Ein Iraker berichtet vom Widerstand in seinem Land

Daniel Weigelt:
Ein Iraker berichtet vom Widerstand in seinem Land

Ich hatte kürzlich die Gelegenheit, mich mit einem Iraker zu unterhalten. Der junge Mann, ich nenne ihn hier Talib, studiert in Deutschland und fährt jedes Jahr in seine Heimat. Im Folgenden einige Aussagen von ihm über die Geschichte und die derzeitige Lage im Irak. Ich gebe nur seine Worte wieder, eigene Kommentare bringe ich in den Fußnoten.

Gehirnwäsche in Europa

Die Menschen in Europa unterliegen, was Informationen aus dem Irak betrifft, einer regelrechten Gehirnwäsche. Talib hatte hier öfters die Gelegenheit zu schauen, was z.B. im Fernsehen läuft. Das entspricht in den wenigsten Fällen der Wahrheit. So lobte ein Gast bei Sabine Christiansen die Besatzung. Ruft man dagegen bei Christiansen an und die Redaktion bemerkt, man ist ein Gegner der Besatzung, so wird das Gespräch recht schnell abgewürgt. Gegner der Besatzung sind für die Medien einfach nicht von Interesse. Diese Erfahrung hat Talib selber gemacht.

Selbst im Wetterbericht wird gelogen. So konnte man im August auf CNN sehen, das in Bagdad Temperaturen von 30-35°Celsius angesagt sind, dabei weiß jeder Iraker, dass im Sommer die Temperaturen in Bagdad auf über 50° Celsius steigen. Das dient wohl vor allem dazu, dass sich die Angehörigen der Soldaten nicht so viele Sorgen machen.

Genauso oft hört man auch von der tief verwurzelten Feindschaft zwischen Sunniten und Schiiten. Talib erklärte dazu, die Frage nach der Zugehörigkeit zu einer der beiden Gruppen fasse ein Iraker schon als Beleidigung auf. Alle sähen sich als Iraker, sogar die Kurden. Heute ist es das Ziel der US-Amerikaner, das Land zu spalten. Doch das ist nicht möglich, denn in vielen Familien ist der Vater beispielsweise ein Schiit und die Mutter eine Sunnitin.

Die Gründe für die Besatzung

Als Begründung für den Krieg gegen den Irak wurde immer wieder angegeben, der Irak besitze Massenvernichtungswaffen und habe Verbindungen zu al-Qaida.

Die ganze Welt wusste, dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen besaß. Die Inspektoren haben alles durchsucht, sogar die Präsidentenpaläste, sie haben nichts gefunden. Der Grund war ganz einfach, es gab keine Massenvernichtungswaffen.[1]

Auch die angeblichen Verbindungen zu al-Qaida waren eine Lüge. Der Irak und sein Präsident Saddam Hussein hatten eine völlig andere Ideologie als al-Qaida, diese Terror-Organisation bekam keinen Fuß in den Irak.

Die Amerikaner sagen, mit Saddam Hussein sei ein großer Tyrann weg, doch für die Iraker war Saddam ein großer Präsident, der viel für das Land getan hat.

Die Gründe für die Besatzung waren ganz andere. Öl, Öl und noch mehr Öl. Doch dafür ist ein kleiner Ausflug in die Geschichte des Irak nötig.

Aus der Geschichte des Irak

Der Krieg gegen den Irak hat inoffiziell 1972 begonnen, so Talib. Nämlich als britische, französische und US-amerikanischer Konzerne enteignet wurden und die irakische Ölgesellschaft Staatseigentum wurde. 1979 wurde Saddam Hussein regulär Präsident des Irak. In der folgenden Zeit begann ein großer Aufschwung im Land. Es wurde eine Alphabe-tisierungsrate von fast 100% erreicht. Motto war damals: Jeder Bauer soll lesen und schreiben können, damit er weiß, was er unterschreibt, wenn er Geschäfte macht. So gab es spezielle Schulen für alte Menschen und Bauern.[2] Der Irak hatte eines der besten Gesundheitssystem im Vorderen Orient.[3] Allgemein machte das Land, nicht zuletzt durch seine großen Ölreserven, eine gute Entwicklung durch.

Kriege gegen den Iran und Kuweit.

1979 fiel dann der Iran in den Irak ein. Langsam aber sicher rückte er Kilometer für Kilometer vor. Der Irak schrieb mehrere Briefe an die UNO, doch ergebnislos. Als die iranische Luftwaffe schließlich eine Universität in Bagdad bombardierte, rief Saddam Hussein 1980 zum Vertei-digungskrieg auf. Mehrere Waffenstillstandsangebote wurden jedoch vom Iran ignoriert. Auch UNO-Resolutionen interessierten den Iran nicht. Am Ende war der Irak der Sieger des Krieges. Hatte er anfangs nur eine kleine Armee, so verfügte er 1988, am Ende des Iran-Irak-Krieges, über die viertgrößte Armee der Welt.

1987/88 lag der Ölpreis bei über 20 Dollar je Barrel. Es gab mit der OPEC vereinbarte Förderquoten, diese wurden jedoch vom Kuwait kontinuierlich ignoriert. So sank der Ölpreis in den folgenden Jahren auf fast 10 Dollar je Barrel. Obwohl 2 Jahre darüber mit Kuwait diskutiert wurde, ignorierte das Land die vereinbarten Quoten. Deshalb marschierten 1990 irakische Truppen in das Land ein. Das führte 1991 zum bekannten 2. Golfkrieg.[4]  Der Krieg endete damit, dass die US-Amerikaner ein regelrechtes Massaker an den sich zurückziehenden irakischen Soldaten verübte. Nach dem Krieg wurde der Irak mit Sanktionen belegt, die international wohl einmalig waren und das Land in eine tiefe Armut stürzte.[5]

Der Krieg des neuen Jahrtausends

Nachdem bis 2003 immer noch keine Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden wurden, begann der neuerliche offene Krieg gegen den Irak unter Führung der USA.[6] Zwar gelang es den US-Amerikanern, den Präsidenten des Iraks, Saddam Hussein, zu stürzen und 2006 auch zu ermorden, doch stürzte die Besatzung das Land in ein nie dagewesenes Chaos. Nach Aussagen von Talib starben alleine auf US-Seite dabei bisher 38.000 (achtunddreißigtausend!) Soldaten. Offiziell wird dabei zwar eine fast um den Faktor 10 geringere Zahl angegeben, aber, so Talib, auch im Vietnam-Krieg wurden die Opferzahlen lange weit nach unten „geschönt“, bis letztlich doch die ganze Wahrheit ans Licht kam. Heute stehen die US-Amerikaner vor einem Chaos, dessen sie nicht mehr Herr werden können.

Behandlungen von Gefangenen durch die USA

Talib war 8 Monate im Irak Gefangener der US-Truppen. Dabei wurde er auch gefoltert und schwer misshandelt. Er hat auf einem Ohr das Gehör verloren. Das fiel den US-Amerikanern erst auf, als er bei einem Verhör wegen des fehlenden Gleichgewichtssinn immer wieder auf eine Seite fiel. Man hat ihn schließlich nur unter der Bedingung frei gelassen, dass er unterschreibt, er wäre nur 14 Tage in Gefangenschaft gewesen. Dieses Angebot musste er letztendlich annehmen, doch eine Entschädigung wird er wohl niemals bekommen.

Gefangene der US-Amerikaner haben keine Namen sondern Zahlen auf einem Plastikband um den Arm.[7] Diese werden auf Englisch angesagt, wenn sie jemand nicht versteht, dann muss sich ein anderer melden, sonst werden wieder alle Gefangenen gefoltert.

Abzug der USA

Talib sagt, er habe selber gesehen, dass die US-Amerikaner großes Kriegsgerät aus dem Irak fortgeschafft haben. Dies sähe ganz nach einer Vorbereitung der Flucht aus. Er denkt, 2007 wird das Jahr des Rückzuges der USA aus dem Irak sein. Am Ende wird es ihnen wie den US-Amerikanern 1975 in Vietnam gehen. Dafür ist der Widerstand im Irak gegen die Besatzung einfach zu groß und nicht zu brechen.

Der irakische Widerstand

Das Wichtigste ist wohl: Das irakische Volk akzeptiert keine Besatzer.

Im Gegensatz zu Vietnam hat der Irak zwar keine internationalen Verbündeten[8], doch der irakische Widerstand verfügt heute über ein Arsenal konventioneller Waffen, das es ihm ermöglicht, noch 50 Jahre den Kampf gegen die Besatzer führen zu können. Dieser Widerstand ist sehr gut organisiert. Es war bereits vor 2003 klar, dass es einen Krieg gegen den Irak geben wird. Der Irak machte damals niemals Angaben an die Inspektoren über konventionelle Waffen. Heute ist zum Beispiel eine Panzerfaust so von irakischen Technikern umgerüstet, dass sie auch gegen Hubschrauber eingesetzt werden kann.

Der Widerstand wird von der Baath-Partei finanziert. Sie gibt Informationen, Geld und Waffen an alle andere Gruppen, die den Irak befreien wollen. Selbst wenn diese Gruppen der Baath-Partei gegenüber nicht freundlich gesonnen sind. Es gibt keine Feindschaft unter den Irakern, das Ziel, die Befreiung des Iraks, ist das alleinige und wichtigste Ziel für alle. Flugblätter, die die Bevölkerung über Widerstandsaktionen aufklären, werden alle im Namen der Baath-Partei herausgegeben.

Allerdings hat die al-Qaida-Ideologie nach wie vor keine Chance im Irak. Auch die Gruppe, die die zwei Deutschen entführt hat, ist bisher unter den irakischen Widerstandsgruppen nicht bekannt.

Zwar organisiert der vom Iran gesteuerte Al Sadr Demonstrationen mit hunderttausenden Menschen gegen die Besatzung durch die US-Amerikaner, doch von Politik hat Al Sadr keine Ahnung. Die Hunderttausende sollen lieber kämpfen statt demonstrieren, so Talib.

Selbstmordattentäter

Er bezeugte, er habe selber ein Auto gesehen, welches leer war. Kurz darauf ist das Auto explodiert. Diese Selbstmordattentate gegen die eigene Bevölkerung werden hauptsächlich von westlichen Geheimdiensten organisiert.[9] Die Taktik dabei ist, immer wieder Öl in das Feuer zu gießen, um die verschiedenen irakischen Volksgruppen gegeneinander aufzuhetzen. Dies wird jedoch nicht gelingen, das irakische Volk lässt sich nicht provozieren, es erkennt seinen Gegner.

Nach der Befreiung

Die Baath-Partei sagt heute, wer für die Befreiung des Iraks kämpft, wird später den Irak auch regieren. Dabei sieht sich die Baath-Partei nur als ein Teil der künftigen Regierung. Die heutigen Regierungsparteien werden, als Kollaborateure der US-Amerikaner, sicherlich nicht dazugehören. Das gilt auch für die Kommunisten, die im Parlament sitzen.

Die Kommunistische Partei des Irak

Die Kommunistische Partei war vor 2003 eine einheitliche Partei im Irak. Sie hatte, so erzählte Talib, 23 Sitze im Parlament, das entsprach 1/6 aller Sitze. Zwar putschte die Baath-Partei 1969 gegen die Kommunisten, denn diese verschenkten den Irak an die Sowjetunion. Die Kommunisten sagten damals: „Wir sind Teil der SU“.

Heute haben die Besatzer die Partei gespalten. 3 Teile sind im Irak im Parlament vertreten. Es ist für Talib und für viele andere Menschen unerklärlich, wie eine sich kommunistisch nennende Partei mit den US-Imperialisten zusammenarbeiten kann, die das Land besetzen. Doch diese Kommunisten werden von den US-Amerikanern bezahlt.

Ein irakische kommunistische Partei operiert vom Exil in Norwegen heraus gegen die US-amerikanische Besatzung.

Daniel Weigelt,
Dresden, 1@woschod.de

Fußnoten

  1. Am 5. März 2004 warf Blix, er führte die UN-Kommission zur Überwachung, Verifizierung und Inspektion von Januar 2000 bis Juni 2003, den USA und Großbritannien vor, sie hätten keine rechtliche Grundlage für ihre Militäraktion gegen den Irak gehabt. Schon seit einiger Zeit geht er zur damaligen „Koalition der Willigen“ auf kritische Distanz. In seinem am 9. März 2004 veröffentlichten Buch Mission Irak beklagt Blix, George W. Bush und Tony Blair hätten Mahnungen in Geheimdienst-berichten zur Vorsicht bei der Beurteilung von Angaben zu Iraks mutmaßlichen Massenver-nichtungswaffen ignoriert. (Quelle: Wikipedia, Wikipedia)
  2. Aus diesem Grund, dass selbst alte Menschen spät noch lesen und schreiben lernten, sprach Talib sogar von einer Alphabetisierungsrate von 109%.
  3. Dieses Gesundheitssystem brach 1990 mit den Sanktionen gegen das Land zusammen. Siehe dazu auch den Vortrag von Prof. Ulrich Gottstein „Wer litt unter den Sanktionen?“ unter: http://www.ippnw.de/
  4. Dabei wurde in der westlichen Propaganda gelogen, dass sich die Balken bogen. Erinnert sei nur an die 1992 aufgedeckte Lüge mit der 15-jährigen Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA, welche 1990 vor  einer amerikanischen Menschenrechtskommission des Kongresses aussagte, die irakischen Soldaten hätten Babys aus den Brutkästen gerissen und ermordet. Siehe auch: http://gib.squat.net/
  5. Dabei wurde fast völlig von der internationalen Öffentlichkeit ignoriert, dass zwischen den beiden Kriegen 1991 und 2003 der Irak fast ständig durch US-amerikanische und britische Kriegsflugzeuge bombardiert wurde. Auch während der Regierungszeit von Clinton. Zu dem Massaker am Ende des Krieges, dem Embargo und den weiteren Angriffen gegen den Irak siehe auch: http://www.embargos.de/
  6. Diese so genannte „Koalition der Willigen“ bestand letzlich sogar aus Ländern wie Mikronesien mit zeitweilig 15 Soldaten im Irak. Eine Übersicht mit Zahlen bietet dieser Wikipedia-Artikel: Wikipedia Besonders makaber ist dabei wohl, dass zu dieser Koalition, wenn auch ohne Soldaten im Irak, das von den USA 2 Jahre vorher überfallene Land Afghanistan gehört.
  7. Talib war 2007 in Deutschland bei einer Gedenkveranstaltung zur Selbstbefreiung des Konzen-trationslager Buchenwald dabei. Dort wurde auch davon gesprochen, dass die Häftlinge keine Namen sondern nur Nummern hatten. Später sagte er zu mir, das erinnert ihn an seine Gefangenschaft im Irak. Auch dort war er nur eine Nummer.
  8. Syrien beispielsweise hält sich zwar aus dem Konflikt raus, wird aber von den US-Amerikanern unter Druck gesetzt. Es ist somit weder Freund noch Feind.
  9. Klingt unglaublich?  „Terror eignet sich mehr als irgendeine andere militärische Strategie dazu, die Bevölkerung zu manipulieren.“ Dieser Satz stammt von Dr. Daniele Ganser, Historiker und Gladio-Forscher und ist erschien in: Der Europäer, Jg. 9 / Nr. 6 / April 2005. Gladio (ital. vom lateinischen gladius für Schwert.) oder auch Stay-Behind-Organisation war der Name einer Geheimorganisation von NATO, CIA und des britischen MI6 während des Kalten Kriegs. Sie existierte von etwa 1950 bis mindestens 1990 und erstreckte sich über das damalige Westeuropa, Griechenland und die Türkei. Im Zuge der Aufdeckung von Gladio wurde 1990 bekannt, dass Teile der Organisation unter Mitwirkung von staatlichen Organen systematisch und zielgerichtet an gravierenden Terrorakten in mehreren europäischen Ländern beteiligt waren. „Man musste Zivilisten angreifen, Männer, Frauen, Kinder, unschuldige Menschen, unbekannte Menschen, die weit weg vom politischen Spiel waren. Der Grund dafür war einfach. Die Anschläge sollten das italienische Volk dazu bringen, den Staat um größere Sicherheit zu bitten. Diese politische Logik liegt all den Massakern und Terroranschlägen zu Grunde, welche ohne richterliches Urteil bleiben, weil der Staat sich ja nicht selber verurteilen kann.“ (Vincenzo Vinciguerra, 1990 wegen Mordes an drei Carabinieri verurteilter Rechtsextremist und Gladio-Mitglied) Siehe zu Gladio auch: Telepolis