Leserbrief an die junge Welt“; Betr.: Heinz Stehr zum Ausschluss von Genossin Wegner aus der „Linken“-Fraktion

Fritz Dittmar:
Leserbrief an die junge Welt“;
Betr.: Heinz Stehr zum Ausschluss von Genossin Wegner aus der „Linken“-Fraktion

Heinz Stehr bemüht sich, Christel zu verteidigen und die Position der DKP zu „Stasi und Co“ klarzustellen. Die „Substanz“ der Verteidigung enthalten zwei Sätze, die ich hier zitiere:

„Für uns ist nur ein Sozialismus vorstellbar, der die breitestmögliche Entwicklung von Demokratie zur Voraussetzung hat. Je mehr Menschen in lebendige demokratische Prozesse einbezogen sind, desto überflüssiger  wird jede Form von Gängelung, Repression, Bespitzelung und Bevormundung, die nicht mit sozialistischer Demokratie zu vereinbaren ist.“

So einem Text würde ich keinem Schüler der zehnten Klasse durchgehen lassen. In zwei Sätzen ein komplettes Kauderwelsch, zu dem sich jeder seins denken kann:

„vorstellbar“: Was hindert Heinz, sich den Sozialismus in der DDR vorzustellen? Gemeint ist vermutlich „erstrebenswert“ oder „akzeptabel“.

„breitestmöglich“: Breitestmöglich im Rahmen eines gegebenen historischen Kräftever-hältnisses, oder im Rahmen von Heinz` Auffassungen und Wünschen?

„zur Voraussetzung hat“: Ist damit eine zeitliche Abfolge gemeint (erst breitestmögliche Entwicklung der Demokratie, dann Sozialismus), oder handelt es sich um einen falschen Ausdruck (zur politischen Grundlage hat.)?

„überflüssiger“: „überflüssig“ lässt sich nicht steigern!

„Formen von Gängelung…, die mit sozialistischer Demokratie nicht zu vereinbaren sind.“ Und was sind die anderen Formen, die vereinbar sind? Zwei getrennte Gedanken erfordern zwei Sätze!

Lesbar würde der Text so lauten: „Für uns ist nur ein Sozialismus akzeptabel, der politisch auf der umfassenden Entwicklung von Demokratie beruht. Wenn die große Mehrheit der Menschen in lebendige demokratische Pro-zesse einbezogen wird, wird jede Form von Gängelung, Repression, Bespitzelung und Bevor-mundung überflüssig. Solche Formen sind für uns mit sozialistischer Demokratie nicht zu vereinbaren.“

In diesem Text tritt klarer hervor, worum es wirklich geht: um sozialdemokratische Positionen reinsten Wassers. Ein Sozialismus, der auf „jede Form von Gängelung, Repression, Bespit-zelung und Bevormundung“, auch der ehemals Herrschenden, verzichtet, kommt nie. Die Kapi-talisten würden sich schon durch die Enteignung in unerträglicher Weise gegängelt, unterdrückt und bevormundet fühlen. Wohlgemerkt: Auch Unterdrückung durch eine Mehrheit bleibt Unterdrückung. Und bespitzelt fühlen sie sich schon heute durch die Steuerfahndung. Was in Chile Allendes Sozialismus zum Erfolg gefehlt hat, war genau ein Dienst, der Pinochet erfolgreich „bespitzelt“ hätte, und eine bewaffnete Macht der Arbeiter, die ihn erfolgreich unterdrückt hätte. Es soll uns doch keiner erzählen, die fortschrittlichen Kräfte hier müssten nach ihrem Sieg nicht mit den deutschen Pinochets fertig werden!

Nichts anderes hat Christel in dem Interview ausgedrückt, und Heinz fällt ihr und allen Marxisten in den Rücken, wenn er diese Notwendigkeit bestreitet. Er distanziert sich damit von Marx´ und Engels Auffassung vom Wesen des Staats als Diktatur der ökonomisch herrschenden Klasse, von Lenin und der Oktoberrevolution gar nicht zu reden, und auch vom DKP-Programm: „Darum müssen alle Versuche der entmachteten Ausbeuter, die…kapitalistische Ausbeuterordnung wiederherzustellen,…unterbunden werden.“

Dass Heinz das Einknicken der „Linken“ kritisiert, ist nicht aufrichtig. Die distanzieren sich, weil sie einen ernsthaften Kampf gegen den Kapitalismus nicht wollen oder weil sie für die Gunst von Medien und Wählern über jedes Stöckchen springen, das die Herrschenden ihnen hinhalten lassen. (Beides läuft letzten Endes auf das Gleiche hinaus: auf das Ankommen im System.) Und Heinz knickt vor der Führung der Linken ein, so wie die vor dem Anti-kommunismus.

Was von Kommunisten zu erwarten war, war folgende Position: „Wir haben schon immer befürchtet, dass die Führung „der Linken“ bei Angriffen der Herrschenden vom Bündnis mit uns bereitwillig abrückt. Enttäuscht sind wir aber schon, dass sie so unkritisch, prompt und diensteifrig reagieren. Wir haben das Bündnis mitgetragen, solange es fortschrittliche Politik förderte. Wir wollen das Bündnis weiterhin, nicht in unserem Interesse, sonder im Interesse des gemeinsamen Kampfes für die Interessen der Arbeiter. Wir geben uns aber nicht dazu her, die Arbeiter über das Wesen des Kampfes zu täuschen, nur damit „die Linke“ uns weiter als Bündnispartner duldet. Verrat ist kein Preis, den wir für das Bündnis zahlen.“

Fritz Dittmar,
Hamburg

(Dieser Leserbrief wurde von der „jungen Welt“ nicht abgedruckt; d.Red.)