Über die Rolle der Wissenschaftlich-keit bei der Bestimmung kommunistischer Politik

Teil 2 – Michael Opperskalski:
Über die Rolle der Wissenschaftlich-keit bei der Bestimmung kommunistischer Politik

Wir haben ganz bewusst die Veranstaltung genannt: „Einheit der Kommunisten“. Wir haben nicht von der „Einheit der Linke“ oder der Ähnlichem gesprochen. Wir haben sie also ganz bewusst „Einheit der Kommunisten“ genannt. Warum?

Die eine Begründung für diese Wortwahl hat Frank eben gegeben: der Marxismus und, weiterentwickelt durch Lenin zum Marxismus-Leninismus, ist eine Wissenschaft und keine Glaubensfrage, wie es hier bei einer Veranstaltung zu hören war. Wir glauben nicht, sondern wir wissen. Das ist der erste Unterschied und deshalb haben wir unsere Veranstaltung „Einheit der Kommunisten“ genannt, weil die Kommunisten sich in dieser entscheidenden Frage von allen anderen Trägern und anderen Sozialismusvorstellungen unterschieden. (Zuruf aus dem Publikum: „Sollten!“) Sicher, man könnte „sollten“ hinzufügen. Dieser Zuruf „Sollten“ ist aus meiner Sicht die Bekräftigung der Tatsache, dass es nach unserer Auffassung in Deutschland keine kommunistische Partei gibt, die den marxistisch-leninistischen Grundkriterien entspricht. Deshalb kann man auch sagen: dieses „sollten“ ist eine passende Beschreibung des Ist-Zustandes.

Der zweite Grund ist: wir haben nicht gesagt „Einheit der Linken“, denn das ist eine Chimäre, sie gibt es nicht und sie kann es auch nicht geben, weil es zu unterschiedliche Ansätze gibt, um überhaupt den Begriff „links“ zu definieren.

Wir sprechen also über die notwendige Einheit der Kommunisten, d.h. mit anderen Worten, über die notwendige Einheit jener Anhänger von Sozialismusvorstellungen, die von einem wissen-schaftlichen und nicht von irgend einem anderen Sozialismusbild ausgehen. Die Kommunisten sind die Träger des wissenschaftlichen Sozialismus. Und wir haben eine Unmenge von Anhängern aller möglicher anderer Sozialismusvorstellungen. Die aktuelle Konferenz, auf der wir uns gerade alle befinden, ist das beste Beispiel dafür, wobei ich allerdings durchaus zugespitzt und polemisch sagen möchte, dass eine Konferenz wie diese hier mit den Thematiken, die man hier hat mitbekommen können, für die wirkliche Entwicklung der proletarischen Revolution in Deutschland überflüssig ist wie ein Kropf. Die Arbeiterklasse braucht das definitiv nicht, was hier an „Erneuerungen“ propagiert wird. Man hat den Eindruck, man ist hier nur „in“, man bewegt sich nur im „Mainstream“ dieser Konferenz, wenn man aller Wissenschaftlichkeit sehr bewusst abschwört. Man schwört der Rolle des Proletariats ab, man macht die Frage des Sozialismus zu einer Glaubensfrage, man sagt, man brauche keine Partei mehr, sondern irgendein Urknall werde schon den Sozialismus erringen und ähnliches. Und natürlich, logischer Weise wo endet es: in der konsequenten Ablehnung dessen, was einmal Sozialismus auf deutschem Boden war, der Deutschen Demokratischen Republik und das ist Antiwissenschaftlichkeit pur.

Also zurück: wir haben unsere Veranstaltung im Rahmen dieser Konferenz bewusst genannt: „Einheit der Kommunisten“ und wie kann und wie darf sie nur aussehen, wenn es wirklich eine kommunistische Einheit sein soll?

Zunächst: die Kommunisten sind entstanden in der Auseinandersetzung, und zwar in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Anhängern anderer Sozialismusvorstellungen. Bereits im Kommunistischen Manifest, unserem Ur-Ur-Dokument, sind Kriterien formuliert worden, die die Kommunisten von Anhängern anderer Sozialismusvorstellungen unterscheiden. Hier werden nicht nur bestimmte Begrifflichkeiten eingeführt, sondern klare inhaltliche Zielsetzungen gegeben, die Frank in seinem Referat vor mir eben deutlich erläutert hat. Und schon Marx und Engels haben sich in unterschiedlicher Weise und in zum Teil harten Polemiken mit den Anhängern anderer Sozialismusvorstellungen auseinandergesetzt und sodann auch in der sich entwickelnden sozialdemokratischen Partei, der SPD, entsprechende Positionen gegen revisionistische Aufweichungen der Wissenschaftlichkeit des Sozialismus, gegen Revisionismus und Opportunismus, polemisiert, agitiert und organisiert.

Die Auseinandersetzung um die Wissenschaftlichkeit und die Notwendigkeit der Wissenschaftlichkeit des Sozialismus hat auch logischer Weise dann in der Arbeiterbewegung zur notwendigen Spaltung geführt in Kommunisten, die diese verteidigten, und Sozial-demokraten, die diese aufgegeben haben und die in Konsequenz offen auf Seiten des Klassengegners Position bezogen haben. Deutlich geworden, ja explodiert ist das vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg, wo die Sozialdemokratie die eigene Bourgeoisie verteidigt hat, für das Millionenschlachten gegen andere Völker stimmte, statt zu propagieren, die Gewehre umzudrehen und der Bourgeoisie ein für alle Mal den Garaus zu machen.

Die Kommunistische Partei musste also entstehen, um nicht nur die Wissenschaftlichkeit des Marxismus zu verteidigen, sondern um sie auch in die Praxis umzusetzen.

Und alles, was man z.B. hier heute und gestern auf den Veranstaltungen dieser Konferenz erfahren durfte, ist definitiv nicht neu. In Köln ich bin Kölner sagt man dazu: „Alter Kack in neuem Frack“. Die Fragen, dass es z.B. keine Partei mehr geben darf und keine Diktatur des Proletariats, dass man glauben soll, und dass eine Einheit der Linken ruhig vage sein kann, das ist mit anderen Worten bereits diskutiert worden in den Auseinandersetzungen vor 100 Jahren in den Auseinandersetzungen zwischen Lenin und Kautsky, in den Auseinandersetzungen zwischen den Führern der Sozialdemokratie und der Kommunistischen Partei. Und es ging immer wieder um Grundfragen. Krieg oder Frieden? Die Frage nach dem Charakter des Staates! Was bedeutet “Staat“? Ist der Staat ein Neutrum, das über allem steht, oder ist er eine Maschinerie zur Unterdrückung einer Klasse durch die andere? Wenn das so ist, muss man sich fragen: welche Klasse wird zu welchem Zweck durch den Staat unterdrückt? Die Kommunisten sagen im Unterschied zu anderen, die vom Staat als Neutrum ausgehen und meinen, dass man nur einzelne Personen ersetzen müsse und schon könne man Reformen vornehmen wir Kommunisten sagen: der Staat ist eine Maschinerie der Unterdrückung. Die Frage ist nur, welche Klasse unterdrückt wird. Und wir sagen ja, wir sind dafür, dass die Minderheit der Aus-beuter, der Barbaren unterdrückt wird entsprechend der jeweiligen historischen Notwen-digkeiten, die sich ergeben, damit die Mehrheit, die bis dato unterdrückt wurde, die Macht ausüben kann, wir sagen ja zur Diktatur des Proletariats, zum revolutionären Staat. Da kann es keinen Kompromiss geben in dieser Frage. Wird ein Kompromiss eingegangen, beginnt die kommunistische Partei ihre Wissenschaftlichkeit und damit ihren Charakter zu verlieren.

Diese Auseinandersetzung ist nicht neu. Ebenso nicht die Auseinandersetzung, dass das Proletariat nicht mehr revolutionär sein könne oder sogar gar nicht mehr existiere ist auch nicht neu. Die Vokabeln haben sich geändert, klingen heute moderner, aber die Inhalte haben sich nicht geändert.

Nach der Niederschlagung des Spartakusaufstandes, nach der Niederschlagung der Roten Ruhrarmee, nach der Niederschlagung der revolutionären Erhebungen des deutschen Proletariats gab es genau diese Diskussionen innerhalb der Arbeiterbewegung und besonders bei den kleinbürgerlichen progressiven Elementen, die dann schon vor rund 100 Jahren sagten: Arbeiterklasse? Die ist nicht mehr revolutionär. Die Arbeiterklasse hat keine Chance. Wir müssen „von innen heraus“ den Staatsapparat, d.h. die bürgerliche Maschinerie, versuchen, zu verändern. Das sind Parolen, die ein bisschen verändert heute z.B. die Linkspartei vertritt. Aber leider nicht nur die Linkspartei, sondern auch viele, die sich selber Kommunisten nennen, was zur Verwirrung der Menschen beiträgt.

Eine andere Frage, die damals ebenso brennend diskutiert wurde, wie sie heute diskutiert wird, für die also auch gilt: „Alter Kack in neuem Frack“, ist die Frage der Imperialismustheorie. Ist die Leninsche Imperialismusanalyse, einschließlich der Konsequenzen, die sich aus ihr ergeben (ich komme wieder auf Frank und die Wissenschaftlichkeit zurück), aktuell oder nicht? Heute hört man: sie sei nicht mehr aktuell. Der Lenin sei schon so lange tot und der Imperialismus habe sich rasant entwickelt, es gäbe jetzt Computer und High-Tech-Autobahnen und was weiß ich was alles noch, und das alles habe Elemente der Leninschen Imperialismustheorie aufgehoben oder relativiert. Da kann  man jetzt sagen: Ihr Dogmatiker von der „offen-siv“ (das sagen sowieso viele), Ihr haltet an der Leninschen Imperialismustheorie fest, ihr seid ja in einem andern Jahrhundert verankert, Ihr seid ja ewig gestrige. Ist das so? Wir sagen: Imperialismus bedeutet Barbarei, Imperialismus bedeutet Krieg, Krieg nach innen und Krieg nach außen. Das ist etwas, was wir jeden Tag sehen können. Schäuble und die neuen Sicherheitsgesetze, das ist der Krieg des imperialistischen Systems nach innen. Der Einsatz von Tornados in Afghanistan ist der Krieg des imperialistischen Systems nach außen. Das sagen wir.

Und die Schlussfolgerung daraus heißt: konsequenter Anti-Kriegskampf, militanter Anti-Kriegs-kampf, und zwar in der Form, dass wir den Menschen sagen: Innerhalb des imperialistischen Systems wird es keinen Frieden geben, dieses System muss abgeschafft werde. Punkt, Ende. Das ist die Konsequenz. Das bedeutet aber Militanz, das bedeutet eine andere Organisationsform als zur Zeit, das bedeutet andere Orientierungen, nämlich revolutionäre Orientierungen.

Wer sagt, dass die Leninsche Imperialismustheorie höchstens noch eine Daseinsberechtigung im Museum hat, wo man sie sich einmal im Jahr anschauen darf, wer sagt, dass die transnationalen Monopole zusammengewachsen sind und es deswegen höchstens noch in der Dritten Welt – von den imperialistischen Zentren gemeinsam geführte – Kriege geben kann, der sagt in der Konsequenz: Anti-Kriegskämpfe sind nicht notwendig; der sagt in der Konsequenz: man kann sich höchstens einsetzen für einige Projekte in der Dritten Welt, damit es dort nicht mehr ganz so kriegerisch zugeht; der sagt in der Konsequenz: es geht um Reformen, nicht um die Revolution. So konkret wird die Folge der Theorie in der Praxis und so konkret war es damals. Das war die Auseinandersetzung und der Unterschied zwischen Kautsky und Lenin. Also nichts Neues.

Alle Fragen der Wissenschaftlichkeit des Marxismus-Leninismus standen von Beginn an unter heftigstem Feuer, nicht nur der Bourgeoisie, denn das ist logisch, die Bourgeoisie würde sich ja selber das Grab schaufeln, wenn sie uns nichts bis aufs Blut bekämpfen würde, sondern auch von Anhängern anderer Sozialismusvorstellungen. Und die Identität der Kommunistischen Partei ergab sich von Anfang, von der Gründung an daraus, dass sie die Wissenschaftlichkeit des Sozialismus verteidigte und damit den anti-revisionistischen Kampf (Revisionismus heißt Aufweichung, Zerschlagung, Zerbröselns der Wissenschaftlichkeit) führte.

Und interessanter Weise waren die Kommunistischen Parteien dann am stärksten und das lässt sich nachweisen wenn sie diesen antirevisionistischen Kampf, in Konsequenz dann geführt parallel zum revolutionärem Kampf, am deutlichsten führten. Und sie waren dann am Ende, wenn sie diese Identität aufgaben. Das war in der alten KPD so, und das ist heute in Europa so, wo die militanteste, die revolutionärste, die am stärksten wachsende Kommunistische Partei die Kommunistische Partei Griechenlands, die KKE, ist, eine Partei, die im Vergleich mit anderen Formationen, die sich noch kommunistisch nennen, einen sehr konsequenten antirevi-sionistischen Kampf zur Verteidigung der Wissenschaftlichkeit des Sozialismus, gepaart und in Konsequenz daraus mit konsequentem Klassenkampf im Lande führt.

Mit anderen Worten: Wir sagen,

erstens, dass die Einheit der Kommunisten auf der Basis der Wissenschaftlichkeit notwendig ist, dass es aber ohne die Verteidigung der Wissenschaftlichkeit keine Einheit geben wird. In dieser Frage gibt es keine Kompromisse, denn sonst würde schon in den Geburtswehen der Einheit das Sterbeglöckchen geläutet werden. Wir haben genug Sterbeglöckchen vernehmen müssen, die die Kommunisten an den Rand der Existenz gebracht haben, und damit meine ich nicht nur die Sterbeglöckchen der Erschießungskommandos – davon gab es auch mehr als genug unserer Feinde, sondern die Sterbeglöckchen derjenigen, die die Bewegung von innen heraus mit revisionistischen Positionen verwässert und aufgeweicht haben;

zweitens, dass die Einheit der Linken eine Chimäre ist, überflüssig wie ein Kropf. Das beste Beispiel ist diese Konferenz. Eine solche Chimäre zu unterstützen, ist unsinnig, orientiert auf nichts als bestenfalls auf die Betrachtung der eigenen intellektuellen Bauchnäbel.

Die entscheidende Orientierung dagegen ist zweierlei: erstens die Einheit der Kommunisten auf klaren Positionen, insbesondere und die Möglichkeit wachsen, das ist eine Erfahrung, die wir als „offen-siv“ machen dort anzuknüpfen, wo junge Menschen Orientierung suchen, sei es in der Gewerkschaftsjugend, sei es in der Intelligenz. Denen geht es um grundsätzliche Alter-nativen. Dort anzuknüpfen und diese Menschen zu organisieren und ihnen vor allem Bildungs-angebote zur Verfügung zu stellen, muss unsere nächste Aufgabe sein. Wir machen in dem Zusammenhang ein Fernstudium, das sehr erfolgreich ist und das diese Menschen auch organisiert. Und zweitens: nicht die Einheit der Linken organisieren, sondern den Aufbau einer demokratischen, antiimperialistischen Volksfront als Voraussetzung für die proletarische Revolution. Eine Forderung, die wir übernehmen weil wir sie für richtig halten von der Kommunistischen Partei Griechenlands, denn, liebe Freunde und Genossen, das was hier bei dieser Konferenz produziert wurde, wo ja so viele Linke und sich links Nennende anwesend sind oder waren, ist von der gesellschaftlichen Relevanz tausendmal weniger als der Forderungskatalog des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands oder der Caritas was die soziale Frage in diesem Land betrifft.

Volksfrontpolitik in dem Sinne, wie er eben skizziert wurde, heißt: Zusammenarbeit mit allen Kräften, mit allen Strömungen, mit allen Institutionen, die sich im Widerspruch zu dieser imperialistischen Barbarei befinden – allerdings unter Führung der Arbeiterklasse. Das ist die entscheidende Frage und diese entscheidende Frage wird nicht im Parlament gestellt, denn das ist eine vor allen Dingen außerparlamentarische Frage. Sie entsteht in den Kämpfen der Arbeiter, in den antifaschistischen Kämpfen junger Menschen, die sich gegen das wachsende Neonazi-Unwesen wehren, in den Kämpfen von Immigrantinnen und Immigranten, die sich gegen die Barbarei ihrer Lebensumstände wehren, in den Kämpfen zur Verteidigung demokratischer Rechte, wo Menschen gegen die zunehmende Faschisierung dieses Staates auf die Straße gehen dort entsteht die Volksfront, und nicht in irgendwelchen Hinterzimmern irgendwelcher Parlamente. Die Parlamente machen erst Sinn, wenn sie genutzt werden können zur Entlarvung der herrschenden Klasse, ihrer Mechanismen, ihrer Tricks, ihrer Barbarei und damit zur Unterstützung einer Massenbewegung werden können durch Vertreter, die sich als solche verstehen. Man sollte sich nie der Illusion hingeben, dass man durch hinterbänklerische Kungeleien in den Parlamenten wirkliche Veränderungen in dieser imperialistischen BRD auch nur ansatzweise durchsetzen kann.

Schlussendlich bedeutet dies für uns ein großes Stück weit, wieder neu anfangen, denn ich sagte bereits anfangs: die Kommunistische Partei, die dem wissenschaftlichen Anspruch gerecht wird, haben wir nicht. Wir haben eine Reihe von Formationen, die ihre Existenzberechtigung haben, die ihre Traditionen und ihre Geschichte haben, die sich kommunistisch nennen, aber sie sind alle mehr oder weniger weit davon entfernt, Kommunistische Partei zu sein. Und dazu sei mir noch eine Bemerkung erlaubt: Wir haben wahrscheinlich mehr Kommunisten ohne Parteibuch als mit. Wir haben die katastrophale Situation, dass die meisten dieser Genossen einschließlich meiner selbst mehr graue als sonstige Haare haben, will sagen, nicht mehr die Jüngsten sind, und wir haben Generationen von Menschen in der Bundesrepublik, die vom Bauch her Veränderungen wollen, die auf der Suche sind nach einer grundsätzlichen Alternative zum Imperialismus, die aber noch nicht einmal ansatzweise etwas gehört haben oder wirkliche Informationen darüber haben, was eine wirkliche Alternative zu dieser Barbarei sein kann.

Das heißt: keine Konferenzen wie diese, die der Verwässerung und der In-Frage-Stellung des Marxismus dienen und nicht der wirklichen Anwendung auf den Klassenkampf in dieser Bundesrepublik,

Das heißt: keine Hintertreppengespräche, keine Kungeleien in Parlamenten und Gremien, die keine Socke versteht,

sondern dort ansetzen, wo die Menschen sind. Das ist ein langfristiger Prozess, dieser Prozess braucht langen Atem, dieser Prozess führt dazu, dass man gelegentlich als Dogmatiker verschrien wird, als Sektierer, dass man in irgend eine Ecke gestellt wird, aber: „There is no other way around it“ (Daran führt kein Weg vorbei!), oder, wie Churchill gesagt hat: „The proof of the pudding is in the eating“: man weiß erst, wie der Pudding schmeckt, wenn man ihn isst.

Das eigentliche Urteil über uns wird die Antwort auf die Frage sein, ob es uns gelingt, die Strukturen für eine neue Kommunistische Partei durch das organisierte Ansprechen von vor allem jungen Menschen anzugehen, unsere Wissenschaft zu verteidigen und zu beginnen, diese Wissenschaft wieder neu zu verankern. Das ist die entscheidende Frage.

Diskussionsbeiträge:

Aus dem Publikum: Mit einem bin ich überhaupt nicht einverstanden, Herr Opperskalski. Ich finde es vollkommen undialektisch zu sagen, diese Konferenz sei so überflüssig wie ein Kropf. Erstensmal wären Sie nicht hier und könnten hier nicht ihre Thesen vertreten und zweitens wollen Sie doch die Menschen dort abholen, wo sie stehen, und sie stehen nun mal hier. So überflüssig ist das also nun auch nicht. Man muss einfach auch der „jungen Welt“ danken, dass sie solche Konferenzen unterstützt und möglich macht, dass wir zusammenkommen gut, auf dem Niveau, auf dem wir uns leider noch befinden aber eben miteinander ins Gespräch kommen.

Michael Opperskalski: Es gibt hier nicht eine einheitliche Orientierung. Wo gibt es zum Beispiel eine Orientierung gegen die Barbarei des Eroberungskrieges gegen den Irak? Wo gibt es hier eine Diskussion nicht darüber, ob das Proletariat noch existiert, sondern eine Diskussion über die Frage, was können wir hier machen, jetzt, hier, konkret, gemeinsam, damit die BRD nicht ein zunehmend immer aggressiver werdender Flugzeugträger des us-amerikanischen Imperialismus in Punkto Afghanistan, Irak usw. wird? Gab es die Diskussion? Nein! Gab es konkrete Orientierungen auf Aktionen? Nein! Jede Veranstaltung mit der Gewerkschaftsjugend ist hundertmal wertvoller als diese Konferenz, denn dort wird nach Orientierungen gefragt, dort wird konkret gefragt, was man machen kann außer einer Unterschriftenliste, da wird konkret gefragt, was können wir machen in Kalw gegen die Spezial-Kommandokräfte. Die Orientierung ist die entscheidende Frage. Aber diese entscheidende Frage wird hier gar nicht erst gestellt, im Gegenteil, hier sind sogar Kräfte anwesend, die den Sturz der revolutionären Führung Kubas fordern. (Zuruf aus dem Publikum: „Die sind überall, solche Kräfte!“) Ja in Miami, klar, bei der Internationalen Gesellschaft für Menschen-rechte usw.usf. Aber wenn ich davon ausgehe, dass sich hier angeblich Systemoppositionelle treffen, und dann sind Handlanger der US-Amerikaner im Raum also Entschuldigung, dann hebt sich die Wirksamkeit nun wirklich komplett auf.

Gernot Bandur: Ich muss etwas polemisieren gegen die Ausführungen von Michael Opperskalski. Michael, Du hast Dich sehr gewandt dagegen, das hier Kräfte teilnehmen, die unterschiedliche Auffassungen haben. Ich habe die Anlage dieser Konferenz so verstanden, dass man erstmal über das Problem diskutiert, dass sich Viele Marxisten nennen. Ob sie wirklich welche sind, will ich gar nicht beurteilen. Aber wenn ich Deiner Logik folge, müsste diese Konferenz nicht Marxismuskonferenz heißen, sondern Konferenz zur Mobilisierung der Massen gegen irgendetwas. Das ist meiner Ansicht nach aber erst ein Folgeschritt. Ich wende mich überall dagegen und habe das auch schon vor 50 Jahren getan, dass man keine Kompromisse eingeht. Kompromisse muss man meiner Ansicht nach auch innerhalb einer Kommunistischen Partei eingehen. Ich bin immer für Kompromisse gewesen. Dafür bin ich auch gerügt worden, Aber ich habe immer gesagt: eigentlich müssten wir viel mehr den Minderheiten glauben als der Mehrheit. Und so sehe ich auch den Inhalt dieser Konferenz, dass wir uns hier erstmal zusammenfinden müssen.

Aus dem Publikum: Gleich dazu: ich finde es sehr gut und sehr wichtig, von einer wissenschaftlichen Analyse her an die Sachen heranzugehen. Deshalb finde ich es auch sehr gut und sehr wichtig, was die beiden hier vorgetragen haben, weil es nämlich Klarheiten schafft. Natürlich muss man Kompromisse eingehen, wenn man zum Beispiel so eine Konferenz macht, dann muss man mit den Möglichkeiten, die vorhanden sind, arbeiten. Man muss am vorhandenen Bewusstsein ansetze, aber man muss mit klaren Positionen in die Auseinandersetzung gehen und sehen, was möglich ist davon durchzusetzen.

Ingo Höhmann: Ich wollte eigentlich gar nicht reden. Aber nun doch: zu dieser „Kompromissfähigkeit“! Ich kann doch bei den vier Grundrechenarten nicht darüber reden, ob man da einen Kompromiss sucht! Das was Frank hier vorgetragen und Michael ergänzt hat, das sind Grundlagen. Und der Sozialismus ist definiert. So, und jetzt kommen hier gestandene Leute zusammen und sollen sich Gedanken über Keynes machen. Was soll das? Ich frage immer: was ist das Ziel? Was kommt dabei raus? Und wenn mir das keiner sagen kann, dann drehe ich ab. Wir können doch nicht immer wieder über solche Sachen, die klar sind, diskutieren und Kompromisse suchen. Wir können doch nur auf unseren Grundlagen aufbauen. Ich gehe ein Stück zurück: diese Grundrisse hier, die die beiden vorgestellt haben, das haben die KPD-Mitglieder in den 20er und 30er Jahren alle gewusst. Da gab es Marxistische Arbeiterschulen, da hat sich ein kommunistischer Arbeiter das reingezogen, und dann konnte er seinen Kollegen erklären, worum es geht. Das wäre doch ein Aufgabe einer solchen Konferenz, zu sagen, wie kommen wir dahin? Ich bin manchmal in Lateinamerika und nicht nur als doofer Tourist. Und die Aktivisten in Caracas, die erklären Dir in drei, vier Sätzen, worum es geht. Wie die deutsche Linke an die Frage der Grundlagen herangeht, das ist bedenklich. Die deutsche Linke ist für mich desorientiert, schlecht organisiert und von Profilneurotikern durchsetzt. Dabei ist Imperialismus doch ganz einfach: Repression nach innen, Aggression nach außen. Es steht doch da. Du siehst es doch jeden Tag.

In manchen Ländern werden zur Zeit ja Kriege geführt. Wie im Irak, und die wehren sich dort. Und wenn Du dann der deutschen Friedensbewegung sagst, dass die beste Friedensbewegung zur Zeit der Irakische Widerstand ist, dann gucken die Dich an, als wenn Du vom Mond kommst. Es ist aber wahr: der Irakische Widerstand schützt die Entwicklung in Venezuela und schützt auch Kuba. Die US-Imperialismus hätte sonst schon längst die Gelegenheit gefunden, dort zu intervenieren.

Und dann diese Leute von der SAV oder von der Spartakist Arbeiterpartei. Die sagen ja zu 90 Prozent Richtiges, aber zu 10 Prozent Mist. Und der Mist bleibt hängen. Mit denen kannst Du Dich nicht einlassen, die sind für mich fremdgesteuert. Ja und wenn so etwas klar ist, dann kann ich denen doch keine Plattform geben, da muss man die eigenen Reihen sauber halten. (Zuruf aus dem Publikum: „Du machst es Dir zu einfach. Das ist komplizierter!“ Ja, es ist kompliziert, sicher. Ein Kampf ist nie einfach. Aber gerade dann halte ich es mit Napoleon, der gesagt hat: Ich glaube kein Wort, ich analysiere Handlungen. Und wenn diese Typen da stehen bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz und ihr Schild da hinhängen: „Chavez: Populist, Nationalist, verhindert Arbeiterrevolution“, dann ist das in der gegenwärtigen Situation eine feindliche Losung, die dem US-Imperialismus zu Gute kommt. Da kann mir keiner sagen, dass das Marxisten sind und dass die hier eine Tribüne haben sollen, um zu reden! Es muss klar sein: die Zeiten sind hart, es geht um’s Ganze, und wir tun so, als ob wir noch jede Menge Zeit haben. (Beifall)

Ewald Butter: Da wird hier im Programm eine Veranstaltung angekündigt: „Sind Revolutionen immer noch Lokomotiven der Geschichte“ – Fragezeichen- !  Das fragen Kommunisten!?!

Dann haben wir heute hier bei dieser Konferenz von 13.00 Uhr bis 13.30 Uhr: Schlusswort, Thema Verabredungen. Und da werden wir dann mitkriegen, welche Verabredungen wir denn treffen, nachdem wir hier drei Tage lang gestritten haben auf hohem Niveau und wir werden sehen, ob das der Praxis genügt, in die wir hinein gestellt sind. Praktisch leben wir in Verhältnissen, in denen wir kämpfen müssten, aber wir kämpfen nicht. Und da brauche ich keine Konferenz, die mir in regelmäßiger Folge mit immer neuen Gedanken sagt, wie man das auf hoher Ebene theoretisch alles erklären kann, und der Nächste widerlegt das dann aber in der Praxis verändert sich nichts. Ich nehme mal folgendes Beispiel: Ich habe den Bombenkrieg hier in der Stadt miterlebt, und wir haben gelöscht bzw. wir haben es zumindest versucht, und zwar mit einer Eimerkette, und denjenigen, der mir den Eimer zugereicht hat, den habe ich nicht gefragt, ob er evangelisch oder katholisch ist. Ich habe den Eimer genommen und habe ihn weitergegeben, und der nächste hat mich auch nicht gefragt, wie ich denn zu der Religion nun stehe. Wir hatten das Haus zu retten, weil wir es brauchten: wir mussten ja irgendwo wohnen.

Heute wird erstmal geklärt: was hat denn der für eine Ideologie? Kann man mit ihm gehen oder kann man mit ihm nicht? Streiten kann man mit ihm auf alle Fälle.

Ich habe das endgültig satt. Ich bin nun nicht mehr der Jüngste. Ich habe es satt, von einer Konferenz zur andern zu gehen, wenn sich aus den Konferenzen praktisch nichts ergibt.

Die Oktoberrevolution ist in der Masse gemacht worden von Analphabeten, von Arbeitern und Bauern, denen man die Zeitung vorlesen musste. Aber eins wussten sie: Im Krieg geht mein Acker kaputt, weil ich ihn nicht bestellen kann, und vor allem gehe ich selber kaputt. Also muss ich die Offiziere absetzen, damit ich nach Hause gehen kann. So einfach ist die Geschichte eigentlich, da muss man nicht den 3. Band von Marxens „Kapital“ vorwärts und rückwärts zitieren.

Ich möchte also, dass die nächste Konferenz – und ich hoffe, dass das in den Verabredungen heute passiert, sonst sind diese Konferenzen wirklich nutzlos – dass also die nächste Konferenz eine Organisationskonferenz ist. Wie organisieren wir denn hier den Widerstand? Oder: müssen wir das überhaupt machen? Viele der hier anwesenden Akademiker haben Renten – da würde eine alleinerziehende Mutter froh sein, wenn sie die hätte.

Ich bin sehr, sehr unzufrieden mit uns selbst. Ich gebe zu, ich liebe auch den akademischen Streit, aber der Streit hat nur dann einen Sinn, wenn etwas dabei herauskommt. Wir haben es alle studiert, das Verhältnis von Theorie und Praxis. Wer immer nur die Theorie neu umwühlt und in der Praxis nichts macht, ist eigentlich ein verkappter Revisionist oder Opportunist oder sonst was, jedenfalls kann den die Arbeiterklasse nicht brauchen. Wir brauchen für die Arbeiterklasse, für die Kommunisten eigentlich da sind – denn sie sind ja nicht für sich selbst da – Genossen, die den Kampf führen. Aber wo führen wir denn den Kampf? Ich war im Marxistischen Forum – jahrelang – hochinteressante Streitereien, zum Teil übrigens Streitereien, die bereits in der Akademie der Wissenschaften der DDR von den Streitenden ausgefochten wurden. Diese Streitereien werden bis heute weitergeführt. Aber was kommt praktisch dabei heraus?

Mir hat Walter Kaufmann, ein Schriftsteller, einmal folgendes erzählt: Er ist als jüdisches Kind nach London gekommen. Dann wurde er als Deutscher in einem Schiff, wo seine Kabine vergittert war, nach Australien gebracht. Nun war er langsam ein bisschen älter, hat geschriftstellert und hat gemerkt: Seine Bücher gehen eigentlich nicht. Was hat er gemacht? Er ist in den Hafen gegangen, hat als Hafenarbeiter gearbeitet und in der Pause seinen Kumpeln vorgelesen. Da haben die gesagt: Ist ja interessant, wo gibt’s denn das? Hier, kannste kriegen.

Wenn sich die Intellektuellen, die hier haufenweise wieder unter sich sind, nicht mit den Massen verbinden, war das Geld, das die Arbeiterklasse ihnen zum Studium zur Verfügung gestellt hat, völlig umsonst. Wenn aus der Theorie wirklich was werden soll, muss sie mit den Massen verbunden werden. Aber: wo sind die Professoren und die anderen zum Beispiel in der Gewerkschaft zu finden? Ich bin bei Ver.di. Wo finde ich die da?

Und bei Ver.di? Da haben wir keine große Programmdiskussion. Im Oktober wird der Bundeskongress das neue Programm beschließen. Das ist aber den Mitgliedern der Gewerkschaft noch nicht einmal bekannt. Selbst den einfachen Funktionären ist es nicht bekannt. Was soll dann da beschlossen werden? Wäre es nicht die Aufgabe der Kommunisten, zu sagen: so und so sieht der Programmentwurf aus, wir haben aber einen besseren? Wir mischen uns ja weder in den Streit um die Ziele noch in den Streit um den Weg ein, nein, noch immer gilt: lass` die Genossen dort oben mal machen, die werden sich schon was dabei gedacht haben.

So geht es nicht.

Ich möchte, dass wir als nächste Konferenz eine Organisationskonferenz haben mit der Frage, wie denn der Klassenkampf von Kommunisten organisiert wird. Wie machen wir diesen Schritt? Nur mit Reden wird es nichts. Du (gemeint ist Michael Opperskalski) hast vorhin gesagt: The proof of the pudding is in the eating. Nun, wir stehen vor dem Pudding und sagen, naja, riecht er nun gut, sieht er nun gut aus aber wir essen ihn nicht. Und dann gehen wir nach Hause und sagen: na ja, wir wissen ja noch gar nicht, was das für ein Pudding war. Und dann gehen wir beim nächsten Mal wieder hin und dann machen wir das Gleiche noch mal und so machen wir das von einer Konferenz zur anderen. Aber: aus der Liebe muss ein Kind werden. Wir machen das zur Zeit alles platonisch. Ich bin unzufrieden, aber ich bin selber schuld daran.

Warum lasse ich mir das denn über Jahre bieten?!? (Beifall)