Kategorie-Archiv: Dr. Gerhard Feldbauer

Rezension: Gerhard Feldbauer, »Geschichte Italiens«

Hartwig Strohschein
Geschichte Italiens

Rezension: Gerhard Feldbauer, »Geschichte Italiens«

Nachdem Gerhard Feldbauer mit Marsch auf RomFaschismus und Antifaschismus in Italien und Agenten, Terror, Staatskomplott – der Mord an Aldo Moro – Bücher zu prägenden Ereignissen der jüngeren italienischen Geschichte vorgelegt hat, stellt er in „Geschichte Italiens“, die erfolgreich auf der Frankfurter Buchmesse 2008 vorgestellt wurde, faktenreich die politischen und sozialen Kämpfe der vergangenen zwei Jahrhunderte dar.

Rezension: Gerhard Feldbauer, »Geschichte Italiens« weiterlesen

Wie zur Einheit der Kommunisten kommen? Rat bei den Klassikern suchen

Gerhard Feldbauer
Wie zur Einheit der Kommunisten kommen? Rat bei den Klassikern suchen

Es ist unbestritten, dass wir in den auf uns zu kommenden sich verschärfenden Klassenkämpfen eine fest auf marxistisch-leninistischen Positionen stehende kommunistische Partei brauchen und das einheitliche Handeln der Kommunisten eine entscheidende Rolle spielen wird. Die Idee, um auf diesem Weg voranzukommen, eine “Kommunistische Initiative” als Sammel- und Organisationspunkt zu bilden, scheint einleuchtend. Das umso mehr, wenn dabei ein “längerfristiger Prozess” ins Auge gefasst wird, von einem  “Schritt vorwärts” die Rede ist, in dem “die Bedingungen für die Formierung einer einheitlichen marxistisch-leninistischen Partei in Deutschland” geschaffen werden sollen. Wie dieser Prozess vor sich gehen soll, bleibt meiner Meinung nach in dem Aufruf vage. Einige weitergehende Gedanken äußert Frank Flegel dazu in seinem Beitrag “Bedingungen und Möglichkeiten einer kommunistischen Initiative in Deutschland” (“offensiv”, H. 9/2008). Fest scheint mir zu stehen, dass gegenwärtig und wohl auch in naher Zukunft die Gründung einer von der Initiative angestrebten neuen kommunistischen Partei nur die in unserer kommunistischen Bewegung bestehende Spaltung vertiefen würde. Frank betont, an die ,,Bildung einer weiteren Splittergruppe” sei nicht gedacht.

Wie zur Einheit der Kommunisten kommen? Rat bei den Klassikern suchen weiterlesen

Zu den Ursachen der Niederlage der Kommunisten und Linken bei den Parlamentswahlen im April 2008 in Italien

Gerhard Feldbauer:
Zu den Ursachen der Niederlage der Kommunisten und Linken bei den Parlamentswahlen im April 2008 in Italien

Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 13./14. April 2008 in Italien erlitt das Wahlbündnis der sogenannten Sinistra Arcobalèno (Regenbogenlinke), in dem sich der Partito della Rifondazione Comunista (PRC) und der Partito dei Comunista Italiani (PdCI)[1] mit der Sinistra Democratica (Demokratische Linke)[2] und den Grünen  zusammengeschlossen hatten, eine katastrophale Niederlage. Es erreichte nur 3,1 % und fiel unter die Vier-Prozent-Hürde. Zum ersten Mal in der italienischen Nachkriegsgeschichte sind die Kommunisten nicht im Parlament vertreten. Silvio Berlusconi erhielt mit den AN-Faschisten 37,4 %, Bossis Lega-Rassisten 8,3 %, beide zusammen mit einer kleinen Autonomiepartei 46,8 %. Der Partito Democratico des Ex-Kommunisten und Ex-Linksdemokraten Walter Veltroni  verzeichnete 33,2 %.

Zu den Ursachen der Niederlage der Kommunisten und Linken bei den Parlamentswahlen im April 2008 in Italien weiterlesen

Benedikt XVI. und das Bündnis der Kurie mit Reaktion und Faschismus

Benedikt XVI.
und
das Bündnis der Kurie
mit Reaktion und Faschismus
von Gerhard Feldbauer


Inhalt

Gerhard Feldbauer: Benedikt XVI.

1. Die Seligsprechung der Kreuzritter Francos

Am 28. Oktober 2007 hat Benedikt XVI. 498 der Kreuzritter Francos, die während des Bürgerkrieges 1936-39 ums Leben kamen, seliggesprochen. Zwei von ihnen hatten bereits während der Teilnahme an der Niederschlagung der revolutionären Erhebungen 1934 (Ausrufung der autonomen Republik Katalonien und Aufstand der Bergarbeiter Asturiens) den Tod gefunden. Sie seien für „ihren christlichen Glauben“ gestorben, hieß es zur Begründung.

Rufen wir uns in Erinnerung, was 1936 bis 1939 im Namen des „christlichen Glaubens“ in Spanien geschah. Am 16. Februar 1936 errang die Volksfront aus Kommunisten, Sozialisten, der Gewerkschaft Union General del Trabajo und Linksrepublikanern bei den Corteswahlen einen überwältigenden Sieg. Sie belegte 278 der insgesamt 473 Sitze. Ihre Regierung unter dem republikanischen Schriftsteller Azaña y Díaz (ab Mai Präsident) garantierte die Autonomie Kataloniens und der Basken und leitete bürgerlich-demo-kratische Reformen ein.

Am 17. Juli 1936 putschte General Sanjurjo von der Kolonie Spanisch Marokko aus gegen die rechtmäßig gewählte Regierung der Volksfront. Nachdem er mit einem Flugzeug abgestürzt war, riss Francisco Franco die Führung an sich. Die ersten Opfer des Mordterrors waren loyale Offiziere, vor allem der Luftwaffe, die sich widersetzten. Sie wurden in den ersten Stunden des Putsches „von den Meuterern kurzerhand erschossen. Darunter die Generäle Batet, Molero, Nuñez de Prado, Romerales, Admiral Azarola und andere“. (1)

Der Staatsstreich der klerikalfaschistischen Reaktion brach jedoch auf dem Festland in den meisten Garnisonsstädten am Widerstand der Volkskräfte zusammen. Seine Nieder-schlagung wurde nur durch die sofortige bewaffnete Intervention Hitlerdeutschlands und Mussoliniitaliens verhindert. Mit 20 Militärtransportern Ju 52 der Luftwaffe Görings wurden als erstes 15.000 Mann Elitetruppen der Putschisten von Marokko nach Cadiz eingeflogen. Zu ihrer Unterstützung schickte Hitler eine 45.000 Mann starke „Legion Condor“ nach Spanien. Ihr wichtigster Verband waren die Geschwader der Luftwaffe. An ihrem Einsatz wurde besonders deutlich, dass Hitlerdeutschland wie auch Mussolini-italien in Spanien ihre neuesten Waffen für den Zweiten Weltkrieg testeten. Dazu gehör-ten Heinkel Bomber 111 und die Jäger 51, Messerschmitt 109, Dornier 17, Ju 87, Heinkel 57-Sturzkampfflugzeuge. Marine-Einheiten nahmen unter der Tarnbezeichnung „Gruppe Nordsee“ an der aktiven Seekriegsführung teil. Sie beschossen, verminten und blockier-ten republikanische Häfen. (2)  Nach Kriegsende wurden 26.116 „Condor-Legionäre“ mit Spanienkreuzen in Gold, Silber oder Bronze ausgezeichnet. (3)

Mussolini entsandte ein Interventionskorps, das auf 120.000 bis 150.000 Soldaten anwuchs. Die motorisierten Truppen waren modern ausgerüstet und bewaffnet. Sie verfügten über 800 Kampfflugzeuge sowie 8.000 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge. 90 Kriegs- und Transportschiffe versorgten das eigene Korps und die Franco-Truppen. (4) Sie blockierten republikanische Häfen und beschossen Küstenbefestigungen. Franco, der sich am 29. September zum Chef des „Nationalen Spanien“ proklamierte, wurde un-mittelbar danach von Deutschland und Italien als „Chef der einzigen legitimen Regierung Spaniens“ anerkannt. Pius XI. (5), den Franco als ersten vom Aufstand benachrichtigt hatte, wandte sich in Appellen und Reden zur Unterstützung der Putschisten an die Weltöffentlichkeit. Er arbeitete mit Mussolini und Hitler zusammen. (6) Die spanische Jesuitenzeitschrift Civiltà Cattolica schrieb, in dem faschistischen Putsch habe sich „eine hundertmal gesegnete und ruhmreiche Haltung“ gezeigt. (7) Aktiv unterstützte der 1928 in Spanien gegründete, dem Papst direkt unterstellte klerikale Orden „Opus Dei“ das Franco-Regime. So wurde die katholische Kirche zu einer seiner wichtigsten Stützen. Der sie beherrschende Klerus jubelte dem Caudillo zu und begrüße ihn mit dem „Führergruß“ Hitlers und Mussolinis. (8)

Die Francofaschisten und ihre deutschen und italienischen Helfershelfer begannen eine barbarische Menschenjagd. „Befürworter der Legalität, loyale Republikaner werden massenweise gequält, verstümmelt, ermordet. Die Methoden der Mordkommandos sind bestialisch“, schrieb der Kämpfer der Internationalen Brigaden Fritz Teppich. Der Weg der Franco-Truppen „ist von Massenmorden gezeichnet. In Badajoz, nicht weit von der portugiesischen Grenze, ließ der Kommandeur der marokkanischen Truppen, General Yagüe, einer der Schlächter von Asturien, niedermetzeln, was seinen Söldnern vor die Gewehre kam. Alle Republikaner, derer sie dabei habhaft werden konnten, wurden in die Stierkampfarena getrieben und dort mit Maschinengewehren zusammengeschossen.“ (9)

Georges Bernanos, französischer Schriftsteller und gläubiger Katholik, berichtete: In der kleinen Stadt Manacor auf Mallorca waren zweihundert Einwohner, „die den Italienern verdächtig waren, mitten in der Nacht aus ihren Betten gezerrt und schubweise auf den Friedhof gebracht worden, wo man sie mit Kopfschüssen niederstreckte und ein Stück weiter auf einem Haufen verbrannte.“ Der Erzbischof hatte dazu einen „Geistlichen ge-sandt, der, mit den Schuhen im Blute watend, jeweils zwischen zwei Salven Absolution erteilte“. Andere werden mit Lastwagen zu einem einsamen Feldweg gefahren. „Sie steigen ab, stellen sich in Linie auf, küssen eine Medaille oder auch nur den Nagel des Daumens. Peng! Peng! Peng! – Die Leichen werden an den Rand der Böschung ge-schleift, wo sie der Totengräber am nächsten Morgen findet, mit zerschmettertem Schädel, im Nacken ein hässlicher Klumpen schwarzen geronnenen Blutes.“ (10)

Unzählige weitere Beispiele belegen, wie der katholische Klerus sich mit den Franco-Faschisten und ihren Hilfstruppen aus Hitlerdeutschland und Mussoliniitalien verbündete. Der Bischof der baskischen Stadt Vitoria billigte den Putsch bereits kurz nach seinem Ausbruch in einer „Pastoralen Unterweisung“. (11) Wie der Klerus danach zum Kom-plizen des Terrors wurde und die Massenmorde an katholischen Priestern und Katholiken absegnete, schilderte der Geistliche aus dem Baskenland Inaki Aberrigoyen in seinem Buch „Sieben Monate und sieben Tage in Franco-Spanien“, das 1939 im Vita Nova Verlag in Luzern erschien. Aberrigoyen war zunächst ein durchaus konservativ denkender Katholik, der erst nachdenklich wurde, als der Klerus an der Seite der Putschisten die Behauptung „von der Bolschewisierung Spaniens“ aufstellte, was durch Politik der Volksfrontregierung eindeutig widerlegt wurde. (12) „War dass nicht“, fragte sich Aberrigoyen, „die gleiche Behauptung, mit der man die nationalsozialistische Machteroberung in Deutschland gerechtfertigt hatte? Hieß es nicht damals auch, in Deutschland tobe der rote Terror, der ‚Mob’ beherrsche die Straßen und die Regierung habe das Heft nicht mehr in der Hand?“. Zunächst glaubte Aberrigoyen, dass Franco dem entgegentrete. Als er jedoch im September 1936 wegen seiner seelsorgerischen Tätigkeit in der baskischen „Arbeitersolidarität“, die keinerlei politische Ziele verfolgte, eingeker-kert wurde, erlebte er am eigenen Leib Gefängnis, Folter und massenweise Hinrich-tungen, gegen die sowohl die zuständigen Generalvikariate als auch der Erzbischof von Pamlona keine Einwände erhoben. Neben Katalonien (Barcelona) richtete sich der besondere Hass des Klerus gegen das Baskenland, weil dort, wie bereits erwähnt, schon 1934 die autonome Republik ausgerufen worden war, die 1936 bestätigt wurde, und das Land eine starke Stütze der Volksfrontregierungen bildete.

2. Katholiken, die sich nicht den Putschisten anschlossen, wurden erbarmungslos massakriert

Francos  Truppen gingen nicht nur erbarmungslos gegen die Anhänger der Volksfront vor. Im Baskenland eröffneten sie gleichermaßen auf Geistliche, die sich nicht sofort dem Putsch anschlossen, unter Kruzifixen und Marienbildern eine gnadenlose Jagd. „Das Gefängnis von Ondarrta und das Asyl des Heiligen Josef in San Sebastian, das in ein Gefängnis verwandelt worden war, beherbergte mehr als vierzig Priester. (…) Die Ver-folgung war allgemein. Es gab kaum ein Dorf, wo man nicht auf einen oder mehrere Priester Jagd gemacht hatte. Hunderte von Ordensleuten – Jesuiten, Kapuziner, christliche Schulbrüder – verließen ihre Klöster, um nach Amerika zu fliehen. Man nahm keine Rücksicht, weder auf Alter noch auf Krankheit und nicht auf ganz offenkundige Un-schuld. Ich kann die Angst, die diese Verfolgung unter uns auslöste, gar nicht be-schreiben. Es war eine systematische Verfolgung, die von den Francisten schon vor der Revolution vorbereitet und ganz offen vor den Augen der spanischen Hierarchie durchgeführt (wurde), die nicht einen einzigen öffentlichen Protest einlegte.“ (13) Der Autor legte auch dar, dass die Volksfront-Regierung die Kirche nicht antastete, es erst nach den barbarischen Massakern an ihren Anhängern, an denen sich die Geistlichkeit beteiligte, zu Übergriffen kam.

Die „Legion Condor“ griff zusammen mit der italienischen Luftwaffe nicht nur die Stellungen der republikanischen Armee an, sondern bombardierte immer wieder Städte. Über ihren Angriff auf die nordspanische Stadt Guernica y Luno in der Provinz Biskaya nördlich von Bilbao am 26. April 1937 schrieb der Spanienkorrespondent der Londoner Times: „Die ganze Stadt mit ihren 7.000 Einwohnern und den 3.000 Flüchtlingen ist langsam und systematisch in Stücke zerschlagen worden“. Elias Canetti nannte Guernica ein Symbol „menschlicher Bestialität“. Pablo Picasso widmete den Leiden der Zivilbe-völkerung sein berühmtes Monumentalgemälde „Guernica“, das am 12. Juli 1937 im Pavillon der Spanischen Republik auf der Pariser Weltausstellung enthüllt wurde.

Weitere Angriffe flogen „Condor-Legionäre“ gegen Madrid, Bilbao, Barcelona sowie andere Städte und Ortschaften, bei denen neben den Bombenabwürfen mit Maschinen-gewehren Jagd auf wehrlose Zivilisten gemacht wurde. Der damalige Oberleutnant der Luftwaffe Görings Hannes Trautloft, rühmte sich in seinem Buch „Als Jagdflieger in Spanien“ der Teilnahme am 19. November 1936 am „größten Luftangriff, den Madrid bisher auszuhalten hatte“. An der Tavalera-Front notierte er: „Hier sind uralte Jagd-instinkte, (…) die Instinkte des Jägers, wieder durchgebrochen.“ Nach Tieffliegerangrif-fen in der Provinz Toledo beschrieb er, wie MG-Garben in den Feind einschlagen, Lastwagen sich überschlagen. „Menschen kriechen hervor, viele torkeln, fallen, bleiben liegen. Wohl nichts vermag den Soldaten tiefer zu befriedigen, als der Anblick einer kopflosen, panischen Flucht des Feindes.“

Eine Propagandaschrift der Bundeswehrführung verherrlichte den Mordterror der „Legion Condor“. Darin hieß es: „Mit der Teilnahme am spanischen Bürgerkrieg konnte die Wehrmacht Ruhm an ihre Fahnen heften, sich mit dem Siegeslorbeer schmücken und die Überlegenheit deutscher Waffen und Kriegsmaterials beweisen.“ Trautloft, Mit-begründer der „Traditionsgemeinschaft Legion Condor“, erklärte: „Das Wirken der Legion muss der  bundesdeutschen Jugend als Vorbild dienen.“ In diesem Geist bildete er als Kommandeur der Luftwaffenschule Fürstenfeldbruck, der Wiege der Bundesluft-waffe, deren Nachwuchs aus. Er wurde Kommandierender General der Luftwaffengruppe Süd, Generalleutnant und erhielt zur Verabschiedung in den Ruhestand zu Hitlers Spanien- und Ritterkreuz noch das Bundesverdienstkreuz mit Stern.

Nach dem Abzug der Internationalen Brigaden, (14) der die Abwehrkraft der republikanischen Streitkräfte entscheidend schwächte, gelang es den Franco-Faschisten nach dem Verrat des Befehlshabers der Zentrumsarmee der Republik, Oberst Casado, zusammen mit italienischen Interventionsverbänden am 28. März 1939 Madrid ein-zunehmen. Während der „Gaudillo“ Casado und einigen seiner engsten Mitarbeiter gestattete, auf einem britischen Schiff Spanien zu verlassen, begann in Madrid „sofort eine Treibjagd ohnegleichen auf alle, die jemals zur Republik gehalten hatten“. Die Greiftrupps und Mordkommandos fragten nicht, ob die Betreffenden zuletzt mit oder gegen Casado gewesen waren. Dem von der klerikalfaschistischen Reaktion entfesselten Bürgerkrieg fielen fast eine Million Menschen zum Opfer. (15) „Franco ließ weiter morden und quälen. Hunderttausende wurden eingekerkert (…) und bis in die siebziger Jahre wurde geschunden, gefoltert, hingerichtet.“ (16) Noch nie hat sich die Kurie zu ihrer Schuld an diesen Verbrechen bekannt. Noch nie wurde einer der unzähligen von den Faschisten ermordeten Geistlichen selig oder heilig gesprochen.

Während in Spanien die Mordkommandos wüteten, schickte Pius XII. (17), der am 2. März sein Pontifikat angetreten hatte, Franco eine Botschaft, in der es hieß: „Die von Gott als wichtigster Diener der Evangelisation der Neuen Welt und als uneinnehmbares Bollwerk des katholischen Glaubens auserwählte Nation hat soeben den Anhängern des materialistischen Atheismus unseres Jahrhunderts den erhabensten Beweis dafür geliefert, dass über allen Dingen die ewigen Werte der Religion und des Geistes stehen.“ Ein weiteres Glückwunschtelegramm erhielt Hitler, dem der Papst „mit besten Wünschen den Segen des Himmels und des allmächtigen Gottes“ übermittelte. (18)

Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war  am 19. Juli 1986 zu entnehmen, dass der amerikanische Historiker Gabriel Jackson „die Zahl der auf der ‚nationalen’ Seite zwischen 1936 und 1944 ermordeten oder hingerichteten Menschen zwischen 150.000 und 200.000, die in der republikanischen Zone auf 20.000 während der drei Kriegsjahre“ bezifferte. Teilnehmer der klerikalfaschistischen Niederschlagung der rechtmäßigen Re-gierungen der Spanischen Republik waren Geistliche aller Stufen der katholischen Hierarchie. Sie riefen zum Sturz der Republik auf, segneten die mordenden Horden, erteilten Absolution, lieferten auch unzählige Katholiken dem Terror der Reaktion aus.

Von Benedikt XVI. der aus dem Land kommt, in dem Hitlers Generäle die Bundeswehr aufbauten, darunter Görings Jagdflieger Trautloft die Bundesluftwaffe in der Tradition der Verbrechen der „Legion Condor“, und diese verherrlichen konnte, ist nie ein Wort der Verurteilung oder auch nur des Bedauerns dieser wie der unzähligen anderen Bestialitäten, verübt unter Berufung auf „die ewigen Werte der Religion“ und „den Segen des Himmels und des allmächtigen Gottes“, bekannt geworden. Seine jetzigen Selig-sprechungen bedeuten nichts anderes, als die unter dem Mörderregime Francos began-genen barbarischen Verbrechen gutzuheißen. Benedikt XVI. stellt sich mit ihnen nicht nur hinter die Glückwünsche, die Pius XII. Franco und Hitler Übermittelte, sondern generell in die Traditionslinie der Kurie des Bündnisses mit Reaktion und Faschismus, von der im folgenden vor allem am Beispiel Italiens zu ausgewählten Themen die Rede sein soll.

3. Leo XIII. brandmarkte  den Sozialismus als „Pest“

Die Kurie hatte auf der Seite der Sklavenhalter gestanden und wurde danach auf der Grundlage ihres weltlichen Herrschaftsanspruchs die wichtigste Stütze der über ein Jahrtausend währenden Feudalherrschaft. Als 1870 unter dem Druck der revolutionären Volksbewegung mit Giuseppe Garibaldi an der Spitze die liberale Bourgeoisie in Italien den Nationalstaat in der Form der Monarchie errichtete, die weltliche Herrschaft des Papstes beseitigte und nahezu ausnahmslos seine ihm noch verbliebenen Besitztümer säkularisierte, protestierte Pius IX. (19) auf das schärfste, schwor dem bürgerlichen Staat ewige Feindschaft und belegte in feierlicher Form alle am „Raub des Patrimonium Petri“ beteiligten – das waren der König, seine Regierung und alle die ihnen irgendwie dienten – mit der höchsten ihm zur Verfügung stehenden Strafe, der Exkommunizierung. (20) Zwar nahm sein Nachfolger Leo XIII. (21) die Verdammung nicht zurück, vollzog aber fast auf der Stelle stillschweigend einen Frontwechsel.

Mit dem Gespür, das aus dem über tausendjährigem Hass gegen alles Fortschrittliche erwuchs, hatte der Klerus die mit der 1876 durch die Gründung der sozialistischen Arbeiterföderation in Norditalien entstandene Gefahr erkannt und reagierte. Der Haupt-feind waren nunmehr die marxistische Arbeiterbewegung, ihre Partei und alle, die sich an ihre Seite stellten oder auch nur mit ihnen sympathisierten, darunter selbst Reformer in den eigenen Reihen. Im Katholizismus und seiner Zentrale, dem Vatikan, erwuchs der italienischen Arbeiterbewegung, aber nicht nur ihr, ein gefährlicher und gut organisierter Gegner.

In seinem berüchtigten Brief an den Erzbischof von Köln sicherte Leo XIII. dem Staat des Kapitals nicht nur in Italien, sondern ebenso in Deutschland und Frankreich die Unterstützung der Kirche „zugunsten der durch die aufrührerischen und unmoralischen Doktrinen – den Marxismus – gefährdeten sozialen und politischen Ordnung“ zu. (22) In seiner 1891 erlassenen Enzyklika „Rerum Novarum“, welche zur Grundlage der katho-lischen Soziallehre wurde, forderte er, „der Staat muss sich zum unerbittlichen Hüter des Privateigentums machen“ und ihm durch „die öffentlichen Gesetze … Schirm und Schutz bieten“. Wer die Aufhebung des Privateigentums fordere, müsse „im Namen der Moral, deren Fundament er zerstört, als außerhalb des Gesetzes stehend erklärt werden“. In scharfer Form machte „Rerum Novarum“ Front gegen die sozialistischen Arbeiter-organisationen und lieferte bereits die Begründung für das später auch in Italien erlassene Sozialistengesetz, wenn es hieß: „Sollte eine Vereinigung einen Zweck verfolgen, der in flagrantem Gegensatz zur Rechtschaffenheit, zur Gerechtigkeit und zur Sicherheit des Staates steht, dann haben die öffentlichen Gewalten das Recht, deren Bildung zu verhindern oder, falls sie schon besteht, sie aufzulösen.“ Die Enzyklika wandte sich gegen „jede Form des Sozialismus“, den sie als „Pest“ brandmarkte, und forderte: „Wenn die Massen sich von üblen Doktrinen hinreißen lassen, darf der Staat nicht zögern, mit starker Hand zuzufassen“. Ignazio Silone charakterisierte die päpstliche Schrift als „konterrevolutionäre Waffe im Schoße der Massen“. 23

Die kommunistische Ideologie war schon in ihrer Entstehungszeit seitens der Kurie verfolgt, verflucht und verdammt worden. Bereits bevor Marx und Engels 1847 das „Kommunistische Manifest“ veröffentlichten, machte der Heilige Stuhl gegen die utopischen Sozialisten Front. 1846 rechnete Pius IX. in seiner Enzyklika „Qui Pluribus“ den Kommunismus ausdrücklich zu den „monströsen Irrtümern“. 1864 rangierte der Kommunismus im Syllabus der Kurie mit dem Liberalismus, dem Sozialismus und der Freimaurerei unter den „Pestilenzen“.

Gegen die aufstrebende Sozialistische Partei, ihre Anhänger und ihre Gewerkschaften schuf die katholische Kirche in Italien zielstrebig ihre eigene konterrevolutionäre Bewegung, deren Grundlage christliche Gewerkschaften bildeten. 1903 zählten die katholischen Gewerkschaften 400.000 Mitglieder. Ein Kongress in Bologna betonte, dass ihre Aufgabe, obwohl sie sich nur aus proletarischen Elementen zusammensetzten, darin bestehe, dem Zusammenwirken von Arbeit und Kapital zu dienen. Um dem politischen Katholizismus eine Verankerung im bürgerlichen Parteiensystem zu verschaffen und sowohl unter der katholischen Arbeiterbewegung als auch in kleinbürgerlichen Schichten ein Gegengewicht zur anwachsenden Sozialistischen Partei (ISP) zu bilden, gründete der Priester Don Luigi Sturzo im Auftrag des Vatikans 1919 die katholische Volkspartei.

Die Annäherung zwischen der katholischen Kirche und den kapitalistischen Staaten erfolgte zeitgleich mit Italien auch in Frankreich und Deutschland. Nach dem Kulturkampf, nach den Mai-Gesetzen und der antiklerikalen Periode von 1873 bis 1875 in Deutschland versöhnte die Notwendigkeit, einen Damm gegen die Sozialdemokratie zu errichten, Bismarck und den Papst. In Italien nahm Ministerpräsident Giovanni Giolitti während des Generalstreiks von 1904 Kontakt mit Vertretern Pius X. (24) auf, die ihm zusicherten, die Regierungskandidaten durch die Katholiken in ganz Italien zu unterstützen. Daraufhin löste Giolitti das Parlament auf und schrieb für den Februar 1905 Neuwahlen aus, von denen er sich eine Niederlage für die Sozialisten erhoffte, die allerdings ausblieb. Die Sozialisten gewannen gut acht % hinzu und kamen auf insgesamt 20 % Wählerstimmen. Nach diesen Wahlen hob der Papst das bis dahin bestehende Verbot der parlamentarischen Betätigung für Katholiken auf.

1912 mussten die herrschenden Kreise eine Wahlreform zugestehen, die etwa 23 % der Bevölkerung das Stimmrecht gewährte. Die Befürchtung, dass davon vor allem die Sozialisten profitieren würden, führte zu einem Pakt zwischen der Regierung und dem Vatikan. Ministerpräsident Giolitti und der Präsident der Katholischen Wählerver-einigung, Graf Vincenzo Ottorino Gentiloni, vereinbarten, dass die Katholiken dort, wo ihre Bewerber keine Chancen hatten, die liberalen Kandidaten unterstützen. Giolitti sagte dafür zu, die Ehescheidung abzulehnen, in den öffentlichen Schulen den Religions-unterreicht zuzulassen und den katholischen Privatschulen sowie Organisationen und Orden staatliche Unterstützung zu gewähren. Die Ergebnisse waren für die Protagonisten des Gentiloni-Paktes nicht gerade verheißungsvoll. Zwar erreichten die Liberalen mit 304 Sitzen (von 508) der Abgeordnetenkammer eine regierungsfähige Mehrheit, verloren aber gegenüber 1909 fast 20 %. Gentilono behauptete, ohne die katholische Wahlhilfe hätte Giolitti weniger als 200 Sitze geschafft. Eigentliche Wahlsieger waren die Sozialisten, die ihre Mandate mit 79 verdoppeln konnten. (25)

4. Pius X. dämonisierte Reformkatholiken

Die marxistische Abeiterbewegung übte einen großen Einfluss auf das geistige Leben aus und befruchtete auch das Wirken liberaler Persönlichkeiten, die sich gegen die Verfol-gung jeglichen Fortschrittsdenkens durch den Klerus wandten und Zustimmung seitens der Sozialisten erhielten. Gegen Abweichler in den eigenen Reihen ging die Kurie in inquisitorischer Weise vor. Die liberalen Katholiken Lammenais, Montalembert, Lacor-daire wurden auf das schärfste verdammt. (26) Im Juli 1907 erließ Pius X. den Syllabus „Lamentabile sane exitu“, der ohne Namensnennung (65) Thesen des Hauptes der Modernisten, des großen französischen Theologen und Denkers Alfred Loisy, verurteilte.

Zwei Monate nach dem Syllabus folgte die Antimodernisten-Enzyklika „Pascendi Dominici Gregis“, die ein Bild völliger Dämonisierung nichtkonformer theologischer Denker darstellte.

Die sogenannten Reformkatholiken standen in der Tradition eines liberalen, von der Aufklärung beeinflussten Katholizismus. Sie wandten sich gegen Neuscholastik und Ultramontanismus, lehnten den religiösen Totalitarismus ab und suchten eine Ein-beziehung der modernen Kultur und Wissenschaft in ihre Lehre. Einer ihrer heraus-ragendsten Vertreter war der deutsche katholische Theologe, Professor für christliche Kunstgeschichte und vergleichende Religionswissenschaft in Würzburg, Hermann Schell. Seine Schrift „Der Katholizismus als Princip des Fortschritts“ (1897) wurde sofort nach dem Erscheinen auf den Index verbannt. Mit einem Motu proprio bedrohte der Papst alle mit der Exkommunikation, die es wagen sollten, der Enzyklika zu widersprechen. Zur Durchsetzung bedingungslosen Gehorsams schuf der Heilige Stuhl mit dem Sodalitium Pianum einen eigenen Geheimdienst zur Überwachung und Verfolgung von Verstößen gegen die päpstlichen Erlasse. An die Spitze dieser päpstlichen Geheimpolizei stellte Pius X. seinen Staatssekretär, Prälat Umberto Benigni, der später Mussolini Spitzeldienste leistete. (27)

5. Die Kurie, Stütze der faschistischen Diktatur

Nach seiner Niederlage bei den Parlamentswahlen im Mai 1921, bei denen er im liberalen reaktionären Block von insgesamt 265 nur 35 Mandate erzielte, begann Mussolini seinen „Marsch auf Rom“, die Machtergreifung – durch einen Militärputsch – vorzubereiten. Neben einflussreichen Kreisen des Industrie- und Bankkapitals, Vertretern der Großagrarier sowie der Staatsbürokratie, des Hofes und Teilen des Militärs unterstützte ihn die Kurie aktiv in diesem Vorhaben. Der im Januar als Pius XI.28 neu gewählte Papst ergriff zusammen mit seinem Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri offen die Partei des „Duce“. (29) Nach der Machtübernahme Mussolinis am 28. Oktober 1922 trat die katholische Volkspartei, die im Parlament über 108  Sitze verfügte, auf Betreiben des Vatikans in die Regierung des „Duce“ ein und trug dazu bei, dem Militärputsch einen Schein der Legalität und dem Kabinett ein demokratisches Aushängeschild zu verschaffen. Nach Protesten an der Basis verließ die Volkpartei im April 1923 die Regierung. Der Vatikan setzte danach ihre Auflösung durch.

Um seine Macht zu konsolidieren und sich das Parlament unterzuordnen, organisierte der  „Duce“ 1924 eine betrügerische Scheinwahl, die von einer neuen Welle blutigen Terrors begleitet wurde. Im Parlament peitschten die Faschisten in diesem Klima ein neues Wahlgesetz durch, welches das 1919 erkämpfte Verhältniswahlrecht aufhob und fest-legte, dass die Liste, welche die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt, zwei Drittel der Parlamentssitze zugesprochen erhält. Zu den Wahlen am 6. April traten auf einer so genannten gemeinsamen Regierungsliste für die faschistische Partei (Partito Nazionale Faschista) führende Industrielle wie der Präsident der Confindustria, (30) Alfano Benni und Gino Olivetti vom gleichnamigen Elektrokonzern an, die damit offen ihre Unter-stützung für Mussolini demonstrierten. Durch die Manipulation zogen über die Regie-rungsliste 375 (64,9 %) Abgeordnete ins Parlament ein, darunter 275 offizielle Mitglieder des PNF.

Die manipulierte Wahl brachte den Faschisten zwar eine erdrückende Mehrheit, aber nicht den erhofften Prestigegewinn. Widerstand und Protest wuchsen in einem Maße an, wie sie das Regime bis dahin nicht erlebt hatte, und stürzten es in eine existenzielle Krise. Sie ging in die Geschichte als Matteotti-Krise ein, benannt nach dem Führer der 1922 von der ISP abgespaltenen Einheitssozialisten. Matteotti prangerte im Parlament und in der Öffentlichkeit unerschrocken die Verbrechen der Faschisten an und forderte, die Wahl für ungültig zu erklären. Am 10. Juni überfiel ihn daraufhin ein Mordkommando auf offener Straße, zerrte ihn in ein Auto, verschleppte und erschlug ihn auf persönliche Weisung Mussolinis. Der ungeheuerliche Mord steigerte den Widerstand auf der Straße und im Parlament gegen das Regime und seinen Mordterror. In der faschistischen Partei be-fürchtete man den Sturz Mussolinis. Mitläufer, Karrieristen und Funktionsträger traten scharenweise aus. Bis Ende 1924 verließen 182.291 Mitglieder den PNF, dessen Zahl nach der offiziellen Statistik nur noch 599.988 betrug. Selbst unter führenden Faschisten wurden Stimmen laut, nachzugeben und einen Kompromiss mit den Liberalen zu suchen.

In dieser Situation verhinderten der Vatikan und die Confindustria durch ihr unver-zügliches Eingreifen den Sturz der faschistischen Diktatur. Der Industriellenverband versicherte Mussolini am 24. Juni 1924 öffentlich seiner „unwandelbaren Treue“ und nahm scharf gegen die „intrigante Opposition“ Stellung. Der Vatikan, für den Mussolini unter anderem 1923 die vor dem Bankrott stehende Bank von Rom, auch unter dem Namen „Bank der Freunde des Vatikans“ bekannt, mit großem finanziellen Aufwand gerettet hatte, stellte sich in Erwartung eines Konkordats ebenfalls an die Seite des „Duce“. Eine Woche nach dem Mord lobte der Osservatore Romano (31), Zentralorgan des Vatikans, die „feste Haltung“ des „Duce“ und wandte sich gegen antifaschistische Aktionen. (32) Dank der so gewährten Hilfe entging Mussolini 1924/25 seinem Sturz und konnte an der Jahreswende 1926/27 die parlamentarisch verschleierte Etappe des Faschismus beenden und seine offene terroristische Diktatur errichten. Auf seinen Antrag annullierte die faschistische Parlamentsmehrheit im November 1926 die letzten Mandate der Opposition. Die Polizei verhaftete alle kommunistischen Abgeordneten, derer sie habhaft werden konnte. Der „Duce“ verbot alle Parteien und Organisationen außer den faschistischen. Das gleiche Schicksal erfuhren ihre Zeitungen.

6. Pius XI.: Mussolini, „ein Mann, mit dem uns die Vorsehung zusammenführte“

1926 begannen die Konkordatsverhandlungen, die das faschistische Regime innen- und außenpolitisch aufwerteten. Die am 11. Februar 1929 geschlossenen dreiteiligen Lateran-abkommen umfassten den zwischen beiden Seiten geschlossenen Staatsvertrag, das Konkordat und ein Finanzabkommen. Die Verträge schränkten wesentliche Ergebnisse des Risorgimento (der bürgerlichen Revolution) ein. Der Staatsvertrag anerkannte die Souveränität des Heiligen Stuhls auf internationaler Ebene mit dem Vatikan als neuem Staat und dem Papst als seinem Oberhaupt. Das ermöglichte diesem, seine mit der Vollendung der Einheit Italiens 1870 beseitigte weltliche Herrschaft wieder zu errichten. Die Kurie anerkannte Rom als Hauptstadt des Königreiches Italien. Rom und der Vatikan nahmen diplomatische Beziehungen auf.

Im Konkordat wurde dem Heiligen Stuhl die freie und ungehinderte Ausübung der geistlichen Gewalt zugestanden, die Trennung von Kirche und Staat in wesentlichen Punkten aufgehoben, der Katholizismus als „einzige Religion des Staates“ fest-geschrieben, woraus die Kirche weitreichende Privilegien ableiteten konnte. Kirchlich geschlossene Ehen erhielten alle bürgerlichen Rechte zuerkannt. Ehescheidungen bedurften von da an der Zustimmung der katholischen Kirchenbehörden. Mit dem Artikel, dass die Bischöfe dem Staat ihre Treue bekunden, wurde der unter Leo XIII. konzipierte Pakt zwischen Katholizismus und Staat, diesmal dem faschistischen, neu aufgelegt.

In dem Finanzabkommen verpflichtete sich der italienische Staat, dem Vatikan als Entschädigung für die 1870 säkularisierten päpstlichen Besitztümer 1.750 Milliarden Lire zu zahlen. Außerdem wurden ihm außerhalb der Vatikanstadt einige Kirchen und Paläste, darunter Castel Gandolfo (vom Papst zur Sommerresidenz erklärt) überlassen bzw. bestätigt.

Während die Lateranverträge das faschistische Regime innen- und außenpolitisch aufwerteten, schwächten sie die antifaschistische Bewegung und schadeten der italienischen Demokratie noch über die Zeit der faschistischen Diktatur hinaus. In den Augen der katholischen Bevölkerung Italiens, aber auch der Christenheit in der ganzen Welt wirkte besonders das Konkordat als päpstlicher Segen für das faschistische Regime und erhob es zur „von Gott gewollten Ordnung“. Pius XI. geizte nicht mit Dank an den „Duce“, dessen persönliche  Verdienste am Zustandekommen der Verträge er ausdrück-lich hervorhob. In einer Rede an der katholischen Universität bezeichnete er den Diktator als „einen Mann, mit dem uns die Vorsehung zusammenführte“. Mussolini habe „nicht die Vorbehalte der liberalen Schule“, führte der Papst aus und stellte sich so ein weiteres Mal öffentlich vor allem gegen die bürgerliche Opposition. (33) Das einzige Zugeständnis der Kurie war, dass sie die 1870 provokativ gestellte „Römische Frage“ als für „endgültig und unwiderruflich geschlichtet und beigelegt“ erklärte. (34)

Sein Scherflein zur Aufwertung des faschistischen Regimes in Rom trug auch ein gewisser Konrad Adenauer bei. Der damalige Kölner Oberbürgermeister und erste Nachkriegskanzler der Bundesrepublik Deutschland hofierte den „Duce“ in einem Glückwunschtelegramm, in dem es hieß: „Der Name Mussolini wird in goldenen Buchstaben in die Geschichte der katholischen Kirche eingetragen“. (35) Es interessierte Adenauer nicht im Geringsten, dass der Diktator zu dieser Zeit den Führer der Christdemokraten, den späteren Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi, zu vier Jahren Kerker verurteilt hatte. Während Adenauer nach 1933 friedlich seine ihm von den Faschisten gewährte Pension verzehrte und das Hitlerregime tolerierte, kehrte De Gasperi nach Verbüßung seiner Zuchthausstrafe in die christdemokratische antifaschistische Opposition zurück.

Den Lateranverträgen mit Mussolini folgte das Reichskonkordat mit Hitler, das Pius XI. bereits sechs Monate nach dessen Machtantritt, am 20. Juli 1933, schloss. Es trug zur Festigung der internationalen Position des Hitlerregime bei, sicherte Besitz und Posi-tionen der katholischen Kirche in Deutschland und bewirkte entscheidend die Selbst-auflösung des deutschen politischen Katholizismus. Hitler ließ dafür in der Nazipresse keine ideologischen Angriffe gegen die katholische Kirche führen. Unter der faschistischen Diktatur segneten höchste Würdenträger der Kurie die Waffen, mit denen Hitlerdeutschland zur Eroberung der Weltherrschaft antrat.

Die Diktatur Salazars in Portugal traf ebenso wenig auf Widerspruch des Vatikans wie der Putsch Francos gegen die Spanische Republik. Der progressiven Regierung Cardenas in Mexiko, die eine Bodenreform durchführte, die ausländischen Eisenbahn- und Erdölgesellschaften nationalisierte und die spanische Volksfrontregierung unterstützte, stellte sich der Papst  jedoch entschieden entgegen.

Zum 40. Jahrestag von „Rerum Novarum“ erließ Pius XI am 15. Mai 1931 die Enzyklika „Quadragesimo anno“, die gegenüber den Kommunisten „eine schonungslose Unter-drückung“ forderte und die Untätigkeit bestimmter Regierungen ihnen gegenüber scharf verurteilte. Sie ebneten „auf diese Weise den Weg zum Umsturz und zum Ruin der Gesellschaft“. Unzweideutig brachte der Papst zum Ausdruck, dass die Rettung „im Faschismus“ liege. Silone nannte „Quadragesimo Anno“  ein „Manifest des katholischen Faschismus, der sich als Retter der kapitalistischen Zivilisation auf die Kandidatenliste setzt“. (36) Es war eine Konzeption, die sein Nachfolger, Pius XII., nach dem Sturz Mussolinis 1943 zu verwirklichen suchte.

Die antifaschistische Haltung  bürgerlicher Kreise zwang den Papst nach der Errichtung der offen terroristischen Diktatur Mussolinis zum Lavieren. Verfolgten Funktionären der Volkspartei musste im Vatikan Zuflucht gewährt werden. Rudimente der Partei existierten de facto weiter und wirkten unter dem Dach der legalen Laienorganisation Azione Cattolica, in der sich unter dem bedeutendsten katholischen Sozialtheoretiker La Pira ein starker linker Flügel herausbildete. De Gasperi, der wiederholt verhaftet, eine Gefängnisstrafe verbüßen musste, scharte im Vatikan im Verborgenen Oppositionelle um sich, die vor dem Sturz Mussolinis 1943 dann die Reste der Volkspartei zur Democrazia Cristiana umwandelten.

7. „Ein wunderbarer Duce, der das Kreuz Christi in alle Welt trägt.“

Am 5. Mai 1936 ging mit dem Einmarsch der italienischen Kolonialarmee in Addis Abeba ein barbarischer Feldzug zur Eroberung Äthiopiens (damals Abessinien) vorerst zu Ende. Er kostete 275.000 Einwohnern des Landes das Leben. Mit Äthiopien wollte Mussolini zunächst das italienische ostafrikanische Kolonialreich vollenden, um dann „die Kolonialkarte Afrikas zu ändern und damit die Frage der Neuaufteilung der Welt praktisch zu stellen.“ (37) Der Überfall bildete ein Vorspiel in den Abgrund des drei Jahre später beginnenden Zweiten Weltkrieges. (38)

Die Armee Kaiser Selassies brachte die italienische Offensive trotz der großen Überlegenheit an Flugzeugen, schwerer Artillerie, Panzern und Fahrzeugen sowie massiver Luftangriffe auf Städte und Dörfer zum Stehen und ging sogar zu Gegen-angriffen über. Marschall Pietro Badoglio setzte daraufhin auf Befehl Mussolinis das Giftgas Yperit ein. Nach vorliegenden, wahrscheinlich unvollständigen Angaben, wurden über den äthiopischen Stellungen zwischen Dezember 1935 und April 1936 über 350 Tonnen in 1.500 Bomben abgeworfen. (39) Das Giftgas wurde noch bis kurz vor Erreichen der Hauptstadt und auch dann noch eingesetzt, als die  äthiopische Armee sich auf dem Rückzug befand und zu keinem wirksamen Widerstand mehr in der Lage war. Italien brach mit der Anwendung des Giftgas das 1925 unterzeichnete internationale Abkommen über den Verzicht des Einsatzes chemischer Waffen. (40) Mit brutalen Methoden versuchte Mussolini, den Yperit-Einsatz zu verheimlichen. Um keine Berichte darüber an die Öffentlichkeit kommen zu lassen, ordnete er am 30. April 1936 persönlich an, gefangen genommene Europäer, die in der äthiopischen Armee gekämpft hatten, zu erschießen. (41)

Am 1. Juni schloss Mussolini Äthiopien mit den bereits bestehenden italienischen Kolonien Eritrea und Somaliland zur Kolonie Italienisch Ostafrika zusammen. Vittorio Emanuele III. setzte sich die äthiopische Kaiserkrone auf und der römische Klerus feierte Mussolini als „einen wunderbaren Duce, der das Kreuz Christi in alle Welt trägt.“ Pius XI. zwang den Äthiopiern auf den Trümmern der koptischen Kirche eine ihnen fremde Religion auf. Der Mailänder Kardinal Ildefonso Schuster feierte im Dom der Stadt in einer Messe die Heldentaten des italienischen Heeres, das in seiner Pflichterfüllung das „Licht der Zivilisation nach Äthiopien getragen“ habe. (42)

Wie sahen „die Heldentaten“ des Heeres „des wunderbaren Duce“ aus. Welches „Licht der Zivilisation“ trugen sie nach Äthiopien? Um den Widerstand zu zerschlagen, führten Schwarzhemden „Strafexpeditionen“ durch. Ein Augenzeuge schilderte, wie in Addis Abeba Italiener „mit Knüppeln und Eisenstangen bewaffnet“ die Einheimischen, die sich noch auf der Straße befanden erschlugen. Die Straßen um die Hütten seien „von Toten übersät.“ (43) Nach einem gegen sich erfolglosen Attentat befahl Marschall Graziani, Generalgouverneur von Italienisch Ostafrika, am 19. Februar 1937 ein Massaker, dem nach äthiopischen Angaben allein in der Hauptstadt 30.000 Menschen zum Opfer fielen. Er ordnete an, die äthiopische Intelligenz als einen potentiellen Oppositionsherd zu liquidieren. Unzählige christlich-koptische Geistliche und alle Kadetten der Militär-akademie von Addis Abeba wurden umgebracht. Nur auf den Verdacht hin, dass sie an dem Attentat beteiligt gewesen sein könnten, ließ Graziani im Mai 1937 nahezu alle 300 Ordensbrüder des Klosters Debra Libanos erschießen. Unzählige Äthiopier sperrte das Kolonialregime in Konzentrationslager, wo die meisten elendiglich zu Grunde gingen. (44) Insgesamt kamen unter der faschistischen Herrschaft, die Opfer des Feldzuges eingeschlossen, etwa 750.000 Äthiopier ums Leben.

8. Der mysteriöse Tod Pius XI.

Nach der Verabschiedung von „Quadragesimo Anno“ zeigten sich gewisse Gegensätze zwischen Mussolini und dem Papst. Während Pius XI. einen dominierenden Einfluss auf das faschistische Regime verfolgte, wollte der „Duce“, der dank der Hilfe des Vatikans nun fest im Sattel saß, eine solche Vorherrschaft nicht dulden. Er löste die etwa 680.000 Mitglieder (Jungen und Mädchen) zählenden katholischen Jugendorganisationen auf. (45) Anlass war, dass diese zahlreiche Mitglieder der vom Vatikan für aufgelöst erklärten Volkspartei aufgenommen hatten. Außerdem waren viele der jungen Katholiken nicht in die faschistische Jugendorganisation eingetreten, was sich nach dem Verbot änderte. Bestehen blieben der Verband katholischer Männer (80.000 Mitglieder) und der katholischen Frauen (200.000 Mitglieder).

1937 tadelte Pius XI. antikatholische Verstöße Hitlers gegen das Reichskonkordat. Er wollte damit in der Öffentlichkeit die wachsende Kritik an der faschistenfreundlichen Haltung des Vatikans vorsichtig entkräften und Distanz gegenüber der sich verstärkenden rassistischen Verfolgung, die 1938 zum Erlass der Rassengesetze führte, vortäuschen. Er beauftragte den amerikanischen Pater John La Farge, den Entwurf einer Enzyklika über „Rassismus und Antisemitismus“ zu erarbeiten. Der Benediktinerpater und Vizepräsident der Nationalen Belgischen Kommission der katholischen Kirche für die Beziehungen zum Judentum, Georges Passelecq, und der Straßburger Historiker Bernard Suchecky entdeckten eine Kopie des Entwurfs Mitte der 90er Jahre in den USA und veröffentlichten darüber ein aufsehenerregendes Buch. (46)

La Fargas Entwurf soll Pius XI. nach Eintreffen im Vatikan vier Monate lang vorenthalten und ihm erst kurz vor seinem Tod ausgehändigt worden sein. Der Entwurf war widersprüchlich, insbesondere was die Haltung zum Judentum betraf. So wurde die Verurteilung des Antisemitismus mit der antijudaistischen Haltung der Kurie (47) gekoppelt. Gleiches geschah bei der Verurteilung der Judenverfolgung. Ihr folgten die bekannten Vorwürfe gegen „die eigensinnigen Juden“, die, „von weltlichem Gewinn und materiellem Erfolg verblendet“, zum „Stein des Anstoßes für alle übrigen Völker“ wurden. Solche Passagen, wäre die Enzyklika veröffentlicht worden, hätten der Nazi-propaganda mehr Vorschub geleistet, als sie ihr geschadet hätten. Hatte doch auch Hitler, ohne auf Widerspruch seitens des Vatikans zu stoßen, gegenüber dem Osnabrücker Bischof Hermann Wilhelm Berning geäußert: „Die katholische Kirche hat die Juden 1.500 Jahre als Schädlinge angesehen, sie ins Ghetto verwiesen. Ich gehe auf das zurück, was man 1.500 Jahre getan hat. Ich sehe die Schädlinge in den Vertretern dieser Rasse für Staat und Kirche, und vielleicht erweise ich dem Christentum den größten Dienst.“ Berning hatte, immer in Übereinstimmung mit Pius XI., wiederholt Solidaritäts-bekundungen gegenüber Hitler abgegeben, das faschistische Führungsprinzip z. B. als „gemeinsames Strukturprinzip“ der Kirche und des faschistischen Staates bezeichnet und war im Juli 1933 dem Preußischen Staatsrat beigetreten. (48)

Trotzdem betrachteten die reaktionärsten Kleriker im Vatikan den Entwurf als einen Affront, besonders gegen Mussolini und befürchteten eine Schwächung seiner Position. Der französische Kardinal Eugène Tisserant äußerte später den Verdacht, der „Duce“ habe Pius XI. ermorden lassen, um die Eröffnung eines Sonderkonklave am 11. Februar 1939, auf dem der Papst das Thema der Enzyklika ansprechen wollte, zu verhindern. Fakt ist, dass der Papst in der Nacht zum 11. Februar von dem Arzt Dr. Francesco Pettaci, Vater der Geliebten Mussolinis, Clara Pettaci, eine Spritze erhielt und darauf um 5.31 Uhr verstarb. Der Nachfolger Pius XI., Eugenio Pacelli, als Pius XII. (49) zum Papst gewählt, verbannte die Enyklika und ein unvollendetes Redemanuskript seines Vorgängers dazu in die Archive des Vatikans, wo sie noch heute lagern. (50)

9. Nach dem Sturz des „Duce“ wollte der Vatikan das Regime als klerikalfaschistisches aufrechterhalten

Die Niederlage der Hitlerwehrmacht an der Jahreswende 1942/32 leitete in Italien die Krise des faschistischen Regimes ein. Hitlers Achsenpartner war von der Niederlage direkt betroffen, da die von Mussolini zur Unterstützung an die Ostfront geschickte 230.000 Mann starke Armata Italiana in Russia (ARMIR) während der sowjetischen Gegenoffensive zwischen dem 11. und 22. Dezember 1942 in die verschneite Donezsteppe getrieben, dort eingekesselt und größtenteils vernichtet wurde. Ein Bericht des italienischen Generalstabes besagte, dass die Wehrmacht die Italiener während des schrecklichen Rückzuges erbarmungslos ihrem Schicksal überließ, die deutschen „Ver-bündeten“ den „Italienern stets jegliche Hilfe versagten, sich aller verfügbaren Kraft-fahrzeuge bemächtigten, unsere Verwundeten ohne Transportmittel, ohne Nahrungsmittel und ohne erforderliche Versorgung zurückließen.“ (51) Als das Schicksal der ARMIR in Italien bekannt wurde, trug das im Frühsommer 1943 zur wachsenden Antikriegs-stimmung bei. Der verlorengegangene Mythos von der „Unbesiegbarkeit“ der Hitler-wehrmacht führte unter Trägern der faschistischen Diktatur Italiens zu der Erkenntnis, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war. Bereits im November 1942 war Marschall Badoglio, der sich 1940 gegen den Kriegseintritt Italiens ausgesprochen hatte und danach am 6. Dezember als Generalstabschef des Heeres zurückgetreten war, in Mailand in der Wohnung des Schwerindustriellen der Eisen- und Stahlbranche, Enrico Falck, mit führenden Großindustriellen und Größen der faschistischen Partei zusammengetroffen, um ein Ausscheiden Italiens aus der faschistischen Achse zu erörtern. Unter den bürger-lichen Oppositionellen befand sich Alcide De Gasperi von den Christdemokraten. (52)

Nach der Kapitulation der zur Hälfte aus Deutschen und Italienern bestehenden, noch 250.000 Mann zählenden Heeresgruppe Afrika am 13. Mai 1943 am Kap Bon nahe Tunis und der Landung der Alliierten am 9. Juli auf Sizilien brach die Krise des italienischen Faschismus offen aus. Zu den Opponenten Mussolinis gehörte dessen Schwiegersohn, Graf Galeazzo Ciano (seit 1926 Außenminister, im Februar 1943 abgesetzt). Im Auftrag der Palast-Verschwörer nahm er Kontakte zu den Amerikanern und Briten auf, um deren Haltung zu einem Ausscheiden Italiens aus der faschistischen Achse zu sondieren. (53) Wesentliche Triebkraft des Handelns der  Verschwörer war die Furcht vor einem Sturz des Mussolini-Regimes durch einen antifaschistischen Volksaufstand. Ciano holte auch die Zustimmung des Vatikans ein, ohne den, wie 1922 der Machtantritt Mussolinis, 1943 auch sein Sturz durch die Palastrevolte nicht hätte stattfinden können. Der Vatikan stellte zur Bedingung, die Strukturen des faschistischen Regime zu erhalten. Giovanni Battista Montini, der spätere Papst Paul VI. (54), signalisierte, dass der Vatikan ganz zur Verfügung stehe, wenn es gelte, „zugunsten des Landes“ und zur Beibehaltung der „inneren Ordnung“ zu handeln. Was darunter zu verstehen war, beschrieb die amerika-nische Zeitschrift Life am 14. Dezember 1943 so: Den Organisatoren der Palastrevolte ging es darum, „sich von Mussolini und den Deutschfreundlichen zu befreien, das System aber zu erhalten.“ Es war offensichtlich, dass Pius XII. den von seinem Vorgänger in „Quadragesimo Anno“ proklamierten klerikalen Faschismus an die Stelle der gestürzten Mussolini-Diktatur setzen wollte.

Der von König Vittorio Emanuele III. nach dem Sturz Mussolinis am 26. Juli zum Ministerpräsidenten berufene Marschall Badoglio schloss zwar mit den Alliierten einen Waffenstillstand, wollte aber nicht auf die Seite der Antihitlerkoalition übertreten. Erst unter dem Druck der von der IKP dominierten antifaschistischen Befreiungsbewegung und der stürmisch wachsenden Partisanen-Einheiten erklärte seine Regierung am 13 Oktober Hitlerdeutschland den Krieg. Mit der von IKP-Generalsekretär Palmiro Togliatti konzipierten „Wende von Salerno“, dem Eintritt der Parteien des Nationalen Befrei-ungskomitees (CLN) in die Badoglio-Regierung im April 1944 wurde die vom Vatikan mit getragene Linie der Konservierung der faschistischen Strukturen durchkreuzt. Nach der Einnahme Roms durch die Alliierten im Juni zwangen die CLN-Parteien den König als einen Träger der zwanzigjährigen Mussoliniherrschaft abzudanken, ebenso seinen Ministerpräsidenten Marschall Badoglio zurückzutreten. Unter dem  nunmehr vom CLN zum Ministerpräsident berufenen Liberalen Ivanhoe Bonomi erhielt das Kabinett den Charakter einer antifaschistischen nationalen Einheitsregierung.

10. Die Kurie verhalf Zehntausenden Faschisten zur Flucht

Bei Kriegsende 1945 fügte der Vatikan seiner Politik des Bündnisses mit dem Faschismus eine neue Seite hinzu. Für Tausende und Abertausende führende Faschisten, durchweg alle Kriegsverbrecher, organisierte er unter Pius XII. die Flucht über die im Geheimdienstjargon Rattenlinie genannte Route nach Südamerika oder beteiligte sich aktiv daran und entzog die Flüchtlinge ihrer gerechten Bestrafung. Dazu gehörten neben international gesuchten Kriegsverbrechern wie Adolf Eichmann, dem KZ-Arzt von Auschwitz Josef Mengele, dem Kommandanten der Vernichtungslager von Sodibor und Treblinka, Franz Sprangl, und dem des Ghettos in Przemysl, Josef Schwammberger, auch der Führer der Ustascha-Faschisten und Chef des unter der Okkupation Hitler-deutschlands proklamierten „Unabhängigen Staates Kroatien“, Ante Pavelic, mit fast seinem gesamten Kabinett. Ausgeschleust wurden deutsche und italienische Faschisten, belgische und französische Kollaborateure, kroatische Ustascha, slowakische Klerikal-faschisten, ungarische Pfeilkreuzler und Angehörige der rumänischen „Eisernen Garde“. Wie der argentinische Historiker Uki Goni in seinem Buch „Odessa“ recherchierte, waren wenigstens 300 der ausgeschleusten Faschisten bereits in Europa abgeurteilte oder angeklagte Kriegsverbrecher. Allein etwa 50.000 Deutsche und Kroaten konnten nach 1945 nach Argentinien entkommen. Nach der Gründung der Bundesrepublik betreute deren Botschaft in Argentinien die geflohenen Faschisten nicht nur, sondern hatte unter ihren Diplomaten und Mitarbeitern selbst frühere NSDAP-Mitglieder. Sie stellten dem KZ-Arzt Mengele, der unter falschem Namen eingereist war, unter seinem echten Namen einen Reisepass aus, mit dem er in die Schweiz und zurückreisen konnte. Das war kein Einzelfall. (55)

Im Staatssekretariat des Vatikan lag die Leitung der  Rettungsaktion in den Händen von Giovanni Battista Montini. Er gehörte zur Spitze der Leitung von Pro Deo, war einer der vier Ressortleiter des vatikanischen Geheimdienstes, der seit seiner Gründung 1943/44 eng mit dem Office of strategic Service (OSS) und später mit seinem Nachfolger, der CIA, zusammenarbeitete und seinen Sitz 1945 von Lissabon nach New York verlegte. Montini stellte der CIA die Akten über politisch aktive Priester zur Verfügung, von denen diese viele als Agenten anwarb. Die geheimdienstliche Zusammenarbeit zwischen CIA und Pro Deo sowie dem Vatikan überhaupt wurde noch vertieft, als Montini 1963 zum Papst aufstieg. In ihrem bei Erscheinen 1976 Aufsehen erregenden Buch „Gli Americani in Italia“ belegten die Autoren Roberto Faenza und Marco Fini. dass der Vatikan, vertreten durch Kardinal Montini seit 1942 eng mit dem OSS und später der CIA zusammenarbeitete, um dominierenden Positionen der Kommunisten in der künftigen Entwicklung in Italien und später einem „linken Vormarsch“ entgegenzuwirken. (56)

Um die Verbindungen zum Vatikan zu festigen, traten führende CIA-Leute wie James Angleton, Chef des OSS in Rom, der langjährige Chef der CIA-Station in Rom und spätere Direktor der Agency, John McCon, und ihr langjähriger Chef William Casey in den Orden der Malteserritter ein. (57) Diesem Orden gehörte auch der frühere Geheimdienstagent Mussolinis Licio Gelli an, der Anfang der 70er Jahre auf Betreiben der CIA die faschistische Putschloge und Zentrale der Spannungsstrategie P2 gründete, die u. a. mit führenden Politikern, darunter Henri Kissinger, und Geheimdienstlern der USA die Ermordung des DC-Führers Aldo Moro inszenierte. (58)

Zu Montinis Helfern bei der Fluchthilfe gehörte der SS-Sturmbannführer Karl Hass, der zusammen mit dem SS-Chef von Rom, Herbert Kappler, und dessen Stellvertreter Erich Priebke u. a. an der Ermordung der 335 Geiseln im März 1944 in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom beteiligt war. Kappler und Priebke verschickten Tausende italienische Juden zur „Endlösung“ in die Konzentrationslager. (59) Eine Anzahl von Kriegsver-brechern fand, bevor sie ausgeschleust wurden, Unterschlupf im Vatikan. Von den hohen katholischen Würdenträgern, die sich an der Fluchthilfe aktiv beteiligten, wurden be-kannt: Der argentinische Kardinal Antonio Caggiano, der französische Kardinal beim Vatikan Eugène Tisserant, der argentinische Bischof Augustin Barrére, der österrei-chische Bischof Alois Hudal, der ungarische Prälat Ference Luttor.

Die meisten der Faschisten fanden Zuflucht in Argentinien, wohin das Hitlerregime vor seinem Zusammenbruch riesige Vermögenswerte transferiert hatte. Unter Juan Peron, einem Bewunderer Hitlers und Mussolinis, der von 1946 bis 1955 als Präsident regierte, wurde das Land zu einem Eldorado für geflohene Nazi-Verbrecher. (60)

Aus 1975 in Washington nach der 50jährigen Sperrfrist freigegebene Aufzeichnungen von Beamten des Finanzministeriums (61) ging hervor, dass der Vatikan bei Kriegsende vom faschistischen Ustascha-Regime in Kroatien Gold im Werte von 250 Millionen Schweizer Franken „in Verwahrung“ genommen hatte. Das wurde durch Unterlagen des OSS belegt. Die 250 Millionen stammten aus dem Vermögen von insgesamt 350 Millionen Schweizer Franken von mehreren Hunderttausend Serben, Juden, Sinti und Roma sowie oppositionellen Kroaten, die das Ustascha-Regime von 1941 bis 1945 umgebracht hatte. 100 Millionen hatten britische Truppen an der Grenze zwischen Österreich und der Schweiz bei Kriegsende sichergestellt. Experten erinnerten sich, dass Battista Montini während der Rettungsaktionen für die Ustascha-Faschisten wohl deshalb mit dem Pavelic-Vertrauten Krunoslav Draganovic im Kloster San Girolamo in Rom extra für diese eine „kroatische Sektion“ gebildet hatte. (62)

11. Wie der Klerus der Democrazia Cristiana 1948 den Sieg bei den Parlamentswahlen sicherte

Im April 1948 fanden in Italien die ersten Parlamentswahlen nach Kriegsende statt. Bei den Kommunalwahlen im März 1946, die einen nationalen Querschnitt darstellten, hatten Kommunisten und Sozialisten, die in Aktionseinheit handelten, zirka 40 % erreicht. Bei den Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung im Juni darauf war die ISP auf 20,7, die IKP auf 18,9 % gekommen.

Zu den Parlamentswahlen traten Kommunisten und Sozialisten wieder auf einer Einheitsliste, Fronte Democratico Popolare, an. Die herrschenden Kreise der USA befürchteten einen linken Wahlsieg und entfesselten eine fanatische antikommunistische Hetze, um eine Volksfrontregierung zu verhindern. Dabei hatten IKP und ISP keineswegs die Absicht, nach einem Wahlsieg eine „linke Regierung“ zu bilden, sondern strebten zur Durchsetzung demokratischer Veränderungen nach einer Neuauflage der antifaschis-tischen Einheitsregierung.

Die antikommunistische Kampagne eröffnete der Klerus während der USA-Reise Ministerpräsident De Gasperis im Januar 1947. Am 22. Januar empfing ihn Erzbischof Flannally in Anwesenheit von Kardinal Francis Spellmann in der St. Patrick’s Cathedral von New York und erklärte: „Das Mittelmeer ist ein christliches Meer, das nicht durch den atheistischen Kommunismus mit seiner tödlichen Faust rot gefärbt werden darf.“ (63) Es war eine deutliche Drohung an den Katholiken De Gasperi, die Regierungs-zusammenarbeit mit den Kommunisten und Sozialisten zu beenden. (64) Am 22. März 1947 hielt Präsident Truman seine berüchtigte Rede, in der er die später nach ihm benannte Doktrin der „Eindämmung des Kommunismus“ verkündete. Er erklärte die USA „zum mächtigsten Land der Welt, ja zweifelsohne zum mächtigsten Land in der gesamten Menschheitsgeschichte“ und proklamierte ihr „Recht“ zur Einmischung in Staaten, die tatsächlich oder angeblich unter kommunistischem Einfluss stünden. Es war eine erneute unverhüllte Drohung auch an De Gasperi, „andere Kräfte“ auf den Plan zu rufen, wenn die DC nicht in der Lage sein sollte, mit entsprechenden Verbündeten eine Regierung mit Kommunisten und Sozialisten zu verhindern. Wie das aussehen würde, demonstrierte Washington als nächstes mit der Unterstützung der reaktionären Regierung in Athen gegen die griechische antifaschistische Befreiungsbewegung sowie der reaktionären und Rechtskräfte in der Türkei. Für die Ausschaltung der Kommunisten und Sozialisten aus der Exekutive sagte Truman den Regierungen in Rom und Paris 250 bzw. 150 Millionen Dollar zu. (65)

De Gasperi, der zunächst zögerte, beugte sich der Drohung aus Washington und provozierte am 13. Mai 1947 mit seinem Rücktritt und der Erklärung, er betrachte die derzeitige „Regierungsformel“ als nicht mehr gültig, eine Regierungskrise. Am 31. Mai stellte der wiederum als Regierungschef berufene Christdemokrat seine neue Regierung aus Christdemokraten, den Liberalen, Republikanern und Sozialdemokraten vor. Die Sozialdemokratische Partei war im Januar 1947 durch die Abspaltung des von Giuseppe Saragat angeführten rechten Flügels der ISP entstanden. Bei dem Manöver folgten Saragat 52 der 115 Abgeordneten, was es De Gasperi ermöglichte, eine Regierung ohne IKP und ISP zu bilden. Wie 1950 bei der Zerschlagung der Gewerkschaftseinheit (66) hatte die CIA auch bei der Abspaltung des Saragt-Flügels drei Jahre vorher ihre Hand im Spiel gehabt. (67) Nur durch die Vertreibung der Kommunisten und Sozialisten aus der Regierung konnte eine Einbindung Italiens wie auch der anderen westeuropäischen Staaten in das Vorherrschaftssystem der USA und 1949 der NATO-Beitritt durchgesetzt werden.

Vor dem April 1948 lief die antikommunistische Hetze auf Hochtouren an. Pius XII. rief öffentlich auf, die DC zu wählen. Durch einen Erlass des Heiligen Officiums ließ er massenweise Kommunisten und Sozialisten exkommunizieren, um von der Wahl der Arbeiterparteien abzuschrecken. Die von den USA über die CIA finanzierte klerikale Azione Cattolica trat offen für ein „nationales Bündnis“ ein, dass auch „das MSI einschließen“ müsse. (68) Sie bildete 20.000 Bürgerkomitees der katholischen Pfarrer (Comitati Civici), die in hasserfüllten Losungen verkündeten, bei der Wahl gehe es um Christ oder Antichrist, Gläubige oder Gottlose, Rom oder Moskau. Die Pfarrer schrien von den Kanzeln herab von „mongolischen Lagern im Schatten des Kolosseums“. Unter einem linken Regime sagten sie einen wirtschaftlichen Bankrott voraus, während eine christliche Regierung mit der Hilfe Amerikas rechnen könne. Der Vorsitzende der Comitati, Luigi Gedda, verteidigte den Faschismus, der „lediglich „ein Exzess groß-herziger und gesunder Ideale von Patriotismus und Autoritätsgläubigkeit“ gewesen sei. Der General der Jesuiten, Giovanni Batista Jansen, setzte sich dafür ein, die Wahlkampagne des MSI auch finanziell zu unterstützen. In den 50er Jahren kam es zu einer engen Zusammenarbeit der Azione Cattolica mit der Studentenvereinigung FUAN des MSI und anderen faschistischen Organisationen. Zu den Kontaktpartnern der Azione Cattolica gehörte der einflussreiche Agent der CIA und italienischer Geheimdienste Guido Giannettini, einer der Organisatoren des faschistischen Terroranschlags in der Mailänder Landwirtschaftsbank am 12. Dezember 1969 (16 Tote, fast 100 Verletzte), mit der die blutige Spannungsstrategie der 70er Jahre eingeleitet wurde. (69)

Bei aller Unterwerfung unter die Forderungen der USA fühlte sich De Gasperi nicht wohl in seiner Haut. Vor der Verfassungsgebenden Versammlung sprach er von bestimmten Kräften, unter deren Druck er stehe und bezeichnete sie als „vierte Partei“. (70) Er führte aus: „In Italien (gibt es) eine vierte Partei, die ohne viele Wähler auskommt, jedoch in der Lage ist, jede Anstrengung, die wir unternehmen, zu lähmen und vergeblich zu machen, indem sie die Kreditsabotage und die Kapitalflucht organisiert, die Preissteigerungen und die Skandalkampagnen. Die Erfahrung hat mich überzeugt, dass man Italien heute nicht regieren kann, ohne in der einen oder anderen Form die Repräsentanten dieser vierten Partei, die über das Geld und die ökonomische Macht verfügt, in die Regierung einzu-beziehen.“ (71)

Einer der wichtigsten Drahtzieher dieser „vierten Partei“ war Kardinal Spellmann, der eng mit der CIA zusammenwirkte. Er rief offen alle Italo-Amerikaner auf, die Christ-demokraten ihres Heimatlandes zu unterstützen und zu ihrer Wahl aufzurufen. Die italie-nische Botschaft in Washington organisierte dazu eine Briefkampagne, in der die in den USA lebenden Italiener in düstersten Farben vor der Wahl der Volksfrontliste warnten. (72) Spellmann gewann später großen Einfluss auf die Vatikanbank IOR, brachte dort den Chicagoer Pater Paul Markincus als Leiter unter und verhalf ihm zur Karriere zum Erzbischof. Auf sein Betreiben kamen auch führende P2-Leute wie Michele Sindona und Roberto Calvi mit dem IOR ins Geschäft. (73)

Ein bürgerlicher Wahlsieg wurde mit „billigen“ amerikanischen Getreidelieferungen schmackhaft gemacht. Präsident Truman sprach unverblümt von einer militärischen Inter-vention: „Wenn Freiheit und Unabhängigkeit direkt oder indirekt bedroht sind, (werden wir sie) in geeigneter Weise verteidigen“. Als Anlass galt ein Wahlsieg der Volksfront. Zahlreiche US-Kriegsschiffe in den italienischen Häfen untermauerten die Drohgebärden. (74) Im Ergebnis dieser antikommunistischen Hetzkampagne erzielte die Democrazia Cristiana, die 1946 auf 35,2 % gekommen war, am 18. April mit 48,5 % einen triumphalen Wahlsieg, den sie nie wiederholen konnte. Nach der Freigabe von Geheim-dokumenten durch die Clinton-Administration für Forschungszwecke im November 1994 wurde bekannt, dass das Pentagon „für  den Fall, dass die Kommunisten in Italien mit legalen Mitteln an die Macht kommen“ sollten, eine sofortige Intervention geplant hatte, welche die Abtrennung Sardiniens und Siziliens und die Organisation eines Guerilla-krieges einschloss. Die USA könnten „es den Kommunisten nicht gestatten, mit legalen Mitteln an die Macht zu kommen“, weil die „psychologischen Erschütterungen gewaltig wären“, hieß es. Als Alternative erwog man in Washington, „das Wahlergebnis zu fälschen“. (75)

12. Für Einheitsblock mit Faschisten gegen „rote Machtübernahme“

Der Vatikan unterstützte nach Kriegsende die reaktionären und Rechtskräfte, die auch mit der wiedergegründeten Mussolinipartei MSI paktierten. Pius XII. ließ „zur Kontrolle der innenpolitischen Entwicklung und des Kampfes gegen den Kommunismus in Italien“ im Vatikan ein Sonderbüro bilden, an dessen Spitze er Giovanbatista Montini berief. In dieses Ressort entsandte er weiter die Kardinäle Enrico Gasparri und Camilo Caccia-Domeniani, den Jesuitengeneral Padre Norberto Boynes sowie den Erzbischof von Genua, Pietro Boetto. Das Büro arbeitete eng mit dem USA-Geheimdienst zusammen. (76)

Gemäß dieser Linie förderte der Vatikan die Politik der christdemokratisch geführten Regierungen und Staatspräsidenten, die Faschisten salonfähig zu machen. 1950 empfingen Staatspräsident Luigi Einaudi und Ministerpräsident De Gasperi eine MSI-Delegation mit ihrem Sekretär Arturo Michelini an der Spitze. 1953 stützte sich die Regierung Giuseppe Pella, eines zur DC gewechselten ehemaligen Mussolini-Faschisten, auf die Stimmen des MSI, um die erforderliche Mehrheit bei der Vertrauensabstimmung zu erhalten. 1957 bediente sich die Regierung Adone Zoli und danach die von Antonio Segni der Stimmen der Faschisten. 1960 versicherte sich Fernando Tambroni, ein früherer Hauptmann der Miliz der RSI, seit 1926 Mitglied der faschistischen Partei und nunmehriger Ministerpräsident der DC, der Unterstützung seiner faschistischen Kum-pane. Als Tambronis Verhalten auf scharfe Kritik stieß, erhielt er Rückendeckung durch die Kardinäle Alfredo Ottaviani und Giuseppe Siri, auf die u. a. im Osservatore Romano ein Leitartikel zurückging, der sich für die Zusammenarbeit mit den Neofaschisten aussprach, da es sich bei ihnen um gute Katholiken handele, was bei den Sozialisten nicht der Fall sei. (77) Dementsprechend wurden später weitere zwei Bewerber der DC nur dank der faschistischen Stimmen zum Staatspräsidenten gewählt: 1962 Antonio Segni und 1972 Giovanni Leone. Der einflussreiche Kleriker Don Luigi Sturzo, 1919 Gründer der katholischen Volkspartei, rief 1952 die DC und die anderen bürgerlichen Parteien auf, zusammen mit dem MSI und den Monarchisten einen Einheitsblock gegen die „rote Machtübernahme“ zu bilden. (78) Als sich mit Beginn der 50er Jahre die Forderungen verstärkten, das MSI als Nachfolger der Mussolinipartei zu verbieten, wandten sich Vatikankreise dagegen. Die Zeitschrift der Jesuiten Civiltà Catolica verurteilte es, „die 20 Jahre Faschismus als völlig negativ zu bewerten“ und nannte das „eine Verleumdung des Vaterlandes“. (79) Die DC folgte dieser Linie. Premier Pella empfing 1953 eine Delegation der faschistischen CISNAL-Gewerkschaft, und Zoli genehmigte dem MSI, den Leichnam Mussolinis in dessen Heimatort nach Predapio zu überführen und dort in einem Ehrenhain beizusetzen. Im Ergebnis der klerikalen Unterstützung konnte das MSI bei den Parlamentswahlen 1953 seine Stimmen mit 5,8 % mehr als verdreifachen.

13. Giovanni Ventitre unterbrach die reaktionäre Tradition

Am 28. Oktober 1958 trat Angelo Giuseppe Roncali, der Sohn eines armen Vier-Hektar-Bauern aus der Po-Ebene, auf den Stuhl Petri. Er nannte sich als Papst Giovanni Ventitre (Johannes XXIII). (80) Für knapp fünf Jahre wich er als Pontifex von der Faschismus und Reaktion stützenden Traditionslinie der Kurie ab. (81)

Zur Charakteristik soll ein Aspekt seiner Haltung während der Herrschaft des Faschismus in Deutschland und Italien vorangestellt werden. Roncali, in dieser Zeit Erzbischof und Nuntius in Istanbul, machte Pius XII. auf „die Gräuel in Auschwitz“ aufmerksam. In Istanbul unterhielt er  Kontakte zu dem Emissär der Jewish Agency, Haim Barlas, von dem er umfangreiche Informationen über die in Auschwitz begangenen Verbrechen er-hielt. Sie stammten von zwei Juden, die im April 1944 aus Auschwitz fliehen konnten, und wurden später als „Protokolle von Auschwitz“ bekannt. Aus ihnen ging klar der Zweck der Lager in Auschwitz hervor – die massenhafte Vernichtung der Juden. Roncali schickte unverzüglich eine Zusammenfassung des Berichts per Telegramm nach Rom.

Das Telegramm wird in einem Briefwechsel, den der Nuntius mit Barlas führte, erwähnt, der kürzlich in dessen privaten Nachlass in Israel gefunden wurde. Unter der Überschrift „Ein ignoriertes Telegramm“ berichtete die spanische Geschichtszeitschrift Historia y Vida darüber und hielt fest, dass die bis heute verbreitete Version des Vatikans, er habe „erst im Oktober 1944“ über genauere Details über Auschwitz verfügt, eine Lüge ist. (82) Mit der lakonischen Begründung, die in den vatikanischen Archiven gelagerte Korres-pondenz Roncalis sei noch nicht „deklassifiziert“ worden, hat es der Vatikan abgelehnt, zu seinem damaligen Verschweigen der Information Stellung zu nehmen. (83)

Johannes XXIII. ging es natürlich nicht darum, den weltweiten Einfluss der katholischen Kirche abzubauen. Er wollte ihn auf realistischen Grundlagen neuen Entwicklungs-bedingungen anpassen, damit weniger anfällig machen und so stärken (84). 1959 – ein Jahr bevor in Afrika 17 Staaten die nationale Unabhängigkeit errangen und damit der völlige Zerfall des alten Kolonialsystems einsetzte, sprach er sich für die Anpassung der katholischen Kirche an den Entkolonisierungsprozess aus und sichert dem autochthonen Klerus der dritten Welt volle Gleichberechtigung zu. In der 1961 erlassenen „Mater et Magistra“ (85) erörterte er Fragen von „Christentum und sozialen Fortschritt“  und wollte eine vorsichtige Reform einiger überholter Leitsätze der von Leo XIII. verkündeten katholischen Soziallehre einleiten, welche die „unerbittliche Hütung des Privatei-gentums“ (86) postuliert hatte. Er trat natürlich nicht für dessen Beseitigung ein, setzte aber einige neue Akzente. Sein Rundschreiben ging auf die Ärmsten in den Industrienationen ebenso wie auf die noch Ärmeren in den Entwicklungsländern und den noch bestehenden Kolonien ein, sprach von ihrem Bedarf an Grundgütern, aber auch von ihrer Menschenwürde und forderte soziale Gerechtigkeit, die er als Teilnahme aller Menschen am Wohlstand definierte. Giovanni Ventitre sprach vom Recht auf Privat-eigentum im Zusammenhang mit dem Recht auf Mitbestimmung am Arbeitsplatz und den Problemen der „Vergesellschaftung“. Er gebrauchte den Begriff der „Sozialisation“ und nannte ihn „Ausdruck eines sozusagen unwiderstehlichen Strebens der menschlichen Natur; des Strebens, sich mit anderen zusammenzutun, wenn es darum geht, Güter zu erlangen, die von den einzelnen begehrt werden, jedoch die Möglichkeiten und Mittel des einzelnen überschreiten“. Das waren natürlich lediglich reformistische Gedanken, die aber zu dieser Zeit von den meisten sozialdemokratischen Parteien aufgegeben wurden. Giovanni Ventitre unterschied sich in dieser Haltung von der antikommunistischen Kreuzzugsideologie und -praxis seiner Vorgänger.

In „Mater et Magistra“ wandte er sich auch Problemen zu, die später als Nord-Süd-Konflikt zusammengefasst wurden. Die mit Reichtum und Überfluss gesättigten Staaten mahnte er, jene Völker nicht zu vergessen, die „vor Elend und Hunger fast zugrunde gehen“. Es war eine Kritik am imperialistischen System, wie sie kein Papst vor und bis heute nach ihm übte. In Italien widmete er sich der Arbeiterfürsorge, suchte den Aus-gleich mit den Sozialisten und scheute auch nicht vor Kontakten mit den Kommunisten zurück. Mit Giacomo Manzù, einem der großen Bildhauer der Welt, von dem öffentlich bekannt war, dass er als Katholik mit den Kommunisten sympathisierte, pflegte er freundschaftliche Beziehungen.

Im Oktober 1962 nahm er zur Kubakrise, welche die Gefahr des Ausbruchs eines atomaren Weltkrieges in sich barg, Stellung. Nach Rücksprachen mit Chruschtschow und Kennedy sandte er am 25. Oktober einen Friedensappell in die Welt. In seinem Todesjahr erschien seine dritte Enzyklika, „Pacem in terris“, in der er für ein Verbot der Atom-waffen und für das Ende des Wettrüstens eintrat, die Rassendiskriminierung verurteilte, sich für den Schutz von Minderheiten und die Rechte politischer Flüchtlinge einsetzte.

Seine herausragende Leistung war die Einberufung des II. Vatikanischen Konzils. Gegen den Widerstand der konservativen Kreise des Klerus, darunter der einflussreiche New Yorker Kardinal Spellmann, eröffnete er diese Versammlung der Erzbischöfe, Bischöfe und Ordensoberen aus aller Welt im Oktober 1962. Da das erste vatikanische Konzil 1870 das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit in allen Angelegenheiten des Glaubens und der Sitte dekretiert hatte, stand die Frage, welchem Ziel das einberufenen Konzil dienen sollte. Es ist überliefert, dass Giovanni, als er in seinem Arbeitszimmer danach gefragt wurde, zum Fenster ging, es öffnete und sagte: „Wir erwarten vom Konzil, dass es frische Luft hereinlässt.“ (87)

Johannes XXIII. konnte das Konzil nicht zu Ende führen. Er starb während der Versammlung am 3. Juni 1963. Seine Nachfolger Paul VI. (88) und nach ihm der polnische Papst Wojtyla (89) sorgten dafür, dass die von ihm ins Auge gefassten Reformen, wo sie nicht rückgängig gemacht wurden, stagnierten. Trotzdem hinterließ Giovanni Ventitre während der kurzen Zeit, in der er den Stuhl Petri inne hatte, Spuren des Wirkens für Frieden und Menschlichkeit, die von keinem Papst vor und nach ihm bekannt wurden.

14. Komplize der Putschloge und der Mafia

Ende der 60er, Anfang 70er Jahre gründete der Alt-Faschist aus Mussolinis Zeiten Licio Gelli im Auftrag der CIA eine „Propaganda due“ genannte Geheimloge als Führungs-zentrale zur Verhinderung eines linken Vormarsches (90) und der Installierung eines rechtsextremen Regimes. Die P2 wirkte in diesem Zusammenhang als Führungszentrum der von der CIA mit Hilfe der MSI-Faschisten und der geheimen NATO-Truppe Gladio betriebenen terroristischen Spannungsstrategie. Ihr gehörten nach unvollständigen Angaben weit über 2.500 Spitzenleute aus allen Bereichen der Gesellschaft – von Militärs, der Wirtschaft und Hochfinanz über die Legislative und Exekutive bis zu Juristen, Wissenschaftlern und Journalisten – an. Nachdem alle offen faschistisch ausgewiesene Putschversuche 1964, 1970, 1973/74 gescheitert waren, wollte die CIA mittels eines „Cólpo bianco“, eines kalten Staatsstreiches, einen als „demokratische Umgestaltung“ getarnten Umsturz herbeiführen. An die Stelle bis dahin faschistisch-militärischer Führungszentralen trat die P2, die ihre Leute in einem gefährlichen Umfang in allen Bereichen der Gesellschaft unterbrachte. Auch unter der Regie der Loge blieb, wie im Falle des Komplotts gegen Aldo Moro (91) sichtbar wurde, der Sicherheitsapparat das herausragende Instrument, das sie über den hohen Anteil an Militärs und Geheimdienstlern unter ihren Mitgliedern zum großen Teil kontrollierte und beeinflusste. Mitglieder des von Gelli angeführten Dreierdirektorium waren der Sozialistenchef Bettino Craxi und der Medientycoon und reichste Kapitalist des Landes, Silvio Berlusconi, der 1994 zum ersten Mal mit den MSI-Faschisten und Rassisten der Lega Nord eine Regierung bildete, 2001 ein weiteres Mal an die Spitze der Exekutive gelangte. Anfang der 90er kam, vor allem durch die Prozesse gegen Wirtschaftskriminalität, ans Licht, dass die P2 Korruption und Bestechung im Ausmaß von Milliarden Dollar betrieb, das Mediumimperium Berlusconis aufbaute, dessen Forza-Partei initiierte und ebenso Craxi an die Spitze der ISP hievte und ihn sogar als einen neuen „Duce“ in Reserve behielt. Während Berlusconi in über einem Dutzend Prozessen in letzter Instanz, nicht zuletzt dank ihm höriger Juristen, ungeschoren oder mit einem blauen Auge davon kam (92), wurde Craxi rechtskräftig zu insgesamt 26 Jahren Gefängnis verurteilt. Vor der Vollstreckung floh er nach Tunis, wo er im Januar 2000 verstarb.

Einhundertundneunzehn Logenmitglieder aus der Welt der Banken und Hochfinanz verdeutlichten den hohen Stellenwert dieses Sektors in den kalten Staatsstreichplänen der P2. Ihre Machtfülle verkörperten zwei der sowohl national wie international einfluss-reichsten Institute, die sie beherrschte: Der Banco Ambrosiano (BA) und der Banco Nazionale del Lavoro (BNL). In seinem Buch „Staatsgeschäfte, Affären, Skandale, Verschwörungen“ hat der führende Politologe Italiens, Professor Giorgio Galli, ausführlich dargelegt, wie der von der P2 beherrschte Banco Ambrosiano, die führende italienische Kreditanstalt, zum „Begegnungszentrum zwischen Vatikan-Finanz und den innersten Gruppierungen der sizilianisch-amerikanischen Mafia“ wurde. An Hand zweier Finanzhaie, Roberto Calvi und Michele Sindona, beide Vertrauensleute der Vatikanbank Istituto per Opere Religiose, legte Galli beweiskräftig die Komplizenschaft der Kurie mit dem organisierten Verbrechertum, insbesondere der Mafia und Korruptionsaffären der übelsten Art dar.

Zur Charakterisierung des Aufstiegs Sindonas ist zunächst eine kaum glaubhafte und in den meisten Quellen auch selten angeführte Tatsache zu erwähnen: Dass die Alliierten sich 1943 bei ihrer Landeoperation auf Sizilien und der Übernahme der Verwaltung der Hilfe der Mafia. bedienten. Indem die Militärbehörden ihren Leuten staatliche und Polizeibefugnisse übertrugen, verliehen sie ihr für längere Zeit einen Status der Legalität und verhalfen ihr obendrein zu einem antifaschistischen Etikett. So ernannte die Militär-regierung den Boss der sizilianischen Mafia, Calogero Vizzini, zum Bürgermeister seiner Heimatstadt Villalba. Er und seine Männer erhielten das Recht, mit Gewehren und Pistolen bewaffnet die öffentliche Ordnung zu sichern. Die Militärregierung stellte den früheren Chef der New Yorker Mafia, Vito Genovese, als Chef- Dolmetscher in Dienst. Er war 1936 nach einer Anklage in den USA wegen mehrfachen Mordes bei der sizilianischen Mafia untergetaucht. Don Vitone nutze seine Stellung zum Aufbau einer Organisation des Drogenhandels nach amerikanischem Vorbild. In genau dieser Zeit begann Sindona auf Sizilien sein Geschäftsleben, indem er Zigaretten und andere Waren aus Beständen der US-Army auf dem schwarzen Markt verkaufte. Später stieg er in Grundstücksspekulationen ein. 1950 war der damals 33jährige bereits Millionär. Binnen weniger Jahre wurde er einer der großen internationalen Finanzhaie und gründete sein Mafiakreisen, der P2 und dem IOR dienendes Riesenunternehmen. Es entstand, schrieben die Publizisten Paolo Panerai und Maurizio De Luca in „Europa und den USA ein Imperium ohnegleichen, mit Tausenden Verzweigungen in allen Wirtschaftsbereichen, von Banken über Finanzgesellschaften, Immobilienunternehmen und Elektronikkon-zernen bis zu Textilbetrieben und großen Hotels, darunter das berüchtigte Watergate in Washington. Sindona war Vertrauensmann des Vatikans und Teilhaber großer englischer und amerikanischer Bankiers (so den Hambro von London und der Continental Illinois Bank von Chicago) und Beherrscher der italienischen Börse“. (93) Er beriet Richard Nixon in Geschäftsangelegenheiten und unterhielt beste Kontakte zum Weißen Haus, pflegte gute Beziehungen zur CIA und ins Pentagon.

Die Sucht nach immer größeren Profiten und neuen Unternehmen, die Spekulationen mit schwindelerregenden Summen brachten dem Finanzmagnaten, der natürlich auch mächtige Widersacher hatte, 1974 den Zusammenbruch. Sein Sturz wurde im Herbst 1974 mit dem Bankrott von vier Großbanken, die ihm gehörten oder an denen er die maßgeblichen Anteile hielt, darunter die Franklin National Bank von New York, be-siegelt. Sindona floh in die USA, wo er später angeklagt und im Juni 1980 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, anschließend nach Italien ausgeliefert wurde. Hier wurde er u. a. wegen diverser Bilanzfälschungen, des Heroinhandels zwischen Italien und den USA in Höhe von 600 Millionen $ jährlich und der Anstiftung zum Mord angeklagt.

Hohe Vertreter der Politik (Ministerpräsident Andreotti), der Wirtschaft (Staatsbank-präsident Carli), und des Vatikans (die Kardinäle Caprio und Guerri sowie Ezbischof Marcinkus) versuchten vergebens, ihn zu retten. Sindona hatte gedroht, „klingende Namen“ zu nennen, wenn der Prozess gegen ihn nicht eingestellt werde. Die Omerta trat in Aktion. Vier Tage nach der Verkündung der lebenslangen Haftstrafe starb er am 22. März 1986 in seiner Zelle an einer Überdosis Zyankali. „Mi hanno avvelenato“ (sie haben mich vergiftet“) waren seine letzten überlieferten Worte. (94)

Der P2-Finanzier Robert Calvi stand als Präsident der Ambrosianobank vor, die der Loge als Zentrale der Schmiergelder, der Geldwäsche und des Absahnens diente. Als Finanz-manager des Vatikans nannte man ihn „Bankier Gottes“. Obendrein war auch er Verbin-dungsmann zur sizilianisch-amerikanischen Mafia. Der Abgeordnete und Herausgeber der römischen Repùbblica, Eugenio Scalfari, veröffentliche am 26. Juni 1982 in seiner Zeitung einen Bericht über das Beziehungsgeflecht um die P2, in dem er anführte, wie Erzbischof Markincus 1971 beauftragt wurde, die Immobilien des Vatikans in Italien zu veräußern und den Verkaufserlös ins Ausland zu schaffen. Den Verkauf schob er mit Hilfe Michele Sindonas und Roberto Calvis an und kam so mit der Mafia ins Geschäft.

Über den Vertrauensmann des Vatikans Roberto Calvi wurde die P2 Partner einer im Herzen Roms existierenden, aber von den italienischen Gesetzen unabhängigen staat-lichen Großmacht mit dem Papst als Oberhaupt von 800 Millionen Katholiken an der Spitze. Vor allem aber war sie mit einer Finanzmacht (allein ein Aktienbesitz von fünf Mrd. $) liiert, deren Instrumentarium von Börsenspekulationen über Kapitaltransfer bis zur Geldwäsche schwer durchschaubare Möglichkeiten bot. Unter die schmutzigen Geschäfte der Kurie fiel der Versuch, den italienischen Staat um 2,2 Mrd. $ Mineral-ölsteuer zu betrügen. Als der BA mit einem Verlust von über zwei Mrd. $ 1982 Bankrott machte, erhoben 120 Gläubigerbanken Forderungen gegen ihn. Unter anderem waren 700 Mio. $ spurlos verschwunden, die Calvi mittels „Patronage“-Briefen (Bürgschaften der Vatikanbank) von ausländischen Banken als Kredite erhalten hatte. Sie lagerten, wie vermutet wurde, auf Nummernkonten der P2 in der Schweiz. Gelli wurde später in der Eidgenossenschaft verhaftet, als er von einem solchen Konto abheben wollte. Während der Ermittlungen kamen zwangsläufig die Verwicklungen des Vatikans in die unge-heuerlichen Betrugsaffären ans Licht, so die dubiosen Geschäfte, welche der Präsident des IOR, Erzbischof Marcinkus, mit Michele Sindona und Roberto Calvi getätigt hatte. In einem Fall hatte das IOR vom Ferruzzi-Konzern 75 Mio. DM Schmiergelder entgegengenommen und auf Konten in Luxemburg transferiert, wo sie italienischen Politikern zur Verfügung standen. Die Summe war als Staatsanleihe deklariert worden. Der Kirchenstaat, der über sein IOR am BA beteiligt war, musste offiziell Verluste von 160 Mio. $ hinnehmen95 und darüber hinaus für seine Beteiligung an Briefkastenfirmen, die Calvi gegründet hatte, 250 Mio. $ Entschädigung zahlen.

Am 17. März 1981 wurden bei einer Untersuchung wegen Steuerhinterziehung in der Villa Wanda Licio Gellis in Gastiglione Fibocchio im toskanischen Arezzo mehr zufällig die Mitgliederlisten der P2 gefunden. Gelli setzte sich nach Südamerika ab. Sein „Bankier Gottes“ floh nach London, wo ihn bereits vier Jahre vor Sindona dessen Schicksal ereilte. Am 18. Juni 1982 wurde er unter der Black Friars-Bridge erhängt aufgefunden wurde. Niemand unter den Insidern zweifelte in Italien ernsthaft daran, dass die Mafia einen gefährlichen Mitwissen ausgeschaltet hatte.

15. Pro Deo am Mordkomplott gegen Aldo Moro  beteiligt.

In der Inszenierung der Entführung und späteren Ermordung des christdemokratischen Parteiführers Aldo Moro spielte der vatikanische Geheimdienst Pro Deo als Partner der CIA eine federführende Rolle. (96) Pro Deo wurde während des Zweiten Weltkrieges 1943/44 von dem Pater Felix Androw Morlion in enger Zusammenarbeit mit dem Chef des OSS, des Vorläufers der CIA, William Donovan, in Lissabon aufgebaut. Parallel war Morlion als Agent für das OSS, später für die CIA tätig.

Faktisch war die Bildung des Pro Deo eine Reorganisation des von Pius X. geschaffenen Geheimdienstes Sodalitium Pianum. Unter den Päpsten Benedikt XV. (97) und Pius XI. hatte der Vatikan einen umfassenden und weltweiten Spionageapparat aufgebaut. Davon ausgehend konnte Pro Deo aus der Schar der etwa 800 Millionen Katholiken in der Welt eine Vielzahl weiterer Priester, Mönche, Nonnen, Padres und Laienbedienstete in seine Bespitzelung und Verfolgung von Abtrünnigen und Andersdenkenden einbeziehen. Bevorzugtes Einsatzgebiet wurden nach 1945 die Länder des Ostblocks. Insider schätzen, dass „keiner (der Geheimdienste) soviel Geheimagenten im Einsatz (hat) wie der Vatikan. Ohne Zweifel unterhält der Vatikan den effektivsten Spionageapparat der Welt. Er verfügt über Agenten in praktisch allen Ländern, auf alle Fälle in allen Hauptstädten, auch den kleinsten.“ (98) Pro Deo steht eine schier unerschöpfliche Basis zur Verfügung. Nach einer kirchenamtlichen Statistik von 1981 gab es fast 260.000 Diözesanpriester, über 120.000 gewöhnliche Priester, etwa 560.000 Seminaristen, mehr als 200.000 Mönche und weit über 950.000 Nonnen, nicht zu reden von der unübersehbaren Schar der Laienbediensteten, sicher weit über 2,5 Millionen. (99) Eine besonders anrüchige Rolle spielen in diesem bis in die entlegendsten Dörfer reichenden Netz die Jesuiten mit ihrer spezifischen Ausbildung, rigorosen Disziplin und straffen Organisation. Aber auch die Malteserritter oder die Johanniter erwiesen sich als brauchbare Gehilfen. (100) Donovan sorgte dafür, dass Morlion 1944 die Zentrale von Pro Deo nach New York verlegte, wofür das OSS die Finanzierung seiner Operationen übernahm. Nach dem Krieg wurde der Sitz von Pro Deo dann in den Vatikan verlegt.

Wichtige Operationen des Komplotts gegen Moro wurden von einem CIA-Büro in Paris geleitet, das in einem der besten Häuser am Quai de la Tournelle untergebracht war. Die römische Repùbblica bezeichnete es als „das wichtigste Büro der CIA-Vertretung in Europa“. (101) Im selben Haus existierte ein Sprachinstitut Hyperion, dessen Gründung der langjährige Pro Deo- Chef Felix Morlion im Auftrag der CIA in die Wege geleitet hatte. Es war ein Treffpunkt linksradikaler Gruppen aus ganz Westeuropa, in welche die CIA ihre Agenten zur Unterwanderung und Manipulierung ihrer Aktivitäten einschleuste. Bevorzugtes Objekt waren die Brigate Rosse (Rote Brigaden), die für den Anschlag auf Moro benutzt wurden. Für die Beeinflussung und Steuerung der Operation gegen Moro war der Einflussagent Corrado Simoni zuständig, der am Hyperion-Institit als Professor geführt wurde. Er war ein enger Vertrauter Morlions und, wie Sergio Flamigni einschätzte, „der tatsächliche Chef der Brigate Rosse.“ (102) Die politische Ausrichtung des Sprachinstituts hinderte einflussreiche Unternehmer nicht, ihm beträchtliche finanzielle Mittel zukommen zu lassen, deren Ursprung bei der CIA vermutet wurde. So war es auch nicht, wie Giorgio Galli schrieb, verwunderlich, dass „der Polizei gut bekannte Gruppen von Extremisten in Paris dieses Institut mit wohlwollender Duldung der französischen Geheimdienste gründen konnten.“ (103)

Als Anfang 1978 die Endphase der Operation Moro näher rückte, errichtete das Hyperion eine Zweigstelle in Rom. Sie leitete ein gewisser Innocente Salvoni, der mit einer Francoise Tuscher verheiratet war. Sie war Sekretärin am Hyperion-Institut und Nichte des Abbé Pierre von Pro Deo, einem Leitungsmitglied des Hyperion. Der Abbé führte den bürgerlichen Namen Henri Maria Joseph Grouves, war Ritter der Ehrenlegion, von 1945-51 Abgeordneter der Zentrumspartei in der französischen Nationalversammlung und Mitglied des Verteidigungsausschusses. Am 16. März, dem Tag der Entführung Moros, traf Abbé Pierre selbst in Rom ein. Zum Zeitpunkt der Entführung befand sich neben einem Oberst des italienischen Geheimdienstes auch besagter Salvoni am Tatort. (104) Im Verlaufe der Untersuchung der Parlamentskommission zum „Fall Moro“ kam zur Sprache, dass Vertreter des Pro Deo am Hyperion-Institut auch „in Fragen des Gefängnisses“ Moros eine Rolle spielten. (105) So wurde nach dessen Entführung immer wieder geäußert, dass sich das Versteck, in dem der Politiker festgehalten wurde, auf exterritorialem Gebiet befinde und neben der amerikanischen und der israelischen Botschaft, die des Vatikans, darunter die Residenz des Erzbischofs Marcinkus genannt. Zumal der rekonstruierte Fluchtweg an der Residenz des Erzbischofs vorbeiführte, was auch eine dazu vorliegende Zeugenaussage bestätigte. Neben der Residenz Marcinkus´ befanden sich zwei weitere kleine Paläste des IOR. (106)

16. Wurde Johannes Paul I. ermordet ?

Am 6. August 1978 verstarb der seit 1963 auf dem Stuhl Petri sitzende Paul VI. Am 26. August wählte das Kardinalskollegium überraschend den als Sohn eines Arbeiters geborenen Albino Luciano zum Papst Johannes Paul I. (107) Seine Wahl sahen Insider als einen Regiefehler an. Denn der reaktionäre Klerus, vor allem in den USA, hatte bereits die Wahl des polnischen Kardinals Karol Wojtyla in die Wege geleitet.

Den ersten Namen Johannes nahm Luciano zur Erinnerung an Angelo Giuseppe Roncali an. Wie dieser Sohn eines Vier-Hektar-Bauern, kam auch er vom Lande, predigte Bescheidenheit und suchte die Nähe der einfachen Menschen. Als erstes schaffte er den altertümlichen Tragethron ab, in dem sich die Stellvertreter Christi seit Jahrhunderten von Menschen befördern ließen. In den Strassen jubelten die Menschen und tauften ihn „Papà Luciano“. Zunächst herrschte im Vatikan die Meinung vor, Luciano, den man auf Grund seiner sozialen Herkunft als etwas einfältig ansah, werde nicht in der Lage sein, persönlich Einfluss auf die Geschäfte der Kurie zu nehmen. Als er sich jedoch besonders einem Heiligtum, dem Geheimarchiv, widmete weckte das unter dem reaktionären Klerus ernsthafte Befürchtungen. Als die betreuende Schwester den Papst am 28. September tot auffand, wurde frühzeitig der Verdacht geäußert, er sei umgebracht worden. Vor seinen starren Augen habe die Brille gesessen, in den Händen habe er Papiere gehalten, sagte die Schwester. Die Brille sowie die Papiere verschwanden spurlos. Verwandte widersprachen der angegebenen Todesursache Herzinfarkt. Sein Bruder erklärte, Luciano sei nicht ernsthaft krank gewesen. Trotz dieser Hinweise verweigerte das Kardinalskollegium eine Obduktion. Die These vom Mordkomplott erhielt Auftrieb, als der britische Autor David Yallop sie 1984 in seinem Buch „Im Namen Gottes“ mit handfesten politischen Fakten belegte. Danach soll Johannes Paul I. dem Geflecht des Vatikans mit der faschistischen Putschloge P2, Geheimdiensten und Mafia-Kreisen auf der Spur gewesen sein. Bei den verschwundenen Papieren habe es sich um eine Liste höchster kirchlicher Würdenträger in der P2 gehandelt, darunter Erzbischof Marcinkus und um Personen, die an der Ermordung des P2-Bankiers Calvi beteiligt waren. (108) „Sein überraschend früher Tod nach nur dreiunddreißigtägiger Amtszeit zerstörte die Hoffnung aller, die eine Fortsetzung der Tradition im Sinne Johannes  XXIII. erwartet hatten.“ (109)

17. Der reaktionäre Klerus der USA bereitete Karol Wojtyla den Weg

Der Tod Papà Lucianos machte den Weg frei für den Polen Karol Wojtyla, der am 16. Oktober als erster nicht italienischer Papstes seit 455 Jahren gewählt wurde und den Namen Johannes Paul II. annahm. Der Erzbischof von Krakau war, wie bereits angeführt, bereits zwei Jahre vorher vom reaktionären katholischen Klerus der USA in Übereinstimmung mit der CIA als Nachfolger Paul VI. ins Auge gefasst worden. In ihrem Auftrag reiste der Militärbischof und Schirmherr des Malteserordens, Kardinal Terence Cooke, 1976 zur Kontaktaufnahme nach Polen und lud Wojtyla in die USA ein, wo er u.a. einen Vortrag an die Harvard University hielt. The Harvard Crimson Newspaper lancierte ihn danach am 30. Juli 1976 erstmalig als Papabili (Papst-kandidaten) in die Öffentlichkeit. Als Johannes Paul II. nahm der fanatische Anti-kommunist aktiv am Kalten Krieg gegen den sozialistischen Block teil und förderte mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln besonders die Opposition in seinem Heima-land.

Bereits im November 1978 soll es zu einem ersten Treffen zwischen Wojtyla und der CIA gekommen sein. Dem Papst wurde zugesichert, ihn regelmäßig mit nachrichten-dienstlichen Informationen zu versorgen. Im Februar 1992 berichtete die Times, dass das Oberhaupt der katholischen Kirche und Präsident Reagan bei einem Treffen am 7. Juni 1982 im Vatikan eine „Heilige Allianz“ gegen den Kommunismus schmiedeten. Bei den geheimen Absprachen sei es um das Überleben der verbotenen polnischen Gewerkschaft „Solidarnosc“ sowie darum gegangen, die sowjetische Position in Osteuropa zu schwächen. Reagan persönlich habe die Absprachen mit dem Heiligen Vater bestätigt und sie damit begründet, dass er mit Johannes Paul II. der Meinung gewesen sei, dass es ein großer Fehler war, in Jalta die Teilung Europas zu beschließen. In ihrem Buch „Seine Heiligkeit – Johannes Paul II. und die Geheimdiplomatie des Vatikans“ berichteten Carl Bernstein und Marco Politi, dass Wojtyla eine enge konspirative Zusammenarbeit vor allem mit General Vernon Walters, einem der ranghöchsten Agentenführer der USA-Geheimdienste, u. a. Organisator der blutigen Spannungsstrategie in Italien, pflegte. (110)

Die finanzielle Hilfe, die Wojtyla der Solidarnosce Leszek Walesas in Polen für die gegen das kommunistische Regime betriebene Untergrundarbeit zukommen ließ, wird auf weit über 100 Millionen $ geschätzt. (111) Bei der Solidarnosce setzten die CIA und Pro Deo einen ihrer erfahrensten Agenten Corrado Simoni ein. Im Mordkomplott gegen Moro hatte Simoni, wie bei den Untersuchungen der italienischen Parlamentskommission bekannt geworden war, als Anstifter (Einflussagent) eine entscheidende Rolle gespielt. Durch Berichte des Corriere della Sera und des Espresso wurde im März 1993 bekannt, dass Johannes Paul II. den Agenten nach erfolgreichem Einsatz in Polen fünf Monate vorher in Privataudienz empfangen hatte, begleitet von dem führenden Pro Deo-Mann Abbé Pierre. Im Gegensatz zur allgemein üblichen Praxis gab es seitens des Vatikans keinerlei Informationen über den Empfang. (112)

Auch unter Johannes Paul II. wurden wiederholt mafiose Praktiken des Vatikans publik. 1997 konnte die Kurie den der Korruption und Erpressung beschuldigten Erzbischof von Monreale bei Palermo, Salvatore Cassisa, nur durch Ausscheiden aus dem Amt und Rückberufung in den Vatikanstaat vor einer Anklage durch die italienische Justiz bewahren. Der Prälat wurde beschuldigt, einen Bauauftrag zur Restaurierung des Doms von Monreale gegen Zahlung eines „Obolus“ von 50.000 DM einer bestimmten Baufirma übertragen zu haben. In einem anderen Fall sollte er mit Hilfe zweier Landwirt-schaftsexperten rund 750.000 DM von der EG ergaunert haben. Die Inspektoren hatten falsche Angaben über den Wert einen ausgedehnten, der Kurie von Monreal gehörenden Weinberg gemacht, für dessen Vernichtung Brüssel Zuschüsse zahlte. Es war, wie die Untersuchungen erbrachten, nicht das erste Mal, dass der Erzbischof sich mit der Mafia eingelassen hatte. (113)

Es bedarf eigentlich kaum einer Erwähnung, dass die von dem Bewunderer Hitlers und Mussolinis, Silvio Berlusconi, angeführte rechtsextreme Koalition mit AN-Faschisten (114) und Lega-Rassisten (115) vom Vatikan gefördert wurde, wo immer sich dazu Gelegenheit ergab. So leistete der Papst kurz vor Weihnachten 2000 mit einem Empfang des österreichischen Neofaschistenführers Jörg Haider, der die traditionelle Weihnachts-tanne für den Petersplatz nach Rom brachte, dessen Wahlhilfe für seine Gesinnungs-freunde Berlusconi, Fini und Bossi massiv Vorschub. Der „Duce der Carinzia“ durfte als Gast des Papstes offen seine Sympathien für die AN-Faschisten und Lega-Rassisten bekunden. Während Haider von Johannes Paul II. empfangen wurde schalteten die Bewohner des römischen Ghettos am Abend den Strom ab; Demonstranten schoben eine meterhohe Plakatwand, die ausgemergelte Menschen in einem Konzentrationslager unter der Überschrift „nie wieder“ zeigte, auf die Grenze des Vatikanstaates zu. Zwei Wochen vor dem Urnengang, der am 13.Mai 2001 erfolgte, rief der römische Kardinal Ruini dann offen zur  Wahl Berlusconis auf.

Als Johannes Paul II. am 2. April 2005 starb, hatte er in seiner 26 Jahre und fünf Monate währenden Amtszeit den Aufbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils wieder gestoppt und eine Gegenreformation eingeleitet. Seine reaktionäre Wende wurde in Fragen wie Zölibat, Scheidung, Frauenpriestertum, Sexualmoral und vielen anderen sichtbar. (116) Dieser Kurs rief nicht nur in Italien Widerstand und Protest hervor. Seit Mitte der 80er Jahre häuften sich in Europa die Kirchenaustritte. 1989 verließen allein in der Bundesrepublik 93.000 Mitglieder die katholische Kirche. Nach dem Anschluss der DDR an die BRD vergrößerte ich die Zahl der Christen in Deutschland, wovon jedoch in erster Linie die protestantischen Kirchen profitierten. Sie lagen 2003 mit 25,86 Millionen Mitgliedern nur knapp unter der katholischen Kirche (26,17 Millionen). Auf zunehmende Kirchenaustritte dürfte auch die dritte Enzyklika „Centesimus annus“, die Wojtyla anlässlich des 100. Jahrestages von „Rerum novarum“ erließ, nicht ohne Einfluss gewesen sein. Knüpfte sie doch an der Verurteilung des „Sozialismus als Pest“ durch Leo XIII. an und bekräftigte nach dem Untergang der Ostblockstaaten die „Absage an jede Form des Sozialismus“. (117)

Neben dem Ruf als Reisepapst erwarb sich Wojtyla den des Selig- und Heiligsprechers. Wie die Stampa am 5. Mai 2002 berichtete, soll sogar Konrad Adenauer auf der „Warteliste“ gestanden haben. Von Wojtyla wurden 1.338 Persönlichkeiten „zur Ehre der Altäre erhoben“ und 428 heiliggesprochen. (118) Alle Päpste der letzten 400 Jahre erreichten zusammen nur etwa die Hälfte der Heiligsprechungen, die Wojtyla in etwas mehr als einem Vierteljahrhundert vornahm. Höhepunkte nicht weniger skandalöser Seligsprechungen war 1992 die des Begründers des Opus Dei, des langjährigen General-präsidenten dieses klerikalen Ordens, José Maria Escrivá de Balaguer y Alba, und 1998 die des früheren Erzbischofs von Zagreb, Kardinal Alojzije Stepinac. Balaguer war ein Verehrer Hitlers und Francos, der den Holocaust verharmloste. Mitglieder des Ordens waren an dem faschistischen Militärputsch Pinochets 1973 beteiligt und saßen anschließend in dessen Regierung. Nach der Aufdeckung der P2 brachte Opus Dei polizeilich gesuchte Putschisten, die ihm angehörten, in Sicherheit. Schon damals be-fürchteten Kritiker die Vorherrschaft des von Wojtyla geförderten Ordens im Vatikan und seinen Einfluss auf die Auswahl der Papabili für die Wahl des nächsten Papstes. (119)

Stepinac hatte ein jugoslawisches Gericht 1946 wegen Kollaboration mit dem faschistischen Ustascha-Regime zu 16 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, die später in Hausarrest umgewandelt wurde. Dem kroatischen Faschismus waren von 1941 bis 1945 mehr als 100.000 Serben, Juden und Zigeuner zum Opfer gefallen. Unter dem reaktionären Tudjman-Regime Kroatiens wurde Stepinac als Nationalheld und Wider-standskämpfer gegen den Kommunismus verherrlicht. Mit der Seligsprechung des letzten österreichischen Monarchen Kaiser Karl I. im Oktober 2004 rief Johannes Paul II. den Unwillen besonders vieler Italiener hervor. Nicht nur, weil es sich um den letzten Re-präsentanten der einstigen Habsburger Fremdherrschaft über Italien handelte, sondern weil dieser auch im Ersten Weltkrieg die schreckliche Schlacht an der österreichisch-italienischen Front am Isonzo befehligt und dabei Giftgas eingesetzt hatte. Eine Million Soldaten fanden den Tod, Hunderttausende Italiener ergriffen die Flucht.

Gelegentlich versuchte Wojtyla bei seinen Erhebungen „Ausgewogenheit“ zu demonstrieren. So als er die in Auschwitz ermordete deutsche Jüdin Edith Stein, eine Philosophin und Bürgerrechtlerin, die zur Ordensfrau Teresa Benedicta Cruce, die vom Kreuz Gesegnete, wurde, im Oktober 1998 heilig sprach. Damit schlug der Papst jedoch, wie Uta Ranke-Heinemann einschätzte, den Juden ins Gesicht, da „Edith Stein, die persönlich jeden Respekt und jedes Mitgefühl verdient,  (…) ein verirrtes ind verwirrtes Opfer zwei Jahrtausende alter katholischer antijudaistischer Demagogie war, wenn sie z.B. über die Reichspogromnacht von 1938 sagte: ‚Das ist die Erfüllung des Fluches, den mein Volk auf sich herabgerufen hat’. Ihren eigenen Tod sah sie gemäß der gleichen Judendiffamierung als ‚Sühne für den Unglauben’ ihres Volkes an.“ (120)

18. Übertrifft Benedikt XVI. seinen Vorgänger? (121)

Am 19. April 2005 abends stieg weißer Rauch aus der sixtinischen Kapelle (122) und die Glocken des Petersdomes läuteten „Habemus Papem“, wir haben einen Papst. Nach nur 26 Stunden Konklave war der deutsche Kardinal Josef Ratzinger, Jahrgang 1927, allgemein als die „graue Eminenz“ des Vatikans bekannt, im vierten Wahlgang von 115 Kardinälen zum 265. Papst der katholischen Kirchengeschichte gewählt worden. (123)

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, so Vatikan-Experten, war die Wahl Ratzingers, der als bevorzugter Papabile des verstorbenen Pontifex galt, erwartet worden. Fast alle Kardinäle im Konklave waren von Wojtyla ausgewählt worden. Er war dafür bekannt, dass er nur seine Linie bedingungslos unterstützende Konservative in diesen Rang erhob. In Ratzinger vor allem hatte Johannes Paul II. den Nachfolger gesehen, der seine Linie vorbehaltlos fortsetzen werde.

Mit dem aus Oberbayern stammenden Kardinal nahm nach rund 500 Jahren wieder ein Deutscher auf dem Stuhl Petri Platz. „Wir sind Papst“ jubelte die Bildzeitung am Tag nach der Wahl. Er nahm den Namen Benedikt XVI. an. (124) Der neue Pontifex war 1981 zum Präfekten der Glaubenskongregation, der ältesten und zugleich wichtigsten der neun Kongregationen (Ministerien) der Kurie ernannt worden. Wenn die Liberazione in ihrer Headline titelte: „Es ist ein reaktionärer und unnachgiebiger Papst gewählt worden“, dann stand dafür, dass Ratzinger an der Spitze der Nachfolgeorganisation der Inquisition unerbittlich über den „rechten Glauben“ gewacht, u.a. den fanatischen Antikommunismus ohne Abstriche vertreten, kompromisslos die sogenannte Theologie der Befreiung be-kämpft und in den Fragen, die mit der Homosexualität begannen, über die Unan-tastbarkeit der Ehe führten und bei der klerikalen Moral und Ethik endeten, bedingungs-los hinter seinem Vorgänger gestanden hatte.

Bereits mit seiner ersten, Anfang 2006 veröffentlichten Enzyklika „Deus caritas est“ reihte er sich, wie der FAZ zu entnehmen war, in die Kette der Sozialenzykliken seit Leo XIII. ein“. Er postulierte: Der Traum, durch ´“Vergesellschaftung der Produktionsmittel“ werde „plötzlich alles anders und besser werden“, sei zerronnen. Die katholische Soziallehre habe über den Marxismus gesiegt. Wenn Ratzinger feststellte, dass die Soziallehre in der Welt von heute zu „einer grundlegenden Wegweisung“ nicht nur für die Kirche geworden sei, dann bekräftigte das, auch wenn es so nicht eindeutig wiederholt wurde, die Erneuerung der Verdammung des Sozialismus als „Pest“ und die „Wegweisung“, wie der Staat gegen ihn vorzugehen habe. (125)

In einer Studie „Hannibal ante Portas“ hat Hans Heinz Holz in der jungen Welt vom 22./23. Oktober 2007 überzeugend das von „Härte und Rückschrittlichkeit“ geprägte Konzept Benedikt XVI. analysiert und gewarnt, auf die „leutselige Art“, mit der es vorgetragen wird, hereinzufallen. (126) Holz verweist einleitend auf „die Kompromisse der Kirche mit dem Faschismus – die durch Konkordate abgesicherte Unterstützung der Mussolini, Hitler, Franco, des offenen Faschismus der Kardinäle in Osteuropa, Stepanic in Jugoslawien, Mindszenty in Ungarn“. An Hand der bisherigen Verlautbarungen des deutschen Papstes weist Holz nach, dass dieser mit seinen aufeinander folgenden Attacken „eine generalstabsmäßig geplante Offensive gegen jede Modernisierung der alleinseligmachenden Kirche in einer pluralen Welt einleitet.“ In diesem Kontext ist es, wie Holz ausführt, „wohlüberlegt, wenn er die 2. Koran-Sure falsch zitiert; ist es wohlüberlegt, wenn er dem nicht-katholischen ‚Ungläubigen’ eine Perversion der Humanität vorwirft.“

Aber nicht nur gegen die nichtkatholischen „Ungläubigen“ richten sich Benedikts Attacken. Sein Bannstrahl zielt auf alle außerhalb seiner Kirche stehenden Christen. Er spricht den Protestanten das Existenzrecht ab „eine kirchliche Gemeinde in der Christenheit zu sein“ und degradiert „sie sozusagen zu religiösen Freibeutern“. Holz geht weiter und führt präzise aus: „Überhaupt haben für Ratzinger Menschen, die sich aus dem durch die katholische Kirche gestifteten ‚Zusammenhang der sittlichen Ordnung der Menschen verabschieden’, ihr Menschsein verloren und ihre Wissenschaft werde ‚patho-logisch und lebensgefährlich’. (127) Man muss solche Aussagen, die dicht an die Ideologie von ‚Unmenschen’ oder ‚Untermenschen’ herankommen, wenn sie auch diese Vokabeln klug vermeiden, im Kontext von Ratzingers theologischem Konzept lesen.“

Von da führt, auch wenn das nicht ausgesprochen wird, der Weg direkt zurück zu Leo XIII., der in „Rerum Novarum“ jede „Form des  Sozialismus“ als „Pest“ brandmarkte, vom Staat forderte, die sozialistischen Organisationen als „außerhalb des Gesetzes stehend“ zu erklären, ihre Bildung „zu verhindern oder, falls sie schon bestehen, sie aufzulösen“ und „nicht zu zögern, mit starker Hand zuzufassen“, wenn die Massen sich von üblen Doktrinen hinreißen lassen“. (128)

Die Seligsprechung von 498 der Kreuzritter Francos eine Woche nach dem Erscheinen der Holz´schen Studie stellte einen weiteren Angriff Benedikt XVI. dar, der genau ausdrückt, um was es diesem Papst vor allem geht. Um die Rehabilitierung des Bündnisses von Faschismus und katholischer Kirche, wie es auch während der Niederschlagung der Volksfrontregierungen praktiziert wurde. Zur Volksfront gehörten als „außerhalb des Gesetzes stehend“ erklärte Sozialisten und Kommunisten, welche die „Pest“ verkörperten, sowie Gewerkschafter und Republikaner, die sich mit ihnen zusammenschlossen. Gegen sie, die sich nach Ratzinger aus dem durch die katholische Kirche gestifteten „Zusammenhang der sittlichen Ordnung der Menschen verab-chiedeten“, die ihr Menschsein verloren und so „pathologisch und lebensgefährlich“ geworden waren, hatte das durch Franco und die Putschisten verkörperte Regime „mit starker Hand“ zugefasst. Die „Besten“ unter den Katholiken, die nach Pius XII. als Gottes „wichtigste Diener“ eines „uneinnehmbaren Bollwerks des katholischen Glaubens“ handelten und im „Namen der „ewigen Werte der Religion“ den „Anhängern des materialistischen Atheismus“, an der Seite Francos entgegentraten, indem sie dessen Regime des Massenmordes und des Terrors mitmachten, haben also gemäß der Konzeption von Benedikt XVI. mit der Seligsprechung die vor der Heiligsprechung höchste Ehrung, die der Papst zu vergeben hat, verdientermaßen erhalten. So ist es denn auch so abwegig nicht, wenn Werner René Schwab in Ossietzky fragt: „Wann wird Franco heiliggesprochen?“. (129) Ehrte Karol Wojtyla doch auch den Begründer und langjährigen Generalpräsidenten des Opus Dei, José Maria Escrivá de Balaguer y Alba, und den früheren Erzbischof von Zagreb, Kardinal Alojzije Stepinac, mit der Seligsprechung. Benedikt XVI. hat ganz offensichtlich vor, seinen Vorgänger im reaktionären Charakter, in der Faschistenfreundlichkeit und vor allem im menschen-feindlichen Vorgehen noch zu übertreffen.

Der Akt der Seligsprechung war nicht nur der bisher zahlenmäßig größte in der Geschichte der Kurie, sondern ihm kommt auch eine aktuelle Stoßrichtung zu. Die linke spanische Regierungskoalition beabsichtigt, per Gesetz die Verbrechen unter dem Franco-Regime zu verurteilen und den noch lebenden Opfern eine geringfügige Wiedergutmachung zu gewähren.

Vor Redaktionsschluss dieses Heftes (130) erschien am 30. November die zweite Enzyklika „Spe salvi“ Benedikts XVI., auf die hier unter zwei Aspekten kurz einge-gangen wird. Der Papst schreibt darin das Thema des Sozialismus unter einigen keines-wegs neuen Gesichtspunkten fort. (131) Nachdem sein Chefhistoriker, Walter Brandmüller, „das Urteil gegen Galilei in Ordnung“ fand und die Inquisition als „rationelle Veranstaltung“ verteidigte, (132) Benedikt selbst sich ohne substanzielle Abstriche zur Sozialenzyklika „Rerum Novarum“ Leos XIII. und dessen Verdammung des Sozialismus bekannt sowie Pius’ XII. Würdigung des Mordterror Francos und seiner katholischen Verbündeten mit seinen Seligsprechungen gutgeheißen hat, kann der Professor und brillante Kirchentheoretiker mit einem „moderaten“ Ansatz vorgehen. Dennoch, weder seine Herausstellung des „großen analytischen Vermögens“ von Friedrich Engels und die Erwähnung, dass er und Karl Marx aufzeigten, wie der „Umsturz zu bewerkstelligen ist“, oder dass es eine „Revolution“ gab, am radikalsten in Russland, können darüber hinwegtäuschen, dass die vorherigen Verurteilungen, wie die Neue Zürcher Zeitung am 2. Dezember hervorhob, bekräftigt werden, Marx, Engels und Lenin gescheitert seien, der Sozialismus ein und für alle Male von der Bildfläche verschwunden sei.

Dem folgt die Warnung vor dem noch immer existierenden Traum so vieler Menschen vom „Himmelreich auf Erden“, auf den schon Heinrich Heine einging, und das Postulat, dass das ein nicht zu erfüllender Traum bleibt, dass es „nie das endgültig eingerichtete Reich des Guten in dieser Welt geben“ wird, demzufolge trotz aller technischen Fortschritte und allen Reichtums „nicht die Wirtschaft den Menschen“ erlöst, „das Leiden (zur) menschlichen Existenz gehört, das man nicht aus der Welt schaffen kann“ und diverse bekannte Sprüche, die nichts anderes besagen, als dass die Menschen die von Gott gegebene Welt des Kapitals in Demut hinzunehmen und nur auf das „Reich Gottes“ zu hoffen haben. Nicht zuletzt belegt aber auch diese Enzyklika, dass die katholische Kirche sich weiter mit dem wieder und wieder tot gesagten Marx und dem weltweiten Einfluss seiner Lehren – offensichtlich auch auf Menschen christlichen Glaubens – auseinandersetzen muss.

Noch zu einem weiteren Aspekt der Enzyklika. Nachdem der Papst Protestanten, von anderen Freikirchen nicht zu reden, dass Existenzrecht in „einer kirchlichen Gemeinde in der Christenheit“ abgesprochen hat, versucht er nun eine Brücke zur Ostkirche zu schlagen und appelliert zum „Zusammenfinden mit den Orthodoxen“. Das wurde bereits mit dem Tag der Verkündung der Enzyklika am 30. November demonstriert. Es ist der Tag des heiligen Andreas, den die Ostkirche als Apostel feiert. Am selben Tag beging eine päpstliche Delegation unter Leitung des für Ökumene zuständigen Kardinals Walter Kasper mit dem Patriarchen von Konstantinopel (Istanbul), Bartholomaios, das Andreas-fest und überbrachte die Grüße Benedikt XVI. Die Ziele sind unschwer zu erkennen. Nach der Niederlage des Sozialismus in Europa ist die Rolle der russischen (als der überhaupt einflussreichsten), der bulgarischen und der rumänischen orthodoxen Kirche im Prozess der kapitalistischen Restauration der Gesellschaft gewachsen. Im Vorderen Orient ist das Gewicht der Sonderkirchen wie der Kopten (in Ägypten z. B. über eine Million), der Nestorianer u. a. zu sehen. Wenn Benedikt XVI. vom „Zusammenfinden“ mit den orthodoxen Kirchen spricht, dann dürfte er es ihm u.a. darum gehen, den Widerstand gegen die kapitalistische Restauration in Osteuropa wo nicht zu brechen, zu schwächen, um die konterrevolutionären Kräfte mit dem Ziel zu stärken, diese Ent-wicklung unumkehrbar zu machen. Im Nahen und Mittleren Osten geht es ähnlich darum, die reaktionären Kräfte zu unterstützen, um progressiven Entwicklungen entgegen-zuwirken und u.a. ein Gegengewicht zum Islam zu schaffen. Dem entsprach, wenn Kar-dinal Kasper in Istanbul davon sprach: Christen müssen sich mehr einmischen.“

Die versöhnlichen Gesten gegenüber der Ostkirche können nicht darüber hin-wegtäuschen, dass es der Papstkirche unverändert darum geht, in diesem Prozess zumindest die Vorherrschaft zu erringen. Davon zeugte ein in der Öffentlichkeit viel-beachteter Vorgang, die Bekanntgabe der Eröffnung einer offiziellen Vertretung des Opus Dei in Moskau unmittelbar nach der Verkündung von „Spe salvi“. Ihr künftiger Leiter, Jose-Antonio Senovilla, hob ausdrücklich hervor, dass die Mission im Auftrag des Papstes ihre Arbeit aufnimmt. Opus Dei konnte seine Aktivitäten im Rahmen der Konterrevolution noch unter Gorbatschow und mit dessen Duldung bereits 1990 in der Sowjetunion aufnehmen. (133) Ein Schwerpunkt seiner jetzt auf höherer Stufe beginnenden offiziellen Tätigkeit werden theologische Seminare sein, die sich nicht nur auf die Katholiken Russlands orientieren, sondern ebenso auf die 75 Millionen orthodoxer Christen des größten Landes der Erde. Der Moskauer Opus Dei-Chef betonte, dass man dabei auf die „moralische Hilfe des Westens“ setze. (134)

Gerhard Feldbauer, Poppenhausen

Anhang

1. Lateinisch/griechische Termini der katholischen Kirche

Annuario Pontificio, Päpstliches Jahrbuch

Deus caritas est, Gott ist die Liebe, Enzyklika Benedikt XVI.

Diözese, kirchliche Gliederung, das vom Bischof betreute Territorium, aufgeteilt in Dekanate, zu denen jeweils eine Anzahl Pfarreien gehört. Diözesen werden vom Papst eingerichtet.

Enzyklika, Allgemeiner Rundbrief des Papstes.

Generalvikar, Generalvikariat, Stellvertreter des Bischofs in der Verwaltung der Diözese, wird vom Bischof ernannt und abgelöst. Zum Generalvikariat gehören die Mitarbeiter des Generalvikars.

Heiliges Officium, 1542 errichtete höchste Institution der Kurie zur Einhaltung der Glaubens- und Sittenlehre, Inquisitionsbehörde, die alle Verfehlungen gegen den Glauben verfolgte, den Index librorum prohibitorum, die Liste der verbotenen, Bücher erstellte.

Heiligsprechung, Kanonisation, seit 1234 vom Papst nach einem kirchenrechtlichen Verfahren vollzogene Erklärung, nach der ein zuvor selig gesprochener unter die Hei-ligen aufgenommen wird.

Index librorum prohibitorum, die Liste der verbotenen, Bücher.

IOR, Istituto per l´Opere religiose (Institut für religiöse Werke), Bank des Vatikans.

Mater et Magistra, Mutter und Lehrmeisterin, Enzyklika Johannes XXIII.

Motu proprio, Aus eigenem Antrieb, aus eigener Initiative vom Papst herausgegebener Erlass zu kirchenrechtlichen Fragen.

Neuscholastik, philosophisch-theologische Linie der Kurie des 19. Jahrhunderts zur Neu- bzw. Wiederbelebung der mittelalterlichen Scholastik, der Theologie, welche den Glau-ben über das Wissen stellte.

Nuntius, Bote, Apostolischer Nuntius, diplomatischer Vertreter (vergleichsweise Botschafter) des Heiligen Stuhls in einem Staat mit dem der Vatikan diplomatische Beziehungen unterhält. Streng genommen führt den Titel nur der Vertreter des Papstes, dem im Diplomatischen Korps die Ehrenstellung Doyen (Sprecher des diplomatischen Korps, die für gewöhnlich der dienstälteste Botschafter innehat) zuerkannt wird.

Ökumene, Gesamtheit der christlichen Kirchen, besonders der im Ökumenischen Rat zusammengeschlossenen.

Opus Dei, Werk Gottes.

Osservatore Romano, 1861 gegründete Zeitung des Vatikans.

Ostkirche, morgenländische (orientalische) orthodoxe Kirche, die Kirchen Osteuropas und des Vorderen Orients, die sich Ende des Ersten Jahrtausends in Organisation, Lehre und Kult entwickelten und sich 1054 endgültig von der römisch-katholischen Kirche trennten, erstes Schisma (Spaltung der Kircheneinheit). Die zweite Spaltung innerhalb der römisch-katholischen Kirche erfolgte während der Zeit der Gegenpäpste in Avignon (1378-1417).

Pacem in terris, Friede auf Erden, Enzyklika Johannes XXIII.

Pascendis dominici gregis, die Herde des Herrn weiden, Enzyklika Pius X. von 1907, welche die „Irrlehren“ der Modernisten verdammte.

Prälat, der Vorgezogene, Bezeichnung für hohe Amtsträger der katholischen Kirche, auch als geistlicher Ehrentitel üblich.

Pro Deo, 1943/44 in Lissabon gebildeter Geheimdienst des Vatikans.

Quadragesimo Anno, Im vierzigsten Jahr, Enzyklika Pius XI. zum 40. Jahrestag des Erscheinens von Rerum Novarum.

Quanta cura, Ezyklika Pius IX., welche die Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes verkündete. Beigefügt war der Syllabus errorum.

Qui pluribus, in brennender Sorge, Antrittsenzyklika Pius IX.

Rerum Novarum, Zu den neuen Dingen, Enzyklika Leo XIII., Grundlage der katholischen Soziallehre.

Seligsprechung, Beatifikation, päpstliche Erklärung, dass ein verstorbenes Glied der Kirche von Gott in den Kreis der Seligen (beati) aufgenommen wird. Die Seligsprechung ist nach katholischem Kirchenrecht die Vorstufe der Heiligsprechung durch den Papst. Beide Akte sind erst nach dem Tode möglich.

Sodalitium Pianum, Unter Pius X. geschaffener Geheimdienst des Vatikans, zunächst  zur Verfolgung der Modernisten.

Spe salvi, Über die christliche Hoffnung, 2. Enzyklika Benedikt XVI. vom 30. November  2007.

Syllabus Errorum, vom Papst herausgegebenes Verzeichnis von Anschauungen und Lehren, die von der Katholischen Kirche als „Irrtümer“ verworfen wurden. Den ersten Syllabus erließ Pius IX. 1864 mit der Enzyklika Quanta Cura, einer Zusammenstellung von „80 Zeitirrtümern“, besonders aus den Bereichen Politik und (Natur)Wissenschaft, die als häretisch verworfen wurden. Dabei wurden theologische „Irrlehren“ in gleicher Weise verurteilt, wie die Forderungen nach Pressefreiheit oder nach Abschaffung des Kirchenstaates.

Ultramontanismus, ultramontanus, „jenseits der Berge“ (der Alpen), Bezeichnung für einen besonders papsttreuen politischen Katholizismus des 19. Jahrhundert.

Vaticanum, Vatikanisches Konzil.

2. Ausgewählte Literatur

Aberrigoyen, Inaki: Sieben Monate und sieben Tage in Franco-Spanien. Luzern 1939.

Alf, Sophie G.: Leitfaden Italien. Vom antifaschistischen Kampf zum Historischen Kompromiss. Berlin 1977.

Barbieri, Daniele: Agenda néra. Trent´anni di Neofascismo in Italia. Rom 1976.

Battaglia, Roberto: Storia della Resistenza, Turin 1964.

Battaglia, Roberto; Garritano, Giuseppe: Der italienische Widerstandskampf 1943-1945. Berlin* 1970. (135)

Brenner, Hans-Peter: Vatikan: Komplize bei Francos und Hitlers Morden. Der spanische Klerus segnete den Massenmord an Katholiken und katholischen Priestern ab. Unsere Zeit, 23. Nov. 2007.

Candeloro, Giorgio: Storia dell´Italia moderno, Bd. 10. La seconda Guerra mondiale, il Crollo del Fascismo, la Resistenza (1939-1945).

Carmin, E. R.: Das schwarze Reich. Geheimgesellschaften und Politik im 20. Jahrhundert. München 2000.

Giorni della Storia d´Italia. Dal Risorgimento a Oggi (1815-1996). Novara 1997.

Cipriano, Antonio e Gianni: Sovranità limitata. Storia dell´eversione atlantica in Italia. Rom 1991.

De Felice, Renzo: Mussolini il Duce. I. Gli Anni del Consenso 1929-1936, Turin 1974.

Del Boca, Angelo:

– Gli Italiani in Africa Orientale, Bd. I., La Conquista del Impero. Roma/Bari 1979.

– Le Guerre coloniali del Fascismo, Roma/Bari 1991.

Deschner, Karlheinz: Abermals krähte der Hahn. Stuttgart 1962.

Elliott, Lawrence: Johannes XXIII. Freiburg 1974.

Engelmann, Bernt: Schwarzbuch. Göttingen 1990.

Faenza, Roberto; Fini, Marco: Gli Americani in Italia. Mailand 1976.

Feldbauer, Gerhard:

– Von Mussolini bis Fini. Die extreme Rechte in Italien. Berlin 1996.

– Agenten, Terror, Staatskomplott. Der Mord an Aldo Moro, Rote Brigaden und CIA. Köln 2000.

– Marsch auf Rom. Faschismus und Antifaschismus in Italien. Köln 2002.

– Mussolinis Überfall auf Äthiopien. Eine Aggression am Vorabend des Zweiten Weltkrieges. Bonn 2006.

Ferrera, Marcella e Maurizio: Cronache di vita Italiana 1944-1958 Rom 1960.

Flamigni, Sergio:

– La tela del Ragno. Il delitto Moro. Mailand 1993.

– Il Covo di Stato. Via gradoli 96 e il Delitto Moro. Mailand 1999.

Flamini, Roland: Papst, Premier, Präsident. New York 1985.

Galli, Giorgio:

– Il Partito armato. Gli “Anni di Piombe” in Italia. Mailand 1993.

– Staatsgeschäfte. Affären. Skandale. Verschwörungen. Hamburg 1994.

Gerosa, Guido: Il Caso Kappler. Dalle Ardeatine a Soltau. Mailand 1977.

Goni, Uki: Odessa. Fluchthilfe für NS-Kriegsverbrecher. Berlin/Hamburg 2006.

Hehl, Ullrich von: Bischof Berning und das Bistum Osnabrück im Dritten Reich. Osnabrück 1980.

Hertel, Peter: Geheimnisse des Opus Dei, Freiburg 1995.

Hobsbawm, Eric: Das Zeitalter der Extreme. Frankfurt/Main 2004.

Krims, Adalbert: Karol Wojtyla – Papst und Politik, Köln 1986.

Kühner, Hans: Lexikon der Päpste. Zürich 1977.

Lo Bello, Nino: Vatikan im Zweilicht. Die unheiligen Geschäfte des Kirchenstaates. München 1990.

Mosley, Ray: Zwischen Hitler und Mussolini. Das  Doppelleben des Grafen Ciano. Berlin 1998.

Palla, Marco: Mussolini e il Faschismo. Florenz 1993.

Panerai, Paolo; De Luca, Maurizio: Il Crack, Sindona, La DC, Il Vaticano e gli altri amici. Mailand 1977.

Passelecq, Georges; Suchecky, Bernhard: Die unterschlagene Enzyklika. Der Vatikan und die Judenverfolg. München/Wien 1997.

Pfeifer, Heinz: Brüder des Schattens. Zürich 1981.

Poggiali, Ciro: Appunti segreti dell Inviato del Corriere della Sera. Mailand 1971.

Ratzinger, Joseph. Werte in Zeiten des Umbruchs. Freiburg/Br. 2005.

Schneider, Gabriele: Mussolini in Afrika. Die faschistische Rassenpolitik in den italienischen Kolonien 1936-1941. Köln 2000.

Silone, Ignazio: Der Faschismus. Frankfurt a. M. 1984 (Reprint der Erstausgabe von 1934).

Steigleder, Klaus: Das Opus Deí. München 1996.

Stübler, Dietmar: Geschichte Italiens. 1789 bis zur Gegenwart. Berlin 1987.

Tasca, Angelo: Glauben, gehorchen, kämpfen. Der Aufstieg des Faschismus in Italien. Wien, o. J.  (Promedia).

Teppich, Fritz; Fecht, Tom: Spaniens Himmel. Volksfront und Internationale Brigaden gegen den Faschismus. Berlin 1996.

Togliatti, Palmiro: Die Vorbereitung des imperialistischen Krieges und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale. In: Pieck, Wilhelm; Dimitroff, Georgi; Togliatti, Palmiro: Die Offensive des Faschismus. Referate auf dem VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale. Berlin* 1960.

Tosches, Nik: Geschäfte mit dem Vatikan. München 1989.

Weyland, Uli: Strafsache Vatikan. München 1994.

Yallop, David A.: Im Namen Gottes, München 1984.

3. Anmerkungen:

  1. Teppich/Fecht, S. 49 ff.
  2. Die Wehrmacht, Sonderheft, Mai 1939.
  3. Tepich/Fecht, S. 60.
  4. Ebd., S. 64,  77; Giorni, S. 465; Feldbauer 2006, S. 66 bis 76.
  5. Papst von 1922 bis 1939.
  6. Deschner,  S. 584.
  7. Ausgabe vom 2. Jan. 1937, zit. in Brenner.
  8. Foto in Teppich/Fecht,  S. 40.
  9. Ebd., S. 52 ff.
  10. Wiedergegeben in: Ebd., S. 19.
  11. Deschner, S. 582.
  12. Aberrigoyen, aus dem Vorwort von Maximilia Helffert, S. II. Wiedergegeben in Brenner.
  13. Ebd., S. 63.
  14. Der Spanischen Republik kamen etwa 40.000 bis 50.000 Antifaschisten aus 54 Ländern zu Hilfe, von denen die meisten in den Internationalen Brigaden kämpften. Darunter befanden sich  etwa 10.000 Franzosen, 5.000 Deutsche und Österreicher, 3.354 Italiener und 2.800 Nordamerikaner und Kanadier. Mehr als die Hälfte der Interbrigadisten ist gefallen, darunter 3.000 Deutsche und Österreicher. Auf Beschluss des sogenannten Nichteinmischungskomitees, das sich in Wahrheit zugunsten Francos und seiner deutschen und italienischen Verbündeten einmischte, wurden die Internationalen Brigaden dem von der Regierung der Spanischen Republik akzeptierten Beschluss  entsprechend im Sommer 1939 aufgelöst.
  15. Hobsbawm, S. 207. Zit. von Brenner.
  16. Teppich/Fecht, S. 91 f.
  17. Papst von 1939 bis 1958.
  18. Stübler, S. 156.
  19. Papst von 1846 bis 1878.
  20. Giorni, S. 165.
  21. Papst von 1878 bis 1903
  22. Zit. in: Silone, S. 242 f.
  23. Ebd., S. 233 ff.
  24. Papst von 1903 bis 1914.
  25. Giorni, S. 326 f.
  26. Silone, S. 238.
  27. Yallop, S. 24 f.; Kühner, S. 370 ff.
  28. Papst von 1922 bis 1939.
  29. Tasca, S. 336.
  30. Verband der Großindustriellen.
  31. Obwohl die 1861 gegründete Zeitung, die als halbamtliches Blatt des Vatikans ausgegeben wird, und der Vatikan gelegentlich erklären, die Tageszeitung sei kein offizielles Organ, ist sie das persönliche Sprachrohr der Päpste, das in über 100 Ländern vertrieben wird. Besonders Johannes Paul II. unterwarf das Blatt einer rigorosen Aufsicht. Er kontrollierte die Schlagzeilen auf der ersten Seite, schrieb sie um, auch wenn sie bereits gesetzt waren, und ließ sich die Druckfahnen seiner Reden vorlegen. Lo Bello, S. 156 ff.
  32. Stübler, S. 124 ff.
  33. Palla, S. 60.
  34. Giorni, S. 427.
  35. Engelmann, S. 56 f.
  36. Silone, S. 247.
  37. Togliatti, S. 215.
  38. Ausführlich Feldbauer 2006, S. 49 bis 64.
  39. Gegen die äthiopische Armee wurde das Yperit vor allem in tödlichen Dosierungen angewendet. Auch darunter liegende Dosierungen mussten  in der Regel zum Tod führen, da die Äthiopier weder über Schutzmaßnahmen verfügten, noch Behandlungsmethoden kannten.
  40. Del Boca, 1991, S. 232 ff. Den Ausführungen ist zu entnehmen, dass die Angaben offensichtlich unvollständig sind, denn es heißt, „allein zwischen …
  41. Schneider,  S. 143
  42. Giorni,  S. 459.
  43. Poggiali, 182. Es handelt sich um den Bericht des Korrespondenten des Corriere della Séra, den dieser erst 1971 veröffentlichte.
  44. Del Bocca 1979,  96 ff.
  45. Giorni, S. 439.
  46. Passelecq/Suchecky, passim.
  47. Die erst unter Johannes XXIII. vom Zweiten Vatikanischen Konzil aufgehoben wurde.
  48. Hehl, S. 83-104.
  49. Papst von 1939 bis 1958.
  50. Johannes XXIII. (Papst von 1958 bis 1963) erwähnte anlässlich einer Rede zum 20. Todestag Pius XI. die unveröffentlichte Enzyklika und zitierte aus dessen unvollendetem Redemanuskript. Siehe Beitrag des Autors, Die unterschlagene Enzyklika. Papst Pius  XI. und der Faschismus. ND, 11. Juli 1997.
  51. Battaglia/Garritano,  15.
  52. Candeloro, Bd. 10,  S. 162 ff.;  Mosley, S. 182 ff.
  53. Ciano fiel als Einziger der Palast-Verschwörer nach der Installation des Marionettenregimes Repùbblica Sociale Italiano (RSI), kurz nach ihrem Sitz am Gardasee Salò-Republik genannt, Mussolini in die Hände, wurde zum Tode verurteilt und am 11. Januar 1944 hingerichtet.
  54. Papst von 1963 bis 1978.
  55. JW, 5. Dez. 2006.
  56. Faenza/Fini, S. 7 ff.
  57. Benedikt XVI. gehört heute dem Malteser Hilfsdienst an.
  58. Pfeifer, S. 227 ff.
  59. Gerosa, passim.
  60. Goni, passim.
  61. Die Brisanz der Dokumente war offensichtlich übersehen worden.
  62. Weyland, S. 452 ff.; Goni, passim.
  63. Ferrera, S. 141.
  64. Im Amt befand sich noch die im Juni 1944 im Kampf gegen die Hitlerwehrmacht und ihre Mussolini-Gehilfen gebildete antifaschistische Einheitsregierung.
  65. Ferrera, S. 143.
  66. Von dem einheitlichen Gewerkschaftsbund CGIL, in dem 55,8 % der Mitglieder der IKP angehörten oder mit ihr sympathisierten, 22,6 % der ISP nahe standen und lediglich 13,4 % sich auf die DC orientierten, wurden die Unione Italiana del Lavoro (UIL) und die Confederazione Italiana Sindacati Lavoratori (CISL) abgespalten. Die UIL entwickelte sich zu einer katholisch beeinflussten Organisation, die CISL dominierten die Sozialdemokraten und später vor allem die Sozialisten. Die CGIL blieb mit über vier Millionen Mitgliedern jedoch mit Abstand die nicht nur zahlenmäßig stärkste, sondern auch politisch einflussreichste Gewerkschaft. Sie stand der IKP, so lange diese existierte, nahe.
  67. Corriere della Séra, 8. März 1975.
  68. Bei dem Movimento Sociale Italiano handelte es sich um die im Dezember 1946 unter dem Schirm der USA-Besatzungstruppen wiedergegründete faschistische Mussolini-Partei.
  69. Liberazione, 27. Okt. 1996, Feldbauer 2000, S. 113 bis 123.
  70. Er ging von den drei großen Parteien – Christdemokraten, Kommunisten und Sozialisten aus, wenn er von einer „vierten Partei“ sprach.
  71. Zit. in: Alf, S. 84 f.
  72. Barbieri, S. 79 ff. Alf, S. 94.
  73. Carmin, S. 465 ff.
  74. Flamini, passim.
  75. Der Corriere veröffentlichte das vom 5. März 1948 datierte Dokument am 17. Sept. 1994.
  76. Cipriano, S. 16 ff., Feldbauer 1996, S.  131 ff.
  77. Barbieri, S. 29 ff.
  78. Giorni, S. 555.
  79. Ausgabe vom 18. März 1953.
  80. Papst on 1958 bis 1963.
  81. Hier meine ich, dass Hans Heinz Holz´ mit der Wertung, Johannes XXIII. habe „mit der Scheinmodernisierung und Liberalisierung des 2. Vaticanums (1962-65) … nur scheinbar und an der Oberfläche einen Wandel (vorgetäuscht)“, zu wenig differenziert. Siehe Holz, a. a. O.
  82. Nr. 467/2007. Wiedergegeben von Brenner.
  83. Brenner.
  84. Elliott, S. 265.
  85. Erschienen   zum 70. Jahrestag von Rerum Novarum.
  86. Zitate nach Elliott, passim.
  87. Ebd., S. 269.
  88. Papst von 1963 bis 1978.
  89. Papst von 1978 bis 2005.
  90. Die IKP stiegen bei den Parlamentswahlen von 26,9 % 1968 Auf 27,1 % 1972, um 1976 auf 33,8 % zu erreichen. Seit Anfang der 70er Jahre orientierte sich der DC-Vorsitzende Aldo Moro zusammen mit IKP-Generalsekretär Berlinguer auf eine Regierungszusammenarbeit. Feldbauer 2000.
  91. Moro fiel am 9. Mai einem von der CIA und der P2 inszenierten Mordanschlag, zu dessen Ausführung die extremen Roten Brigaden manipuliert wurden, zum Opfer. Damit wurde die Regierungszusammenarbeit zwischen IKP und DC zum Scheitern gebracht. Feldbauer 2002.
  92. Lediglich seine Verurteilung wegen falscher Zeugenaussage (Leugnung seiner Mitgliedschaft in der P2) konnte er nicht niederschlagen. Sein Einspruch wurde in allen drei Instanzen zurückgewiesen. Feldbauer 2002, S. 147.
  93. Panerai/De Luca, S.  9.
  94. Tosches,  S. 301.
  95. Die tatsächliche Summe wurde bedeutend höher veranschlagt.
  96. Moro wurde am 16. März 1978 entführt und am 9. Mai ermordet.
  97. Papst von 1914 bis 1922.
  98. Lo Bello, S. 139.
  99. Ebd., S. 140.
  100. Ebd., S. 139 f.
  101. Ausgabe vom  29. Jan. 1983.
  102. Flamigni 1993, S. 175.
  103. Galli, 1993, S. 58.
  104. Flamigni 1993, S.  173 ff.; Ders. 1999, S. 137f.
  105. Repùbblica, 14. März 1993.
  106. Flamigno 1993, S. 49 f. Der Autor war Mitglied der Parlamentskommission zur Untersuchung des Mordes an Aldo Moro. Er hat dazu 5 Bücher geschrieben. Siehe Feldbauer 2000, passim.
  107. Papst vom 28. 8. 1978 bis 28. 9. 1978.
  108. Yallop, passim;  Lo Bello, S. 89 ff.
  109. Kühner, S. 388.
  110. Bernstein/Politi, S. 380 ff. Carl Bernstein hat zusammen mit Bob Woodward den Watergate-Skandal aufgedeckt. Beide erhielten für ihre Bücher zu diesem Thema den Putlitzer-Preis.
  111. Carmin, a. a. O.
  112. Corriere, 14. März; Espresso, 28. März 1993.
  113. Badische Zeitung, 27. Mai 1997.
  114. 1995 taufte sich die Mussolini- Nachfolgerpartei MSI in Alleanza Nazionale (AN) um. Feldbauer 2002, S. 155 ff.
  115. Lega Nord, 1991 von Umberto Bossi gegründete offen rassistische Partei. Ebd. S. 265 ff.
  116. Krims, passim; Beiträge des Autors in „Kritisches Christentum“, Wien, 2005.
  117. ND, 10./11. Aug. 1991.
  118. Offizielle Bezeichnung der Seligsprechung, der Vorstufe zur Heiligsprechung (Kanonisation).
  119. Hertel, passim; Steigleder, passim.
  120. In: jW, 7. Okt. 2005.
  121. Hier geht es nicht darum, einzuschätzen, ob Benedikt XVI. seinen Vorgänger im theoretischen Wissen, im Intellekt übertrifft. Das scheint zweifelsohne der Fall zu sein, wobei die Bauernschläue Karol Wojtylas im Rückblick keinesfalls unterschätzt werden soll. Die Frage, die sich stellt, ist, ob der jetzige Papst, was das Bekenntnis zu Reaktion und Faschismus, zur Verteidigung des kapitalistischen Ausbeuter- und Unterdrückungssystems betrifft, wohl dabei ist, seinen Vorgänger zu übertreffen? Das ist sicher eben auch unter dem Gesichtspunkt des Intellekts, mit dem er seine Kirchenlehren vorträgt, zu sehen, oder wie Holz schrieb, auch unter der Maske Leutseligkeit, unter der biedermännischen Miene des um seine Schäfchen besorgten Oberhirten..
  122. Mit Rauch aus dem Schornstein wird der Abschluss eines Wahlganges verkündet. Schwarz verkündet „keine Ergebnis“, weiß die Wahl eines neuen Papstes.
  123. Laut Kühner. Der 1986 verstorbene Autor des „Lexikons der Päpste“ stufte in der Ausgabe von 1977 Paul VI. als 262. Papst ein, gab aber zu bedenken, dass die Zahl umstritten ist und selbst das Annuario Pontificio  eine exakte Zählung ausschließt (S. 9). Das ist darauf zurückzuführen, dass bis heute die Rechtmäßigkeit der Wahl einer Reihe von Päpsten umstritten ist. Denn in verschiedenen Quellen bzw. Überlieferungen werden zwischen 25 bis 40 Gegenpäpste angeführt. Siehe Beitrag des Autor „Gegenpäpste“, in: ND, 15./16. Mai 1993.
  124. Mit der Traditionslinie des Namens  Benedikt hat sich Hans Heinz Holz ausführlich in „jW“ vom 13./14. Aug. 2005. befasst.
  125. ND, 14./15. April 2007.
  126. Hannibal ante Portas. Joseph Ratzinger, der Papst aus Karthago.
  127. Ratzinger, zit. in Holz.
  128. Silone, S. 233 ff.
  129. Heft 23/2007.
  130. Am 7. Dezember.
  131. Die zirka 60 Seiten umfassende Enzyklika wird hier lediglich unter diesem Gesichtspunkt und der Erwähnung der Ostkirche eingefügt. Zitate nach dem in der Verlautbarung des Apostolischen Stuhls veröffentlichten Wortlaut der Enzyklika, Nr. 179 vom 30. Nov. 2007.
  132. Die Welt, 16. Sept. 2007.
  133. Stellte doch Gorbatschow persönlich die „außerordentliche Rolle“ des polnischen Papstes bei den „Umwälzungen in Osteuropa“ heraus und bekundete dem fanatischen Antikommunisten Wojtyla seine „tiefe persönliche Sympathie“. Sieh Beitrag des Autors „Pacem in Terris“ in: ND, 5./6. Juni 1993.
  134. Net-Zeitung, 10. Dez. 2007.
  135. * Berlin/DDR.

Aus der LeserInnenpost

Aus der LeserInnenpost

Gerhard Feldbauer: Militärischer Aspekt

Gratulation zu der Niederlagenanalyse. Es fehlt uns noch immer eine Analyse dessen, was ich mal den militärischen Aspekt nenne. Dass da bedingungslos kapituliert wurde, ist die eine Seite. Die andere, fast noch schlimmere, dass alle Beteiligten sich dessen auch noch rühmen.

                           Gerhard Feldbauer, Poppenhausen

Aus der LeserInnenpost weiterlesen

Anregungen

Gerhard Feldbauer:
Anregungen

Der Beitrag von Andrea und André Vogt (10/2006) regt mich zu einigen Gedanken an, die nicht der Weisheit letzte Schluss sein sollen. Ihren kritischen Anmerkungen zu den elementaren Fehlstellen in den RF-Leitsätzen stimme ich generell zu. Es bestätigt sich ein weiteres Mal das theoretisches Abfallen, das auch in den Leitartikeln, aber nicht nur da, zum Ausdruck kommt. Brisante Themen werden schon mal ausgeklammert, so die KVDR, die schon im Rechen-schaftsbericht auf der Versammlung 2005 unter den sozialistischen Ländern nicht mehr erwähnt wurde.

Der Bemerkung zu den Linken und Kommunisten möchte ich vorausschicken, dass wohl all-gemein Übereinstimmung darüber besteht, dass uns die Niederlage des Sozialismus in Europa in nicht wenigen Fragen weit über ein Jahrhundert zurückgeworfen hat. Das bedeutet auch, dass wir uns, wenn auch unter veränderten Bedingungen und mit dem Wissen und den Erfahrungen des zurückgelegten Kampfes ausgestattet, mit ähnlichen Problemen der Spaltungserscheinungen, welche die sozialistisch-kommunistische Bewegung von Anfang an heimsuchten, konfrontiert sehen.

Zum Durcheinander, das beim Gebrauch des Terminus „Linke“ herrscht, steuerte besagter RF-Chefredakteur das Seine bei, als er sich auf der Rosa-Luxermburg-Konferenz am 13. Januar wieder einmal über die „Zusammenführung von Kommunisten, Sozialisten und anderen linken Demokraten auf marxistischer Grundlage“ in „Aktionseinheit“ ausließ. Es ist also durchaus angebracht, zu versuchen, etwas Klarheit darüber zu schaffen, wer sich wo und mit welchen Zielen unter diesem Etikett vorstellen, wer darauf Anspruch erheben kann, sich zur revo-lutionären Linken zu zählen, und was wir heute unter Arbeitereinheit, Aktionseinheit und darü-ber hinaus gehenden Bündnissen verstehen, welche Kriterien wir anlegen. Ganz abgesehen davon, dass man diesbezügliche  Reden auf ihren Wahrheitsgehalt abklopfen sollte, ob da nur theoretisiert wird, Worte und Taten übereinstimmen.

Vielleicht vermittelt uns Lenin Anregungen. Im Kampf gegen den mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges offen ausgebrochenen Opportunismus, darunter seiner schlimmsten Erscheinung, dem Sozialchauvinismus, fand im September 1915 auf Initiative der Linken in der Italienischen Sozialistischen Partei die Zimmerwalder Konferenz statt, der im April 1916 die zweite in Kienthal folgte. Unter den teilnehmenden Sozialisten formierte Lenin aus Internationalisten und revolutionären Marxisten (so seine Formulierung) die revolutionäre Zimmerwalder Linke. „Der Zusammenschluss der genannten Gruppe ist eine der wichtigsten Tatsachen und einer der größten Erfolge der Konferenz“, schätzte er ein (Bd. 21, S. 389 ff., 396 ff.). Die Linke setzte sich auf der Tagung mit der Gruppe der „schwankenden beinahe Kautzkyaner“ entschieden auseinander. Dem Manifest der Tagung, das an „Inkonsequenz und Halbheit“ litt, stimmte die Zimmerwalder Linke, Lenin folgend, dennoch zu, weil es „faktisch einen Schritt vorwärts zum ideologischen und praktischen Bruch mit dem Opportunismus und Sozialchauvinismus“ darstellte.

Ich stimme Fritz Dietmars Einschätzung zum Briefwechsel Steigerwald-Gossweiler (7/2006) bezüglich der Bewahrung von Achtung und Zuneigung trotz kontrovers ausgetragener Posi-tionen zu. „Keiner hat den anderen als Agenten des Klassenfeindes dargestellt“, betont Fritz Dittmar. Nebenbei bemerkt sehe ich Robert Steigerwald, mit dem ich nicht immer übereinstimme, etwas einseitig erwähnt. Man lese nur einmal seinen Beitrag „Dialektisch, praktisch, gut“ (jW 2. Nov. 2006), den ich für eine gute Studie schöpferischen Herangehens an die Klassiker halte. Und es gibt mehrere davon aus seiner Feder. Kurt tritt immer konsequent von seiner marxistisch-leninistischen Haltung abweichenden Meinungen entgegen. Dafür stand bereits sein Standartwerk „Wider den Revisionismus“. In diesem Zusammenhang hat mich verwundert, dass er sich zu den seit Jahren vom RF-Chefredakteur betriebenen Spaltungsversuchen unserer Bewegung, die ihn auch persönlich diffamieren, ausschweigt. Diese Art von Opportunismus, derart demagogisch vorgetragen, richtet noch gar nicht absehbaren Schaden an.

Abschließend ein Wort zur Erörterung des neuen DKP-Programms (9/2006). In der widersprüchlichen Debatte wurden gute und zutreffende Gedanken vorgebracht. Ohne hier ausführlich auf die einzelnen Wertungen einzugehen, betrachte ich jedoch einige als überzogen und im Widerspruch zu der von Fritz Dietmar bezüglich Steigerwald-Gossweiler aufgezeigten Haltung stehend. Ich vermisse, dass zu wenig von Gemeinsamkeiten ausgegangen, statt dessen viel Trennendes in den Vordergrund gestellt wurde. Damit kommt man bei der DKP-Basis, die im allgemeinen für kritische Gesichtspunkte aufgeschlossen ist, nicht an. Meine diesbezügliche Meinung gründet sich auf Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren bei zahlreichen Vorträgen vor DKP-Gruppen sammeln konnte. Auch als ich im vollbesetzten Hörsaal der Heidelberger Universität zum historischen Platz der DDR sprach und sie als die größte Errungenschaft in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung einschätzte, haben die zahlreich erschienenen Genossen der DKP-Gruppe mich aktiv in der harten Auseinandersetzung unterstützt.

Im wesentlichen halte ich die von Wolfgang Herrmann formulierten Bemerkungen für die richtige Vorgehensweise. In Sonderheit unterstreiche ich zwei seiner Gedanken: Dass sich „die Sozialismusvorstellungen einer kommunistischen Partei auch auf die Erfahrungen des realen Sozialismus gründen müssen“, und seine Feststellung, „die DKP hat sich während der Pro-grammdebatte vorwärtsentwickelt“, was sich auch auf eine bis dahin nicht vorhandene Annäherung an den ersten Gedanken erstreckt.

In diesem Zusammenhang habe ich mir nochmals Marx´s Kritik am Gothaer Programm, Engels Vorwort vom 6. Januar 1891 eingeschlossen, vorgenommen (Bd. 19, S. 11 bis 32 und 521 f.). Sicher, die Verfasser des DKP-Programms wären gut beraten gewesen, Marx´s „Randglossen“ stärker und grundsätzlich bei der Ausarbeitung zu beachten. Für ein Gothaer Programm, wie die Analysen streckenweise den Eindruck vermitteln, halte ich das DKP-Programm jedoch in seiner Ganzheit nicht. Am zutreffendsten hat hier Arne Taube eingeschätzt: „Jedoch markieren noch immer das errungene Programm, wie die Partei als Organisation eine Position, die nur urteilen lässt, dass die Arbeiterklasse in der BRD heute de facto über keine Organisation verfügt, die so entschieden wie die DKP ihre Interessen vertritt: sie ist die größte Organisation der revolutionären Linken, besitzt vorerst eine in den Rudimenten noch immer revolutionäre Pro-grammatik – wie mangelhaft sie gemessen an den Forderungen der Klassiker auch erscheint – und ist auf dem Gebiet der alten BRD zumindest teilweise recht gut gewerkschaftlich ver-bunden. Hieraus folgt, dass auch mit dem neuen Programm jedem Kommunisten weiterhin zu raten ist, in die DKP einzutreten (oder zumindest die Nähe zu suchen), sich dabei jedoch ihrer organisatorischen und programmatischen Schwächen bewusst zu sein.“

Gerhard Feldbauer;
Poppenhausen

Die Konterrevolution trieb Zehntausende in den Tod

Gerhard Feldbauer:
Die Konterrevolution trieb Zehntausende in den Tod

Eine Studie der GBM über die Opfer der„friedlichen Revolution“

Wer zählt die Toten, nennt die Namen derer,
die durch die„friedliche Revolution“ ums Leben kamen.

Die Konterrevolution hat nach dem Sieg über die DDR ihre Gegner nicht wie in vergangenen Zeiten per Blutbad niedergemacht, an die Wand gestellt, in die Kerker geworfen. Nein, sie hat sie, wie der damalige Justizminister Kinkel vorgab, ins soziale Abseits gedrängt, mit Berufsverbot belegt, ihre Menschenwürde mit Füssen getreten, gegen sie unsägliche Lügen- und Hetzkampagnen geführt, viele vor die Gerichte ihrer Klassenjustiz gezerrt. Über die Zahl derer, die dem nicht standhielten, denen die Kraft fehlte, weiter zu  widerstehen, die Hand an sich selbst legten, liegen keine Angaben vor. Die Gauck/Birthler-Behörde, die viele dieser Menschen in den Tod trieb, gab kund, „darüber führen wir keine Statistik“.

Die Konterrevolution trieb Zehntausende in den Tod weiterlesen

Welchen Weg schlägt der „RotFuchs“ ein?

Gerhard Feldbauer: Welchen Weg schlägt der „RotFuchs“ ein? Zu den Auseinandersetzungen mit Chefredakteur Dr. Klaus Steiniger

Zu Offensiv 9/2005 und 1/2006, Berichterstattung über die Entwicklungen beim „RotFuchs“.

 „Offensiv“ hat mit den Heften 9/2005 und 1/2006 das Schweigen um die Auseinandersetzungen im RotFuchs-Verein über die weitere politische Linie durchbrochen, die Frage nach der Zusammenarbeit der kommunistischen Kräfte gestellt und auf eine mögliche Richtungsentscheidung verwiesen. Das verdeutlichten die Antwort auf den Leserbrief von Jürgen Zameit[8] und der Redebeitrag von Prof. Hans Fischer [9]. In diesem Zusammenhang halte ich es für angebracht, als langjähriger Vorsitzender des RotFuchs-Vereins zur Klärung der aufgeworfenen Fragen beizutragen.

Welchen Weg schlägt der „RotFuchs“ ein? weiterlesen