Manfred Sohn macht sich Gedanken über die Perspektive der revolutionären Partei heute und kommt zu dem Schluß, daß es einer solchen Organisationsform nicht mehr bedarf.

Andrea und André Vogt: Manfred Sohn macht sich Gedanken über die Perspektive der revolutionären Partei heute und kommt zu dem Schluß, daß es einer solchen Organisationsform nicht mehr bedarf.

Stattdessen sei „ein Netz zu knüpfen, das in der Lage ist, in verschiedenen Organisationen und Institutionen – Parteien, Gewerkschaften, … so zu wirken, daß das Kernziel, … wieder in die Griffnähe einer historischen Kraftanstrengung rückt.”

Also Netz statt Partei. Zur Rechtfertigung seiner These führt M. S. „sich gegenseitig in konkurrierenden Parteien bekämpfende(r) Kommunistinnen und Kommunisten …” an, was er „unpraktisch” findet. Dazu ist zu sagen, daß es weder konkurrierende kommunistische Parteien, noch sich bekämpfende Kommunisten gibt. Diese bürgerliche Vorstellung gründet im Pluralismus, bei dem wissenschaftliche Weltanschauung als eine Art Meinung unter vielen solchen rangiert. Von Kommunisten wird jedoch immer nur das Nichtkommunistische (in den Anschauungen) bekämpft. Wenn sich eine Partei kommunistisch nennt und wenn Leute wie Heinz Stehr oder Sahra Wagenknecht sich als Kommunisten verstehen, ist das ihre Sache. Entscheidend ist die Wirksamkeit ihres Eintretens für die Vorbereitung der proletarischen Revolution, also der Beitrag zur Bildung „der Klasse an sich zur Klasse für sich”, hier und heute.

Außerdem konstatiert M. S. eine „Schrumpfung der Arbeiterklasse”, wobei er sich zur Definition dessen, was er unter Arbeiterklasse versteht, ausgerechnet auf Lenin beruft (welcher sich bekanntlich stets und energisch für die revolutionäre Kampfpartei des Proletariats verwendete). Im angeführten Abschnitt, dem das Zitat entnommen ist, spricht Lenin aber gar nicht von „Arbeiterklasse” sondern er erläutert den Begriff „Diktatur des Proletariats”. Um nun die „Schrumpfung der Arbeiterklasse” vorführen zu können, löst M. S. die Schicht der momentan tatsächlich Lohnarbeitenden aus der Klasse der Lohnarbeiter überhaupt, dem Proletariat, heraus und nennt sie „Arbeiterklasse”. Der grundsätzlichen Natur der Spaltung der kapitalistischen Gesellschaft in zwei antagonistische Hauptklassen tut das keinen Abbruch. Folglich bleibt die Überwindung des Privateigentums das objektive Interesse der eigentumslosen Klasse (also der Menschen, die nur ihre Arbeitskraft zu verkaufen haben), ganz gleich ob Autobauer, Polizist, Sänger, Rentner oder Arbeitsloser. Dabei geht es nicht um die Integration „dieses Millionenheer”(es) in eine „Partei der Arbeiterklasse”, sondern um die Bildung der marxistisch / leninistischen Klassenpartei, die fähig ist, das „Millionenheer” im Kampf um die Eroberung der politischen Macht zu führen. Davon sind die sogenannten „K”–Parteien noch ein Stück entfernt. Abspaltungen und / oder Zusammenschlüsse wird es geben müssen. Warum aber die kommunistische Partei als Organisationsform prinzipiell ungeeignet sein soll, hat M. S. nicht dargelegt. Deren Siegtauglichkeit einschließlich Errichtung, Festigung und Verteidigung der Diktatur des Proletariats, auch bei veränderter Klassenkonstellation, wurde von den Bolschewiki in der Praxis bewiesen. Gerade deswegen wurde sie ja zum Hauptkampffeld der Reaktion, die ihren wohl wichtigsten Erfolg mit der schändlichen „Geheimrede” erringen konnte. Ursachen des schließlichen Niedergangs sind offengelegt, Lehren gezogen. Auch und insbesondere „offen-siv” sei Dank.

Friedrich Engels führt 1889 in einem Brief an Gerson folgendes zu besagter Form aus: „Daß das Proletariat seine politische Herrschaft, die einzige Tür in die neue Gesellschaft, nicht erobern kann ohne gewaltsame Revolution, darüber sind wir einig. Damit am Tag der Entscheidung das Proletariat stark genug ist zu siegen, ist es nötig – und das haben M[arx] und ich seit 1847 vertreten -, daß es eine besondre Partei bildet, getrennt von allen andern und ihnen entgegengesetzt, eine selbstbewußte Klassenpartei.” MEW 37/326

Von einem „Netz”, das „in verschiedenen … Parteien …” wirken soll, ist nicht die Rede. Warum auch. Die in den bürgerlichen Parteien versammelten Freunde der Marktwirtschaft, also des Privateigentums, doktern ohnehin lieber an der sie bestechenden untergehenden bürgerlichen Gesellschaft herum, als sich von Kommunisten hineinreden zu lassen. Die demokratischen Sozialisten der PDS bilden da keine Ausnahme. Engels spricht mit Bedacht von „eine(r) besondre(n) Partei”. Dieses „besondre” gilt es herauszuarbeiten und nicht zu vergraben. Nachsatz: Wirklich „unpraktisch” ist es, den Titel „Besserwisser” zu verteilen, wenn man selbst der Weisheit letzten Schluß noch nicht geliefert hat.

Andrea und André Vogt, Dresden