Der 17. Parteitag der DKP

Frank Flegel: Der 17. Parteitag der DKP

„Etwas besseres konnte uns nicht passieren” (Heinz Stehr)

Bei der Betrachtung des 17. Parteitages der DKP in Duisburg will ich hier das Augenmerk vor allem auf Gesichtspunkte der strategischen Orientierung und der programmatischen Zielsetzung der Partei lenken. Insofern stellt der folgende Artikel keine vollständige, sondern eine thematisch orientierte Analyse des Parteitages dar.

Bericht vom Parteitag

Die erste wichtige Weichenstellung wurde recht bald am Anfang des Parteitages vollzogen: die Kritiker der Vorstandslinie, die ja besagte, auf die Programmdiskussion zu verzichten und stattdessen eine Politische Erklärung (vorgeschlagen vom Parteivorstand) anzunehmen, versuchten, wenigstens eine Aussprache über die Programmdebatte auf die Tagesordnung zu bringen. Die Abstimmung darüber verloren sie mit rund 30% der Delegiertenstimmen gegen 70%, die der Vorstandslinie, keine Debatte zu führen, den Vorzug gaben. Das Aufatmen der Führung und der Frust bei den Kritikern waren fast körperlich spürbar.

Danach gab es eine relativ breite Generaldebatte, in der viel über die praktische Arbeit berichtet wurde. In dieser Debatte gingen einzelne Beiträge auch immer wieder auf die inhaltlichen und programmatischen Probleme der DKP ein – je nach Richtung entweder mit den Argumentationsmustern, dass man keine lähmende Debatte brauche, dass die praktische Arbeit vor Ort genug Kräfte aufzehre usw. einerseits, oder dass man für die praktische Arbeit klare programmatische Zielsetzungen benötige, dass die Partei die Selbstverständigung brauche usw. andererseits. Als Beispiel für die Argumentation der „Parteilinken” will ich hier den Redebeitrag von Hans Heinz Holz einfügen.

Hans Heinz Holz: Diskussionsbeitrag zum 17. DKP-Parteitag

„Liebe Genossinnen und Genossen. Wir müssen uns Rechenschaft darüber ablegen, dass die Kommunistische Bewegung überall in der Welt in einer komplizierten Lage ist. Die imperialistischen Mächte setzen alles daran, ihre Herrschaft in der Ganzen Welt zu sichern und dem Kapital maximale Ausbeutungschancen zu verschaffen. Angesichts des Wachstums von Staaten wie China oder Indien, die heute mehr als 1/3 der Weltbevölkerung stellen, angesichts des zunehmenden sozialen und nationalen Widerstands gegen die US-Dominanz in Lateinamerika, aber auch in anderen Teilen der Welt, wächst die Aggressivität des US-Imperialismus und wachsen auch die Verteilungskämpfe um Weltmarktanteile und Rohstoffe zwischen den imperialistischen Metropolen. Das Kapital rafft alle seine Kräfte in diesen Kämpfen zusammen, um den preis eines rücksichtslosen Abbaus sozialer Errungenschaften der Arbeiterbewegung.

Die Zeit, in der man die Illusion von Sozialpartnerschaft verbreitete, ist vorbei; der Kapitalismus zeigt wieder sein ungeschminktes Gesicht. Und wissend, dass er sein krisengeschütteltes Überleben nur durch Unterdrückung der Massen sichern kann, zerschlägt er die Garantien der bürgerlichen Demokratie, die doch die Koexistenz antagonistischer Klassen im politischen Alltag ermöglichen sollen; ein autoritär-faschistoides Repressions-instrumentarium wird ausgebaut.

Dieser aus einer Wurzel kommenden dreifachen Bedrohung durch imperialistische Machtpolitik, soziale Verkümmerung und Zerstörung der bürgerlichen Demokratie treten Kommunisten entgegen. Eine tiefgehende Verunsicherung und Beunruhigung hat die Massen ergriffen. Protestbewegungen verschiedenen Ursprungs sind entstanden, aber der Protest richtet sich vor allem gegen die Symptome, nicht gegen die Ursachen der Gefahr. Wir Kommunisten haben in den Erkenntnissen des wissenschaftlichen Sozialismus der Theorien von Marx, Engels und Lenin die Mittel, die Ursachen zu erklären und die Alternativen aufzuzeigen. Eine andere Welt ist möglich. Ja! – nämlich eine sozialistische. Dass wir eine positive Zukunftsvorstellung haben, macht unsere Stärke aus, wie wenige wir auch im Augenblick in unserem Land sein mögen. Wenn wir diese Zukunftsvorstellung im Klassenkampf streitbar vertreten, haben wir die Chance, die Massen zu ergreifen, der Jugend ein Ziel zu zeigen.

Wie aber, Genossinnen und Genossen, stellen wir uns dar? Erlaubt einem alten Genossen, der 60 Jahre lang der Partei gedient und ihr die Treue gehalten hat, ein offenes Wort!

Wir streiten uns. Das ist gut; denn in einer Epoche tiefgreifender weltpolitischer Veränderungen, erfüllt von widerspruchsvollen Prozessen, sind unterschiedliche Einschätzungen auf Grund der unterschiedlichen Erfahrungen der Einzelnen selbstverständlich. Daraus ergeben sich auch verschiedene strategische Konzeptionen auf verschiedenen Ebenen des Klassenkampfs. Keiner kann von sich behaupten, er habe allein die ganze Wahrheit. Wir müssen die divergierenden Gesichtspunkte zusammenführen. Gerade im Aushalten und Austragen von Widersprüchen erweist sich die Partei als lebendig, als attraktiv und als richtungsweisend für andere – und erweist sich die materialistische Dialektik als fruchtbar.

Was geschieht statt dessen? Argumente werden nicht als Ratschlag und Diskussionsbeitrag aufgenommen, sondern als Opposition bekämpft. Was der Perspektive, die gerade die einiger Sekretariatsmitglieder ist, nicht entspricht, wird verketzert, an den Rand gedrängt, ausgegrenzt. Der Parteivorsitzende stellt jene, die abweichender Meinung sind, mit den „Erneuerern” von 1988, mit der Gruppe Rosenberg/Kröll auf eine Stufe, als hätten sie eine Spaltung der Partei im Sinn. Er verlangt von den Kritikern, sie „sollen offen darlegen, für welches Konzept sie politisch und personell stehen” und behauptet wahrheitswidrig: „dies fehlt bislang in allen Debatten”. Ich habe seit 1991 im Neue Impulse Verlag drei Bücher zu programmatischen Fragen und zahlreiche Aufsätze veröffentlicht, in denen klar ausgesprochen worden ist, welche Vorstellungen ich von einer kommunistischen Partei und von einem zukünftigen Sozialismus habe. Aber es gibt Leute, die nicht lesen wollen und einem lieber das Wort im Munde verdrehen. Ich habe in meinem Aufsatz über die Richtungskämpfe in den europäischen kommunistischen Parteien – in dem übrigens die DKP überhaupt nicht angesprochen ist – von einem notwendigen Klärungs- und Reinigungsprozess in ideologischen und weltanschaulichen Fragen gesprochen. Nina Hager macht im UZ-Interview daraus „Säuberungen”, denen jemand „zum Opfer fallen soll”. Das ist nackte Demagogie, kein solidarischer Diskussionsstil unter Genossen.

Was für eine Partei sind wir, deren Organ, die UZ, unserem früheren Parteivorsitzenden Herbert Mies den Abdruck eines Briefes verweigert, der eine milde Kritik am Sekretariat enthielt? Allerdings gab es in diesem Brief einige freundliche Bemerkungen über Patrick und mich.

Genossinnen und Genossen, der 16. Parteitag hatte dem PV für die nächste Arbeitsperiode den unmissverständlichen Auftrag erteilt, nach weiterer gründlicher Diskussion den Entwurf zu einem Parteiprogramm zu veröffentlichen Jetzt erklärt Heinz Stehr im UZ-Interview, es sei notwendig gewesen, „den Zünder aus einer polarisierenden und lähmenden Programmdebatte herauszudrehen”. Darf ein PV so mit Parteitagsbeschlüssen umgehen? Ich zitiere aus dem Brief von Herbert Mies an mich: „Die Vorgehensweise ist für mich und viele andere unverständlich, arrogant und von Macht und personaler Rechthaberei geprägt. Das ist schlimm.” Das sagt ein erfahrener Parteiführer. Und ich füge hinzu: so polarisiert man. Der jetzt vorliegende Diskussionsentwurf zum Programm der vom PV eingesetzten Autorengruppe ist von den bisherigen Entwürfen nicht so verschieden, dass wir nicht schon vor 3 oder 4 Jahren hätten zu einem Abschluss kommen können.

Ich frage: wer hat hier die programmatische Selbstverständigung der Partei behindert? Heinz Stehr spricht in seinem Interview von einer Behinderung der Stärkung der Partei „mit Hilfe einiger weniger aus unseren reihen”. Wen meint er mit dieser anonymen Verdächtigung? Etwa diejenigen, die für klare Programmaussagen kämpfen? Ich denke, wenn die Genossin Hager beim letzten UZ-Pressefest in einer Diskussionsveranstaltung mit mir sagte: „Die DDR war keine Errungenschaft der deutschen Arbeiterklasse, sondern ein Geschenk der Sowjetunion”, dass sie dann 40 Jahre opfer- und erfolgreiche Aufbauarbeit der Menschen in der DDR für den Sozialismus missachtet. Und ich meine, dass eine solche Äußerung in der Tat die Stärkung unserer kommunistischen Bewegung behindert.

Aber ich glaube an unsere Stärke, weil ich die Genossinnen und Genossen kenne, die unter schwierigsten Bedingungen sich als Kommunisten bewährten. Und ich bitte Euch, nehmt diese Mahnworte eines alten Genossen ernst, sie sind aus Sorge um die Partei gesprochen.”