Die KPD

Frank Flegel/Michael Opperskalski:
Die KPD

Im Rahmen dieses Heftes lassen sich einige kritische Bemerkungen zur KPD nicht vermeiden.

Vorweg muss deutlich gesagt werden: Die programmatischen Dokumente der KPD haben durchaus Qualität, mögen vielleicht streckenweise etwas flach wirken, sind aber keinesfalls so verbogen wie die der DKP (z.B. die „Sozialismusvorstellungen“) oder gar der PDS (z.B. „Programmentwurf“ Brie-Klein-Brie). Trotzdem gibt es auch an den programmatischen Dokumenten Kritikwürdiges, und das sind ausgerechnet die Anti-Revisionismus-Passagen des KPD-Programms.

Dort heißt es unter anderem: „Die Hauptaufgabe zur Überwindung des Revisionismus ist (…) die Entlarvung der imperialistisch-revisionistischen Lügen über das politisch wirken   J. W. Stalins.“ Dies sei notwendig, weil das „vereinigende Band“ der Gegner der KPD eben diese Lügen seien und diese Lügen als die „Grundlage des Verrats am Sozialismus“ und als das „gegenwärtige Herzstück des Antikommunismus“ angesehen werden müssten. (Programm der KPD, S.4) Im zitierten Beispiel reduziert die KPD das Revisionismusproblem auf die Einschätzung des Handelns Stalins. Eine solche Einengung kann aber sehr schnell in die Irre führen, denn hier werden Erscheinung und Wesen verwechselt. Indizien dafür –

erstens: den Revisionismus gab es schon mehrere Jahrzehnte, bevor Stalin die Führung der Sowjetunion übernahm;

zweitens: der heutige Revisionismus kommt nicht nur als Anti-Stalinismus daher;

drittens: Politik lässt sich nicht auf Personen reduzieren.

Zu erstens und zweitens, Revisionismus früher und heute

Revisionismus hat viele Spielarten, jede hat ein anderes Mäntelchen und tarnt sich je nach historischer Situation und Diskussionsstand der Linken jeweils anders, so z.B. in den Jahren um 1900/1910 als Theorie vom „Ultraimperialismus“, der den Kapitalismus annähernd von selbst in den Sozialismus hinüberwachsen lasse, und als Anbetung des allgemeinen Stimmrechts in der bürgerlichen Demokratie, dann in den 20er und 30er Jahren als „Anti-Bolschewismus“, nach der Zerschlagung des Faschismus durch die Rote Armee hatte es der Revisionismus zunächst nicht leicht und musste neu Fuß fassen, was mit Chrustschow und dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 gelang. Nun kam der Revisionismus als „Anti-Stalinismus“ daher incl. dem Märchen vom „parlamentarischem Weg“ zum Sozialismus, in den 60er Jahren dann als „Konvergenztheorie“, wonach mal wieder die Systeme sich von selbst aneinander annähern sollten, in den 70er Jahren als Politik der „systemüberwindenden Reformen“, des „Eurokommunismus“ und des „historischen Kompromisses“ (Westen), gleichzeitig und bis zum Ende des europäischen Sozialismus als „Entspannungsprozess“ mit dem Märchen von der „Friedensfähigkeit des Imperialismus“ (Osten). Hinzu kommen außerdem die verschiedenen Varianten des so genannten „demokratischen Sozialismus“, die sich in der einen oder anderen Form im ideologischen Gerüst vieler kommunistischer Parteien festsetzen. Parallel lebte der „Anti-Stalinismus“ im Gewand der sogenannten „Wiederherstellung der Leninschen Normen des Parteilebens“ wieder auf, in den Jahren nach 1989/90/91 bekam dieser „Anti-Stalinismus“ die Oberhand, wird zur Zeit aber gerade wieder abgelöst von der Mystifizierung der bürgerlichen Demokratie, sprich Gewaltenteilung, Gestaltungsspielraum der Politik, Pluralismus.

Man sieht also: es gibt differenzierte historische Erscheinungsformen, was gleich bleibt ist allein das Wesen, der politische Inhalt des Revisionismus, und das ist kurz umrissen: das Abrücken vom Materialismus, das Abrücken von der Klassenfrage, dann von der Eigentumsfrage, natürlich von der Imperialismustheorie und schließlich die Lobhudelei gegenüber der bürgerlichen Demokratie (also Parlamentarismus als Zentrum der Politik), danach löst sich das Organisationsprinzip der Partei auf und das Resultat ist dann ein (links)bürgerlicher Wahlverein.

Insofern muss sich eine kommunistische Partei inhaltlich vom Revisionismus abgrenzen. Es nutzt sehr wenig und führt auch nicht zu wesentlicher Klugheit, wenn man diese Abgrenzung an einzelnen Erscheinungsformen des Revisionismus vollziehen will, und der Anti-Stalinismus ist nichts anderes als eine solche Erscheinungsform.

Zu drittens, Personalisierung von Politik

Die KPD zeigt eine etwas eigenartige und die Dinge sehr versimplifizierende Reduzierung von Politik auf Personen, die sich außer bei den Anti-Revisionismus-/Anti-Stalinismus-Aussagen der KPD auch in ihren aktuellen Einschätzungen über die Niederlage des europäischen Sozialismus und in ihren Stellungnahmen zu (noch) sozialistischen Ländern wiederfinden lässt.

„Lügen“ und „Verrat“ sind für die KPD die Begründungskategorien für die Niederlage des Sozialismus in Europa. Nun sind wir ja, ebenso wie die KPD, überzeugt davon, dass die Ausbreitung des Revisionismus in den sozialistischen Ländern, in den Führungen der dortigen Parteien und gleichzeitig in einigen großen kommunistischen Parteien Westeuropas die wesentliche Ursache für die Niederlage war, – eine Analyse jedoch, die die Ursachen dafür nur bei „Lüge“ und „Verrat“ sieht, ist uns nicht weitreichend genug. Es muss Ursachen geben, Zwänge, ökonomische und weltpolitische Prozesse, Gründe für revisionistische Entartungen und gleichzeitig gegenläufige Tendenzen, Widersprüche, mangelnde Wachsamkeit, Ursachen für die Niederlage der anti-revisionistischen Kräfte, – und all dieses muss reale Grundlagen im Gesellschaftsgefüge gehabt haben, sonst hätte es sich nicht entwickeln können. Antirevisionistische Politik muss diese Zusammenhänge konkret begreifen, denn nur dann kann eine Politik möglich werden, die gesellschaftliche Entwicklungen so beeinflusst, dass dem Nährboden für die revisionistischen Entwicklungen seine Fruchtbarkeit entzogen wird. Mit „Lüge“ und „Verrat“ ist es da als Erklärungsmuster längst nicht getan, denn Treue zur Sache ersetzt keine gesellschaftlichen Prozesse.

Und genauso, wie diese Personalisierungen den Blick der KPD auf den europäischen Sozialismus trüben, führen sie die Partei auch in der Einschätzung der Entwicklungen in Nordkorea und China auf’s Glatteis. In den Berichten über Nordkorea mangelt es zwar absolut an ökonomischer und welthistorischer Analyse, dafür mangelt es aber überhaupt nicht an Huldigung für das dortige Führungspersonal. Und dann wird uns z.B. der dort avisierte Vereinigungsprozess von Nord- und Südkorea in äußerst positiver Weise dargestellt – völlig ohne kritische Reflexion des Nationenbegriffs, ohne Analyse der Kräfteverhältnisse, ohne ernsthaften Hinweis auf mögliche Gefahren für den Sozialismus – die KPD betreibt hier platte, unkritische Lobhudelei. Ähnlich die Stellungnahmen zu China: das, was dort gerade an Marktwirtschaft, Privatisierung, Weltmarktöffnung usw. betrieben wird (mit den typischen gesellschaftlichen Folgen wie Arbeitslosigkeit, Polarisierung zwischen Arm und Reich, Reduzierung der Sozialleistungen, Ausschluss der ärmeren Bevölkerungsteile von höherer Bildung usw.), das wird uns in der „Roten Fahne“ als fortschreitender Aufbau des Sozialismus verkauft.

Eine solche personalisierte und oberflächliche Betrachtungsweise der internationalen kommunistischen Bewegung mag die KPD 1996 dazu bewogen haben, mit zwei(!) weiteren Organisationen – unter ihnen eine extrem sektiererische Formation aus der Türkei, die sich später dann allerdings von ihrem Schritt distanzierte – in Bulgarien die so genannte „Neue Kommunistische Internationale“ (NKI) aus der Taufe zu heben, die, mangels Basis, inzwischen stillschweigend wieder in der Versenkung verschwunden ist. Leider gab es bisher keine öffentlich nachvollziehbare Selbstkritik dieser Aktion.

Deklamation statt Bewegung

Bei diesen Fehlern hat man den Eindruck, das für die KPD und die „Rote Fahne“ nicht die Fakten zählen, sondern die Verlautbarungen der jeweiligen Führungen, dass also Dokumente und Deklamationen wichtiger genommen werden als kritische Analysen. Woran das liegt, ob an mangelnder analytischer Kraft, an nicht vorhandenen Kapazitäten der Kader, den begrenzten Möglichkeiten der Redaktion der „Roten Fahne“ oder der Qualität des ZK, das wissen wir nicht. Man hat manchmal das Gefühl, dass in der KPD die Wünsche und die daraus erfolgenden Erklärungen, die Würdigungen, die Grußadressen, die Titel, die Ehrbezeugungen, die Empfänge der Delegationen und dergleichen wichtiger genommen werden als Tatsachen und reale Praxis.

Dieser deklamatorische Zug in der Außentätigkeit und im Organisationsleben der KPD, verbunden mit ihrem Organisationsegoismus und ihrer Personalverehrung führt nicht zu einer den Verhältnissen adäquaten Praxis, sondern zu Sturheit und unnötiger Polarisierung innerhalb der nichtrevisionistischen Kräfte, denn die Partei verhält sich den anderen kommunistischen Kräften gegenüber offiziell zwar als interessierter und offener Bündnispartner, im Konkreten macht sie jedoch immer wieder den Fehler, den viele kleine Gruppierungen und Organisationen an sich haben: sie versucht, sich selbst größer zu machen, als sie ist, sie versucht, andere für sich zu instrumentalisieren, sie scheut dabei auch vor Steinbrucharbeiten in benachbarten Revieren nicht zurück, was ihr dann schnell den Ruf des Sektierertums einbringt. In diesem Kontext ist wohl auch die von der KPD stark aufgeblähte Darstellung ihrer internationalen Verbindungen und Verankerung zu sehen, die der Überprüfung leider nicht standhält.

Nun ist ein solches Verhalten wie das eben skizzierte ja auch nichts, womit man Ansehen und Achtung erwirbt, ganz im Gegenteil, es schürt Ängste, schafft unnötige Gräben und weckt den Verdacht, dass es der KPD mehr um sich selbst als um die gemeinsame Sache geht. Wir haben das Gefühl, dass die KPD des öfteren auf die Falschen eindrischt und trotz aller offiziellen Rhetorik im Sinne der Einheit der Marxisten-Leninisten eher die Spaltung vertieft.

Problematisch ist aus unserer Sicht auch die sehr grobkörnige Darstellung der Lage der kommunistischen Bewegung in Deutschland (siehe dazu ausführlich: „Sozialis-mus/Kommunismus – Zukunft der Menschheit“, Beschluss der Delegierten des 21. Parteitages der KPD am 24. März 2001 in Klosterfeld bei Berlin, Seiten 54ff.). Sie orientiert, vollkommen korrekt, auf die notwendige Einheit der Kommunisten in einer Partei, verschweigt uns jedoch die dafür notwendigen politischen, organisatorischen und ideologischen Voraussetzungen. Zudem fehlt eine genaue Analyse der höchst komplizierten Situation der Kommunisten in Deutschland – auch in ihrer Zersplitterung.

Unserer Meinung nach hat diese KPD nicht die Voraussetzungen, die notwendig sind, um ein Sammelbecken der Kommunistinnen und Kommunisten in Deutschland und darauf folgend eine einheitliche kommunistische Partei zu schaffen. Es bleibt andererseits jedoch eindeutig festzuhalten: Die KPD und ihre Mitglieder werden ein unverzichtbaren Bestandteil der noch zu schaffenden einheitlichen kommunistischen Partei in Deutschland sein.

                                                                               Frank Flegel, Hannover; Michael Opperskalski, Köln