Stein des Anstoßes

Eva Ruppert:
Stein des Anstoßes – Leserbrief in
„jW“, 11.1.07

Kurz vor Weihnachten wurde ich von der Redaktion des „ND“ gebeten, zu der Debatte um den Stein „Den Opfern des Stalinismus“ in Friedrichsfelde die Contra-Argumentation zu schreiben, die zusammen mit der Pro-Stellungnahme am 5.1.07 auf der Debatten-Seite erscheinen sollte. Nach Absprache mit der zuständigen Redakteurin lieferte ich den etwas gekürzten Beitrag pünktlich am 3.1.07 in der Redaktion ab. Am Nachmittag des 4.1.07 erhielt ich vom zuständigen Redakteur den Anruf, mein Beitrag könne nicht veröffentlicht werden. Begründung: Ich verherrliche in dem Artikel Stalin, die Zeitung wolle eine „sozialistische“ Zeitung sein, sie vertrete den „demokratischen Sozialismus“. Und da passe eben meine Stellungnahme nicht.

Mein Beitrag enthielt nach einem kurzen auf die Gedenkstätte der Sozialisten eine Auseinandersetzung mit dem begriff „Stalinismus“. Die z.T. unschuldigen Opfer der sog. Säuberungen der dreißiger Jahre in der SU wurden nicht geleugnet: „Leider führten die notwendigen Maßnahmen gegen einen faschistischen Überfall und die Bildung einer fünften Kolonne dazu, dass auch Unschuldige betroffen waren. Selbst von Antikommunisten wird die Rechtmäßigkeit der Prozesse nicht bestritten…Der ´Antistalinismus´ ist komprimierter Antikommunismus und damit Anti-Marxismus und Anti-Leninismus…Antikommunismus ist nicht nur ´Grundtorheit unseres Jahrhunderts´, wie Thomas Mann sagte, sondern Grundverbrechen, um der Arbeiterklasse ihre stärkste Waffe, den Kampf um die Eigentums- und Klassenverhältnisse, zu nehmen…Ohne ´Ent-Stalinisierung´ wäre die Restauration des Kapitalismus nicht möglich gewesen…Ein Gedenkstein mit der Inschrift ´Den Opfern des Stalinismus´ ist eine Beleidigung nicht nur der revolutionären Kämpfer Liebknecht und Luxemburg, sondern aller, die mit ihrem Blut für den Sozialismus, gegen Krieg und Faschismus ihr Leben gelassen haben und derer, die heute für eine sozialistische Gesellschaft kämpfen… Der Stein des Anstoßes, der Schandstein, der für Antikommunismus und Revisionismus steht, muss beseitigt werden. Im Gedenken an Karl und Rosa.“

Das sind Auszüge aus meinem inkriminierten Beitrag, in dem allerdings auch die Verdienste der Sowjetunion (unter Stalin) am Sieg über den Hitlerfaschismus und eine Würdigung der Persönlichkeit Stalins durch Winston Churchill genannt wurden.

Kann eine Zeitung, die daran Anstoß nimmt, „sozialistisch“ genannt werden?

Eva Ruppert,
Bad Homburg