Gilt das Wertgesetz auch im Sozialismus?

Hermann Jacobs:
Gilt das Wertgesetz auch im Sozialismus? – Ein Artikel im “RotFuchs”

Wir wollen einen Hinweis vorwegschicken: “offensiv” hat sich in der jüngeren Vergangenheit intensiv in mehreren Artikeln mit der Frage der Warenproduktion, insbesondere Wertgesetz und Preissystem im Sozialismus/Kommunismus beschäftigt und so (nach meiner Meinung) einen zu beachtenden Beitrag zum Verständnis der Politischen Ökonomie des Sozialismus/ Kommunismus bzw. ihrer Probleme geleistet. Es sind zum Teil neuartige Erklärungen, Wertungen zur Frage der Warenproduktion unter Bedingungen des Volkseigentums bzw. der Planwirtschaft gegeben worden. Es wurde mit der stereotypen Auffassung, im Sozialismus müsse Warenproduktion sein, was schon fast zu einem religiösen Credo in der sozialistischen Linken erhoben ist, gründlichst gebrochen, es wurden endlich wieder Anknüpfungen an die bekannten Marxschen Gedanken zu dieser Frage vollzogen, dies geschah unter Hinweis auf praktische Erscheinungen in der Realität des Sozialismus/Kommunismus, es waren keine ausgedachten theoretischen Tüfteleien. Man hätte davon ausgehen können, dass die in diesen Artikeln geäußerten Gedanken allgemein beachtet, dass sie Eingang in adäquate Beiträge zu dieser Thematik gefunden hätten. Das betrifft in erster Linie solche Zeitschriften, die sich wie “offensiv” ihr positives Verhältnis zum realen Sozialismus bewahrt haben. Leider hat es eine solche Bereitschaft nicht gegeben. Wir sind mit unserer Orientierung auf “offensiv” beschränkt geblieben, Wir halten das für einen Fehler, für eine Unterlassung auch in solidarischer Hinsicht, in Hinsicht gegenseitiger Beratung und Lernbereitschaft. Wir umgekehrt werden uns aber um eine solche Solidarität und Lernbereitschaft bemühen, zunächst dadurch, dass wir uns sehr intensiv mit der Argumentation in den anderen Publikationen auseinandersetzen – was hiermit geschehen soll.

Der “RotFuchs” hat also einen Beitrag veröffentlicht, Thema ist das Wertgesetz im Sozialismus, Autor ist Prof. Dr. Fred Matho, einer der markanteren Ökonomen der DDR, der an der Partei-hochschule “Karl Marx” gelehrt hat, von ihm stammen sowohl Bücher zur Theorie der Warenproduktion im Sozialismus, analoge Werke zum Neuen Ökonomischen System der DDR, an dessen Gestaltung er maßgeblich wissenschaftlich mitgearbeitet hat, deren Geist er noch immer vertritt, wie nun sein Beitrag im “RotFuchs” zeigt.

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“Gilt das Wertgesetz auch im Sozialismus?”, hatte Fred Matho die Frage gestellt[6], und sie bejaht. Und nun die Gegenmeinung: Es gilt nicht. Nachhaltiger noch: Nicht, dass es nicht gilt, sondern dass es nicht galt, dass es maximal also nur um eine Forderung gehen kann, der aber die erreichte gesellschaftliche Wirklichkeit in der geplanten Wirtschaft (DDR, Sowjetunion ist hier egal, mit der Ausnahme von Jugoslawien) nicht entsprach, ist das Wesentliche. Man kann maximal ein ökonomisches System anregen, in dem das Wertgesetz wirken würde – und solche Systeme wurden angedacht, entworfen und ihre Praxis begonnen, aber sie kamen nicht bis zu einer solchen gesellschaftlichen Reife, dass man in der Tat von einem Wirken des Wertgesetzes im Sozialismus (gemeint ist seine erste Phase – nach bisheriger Diktion) hätte reden können. Man mag das bedauern, und wer dem Wertgesetz seine Sympathie leiht, wird das tun – und Fred Matho tut es auch -, nichtsdestoweniger ist die sozialistische Praxis anders zu erklären, und das bei wirklichem Wirken/Auftreten des Geldes, seiner ideellen Form Preis, der Selbstkosten-rechnung mit Hilfe der Preise, Erscheinen von Gewinn in Preisen usw., was gewiss eine Überraschung ist: “Wertkategorien” ohne Wertgesetz?

Nun könnte man im Text von Fred Matho genügend Hinweise finden, dass er ebenfalls die Praxis des Sozialismus des Mangels an konsequenter Handhabung dieser Kategorien bezichtigt.[7] Aber natürlich geht er nicht so weit, in dieser “mangelhaften Praxis” das Wirken nicht mehr Wertgesetzes zu erkennen, sondern sagen wir das Wirken eines anderen ökonomisches Prinzips. Z.B die Herrschaft des Proportionalitätssystems der geplanten Wirtschaft über das oder an Stelle des Äquivalenzsystems der Warenproduktion. Im Gegenteil: Es ist Wertgesetz – “formell bürokratisch”, “leider dogmatisch gehandhabt” usw. Es darf eben nicht sein …

Wir, die wir a priori davon ausgehen, dass das Wertgesetz im Sozialismus nicht wirken kann (und dementsprechend auch nicht wirken darf – wir sind also gegen Reformen entsprechender Art, sind auch politisch Gegner einer solchen Initiative – ich zumindest war es) haben es einfacher, uns mit den “Mängeln” im Preis- wie Geldsystem des Sozialismus anzufreunden und ebenfalls, wie Dr. Matho, mehr Konsequenz anzumahnen – allerdings in die andere Richtung.

Was ist beim Wertgesetz und was beim Sozialismus, seiner Ökonomie zu beachten? Und was wird von den Wertökonomen immer übersehen (weshalb es auch nicht zum Verständnis der beiden Arrangements der Wissenschaft im Sozialismus kommt)? Dass sie es als überragendes Gesetz behandeln, so, als würde es die Rationalität in der Arbeit schier ersetzen (wenn nicht Wertgesetz, dann keine Ökonomie, oder nur deren Chaos). Sie monopolisieren das Wertgesetz für die Ökonomie und sehen nicht, dass es in der Ökonomie (wo sie konkret wird) nach einem anderen Gesetz zugeht, sie haben aufgehört die Alternative zu sehen.

Übersehen wird, dass die gegenständliche Inbesitznahme der geleisteten Arbeit (also die in der Form der Preise und des Geldes usw.) bereits die zweite Form der Inbesitznahme der Arbeit (in zeitlicher Hinsicht) ist. Die erste besteht in der “Inbesitznahme” des Wertes in der Form der lebendigen Arbeit selber; man “besitzt” doch die Arbeiter, die man beschäftigt, und durchaus rational beschäftigt. Sie sind Beschäftigte des Betriebes, und ihr Arbeitsaufwand geht auch in das Produkt ein, er ist ebenfalls gemessen (oder kann gemessen werden bzw. wird/wurde gemessen), in der direkten, naturalen Form (auch der Arbeitszeit). Bei normbaren Arbeiten geschah das doch millionenfach, bis auf den einfachen Arbeitsgang ausgedehnt. Und selbst bei nichtnormbarer Arbeitszeit, also Zeitlöhnern, galt die Zeit als produktive Zeit. (Und theoretisch liegt auch der Wertform der Arbeitszeit keine andere als diese naturale Form der Arbeitszeit zugrunde, trotz der so genannten äußeren Messung des Wertes – durch alle und jede Arbeit). Ergo: Es gibt die ökonomischen Gesetze, das Wertgesetz ist nur Zusatz.

Diesen inneren, lebendigen Wert, die Arbeit als rationalen Prozess besitzt/verwaltet also der sozialistische Betrieb (wie ihn der kapitalistische Betrieb besessen und verwaltet). Warum kann sich der sozialistische Betrieb nicht mit dem naturalen Besitz des Wertes begnügen? Warum soll er wie der kapitalistische Betrieb/Warenproduzent diese natürliche Form des Besitzens durch die “unnatürliche” (gesellschaftliche, gegenständliche) Form des Besitzens, also zu einer Doppel-form der Besitzergreifung erweitern? Warum die zweite Form der Inbesitznahme des Arbeits-aufwandes im Geld, in der Geldform, unmittelbare Wertform oder Tauschwert genannt? Was ja eine “schielende Weise” ist, den Wert “in Besitz” zu nehmen (Engels), und warum bedarf er des Geldes, um diesem Besitz auch eine gegenständlich nehmbare Form zu geben?

Weil dieser Grund das Privateigentum an der Arbeit ist, unter deren Bedingung die Arbeit beginnt arbeitsgeteilt zu produzieren, weshalb ein Privateigentümer beginnt, mit der Arbeitsteilung gesellschaftlich zu produzieren. Das ist die geschichtliche Besonderheit: Privateigentum beginnt zur gesellschaftlichen Arbeit überzugehen. Und wie behauptet sich Privateigentum nun unter dieser Bedingung? Dadurch, dass es an seinem Besitz festhält, ihm eine Form gibt, unter der es am Eigentum festhalten kann bei Vergabe, Weggabe des Produkts an einen gesellschaftlichen, also anderen Verbraucher. Weil der produzierte Gebrauchswert in einen gesellschaftlichen Gebrauchswert verwandelt, deshalb muß sich das Privateigentum in ein privates Produkt verwandeln. Weil der Gebrauchswert gesellschaftlich, deshalb der Wert privat! So ist die Dialektik. (So hat es Marx gesagt, und würden wir es nicht weiterhin so sagen, würfen wir nur den ganzen Marxismus über Bord).

In diesem Verhältnis von einerseits Arbeitsteilung und andererseits Privateigentum stellt das Privateigentum die Bedingung für die Arbeitsteilung dar, aber nicht umgekehrt die Arbeits-teilung die Bedingung für das Privateigentum (seine nun entstehende Form, es zu behaupten). Wir müssen auch in dieser Beziehung an der üblichen, marxschen, und auch dialektisch richtigen Beziehung von einerseits Voraussetzung und andererseits Entwicklung unter dieser Bedingung festhalten. Das Privateigentum an der Arbeit ist vorausgesetzt (das Verhältnis ist vorausgesetzt), die Entwicklung nachgesetzt. Unter dieser Bedingung wird nicht das Privateigentum durch die Arbeitsteilung aufgehoben (oder gar nicht erst hergestellt, was man ja auch annehmen könnte und bei Gemeinbesitz an der Arbeit auch annehmen muß; Marx bringt dafür die Beispiele), sondern wird Privateigentum in einer spezifisch gesellschaftlichen Form geboren: Warenform des Privateigentums. Weiter (!) kann das Kompromiß nicht gehen. Es wird zum Schein, Arbeitsteilung und Warenproduktion würden ja zur gleichen Zeit geboren und deshalb bedingen sie einander; und auf diesen Schein fallen eben die Wertökonomen des Sozialismus (“Marxismus”?) herein. Für die Entwicklung kann Bedingung nur sein, was ihr vorausgesetzt ist. Und selbst Bedingung, also Ursache, kann die Entwicklung nur sein für das, was ihr nachgesetzt ist. (An dieser Stelle nur soviel: Entwicklung der Arbeitsteilung, ihre höhere Form, steht daher für Aufhebung der Warenproduktion, weil des Privateigentums! Also eine ganz andere Art von Dialektik als bei Fred Matho).

Die Arbeitsteilung (arbeitsgeteilte Produktion), die ansonsten für sich, in ihren eigenen Verhältnissen zu verstehen gewesen wäre, bekam nun ein gesellschaftliches Produktions-verhältnis übergestülpt, und wir haben “gelernt”, die Arbeitsteilung warenökonomisch, d.h. privatökonomisch zu verstehen. Uns kommt die Wertform, d.h. die Warenform der Produkte, als etwas ganz Normales vor; wir verstehen Arbeitsteilung wo wir doch Privateigentum zu verstehen hätten, die Verhältnisse sind uns durch die Wertform der Waren mystifiziert: Wir können nicht mehr normal denken, d.h. nicht, noch nicht … arbeitsgeteilt, d.h. unmittelbar gesellschaftlich, ohne, außerhalb der Wertform. Das ist unser Problem, nicht das der Ökonomie oder ihrer gesellschaftlichen Form, der arbeitsgeteilten Produktion.

Die sozialistischen Wissenschaftler mußten immer die Frage beantworten – wollten sie die Warenproduktion im Sozialismus gängig beantworten: wie man denn einerseits das Privateigentum aufheben kann, andererseits an der Form des privaten Besitzens festhalten wollte/sollte. Einerseits hatte man die Warenproduktion beendet, andererseits setzte man sie fort, wollte sie fortsetzen. Man löste den Widerspruch (in sich selber) auf die folgende köstliche Art (Fred Matho ist da typisch): “Unter Bedingung gesellschaftlicher Arbeitsteilung und selbstständiger Wirtschaftseinheiten werden die arbeitsteilig erzeugten Produkte und Leistungen zu Waren, die auf einem Markt ausgetauscht werden müssen. Die Waren haben einerseits einen Gebrauchswert … und andererseits einen Wert, der den Arbeitsaufwand für die Ware verkörpert. Der Wert erscheint mit Hilfe des Geldes als Preis”.

Wie wir sehen, hat Matho geändert, was hier Bedingung für was ist. Bei ihm ist die Arbeitsteilung Bedingung für die Ware, wenn – und diesen Zusatz erlaubt er sich – die “Wirtschaftseinheiten selbstständig” sind. Beide Bezüge stellt er gleichberechtigt nebeneinander. So erscheint nicht, dass die Arbeitsteilung im Grunde eine Vergewaltigung durch ein Verhältnis erfährt (Warenproduktion ist eine Vergewaltigung der Arbeitsteilung), und erscheint ebenfalls nicht, dass sich zwischen der Arbeitsteilung und dem Privateigentum an der Arbeit mit der geschichtlichen Entwicklung der Arbeit (!) ein Gegensatz entwickeln muß. Von dem gehen wir aber aus; so mir nichts Dir nichts darf kein Marxist gegen irgendwas in der Geschichte sein, weder gegen das Eigentum, noch gegen die Warenproduktion, das muß schon einen Grund haben.

Also: Bei Fred Matho stehen Arbeitsteilung und “selbstständige Wirtschaftseinheiten” (eigentlich müßte es Volkseigentum heißen) friedlich, wie selbstverständlich nebeneinander.

Apropos: Was sind “selbstständige Wirtschaftseinheiten”? Matho führt sie hier ein (natürlich nicht er als der spiritus rector, sondern das wurde so üblich) an Stelle des Privateigentums. Eigentlich, beim Eigentum angelangt, müßte er von Volkseigentum sprechen. (Was man übrigens getan hat: Man sprach vom Volkseigentum (das Waren produziert) als Volkseigentum erst besonderen Reifegrades.) Er scheint auch beim Volkseigentum angelangt zu sein, spricht er doch nicht mehr vom Privateigentum als einer Bedingung für die Arbeitsteilung im Sozialismus/Kommunismus. Aber er spricht von “selbstständigen Wirtschaftseinheiten” im Sozialismus, und die scheinen die selbe Kraft zu besitzen wie das Privateigentum: Sie beanspruchen das Recht auf Warenproduktion. Das heißt, hinsichtlich der Warenproduktion sind wir nicht gerettet. Ob das Ding Eigentum nun privat oder gesellschaftlich heißt, bleibt sich egal, in beiden Eigentumsformen sind die Wirtschaftseinheiten selbstständig und Selbstständigkeit dieser Einheiten führt zur Warenform der Produkte. Die Vermutung, dass, wenn Privateigentum aufgehoben ist und das Volkseigentum beginnt, die Warenproduktion endet, “hat sich als falsch erwiesen” (“Stalinscher Dogmatismus”?). Die Warenproduktion geht weiter, weil die ökono-mische Selbstständigkeit, die die Ware erforderlich macht, weitergeht. (Auch für den schnellen Leser sind “Privateigentum” und “selbstständige Wirtschaftseinheiten”, bezogen auf die Warenform der Produkte, nunmehr austauschbare Begriffe).

Wäre Fred Matho genau gewesen, hätte er schreiben müssen (Bedingung immer vorneweg): “Unter der Bedingung selbstständiger Wirtschaftseinheiten (die auch für Volkseigentum steht, welches das Privateigentum aufgehoben hat) behalten die Produkte in einer arbeitsgeteilten Produktion die Form der Ware”.

Mit dieser “gängigen Meinung” verabschiedete sich die sozialistische Gesellschaft von sich, oder auf sie hatte sich ihre Wissenschaft geeinigt, um sich von ihrer Gesellschaft, wie sie mal vermutet worden, zu verabschieden. Das Volkseigentum bedeutet kein Ende der Waren-produktion, im Gegenteil: weil es in “selbstständigen Wirtschaftseinheiten” gesetzt ist, bedeutet es eine neue, weitere Form der Warenproduktion, der Sozialismus ist eine besondere Form der Warenproduktion usw. usf. Um sich in ihrer bisherigen ursprünglichen Aussage – vom Gegen-satz von Kommunismus und Warenproduktion – zu versichern, vertagte man diesen Gegensatz auf die zweite Phase des Kommunismus. (Bis zu der es noch “lange dauern” würde; sicher ist sicher).

Was ist falsch? Schauen wir uns zunächst die Arbeitsteilung, die Matho – und viele, viele andere – so gleichberechtigt (als Ursache/Grund/Anlass) von Warenform) neben das Eigentum stellt, etwas genauer an: 1. Die Arbeitsteilung ist eine Entwicklung der Arbeit zu ihrem/einem gesellschaftlichen Charakter, und hat zunächst mit Errichten eines Produktionsverhältnisses zu dieser Entwicklung gar nichts zu tun, Entwicklungen in der Arbeit sind nicht direkt auch ihre Produktionsverhältnisse. D.h. die Arbeitsteilung ist, einmal begonnen, ewig und greift über Produktionsverhältnisse, Gesellschaftsordnungen, hinaus. Aus der Arbeitsteilung als solcher kann nicht auf Warenproduktion geschlossen werden (denn auch der Kommunismus hebt die Arbeitsteilung nicht auf). Aber wenn dieser Schritt im Charakter der Arbeit begonnen/ aufgenommen wird unter Bedingung des privaten Eigentums an der Arbeit, dann nimmt das “arbeitsteilig erzeugte Produkt” den Charakter der Ware an. D.h. dann nimmt es die Form ihres Wertes an, d.h. die Form des Arbeitsaufwandes an, der bei ihrer Produktion gebraucht/ verbraucht worden ist. Die Bedingung des privaten Eigentums, also die gesellschaftliche, forma-torische Voraussetzung verschweigt Fred Matho in seiner Begründung für den Sozialismus. Arbeitsteilung heißt aber nicht, dass die Produkte eine Wertform haben müssen und dass sie diese tauschen müssen (von der Ware zum Geld, von der besonderen Wertform zur all-gemeinen), sondern dass sie gesellschaftlich fließen – das Mehl zum Bäcker, das Brett zum Möbelbauer, das Erz zum Stahlwerker usw. Nirgendwo ist mit diesem gesellschaftlichen Fluß der Gebrauchswerte gesagt, dass der Bäcker dem Müller die Arbeitszeit ersetzen, zurückgeben muß (in einer gegenständlichen Form), damit dieser “weiterarbeiten” kann oder dessen Arbeit reproduziert werden kann. Wieso denn? Die Bedingungen der Arbeit des Müllers waren doch auch gegeben bevor er sein Mehl weitergeben konnte, und sie haben doch nicht dadurch aufgehört zu existieren, dass er sein Produkt weitergeleitet hat. Es kann doch geben (und muß geben, das ist natürlich klar) ein gesellschaftliches Recht beim Müller, das ihn in die Lage versetzt, jeden Zugriff auf die Arbeit anderer Produzenten zu tätigen, wodurch er seinerseits in die Lage versetzt ist, Mehl zu produzieren; wie ja auch seine Mehllieferung den Bäcker in die Lage versetzte, Brot zu backen. Man kann sich in einer warenökonomischen Denkweise von der Ökonomie immer nicht vorstellen, was unmittelbare Rechte, unmittelbare Zugriffe auf solche Arbeit ist, die als Voraussetzung der eigenen Arbeit existiert. Aber das gibt es: Unmittelbar gesellschaftliche Arbeit, d.h. gesellschaftliche Arbeit (für andere) ohne die Waren- sprich Wertform der Produkte.

Warum Wertform, was bedeutet sie?

Nun, weil der am Produkt fixierte Wert der Rahmen ist, über den der Eigentümer (die “Selbstständige Wirtschaftseinheit”) die Arbeit anderer Betriebe besitzen kann. Der Wert wird gesellschaftlich besessen, das warenproduzierende Privateigentum ist eine Gesellschaftsform des Privateigentums. Aber was hier Freiheit, ist zugleich Grenze. Die “selbstständige Wirt-schaftseinheit” einer Warenökonomie ist bei der Aneignung der Arbeit anderer auf den Stand gebannt, den sie selbst verkörpert. Sie kann nicht mehr Arbeit gegenständlich aneignen, als sie lebendig besitzt.

Ist das nun aber das ökonomische Recht einer Wirtschaftseinheit im Sozialismus, in einer Planwirtschaft, das ist doch die Frage und Fred Matho meint nun, im guten Recht zu sein, wenn er die Frage bejaht. (Das heißt, ihre Bejahung verlangt). Damit verstößt er aber gegen die Praxis der Planwirtschaft. Die geplant bewegte Wirtschaftseinheit kann gleich, mehr, oder darf nur weniger an gegenständlicher Arbeit aneignen (in der Form der Produkte selbst), als sie lebendig besitzt. Um die Inthronisation dieses ökonomischen Rechts geht es im Sozialismus/ Kommunismus, dafür habt Ihr 200 Jahre gekämpft.

Was, der sozialistische Betrieb braucht das Prinzip der Äquivalenz nicht? – Nein, das braucht er an sich nicht, formell aber ab dann nicht mehr, wenn die Inbesitznahme anderer Arbeit als der eigenen  gesellschaftlich über eine andere gesellschaftliche Form geregelt ist. Das allerdings muß sein. D.h. wenn es einen unmittelbaren Zugang zu jeder Art von anderer Art von Arbeit gibt. Und den gibt es ab dem Beginn der geplanten Wirtschaft, wo per Plan entschieden wird, in welchem Umfang ein sozialistischer Betrieb an der Arbeit anderer Betriebe partizipiert. Und dieser Umfang wird nun nicht nach einem Äquivalenzprinzip entschieden, also soviel Arbeit ich gegeben (oder mir genommen ist) soviel muß mir gegeben sein, sondern, da Betriebe im Rahmen einer Arbeitsteilung (!) produzieren, und im Rahmen einer arbeitsteiligen Form der Expansion reproduzieren, wird über die Frage des zu Gebenden proportional entsprechend einem Bedarf entschieden, der zuvor durch Bedürfnisse gemessen ist. Also erweiterter Bedarf ist, wenn Bedürfnisse erweitern, und gleicher bzw. geringer werdender Bedarf ist, wenn Bedürfnisse stagnieren oder zurückgehen. Dem entsprechend ändert die Aneignung der Menge nach, das Recht auf Aneignung aber ist gesellschaftsoffen. (Und das ist ein ökonomisches Prinzip, sonst stecke man sich den ganzen Kommunismus gleich hinter den Hut). Dass die Vermittlung gleichermaßen über die Geldform erfolgt, besagt gar nichts, wenn die jeweiligen Mengen verschiedene sind, d.h. einmal nur konsumtiv, andermal nur produktiv zu erklären sind. (D.h. einmal dem Betrieb Gewinn weggenommen (weggeplant) wird, andermal zugelegt.)

Damit gibt es auch nur noch eine proportionale Aneignung von “Gewinn”, d.h. erweiterter Re-produktion, deren Umfang ist in der Proportionalität der der erweiterten Reproduktion dienenden Produktion vorgegeben, die Ökonomie weist ja eine Struktur auf, und aneignen heißt, die Struktur anzueignen; es kann die allgemeine und gleiche Aneignung des “Gewinns” in der sozialistischen Produktionsweise nicht mehr geben. Und gibt es auch im Kapitalismus nicht, wie der Zwang, per Leihkapital sich vom Besitz der unmittelbaren Kapitalform zu trennen, beweist (unter der Bedingung allerdings, dass das Kapital vergesellschaftet).

Dieser Unterschied in der ökonomischen Auffassung bzw. im Verhalten zur Produktion (das eine ist ein Verhalten zur abstrakten Seite der Arbeit, das andere eines zur konkreten) muß man begriffen haben, sonst erübrigt sich ein Gesellschaftsanspruch, der über die Warenproduktion resp. ihre kapitalistische Form hinausgeht, also erübrigt sich der Kampf für die sozialistisch-kommunistische Gesellschaft.

Also kein Wertgesetz? Nein. Wenn wir sagen, wir brauchen in der Ökonomie nicht das Prinzip der Äquivalenz, so deshalb, weil es durch ein anderes ökonomisches Prinzip der Aneignung – auch der Aneignung der Arbeitszeit anderer “Wirtschaftseinheiten” – ersetzt wird. Es handelt sich um zwei verschiedene Rechte, und aus diesem Grund um zwei verschieden gesetzte Größen. Das Problem ist also, dass wir es im Sozialismus durchaus mit “selbstständigen Wirtschaftseinheiten” zu tun haben, aber es sind keine Wirtschaftseinheiten im Sinne von Privateigentum, das über keine andere Möglichkeit der gesellschaftlichen Inbesitznahme von jeder Art anderer Arbeit verfügt als der, seiner besonderen Arbeit die Form einer gegen-ständlichen Allgemeinheit zu verleihen. Warenproduzierendes Privateigentum, also gesell-schaftlich produzierendes Eigentum, muß eine allgemeine Verkehrsform gebären, weil es außer seiner Arbeit kein anderes ökonomisches Recht auf Arbeit in jeder anderen Form geltend machen kann. Das Volkseigentum ist aber allgemeines Eigentum, d.h. besitzt dieses Recht auf die Inbesitznahme aller gesellschaftlichen Arbeit unmittelbar, qua Eigentumsverhältnis. (Volkseigentum, allgemeines Eigentum, das ist doch nicht bloß ein Name, das ist doch ein Recht). Die gesellschaftliche, die Gesamtarbeit (das Recht auf jede Arbeit) ist der Rahmen seiner Besitzergreifung, nicht die eigene Arbeit. Und andere Arbeit besitzen, in Besitz nehmen, muß der volkseigene Betrieb nur in dem Verhältnis, als er selbst arbeitsgeteilt für die Gesellschaft produziert, d.h. soweit er für den Bedarf der Gesellschaft notwendig produziert, was auch heißt, notwendig expandiert (oder auch implodiert, das ist hier gleichberechtigt). Dass das Wertgesetz (das Äquivalenzrecht) aufgehoben, heißt nur, dass es durch ein anderes ökonomisches Recht ersetzt worden ist. Es aufgehoben zu haben, es aber nicht durch ein anderes reales Prinzip der Verteilung ersetzt zu haben, hätte nur dazu geführt, die Wirtschaft binnen weniger Tage dem Zusammenbruch ausgesetzt zu haben. Da es diesen nicht gegeben hat – ist das Wertgesetz ersetzt worden.

Man frage also nicht nach dem Wertgesetz, ob es noch im Sozialismus gewirkt habe, sondern frage danach, ob denn das Recht auf proportionale Aneignung, Aneignung nach dem Bedarf gewirkt habe und wie es gewirkt habe. (Es kann auch schlecht gewirkt haben; ein an sich richtiges – neues, kommunistisches – Recht kann auch schlecht gewirkt haben, weil Planung der gesamten Arbeit noch nicht beherrscht war, was aber nichts an seinem prinzipiellen, gesell-schaftlichen Recht ändert.) An dieser Antwort muß der Sozialismus interessiert sein, nicht an der abstrakt abwegigen Frage nach dem Wertgesetz im Sozialismus.

Bliebe also nur noch – nach Dr. Matho -, dass die Darstellung des Wertes im Tauschwert (Geld) doch aber den Arbeitsaufwand misst. (“Also wie groß der Arbeitsaufwand für die einzelne Ware sein darf”; das ist die Theorie vom gesellschaftlichen Druck, der auf die einzelnen Individuen ausgeübt werden muß,, damit sich diese “bewegen”). Nun, der Arbeitsaufwand im Wertgesetz ist aber kein individuell notwendiger Aufwand, sondern ein gesellschaftlich notwendiger. Er stimmt nur im Durchschnitt. Und dieser schwankt unter der Macht der Märkte (Angebot und Nachfrage) hin und her, er ist überhaupt überbewertet, steht oberhalb jedes wirklichen Arbeitsaufwandes, wenn es sich um komplizierte Arbeit handelt, und letztlich stellt sich die Frage der Bestimmung des Teils der Arbeitszeit (oder Wertes), an der der Gewinn (Mehrwert oder Profit) gemessen wird, d.h. wenn die Arbeit eine unterschiedliche organische Zusammensetzung aufweist. Die Frage, wie sich der Sozialismus zum Produktionspreis verhält, ist nie beantwortet worden (von den Wertökonomen). Die Abweichungen der Wertbestimmung der aufgewandten Arbeitszeit von der tatsächlich aufgewandten – naturalen – Zeit sind derart gravierend, dass die Wertform zwar eine die Arbeitszeit messende Zeitform ist, aber eine höchst ungenaue. Sie fällt um so weniger mit der Arbeitszeit der im Betrieb tatsächlich beschäftigten Arbeiter zusammen, je mehr sich die Qualität der Arbeit von der einfachen Form der qualitativen Arbeit abhebt. Wir brauchen aber für die Bestimmung gerechter Löhne die exakt gearbeitete Zeit. Der notwendige Arbeitsaufwand ist ein individueller Aufwand, wie er den konkreten Bedingungen der konkreten Arbeit entspringt, und dieser wird am besten in der realen Arbeit selbst gemessen, und überhaupt nicht in einer gegenständlichen Form, also im Geld. Wo es im Sozialismus der Planwirtschaft um ökonomische Bedeutung der Zeit geht, handelt es sich um diese “naturale” Zeitbestimmung, und da gilt sie nur für den Lohn. Wertbestimmte Zeit, d.h. durchschnittliche Bestimmung der Zeit, taugt für diesen Zweck nicht. Wo wir also in der Tat an einer Zeitbestimmung im Sozialismus festhalten müssen (wo von dieser Zeit Aneignung abhängig ist), kann die Wertform der Bestimmung a priori nicht gelten – was eigentlich auch ein “sozialistischer Warenproduzent” bestätigen müßte. Nach welcher Zeit zahlt er denn den Lohn an seine “sozialistischen Warenproduzenten”? (So nimmt es auch nicht Wunder, dass an die Wiedereinführung der Wertform besondere Lohnsysteme gekoppelt worden sind, z.B. gewinnabhängige Lohnzahlung oder Prämiensysteme, weil Lohnempfänger anders als über zusätzlichen, besonderen Lohn der Wertform kein Interesse abgewinnen können; diese Lohnsysteme hätten aber die Arbeiter des Sozialismus sozial differenziert, waren also untauglich für den Begriff des Volkseigentums.)

Den Wertökonomen ins Stammbuch: Zur Beherrschung der Wertform gehörte es unbedingt, in Preisen den sinkenden Werten zu folgen; allgemein: den Veränderungen in der Arbeits-produktivität anzupassen. Dass die Warenproduzenten “ehrlich”, ist die Voraussetzung, dass das Geld “ehrlich”, d.h. auch den Wert “misst”. Eine solche Ehrlichkeit hat noch jede sozialistische Warenökonomie vermissen lassen, sie war in keinem Reformprojekt vorgesehen. Was wollt Ihr also? Im übrigen: Auch der Kapitalismus ist mehr mit der Beherrschung der Geldform für den Wertausdruck beschäftigt als mit dem Wertausdruck der Waren. Da macht jeder was er will, und nur die allgemeine Konkurrenz, der ökonomische Krieg des einen gegen den anderen, ist der Mechanismus, alles einigermaßen wieder auf die Reihe zu kriegen, d.h. Geldmengen Wert-mengen zuzuordnen. Unvermeidlich wäre Inflation/Konkurrenzkampf über die Preise das Schicksal jeder wertökonomischen Reform im Sozialismus geworden, d.h. die Planung der Wirtschaft hätte gänzlich der Konkurrenz geopfert werden müssen – oder es wäre nicht Warenökonomie herausgekommen.

Selbstverständlich muß das Wertgesetz Gültigkeit auch für den Sozialismus haben, aber dann handelt es sich um solchen Sozialismus, in dem das Recht des Privateigentums für bereits nicht mehr private Betriebe, also juristisch gesehen volkseigene Betriebe, nicht aufgehoben ist, d.h. dann handelt es sich um besonderen “Sozialismus”, chinesischen z.B. Aber um den ging es weder in der DDR noch in der Sowjetunion, nicht an sich in einer Planwirtschaft des Sozia-lismus. Also, diese Bedingung muß erfüllt – oder geklärt – sein in der Voraussetzung, damit man die Frage, ob das Wertgesetz im Sozialismus noch gilt, einwandfrei beantworten kann. Sonst kann man es nicht und sonst meint man, indem man die Forderung nach dem Wertgesetz erhebt, auch einen anderen Sozialismus als den, den es gegeben hat.

Dr. Matho zeigt sich im “RotFuchs” optimistisch (“Fehler dürfen sich nicht wiederholen”, “negative … Erfahrungen … in real sozialistischen Wirtschaften … sollten als Mahnung dienen”) und hofft auf China: “Besondere Lehren und Hinweise werden im wachsenden Maße vom chinesischen Marktsozialismus zu erwarten sein”. Und was, wenn diese Erfahrungen/Lehren negativ sein werden, wird er es dann glauben, dass es nicht geht? (In China wirkt das Wertgesetz, aber nur über die Geißel der Inflation – was auch eine Aussage darüber ist, wie das Wertgesetz überhaupt noch wirken kann.) Ein Land, das sich zur politischen Form der sozialis-tischen Macht zurückentwickelt hat, aber die Ökonomie noch nicht bis zur Planwirtschaft vorangetrieben hat, kann Lehren für die Marktwirtschaft, sprich Warenproduktion, oder eine so genannte Vorperiode vor dem Kommunismus vermitteln, aber nicht für den Sozialismus/ Kommunismus. Wir lehnen ja die Warenproduktion nicht deshalb ab, weil sie unökonomisch ist, sondern weil sie Widersprüche bis Antagonismen gegen die Arbeiterschaft, also den sozialen Gegensatz hervorbringt; sie unterwirft doch nicht nur die Arbeit, sondern auch den Arbeiter der Warenform, d.h. sie trennt den Arbeiter von seinem Reichtum, den er produziert, indem sie den Arbeiter auf den Wert reduziert – seiner Arbeit gegenüber. So dass der Reichtum seiner Arbeit anderen gehört, einer anderen Klasse. Aber für die denken und schreiben wir doch nicht, wollten es jedenfalls nicht tun.

Hermann Jacobs, Berlin

  • [6]Siehe “RotFuchs”, Märzausgabe 2006.