Ausblick

Michael Opperskalski/Frank Flegel:
Ausblick

Wenn man dieses Heft nachträglich Revue passieren lässt, möchte man ja fast in Resignation verfallen. Wir bedauern es sehr, keine positiveren Einschätzungen und Wertungen vorgenommen zu haben – indes, wir konnten es nicht.

Nun ist Resignation natürlich nicht die Konsequenz, die zu ziehen ist und erst recht nicht die, die wir uns wünschen. Deshalb wollen wir einige Thesen formulieren zum Ist-Stand der kommunistischen Bewegung in Deutschland und zum notwendigen Verhalten von Kommunisten heute.

Zunächst ist festzustellen, dass es die kommunistische Partei, die diesem Namen gerecht würde, nicht gibt. Es gibt verschiedene Organisationen, in denen sich Kommunisten befinden, und alle haben ihre Mängel.

Wir halten es deshalb zum gegebenen Zeitpunkt nicht für sinnvoll, auf eine der vorhandenen Organisationen zu orientieren. Keine bildet zur Zeit das Zentrum. Und wir wollen hier – obwohl es schwierig ist, Aussagen für die Zukunft zu treffen – die Vermutung äußern, dass auch keine der vorhandenen Organisationen in ihrer jetzigen Form sich zu der kommunistischen Partei entwickeln wird bzw. entwickeln kann. Wir sehen eine einheitlichere Zukunft der Kommunisten in Deutschland und weltweit eher im Zusammenführen, im langsamen, von gemeinsamer Praxis und gemeinsamer Schulungs- und Theoriearbeit begleiteten Annähern der versprengten Teile und – hoffentlich – gleichzeitigem Zuwachsen neuer Kräfte. Das ist aber ein langfristiger Prozess, der nicht durch eine vorzeitige, dann wie ein Schnellschuss ins Leere gehende Neu-Gründungsinitiative der kommunistischen Partei ersetzt werden kann.

Deshalb kann die Schlussfolgerung aus den Kritiken an den besprochenen Organisationen nicht sein, die eigene kritikwürdige Organisation zu verlassen, denn es gibt keine wirkliche Alternative. Und in einen unorganisierten Zustand sollte sich kein Kommunist begeben. Deshalb sagen wir zunächst: bleibt, wo Ihr seid! Und wenn Ihr es absolut nicht mehr aushalten könnt, dann organisiert Euch woanders, denn das wichtigste ist, nicht im Privaten zu verschwinden, sondern vernetzt zu bleiben, den Zusammenhang aufrecht zu erhalten, organisierte Strukturen zu bewahren.

Zweitens sind wir der Auffassung, dass alle Genossinnen und Genossen, die sich als Kommunisten fühlen, Kontakte, Vernetzungen, Zusammenarbeit, Austausch mit anderen Kommunisten über die jeweiligen Organisationsgrenzen hinweg vertiefen und ausbauen sollten und vor allem durch Bildung übergreifender Strukturen, Publikationsorgane, regelmäßige Koordinationstreffen usw. verfestigen sollten – und das auf allen Ebenen. Hier gibt es gute und schlechte Beispiele, die guten liegen vorwiegend auf Orts- und Kreisebenen, zum Teil auch auf Bezirks- bzw. Landesebene, so die Initiative für eine gemeinsame Kandidatur von DKP und KPD in Sachsen-Anhalt, die gemeinsame Erklärung von KPF, DKP und KPD in Brandenburg, ebenso der Bündniskongress in Jena und vor allem praktische Zusammenarbeit vor Ort in ausgesprochen zahlreichen Fällen. Eine besondere Rolle in diesem Zusammenhang spielten sicherlich auch die beiden Konferenzen, die in Berlin gemeinsam von „offen-siv“ und „RotFuchs“ vorbereitet und durchgeführt wurden (die Konferenz zum 50. Jahrestag der DDR 1999 sowie im Jahr 2000 die international besetzte Konferenz zum Imperialismus und antiimperialistischen Kämpfen. Über beide gibt es umfangreiche Protokollbände, die bei der „offen-siv“-Redaktion bestellt werden können). Auf Führungsebene hingegen ist hier viel Vorbehalt und Abgrenzung zu beobachten. Daran wird sich angesichts der derzeitigen Verfasstheit der Kommunisten in der BRD wohl kaum etwas ändern; die Auseinandersetzungen könnten sich eher noch verschärfen…

Drittens wünschen wir uns mehr Klarheit, mehr Diskussion und offenere Kritik an revisionistischer oder zentristischer Politik, egal, wo sie auftritt. Schweigen bedeutet, solche Tendenzen gut zu heißen, bedeutet, diesen revisionistischen Tendenzen Raum zu geben, ja sogar, ihnen kampflos das Feld zu überlassen. Der Graben verläuft zur Zeit nicht zwischen den Organisationen, sondern er verläuft – wie schon immer – zwischen den Klassen. Und das bedeutet für uns: er verläuft tatsächlich innerhalb der Organisationen, denn Revisionismus und Reformismus sind, waren und bleiben bürgerliche Ideologien, der Revisionismus ist, war und bleibt die Agentur der Bourgeoisie in der Arbeiterbewegung. Das bedeutet, dass wir dem verbreiteten Harmoniestreben entgegentreten müssen, dass wir auf die Solidarität der Kommunisten untereinander setzen müssen, dass wir die gegen revisionistische Tendenzen kämpfenden Genossinnen und Genossen unterstützen müssen, dass wir uns also einmischen müssen. Das ist nicht einfach, das wissen wir, denn wenn man so handelt, ist man nicht immer bei allen beliebt (das kennen Michael Opperskalski und Frank Flegel aus eigener Erfahrung mehr als genug), vor allem die Vorstände sind oft nicht entzückt und dementsprechend wird man verunglimpft und beschimpft. Aber wenn es auch nicht einfach ist, so ist es doch unverzichtbar.

                                                                               Michael Opperskalski, Köln; Frank Flegel, Hannover