Was bleibt von der KPÖ?

Otto Bruckner

Was bleibt von der KPÖ?

„Vor 70 Jahren bin ich der illegalen KPÖ beigetreten. Ich kann sagen, dass ich zu jenen vielen GenossInnen gehöre, die als Funktionäre ihr ganzes Leben im Rahmen der KPÖ für eine sozialistische Zukunft eingetreten sind. Natürlich habe ich diese Ideen und mein Wissen meiner Tochter Lisl vermittelt, die heuer vor genau 40 Jahren dieser Kommunistischen Partei beigetreten ist und ebenso in den unterschiedlichsten Bereichen sich offen für die Partei und für eine sozialistische Perspektive engagierte.

Seit Jahren geht diese KPÖ nun einen Weg, der nicht nur von mir, sondern von vielen Genossen in der Partei abgelehnt wird. Ihr habt im letzten Jahrzehnt nichts unversucht lassen, das kommunistische Potenzial in der Partei zu diffamieren und auszugrenzen. Mehr noch, ihr maßt euch an, mit Ausschlussverfahren Genossen zu „verfolgen“, wie Gen. Weinert, oder statuten-widrig Gen. Fellner und meine Tochter auszuschließen, die eure Politik kritisierten und als Kommunisten handeln. Ihr habt euch über Parteitagsbeschlüsse hinweggesetzt, ihr habt einen Delegiertenparteitag einberufen, weil ihr meintet, so eure Abwahl verhindern zu können. Ihr werdet verstehen, dass ich nicht an eurer Feier teilnehme, die für mich lediglich eine Alibiaktion ist, denn dass ihr mit dieser Geschichte der Kommunistischen Partei nichts mehr anfangen könnt, habt ihr in der Vergangenheit immer wieder unter Beweis gestellt.“

So begründete Genossin Berta Brichacek, die neunzigjährige Mutter von „Neue Volksstimme“ – Herausgeberin Lisl Rizy – in einem Brief an die KPÖ-Spitze, warum sie der Einladung zur zentralen Parteiveranstaltung anlässlich 60 Jahre Befreiung nicht Folge leistete.

Und der Vertreter der Kommunistischen Jugend Österreichs (KJÖ), Paul Toifelhart, charakterisierte die KPÖ in seiner Rede auf der 1.Mai-Demonstration in Wien folgendermaßen:

„Mehr denn je muss der 1. Mai daher den revolutionären Charakter der Maifeier hervorkehren, soll unser Marsch auch ein Protest sein gegen die Kampfunwilligkeit der Gewerkschafts-bürokratie, gegen die Helfer und Helfershelfer des staatsmonopolistischen Kapitalismus in den Reihen der Arbeiterbewegung.

Alle reformistischen Versuche, dem 1. Mai diesen revolutionären Charakter zu nehmen, müssen zurückgewiesen und bekämpft werden.

Es muss in diesem Sinn auch auf die schmutzige Rolle der Baier-“K”P hingewiesen werden, die auf verleumderische Art und in dreister Weise nichts unversucht lässt, die anti-imperialistische und revolutionäre Linke in Österreich zu diffamieren und zu bekämpfen.

Die Baier-“K”P spaltet und grenzt innerhalb der fortschrittlichen Kräfte in Österreich aus, sie verteidigt Kriegshetzer und Pro-Imperialisten nicht nur, sie nimmt sie sogar in die eigenen Reihen auf und ist damit ein Mühlstein am Hals der Antikriegs- und Antiimperialistischen Bewegung, ein Mühlstein am Hals der internationalen Solidarität.“

Was ist los in einer Partei, wenn neunzigjährige zu ebenso harten Urteilen kommen wie zwanzigjährige? Einige beispielhafte Erklärungsversuche.

Die Kommunistische Partei Österreichs war über die meisten Perioden ihrer Existenz (seit 1918) eine kleine Partei. Den größten Einfluss in der österreichischen ArbeiterInnenschaft erreichte sie zwischen Mitte der 1930er bis Mitte der 1960er Jahre.

Im Gefolge der Februarkämpfe 1934 und der Kapitulation der Sozialdemokratie kamen tausende sozialistische GenossInnen in die bereits illegale KPÖ. Dieser Wendepunkt in der Geschichte der Partei bewirkte einen unglaublichen Aufschwung, da eine große Zahl marxistisch bereits gebildeter Kader in die Partei kam, und bewirkte, dass die KPÖ im illegalen Kampf gegen den Austro- und Nazifaschismus die bedeutendste Kraft in der ArbeiterInnenbewegung und darüber hinaus war. Nicht zuletzt der hohe Blutzoll der österreichischen KommunistInnen legt Zeugnis davon ab.

Auch in der Zeit nach 1945 bis Mitte der 1960er Jahre konnte ein nicht unmaßgeblicher Einfluß in der österreichischen ArbeiterInnenbewegung aufrechterhalten werden. Bei den Arbeiter-kammerwahlen (der gesetzlichen Vertretung aller Arbeiter, Angestellten und öffentlich Bediensteten) konnte die KP-nahe Gewerkschaftsfraktion in dieser Zeit immer an die zehn Prozent der Stimmen erzielen.

Eine entscheidende Schwächung erfuhr die Partei durch die Parteikrise Ende der 1960er Jahre. Die ideologische Konsolidierung und die Entwicklung einer eigenständigen Programmatik erfolgte über einen Zeitraum von einem Jahrzehnt und mündete in der Beschlussfassung des bis dato letzten ernstzunehmenden Programms der KPÖ, „Sozialismus in Österreichs Farben“ (1982).

Tatsächlich gelang es paralell zur ideologischen Konsolidierung auch, in der praktischen Politik wieder Tritt zu fassen. Die Partei spielte eine aktive Rolle in außerparlamentarischen Bewegungen, erzielte einzelne Erfolge in Betrieben und Gemeinden, an den Hochschulen schärfte der Kommunistische Studentenverband sein ideologisches Profil in der Auseinandersetzung mit den damals zahlreich vorhandenen Trotzkisten, Maoisten usw.

Die heutige Krise der Partei nimmt ihren Ausgang (wie sollte es anders sein), in der weltpolitischen Entwicklung Ende der 1980er. Langzeitvorsitzender Franz Muhri hatte gerade seine Funktion an Jüngere übergeben (Walter Silbermayr und Susanne Sohn wurden 1989 zu gleichberechtigten Vorsitzenden gewählt), als der „Gorbatschowismus“ seinen Höhepunkt in der Liquidation des Sozialismus erreichte. In Kreisen der Parteiführung zitierte man damals gerne „neue Denker“ wie eben Gorbatschow, Falin oder Fukuyama.

Das „ideologische Hiroshima“ (Domenico Losurdo) erreichte seinen Höhepunkt darin, dass die beiden Vorsitzenden der KPÖ und mit ihnen fast die Hälfte des Zentralkomitees aus der Partei austraten.

Auf dem folgenden 28. Parteitag der KPÖ (1991, Graz) wurde eine kollektive Parteiführung gewählt und ein ideologischer Rahmen gesteckt, der die in der Partei verbleibenen Kräfte einen sollte. Gleichzeitig war aber auch bereits eine Ausgrenzung kommunistischer Kräfte spürbar. Der brillanteste Ideologe der Partei, Ernst Wimmer, wurde nicht mehr in die Parteiführung gewählt. Als Chefredakteur des theoretischen Organs, „Weg und Ziel“ hatte er sich in den Jahren zuvor kein Blatt vor den Mund genommen und mit der ideologischen Verlotterung der kommunistischen Bewegung scharf abgerechnet. Als einer der ersten wies er unter dem Titel „Bankrott der Perestroika“ auf die antisozialistische Stoßrichtung der „Erneuerung“ hin.

Die Kräfte, die heute maßgeblich in der Führung der KPÖ sind, Vorsitzender Walter Baier, Finanzreferent Michael Graber und einige andere gehörten auch bereits dieser kollektiven Führung an. Systematisch vergrößerten sie in den Jahren danach ihren Einfluss, säuberten oder vertrieben in mehreren Wellen kritische Kräfte aus der Partei und führten die KPÖ Schritt für Schritt weiter nach rechts und zugleich in die Bedeutungslosigkeit.

Auf zwei Parteitagen hintereinander (zuletzt 2003) erreichte Vorsitzender Walter Baier nur knapp über fünfzig Prozent der Stimmen. Seine programmatischen Vorlagen mussten immer wieder zurückgezogen werden. Zugleich wurden aber auch Alternativentwürfe blockiert. Die letzte gewählte Programmkommission, die einen viel beachteten Entwurf für ein neues Parteiprogramm vorgelegt hatte, wurde von der Führung schlicht boykottiert, deren Entwurf einfach nicht zur Kenntnis genommen.

Mit dem Aufkommen der „Sozialforen“ und damit der globalisierungskritischen Bewegung versuchte die Baier-KPÖ voll auf diesen Zug aufzuspringen und die Losung „eine andere Welt ist möglich“ wurde zur Linie der Partei. An die Stelle der Lenin’schen Imperialismustheorie trat ein Konglomerat ethisch-moralischer Weltverbesserungstheoreme. In einem atemberaubenden Tempo wurde die Partei mit immer neuen Zumutungen konfrontiert. So pflegt der Parteivorsitzende engste Kontakte zur katholischen „Fokolar“-Bewegung, einer christlichen Sekte, die zwar viele humanistische und ökumenische Ideale vertritt, ideologisch aber zur Prätorianergarde des Vatikans gehört. So kommt es, dass die Sektenführerin der „Fokolare“, Chiara Lubich, wenn sie sich nicht gerade als „Schwester Gottes“ fühlt, den verstorbenen oder den aktuellen Papst bejubelt oder sonstige spirituelle Erscheinungen hat, lobende Worte über die Kommunistische Partei Österreichs und deren Vorsitzenden spricht.

Mit der Herausbildung der Europäischen Linkspartei (EL) ist das Schicksal der KPÖ eng verknüpft. Unter tatkräftiger Mithilfe von Einpeitschern aus anderen Parteien (etwa Wolfgang Gehrcke aus der PDS) wurde eine knappe Mehrheit auf einer Parteikonferenz erzielt, der Beitritt der KPÖ zur EL beschlossen. In demagogischer Weise wurde und wird den KritikerInnen der EL vorgeworfen, sie wären gegen Internationalismus.

Dabei ist das ganze Vorhaben EL alles andere als internationalistisch. Es ist – wie der steirische KPÖ-Vorsitzende Franz Parteder feststellte, „his master’s loyal opposition“ in der EU.

Unter Federführung der PDS und der Rifondazione Comunista wurde eine Vereinigung geschaffen, die reformistische Positionen zur EU hat. Nicht umsonst sind starke antiimperialistische und klassenkämpferische Parteien wie die griechische und die portugiesische KP, die KP Böhmens und Mährens oder die zypriotische AKEL nicht Mitglieder der EL.

Mit dem Beitritt zur EL einher ging ein völliges Abgehen von der grundsätzlich ablehenenden Haltung der KPÖ zur EU. Die KPÖ lehnte den Beitritt Österreichs seinerzeit ab. Auch danach trat sie für die Wiederabkoppelung Österreichs von der EU ein. Aus Sicht der KommunistInnen ist die EU ein imperialistisches Konstrukt, das ausschließlich den Interessen des Monopolkapitals dient. Soziale und demokratische Reformwünsche auf die EU-Ebene zu projizieren ist gefährliche Illusionsmacherei. Das lenkt von der Notwendigkeit des Klassenkampfs vor Ort ab. Reformistische Gewerkschafter etwa ziehen sich gern mit dem Argument zurück, dass gegen die Konzerne nur auf EU-Ebene was zu machen sei. Und was geschieht auf EU-Ebene, was erreicht der Europäische Gewerkschaftsbund? Nichts!

Internationalismus bedeutet etwas gänzlich anderes, als auf Reförmchen im imperialistischen Überbau zu setzen: Die Vernetzung klassenkämpferischer und antiimperialistischer Kräfte in Europa und weltweit, die gegenseitige Unterstützung in den realen Auseinandersetzungen.

Ein weiteres ideologisches Einfallstor ist das von der Parteiführung geförderte Eindringen „antinationaler“ Personen und Positionen in die KPÖ. Die „Antinationalen“ sind der Parteiführung ein willkommenes Werkzeug zur Demontage des Antiimperialismus. So kann sich die Führung formell zwar gegen den Irak-Krieg stellen, es aber gleichzeitig zulassen, dass es Kräfte in der Partei gibt, die den US-Überfall als „Befreiung“ begrüssen. Auch der Kontakt zu den Exil-Vertretern der pro-imperialistischen irakischen „KP“ ist bestens.

Die Empörung über diese und viele anderen Entwicklungen in der KPÖ erreichte im Jahr 2004 ihren Höhepunkt. Eine ohnehin nur aus sieben gewählten Vertretern bestehende Parteiführung war handlungsunfähig geworden, da alle(!) Personen außer Baier und Graber ihre Funktionen zurücklegten, weil mit den beiden keine gedeihliche Zusammenarbeit möglich war. Entscheidungen, die ihnen nicht in den Kram passten, boykottierten sie einfach.

In dieser Situation griff die Parteispitze zu einem Trick: Es wurde zwar ein Parteitag einberufen, aber ein „Delegiertenparteitag“, und zwar gegen den ausdrücklichen Willen des letzten Parteitags. Da nur die Parteispitze die Mitgliederzahlen überprüfen kann, war ihnen die Mehrheit mit einem „Delegiertenparteitag“ gewiss. Politisch völlig tote Parteibezirke „wählten“ in „Versammlungen“, an denen ein paar GenossInnen teilnahmen, „Delegierte“, die auf dem Papier für dutzende Mitglieder standen.

Die einzig erfolgreiche Landesorganisation, die KPÖ-Steiermark (sie stellt u.a. in Graz zwei Stadträte und hat über 20% der Stimmen), lehnte diese „Wahlen“ ab und nahm auch geschlossen nicht an dieser Parteitagsfarce teil. Ebenso wie alle anderen Teile der Opposition.

Der Versuch, einen statuten- und beschlusskonformen Mitgliederparteitag gegen den Willen der Parteiführung abzuhalten, wurde von der Opposition nach massiven Klagsdrohungen der Parteispitze gegen Einzelpersonen wieder abgeblasen.

So konnte Walter Baier seinen „Parteitag“ im Dezember 2004 in Linz-Ebelsberg abhalten und von etwa 70 „Delegierten“, die cirka 35 Funktionen unter sich aufteilten, „gewählt“ werden.

Aus Sicht der Opposition besaß und besitzt diese „Wahl“ keinerlei Legimitation, das Wort Putsch wäre schon eher zutreffend.

Im Jänner 2005 kam es, nachdem viele, vor allem jüngere Mitglieder die Partei aufgrund dieser Parteitags-Farce verlassen hatten, zur Gründung der „Kommunistischen Initiative“. Bereits vorher gab es eine „Kommunistische Initiative zur Erneuerung der KPÖ“, die eine breite Sammlungsbewegung der innerparteilichen Opposition darstellte.

Die Entscheidung, eine eigenständige Organisation außerhalb der KPÖ zu schaffen fiel aufgrund der Erkenntnis, dass eine Veränderung in der KPÖ wegen der völligen Abschaffung der innerparteilichen Demokratie auf Sicht nicht möglich ist.

Die „Kommunistische Initiative“ versteht sich als Teil jener Kräfte, die am Ziel der Schaffung einer revolutionären Partei der ArbeiterInnenklasse arbeiten.

Die bisherigen Aktivitäten bestanden beispielsweise in der Abhaltung einer würdigen und gutbesuchten Befreiungfeier beim Denkmal der Roten Armee in Wien, in der Mit-Organisierung einer kämpferischen 1.Mai-Demonstration in Wien, oder in der Abhaltung mehrerer inhaltich-programmatischer Veranstaltungen. Die KI ist Teil der antiimperialistischen Bewegung in Österreich, nicht nur in Schriften, sondern auch auf der Straße.

Noch offen ist die weitere Entwicklung der KPÖ deshalb, weil de facto derzeit zwei Parteien in einer existieren. Die KPÖ-Steiermark, eine überaus erfolgreiche Landesorganisation, die sich auf konkrete Interessenspolitik vor Ort konzentriert und nicht nur in der Landeshauptstadt Graz, sondern auch in fast allen wichtigen Industriestädten teils beachtliche kommunale Vertretungen hat, lehnt zwar die Politik der Führung ab, hält sich aber nobel zurück.

Als Grund dafür wird die bevorstehende Landtagswahl in der Steiermark im Herbst dieses Jahres angegeben, wo berechtigte Hoffnungen bestehen, dass erstmals seit 1970 wieder KommunistInnen im Landtag sitzen.

Ob es danach weiter so sein wird, dass die steirische KPÖ die Bundesparteiführung ignoriert, während diese sich mit den steirischen Federn schmückt, oder ob es zu einem Bruch kommen wird, lässt sich heute nicht sagen.

Jedenfalls hätten die kommunistischen Kräfte in den anderen Bundesländern nicht warten können, wie diese Entscheidung ausfallen wird. Ausserhalb der Steiermark wurden von der Parteispitze kritische Organisationen aufgelöst, ausgehungert, einzelne KritikerInnen ausgeschlossen, viele mit dem Ausschluß bedroht.

Es bestand keine Möglichkeit mehr, in der Partei vernünftige Politik zu machen. Deshalb erschien als einzig logischer Schritt die Neugründung einer eigenständigen Organisation, was mit der Kommunistischen Initiative geschehen ist. Die KI hat vor kurzem den Beschluß gefasst, in einzelnen Arbeiterbezirken zu den Wiener Wahlen Kommunalwahlen anzutreten, die ebenfalls im Herbst 2005 stattfinden. Das ist angesichts der noch wenig entwickelten Strukturen und Programmatik ein Risiko, zugleich ist es eine Chance, sich in der richtigen Kombination von Theorie und Praxis weiterzuentwickeln.

Ebenfalls im Herbst findet der formelle Gründungskongreß der Kommunistischen Initiative statt, auf dem erste programmatische Grundlagen und Überlegungen zur Strategie und Taktik der kommunistischen Bewegung diskutiert werden sollen.

Otto Bruckner