenz im Irak akzeptiert; die Rifondazione, in der ein Demenico Losurdo schon zum Dissidenten geworden ist, bis zur schändlichen Unterstützung des Teils der irakischen KP, die mit den US-Besatzern kollaboriert.

Gegenposition:

Imperialismus

Der Imperialismus trägt neben gemeinsamen System Interessen immer auch die Sprengkraft gewalt­samer Austragung konkurrierender Interessen in sich. Der Widerspruch von gemeinsamen und kon­kurrierenden Interessen ist in der Konstituierung des bürgerlichen Nationalstaates, ohne den kein Kapitalismus, in welchem Stadium auch immer, existieren kann, auf den Begriff gebracht: im Kampf partikulärer Interessen um den Einfluss auf den Staatsapparat. Mit dem Eintritt des Kapitalismus in sein monopolistisches Stadium erfährt der Widerspruch zwischen gemeinsamen Systeminteressen und Konkurrenz eine entscheidende Veränderung: Aus dem Kampf um den heimischen Staatsapparat wird der Kampf um die Aufteilung der Welt mit dem heimischen Staatsapparat. Zu den bisherigen Ergebnissen gehören WK l und WKII.

Die Invasion der USA in den Irak war keineswegs eine Dienstleistung im Sinne der Systeminteressen: Auf das Öl, das die USA jetzt kontrollieren, sind die heimischen Konzerne nicht angewiesen, wohl aber die der EU und Japan.[25] Dass solche innerimperialistischen Auseinandersetzungen in absehba­rer Zeit nicht mit kriegerischen Mitteln ausgetragen werden, ist sicherlich der gegenwärtigen militärischen Übermacht der USA geschuldet. Diese militärische Macht relativiert sich jedoch, wenn man nicht nur das militärische Potenzial der EU, sondern des „Restes der Welt" gegenrechnet. Militärische Überlegenheit lässt sich nicht unbedingt in totale Kontrolle des Gegners umsetzen (eine Besetzung Chinas erscheint schlechterdings aussichtslos). Ferner werden auch Grenzen in asymmetrischen Auseinandersetzungen aufgezeigt: z. Z. im heroischen Widerstandskampf der irakischen Bevölkerung, den unsere Führung in schändlicher Weise denunziert. Mit der Notwendigkeit solche asymmetrischen Kriege führen zu müssen, verschärft sich die Frage nach der weiteren Finanzierbarkeit und der heimi­schen Akzeptanz der Aufrechterhaltung des militärischen Apparates. Die militärische Macht der USA ist sicherlich kein Papiertiger, aber sie ist auch nicht so allmächtig, wie es aus eurozentristischer Sicht erscheint.

Die von Lenin konstatierte gesetzmäßige Ungleichmäßigkeit der ökonomischen und politischen Ent­wicklung des Kapitalismus, aus der er schloss, dass eine sozialistische Umwälzung zunächst im schwächsten Glied der Kette imperialistischer Länder gelingen und sich dauerhaft halten kann, gilt heute mehr denn je. Eine als weltweiter Prozess suggerierte „Globalisierung" findet nicht statt; die ihr zugeschriebenen Erscheinungen finden vor allem und zunehmend in den imperialistischen Zentren statt. Große Teile der Erde werden von Direktinvestitionen und „Welthandel" abgehängt. Globale Kräf­teverhältnisse ändern sich, nicht nur zwischen imperialistischen Blöcken wie EU und USA, sondern auch dadurch, dass Länder wie China, Brasilien und Indien innerhalb der WTO als Widerstandspoten­tiale gegen neokoloniale Ausbeutung wirksam werden. Ferner wären anzuführen die regional un­gleichmäßige Entwicklung von Industrie- und Dienstleistungsansiedlungen, die Hierarchisierung der Länder innerhalb der EU nach ihrem ökonomischen und politischen Gewicht bis hin zur fortschreiten­den Segregierung innerhalb der Nationalstaaten, wozu auch die Deindustrialisierung und Entvölke­rung der Ostzone Deutschlands gehört.

Supranationale Strukturen wie WTO, NATO oder EU, derer sich die Finanzoligarchien für die Durch­setzung ihrer Kapitalinteressen bedienen, sind keineswegs Ausdruck einer homogenisierten Welt, sondern stehen für ultrazentralistische, auf ökonomischer und militärischer Macht setzende Konzepte, mit denen ihre heterogenen Bestandteile zusammen gezwängt werden. Die völlige Unterordnung der Staatsapparate unter das Finanzkapital ändert nichts an der Tatsache, dass die Entscheidungen sup­ranationaler Organe Ausfluss politischer Entscheidungen in den ihnen zugehörigen Nationalstaaten sind.

Wenn die politischen Verwalter des Finanzkapitals in den einzelnen Ländern der EU bei der Durchset­zung ihrer sozialen Kahlschlagspolitik auf Entscheidungen in Brüssel (bezeichnender Weise nicht Strasbourg!) verweisen, bedienen sie den Schein, dass Eingriffsmöglichkeiten nur noch auf supranati­onaler Ebene möglich sind und tragen so möglicherweise zu entsprechenden Illusionen linker „Globalisierungs"gegner bei. Demgegenüber kommt es aber darauf an, in der Erkenntnis, dass die Entmächtigung der Nationalstaaten eine politisch gewollte Selbstentmächtigung ist, den Kampf gegen den Hauptfeind und um den Staatsapparat im heimischen Land zu führen. Die nationale Souveränität be­steht letztlich darin, darüber entscheiden zu können kapitalistisch oder sozialistisch sein zu wollen. Der Frage der nationalen Souveränität kommt ein erhöhter Stellenwert im Klassenkampf zu.

Der Imperialismus ist im marxistischen Verständnis ein geschichtstheoretischer Begriff. „Das ge­schichtlich notwendig Gewordene setzt sich politisch-theoretisch als Sozialismus in Wirklichkeit." Der Imperialismus kann „als Perversion dessen, was Sozialismus sein soll, beschrieben werden."[26]11 Dies gilt - oben wurde es angedeutet - insbesondere für die imperialistische Globalisierung. Ihr Gegen­stück, die kommunistische Globalisierung, ist fast so alt wie der Kapitalismus. Sie konnte sich zu­nächst nur als Reflex der realen Prozesse innerhalb des Kapitalismus, der Herstellung des Weltmark­tes, entwickeln - von unten: als proletarischer Internationalismus. Nach dem Sieg der Oktoberrevoluti­on entstand aber auch eine erste kommunistische Globalisierung „von oben": die Union der sozialisti­schen Sowjetrepubliken. In ihr etablierte sich eine internationale Arbeitsteilung, die nicht auf Handel, also Austausch, sondern auf Absprache zwischen nationalen Behörden und dem supranationalem GOSPLAN beruhte. Auch wenn mit der Herausbildung des sozialistischen Weltsystems und insbe­sondere des RGW dieses Niveau der Zusammenarbeit leider bei weitem nicht erreicht wurde, wurde dennoch die zarte Morgenröte einer globalen kommunistischen Produktionsweise sichtbar: die welt­weite Kooperation frei assoziierter Produzenten. (Man stelle sich als Paradigma globalisierter kommu­nistischer Produktionsweise die Entwicklung des Betriebssystem Linux vor!) Der Unterschied wird deutlicher, wenn man dem letztlich auf internationale Kooperation angelegten RGW das ultrazentralis­tische, auf militärischer Gewalt gestützte Konzept der EU gegenüberstellt.

Aus den drei genannten Punkten - der widersprüchlichen Einheit von gemeinsamen und, weiterhin zu gewaltsamer Austragung neigenden konkurrierenden Interessen, der ungleichmäßigen Entwicklung innerhalb des imperialistischen Systems und der zwingend notwendige Übergang in eine kommunisti­sche Produktionsweise - ergibt sich eine grundlegend andere Strategie der Kooperation. Auf der Grundlage des verantwortlichen Handelns der Parteien und Bewegungen in den einzelnen Ländern sind auf internationaler Ebene in kooperierender Weise gemeinsame Aktionen zu entwickeln, was Arundhati Roy für den Friedenskampf formulierte, „Wenn wir gegen Imperialismus und Neoliberalis­mus sind, dann müssen wir nicht nur den Widerstand im Irak unterstützen; wir müssen selbst zum Widerstand im Irak werden.", gilt in jeder Hinsicht: Je stärker wir im heimischen Kampf um den Tee­kessel bis zum Kampf um die Macht im Staat sind, desto geschwächter ist der Imperialismus auch in seinen globalen Strukturen. Für eine Strategie gegen die EU hat die KP Griechenlands die richtigen Schlussfolgerungen daraus gezogen: Bruch mit der EU und für eine europäische Koordination ge­meinsamer Aktionen. „Dabei wird natürlich die selbstständige Verantwortung der Parteien und Bewe­gungen in ihren Ländern nicht in Frage gestellt. Wir treten für die Bildung eines sichtbaren kommunis­tischen Pols ein. der gleichzeitig und parallel zur Bildung einer breiten antiimperialistischen Koalition beitragen wird".[27]2

Lenins Metapher vom schwächsten Glied in der Kette imperialistischer Staaten ist exakt: Nur bei einer vollkommen homogenen Kette wäre der Kraftaufwand zum Zerreißen an einem beliebigen Glied gleich dem Kraftaufwand, der erforderlich wäre, wenn die Kette aus einem einzigen Glied bestünde. Da die­se Bedingung weniger denn je gegeben ist, ist die These, dass ein Übergang zum Sozialismus nur als weltweit gleichzeitiger möglich ist, völlig illusionär. Umgekehrt illustrieren die Beispiele Kubas oder Venezuelas, welche Kraft und welche Möglichkeiten der Kampf um die nationale Souveränität entfal­ten kann.

Sozialismus

Das Verständnis des Imperialismus als geschichtstheoretischer Begriff ist eingeschlossen in ein Epo­chenverständnis, nach dem wir uns im - höchst ungleichmäßig sich vollziehenden - Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus befinden. Der Sozialismus ist nicht die „historische Alternative" zum Kapitalismus, sondern die aus dessen Schoß hervorgehende objektive historische Notwendigkeit, deren subjektiver Faktor die kommunistische Partei ist, deren zentrale Aufgabe darin besteht, die Ar­beiterklasse dazu zu befähigen, diese historische Notwendigkeit zu exekutieren, d.h. den Sozialismus durchzusetzen. In den 70 Jahren realer Sozialismus wurde die Menschheitsgeschichte bisher am wei­testen vorangetrieben. Statt das bisher Erreichte direkt oder durch Interpretation als alternatives Wer­tesystem zu dementieren, kommt es darauf an, auf das Vorwärtsweisende darin zurückzukommen und in neuer Beantwortung von Fragen, auf die die richtigen Antworten nicht gefunden wurden, die historische Mission der Arbeiterklasse zu erfüllen: „mit der Besitzergreifung der Produktionsmittel... die Warenproduktion ... und damit die Herrschaft des Produkts über den Produzenten"[28] zu beseitigen. Mit der Entwicklung des für den künftigen Sozialismus paradigmatischen Werk/Denkzeugs Computer und einer auf der Marxschen Arbeitswerttheorie beruhenden Arbeitszeitrechnung sind heute die tech­nischen und wissenschaftlichen Voraussetzungen für die effektive gesamtgesellschaftliche Planung einer Volkswirtschaft erfüllt. Erst auf der Basis einer solchen Ökonomie sind die Erfordernisse einer sozialistischen Demokratie bestimmbar. Es liegt auf der Hand, dass etwa die Institutionalisierung par­tikulärer Interessen in Form von politischen Parteien samt ihrer Implikationen für den gesamten ge­sellschaftlichen Überbau eine absurde Konsequenz wäre. Umgekehrt kommt es darauf an, dass die von den Menschen „mit vollem Bewusstsein ... in Bewegung gesetzten gesellschaftlichen Ursachen" als gemeinsames Projekt erfahren werden, in dem die vielfältigen Sichten und Interessenlagen so zusammengeführt werden, dass sie „vorwiegend und in stets steigendem Maße auch die von ihnen gewollten Wirkungen haben."[29]

Dass es innerhalb der DKP tief greifende Differenzen gibt, ist schon schlimm genug. Es wäre wenigs­tens etwas gewonnen, wenn die Parteiführung offen auf den Tisch legen würde, was sie vorhat. Es könnte sonst sein, dass viele Mitglieder eines Morgens in einer Partei aufwachen, die sie so nicht gewollt haben. Die Entwicklung und das Schicksal etlicher kommunistischer Parteien in der Welt soll­te uns eine Warnung sein.                                                                                                                                          Helmut Dunkhase


 

Willi Gerns: Zu einigen Aspekten der sozialistischen Demokratie[30]

Hearing zur Programmdebatte der DKP - 17.4.04 – Hannover. Einleitungsstatement AG 2: „Sozialismus - die historische Alternative" Referent: Willi Gerns

Genossinnen und Genossen!

Zum Thema Sozialismus gibt es in unserer Partei selbstverständlich ein großes Maß an Übereinstim­mung. Differenzen gibt es in Teilfragen: in der Gewichtung der äußeren und inneren Faktoren bei der Niederlage des realen Sozialismus in Europa; über das Wirken Stalins und die „Stalinzeit"; über die Fra­ge, ob es im Sozialismus noch Warenproduktion geben kann; über die Schlussfolgerungen, die aus den Erfahrungen des Sozialismus und seiner Niederlage für die konkrete Gestaltung zukünftiger sozialisti­scher Gesellschaften gezogen werden sollten. Besonders umstritten sind dabei Schlussfolgerungen für die sozialistische Demokratie. Ich will darum keine Eulen nach Athen tragen indem ich noch einmal das postuliere, was für uns alle selbstverständlich ist, sondern die mir zur Verfügung stehende knappe Rede­zeit nutzen um meine Sicht zu strittigen Fragen darzulegen. Dabei muss ich mich auf Aspekte der sozia­listischen Demokratie beschränken. (…)

Erstens zur Rolle der Partei. Wegen der knappen Zeit beschränke ich mich darauf die entsprechende Passage aus meiner Broschüre „Der Sozialismus - Bilanz und Perspektive" zu zitieren. Es heißt da: „Obwohl ich davon überzeugt bin, dass eine sozialistische Gesellschaft nur dann erfolgreich aufgebaut werden kann, wenn sich eine Partei, die ihre Tätigkeit auf den wissenschaftlichen Sozialismus gründet, maßgeblichen Einfluss in der Gesellschaft erringt, war die DKP gut beraten, im Mannheimer Programm keinen Führungsanspruch für die kommunistische Partei im Sozialismus zu postulieren. Die Partei, die sich auf den wissenschaftlichen Sozialismus gründet, führt nicht dadurch, dass sie einen Anspruch darauf erhebt. Das klägliche Fiasko der kommunistischen Parteien in den europäischen Ländern des realen Sozialismus ist eine eindeutige Lektion. Vielmehr muss sich die Partei ihren Einfluss im Wettstreit um die besten politischen Ideen und Initiativen immer wieder neu erringen.

Die Aufgabe der marxistischen Partei sollte immer weniger im stellvertretenden Machtausüben für die arbeitenden Menschen und immer mehr darin bestehen, im Wettstreit mit anderen politischen Kräften strategische Orientierungen für die weitere Gestaltung des Sozialismus zu erarbeiten und dafür Mehrhei­ten zu gewinnen, sozialistisches Bewusstsein in den Massen zu entwickeln und sie für das selbstständige, initiativreiche Wirken für den Sozialismus und seine Verteidigung gegen die Konterrevolution zu mobi­lisieren. Das erfordert allerdings gründliche Veränderungen in den kommunistischen bzw. sozialistischen Parteien selbst. Der Glaube, das Wahrheitsmonopol gepachtet zu haben, muss aufgegeben werden, der Marxismus-Leninismus muss wieder als eine schöpferische, sich in der verändernden Wirklichkeit entwi­ckelnde Wissenschaft praktiziert werden, gerade in regierenden kommunistischen Parteien müssen streitbare Diskussionen um mögliche Varianten und Alternativen selbstverständlich sein, im demokrati­schen Zentralismus muss das Element der Demokratie und damit auch die Parteibasis den notwendigen Platz erhalten."

Zweitens. Das Gesagte impliziert bereits, dass ich von der Wahrscheinlichkeit mehrerer Parteien im So­zialismus ausgehe. Dies hat seine Grundlage darin, dass es im Sozialismus noch unterschiedliche Klas­sen und soziale Schichten, unterschiedliche weltanschauliche und religiöse Strömungen mit in vielerlei Hinsicht differenzierten Interessen geben wird. Wie wir bereits im Mannheimer Programm festgestellt haben, sollte unser Streben dahin gehen, dass die verschiedenen Parteien in einem Bündnis zusam­menwirken, um den Obergang zum Sozialismus und seinen Aufbau gemeinsam zu vollziehen.

Es können jedoch durchaus Situationen entstehen, wo im Wettstreit um die Gestaltung des Sozialismus die unterschiedlichen Parteien in ihren Positionen zu wichtigen Fragen soweit auseinander gehen, dass das Bündnis nicht zustande kommt oder zerbricht und bestimmte Parteien gegen die Regierungspartei bzw. das Regierungsbündnis mit Alternativpositionen opponieren, d.h. zu Oppositionsparteien werden. Das muss im Sozialismus möglich sein, wenn das Parteienbündnis nicht erzwungen oder die Möglichkeit des Wirkens mehrerer Parteien nicht zur Farce werden soll. (…)

Wenn es einen wirklichen Wettstreit unterschiedlicher Parteien im Sozialismus gibt, dann schließt dies aber auch ein, dass die regierende Partei oder das Parteienbündnis abgewählt werden kann. (…)

Drittens. Umstritten ist auch der Gedanke einer Gewaltenteilung im Sozialismus. Diejenigen Genossen die sie ablehnen, berufen sich dabei auf Marx und Lenin. Für diese galt jedoch stets der Grundsatz der konkreten Analyse der konkreten historischen Situation und die Praxis als entscheidendes Kriterium. Auch wir sollten an die Frage der Gewaltenteilung konkret-historisch herangehen und sie unter die Lupe der praktischen Erfahrungen des realen Sozialismus nehmen. (…) Darum kann es nicht darum gehen, die Errungenschaften der bürgerlichen Demokratie in Bausch und Bogen einfach über Bord zu werfen. Vielmehr geht es um deren dialektische Aufhebung in einer höheren Form der Demokratie. Diese hat ihre materielle Grundlage in den sozialistischen Eigen­tumsverhältnissen, die es ermöglichen, aus formal gleichen Rechten wirklich gleiche Rechte zu machen. Die Formen und Instrumente, die die bürgerliche Demokratie hervorgebracht hat, alternative Wahlen, Menschenrechte, Gewaltenteilung, können und müssen auf der neuen materiellen Grundlage erhalten und bereichert werden, so z.B. dadurch, dass die politischen durch die sozialen Menschenrechte ergänzt und abgesichert werden. (…)                  Willi Gerns, Beitrag beim Hearing


Diese von Willi Gerns vertretenen Positionen sind nicht neu:

„Nicht theoretische Meinungsverschiedenheiten und Haarspaltereien, sondern die Realität der Diktatur mit ihren unentrinnbaren Konsequenzen bilden das große Hindernis, das jedes Zusammengehen zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten unmöglich macht. Noch ist nicht abzusehen, wann und wie einmal dieses Hindernis fallen wird. Fällt es einmal, verzichten die Kommunisten auf die Diktatur, ob freiwillig oder gezwungen, dann hört die Scheidung zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten auf, eine Notwenigkeit zu sein. Dann ist die Wiedervereinigung von Sozialdemokraten und Kommunisten nur noch eine Frage der Zeit.“

Karl Kautsky: „Kommunismus und Sozialdemokratie“, erschienen in: Die Gesellschaft, 9. Jg., Nr. 3, März 1932, S. 276-278

„Diese Auffassung des Staates und des Kampfes für seine Demokratisierung verlang den Verzicht auf die Vorstellung des Arbeiter- und Bauernstaats in seiner klassischen Form (…)

Santiago Carrillo, „’Eurokommunismus’ und Staat“. VSA-Verlag Hamurg 1977, S. 83

… diese Beispiele ließen sich belieb und umfassend fortsetzen…. (vg. Dazu ausführlich: „Der Revisionismus“, offen-siv, Nr. 2/2004)


Sage mir, wer Deine Freunde sind und ich sage Dir, wer Du bist…

„Programmatisches in den Falten des Küstengebirges“

Die Kommunistische Partei Japans verabschiedete ein neues Grundsatzdokument

Von Helmut Ettinger

Seit der Annahme des letzten Parteiprogramms im Jahre 1961 wurde jetzt erstmals eine derart umfassende Änderung vorgenommen. Im Grunde genommen handelt es sich um ein neues Programm (…) Veränderungen betreffen die Definition des Imperialismus, demokratische Reformen im Kapitalismus sowie die Vorstellungen von der künftigen sozialistischen Gesellschaft. Das Programm wurde mit nur einer Gegenstimme angenommen. Zum Begriff des Imperialismus erläuterte der amtierende Leiter des Abteilung Strategie, Kenji Yamaguchi: Während zu Lenins Zeit praktisch alle Staaten im monopolkapitalistischen Stadium Expansionismus und Kolonialismus betrieben hätten und damit zu Recht als imperialistisch definiert worden seien, könne man heute nicht mehr sagen. Nur Staaten, die Aggression, Intervention und Kolonialpolitik seien als imperialistisch zu bezeichnen. Auf Japan treffe das beispielsweise nicht zu. Daher sei auch der Begriff vom ‚imperialistischen Lager’ aus dem Parteiprogramm verschwunden. (…) Als Weg der sozialistischen Transformierung orientiert das neue Programm auf Reformen im Rahmen der kapitalistischen Gesellschaft. (…) Was die Theorie von der sozialistischen Gesellschaft betrifft, so verabschiedet sich die KPJ (Kommunistische Partei Japans, d. Red.) von Lenins Auffassung über die zwei Stadien Sozialismus und Kommunismus. (…) Zur historischen Untermauerung dieser Thesen wurde die bereits auf dem 20. Parteitag 1994 von Fuwa (KPJ-Parteichef, d. Red.) begründete rückhaltlose Verurteilung  des sowjetischen Sozialismusmodells in das neue Parteiprogramm aufgenommen. Diese Gesellschaft könne nicht als sozialistisch betrachtet werden, weil sie Demokratie verweigerte, das Recht auf nationale Selbstbestimmung verletzte, die Menschen unterdrückte und von der Führung der Wirtschaft ausschloss. In diese Kritik wurden die osteuropäischen sozialistischen Länder einbezogen. (…) Das neue Programm weist eine Reihe von Berührungspunkten zur PDS auf. (…)“

Aus: „Disput“, Mitgliederzeitschrift der PDS. herausgegeben vom Parteivorstand der PDS, Nr. 3/04


In den Mühen der Ebene die Höhen sehen“

Eindrücke von 23. Parteitag der JCP (Japanische Kommunistische Partei, d.Red.)

Von Detlef Fricke*

Die Diskussion des Programms fand nicht auf dem Parteitag statt. Sie war in den letzten vier Jahren geführt worden, gefördert durch neun Reader, in denen strittige Fragen und Zwischenberichte dokumentiert wurden. Das Herausragende an diesem Programm: Es ist klar, verständlich geschrieben, es kann jedem, der an der Politik der JCP interessiert ist, in die Hände gegeben werden, es ist Anleitung zum Handeln – so einige insbesondere junge Delegierte. Andererseits Aussagen, die anders sind, als wir sie sehen (…)  Man merkt: Diese Partei braucht und genießt den Dialog mit anderen kommunistischen Parteien, wie wir ja auch. Sichtweisen der Welt kennen zu lernen – auch unterschiedliche – sich mit ihnen auseinanderzusetzen, sie für die eigene politische Arbeit nutzbar zu machen, im Dialog zu bleiben, obwohl Japan 10.000 km entfernt liegt, darin kann der Zweck eines solchen Besuches liegen.“

Aus: „unsere zeit (UZ), Zeitung der DKP“, 30 Januar 2004. D. Fricke ist Mitglied des Parteivorstands der DKP

Heinz Stehr, DKP-Vorsitzender:

„Die JKP formuliert ihre Sicht zur Entwicklung so: Die Verhältnisse im Lande ändern sich, die Gesellschaft ändert ihr Verhältnis zur JKP, die Partei muss diesen neuen Chancen entsprechend sich gegenüber der Gesellschaft öffnen. In der großbürgerlichen und liberalen Presse wurde dies als ‚überfälliges Abgehen’ vom kommunistischen Charakter der JKP gewertet. Meiner Wahrnehmung nach ist dieser Prozess viel eher eine politische Antwort auf neue Herausforderungen. (…) Für die DKP können die sich gut entwickelnden Beziehungen (mit der KPJ, d. Red.) von Bedeutung sein für die weitere Erarbeitung programmatischer und politischer Positionen. Japan ist ökonomisch und politisch ein wichtiges Zentrum in der Welt, die JKP ist eine Massenpartei in einem hoch entwickelten kapitalistischen Staat, ihre politische Konzeptionen sind anregend.“

Aus: „unsere zeit (ZU), Zeitung der DKP“, 1.12.2000: „Neue Chancen nutzen! 22. Parteitag der Japanischen Kommunistischen Partei“, Parteitagsberichterstattung von Heinz Stehr, Vorsitzender der DKP

Berichte

Dieter Rolle: DKP, KPD, KPF gemeinsam

In Sachsen-Anhalt hat die Zusammenarbeit von KPD und DKP schon eine lange Tradition. Bereits seit 1991 fanden immer wieder gemeinsame Zusammenkünfte statt, die zum Thema „Was trennt und was vereint uns“ durchgeführt wurden.

Im Ergebnis wurde 1998 zwischen DKP, KPD und Kommunistischer Plattform der PDS (KPF) eine schriftliche Vereinbarung zur Zusammenarbeit auf Ebene der Landesvorstände abgeschlossen , welche 2003 aktualisiert wurde.

Seitdem finden regelmäßig einmal im Quartal Treffen von Mitgliedern der Landesleitung der KPD, des Koordinierungsrates der DKP sowie des Sprecherrates der KPF statt. Eine Festlegung daraus lautet z.B., in gewissen Zeitabständen gemeinsame theoretische Veranstaltungen durchzuführen.

Nachdem am 7. Dezember 2002 in Halle die erste Veranstaltung zu Fragen der Aktionseinheit / Bündnispolitik stattfand, wurde als ein weiterer Höhepunkt in der Zusammenarbeit nach längerer Vorbereitung am 27. März 2004 in Bernburg die zweite gemeinsame Veranstaltung durchgeführt. An dieser nahmen fast 50 Genossinnen und Genossen der DKP, der KPD sowie der KPF und Sympathisanten teil. Genossinnen und Genossen aus anderen Landesorganisationen waren ebenfalls anwesend.

Warum dieses große Interesse? Es lag wohl am Thema: „Die historische Rolle Stalins und ihre Verfälschung durch den Revisionismus“. Das Referat dazu hielt Genosse Dr. Kurt Gossweiler. Durch gezielte Literaturhinweise zu Veröffentlichungen, z.B. von Ludo Martens, Kosolapow, Ulrich Huar, Kurt Gossweiler sowie der Schriftenreihe der KPD zur Thematik konnten sich die Genossinnen und Genossen im Vorfeld der Veranstaltung mit dem Anliegen beschäftigen. Dabei war uns von vornherein klar, dass mit einer Veranstaltung nicht alle Fragen und Probleme geklärt werden können.

Aber ein Auftakt, ein Anfang zu dieser für die internationale kommunistische Bewegung so wichtigen Thematik konnte gemacht werden. Geht es doch, wie Ulrich Huar in „offensiv“ 5/2002, S.7, feststellt, „um eine historisch-materialistische Bewertung der Persönlichkeit Stalins; nicht mehr, aber auch nicht weniger.“

In der etwas zu kurz gekommenen Diskussion wurden die unterschiedlichen, manchmal auch gegensätzlichen Positionen von Genossen der KPD und der DKP zur Problematik zu wenig deutlich gemacht. Damit wurde auch das eigentliche Ziel noch nicht erreicht. Jedoch machte der Diskussionsbeitrag eines Teilnehmers sichtbar, was auch der Applaus und die Zustimmung zeigte, dass er es als ein besonderes Ereignis empfinde, das sich Kommunisten aus unterschiedlichen Parteien zu diesem Thema getroffen haben, um gemeinsam darüber zu diskutieren. Denn die unterschiedlichen Wertungen zur Person Stalins stellen das z.Zt. wohl bedeutendste Hindernis für die Einheit der Kommunisten dar. Deshalb ist der Klärungsprozess auch zielgerichtet weiter zu führen.

Eine Vielzahl von Teilnehmern äußerte den Wunsch nach weiteren Veranstaltungen dieser Art. Dies entspricht auch dem Wollen der genannten Leitungen im Land Sachen-Anhalt.

Die Veranstaltung verlief in einer freundschaftlichen Atmosphäre.                        Dieter Rolle, Zeitz


Vorstand des Vereins zur Förderung demokratischer Publizistik: Über das Treffen mit dem RotFuchs

Am 8. Mai fand das Treffen zwischen dem Vorstand des RotFuchs-Vereins – Herausgeber der Zeitschrift RotFuchs - und dem Vorstand des Vereins zur Förderung demokratischer Publizistik – Herausgeber der Zeitschrift offen-siv - statt. Das Treffen kam auf Initiative der offen-siv-Herausgeber auf Basis eines entsprechenden Beschlusses der Mitgliederversammlung vom Januar dieses Jahres zustande. Es sollte der Förderung des kameradschaftlichen Umgangs miteinander sowie der Entwicklung gemeinsamer Projekte dienen. Wir zeichnen hier in groben Linien den Verlauf des Gespräches nach.

Nachdem wir gefragt wurden, wie wir uns den Verlauf des Gespräches vorstellten und wir vorgeschlagen hatten, uns drei Punkten zuzuwenden: 1. die Vergangenheit, also die Gemeinsamkeiten bei den beiden bisher in Zusammenarbeit organisierten Veranstaltungen (zum 50. Jahrestag der DDR sowie die international besuchte und beachtete Imperialismuskonferenz; siehe dazu die bei der offen-siv zu bestellenden Protokollbände) und die Auseinanderentwicklung danach nachzuzeichnen; 2. die aktuelle Situation und die Aufgaben der Kommunisten heute zu diskutieren und 3. daraus Schlüsse für Gemeinsamkeiten und eventuelle gemeinsame Projekte, eben politische Praxis, zu ziehen, begann Klaus Steiniger, Chefredakteur des RotFuchs, mit einer Selbsteinschätzung des RotFuchs, wobei er darstellte, dass der RotFuchs Sozialisten und Kommunisten auf marxistischer Grundlage zusammenführen wolle, dass der RotFuchs deshalb eine Art Volksfront-Charakter habe, eben nicht nur von Kommunisten gelesen werde, sondern auch weit in die PDS hineinwirke und inzwischen auch SPD-Mitglieder zu seinen Abonnenten zählten. Da man auf die Leserschaft Rücksicht nehme, stelle man den Leninismus etwas mehr hintenan, wenngleich man selbstverständlich für sich selbst und die Kommunisten im Rotfuchs-Verein am Marxismus-Leninismus festhalte. Man müsse nicht das Trennende hervorheben, sondern das Gemeinsame suchen und das Trennende beiseite schieben. Nur so sei der Zersplitterung der Linken zu begegnen. In diesem Zusammenhang kam dann auch wieder die Forderung nach langfristiger Schaffung einer einheitlichen marxistischen Massenpartei auf den Tisch.

Die Situation in der DKP stelle sich sehr kompliziert dar; das Ziel müsse sein, die Führung um Heinz Stehr zu isolieren, die rechten Kräfte in der DKP politisch unwirksam zu machen und langfristig eine andere, bessere Führung zu wählen. Dazu brauche man einen langen Atem und die Politik der kleinen Schritte. Hans Heinz Holz und Patrick Köbele seien die großen Hoffnungsträger, die man deshalb keinesfalls kritisieren dürfe.

Hier schlossen sich einige kritische Bemerkungen über die offen-siv an. Der erste Problemkreis war die Einschätzung Stalins, die Einschätzung des XX. Parteitages und schließlich der Chruschtschow-Ära. Der RotFuchs-Verein sei sich darin einig, sowohl Licht und Schatten, Verdienste und Verbrechen der Stalin-Zeit zu sehen, wolle sich aktuell dazu aber nicht weiter positionieren, weil das nur polarisiere. So, wie Kurt Gossweiler den XX. Parteitag und die Politik Chruschtschows darstelle, könne man das nicht machen, das sei zu vereinfachend, es habe auch unter Chruschtschow große Erfolge gegeben.

Der zweite Problemkreis war die Einschätzung der Lage in der DKP. offen-siv sei hier zu grob, greife die DKP pauschal an und kritisiere völlig zu Unrecht auch Hans Heinz Holz. Diesen in die Nähe des Zentrismus zu rücken, sei völlig unstatthaft. Die massive Kritik der offen-siv an der DKP-Führung bringe nichts, weil sie die Mitglieder in die Solidarisierung mit dieser rechten Führung treibe.

Schließlich zog Klaus Steiniger daraus den Schluss, dass die Unterschiede zwischen beiden Zeitschriften bzw. Vereinen groß seien und dass daher gemeinsame Veranstaltungen oder Projekte derzeit nicht möglich wären. Immerhin aber könnten wir doch verabreden, auf gegenseitige Polemik zu verzichten.

So weit Klaus Steiniger. Wir enthielten uns irgendeiner Kritik am RotFuchs, wollten auch nicht lange über die Themen „Stalinismus“ bzw. DKP diskutieren, denn es sollte ja um das Ausloten von Gemeinsamkeiten gehen. Als sich die Diskussion recht bald dem Punkt näherte, die unterschiedlichen Ausrichtungen der beiden Zeitungen anzuerkennen (RotFuchs mehr in Richtung Volksfront und Sammelbewegung, offen-siv mehr in Richtung Grundlagentheorie und Revisionismuskritik), woraus sich vielleicht bei Kenntnis der Unterschiede die vorhandenen Schnittmengen hätten bestimmen lassen können, eskalierte das Gespräch durch einen Beitrag von Klaus Steiniger, in dem er der offen-siv Tendenzen zum Linkssektierertum unterstellte. Dies schien nicht zu genügen, denn er setzte nach und sagte, dass er, „wenn er nicht wüsste, wen er vor sich habe“, zur Auffassung kommen könnte, dass offen-siv „ideologische Diversion“[31] betreibe.

Wir waren um Mäßigung bemüht, um die Eskalation zu stoppen, aber Klaus Steiniger konnte nicht anders, er musste wiederholen, dass einige Artikel in der Offensiv objektiv die Funktion der ideologischen Diversion erfüllten. Als dann auch noch ein weiterer Genosse des RotFuchs-Vereins den gleichen Wortlaut gebrauchte, benötigten wir eine Pause.

Nach der Pause fragten wir, wie es angesichts der eingetretenen Situation nun weiter gehen könne. Als Antwort bekamen wir, dass wir in der offen-siv wenig verantwortungsbewusst agieren und zu wenig Rücksicht nehmen würden. Als Beispiel wurde uns ein von uns abgedruckter Artikel von Kurt Gossweiler genannt, in dem die Entspannungspolitik als Einstieg in revisionistische Verfälschung der Leninschen Politik der „friedlichen Koexistenz“ kritisiert wurde. Dieser Artikel sei furchtbar, denn ohne Entspannungspolitik wäre die DDR zerbombt worden von Hunderten von Atombomben. Es habe keine Alternative gegeben.

So saßen wir nun da und fragten danach, was nach all dem noch an Gemeinsamkeiten da sein könnte. Zu 80 Prozent, 90 Prozent, ja sogar 95 Prozent seien die Artikel der offen-siv ja richtig und man könne sie durchaus unterschreiben, war die Antwort, trotzdem aber wurde von Klaus Steiniger mehrfach wiederholt, dass die Unterschiede zu groß seien, als dass an gemeinsame politische Projekte gedacht werden könne.

Trotzdem trugen wir – nach einigem Zögern auf Seiten des RotFuchs - unsere Ideen zu solchen Projekten vor. Diese sind:

- Eine gemeinsame Konferenz zum Thema: „Sozialismus in Asien“, am liebsten China, Nordkorea und Vietnam, wenn nicht alles realisierbar ist, dann zumindest China, denn die dortige Entwicklung scheint uns sehr interessant zu sein.

- Eine gemeinsame Konferenz zum Thema „Zur aktuellen Lage und zu den Aufgaben der Kommunisten heute“. Dies wäre in der Vorbereitung genauer einzugrenzen.

- Zwei gemeinsame Publikationsprojekte. Eins zur Analyse des aktuellen Trotzkismus (Stichworte EAL, Jugendbegeisterung, ideologischer Wirrwarr) ein weiteres zur Politischen Ökonomie (Grundlagen und Aktuelles).

- Organisierung einer Vortrags- bzw. Veranstaltungsreihe als Rundreise zur Unterstützung des irakischen Widerstandes

- Organisierung einer Veranstaltungsreihe als Rundreise zur Verstärkung der Solidarität mit dem nationalrevolutionären Prozess in Venezuela.

- Gegenseitige Unterstützung durch Austauschanzeigen und einen regelmäßigen Hinweis auf das jeweils beim anderen neu erschienene Heft.

Nun will der RotFuchs-Verein unsere Vorschläge diskutieren und prüfen und uns dann eine Antwort zukommen lassen. Wir haben sie dementsprechend dem Vorstand des RotFuchs-Vereins schriftlich eingereicht. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass uns wesentlich mehr vereint als trennt und möchten die Hoffnung nicht aufgeben wollen, dass es in absehbarer Zukunft doch noch zu gemeinsamen Projekten kommen kann. Es bleibt abzuwarten, wie der Vorstand des RotFuchs-Vereins auf unser Angebot reagieren wird. Wir werden darüber informieren und an unserem Bemühen der Stärkung der Gemeinsamkeiten festhalten.

Anna C. Heinrich, Frank Flegel, Michael Opperskalski, „Verein zur Förderung demokratischer Publizistik e.V,“ Vorstand


Buch- und Webseitenbesprechung

Klaus von Raussendorff: Die Webseite www.kurt-gossweiler.de

Liebe Leute,

auf der Webseite www.kurt-gossweiler.de, die von mir redigiert und von Dieter Vogel als Webmaster betreut wird, findet Ihr jezt 16 weitere wichtige Arbeiten von Kurt Gossweiler.

Der Historiker Dr. sc. Dr. h.c. Kurt Gossweiler, geboren im Jahr der Oktober-Revolution 1917, aufgewachsen in einem kommunistischen Elternhaus, jugendlicher Widerstandskämpfer gegen den Hitler-Faschismus, von der faschistischen Wehrmacht 1943 auf die sowjetische Seite übergetreten, Mitstreiter beim Aufbau der DDR, hat sich als Wissenschaftler und politischer Publizist stets vor allem für folgende Fragestellung interessiert: Welches waren die Ursachen der epochalen Niederlagen der Arbeiterbewegung, des Hitler-Faschismus 1933 und der konterrevolutionären Restauration des Kapitalismus in den sozialistischen Staaten Europas 1989/90?

Mit seiner Dissertation über „Die Röhm-Affaire“ (1963) und seiner Habilitationsschrift über „Großbanken, Industriemonopole, Staat“ (1972) und vielen weiteren Arbeiten wurde Gossweiler zu einem der bedeutendsten Faschismus-Forscher.

Als einer von wenigen erkannte er schon früh, dass unter der Führung Chruschtschows die KPdSU unter dem Vorwand des Bruchs mit dem so genannten „Personenkult“ in Wahrheit den Bruch mit dem Marxismus-Leninismus vollzog und den Weg der Restauration des Kapitalismus beschritt. Mit unbestechlichem historischen Tatsachensinn erfasste er in seinem politischen Tagebuch das Aufkommen des Revisionismus in der kommunistischen und Arbeiterbewegung, nachzulesen in: Kurt Gossweiler, Die Taubenfuß-Chronik oder Die Chruschtschowiade 1953 bis 1964, Bd. I 1953 bis 1957, München, 2002, 1. Aufl., 412 S.; ISBN 3-00-008773-7; Verlag zur Förderung der wissenschaftlichen Weltanschauung, Tulbeckstr. 4, 80339 München, Tel.: 089-5040 703 46; Fax: 089-540 703 48

Dazu Gossweiler: "In Teil I – niedergeschrieben in den Monaten Dezember 1956 bis Januar 1957 – ließ ich an Hand von Zeitungsnotizen noch einmal die Ereignisse vom März 1953 – vom Tode Stalins also – bis Ende 1956 Revue passieren, um einen durch die Ereignisse in Ungarn verstärkten bestimmten Verdacht, die Rolle Chruschtchows betreffend, zu widerlegen oder zu verifizieren. Diese Überprüfung führte – leider – zu dem Ergebnis, dass der Verdacht begründet war – der Verdacht nämlich, dass mit diesem „Reformer“ in Wahrheit ein Antikommunist an die Spitze der Partei Lenins gelangt war – so unwahrscheinlich mir auch das erschien und allzu vielen auch heute noch erscheint, trotz vorliegender Beweise“

Teil II der Taubenfußchronik wird noch im Jahr 2004 erscheinen.

Taubenfußchronik nannte Gossweiler sein faszinierendes Zeugnis der Zeitgeschichte nach dem Ausspruch: "Die Entartung kommt, wie man zu sagen pflegt, auf Taubenfüßen" (Karl Schirdewan auf der 28. Tagung des ZK der SED, November 1956).

Dass der Revisionismus in die Niederlage führen könnte, blieb auch Gossweiler bis 1988 unvorstellbar. Nach der Menschheitskatastrophe der Zerschlagung der sozialistischen Staaten in Europa widmete er sich dann in zahlreichen Arbeiten der "Katastrophen-Ursachenforschung". Ein Teil dieser Arbeiten erschien in dem Sammelband: Kurt Gossweiler, Wider den Revisionismus, München, 1997, 410 S. broschiert; ISBN: 3-00-002404-2; Verlag zur Förderung der wissenschaftlichen Weltanschauung, Tulbeckstr. 4, 80339 München, Tel.: 089-5040 703 46; Fax: 089-540 703 48. Der Band ist ab sofort wieder lieferbar.

Das Hauptanliegen der in dem Sammelband zusammengestellten Aufsätze ist es, Hintergründe der erfolgreichen Zerschlagung der sozialistischen Gesellschaftsordnungen in Ost-Europa, insbesondere der Sowjetunion, zu untersuchen. Dabei konzentriert sich Gossweiler insbesondere auf die Analyse jener Prozesse, welche die in Ost-Europa regierenden kommunistischen Parteien - seit Chrustschow - schrittweise veränderten und zur Basis für die dann erfolgte Zerschlagung des Sozialismus wurden.

Einige der Arbeiten aus dem Sammelband und zahlreiche weitere sind auf der Webseite www.kurt-gossweiler.de verfügbar, die nunmehr 47 Arbeiten umfasst und weiter ausgebaut werden soll.     Mit internationalistischen Grüßen, Klaus von Raussendorff, Bonn


Feter Feist: Begriffe werden zu Kaugummi

Rezension zu Ingo Wagner: Eine Partei gibt sich auf. Theoretisch-politische Glossen zum Niedergang der Partei des Demokratischen Sozialismus Berlin, edition ost, 2004, ISBN 3-360-01056-6

Als erste marxistische Wortmeldung von Gewicht nach der Niederlage der Linken auf dem Chemnitzer Programmparteitag liegt nun diese Sammlung von Glossen des prominenten Leipziger PDS-Kritikers Ingo Wagner in Buchform vor. Der Autor, der mit der Annahme des neuen PDS-Parteiprogramms einen längeren historischen Prozeß als abgeschlossen betrachtet, reagiert in seiner Streitschrift aber nicht nur auf dieses Programm und seine innerparteilichen Wirkungen, sondern analysiert eben jenen Entwicklungsprozeß zwischen 1990 und 2003. Wie bei einem profunden Kenner und Kritiker von Politik und Programm der PDS nicht anders zu erwarten, kommt er zu einem eindeutigen Schluß: die PDS ist zu einer sozialdemokratischen Partei „sui generis“ degeneriert.

Genau dieser „Transformationsprozeß“ von der staatstragenden und sich äußerlich kommunistisch gebärdenden SED zur kleinbürgerlich-opportunistischen PDS wird unter verschiedenen Fragestellungen untersucht. Im Zentrum der zuweilen erfreulich polemischen Erörterungen steht dabei das programmatisch-theoretische Agieren jener „Vordenker“ um die Gebrüder Brie und D. Klein sowie der Politiker um G. Gysi, L. Bisky, D. Bartsch und G. Zimmer. Diese auch als „Küchenkabinett“ der PDS in Verruf geratene fraktionelle Gruppe hat die Partei systematisch in Politik und Programmatik auf einen rechtsopportunistischen Kurs gelenkt, der weitgehend im krassen Widerspruch zu den Interessen ihrer Wähler steht. Die „theoretische“ Grundlage dieser Gruppe ist das, was der Autor als „Modernen Sozialismus“ bezeichnet, und genau dieser steht im Mittelpunkt seiner kritischen Abrechnung.

Da der Rezensent mit Ingo Wagner schon lange in Grundpositionen übereinstimmt, war er natürlich sehr gespannt auf dieses Buch. Selbstverständlich ergeben sich aus einer solchen Gemeinsamkeit Vorfragen, deren Beantwortung man sich wünscht und um es vorweg zu sagen: es ist ein sehr wichtiges Buch, dem man viele aufmerksame Leser, nicht nur im Umfeld der PDS, wünscht.

Die erste Frage war, ob man die Herkunft und den Inhalt des Modernen Sozialismus erklärt bekäme. Der Autor entschlüsselt sehr präzise das „Geheimnis der spekulativen Konstruktion“ (MEW Bd. 2, S. 59-63) der Philosophie der „Modernen Sozialisten“, wenn er schreibt: „Gesellschaftswissenschaftliche Begriffe, die keinen Durchschnitt realer Erscheinungen des jeweiligen Typs vermitteln, sondern nur einen Idealtypus angeben, werden mit historisch-konkreter Gesellschaftsbetrachtung vermischt. Die Aufgabe des Marxismus - insbesondere seiner Geschichtsphilosophie und Revolutionstheorie - ist mit „Neomarxismus“ gepaart, da eine totale Rückkehr zur vormarxistischen Sozialwissenschaft undenkbar ist. … Richtiges ökonomisches und soziologisches Material wird oft „an sich“ in den Text eingefügt usw. usf. Eine solche „Argumentationslogik“ rechnet offensichtlich mit der Unwissenheit, mit der fehlenden Orientierung der Opponenten …(S.28)“. Der Autor beschreibt zu Recht den inneren theoretischen Gehalt des Modernen Sozialismus als „phänomänal“, das Ganze ist eine Amalgam zueinander nicht passen wollender Teile, deren Hauptzweck darin besteht, eine „Beliebigkeit“ der politischen Auslegung zu ermöglichen. „Deshalb geraten Begriffe wie Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde zu Kaugummi“ (S. 15).

Die innere Verklammerung von Theorie und Praxis, Modernem Sozialismus und PDS-Führung führt der Autor im folgenden ausführlich und materialreich vor. Er ertappt M. Brie mit der entlarvenden Aussage, das Hundert praktische Schritte in der Politik praktisch ein neues Parteiprogramm schaffen, das sich aber der programmatischen Kritik entziehe, da es nur im Bewußtsein der Macher existiere. Wagner hält ihm entgegen: „Regierungsbeteilungen auf Länderebene sind natürlich keine einfachen praktischen Schritte. Und das „praktisch“ neue Programm, das nur „im Bewußtsein der politischen Macher der Partei“ existieren soll, scheint ein Produkt Außerirdischer zu sein. Sollte es deshalb immun gegen „programmatische Kritik“ sein? Immerhin kann man noch erkennen, daß die ganz einfachen praktischen Schritte sich scheinbar aus den Notwendigkeiten des Alltags der Politik ergeben. Ergo: de facto muß es solche Notwendigkeiten geben! (S. 30)“. Damit ist zugleich das für heute Entscheidende gesagt: nicht die sogenannten Sachzwänge sind die Ursache der anti-sozialen Politik der z.B. Berliner Genossen Senatoren, sondern ihre ideologische Bereitschaft, sich auf alles einzulassen, was ihnen hilft, im Kapitalismus „anzukommen“ und ihn mitzugestalten.

Ziel aller Begriffsakrobatik in den nach Dutzenden zählenden Programmschriften ist es, den Sozialismus innerhalb des Kapitalismus zu verwirklichen. Gerade das konsequente Leugnen der Notwendigkeit des Systemwechsels mache den Bruch mit dem Marxismus aus, sei der sichtbarste Ausdruck des Übergangs von sozialistischer zu kleinbürgerlich-opportunistischer Denkweise. Wagner: „Der schier unerschöpfliche Springbrunnen der Utopie des Modernen Sozialismus in Form von Aufgaben, Wünschen, Appellen oder Vorahnungen usw., ist eine Art von spekulativer Utopie. Aber zugleich reflektiert er Tatsachenmomente der gesellschaftlichen Realität - wenn auch vereinzelt, verkürzt und ideologisch gebrochen; deshalb utopischer Realismus (S. 41).“

Dies wird vom Autor präzise herausgearbeitet, mit Beispielen belegt, wobei auch scheinbar nebensächliche Fragestellungen aufgegriffen werden, - übrigens einer der wichtigsten Vorzüge des Buches. Nur durch die genaue und detailreiche Darlegung, wie und in welchen Schritten der Moderne Sozialismus in die PDS implantiert wurde, wird dieser Prozeß auch für Außenstehende nachvollziehbar. Erst durch das Bloßlegen der langfristig geplanten, offensichtlich mit strategischem Anspruch und manch taktischem Ungeschick schrittweise durchgeführten Umwandlung der PDS-Ideologie, wird diese als Prozeß begreifbar und der historischen Analyse überhaupt erst zugänglich. Insofern sind die Wagnerschen Glossen eine wichtige Arbeitsgrundlage für jede weitere Publikation zur Geschichte der PDS. Widersprechen muß ich allerdings, wenn gesagt wird, das die Wurzeln des Modernen Sozialismus aus der Endzeit der DDR und der Sozialismusforschung an der Berliner Humboldt-Universität herrühren (S. 36). Als Zeitzeuge und Beteiligter habe ich anzumerken, das die Mehrheit der dortigen Forscher an einer ernsthaften Bewältigung der Probleme, Krisen und Widersprüche des „realen Sozialismus“ interessiert war. Die inhaltlich-theoretische Trennung dieser Mehrheit von den heutigen Modernen Sozialisten erfolgte 1986/87 und zwar wegen einer methodologisch-theoretischen Grundfrage. In den Worten meines hochverehrten Lehrers Gottfried Stiehler gesagt, die Gruppe um M. Brie betrieb „Kommunismus-Schwärmerei“, soll heißen: man wollte die Gesellschaft erkennen, indem man den Unterschied zwischen real-sozialistischer Wirklichkeit und kommunistischem Ideal aufzeigte und aus der so gefundenen Diskrepanz die Aufgaben und Schritte der Veränderung ableitete. Die Mehrheit war der „alten“, materialistischen Auffassung, daß es darum gehe, die gesellschaftliche Entwicklung aus ihren selbst produzierten eigenen Bedingungen, Gesetzen und Voraussetzungen als ganzheitlichen Prozeß zu begreifen. Deshalb hätte man sich verstärkt den realen Widersprüchen, Konflikten und Triebkräften dieser DDR zuzuwenden. Dieses „die Gesellschaft so begreifen, wie sie tatsächlich ist und nicht, wie sie das Politbüro gerne hätte“ wurde uns von der SED-Führung alles andere als leicht gemacht, während die „Ideal-Praxis-Konstruktionen“ der Modernisierer gern gesehen wurden, denn sie hatten ja nichts mit der Realität zu tun. Man kann nun feststellen, um auf den Rezensionsgegenstand zurückzukehren, Ingo Wagner zeigt auf, das die „Brieaner“ noch immer dasselbe unter anderem Vorzeichen machen, „Kapitalismus-Schwärmerei“. Auch hier wird ein idealer Kapitalismus (ohne Profitdominanz, freiheitsliebend, prinzipiell zu sozialer Gerechtigkeit fähig, friedlich usw.) konstruiert und der höhere politische Zeck der PDS sei, dieses ideale Wesen endlich zu verwirklichen. Das ist noch unwahrscheinlicher, als die Vorstellung, daß die durch und durch stalinistische SED einen wirklichen Kommunismus hätte errichten können.

Eine weitere Vorfrage war, ob der Autor deutlich machen kann, daß die Modernen Sozialisten heftig an einer Legitimierungs-Legende arbeiten, die da lautet, sie würden den „Transformationsprozeß“ im Auftrag der Mitgliedermehrheit vollziehen, die ja auf dem Januar-Parteitag 1990 eine Erneuerung beschlossen habe. Wagner: „Der Moderne Sozialismus wurde so von einer kleinen intellektuellen Minderheit bereits mit Gründung der PDS ins Spiel gebracht und zunächst in kleinen Dosen eingeführt. Er begann um die programmatische Hegemonie zu kämpfen und verstand es dabei, ernsthaften Debatten auszuweichen.“ Die unzähligen taktischen Winkelzüge, Statutenbrüche, Aushöhlungen von Parteiparteibeschlüssen etc. werden vom Autor benannt bzw. die Quellen aufgelistet.

Von besonderer Qualität und weit über den eigentlichen Gegenstand des Buches hinausgehend ist für den Rezensenten die Tatsache, das I. Wagner nicht bei der Kritik der Konzeption des Modernen Sozialismus stehenbleibt, sondern Vorschläge für eine Diskussion um das sozialistische Programm der Gegenwart unterbreitet. Dieser Teil des Buches, der fast ein Drittel des Textes umfaßt, gibt nicht nur allgemeine Leitlinien und Grundfragen einer solchen programmatischen Debatte vor, sondern Wagner veröffentlicht auch konkrete Teile eines Programms (entstanden in Zusammenarbeit  mit H. Kallabis und G. Krusch), die einer eigenen Darstellung wert wären. Ebenfalls für die weitere Debatte sehr wichtig ist der theoretisch-historische Ansatz des Autors, bei der PDS handele es sich um eine sozialdemokratische Partei sui generis (der eigenen Art). Die Wagnersche Argumentation überzeugt und sollte Ausgangspunkt zukünftiger Einschätzungen dieser Partei sein. Richtig ist vor allem die Festsstellung, daß die PDS als Resultat des Modernen Sozialismus insgesamt zurückfällt „hinter E. Bernstein, … der als reformistischer Sozialist wollte, daß die Sozialdemokratie  die kapitalistische Produktionsweise überwindet - obwohl seine politischen wie ökonomischen und philosophischen Theorien nicht geeignet waren, die sozialistische Ordnung zu verwirklichen. Die PDS ist insofern keine klassische reformistische Partei. Sie ist eine moderne „linke“ Partei des kleinbürgerlichen Sozialreformismus, die als Sozialdemokratie sui generis den Sozialismus der Bourgeoisie repräsentiert(S. 136)“.

Der Autor wendet sich auch der schwierigen Frage zu, ob die PDS so etwas wie einen „historischen Auftrag“ habe und schreibt: „Die PDS wird so versuchen, dieses System (den Kapitalismus - P.F.), durch die Beschneidung seiner extremen Auswüchse zu erhalten. Und eine solche Positionierung verlangt, Linke den sozialen und ökonomischen Erfordernissen des Kapitals unterzuordnen, sie in den politischen Mainstream der bürgerlichen Gesellschaft einzuordnen und in deren kulturelle Hegemonie einzubeziehen.“ Und weiter, Schneider zitierend: „die Herausbildung eines oppositionellen oder gar revolutionären Subjekts zu verhindern und das objektiv existierende Protestpotential in den Kapitalismus zu überführen (S. 138).“ Dies ist sicher objektiv richtig und unbestreitbar. Inwieweit dabei die Akteure des Modernen Sozialismus aber auch subjektiv eine „Agentur“ des Kapitals innerhalb der PDS sind, wie von einigen Verschwörungstheoretikern immer wieder hartnäckig behauptet wird, läßt der Autor weitgehend offen (S. 137). Hier hätte man sich eine klarere Abgrenzung gewünscht. Richtig bleibt aber die Feststellung: „Ob die PDS außer dem „Gebrauchswert auch den Begriff „Tauschwert“ beansprucht, darf unerörtert bleiben, so lange PDS-Politiker ihren Tauschwert nicht öffentlich taxieren.“

Eine andere wichtige Frage war, ob es gelingen würde, eine Erklärung dafür zu finden, warum die Mehrheit der Mitglieder dieses hat mit sich machen lassen, wie es den Modernen Sozialisten gelingen konnte, sie auf ihrem verhängnisvollen Weg nach Rechts mitzunehmen. Wagner: „Alle Hoffnungen von marxistischen Linken in der PDS, mit Hilfe der Basis die PDS vor dem Niedergang retten zu können, waren auf Sand gebaut. … Die Basis konnte schon seit längerer Zeit keinen praktisch-politischen „Korrekturkampf“ mehr führen… Hierfür gibt es viele Gründe: die Altersstruktur, die soziale Zusammensetzung, die Sozialisierung der Mehrheit der Mitglieder in einer staatstragenden Partei (SED), das Fehlen jeglicher theoretischer Bildungsarbeit u.a. mehr“(S. 143). Hinzu käme der ideologisch-geistige Druck der Modernen Sozialisten, der nicht ohne Wirkung geblieben sei. Bei aller Zustimmung zu diesen Argumenten, hätte sich der Rezensent gerade an dieser Stelle eine Vertiefung gewünscht, dies bleibt in Zukunft noch zu leisten. 

Zuletzt noch die Frage nach der Verantwortung der Linken, ihr widmet der Autor ein ganzes Kapitel, das für den Rezensenten das Spannendste des ganzen Buches ist. Wagners genereller Feststellung, daß sich „die marxistische Linke durch bloße taktisch-politische und theoretische Zugeständnisse in die Rolle drängen ließ, als Feigenblatt der reformistischen Parteiführung zu fungieren. …. Es gibt keinen ernsthaften Konflikt zwischen Parteiführung und Parteibasis“ (S. 144), ist nichts hinzuzufügen. Wagner sieht zu Recht die entscheidende Ursache für das Versagen der Linken darin, das es ihr nicht gelungen ist, sich auf eine gemeinsame programmatische Sozialismusvorstellung zu einigen, um beim Kampf zur Verteidigung dieser gegen die Modernen Sozialisten zu punkten und er kritisiert zu Recht das besondere Versagen der Kommunistischen Plattform (S. 171). 

Zum Editorischen ist anzumerken, das es leider im üblichen schlampigen Rahmen der Veröffentlichungen der edition ost verbleibt: ein solches Buch ohne Personenregister, separates Quellenverzeichnis und mit der sehr hinderlichen Mischung von Anmerkung und Quellenverweis, behindert seinen Charakter als Arbeits- und Handbuch doch erheblich. Man hätte dem Autor auch einen konsequenteren Lektor gewünscht, der die vielen Doppellungen (selbst bei Zitaten) etwas rafft, auch wenn sie von Wagner offensichtlich nach dem Prinzip „Lernen durch Wiederholen“ eingesetzt wurden, so stören sie doch den aufmerksamen Leser.

Im Ganzen ein wichtiges und wertvolles Buch, zum Teil in seiner Schärfe sogar vergnüglich, der Begriff Glossen daher durchaus angebracht, dem man unbedingt eine weiterführende Debatte innerhalb der Linken wünscht, nicht als Selbstzweck, sondern als Selbstverständigung und damit als Voraussetzung für eine neues Parteiprojekt. Die Notwendigkeit der Neuformierung einer marxistischen Partei wird vom Autor betont und Bedingungen ihrer Entstehung werden sorgfältig erörtert, auch dies ein originärer Beitrag zur Debatte.Zusammenfassend kommt der Autor zu dem Resultat, das die PDS als Mittel im Klassenkampf in Zukunft ausscheidet, ja das ihre Existenz sogar ein Hindernis für die notwendige Neuformierung der marxistisch fundamentierten Massenpartei der Werktätigen geworden ist. Insofern haben die Modernen Sozialisten also ihre langfristige Operationsstrategie erfolgreich abgeschlossen, der „Transformationsprozeß“ ist beendet. Aber nach dem Lesen von Wagners Glossen bleibt nur ein Fazit: Operation gelungen – Patient tot.                                                                                                        Peter Feist, Berlin, April 2004


Resonanz

Hans-Günter Szalkiewicz: Das ist der Punkt, der mich gegenüber Deiner Zeitschrift auf Distanz gehen läßt

Lieber Frank, die größte Schwierigkeit mit dem gerade aus dem Briefkasten geholten Heft 3/2004 von „offensiv“ bereitet mir Deine Vorbemerkung zur Veröffentlichung eines von mir gehaltenen Diskussionsbeitrages, den Du nicht vom mir bekommen hast. Daraus könnte man schlußfolgern, daß wir beide darüber verhandelt hätten, wann der Zeitpunkt zum Herausbringen dieser Äußerung günstig sei. Daran kann ich mich nicht erinnern, dagegen aber daran, daß bei Deiner vor Wochen gestellten telefonischen Anfrage ich einer Aufnahme in „offensiv“ nicht zugestimmt habe. Möglicherweise ist von mir eine unbedachte Äußerung gefallen, die Du in der Richtung Deiner Absichten ausgelegt hast. Dann muß ich mit meiner Schwatzhaftigkeit ins Gericht gehen und prüfen, ob ich meine Haltung zu Deiner publizistischen Tätigkeit eindeutig genug zum Ausdruck gebracht habe. Deshalb nochmals: Ich hatte und habe nicht die Absicht einer Veröffentlichung meines Diskussionsbeitrags in „offensiv“.

Ich halte in diesem Falle nichts von Ratschlägen von außen. Warum das so ist, will ich versuchen, kurz anzudeuten. Nicht nur theoretische Leitsätze, sondern auch Erfahrungen aus erfolgreichen und weniger erfolgreichen politischen Aktivitäten, d.h. besonders den Pleiten, haben mir beigebracht, daß jede Absicht, für eine bessere Verfassung der Gesellschaft etwas zu tun, nur ernsthaft und effektiv ist, wenn sie in organisierter Weise praktiziert wird. Gesellschaftlich etwas zu bewegen, geht nur mit einer politischen Organisation, mit einer - wie wir uns begrifflich verständigt haben - revolutionären Partei. Alles andere ist Schöngeisterei, Bequemlichkeit, Augenauswischerei usw. Wenn man nach diesem Grundsatz handelt und sich die politischen Verhältnisse dieses Landes anschaut, muß man sich die Frage beantworten, welche erkennbare kommu-nistische Kraft es in diesem Staate nach der kapitalistischen Restauration in Ostdeutsch-land gegeben hat und gibt. Ich habe keine andere als die der DKP gesehen und sehe es auch heute noch so. Und dabei brauchte man nicht darüber zu stolpern, daß die Wirkungen der Niederlage und der Konterrevolution auch an dieser Partei nicht spurlos vorüber gegangen sind..

Nun ist die Tätigkeit in einer kommunistischen Partei, wenn sie ernsthaft und konsequent betrieben wird, ein ziemlich "hartes Brot“. Sie verlangt einen hohen Einsatz. Alles, was die Parteiarbeit ausmacht, ist konzeptionelle und organisatorische Arbeit mit Menschen. Für die politische Wirksamkeit braucht es gemeinsame politisch-ideologische Grundlagen, gegenseitiges Vertrauen und eine starke Solidarität unter den Mitgliedern. Fehlen sie, kann man kein Problem bewältigen, keine Aufgabe lösen und auch keine produktiven Auseinandersetzung zu programmatischen oder anderen Fragen führen. Das ist keine Lehrbuchfloskel, sondern eine täglich zu bewältigende Anforderung.

2.) In der Gemeinschaft meiner Genossen etwas zu bewegen, geht nur, wenn ich ihr Vertrauen besitze und sie mein Vertrauen ihnen gegenüber voraussetzen können. Das gilt besonders dann, wenn in Diskussionsprozessen um Grundfragen der Partei und ihrer Politik gerungen wird. Und das ist der Punkt, der mich gegenüber Deiner Zeitschrift auf Distanz gehen läßt. Die Art und der Stil, mit denen „offensiv“ in die Debatten innerhalb der DKP eingreift, schwächen und zerstören Vertrauen und solidarisches Miteinander in der Partei. Wenn ich voraussetze, daß die Organisiertheit des Kampfes einer der Schlüssel für den Erfolg ist, dann muß ich alles tun, um die Organisation nicht zu gefährden. Nun könnte an dieser Stelle der Einwand kommen, daß die Schlagkraft der Organisation mindestens ebenso die politisch-ideologische Geschlossenheit auf der Grundlage einer revolutionären Theorie zur Bedingung hat. Natürlich ist das so und wir wissen dabei, daß seit Existenz der Arbeiterbewegung um den revolutionären Weg und die revolutionäre Organisation gerungen wird. Das wird, abgesehen davon, daß es mehr oder weniger ruhige Phasen dabei gibt, auch künftig so sein.

Hier geht es darum, wie die ideologischen und theoretischen Auseinandersetzungen geführt werden. Nach Deinen Intentionen (siehe „offensiv“ 3/2004, Seite 20 ff) wäre ein Kampf gegen Personen, nicht um Standpunkte zu führen. Ich zitiere: „Was aber ist davon zu halten, wenn es sich um eine Partei mit revisionistischer Führung, einem Teil reformistisch und revisionistisch geprägter Mitglieder, einem zweiten Teil sich auf den Marxismus-Leninismus beziehender Mitglieder und einen dritten Teil indifferenter oder schwankender Mitglieder handelt? Ist die Einheit zum Preis der Tolerierung all dieser Positionen ... richtig oder muss der Kampf um die revolutionäre Perspektive auf Grundlage der Einsichten von Marx, Engels und Lenin offensiv  -  und dann wahrscheinlich nicht in gegenseitiger Achtung  - geführt werden?“ (a.a.0., Seite 22). Mit einem solchen Herangehen würden wir die vielen politisch bedeutungslosen sog. linken Gruppen noch um ein paar Grüppchen vermehren. Das ist die Art von Grabenkämpfen, die das Rechthaben zum Kriterium macht, nicht den zu organisierenden gesellschaftlichen Einfluß.

So nimmt die Zahl der Ratschläge und der Ratgeber zu, die sich der Mühen der Organi- sationsarbeit nicht unterziehen. Ohne die Anstrengungen zur Organisation des zu führenden politischen Kampfes aber bleiben die Lösungsvorstellungen von einer einheitlichen marxistisch-leninistischen Partei mit Masseneinfluß, die sich aus dem Zusammenschluß der verschiedenen sozialistischen und kommunistischen Kräfte formieren soll, fromme Wünsche.

Wenn ich mir vorstelle, mit Deinen Empfehlungen meine Parteiarbeit zu machen, würde ich mit dem Messer in der Tasche zu unseren Versammlungen gehen. Wenn ich mir weiter vorstelle, die Genossen, mit denen ich die politische Arbeit organisiere, zunächst erst einmal nach Revisionisten, Reformisten, Schwankende und Marxisten-Leninisten einzu-teilen, könnte ich vielleicht als Sektenchef gehen.

Es ist nicht nur nicht hilfreich, uns in dieser Weise belehren zu wollen, es ist zersetzend, weil die Belehrungen mit dem Nachspüren aller möglichen Differenzen und Konflikte verbunden sind. So entstehen Mißtrauen und Unsicherheit und  -  was wahrscheinlich dasWichtigste ist  -  die sachliche Debatte um Standpunkte, um den theoretischen Gehalt von Positionen wird behindert oder verhindert.

3.) Ich übersehe nicht die in der DKP  bestehenden Differenzen in ideologischen Grundfragen. In solchen Situationen ringt man um eine Versachlichung der notwendigen Auseinander-setzungen, um das Hinführen der Debatte auf den theoretischen Gehalt der Probleme, um die Entwicklung der Fähigkeiten zum Argumentieren und schließlich um die Einbeziehung möglichst aller Parteimitglieder in die Diskussion. Das ist schwierig, aber machbar. Im Grunde genommen sind das die notwendigen Bedingungen, um eine Partei, wie die unsrige, auf der Höhe ihrer Aufgaben zu halten.

Diese Bemerkungen betrachte ich nicht als interne Angelegenheit zwischen uns. Ich übergebe sie gleichzeitig den Genossen, denen gegenüber ich verantwortlich bin. Wie Du sie verwendest, ist Dir überlassen. Weitere Äußerungen von mir, die ich irgendwo getan oder die ich irgend jemandem gegeben habe, bitte ich nicht in „offensiv“ zu veröffentlichen.

                                                                         Mit freundlichen Grüßen, gez. Hans-Günter Szalkiewicz


Redaktion Offensiv: Nachbemerkung zu Hans-Günter Szalkiewicz

Hans-Günter Szalkiewicz schreibt in seinem Leserbrief u.a.: „Möglicherweise ist von mir eine unbedachte Äußerung gefallen, die Du in der Richtung Deiner Absichten ausgelegt hast. Dann muß ich mit meiner Schwatzhaftigkeit ins Gericht gehen und prüfen, ob ich meine Haltung zu Deiner publizistischen Tätigkeit eindeutig genug zum Ausdruck gebracht habe.“

Das bedarf einer Richtigstellung von unserer Seite. Wir haben den fraglichen Beitrag von Hans-Günter Szalkiewicz über Klaus von Raussendorff aus dem Internet bekommen. Da wir ihn für interessant hielten, haben wir daraufhin telefonischen Kontakt zu Hans-Günter Szalkiewicz aufgenommen. Er bat uns in diesem Gespräch, den Diskussionsbeitrag nicht im Januar-Februar-Heft zu bringen, sondern eine weitere DKP-Parteivorstandstagung abzuwarten. Danach spräche nichts gegen eine Veröffentlichung. Nun ist es möglich, dass Hans-Günter Szalkiewicz diese Worte in der Hinsicht meinte, dass man dann nochmals darüber reden könne. Wir haben sie als Freigabe des Textes verstanden, was soll man auch sonst verstehen, wenn „nichts dagegen spricht“?

Deshalb verwahren wir uns deutlich dagegen, uns zu unterstellen, wir hätten „unbedachte Äußerungen“ „in der Richtung“ unserer „Absichten ausgelegt“.

Wir ziehen niemanden über den Tisch. Ansonsten werden wir uns Einverständniserklärungen über Veröffentlichungen bei uns in Zukunft schriftlich geben lassen.

                                                                                                                                       Redaktion Offensiv


Andrea und André Vogt: Eine kurze Meldung von uns

Liebe Freunde in der nahen Ferne, kurze Meldung von uns:

Die neuen Hefte sind angekommen und wurden mit großer Begierde gelesen. Die Aufarbeitung der Defizite in der DKP wird notwendig von Kommunisten vorangetrieben und von euch gebührend dokumentiert.

Die einfältige Verleumdung des Herrn Stehr gegen Harpal Brar ist bezeichnend. Wir unterstützen Genossen Brar gegen diesen feigen Angriff und versichern unsere Solidarität mit ihm.

Die Lektüre des Sonderheftes hat unsere Herzen höher schlagen lassen. Die drei Autoren charakterisieren den Revisionismus von verschiedenen Seiten und treffen in der Summe den Kern der Erscheinung. Dabei ist für uns jedoch die Arbeit von Gerald Hoffmann besonders herausragend und bemerkenswert hinsichtlich Breite und Tiefe der angewandten wissen-schaftlichen Methode. Kurt Gossweiler stellt den historischen Zusammenhang über die nachträgliche Liquidierung Stalins als kommunistischen Führer und die Folgen für die Welt dar und bereichert damit den Fundus für die "Nagelprobe eines jeden Kommunisten - Wie hältst Du es mit Stalin?" (zitiert nach Harpal Brar in seinem Vortrag bei der Buchvorstellung "Perestroika..." 2003 in Dresden) wesentlich. Wir müssen diese unsere mühevolle notwendige und nützliche Arbeit auch weiterhin gemeinsam tun und danken unserem Genossen Kurt Gossweiler, verbunden mit den besten Wünschen für Gesundheit!

Wir bitten euch hiermit sehr, uns noch weitere acht Exemplare des Heftes 2/2004 zwecks Verbreitung unter verständigen Menschen zuzuschicken. Eine Spende hierzu ist auf dem Weg.

                                                                      Kommunistische Grüße, André und Andrea Vogt, Dresden


Ronny Hirsch: Ich bin da anderer Meinung

Hallo liebe Genossen,

im Artikel "Volksmassen und gesellschaftliche Umwälzung" schreibt Werner Roß, dass das Erleben des Kapitalismus im Alltag zu einen kritischen Nachdenken führt - ich bin da anderer Meinung. Bei denen, die sich mit den Eigenschaften des Systems auseinandersetzen und es mit dem Sozialismus vergleichen, führt das unmittelbare Erleben sicherlich zu kritischem Nachdenken, aber der „normale“ Bürger wird das nicht tun. Zum einen leiden die, die heute noch das Glück haben, im Arbeitsprozeß zu stehen, meist unter Streß und haben gar nicht die Zeit zum Nachdenken und zum anderen sind die meisten Arbeitslosen depressiv und depressive Menschen zum Nachdenken zu bringen oder zu Aktivitäten (z.B. Demonstrationen) zu bewegen, ist fast unmöglich - dass sie von selber damit anfangen ist noch unwahrscheinlicher. Die in letzter Zeit immer stärker propagierte Eigenverantwortung zieht diese Schraube noch fester an. Den Menschen wird eingeredet, dass sie selbst schuld an ihrer Situation sind - damit nicht das System. Das widerum führt erst recht in eine Entpolitisierung!

Den "Wenn-es-den-Leuten-erst-schlecht-genug-geht"-Selbstläufer gab es noch nie und es wird ihn auch nicht geben.

                                                                                                                            Ronny Hirsch, Hermsdorf

 



[1] Ingo Niebel ist Redakteur des geheimdienstkritischen Magazins „GEHEIM“ und war in dieser Funktion auf Einladung der Regierung in Venezuela.

Ingo Niebel ist bereit, über die Lage dort, seine Eindrücke, Erfahrungen zu berichten und zu diskutieren. Ebenso ist Ingo Höhmann, der eine zeitlang in Kolumbien war, über seine Eindrücke und Erfahrungen dort zu berichten und zu diskutieren – u.a. auch über die F.A.R.C.. Falls Gruppen vor Ort daran interessiert sind, können beide auch gemeinsam auftreten. Bei Interesse wendet Ihr Euch bitte an die Redaktion Offensiv!

[2] Aneignung ist entweder von der Konsumtion her oder von der Produktion her bestimmt. Nun ist Konsumtion Aneignung. Daher ist eine von der Produktion her bestimmte Aneignung immer als deren Widerspruch zu erkennen, d.h. die Warenproduktion, die eine Aneignung von der Produktion her bestimmt, ist mit einem genetischen Makel behaftet. Es bedarf Tausender Jahre Gewöhnung der Menschen an diese Sicht auf die Aneignung, dass sie in Fleisch und Blut übergeht, hoffentlich nicht ebenso lange, bis sich die Menschen ihrer wieder entwöhnen.

[3] Aus dieser unterschiedlichen Auffassung vom Geld resultiert dann ein unterschiedliches Verhältnis zu seiner Abschaffung, wie wir noch sehen werden.

[4] Ansonsten (also wollte der Sozialismus auf Geld verzichten) müßte, solange Knappheit herrscht, die Verteilung über ein Kartensystem erfolgen, womit die Verteilung der Form nach gesellschaftlich statt individuell bestimmt würde. Die Verteilung nach dem Bedarf soll im Kommunismus aber individuell bestimmt werden, das Individuum soll von sich sagen, wessen es bedarf und dies als Auftrag an die Produktion weiterleiten. Diese Form von Freiheit kann aber die Produktion noch nicht garantieren (der Kommunismus bestimmt die Freiheit als ein Moment der Bindung an eine Gesellschaft wie deren Entwicklung), so dass die Konsumtion noch einer Beschränkung unterliegen muß - und hier geht das über eine begrenzende Geldmenge besser als über ein direkt Gütermengen zuweisendes Kartensystem (nur in Kriegszeiten ist das unumgänglich). Die begrenzte Geldmenge (Lohnmenge etc.) ist nur eine allgemeine Mengenbegrenzung, in deren Rahmen sich das bestimmte Individuum frei, also bereits nach eigenem Bedarf, bewegen, d.h. kaufen kann. Wir haben also bereits eine Umsetzung der Aneignung nach dem Bedarfsprinzip, wenn auch das Geldsystem, in welchem es wirksam wird, wegen seines begrenzenden Charakters als sein Gegenteil erscheint. Der Mensch empfindet, bedingt durch die kapitalistische Erfahrung, immer erst eine nach oben hin offene Grenze als Freiheit, aber so wird der Kommunismus nicht sein.

[5] Diese Marx revidierende Theorie begann ja, wie bekannt, in Deutschland mit Eugen Dühring, und wir sind heute, trotz des „Anti-Dühring“ von Friedrich Engels, noch immer nicht mit ihr fertig; wir erleben erst jetzt ihre gesellschaftlichen Konstrukte. Dühring überwunden? Mitnichten. Er, nicht Engels, hat uns fest im Griff. Wie erklärt sich die lange Dauer der Trennung von der Warenökonomie nun auch bei der Arbeiterklasse, nicht schlechthin bei Eigentümern? Es muß ein ökonomisches Interesse damit verbunden sein, d.h. es liegt an einem beim Arbeiter selbst ausgedrückten sozialen Unterschied, der einer des Wertes ist, nicht einer, der unmittelbar einer des Arbeitsertrages ist. D.h. es liegt an der Natur des Lohnes, dass er nicht unmittelbar sein kann, was er ist: Anteil am Arbeitsertrag (statt Anteil am Wert, wie es im Kapitalismus scheint).

[6] Als Planwirtschaft ist der Sozialismus entwickelter Sozialismus! Von Sozialismus (gleich einer Gesellschaftsordnung - nur nicht einer besonderen, gegen den Kommunismus abgeschotteten, liebe Genossen von der einstigen SED) muß man sprechen, sobald er seine ökonomische Form gewonnen. Da ist es bereits falsch (!), von der Errichtung nur der Grundlagen des Sozialismus (ab der Planwirtschaft) zu sprechen und sich vorzunehmen, an den „Aufbau des entwickelten Sozialismus“ heranzugehen. Das sind einerseits zuviel Perioden, andererseits zu wenig PERIODE.

[7] Um nicht mit ihrer Theorie der besonderen Warenproduktion im Sozialismus zu kollidieren, bediente sich die Partei bei ihrer Kritik an der Warenökonomie des Pseudonyms Marktwirtschaft. Und so gibt es eine Warenproduktion, die nicht Marktwirtschaft ist, und eine Warenproduktion, die Marktwirtschaft ist; Marx würde sich kugeln.

[8] Hand auf’s Herz: Welcher Kommunist (Parteimitglied) konzediert der Partei noch ein Recht auf die Ökonomie? Ist die Lage nicht so, dass ihr eher ein Recht auf Beratung der Ökonomie zugebilligt wird? An diesem Unterschied, der übrigens für selbstverständlich, auf den „Erfahrungen des Sozialismus“ beruhend, genommen wird, erkennt man den Paradigmenwechsel - oder Wechsel in der Qualität der Partei -, der eingetreten ist.

[9] Nur wenn der Sozialismus über den Status der politischen Revolution noch nicht hinaus gekommen ist, die Planwirtschaft in ihren Institutionen noch nicht aufgebaut ist, ist die „führende Rolle der Partei“ über die Ökonomie gestellt (deren aufgelagertes Machtinstrument) und deren Widerspruch, d.h. ihr obliegt es noch, die Gesellschaft zu verändern. Insofern verewigt die Theorie von der „führenden Rolle der Partei“, wird sie in den Beginn der Planwirtschaft übertragen, die erste Form der Revolution gegen die zweite, die unvollständige (gleich Widerspruch von Politik und Ökonomie) gegen die vollständige Periode des Sozialismus (gleich Einheit von Politik und Ökonomie). Ab der Planwirtschaft ist der Status der Partei nicht mehr der, die führende Rolle über die Ökonomie inne zu haben, sondern deren organischer Ausdruck zu sein, also im unmittelbaren Sinne Ökonomie, ökonomisch zu sein. Sie ist der Produzent der Produktion, das Subjekt für das Objekt.

[10] Der im übrigen die Vision Reform hatte! Man erinnere sich: Formell klappte die Partei die Karten nicht zusammen vor der bürgerlichen Restauration, sondern vor der „sozialistischen Erneuerung“! Sie ergab sich nicht in dem Gefühl, aus der Geschichte gedrängt, sondern in deren Hintergrund gedrängt zu werden!

[11] Dass das noch weitgehend ohne nähere Detaillierung und Begründung erscheint, ist nicht das Problem; es soll ja eine Position markiert werden, und die ist - als Ablehnung der Reform und deren Charakterisierung als revisionistisch - an sich richtig, wenn markiert. Natürlich muß in der Konsequenz klarwerden, warum der ganze Kampf gegen die Warenproduktion - oder „ökonomische Eigenständigkeit“ - für die arbeitenden Klassen notwendige Ursachen und daher Gründe hat. Die direkt den Sozialismus betreffenden Auffassungen von Andrea Schön und Gerald Hoffmann, dass wir es „im Sozialismus als erster Phase des Kommunismus noch mit einem Neben- und Ineinander von Warenproduktion und -austausch auf der einen Seite und Produktion von Gebrauchsgütern auf Basis des Staatseigentums und deren Verteilung auf der anderen Seite zu tun haben“ (Seite 58), teile ich nicht. Wegen der anderen Funktion des Geldes und der Preise findet tatsächlich eine Ablösung der einen durch die andere Produktionsweise statt, nicht erfolgt deren „Ineinander“. So könnte man Stalin interpretieren. Auch sonst gibt es in diesem Beitrag noch eine Fülle von Überlegungen, die nichts als Zugeständnisse an den alten Adam sind, z.B. Tausch (!) „mit sozusagen direkt gesellschaftlichen Arbeitszeiten“ (Seite 64). Die gesellschaftlichen Verhältnisse sollen aber nicht mehr über die Arbeitszeiten, egal von welcher Form, vermittelt sein. Zeit ist ihre Entfremdung vom Gebrauchswert.

[12] „Diese (Reform - ab 1965/1969 -, „die einen revisionistischen ‚Paradigmenwechsel“ bewirkte) sah im wesentlichen die Erweiterung der wirtschaftlichen Eigenständigkeit und Initiative der Betriebe vor und die Reduzierung der Planvorgaben auf ‚Richtlinien‘. Im Zuge dessen planten und bestimmten die Betriebe ihre Produktion nach Art und Qualität selbst, traten dabei mit anderen in Konkurrenz, so dass ein Markt von Gruppeneigentümern entstand... Da auf diesem Wege wieder Profitorientierung zum maßgeblichen Movens der Produktion wurde, versuchten die Betriebe, ihren ‚Kostpreis‘ möglichst gering zu halten... Durch die konkurrierende Produktion von Waren entstand ein Durchschnittsprofit und entsprechend für die Betriebe als Gruppenkapitalisten Produktionspreise... Gorbatschow vollendete diese Entwicklung durch die weitgehende Freigabe der Arbeitskraft als Ware und Aufhebung der Preisbindung bzw. staatlicher Subventionierung vieler Güter und ‚unrentabler‘ Betriebe. Die Transformation zum Kapitalismus hatte ihren vorläufigen Abschluss gefunden (vgl. Harpal Brar, „Perestroika“, S. 230 ff., 2002“. In: „Die Crux mit dem Wertgesetz - zum Revisionismus in der politischen Ökonomie des Sozialismus“; Offensiv 13/2003, S. 57. - Gruppenkapitalismus seit ca. 1969 in der Sowjetunion? Bei aller Sympathie für die Charakterisierung des „Betriebssozialismus“ als Revisionismus - das ist zu arg. In der Tat sah die Reform die Reduzierung der Betriebe auf ein Wert-Verhältnis vor, aber weder wurden Pläne unverbindlich (bloße „Richtlinien“, an die sich Betriebe nicht zu halten hatten - weil sie ihren eigenen „Plan“ machen durften), noch die betrieblichen Preise verbindlich - für den Wert. Wäre es anders gewesen, brauchte es nicht Gorbatschow, sondern wäre Breshnew dieser schon gewesen (oder Kossygin, Ulbricht usw.), d.h. wir lebten schon im 40. Jahr nach der Wende.

[13] Sie begründen das mit den zwei Eigentumsformen im Sozialismus, wenden also auch die traditionelle Sicht auf die Periodisierung an, wie sie zum ersten Mal von Stalin postuliert worden ist. Um deren Überprüfung wird aber gebeten, denn Genossenschaften wandten das selbe Preis- und Geldsystem an wie die volkseigene Wirtschaft oder „staatliche Eigentum“. Und wenn vom „staatlichen“ gesagt werden muß, es sei kein wertökonomisches mehr, hat das auch für das „genossenschaftliche“ zu gelten. Wenn hier aber von Übereinstimmung gesprochen werden muß, worauf bezieht sich dann die These, das genossenschaftliche Gruppeneigentum erfordere die Warenproduktion? Umgekehrt: Würde trotz des besonderen Preis- und Geldsystems Warenproduktion bestehen, würde das auch für das Volkseigentum gelten und dann haben wir - Warenproduktion, solange das Geld besteht. Wir gelangen also dahin, dass als Bedingung, den Kommunismus herzustellen, das Geld abgeschafft werden muß, denn es ist Warenproduktion. Unmöglich kann die These (meine) stimmen, dass das Geld für den Kommunismus erhalten werden muß, und zwar solange, wie es seine Funktion, Konsumtion zu begrenzen (Anweisung auf Güter zu sein), erfüllen muß. D.h. sehr lange. Tatsächlich, wer die Abschaffung der Warenproduktion am Geld festmacht, kommt zu einer anderen Periodisierung des Sozialismus als jener, der sie am Bruch des Geldes mit dem Wert festmacht. Dem einen ist Geld ständiger Gegensatz, den anderen stört das Geld nicht, irgendwann wird es ganz von alleine beiseite gelegt.

[14] Man muß ja auch China ein Recht zubilligen, denn es ist doch ... möglich. Man mag ja nur eine Geschichte haben wollen, man hat aber doch deren viele. Also... ist der Marxismus, die Theorie, mehr als der Kommunismus, die schließliche Praxis.

[15] Entnommen aus: Reader zum „Hearing der Programmkommission der DKP zur DKP-Programmdebatte“, 17. April 2004 – Freizeitheim Linden, Hannover. Herausgegeben vom (und zu bestellen beim) Parteivorstand der DKP, Hoffnungstraße 18, 45127 Essen

[16] Leo Mayer, Globalisierung und Krieg, Marxistische Blätter 5-03, S.29

[17] John Holloway, der prominenteste Vertreter des Zapatismus, beruft sich in seiner Absage an die „Eroberung der staatlichen Macht und die Transformation der Gesellschaft über den Staat" auf die These, dass „die Staaten nicht mehr die Machtzentren darstellen, wie es noch die staatszentrierten Theorien Luxemburgs und Bernsteins annahmen." Das nationale Kapital werde durch ein globales ersetzt, das ohne nationalstaatliche Basis operiert und sich einzig auf die Globalisierung der Wirtschaftstätigkeit stützt, (zit. nach Atilio A. Boron, Urwald und Polis, Junge Welt" vom 10.1.04)

[18] „Doch diese neue Gesellschaft wird und muss in entscheidenden Punkten anders aussehen als die ersten Versu­che in diesem Jahrhundert." Dies ist der erste Satz des Sozialismus-Kapitels im Hager/Seppmann Papier. Vgl. auch die aktuelle Wahlkampfplattform zu den EU-Wahlen, S.4

[19] In den 19(!) Zeilen des Sozialismuskapitels des Entwurfs einer politischen Erklärung der DKP finden sich zwei substanzielle Aussagen zum Sozialismus: „Er ist mit dem Privateigentum an den entscheidenden Produktions­mitteln unvereinbar." statt Aufhebung des Privateigentums, und „An die Stelle der Herrschaft des Kapitals tritt die Macht der Arbeiterklasse im Bündnis mit den anderen Werktätigen, mit allen antikapitalistisch-antiimperialistisch orientierten Kräften."

[20] Siehe „Erste Grundlagen ...", Kap. VI oder, ausführlicher Willi Gerns' Sozialismus-Flugschrift.

[21]Andererseits wird gegen Bemühungen, wenigstens den Standard der bisher am weitesten vorangetriebenen Errungenschaften im realen Sozialismus zu halten, polemisiert und obstruiert. Ein besonderes Highlight in dieser Hinsicht lieferte z. B. Jürgen Hörn, wenn er die Ausführungen von Holz/Köbele über den sozialistischen Staat, nach denen eine seiner Hauptfunktionen darin bestände, die Bildungsvoraussetzungen für die politische Mündig­keit der Bürger zu schaffen, als „ekelhaften" „Stalinismus pur" geißelte 

[22] Eine entsprechende Aussage findet sich im Hager/Seppmann Papier unmittelbar nach den in Fußnote 2 zitierten Sätze

[23] Dies ist dokumentiert in: Frank Flegel / Michael Opperskalski: Die Europäische Antikapitalistische Linke (EAL) und die DKP, Offensiv Heft 13/2003

[24] Als Beispiel sei Michael Heinrichs Ausblick auf eine Produktionsweise jenseits der Warenproduktion ange­führt: „Die monetäre Werttheorie legt eher eine genossenschaftliche Produktion nahe, deren gesamtgesellschaft­liche Koordination nicht durch eine (sowohl allwissende als auch zeitlos reagierende) Zentrale hergestellt wer­den kann, sondern die eigener vermittelnder Medien bedarf, die allerdings gesellschaftlich kontrolliert werden müssen, soll sich nicht wieder die alte Warenproduktion und damit schließlich auch das Kapitalverhältnis wie­derherstellen." Michael Heinrich, Die Wissenschaft vom Wert, Münster 2001, S.391

[25] Leo Mayer widerspricht dieser Einschätzung - indem er sie bestätigt: Nachdem er zunächst versichert, „am Irak-Krieg lässt sich dieses Wechselverhältnis zwischen Interessenkongruenz und -konflikt exemplarisch auf­zeigen.", schreibt er wenige Zeilen später: „Sie [die USA] haben mit ihrem Krieg konkurrierende Ölfirmen aus Frankreich und Russland, [...] aus dem Feld geschlagen. Sie haben sich eine Position verschafft, von der aus sie in Zukunft über den Ölpreis und damit auch über die wirtschaftliche Lage Russlands wesentlich mitentscheiden können. Auch Deutschland [...] wird in Zukunft noch abhängiger von den USA.", Leo Mayer, a.a.O., S.29

 

[26] Wolf-Dieter Gudopp, Der Imperialismus und „die Periode der Weltkriege", Marxistische Blätter 3/97, S.67

[27] Aus der Rede der Generalsekretärin des ZK der KP Griechenlands, Aleka Papariga, vom 3. Mai 2003

[28] MEW 20, S.264

[29] ebd.

[30] Entnommen aus: Reader zum „Hearing der Programmkommission der DKP zur DKP-Programmdebatte“, 17. April 2004 – Freizeitheim Linden, Hannover. Herausgegeben vom (und zu bestellen beim) Parteivorstand der DKP, Hoffnungstraße 18, 45127 Essen

 

[31] Der Begriff „ideologische Diversion“ ist für Kommunisten eindeutig besetzt. „ideologische Diversion: eine Hauptform des Klassenkampfes und Bestandteil der psychologischen Kriegführung im Rahmen der Globalstrategie des Imperialismus gegen den Sozialismus (…)“, aus: „Kleines Politisches Wörterbuch“,  Dietz-Verlag, Berlin (DDR) 1973, S.345 ff.