Vorwort aus: Die konterrevolutionären Kräfte bei den Oktoberereigneissen in Ungarn

Vorwort aus: Die konterrevolutionären Kräfte bei den Oktoberereigneissen in Ungarn

(aus: „Die konterrevolutionären Kräfte bei den Oktoberereignissen in Ungarn“, herausgeben vom Informationsbüro des Ministerrats der Ungarischen Volksrepublik, Budapest, ohne Jahresangabe, S.3 ff., leicht gekürzt)

Ungarn ist zu einer Arena tragischer Geschehnisse gewor­den. Die Politik Rakosis-Gerös führte die sozialistische Entwick­lung des Landes in die Sackgasse. Die Folgen dieser verbrecheri­schen Politik lösten gewaltige Empörung und eine breite Volks­bewegung aus. Hunderttausende Werktätige setzten sich für die Säuberung der Volksmacht, für die Behebung des weitverbreite­ten Bürokratismus und einer Politik ein, die die nationalen Gefühle schwer verletzte. All dies verfolgte den Zweck, das volks­demokratische System, das den sozialistischen Weg geht, zu festigen und wirklich frei fortzuentwickeln. Die Arbeiterklasse ist ja keineswegs gewillt, den Kapitalisten die Betriebe zurück­zugeben, die Bauernschaft will nichts hören von einer Rückkehr der Landmagnaten, das Volk will seine Macht nicht preisgeben, will sich nicht wieder unter das Joch der Kapitalisten und Gutsbesitzer beugen.

Aber die finsteren Kräfte der Konterrevolution versuchten von Anfang an, die Bewegung, die sich im Zeichen der berech­tigten nationalen Forderungen des Volkes entfaltet hatte, zum Sturz der Volksmacht zu mißbrauchen.

Es ist jedoch nicht Aufgabe vorliegender Broschüre, die blu­tigen Ereignisse dieser traurigen Tage in allen Einzelheiten dar­zulegen. Sie schildert nur bestimmte Tatsachen jener Tage, als auf den Straßen Budapests, in den Provinzstädten und in vielen Dörfern die konterrevolutionären Kräfte ihr Unwesen trieben.

Die bewaffnete Meuterei war von den Konterrevolutionären geplant und militärisch sorgfältig vorbereitet worden. Davon zeugt die Tatsache, daß schon am ersten Abend der Massen­demonstrationen eine planmäßige Offensive auf die Rundfunk­sender, das Jözsef-Fernsprechamt für Überlandsgespräche wie auch auf die Arsenale und Großgaragen begann. All dies erinnerte in vieler Hinsicht verblüffend an das Vorgehen der Konter­revolution gegen die Ungarische Räterepublik im Jahre 1919. Allen Dulles, Bruder des Staatssekretärs der Vereinigten Staaten und Leiter des amerikanischen Spionagedienstes, erklärte, er sei schon zuvor über die Vorbereitungen zum Aufstand in Ungarn informiert gewesen. Ein Korrespondent der englischen „Daily Mail” schrieb am 25. Oktober, zwei Tage nach dem Aus­bruch der Meuterei: „In den letzten Tagen speiste ich mit freien Menschen; sie haben ein ganzes Jahr an der Vorbereitung des Aufstands gearbeitet, der diese Woche ausgebrochen ist.” Die Frage, von wem und wie die Meuterei vorbereitet und organisiert wurde, wird in unseren weiteren Dokumentarpublikationen beantwortet werden. Es steht jedoch fest, daß am 30. Oktober, als die Regierung das Einstellen des Feuers verfügt hatte, die konterrevolutionären Kräfte schon offen auf den Schauplatz traten. Blutige Massenverfolgungen setzten ein. In dieser Broschüre sind einige Angaben, Zeugenaussagen und eine Anzahl Fotos veröffentlicht. Um eine Vorstellung von dem Umfang der blutigen Bestialitäten der Konterrevolution zu vermitteln, kann man außer den in dieser Broschüre angeführten Tatsachen noch einmal die Meldungen Budapester Korrespon­denten westlicher bürgerlicher Blätter zitieren. Gordon Shepherd, ein Korrespondent des „Daily Telegraph”, schrieb am 30. Oktober: „Ein Volksaufruhr, dem weder Militär noch Polizei­truppen entgegentreten, hat Budapest erfaßt. Die Behörden sind ganz außerstande, der Lage Herr zu werden.” Sefton Delmer schrieb am 31. Oktober im „Daily Express”: „Jetzt ist der Terror des Mobs an der Tagesordnung.. ., Lynch­methoden, zu denen auch die bewaffneten Hilfskräfte greifen.” (Der Korrespondent meint damit die Einheiten der „National­garde”.)

Die Regierung war völlig hilflos. Sie beschränkte sich dar­auf, sich fast täglich umzubilden, wobei sie immer weiter nach rechts abglitt. Als am 29./30. Oktober die Gefahr der Konter­revolution schon klar zutage trat, forderte sie mit keinem Wort, mit keinem Appell zum Kampf gegen die Konterrevolution auf, und dies, obwohl auf den Straßen einfache Arbeiter und Bauern, Kommunisten, Offiziere, Leiter staatlicher Institutionen, Mitar­beiter der Staatssicherheitsorgane sowie einfache Soldaten, die in diesen Organen dienten, gehenkt, erschossen oder zu Tode gemartert, obwohl die Parteileitungen gestürmt und Greise und Kinder in den Wohnungen ermordet wurden. Barret McGurn schätzt in einem am 20. November von der „New York Herald Tribüne” veröffentlichten Artikel die Lage in Ungarn so ein: „Viele westliche Sachverständige waren der Ansicht, die Ungarn sollten sich wenigstens eine Zeitlang mit einer Koalition von Kommunisten und Nichtkommunisten unter Führung des Natio­nalkommunisten Imre Nagy abfinden… Bald wurde jedoch klar, daß in Ungarn … ein Adenauer-Kurs angestrebt wurde.” Die Geschehnisse vom 23. Oktober wurden benutzt, zum Teil auf Grund zuvor ausgearbeiteter Pläne, zum Teil auf Initiative inzwischen aufgetauchter Abenteurer, verschiedene konterrevolutionäre Organe aufzustellen. In Budapest teilten diese die einzelnen Bezirke unter sich und begannen, auf die Söhne des Volkes Jagd zu machen.

Also: die wichtigsten Merkmale der Taktik des konter­revolutionären Aufruhrs und der Aktionen der Konterrevolu­tionäre waren folgende :

1. Es begann ein Vernichtungsfeldzug gegen alle Mitarbeiter der Staatssicherheitsorgane zwecks Liquidierung aller bewaffne­ten Verbände der Staatssicherheitsverwaltung, der der Schutz der Volksmacht oblag. Die Regierung kam der Forderung, die Staatssicherheitsverwaltung zu liquidieren, nach, und das war richtig, denn eine einheitliche Staatspolizei kann die so wichtige Aufgabe des Schutzes der sozialistischen Gesetzlichkeit und der Volksmacht besser lösen. Die wohldurchdachte Taktik der Kon­terrevolutionäre bestand jedoch darin, die tatsächlichen Verbre­chen, die höchstens einige hundert Mitarbeiter der Staatssicher­heitsorgane begangen hatten, von denen die meisten zudem schon ihrer Posten enthoben und zu einem bedeutenden Teil sogar verhaftet waren, den tausenden Mitarbeitern der Staats­sicherheitsorgane — hauptsächlich einfachen Soldaten, die in diesen Organen dienten — zur Last zu legen und gegen sie aufzuwiegeln.

2. Die Konterrevolutionäre befreiten Faschisten, Kriegsver­brecher und Kriminelle aus den Gefängnissen. So wurden die ehemaligen Horthyminister und Kriegsverbrecher Istvän Antal, Antal Kunder u. a.- aus dem Gefängnis Märianosztra befreit. Noch mehr aber fielen für die Meuterer die vielen tausend krimi­nellen Elemente ihs Gewicht, die zu den konterrevolutionären Truppen stießen.

3.  Überall begann eine Hetze gegen die führende Kraft der Volksmacht, die Partei der Arbeiterklasse,, um diese zu zertrüm­mern. Am 30. Oktober wurde das Gebäude der Budapester Par­teileitung auf dem Platz der Republik durch Artilleriefeuer zerstört. Ehemalige Horthyoffiziere, Gendarmen und andere Ele­mente, die in den vergangenen Jahren in verschiedene Betriebe eingedrungen waren, steckten rot-weiß-grüne Kokarden an, gaben sich für „Revolutionäre” aus und hetzten in den Betrieben gegen dortige Parteifunktionäre, um die Betriebsparteiorganisa­tionen zu zertrümmern oder zumindest lahmzulegen.

4.  Es begann eine großangelegte Jagd auf Vertreter der örtlichen Behörden, Mitarbeiter der Ortsräte und Leiter von Wirtschaftsunternehmen. Die Konterrevolutionäre bedienten sich vielerorts der Taktik, sich „in die Bewegung für die Säube­rung der Volksmacht einzuschalten”. Aber kaum fühlten sich die konterrevolutionären Kräfte wenige Tage später in Budapest und in vielen Prpvinzorten schon als Sieger, so warfen sie die „sozialistische” Maske ab und begannen den ganzen Staatsapparat der Volksdemokratie zu untergraben, wobei sie kein Hehl aus ihrem Ziel machten, die bürgerliche Ordnung zu restaurieren.

Zu diesen Konterrevolutionären zählt z. B. der sogenannte „Onkel Szabö”, der im Elektrotechnischen Werk „Ganz” unter­kam. Dieser Onkel Szabö, ehemaliger Offizier der horthyistischen Gendarmerie, leitete später eine Gruppe der Aufständischen auf dem Szena-Platz. Käroly Tibalda, dem Sohn des ehemaligen Redakteurs der hitlerhörigen Zeitung „Üj Magyarorszag”, ge­lang es, sich in den Arbeiterrat desselben Werkes einzuschleichen, wo er sogar zum Sekretär aufrückte. In diesen Arbeiterrat wurden auch Denes Mate, ein Mitglied der ehemaligen Leibwache Horthys, und anderen eingeschmuggelt.

5. Eine der wichtigsten Besonderheiten der konterrevolutio­nären Taktik bestand darin, möglichst rasch und an möglichst vielen Stellen in den Regierungsapparat einzudringen, besonders in die Führung der Streitkräfte, um diese in die Hand zu bekom­men oder zumindest lahmzulegen.

Unter der Regierung Imre Nagy’s wimmelte es im Parla­mentsgebäude von alten Horthy-Politikastern, Aristokraten, Kronhütern, Chargen der Burgwache und anderem Gesindel. Unter ihrem Druck ernannte die Regierung den ehemaligen Offizier des Horthy-Generalstabs Bela Kiraly, der mit dem berüchtigten Faschistenhäuptling Gyula Gömbös verschwägert war, zum Oberkommandierenden der Armee. Ins Kriegsministe­rium ergoß sich ein Strom von ehemaligen Horthyoffizieren, und dieser schwoll ebenso schnell an, wie die Regierung ihre Zusam­mensetzung immer offentsichtlicher durch Verstärkung der Anhänger einer Restaurierung der bürgerlichen Ordnung änderte.

6. Eine bedeutende Rolle spielte bei der Zunahme der konter­revolutionären Kräfte das Eindringen faschistischer Emigranten­elemente aus dem Westen. Die mit Dollars aufgepäppelten Emi­grantenorganisationen vermochten es auch, in einzelne Organe des Internationalen Roten Kreuzes einzudringen und einzelne, für die Zustellung von Medikamenten und Verbandstoff be­stimmte Flugzeuge und Lastwagen des Roten Kreuzes zur Einschmuggelung von Waffen und Munition sowie zur Einschleu­sung von Konterrevolutionären nach Ungarn auszunutzen. Von hundert Roten-Kreuz-Flugzeugen, die bis zum November in Budapest landeten, hatten über vierzig etwa fünfhundert Leute solchen Schlags an Bord. Über unsere Westgrenzen drangen auch zahlreiche andere bewaffnete Gruppen ins Land ein.

Die ungarische Regierung hatte, auf das Zustandekommen einer günstigeren internationalen Friedensatmosphäre rechnend und bestrebt, dazu beizutragen, schon zuvor verfügt, die Sperranlagen und Minenfelder an den Grenzen zu entfernen. An der Westgrenze war diese Arbeit in der zweiten Septem­berhälfte beendet worden. Die Wühlorganisationen im Westen, die die Verschwörung vorbereiteten, machten sich diese bedeut­same Friedensgeste der ungarischen Regierung unverzüglich zunutze, um immer mehr Agenten über die Grenze zu schicken und die Vorbereitung zur Meuterei zu beschleunigen. In den ersten Tagen derselben benutzten sie die Erleichterung des Grenzverkehrs dazu, größere organisierte Gruppen einzuschleu­sen, um die Kräfte der Konterrevolution im Inland zu stärken.

7. Die großangelegte, wenn auch anfangs verborgene Tätig­keit der Konterrevolution trat infolge des raschen Anwachsens ihrer bewaffneten Kräfte, der Hilflosigkeit der Regierung Imre Nagy, des ständigen Abgleitens dieser Regierung nach rechts und schließlich ihres Zerfalls immer offener zutage. Verschie­dene Parteien und Organisationen, die für die Restaurierung der bürgerlichen Zustände eintraten, schössen wie die Pilze aus der Erde und in den letzten Tagen der Regierung Imre Nagy im politischen Leben des Landes eine dominierende Rolle. Das äußerte sich auch im Erscheinen einer Unzahl neuer Zeitungen. Am 29. Oktober bemächtigte sich eine der Meuterergruppen unter der Leitung von Jözsef Dudäs des Gebäudes der Zeitung „Szabad Nep”, und seit den ersten Novembertagen konnte diese Zeitung nicht mehr erscheinen. Alle übrigen Zeitungen, die in ihrer erdrückenden Mehrheit gegen die Kommunisten und die Sowjetunion hetzten, konnten ungehindert erscheinen. Am 31. Oktober wurde Kardinal Mindszenty im Triumphzug aus Schloß Felsöpeteny nach Budapest gebracht, wo er offen zur restlosen Liquidierung der volksdemokratischen Ordnung aufrief.

Die Konterrevolution meinte schon, fest im Sattel zu sitzen, obwohl sich ihre politischen Führer durch die Anwesenheit sowjetischer Truppen außerordentlich beunruhigt fühlten und dieser Umstand ihnen einen Dämpfer aufsetzte. Sie baten um die Entsendung westlicher Streitkräfte, UN-Truppen, war­teten und hofften auf deren Einmarsch. Das wäre die wichtigste Garantie für die Restaurierung des bürgerlichen Regimes gewesen. Der konterrevolutionäre Aufruhr drohte, zum Sturz des volksdemokratischen Regimes in Ungarn und zu einem Zusammenstoß unseres Heimatlandes mit seinen Nachbarn zu führen, er barg die Gefahr in sich, dass Ungarn zu einem Auf­marschgebiet für die ersten Feindseligkeiten eines neuen Welt­krieges und zu deren Schauplatz werden könnte. Die einzige Möglichkeit zur Rettung der Volksmacht und zur Beseitigung der Gefahr eines neuen verheerenden Krieges im Donautal bestand in der Niederwerfung der Konterrevolution.

Diese kleine Broschüre schildert einzelne Tatsachen, Vor­gänge und Ereignisse. Sie kann keinen Anspruch darauf erheben, ein vollständiges Bild zu bieten, sondern will lediglich dazu bei­tragen, die Geschehnisse richtig darzustellen und die Öffent­lichkeit Ungarns und des Auslandes mit der wahren Sachlage vertraut zu machen.