Berliner Koch-Kopie – und andere

Daniel Behruzi (jW):
Berliner Koch-Kopie – und andere

Der Berliner SPD-Linke-Senat bleibt Vorreiter beschäftigungsfeindlicher Politik. Nicht nur ist Berlin das einzige Bundesland, in dem nach den Verkehrsbetrieben auch die rund 60.000 Landesbediensteten in einen unbefristeten Arbeitskampf gezwungen wurden. Jetzt folgt „Deutschlands linkeste Landesregierung“ auch noch dem Vorbild des CDU-Hardliners und hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch: Am Dienstag (15. Juni 08; d.Red.) beschloss der Senat, seinen Beschäftigten einseitig zwei Einmalzahlungen von jeweils 300 Euro für 2008 und 2009 zu gewähren. Doch was als Wohltat daherkommt, ist schlicht ein Lohndiktat. Tarifverträge? Unnötig! Gewerkschaften? Überflüssig! Das ist die Botschaft, die SPD und Linkspartei – nach Aussage des regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) in großer Einmütigkeit – aussenden. Die Zahlung sei „ein Zeichen der Wertschätzung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagt Wowereit. Doch ist sie das genaue Gegenteil. Nach Jahren ohne jegliche Lohnerhöhung bedeuten die Einmalzahlungen nicht einmal den Ausgleich der Preissteigerungsrate. (aus: jW, 16. Juli 08, D. Behruzi, Berliner Koch-Kopie)

Empört sind die Gewerkschaften vor allem darüber, dass der Senat mit dem Beschluss zugleich die Tarifverhandlungen für beendet erklärt hat. „Das ist eine Unverschämtheit. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit verhält sich damit kaltschnäuziger als Roland Koch in Hessen“, kritisierte Peter Sinram, Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Berlin gegenüber jW. … Sein Fazit: „Wir haben in Berlin eine angeblich linke Koalition – und ausgerechnet die ist die arbeitnehmerfeindlichste Landesregierung im ganzen Bundesgebiet.“

Aus der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus hieß es, die Einmalzahlungen seien „eine Geste des guten Willens“. (aus: jW, 17. Juli 08, D. Behruzi, Tarifdiktat oder Wohltat?)

Wirtschaftssenator Harald Wolf rechtfertigte das Vorgehen der Linkspartei im Berliner Senat mit dem „Spannungsverhältnis“, in dem diese stehe: „Bei aller Sympathie mit den Gewerkschaften und den Forderungen der Beschäftigten“ müsse die Die Linke in Berlin als „Arbeitgeber“ auftreten. …

Die Forderung nach einem Austritt der Linkspartei aus der Berliner Regierungskoalition beantworteten Funktionäre der Partei damit, dass CDU, FDP und Grüne keine besserer Politik machen würden.

Wolfgang Alvers stellte kategorisch klar: „Die Regierungsbeteiligung in Berlin steht derzeit nicht zur Disposition.“ Schließlich sei „Rot-rot eine bundesweite Option, so, wie wir es hier in Berlin vormachen.“ (aus: jW, 18. Juli 08, D. Behruzi, „So, wie wir es vormachen“)

„Rot-rot“ ist ein Referenzprojekt: Die SPD, und insbesondere der „Realo“-Flügel in der Linkspartei, möchten dem Kapital die „Regierungsfähigkeit“ dieser Koalition beweisen. Schließlich will man auch in anderen Bundesländern – und letztlich im Bund – an die Fleischtöpfe der Macht. (aus: jW, 16. Juli 08, D. Behruzi, Berliner Koch-Kopie)