Zeitschrift für Sozialismus und Frieden 8/02

Herausgeber: Kommunistische Plattform der PDS Hannover

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Stalin als Theoretiker des Marxismus-Leninismus

Stalins Beiträge zur politischen Ökonomie des Sozialismus

Zum 50. Todestag Stalins am 5. März 2003

Von Ulrich Huar

Redaktionsnotiz

Ulrich Huar: Einleitung 

Ulrich Huar: Stalins Beiträge zur politischen Ökonomie des Sozialismus

I. Von der militärischen Leitung der Volkswirtschaft zur Arbeiter- und Bauern-Inspektion

II. Die NÖP - ein Feld des Klassenkampfes *

III. Industrialisierung und Akkumulation, Triebkräfte und "Lebensqualität" *

IV. Kollektivierung der Landwirtschaft *

V. Ökonomik der Übergangsperiode *

VI. „Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR" *

Anmerkungen (Quellennachweise) *

 

Redaktionsnotiz

Hiermit legen wir das zweite Heft der Reihe von Ulrich Huar, „Stalin als Theoretiker des Marxismus-Leninismus", vor: „Stalins Beiträge zur politischen Ökonomie des Sozialismus". Die hier verhandelten Fragen betreffen einen der wichtigsten Bereiche sowohl unserer Geschichte als auch unserer aktuellen Diskussionen.

Die ausführliche Begründung der Veröffentlichung entnehmt Ihr bitte dem ersten Heft (Nr. 5-2002) der Reihe.

Zur Erinnerung seien hier noch einmal kurz die Arbeitsmaximen wiederholt, die Ulrich Huar im ersten Heft darlegte. Er schrieb: Für die Darstellung boten sich zwei Herangehensweisen an: Einmal die chronologische, die den Vorteil hat, die Theorie in allen ihren Bestandteilen im Zusammenhang darstellen zu können innerhalb der Zeitperiode, in der sie verfasst wurde. Die zweite Methode war die Theorie nach ihren Bestandteilen - Parteitheorie (Theorie der nationalen Frage, Politische Ökonomie des Sozialismus, Militärtheorie, Staats- und Revolutionstheorie) darzustellen. Der Vorteil dieser Methode bestand darin, die einzelnen Teiltheorien gründlicher darstellen zu können, innerhalb dieser die Kontinuität von Marx/Engels - Lenin - Stalin, sowie die Erkenntnisfortschritte im Denken Stalins selbst deutlicher herausarbeiten zu können. Auch bei dieser Methode war innerhalb der Bestandteile dann chronologisch zu verfahren. Da mir die zweite Methode gegenüber der ersten günstiger erschien, habe ich mich für diese entschieden, wobei ich die Nachteile, den Zusammenhang mit den anderen Bestandteilen der Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus vernachlässigen zu müssen, in Kauf genommen habe.

Den Aufsätzen liegen die 13 Bände der Stalin-Werke zugrunde, die vom Dietz-Verlag, Berlin/DDR von 1950 - 1955 herausgegeben wurden, zuzüglich der Bände 14 und 15 vom Verlag Roter Morgen, Band 14, 2. Auflage, Dortmund 1976, Band 15, 3. Verbesserte Auflage, Dortmund 1979. Die Bände 16 und 17, die in Russland herausgegeben seien sollen, standen mir nicht zur Verfügung. Die hier genannten Stalin-Bände erscheinen in den Anmerkungen unter der Abkürzung: SW, der Band vor, die Seitenzahl nach einem / (SW x/yz).

Für die Arbeit der elektronischen Texterfassung und Korrektur danken wir den Genossinnen und Genossen der „Schriftenreihe der KPD" sehr herzlich. Wie schon das letzten Heft dieser Reihe erscheint auch dieses jetzt vorliegende gleichzeitig hier und bei der KPD.

 

Die Zeitschrift Offensiv finanziert sich allein durch Spenden. Wir sind in diesem Jahr bis an die Grenze der Ausgaben gegangen, haben eigentlich zu viele Hefte herausgegeben. Trotzdem wollen wir nicht nachlassen. Deshalb bitten wir weiterhin und eindringlich um Spenden:

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Redaktion Offensiv, Hannover

Ulrich Huar: Einleitung

Folgen wir den Ausführungen von Dmitri Wolkogonow, so besaß Stalin nur „primitive", „recht oberflächliche Kenntnisse der Ökonomie." Die von Lenin begründete NÖP (Neue Ökonomische Politik) habe Stalin „nie richtig begriffen". „Dieser Mensch, der niemals in der Produktion gearbeitet hatte, den Duft des Ackers im Frühjahr nicht kannte, ..." hatte „die Anfangsgründe der politischen Ökonomie nicht bewältigt."1)

Dieser entzückenden Begründung zufolge hat Karl Marx auch nichts von Ökonomie verstanden, denn auch Marx hatte weder in der Produktion gearbeitet noch die „Düfte des Ackers im Frühjahr" genossen. Die Mehrwerttheorie hatte Marx im Lesesaal des Britischen Museums in London entdeckt.

Lassen wir den „Duft des Ackers" als unabdingbare Voraussetzung für das Verständnis der politischen Ökonomie beiseite, so bleibt die Frage, welche Ökonomie meinte denn Wolkogonow?

Im Vorwort zu I.I. Stepanows Buch „Die Elektrifizierung der RSFSR im Zusammenhang mit der Übergangsperiode der Weltwirtschaft" (Prawda, 21. März 1922) kennzeichnete Lenin die Lage der Wissenschaftsentwicklung an den Universitäten als einen „schmählichen Zustand, ... daß fast fünf Jahre nach Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat in seinen, des Proletariats, staatlichen Schulen und Universitäten alte bürgerliche Gelehrte die Jugend alten bürgerlichen Plunder lehren (vielmehr sie damit verderben)." 2)

Vielleicht meinte Wolkogonow diesen „alten Plunder", über den Stalin nur „oberflächliche Kenntnisse" aufwies.

Diese bürgerlichen Gelehrten, darunter die bürgerlichen Ökonomen wie Tugan-Baranowski, S.N. Prokopowitsch, V. Grineveckij, u.a. hatten in den zwanziger Jahren noch bedeutenden Einfluß auf das Denken nicht weniger Ökonomen. Sie stellten sich in ihren Publikationen offen gegen die Sowjetmacht. Diese akademische Konterrevolution, die sich in die „Toga der Wissenschaftlichkeit, des Demokratismus und dergleichen mehr" hüllte,3) wurde besonders nach dem Übergang vom Kriegskommunismus zur NÖP aktiv. Damit ist die Situation in der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion gekennzeichnet, unter der Stalin anfänglich zu arbeiten hatte.

Stalin war kein Universitätsprofessor, der in ausgefeilter akademischer Diktion Vorlesungen vor Studenten aus gutem bürgerlichen Hause mit Gymnasialbildung in altehrwürdigen Universitäten hielt. Aber er verstand es, so zu schreiben und zu reden, daß ihn die Massen der Proletarier verstanden. Als die Massen aus ihrer eigenen Erfahrung lernten, eignete er sich die außergewöhnliche Fähigkeit an, die jeweils vorherrschende Stimmung einzufangen, sich auf ihre Wellenlänge einzustellen, sich ihr unterzuordnen und den Kurs nur gemeinsam mit der Mehrheit zu ändern. ...4)

„Stalin, der auf langjährige Erfahrungen revolutionärer Arbeit in der Erdölstadt Baku - dem Prototyp für spätere Enklaven des transnationalen Kapitals - zurückgreifen konnte, spürte natürlich früher und deutlicher als viele andere das Ausmaß der imperialistischen Bedrohung. Daraus zog er den im Prinzip richtigen Schluß, daß es notwendig war, die Industrialisierung der UdSSR zu forcieren."5)

Aber woraus sollte denn sonst eine ökonomische Theorie des Sozialismus gewonnen werden, wenn nicht aus den Erfahrungen der „revolutionären Arbeit" und des sozialistischen Aufbaus? In der Verallgemeinerung dieser Erfahrungen, ihrer Anwendung auf die Wirtschaftspolitik hat Stalin Hervorragendes geleistet. Natürlich hat Stalin die Politische Ökonomie des Sozialismus (im weiteren PÖS genannt) nicht alleine ausgearbeitet. Das hätte er wirklich nicht gekonnt, und solchen Unsinn hat er auch niemals behauptet.

In den 20er und 30er Jahren haben sowjetische Ökonomen eine gewaltige theoretische Arbeit geleistet, nicht zuletzt in der Grundlagenforschung. Natürlich gab es dabei auch Fehler, Irrtümer, anfechtbare Interpretationen der Marxschen Theorie, so auch bei Stalin. Aber wenn man nicht in der Asche der Geschichte wühlt, sich in gieriger Sensationslust an Irrtümern jener Zeit berauscht und heute alles sehr viel besser weiß, sondern die in der theoretischen Arbeit erzielten positiven Ergebnisse sucht, kommt ein Fundus an Erkenntnissen der marxistisch-leninistischen politischen Ökonomie zustande, der künftigen Generationen von Revolutionären in der Schaffung und Gestaltung einer menschenwürdigen Welt nützlich sein wird. In den 20-er und 30-er Jahren haben sowjetische Ökonomen einen völlig neuen Zweig der marxistischen politischen Ökonomie ausgearbeitet, die PÖS als relativ selbständigen Bestandteil des marxistischen Theoriegebäudes. An dieser Ausarbeitung hat Stalin einen bedeutenden Anteil.

Den Begriff „PÖS" gab es Anfang der 20-er Jahre noch nicht. Erstmalig soll er von dem sowjetischen Ökonom N. Wosnessenski 1931 eingeführt worden sein. 1936 faßte das ZK der KPdSU (B) den Beschluß zur Einführung des Lehrfaches PÖS in den Hochschulen. Dieser Beschluß galt zugleich als Direktive für die wirtschaftswissenschaftlichen Institute der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, sich der Ausarbeitung einer ökonomischen Theorie des Sozialismus zuzuwenden. Mit diesem Beschluß fand „der langwierige und komplizierte Kampf um die Anerkennung der Politischen Ökonomie des Sozialismus als selbständige Wissenschaft seinen Abschluß."6)

Die Ausarbeitung der PÖS war auf das engste mit der Wirtschaftspolitik der KPdSU (B) verbunden. Mir ist keine Geschichtsepoche oder -periode bekannt, in der die Beziehungen zwischen Theorie und Politik, zwischen Theorie- und Strategiebildung so eng waren wie in dieser Zeit. Besonders eng war das Verhältnis zwischen Ökonomie und Politik, in der die Politik gemäß Lenin „notwendigerweise das Primat gegenüber der Ökonomik" hat. „Politik ist der konzentrierteste Ausdruck der Ökonomie". „Ohne politisch richtig an die Sache heranzugehen, wird die betreffende Klasse ihre Herrschaft nicht behaupten und folglich auch ihre Produktionsaufgabe nicht lösen können."7)

Diese enge Wechselbeziehung von Theorie und Politik gab der Diskussion ihre Brisanz. Die meisten Ökonomen waren Mitglieder der Partei, einige von ihnen Mitglieder des Zentralkomitees und des Politbüros. Theoretische Aussagen hatten unmittelbar politische Wirkungen, trugen strategiebildenden Charakter. Von den wirtschaftspolitischen Entscheidungen hing das Schicksal der UdSSR ab, ihr Überleben in der feindlichen Umwelt imperialistischer Staaten. Ökonomische Theorien wurden zu Waffen im Klassenkampf, die Wirtschaftswissenschaft selbst zu einem Feld des Klassenkampfes. Daraus ergab sich die Schärfe der Auseinandersetzungen. Die Sprache war scharf, grob, machte auch vor politischen Verdächtigungen nicht halt. Die wirtschaftstheoretischen Diskussionen nahmen manchesmal sogar den Charakter von Gerichtsverhandlungen an, und so mancher Diskussionsbeitrag glich eher dem vernichtenden Verdikt eines Staatsanwalts. Das traf auch auf Diskussionen im ZK der KPdSU (B) zu. Dieser zeitbedingte Sachverhalt ist nicht selten Gegenstand ahistorischer Kritik, wobei die genannten Grobheiten ausschließlich Stalin zugeordnet werden. Liest man die Protokolle der Tagungen des ZK, des Politbüros oder des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI), wird deutlich, daß seine Kontrahenten Stalin an Grobheiten noch weit überboten haben. Die Reden Trotzkis, Sinowjews, Kamenews, Bucharins und anderer waren mit Verdächtigungen, Unterstellungen, Lügen, Verfälschungen von Sachverhalten reichlich durchsetzt.

Bezüglich solcher Auseinandersetzungen bemerkte Stalin vor Absolventen der Akademie der Roten Armee am 4. Mai 1935: „Doch beschränkten sich diese Genossen nicht immer auf Kritik und passiven Widerstand. Sie drohten uns mit der Entfachung eines Aufstandes in der Partei gegen das Zentralkomitee. Mehr noch: Sie bedrohten manchen von uns mit Kugeln."7a)

Nach der Niederschlagung der Revolution im Westen, namentlich der Novemberrevolution in Deutschland, war klar, daß sie in historisch überschaubarer Zeit dort nicht wieder würde stattfinden können.

Die Mehrheit der Führer der KPR (B) entschied sich für den Aufbau des Sozialismus im Lande, nicht nur Stalin, vorher schon Lenin aber auch Bucharin u. a. - gegen Trotzki und seine Anhänger. Damit stand die KPR (B) vor einer historisch einmaligen praktischen und theoretischen Aufgabe. Welchen theoretischen Vorlauf gab es dafür?

Mit der Ausarbeitung der materialistischen Dialektik hatte Marx die entscheidenden theoretischen und methodologischen Voraussetzungen für die Ausarbeitung einer Theorie der sozialistischen Wirtschaft geschaffen. Er hatte das Bewegungsgesetz der kapitalistischen Produktionsweise entdeckt, die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktion und Verteilung dargestellt. Die zukünftige kommunistische Gesellschaft konnte er nur aus den Entwicklungstendenzen der kapitalistischen Gesellschaft in Grundzügen antizipieren.

Die grundlegende Schlußfolgerung, die Marx aus der Analyse der kapitalistischen Produktionsweise gewann, war die Aufhebung des Privateigentums und die Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise dieser geschichtlich letzten auf Privateigentum basierenden Ausbeutergesellschaft. In seinem Hauptwerk „Das Kapital" stellte er neben formationsspezifische auch allgemeine ökonomische Gesetze dar, die nicht nur in der kapitalistischen Gesellschaft, sondern auch in den vorangegangenen Gesellschaftsformationen gewirkt haben und auch in der zukünftigen kommunistischen Formation wirken würden, wie z.B. das Gesetz der Ökonomie der Zeit, das Gesetz vom Wachsen der Arbeitsproduktivität u.a.. Engels unterschied im „Anti-Dühring" bereits eine politische Ökonomie im engeren und weiteren Sinne, wies aber auch gleich darauf hin, daß „die politische Ökonomie in dieser Ausdehnung... jedoch erst geschaffen werden" müsse. „Was wir von ökonomischer Wissenschaft bis jetzt besitzen, beschränkt sich fast ausschließlich auf die Genesis und Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise ... und schließt ab mit der sozialistischen Kritik der kapitalistischen Produktionsweise. ..."7b)

Marx und Engels antizipierten einige wichtige Züge der zukünftigen kommunistischen Produktionsweise, wie Planmäßigkeit der Produktion, planmäßige Verteilung der Arbeitszeit und Organisation der gesellschaftlichen Arbeit. Die kommunistische Gesellschaft könne nicht auf einen Schlag errichtet werden, sondern nur allmählich. Übergangsmaßnahmen würden erforderlich sein, wobei Engels darauf verwies, daß „Übergangsetappen zur kommunistischen Gesellschaft" der „schwierigste Stoff" sind, „den es gibt, weil die Bedingungen sich in einem fort ändern."7c)

Auch die Verteilungsverhältnisse würden nicht gleich sein im Verlauf der Übergangsetappen und innerhalb der Phasen der kommunistischen Gesellschaftsformation. Über Zeiträume von Übergangsetappen, Fristen und deren konkrete Gestaltung stellten Marx und Engels keine Spekulationen an.

Geht man dogmatisch an die Marxsche Theorie heran, hätte die Oktoberrevolution überhaupt nicht stattfinden dürfen, denn Marx und Engels erwarteten sie in den fortgeschrittensten kapitalistischen Ländern. Der „Fall", daß die sozialistische Revolution in einem ökonomisch schwach entwickelten Land mit einem bestenfalls mittelmäßig entwickelten Kapitalismus mit starken feudalen Überresten, in dem die Industriearbeiter als bestorganisierter und politisch geschulter Teil der Arbeiterklasse eine unter der Masse der - meist analphabetischen - Bauern verschwindende Minderheit darstellte, siegen würde, war in der Marxschen Theorie nicht vorgesehen. In Büchern stand nicht, wie unter solchen Bedingungen der Sozialismus errichtet werden konnte, und es gab genügend Zweifler, die dies auch für unmöglich hielten.

Stalin konnte sich noch auf die theoretischen Arbeiten Lenins über die NÖP stützen, darunter auf die Erkenntnisse, daß sich der Übergang von der kapitalistischen zur sozialistischen Gesellschaft ökonomisch über Ware-Geld-Beziehungen, über Markt, Handel, Geld, Rechnungsführung, Rentabilität, Kredit und ein stabiles Staatsbudget vollziehen würde. Das Neue in der Anwendung von Kategorien der Warenproduktion bestand darin, daß die Staatsmacht fest in den Händen des Proletariats war, daß die Frage der politischen Macht vorerst zugunsten der Arbeiterklasse entschieden war. Lenin hat die Kategorien der Warenproduktion allerdings an die NÖP gebunden. Sein frühzeitiger Tod läßt offen, welchen weiteren Weg in der sozialistischen Ökonomik er eingeschlagen hätte.8)

Die w.o. genannte Verflechtung von ökonomischer Theorie und Wirtschaftspolitik erklärt die Bedeutung, die Stalins Schriften zur ökonomischen Strategie für die Theorieentwicklung, die Ausarbeitung der PÖS hatte. Oftmals wird Stalins wirtschaftstheoretischer Beitrag auf seine Schrift „Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR" (1952) reduziert, was eine unzulässige Verkürzung ist. Man kann diese Schrift als einen Abschluß des wirtschaftstheoretischen Denkens Stalins bezeichnen, die Gesamtheit seines Denkens wird damit aber auch nicht annähernd erfaßt.

Ulrich Huar: Stalins Beiträge zur politischen Ökonomie des Sozialismus

I. Von der militärischen Leitung der Volkswirtschaft zur Arbeiter- und Bauern-Inspektion

Die ersten mir bekannten Ausführungen Stalins zu Wirtschaftsfragen enthält sein „Referat über die Wirtschaftspolitik" vom 19. März 1920 auf der IV. Konferenz der KP (B) Ukraine, noch vor der Einführung der NÖP auf dem X. Parteitag der KPR (B) (8. bis 16. März 1921).

In diesem Referat ging Stalin auf erste Maßnahmen ein, die aus seiner Sicht erforderlich waren, um die durch Weltkrieg, Bürger- und Interventionskrieg zerstörte Volkswirtschaft wiederherzustellen. Als zu lösende „Hauptfrage" nannte er die Brennstoff-, Kohle-, Erdöl-, Holz- Problematik. „Alle imperialistischen Kriege wurden um Brennstoffe geführt. Alle Schliche der Entente liefen darauf hinaus, uns den Brennstoff zu rauben."9)

Die zweite Aufgabe betrafen Hüttenwesen, Erz, Roheisen, Fertigerzeugnisse, und an dritter Stelle folgte die „Getreidenot." Dazu gab er Zahlen an, die das Ausmaß der wirtschaftlichen Katastrophe belegten.

Es ist bemerkenswert, daß Stalin die extraktive Industrie und die Metallurgie, die Schwerindustrie an die beiden ersten Stellen setzte, die Getreidefrage an die letzte. Aber: „Die Getreidenot - das ist der Hauptmangel für die Lähmung unserer Industrie."10)

Den Zusammenhang Schwerindustrie - Getreide hatte Stalin zu diesem Zeitpunkt bereits erkannt; er sollte ihn und andere Ökonomen immer wieder beschäftigen. Die vorgeschlagenen Lösungswege entsprachen noch ganz den Methoden der Kriegsführung, „aus den Reihen der Arbeiter unsere eigenen Wirtschaftsoffiziere und -unteroffiziere hervorbringen, die das Volk unterweisen werden, wie der Kampf gegen die Zerrüttung zu führen und eine neue Wirtschaft aufzubauen ist." Wie im vergangenen Jahr (1919 UH) zwischen den Truppenteilen ein Wettbewerb veranstaltet wurde, müsse nun mit den Werktätigen in den Fabriken, auf der Eisenbahn, in den Gruben dasselbe getan werden.11) Die Arbeit in der Kohleindustrie sei zu militarisieren, auch die Dorfbevölkerung sei durch Arbeitspflicht zur Verwendung beim Transport und bei der Anfuhr von Kohle zu mobilisieren.

Den Drückebergern und Arbeitsdeserteuren solle die Lust vergehen, sich aus dem Donezbecken zu verziehen, damit in der Industrie und im Verkehrswesen Arbeitsdisziplin herrsche.12)

Die sowjetische Industrie in der ganzen Föderation (die UdSSR war noch nicht gegründet, UH) mache „im gegenwärtigen Moment jene Periode des Schlendrians und des Partisanentums durch, die die Rote Armee vor anderthalb Jahren durchgemacht hat."13)

Zusammengefaßt: Stalin glaubte zu dieser Zeit noch, die Zerrüttung der Wirtschaft mit militärischen Methoden lösen zu können. Damit stand er jedoch nicht allein. In seinem 1920 geschriebenen Buch „Ökonomik der Transformationsperiode" meinte Nikolai Bucharin, daß nach größerem historischen Maßstab „der proletarische Zwang in all seinen Formen, angefangen mit Erschießungen bis zur Arbeitspflicht, eine ... Methode der Bildung einer neuen, kommunistischen Menschheit aus dem Menschenmaterial der kapitalistischen Epoche" bilde. Diese Formulierung fand eine zustimmende Randbemerkung von Lenin.14) Trotzki wollte die Gewerkschaften „militärisch organisieren", sie ordentlich „durchrütteln".

Lenin schrieb in einem Prawda-Artikel vom 18. Oktober 1921 auf diese Periode rückblickend: „Wir nahmen an, ohne genügend zu rechnen -‚ daß wir durch unmittelbare Befehle des proletarischen Staates die staatliche Produktion und die staatliche Verteilung der Güter in einem kleinbäuerlichen Land kommunistisch regeln könnten. Das Leben hat uns unseren Fehler gezeigt."15)

Obwohl es bis Ende 1921 klar war, daß der Aufbau einer sozialistischen Wirtschaftsordnung nicht mit militärischen Methoden und „Befehlen des proletarischen Staates" vollzogen werden konnte, meinte der sowjetische Ökonom A. Steckij noch Anfang der 30er Jahre, daß das „Bewegungsgesetz" der sowjetischen Wirtschaft die „proletarische Diktatur" sei und beschuldigte jene Ökonomen, die von objektiven ökonomischen Gesetzen ausgingen, daß sie bürgerliche und opportunistische Theorien in die Sowjetwirtschaft einschmuggeln wollten.16)

Aus den im sowjetischen Staatsapparat herrschenden Mängeln heraus begründete Stalin in seiner am 15. Oktober 1921 gehaltenen Rede die Notwendigkeit zur Gründung einer Arbeiter- und Bauerninspektion. Die Ursachen dieser Mängel bestünden darin, daß die Arbeiter und Bauern vor der Revolution niemals an der Verwaltung teilgenommen hätten, sie darum über keine Erfahrung in der Verwaltungstätigkeit verfügten. Den Bürokratismus hätten sie nach der Revolution zwar zerschlagen, aber die Bürokraten wären geblieben. Die Sowjets hätten einen völlig zerstörten Wirtschaftsapparat übernommen. „Solange diese Bedingungen existieren ... brauchen wir eine Inspektion."17)

Die Hauptaufgaben bestünden in der Einführung der „zweckdienlichsten Formen der Rechnungsführung über das Staatsvermögen" und der Ausbildung von Arbeitern und Bauern zu Inspektoren, „die fähig sind, den ganzen Staatsapparat zu meistern."18) Die schwierige Aufgabe bestand darin, in der praktischen Inspekionstätigkeit unerfahrene Arbeiter und Bauern zur Ausübung wirtschaftsleitender Funktionen zu qualifizieren.

Stalin nahm im folgenden eine Unterscheidung zwischen den Sowjets und dem Exekutivapparat des Staates vor. Die Staatsverwaltung werde nicht von den Sowjets, sondern vom Exekutivapparat ausgeführt. Die Arbeiterklasse müsse Vertreter nicht nur dort haben, „wo die Fragen erörtert und entschieden werden," sondern auch dort, „wo die Beschlüsse verwirklicht werden."19)

War Stalin ein Verfechter der „Gewaltenteilung"? Wie aus dem Kontext ersichtlich, ging es nicht um Machtteilung; die Arbeiterklasse müsse sowohl im Sowjet als auch im Apparat vertreten sein, womit die Machtfrage eindeutig beantwortet ist. Diese von Stalin vorgenommene Unterscheidung „ist im Grunde nichts anderes als die profane industrielle Teilung der Arbeit zur Vereinfachung und Kontrolle, angewandt auf den Staatsmechanismus."20)

Mit der von bürgerlichen Ideologen und deren reformistischen Anhang behaupteten „Gewaltenteilung" hat diese Unterscheidung nichts gemein. (Nebenbei bemerkt, gibt es auch in den kapitalistischen Staaten keine „Gewaltenteilung." Die Bourgeoisie denkt gar nicht daran, die Macht mit der Arbeiterklasse zu teilen. Sie besetzt die Exekutive, die Legislative, die Justiz. Heute kommen noch die Medien hinzu, mit ihren Kommis. Gegentlicher Krakeel zwischen diesen Institutionen kapitalistischer Machtausübung resultiert aus der Konkurrenz unter den Bourgeois, ändert aber an der Machtausübung der Bourgeoisie als Klasse auch nicht das Geringste).

Stalin war sich der Schwierigkeiten dieser doppelten Aufgabe, die Ausübung der Inspektion bei gleichzeitiger Qualifizierung durchaus bewußt, wie seine kritischen Bemerkungen zu den Arbeitsmethoden der Inspektion zeigen. Die Inspektion dürfe sich nicht, wie früher, vor der Revolution im zaristischen Rußland üblich, zu „Polizeimethoden" hinreißen lassen, um „Schuldige", „Verbrecher" zu ertappen. Die Inspektion habe die Apparate als ihre eigenen zu betrachten, die man belehren, vervollkommnen muß. Die Inspektion solle Hauptmängel aufdecken und zu ihrer Überwindung beitragen.

„Ich weiß, daß die ehrlichsten Funktionäre der Arbeiter- und Bauerninspektion häufig vom Haß einiger dreist gewordener Beamten wie auch einiger Kommunisten verfolgt werden, die den Einflüsterungen dieser Beamten ein williges Ohr leihen." Dennoch dürften sie sich nicht davor fürchten, sie dürften „niemanden schonen, welche Stellung er auch immer einnehmen möge, und immer ... nur auf die Sache, nur auf die Interessen der Sache bedacht sein."21) Es wäre dies „eine sehr schwierige und delikate Aufgabe." Andererseits habe sich gezeigt, daß „in Moskau die Kontrolleure selbst ... ihrer Berufung nicht gewachsen" waren. Gegen Übergriffe von Kontrolleuren sei „das strengste Strafmaß" anzuwenden.22)

Ohne einen qualifizierten wirtschaftsleitenden Apparat war die zerrüttete Volkswirtschaft nicht wiederherzustellen. Aber diese Erkenntnis in der Praxis umzusetzen, diesen Apparat zu schaffen, konnte sich nur in scharfen Auseinandersetzungen, auch zwischen Kommunisten, und nur in einem längeren - langen? - Zeitraum vollziehen. Dieser Weg war dornig.

II. Die NÖP - ein Feld des Klassenkampfes

Das Verdienst der Ausarbeitung der NÖP gebührt zweifellos Lenin. Stalin hat mit eigenen Arbeiten zur Entwicklung der NÖP beigetragen. In dem Artikel „Die Perspektiven" vom 18. Dezember 1921 ging er auf wesentliche Aspekte der Ökonomie ein. Er begründete die Notwendigkeit der NÖP aus der inneren und äußeren Situation Sowjetrußlands. Während des Bürger- und Interventionskrieges hatte das Bündnis der Arbeiter und Bauern seine Bewährungsprobe bestanden. Aber die Formen des Bündnisses blieben nicht immer die gleichen.

Während des Krieges war das Bündnis vorwiegend ein militärisch-politisches, das solange seinen Zweck erfüllte, bis die Gutsbesitzer vertrieben und der Boden in der Hand der Bauern war. Die Ablieferungspflicht an Getreide duldeten die Bauern nicht länger, das Bündnis drohte zu zerfallen, was gleichbedeutend mit dem Ende Sowjetrußlands wäre. Ohne Getreide gab es kein Brot für die Armee und die Arbeiter in der Stadt. Der konterrevolutionäre Aufstand in Kronstadt im Frühjahr 1921 war eine ernste Warnung.

Eine neue, eine wirtschaftliche Form des Bündnisses wurde notwendig, die für die Arbeiter und Bauern wirtschaftliche Vorteile gewährte. Darin liege „der Schlüssel zum Verständnis der Neuen Ökonomischen Politik."23)

Die Getreidefrage war in Sowjetrußland zu dieser Zeit die Schlüsselfrage sowohl der Wirtschaft als auch der Politik. Ohne Getreide keine Industrialisierung, Zerfall der Armee, Ende der Diktatur des Proletariats, die auf dem Bündnis der Arbeiter mit der Bauernschaft beruhte.

Stalin erkannte die historische Bedeutung der Aufhebung der Ablieferungspflicht, von der er einen „Anstoß zur verstärkten Produktion von Lebensmitteln, Rohstoffen und anderen Erzeugnissen" von den Kleinproduzenten erwartete. Rußland erlebe jetzt „einen ähnlichen Massenaufschwung in der Entwicklung der Produktivkräfte..., wie ihn Nordamerika nach dem Bürgerkrieg erlebte." Die Produktionsenergien des Kleinproduzenten seien freigesetzt, wodurch ihm ein „gewisser Vorteil" gesichert sei. Da der Staat das Verkehrswesen und die Industrie in seiner Hand behalte, wäre der Kleinproduzent gezwungen, „Wasser auf die Mühle des Sowjetstaates zu leiten."24)

Mag der historisch kurzzeitige Vergleich mit Nordamerika überzogen gewesen sein; zieht man jedoch einen längeren Zeitraum in die Bewertung dieser Aussage ein und berücksichtigt, daß Analogien eine legitime Methode historischer Betrachtungen sind, war er nicht übertrieben. Stalin hat Nordamerika wiederholt zum Vergleich mit der Entwicklung der Wirtschaft in der UdSSR herangezogen. Ökonomie und Technik der USA hatten bis zu einem gewissen Grade die Funktion eines Kriteriums für die eigene Wirtschaftsentwicklung.

Mit dem Beginn der NÖP trat ein neues Problem auf, das praktisch und theoretisch zu lösen war: „Die Entwicklung des Warenmarkts und des Geldumlaufs..."25) und damit die Frage nach dem Wirken des Wertgesetzes unter den Bedingungen der Diktatur des Proletariats; Ware - Geld - Beziehungen im Sozialismus, ein Problem, das bis heute unter Kommunisten kontrovers diskutiert wird. Erstmalig traten unter diesen Bedingungen Fragen der Finanzierung, der Gründung und Rolle einer Staatsbank als „Organ zur Regulierung des Geldumlaufs im Lande...," der „Entwicklung des Warenmarkts und des Geldumlaufs" auf.

Tätigkeiten im privaten und staatlichen Handel, in der Produktion, Tarife, u.a., hingen von Währungsschwankungen des Rubels ab. Die Volkswirtschaft habe sich in eine Tauschwirtschaft verwandelt, die mit der Außenwelt Handel treibe. Der Geldumlauf müsse in Ordnung gebracht, eine Kursverbesserung des Rubels erzielt werden, der Export müsse ausgeweitet, die passive Handelsbilanz ausgeglichen werden. Ausländische Anleihen seien nötig, gemischte Handels- und Transitgesellschaften würden die Lage erleichtern, Konzessionen seien einzuführen. Die Betriebe müßten nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit umgestellt, kleine, unrentable Betriebe geschlossen oder verpachtet werden. Die Arbeitsdisziplin sei zu heben, die Arbeit zu intensivieren.26)

Die hier genannten Begriffe der Ökonomie, die uns heute geläufig und verständlich sind, waren für die Masse der Arbeiter und Bauern, selbst für viele Funktionäre der KPR (B) etwas Neues, ja Unerwünschtes, das mit Mißtrauen betrachtet wurde.

Diesen Übergang von der Ablieferungspflicht zu einer Waren-Geld-Wirtschaft unter den Bedingungen der Diktatur des Proletariats zu vollziehen, war eine äußerst schwierige Aufgabe, die historisch erstmals gelöst wurde. Alle diese Begriffe trugen den Geruch des Kapitalismus, der Ausbeutung. Was heißt hier „Hebung der Arbeitsdisziplin"? Eine neue Form der Ausbeutung, die die Kommunisten doch abschaffen wollten?

Daß „bei der Durchführung dieser Maßnahmen eine Menge Fehler gemacht" wurden, war unvermeidlich.27)

Stalin hatte im Grunde auch nur die Aufgaben genannt, Lösungen hatte auch er noch nicht. Dieser Übergang zur NÖP stieß auch nicht bei allen Mitgliedern des ZK und Ökonomen auf Zustimmung. Bucharin meinte in seiner 1920 geschriebenen Abhandlung „Ökonomik der Transformationsperiode" (allerdings noch vor der Einführung der NÖP), daß die Wertkategorien der kapitalistischen Produktionsverhältnisse auf den Sozialismus nicht anwendbar seien.28) Der Sozialismus, über den Bucharin schrieb, wurde von ihm als eine Übergangsperiode verstanden. Der Wert sei in der Übergangsperiode am wenigsten brauchbar, da die Warenproduktion „in hohem Grade" verschwinde29); Geld höre auf, allgemeines Äquivalent zu sein, es würde zu einem „höchst unvollkommenen Zeichen der Produktionszirkulation" werden, der Arbeitslohn zu einer Scheingröße, die „keinen Inhalt" habe.30)

Solche Auffassungen waren auch nach dem Beschluß der Einführung der NÖP unter Funktionären der Partei weit verbreitet.

Eine Folge des Nichtbegreifens der Notwendigkeit der NÖP und der Ausnutzung des Wertgesetzes in der Übergangsperiode war die Geringschätzung des Handels und die Verachtung der im Handel tätigen Kommunisten. Diese waren für viele Genossen gleichbedeutend mit dem „NÖP"-Mann, dem Gauner, den Spekulanten, die es ja auch gab. Auf dem XIII. Parteitag der KPR (B) (Mai 1924) wandte sich Stalin gegen diese Vorurteile. Jeder Wirtschaftsfunktionär, auch im „schäbigsten Laden,... wenn er aufbaut und die Sache vorwärts bringt", ist „ein echter Parteifunktionär, der die volle Unterstützung der Partei verdient."31) Stalin betonte die Bedeutung der Rechnungsführung und Statistik für die Aufbau-, Staats- und Planarbeit, hob die Rolle des Buchhalters hervor.32) Staatliche, genossenschaftliche, gemischte Aktiengesellschaften, auch unter Einbeziehung von Privatkapital, seien „aktuell geworden" zur Förderung des Binnenhandels und des Exports. Die Aktiengesellschaften standen natürlich unter staatlicher Kontrolle.33)

Die Fragen des Marktes, der Ware-Geld-Beziehungen in der Übergangsperiode ließen sich nicht einfach unter Anwendung abstrakter ökonomischer Kategorien lösen.

Der Markt war ein Kampffeld zwischen den sozialistischen und den privat- kapitalistischen Elementen. „Die Fragen des Zusammenschlusses und des Handels erhoben sich vor uns nicht mehr als Fragen der Theorie, sondern als brennende Fragen der unmittelbaren Praxis, die eine sofortige Lösung erfordern."34) Dieser Kampf um die „Eroberung der wichtigsten Fäden des Handels" werde „nicht in friedlicher Arbeit vor sich gehen..., sondern im Kampf zwischen den sozialistischen und den privatkapitalistischen Elementen stattfinden, in einem verzweifelten Wettkampf. ..." Dieser Kampf sei „nun entbrannt", trete hauptsächlich auf „zwei Linien in Erscheinung: auf der Linie des Handels zwischen Stadt und Land und auf der Linie des Kreditwesens, hauptsächlich auf dem Lande."35)

Die Frage „wer - wen?" war mit der Errichtung der Diktatur des Proletariats auf politischem Gebiet für die Arbeiterklasse vorerst entschieden. Jetzt war die Frage auf ökonomischem Gebiet zu entscheiden. Die NÖP war eben nicht einfach ein „Marktsozialismus" (Wolkogonow)35a), sondern ein Kampffeld zwischen Sozialismus und Kapitalismus nach der Eroberung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse. Wenn die Arbeiterklasse ihre Macht behaupten will, muß sie auch auf dem Feld der Ökonomie siegen, bei Strafe des Verlustes der politischen Macht.

In der Produktion habe das Privatkapital nicht Fuß fassen können; das Risiko war zu groß, der Umschlag des Kapitals zu langsam, aber im Handel beherrschte es etwa 80 Prozent des gesamten Einzelhandels und 50 Prozent des gesamten Groß- und Einzelhandels. Das Kreditwesen auf dem Lande lag ganz und gar in den Händen von Wucherern und Kulaken, die durch „unerhörte Zinsen" die unbemittelte Bauernschaft ausbeuteten. Daher seien landwirtschaftliche Kreditanstalten erforderlich, um die Bauern mit billigen Krediten zu versorgen und Wucherer und Kulaken aus dem Kreditgeschäft zu verdrängen.36)

Die Hauptgefahr für die Sowjetmacht ging also vom Privatkapital im Handel, von den Kulaken, den Kapitalisten in der Landwirtschaft aus. Das waren die Gründe, warum sich Stalin gegen die Geringschätzung der im Handel tätigen Genossen und für den Aufbau staatlicher Kreditanstalten, vor allem auf dem Lande, einsetzte.

In einem Brief an die Redaktion der „Komsomolskaja Prawda" vom 2. Juni 1925, unterzeichnet von Stalin, Molotow und Andrejew, kritisierten die Autoren einige Ausführungen des Ökonomen A. Stezkis, der - zwar in „milder Form" - die Losung „bereichert euch!" vertreten habe. Dem liege ein Mißverständnis über die „sozialistische Akkumulation" zugrunde. Die Aufhebung einer Reihe administrativer Schranken erleichtere zwar die privatkapitalistische Akkumulation, aber die Partei habe niemals die private Akkumulation zu ihrer Losung gemacht. Über die NÖP solle die sozialistische Akkumulation im System der Volkswirtschaft erleichtert werden, deshalb sei auch die private Akkumulation zugelassen worden, was unvermeidlich war. Mit Stezkis Losung sei der Unterschied zwischen sozialistischer und privater Akkumulation verwischt worden.37)

In „Fragen und Antworten", einer Rede in der Swerdlow-Universität vom 9. Juni 1925, ging Stalin auf verschiedene Probleme der Ökonomie ein.

Zwischen Landwirtschaft und Industrie bestehe eine „Schere", indem die Preise für landwirtschaftliche Produkte zu niedrig, die Preise für Industriewaren dagegen zu hoch waren. Es war dies eine Akkumulationsquelle für den Aufbau der Industrie in der Sowjetunion. Um diese „Schere" zu beseitigen, sei die Gesamtsumme der landwirtschaftlichen Steuer herabzusetzen und allmählich aus dem Staatshaushalt in den lokalen Haushalt zu überführen. Noch vor zwei Jahren (1923 UH) gehörte die landwirtschaftliche Steuer zu „den fast wichtigsten Einnahmneposten in unserem Staatshaushalt..." Jetzt bildete sie nur einen unbedeutenden Teil des Staatshaushaltes. Der Schwerpunkt der Staatseinnahmen hätte sich auf Einkünfte aus den staatlichen Unternehmen sowie auf indirekte Steuern verlagert.38) Ob sich die „Schere" damit allein schon schließen ließ, dürfte fraglich sein, aber eine finanzielle Entlastung für die Bauern, selbst bei Aufrechterhaltung der niedrigen Aufkaufpreise, würde damit schon erreicht werden.

Durch den Zusammenschluß der Bauern in landwirtschaftliche und Kreditgenossenschaften würden die bäuerlichen Wirtschaften „in das allgemeine System des sozialistischen Aufbaus" einbezogen werden. Die Landwirtschaft sollte durch „maximale Versorgung" mit Traktoren technisch revolutioniert werden. Durch den Elektrifizierungsplan sei das Land enger mit der Stadt zu verbinden, um den Gegensatz zwischen ihnen aufzuheben.

Stalin war sich der Gefahren der NÖP bewußt. Die NÖP war ein Feld des Klassenkampfes. Eine Restauration des Kapitalismus war noch immer möglich. Die Zulassung privatkapitalistischer Elemente konnte zum Verlust der sozialistischen Perspektive, der internationalen revolutionären Perspektive und der führenden Stellung der Partei führen, dem Liquidatorentum und Nationalismus neue Nahrung geben.

Der Einfluß der bürgerlichen Ideologie auf die Partei habe sich unter den Verhältnissen der NÖP verstärkt. Die kapitalistischen Elemente führen den Kampf nicht nur auf wirtschaftlichem, sondern auch auf ideologischem Gebiet und seien bemüht, ihre Ideologie in das Proletariat zu tragen; besonders in die am wenigsten standhaften Teile der Partei mit noch vorhandenen Unglauben an die Sache des sozialistischen Aufbaus, mit Skepsis gegenüber den sozialistischen Perspektiven unserer Aufbauarbeit. Man könne nicht sagen, „daß ihre Bemühungen absolut fruchtlos geblieben wären."39)

Auf der anderen Seite habe es 1923 unter einem Teil der lernenden Jugend „linke" Abweichungen und Bestrebungen gegeben, „die Bücher hinzuwerfen und nach Deutschland zu fahren. ..." Ein Revolutionär, so meinten sie, habe in Rußland nichts mehr zu tun, also nach Deutschland fahren, „um dort Revolution zu machen."40)

Vertreter der rechten Abweichung verhüllten ihr Liquidatorentum hinter einer „wissenschaftlichen Theorie", der „Theorie der Produktivkräfte", wofür sie von bürgerlichen Ideologen als „ernstzunehmende Marxisten" gelobt wurden.41) Hinter der Theorie der „ernstzunehmenden Marxisten" stünde nichts anderes als der Unglaube an die Möglichkeit, in der UdSSR den Sozialismus aufzubauen, so daß die kapitalistischen Elemente in der Wirtschaft wieder die Oberhand gewinnen, die Sowjetmacht sich zersetzen und die Partei entarten würde.

Darum sei der Kampf gegen die Gefahr des Liquidatorentums eine „dringliche Aufgabe unserer Partei,... besonders unter den Verhältnissen der zeitweiligen Stabilisierung des Kapitalismus."42)

Eine andere Gefahr, auf die Stalin verwies, war die des Nationalismus, deren Quellen in der Verstärkung des bürgerlichen Einflusses auf die Partei auf dem Gebiet der Außenpolitik, des Kampfes der kapitalistischen Staaten gegen die Sowjetmacht zu suchen sind, also nicht ökonomischer Natur waren.43) Wichtig ist hier, daß der Einfluß der bürgerlichen Ideologie in der Partei wirksam war.

Aus diesem Sachverhalt, aus den ernsten Gefahren für die Existenz der Sowjetunion, ergab sich die Schärfe der innerparteilichen Auseinandersetzung.

Der Klassenkampf zwischen sozialistischen und kapitalistischen Kräften tobte auch innerhalb der Partei. Der Klassenfeind wäre geradezu dumm, wenn er nicht versuchen würde, die Partei von innen zu zersetzen, innerhalb der Partei Kräfte zu finden, die er für seine konterrevolutionären Aktivitäten ausnutzen kann. Der Kampf innerhalb der Partei wurde von beiden Seiten unerbittlich, mit aller Schärfe und Konsequenz geführt, nicht nur von Stalin, um dies noch einmal zu betonen. Was Stalin auszeichnete, war sein konsequenter proletarischer Klassenstandpunkt, der ihn die drohenden Gefahren in ihrer ganzen Tragweite erkennen ließen, woraus seine Argumentation und politischen Handlungsweisen zu erklären sind.

Kernproblem des Klassenkampfes innerhalb der NÖP waren dessen verschiedene Formen in den Beziehungen zwischen dem staatlich organisierten Proletariat in der Stadt und den unterschiedlichen Schichten in der Bauernschaft.

Stalin unterschied:

a) Kampf zwischen Proletariat und der Bauernschaft als ganzes, auf der Basis der Festlegung von Höchstpreisen für industrielle und landwirtschaftliche Erzeugnisse, der Normalisierung des Steuerwesens.

b) Kampf zwischen Proletariat und Kulaken, durch Ausmerzung der Spekulantenpreise für landwirtschaftliche Produkte, Auferlegung der Hauptbürde der Steuerlast auf die Kulaken.

c) Kampf zwischen Dorfarmut, vor allem der Landarbeiter und den Kulaken.44)

Aus den unterschiedlichen Klassenbeziehungen ergaben sich auch differenzierte Formen des Klassenkampfes. Eine Reihe von Maßnahmen ergaben sich aus der Schwäche der Industrie und der Unmöglichkeit, Anleihen für deren Entwicklung zu erhalten. Daraus erklärten sich eben besondere Maßnahmen auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Steuer, staatlicher Formen der Beschaffung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, Einführung von Planungsprinzipien in der gesamten Volkswirtschaft, des Kreditwesens. Stalin nannte hier auch das Außenhandelsmonopol. Inwieweit das Außenhandelsmonopol eine Besonderheit der Sowjetwirtschaft der 20-er Jahre war, oder allgemeingültigen Charakter trägt, muß ich hier offen lassen. Zumindest ist das Außenhandelsmonopol eine Akkumulationsquelle, aber es kann unter anderen, günstigeren Bedingungen auch andere Möglichkeiten geben.

Die Bauernschaft als ganzes sei bestrebt, Industrieerzeugnisse zu „möglichst billigen Preisen" zu erwerben, die eigenen Produkte „zu möglichst hohen Preisen" abzusetzen, keine oder nur geringe landwirtschaftliche Steuern zu zahlen. Dies sei der Boden „für einen Kampf zwischen Proletariat und Bauernschaft." Andererseits sei die Bauernschaft nicht an einer Restauration des Kapitalismus interessiert, die zu ihrer eigenen Verelendung führen würde, womit der Boden „für ein Bündnis zwischen Proletariat und Bauernschaft" gegeben sei.

Aus diesen widersprüchlichen Beziehungen zwischen Proletariat und der Masse der Bauernschaft ergebe sich die Politik der Partei, die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse nicht so weit zu senken und die Steuer nicht so zu erhöhen, daß sie zur Verelendung der Bauern führen. Als Ausweg aus diesem Dilemma bezeichnete Stalin den Kampf um die Herabsetzung der Preise für Industrieerzeugnisse durch Steigerung der Arbeitsproduktivität.45) Die „Schere" zwischen Preisen für landwirtschaftliche und Industrieerzeugnisse ließe sich nur durch Entwicklung der Industrie schließen, und um die Industrie zu entwickeln, benötigte die Sowjetmacht Investitionen, die nur aus der Akkumulation d.h., in der Sowjetunion in dieser Zeit hauptsächlich nur von den Bauern zu erhalten waren.46)

Trotz vieler Interessengegensätze bestand in den Grundfragen zwischen Proletariat und der Mehrheit der Bauernschaft eine Interessenübereinstimmung. Daraus resultierte der Kampf innerhalb des Bündnisses, der erst in einer klassenlosen Gesellschaft aufhören würde. Stalin war sich darüber im klaren, daß die Interessenübereinstimmung und Interessengegensätze veränderliche Elemente sind, daß Übereinstimmung nicht immer über Gegensätze bestimmen muß. Eine sehr sorgfältige, ausgewogene Wirtschaftspolitik sei hier erforderlich.

So kritisierte Stalin die Methoden der Genossen in einigen Bezirken im Gouvernement Tambow, die das Gesetz über die landwirtschaftliche Steuer als etwas Starres, Unveränderliches betrachteten und sich dazu hinreißen ließen, „die Speicher abzureißen und die Dächer von den Häusern unbemittelter Steuerzahler abzudecken. ..."47)

So ließen sich die Widersprüche innerhalb des lebenswichtigen Bündnisses zwischen Arbeiterklasse und der Mehrheit der Bauernschaft nicht lösen. Solche Dummheiten hat es gegeben, gegen die Stalin rücksichtslos vorging. Dies zu betonen ist deshalb wichtig, weil solche Erscheinungen immer wieder Stalin angelastet werden. Er hatte weder den Apparat noch die Macht, um solche Untaten zu verhindern. Sie waren Ergebnis der vom Zarismus ererbten Kulturlosigkeit der Massen, die auch auf einen nicht geringen Teil der Funktionäre zutraf. Ein solches Erbe ließ sich nicht einfach durch ein „sozialistisches Dekret" oder einfach durch „Beschluß des Politbüros" aufheben! Der Sozialismus mußte - und muß - mit den Menschen aufgebaut werden, die vorhanden waren, die von der alten kapitalistischen Ordnung geprägt waren; andere Menschen gab es nicht.

Eins wohl der gravierendsten Probleme war das der Akkumulationquellen. Ohne Akkumulation keine Investitionen, ohne Investitionen keine Industrie. Die landwirtschaftliche Steuer hatte ihre Grenzen. Akkumulationsquellen zu erschließen war eine ständige Aufgabe der gesamten Übergangsperiode. Stalin verwies auf die Nationalisierung von Grund und Boden, der Industrie, des Verkehrswesen, das Außenhandelsmonopol, den vom Staat regulierten Binnenhandel als Quellen „zusätzlicher Kapitalien."48)

Die Sowjetunion mußte ohne Kredite von außen auskommen. Stalin meinte, daß dieser Zustand, „...ohne knechtende Bedingungen kein Kapital von außen" zu erhalten, „nichts Ewiges und ein für allemal Gegebenes sein kann."49) Ein gewisser Kapitalzufluß von außen habe bereits begonnen.

Die Betonung muß hier auf „ohne knechtende Bedingungen" gelegt werden. Die Frage nach der Zulässigkeit, Kredite von kapitalistischen Staaten anzunehmen, wird bis heute unter Kommunisten kontrovers diskutiert. Es kann kein Zweifel bestehen, keine Regierung, Bank oder Konzern eines kapitalistischen Staates gewährt einem sozialistischen Staat Kredite, um diesen wirtschaftlich und politisch, oder gar auch noch militärisch zu stärken. Aus diesem Grunde müßte sich die Annahme von Krediten von auswärtigen Kapitalisten verbieten. Aber dies ist nur die eine Seite. Die Kapitalisten in den bürgerlichen Staaten sind am Handel mit sozialistischen Staaten interessiert, wenn er ihnen Profite oder andere Vorteile, wie Absatzmärkte, Rohstoffquellen einbringt bzw. erschließt, wobei sie natürlich versuchen werden, mit der Kreditgewährung auch ideologischen Einfluß auf bestimmte Bevölkerungsschichten in den sozialistischen Staaten zu nehmen und ihre Agenten mit nicht ganz lauteren Absichten einzuschmuggeln.

„Wandel durch Annäherung" war verbal als Losung zur Zeit der NÖP noch nicht ausgegeben, aber solche Bestrebungen hat es gegeben. Dies war von der Partei als unvermeidliches Übel in Rechnung zu stellen.

Zum anderen führte auch der Konkurrenzkampf zwischen den Imperialisten dazu, daß die eine oder andere Gruppierung an Wirtschaftsbeziehungen mit der Sowjetunion interessiert war; hier sei nur an Deutschland erinnert, das durch wirtschaftliche Beziehungen zur Sowjetunion eine Möglichkeit sah, die knechtenden Bedingungen des Versailler Vertrages zu lockern. Die Frage der Zulässigkeit der Annahme von Krediten von kapitalistischen Staaten kann nur unter den jeweils konkreten Bedingungen unter Berücksichtigung aller Faktoren beantwortet werden. Stalin war sich der Kompliziertheit dieses Problems bewußt.

III. Industrialisierung und Akkumulation, Triebkräfte und "Lebensqualität"

Im Rechenschaftsbericht des ZK an den XIV. Parteitag der KPdSU (B) (18. - 31. Dezember 1925) nahmen Fragen der Ökonomie fast ein Drittel der Ausführungen Stalins ein. In dem ebenfalls von Stalin gehaltenen Schlußwort setzte er sich ausführlich mit linken und rechten Abweichungen von der Wirtschaftspolitik des ZK auseinander.50)

Im Mittelpunkt der Beratungen des Parteitages stand die Frage der Industrialisierung der Sowjetunion, wodurch er als „Parteitag der Industrialisierung" in die Geschichte der Sowjetunion eingegangen ist.

Stalin ging für die ökonomische Entwicklung in der UdSSR von den internationalen und inneren Rahmenbedingungen aus. Die sowjetische Wirtschaft müsse „im Gegensatz, in Zusammenstößen zwischen unserem Wirtschaftssystem und dem kapitalistischen System" aufgebaut und entwickelt werden. "Diesem Widerspruch können wir in keiner Weise entrinnen."51)

Stalin hatte den unversöhnlichen Gegensatz zwischen dem kapitalistischen und sozialistischen System in aller Klarheit erfaßt, eine Erkenntnis, die später mit den Fehlinterpretationen der „friedlichen Koexistenz" aufgegeben wurde und mit dem „Helsinki"-Prozeß in der Zerstörung der Sowjetunion und europäischen sozialistischen Staaten folgerichtig endete. Dieser Systemgegensatz läßt sich nicht in das Korsett einer „friedlichen Koexistenz" zwingen, er muß ausgefochten werden.

Zu dem Kampf zwischen dem sozialistischen und kapitalistischen System im internationalen Maßstab kam die Gegensätzlichkeit der „verschiedenen Elemente innerhalb" der Sowjetunion, die „Gegensätzlichkeit der sozialistischen zu den kapitalistischen Elementen"52) hinzu.

Die Wirtschaft müsse so aufgebaut werden, „daß unser Land nicht zu einem Anhängsel des kapitalistischen Weltsystems werde, daß es nicht in das Gesamtsystem der kapitalistischen Entwicklung als dessen Hilfsbetrieb einbezogen werde, daß sich unsere Wirtschaft nicht als ein Hilfsbetrieb des Weltkapitalismus entwickle, sondern als eine selbständige Wirtschaftseinheit, die sich hauptsächlich auf den inneren Markt, auf den Zusammenschluß unserer Industrie mit der bäuerlichen Wirtschaft unseres Landes stützt."53)

Ein Jahr später, auf dem erweiterten VII. Plenum des EKKI, (November/Dezember 1926) präzisierte Stalin seine Ausführungen über die Stellung der UdSSR in der Weltwirtschaft. Es sei richtig, daß die sowjetische Wirtschaft von der kapitalistischen Weltwirtschaft abhängig sei. Dies zu leugnen, wäre eine Dummheit. Aber es wäre dies eine gegenseitige Abhängigkeit, da die kapitalistischen Länder auch von der sowjetischen Wirtschaft, dem Erdöl, Getreide, Holz und dem gewaltigen Markt abhängig seien.

Die Sowjetunion bekäme Kredite von den deutschen Kapitalisten, aber „nicht um unserer schönen Augen willen", sondern weil sie das sowjetische Öl und Getreide benötigen und den sowjetischen Markt für den Absatz ihrer Maschinen. Export und Import seien „Ausdruck der Abhängigkeit der einen Länder von den anderen..., Ausdruck der gegenseitigen ökonomischen Abhängigkeit."53a)

Gegen Trotzki gewandt, wies Stalin auf den Unterschied zwischen „Abhängigkeit der einzelnen Länder voneinander und der ökonomischen Selbständigkeit dieser Länder" hin. Trotzki verwechsle diese Abhängigkeit mit der ökonomischen Selbständigkeit. Er meinte, daß „wir in Wirklichkeit dauernd unter der Kontrolle der Weltwirtschaft stehen werden."53b)

In Erwiderung nannte Stalin vier Merkmale für eine solche Kontrolle durch auswärtige Kapitalisten: 1. Finanzkontrolle durch Errichtung von Filialen großer kapitalistischer Banken. 2. Kontrolle über die Industrie und des Verkehrswesens, deren „Denationalisierung" (Wir würden heute Privatisierung dazu sagen UH) 3. Verfügungsrechte über den sowjetischen Markt, Liquidierung des Außenhandelsmonopols. Die Kapitalisten haben immer wieder versucht, den „Panzer des Außenhandelsmonopols" zu durchbrechen, den „Schirm und Schutz für unsere junge sozialistische Industrie." 4. Beseitigung der politischen Selbständigkeit der Sowjetunion, „Anpassung der Gesetze des Landes an die Interessen und an den Geschmack der internationalen kapitalistischen Wirtschaft." (wir würden heute „Öffnung des Marktes" für das internationale Kapital dazu sagen UH). Diese vier Merkmale träfen auf die Sowjetunion nicht zu, bemerkte Stalin; und dies blieb so bis zu seinem Tode, fügen wir hinzu.53c)

In einer Unterredung mit einer amerikanischen Arbeiterdelegation vom 9. September 1927 erklärte Stalin, daß die Möglichkeit von zeitweiligen Abkommen mit kapitalistischen Staaten auf dem Gebiet der Industrie trotz des Bestehens zweier entgegengesetzter Systeme bestehe. Dies wäre „unter den Verhältnissen einer friedlichen Entwicklung möglich und zweckmäßig." Die Sowjetorgane seien die „pünktlichsten Zahler in Kreditangele-genheiten."53d) Zugleich wies Stalin aber auch auf die Grenzen hin, die solchen Abkommen durch die Gegensätzlichkeit der Systeme gezogen seien. Nur in diesem „durch diese beiden Systeme bedingten Rahmen" seien Ab-kommen möglich.53e)

Diese Ausführungen dürften allgemeingültigen Charakter tragen, für jedes Land, das aus dem kapitalistischen Wirtschaftssystem ausbricht und einen sozialistischen Entwicklungsweg einschlägt, wobei unter heutigen Bedingungen ein solcher Ausbruch äußerst problematisch sein würde. Die Politik Gorbatschows, Jelzins und Putins liefern den negativen Beweis für die Richtigkeit dieser Stalinschen These, im Vergleich der internationalen Stellung der Sowjetunion Stalins mit dem heutigen neokapitalistischen Rußland und dessen „Stellung" im kapitalistischen Weltsystem.

Die Sowjetwirtschaft erwies sich als sehr empfindlich gegenüber Störungen. Stalin verglich die Auswirkungen von Störungen und Fehlern in der kapitalistischen Wirtschaft mit solchen in sozialistischen Ländern. Im kapitalistischen System korrigiert der Markt durch Krisen die Fehlleistungen der einzelnen Truste, Syndikate, dieser oder jener Kapitalistengruppe. Solche Wirtschafts-, Handels- oder Finanzkrisen träfen einzelne Kapitalistengruppen. Im Sozialismus wäre dies anders. Jede „größere Fehlkalkulation in unserer Wirtschaft endet nicht mit einer Teilkrise, sondern wirkt sich auf unsere gesamte Volkswirtschaft aus." Jede einzelne Krise „kann bei uns zu einer allgemeinen Krise werden, die den ganzen Staat betrifft."

Daraus folge, daß die sozialistische Wirtschaft mit „besonderer Umsicht", planmäßig geleitet werden muß, die Wirtschaftsfunktionäre einen „Gipfel von Fehlerlosigkeit" erreichen müssen. Aber, da „wir das Bauen erst erlernen, so kommen Fehler bei uns vor und werden auch in Zukunft vorkommen."54)

Theoretisch wären demnach Krisen im Sozialismus vermeidbar, aber, da Fehler auch in Zukunft unvermeidbar seien, sind Krisen auch im Sozialismus möglich. Stalin band hier die Frage der Krisen im Sozialismus ausschließlich an den subjektiven Faktor. Zweifellos spielt im Sozialismus der subjektive Faktor die ausschlaggebende Rolle in der Entwicklung der Wirtschaft, aber die Krisenmöglichkeit ausschließlich an eine Fehlerquote der Wirtschaftsfunktionäre zu binden, ist sachlich nicht haltbar. Allerdings räumt Stalin auch noch „Zufälligkeiten" ein, Naturkatastrophen, die zu Mißernten in der Landwirtschaft führen, als objektive Faktoren, die Krisen verursachen können.

Aus diesen „Unzulänglichkeiten" leitete Stalin die Notwendigkeit der Schaffung von Reserven ab. Zufälligkeiten wie Naturkatastrophen, Mißernten, unzureichende Beherrschung des Marktes, Störungen auf dem Außenmarkt durch die Haltung westeuropäischer Kapitalisten erforderten die Schaffung von Reserven.

Stalin ging auf Einzelheiten ein, wie solche Reserven geschaffen werden können, und wofür sie dringend benötigt wurden: für landwirtschaftliche Kredite, zum Ausgleich in der Preispolitik, eine ausgeglichene Handelsbilanz, u.a.; wobei immer wieder in Stalins Ausführungen eine objektive Grenze sichtbar wurde: die Akkumulationsmittel waren unzureichend.

Noch immer bestanden in der Sowjetwirtschaft die fünf Formationen, Naturalwirtschaft, einfache Warenproduktion, Privatkapitalismus und sozialistische Industrie, wobei „Staatskapitalismus nicht mit staatlicher Industrie" zu verwechseln seien, was häufig geschehe. Auch unter den Bedingungen der Diktatur des Proletariats, - unabhängig davon, welche „besondere Form der Staatskapitalismus auch haben mag -, er muß seinem Wesen nach kapitalistisch sein."55) Im Staatskapitalismus - bei den schon von Lenin genannten Konzessionen - gäbe es keine Elemente des Sozialismus. Anders die Staatsbetriebe, in denen die Arbeiterklasse - repräsentiert durch ihren Staat der Diktatur des Proletariats - über die Produktionsinstrumente und Produktionsmittel verfüge und nicht ausgebeutet wird.

Was in der Produktion an Wert über den Arbeitslohn hinaus erzielt werde, diene dem weiteren Aufbau der Industrie, d.h., der Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse in ihrer Gesamtheit.56)

Nicht verbal, aber der Sache nach, unterschied Stalin hier schon zwei Einkommen der Arbeiter in der sozialistischen Industrie: einmal in Form des Lohnes, zum andern in Form der Akkumulation für Investitionen in der Industrie, die zur Verbesserung der materiellen Versorgung des Volkes führe und für soziale Ausgaben, Gesundheitswesen, Bildung, Kultur, etc..

In der Sowjetunion beruhe der „Umfang der Produktion" noch immer vorwiegend auf dem Privateigentum bäuerlicher Betriebe. Die Sowjetunion sei noch immer ein Agrarland. Daraus folgte die Orientierung auf die Errichtung einer neuen Industrie, neue Technik, neue Fabriken.57)

Stalin verwandte noch nicht den Begriff der „extensiv erweiterten Reproduktion", der erst später aufkam, aber darum handelte es sich. Für diese extensiv erweiterte Reproduktion fehlte Kapital in erheblichem Maße.

Die Landwirtschaft könne sich noch eine zeitlang auf dem gegenwärtigen technischen Niveau entwickeln, einfach durch Hebung des Kulturniveaus, der Sachkenntnis, wie z.B. der Reinigung des Saatgutes, wodurch die Bruttoproduktion um zehn bis fünfzehn Prozent gesteigert werden könnte. Auf die Dauer ist aber eine wesentliche Ertragssteigerung nicht möglich, die staatliche Großindustrie sei „um jeden Preis" auszubauen.58)

Interessant ist der Hinweis, daß es nicht nur um die zentralisierten Truste und Syndikate59) gehe, sondern auch um den Ausbau der örtlichen Industrie. Die Truste und Syndikate „können nicht der ganzen Mannigfaltigkeit; der Geschmacksrichtungen und Bedürfnisse einer 140 Millionen-Bevölkerung Rechnung tragen." Es ginge um die Verknüpfung der Interessen und Vorteile des Zentrums mit denen der örtlichen Industrie.60)

Im weiteren wies Stalin auf die Überwindung von Disproportionen hin, den Mangel an Brennstoffen, da die Industrieproduktion schneller als die Brennstoffindustrie wuchs, desgleichen fehle es ausdem selben Grunde an Metallen. Es fehle in der Industrie auch an qualifizierten Arbeitskräften. 1925/26 benötigte die Industrie 433.000 qualifizierte Arbeiter, aber nur die Hälfte stünde zur Verfügung.

Mit dem Wachstum der Industrie wachse der Bedarf an rollendem Material der Eisenbahn, der nicht gedeckt werden könne, so daß die Bahn bis zu 120 bis 130 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit in Anspruch genommen werden müsse. (D.h. auf Verschleiß gefahren wurde. UH) Das fixe Kapital im Verkehrswesen sei „über alle Maßen abgenutzt. was uns in nächster Zukunft mit einer Katastrophe bedrohen kann, wenn wir keine entscheidenden Maßnahmen ergreifen."61) Die genannten Disproportionen und der Kampf um ihre Überwindung bildeten das empirische Material für das später formulierte Gesetz von der „planmäßigen (proportionalen) Entwicklung der Volkswirtschaft" im Sozialismus.62)

Die Lösung der von Stalin genannten Probleme erforderte eine hohe Akkumulation. Es gab Genossen, sicher aus sehr edler Motivation, die die Einstellung der Wodka-Produktion forderten, um der vom Zarismus ererbten weitverbreiteten Trunksucht ein Ende zu bereiten. Die guten Absichten wurden von Stalin nicht geleugnet, aber da keine Anleihen zu erhalten seien, Kapitalmangel bestehe, seien sie gezwungen, „auf anderen Gebieten Quellen zu suchen." Der Wodka sei nun mal eine Akkumulationsquelle. Man solle nicht glauben, „man könne den Sozialismus mit Glacéhandschuhen aufbauen."63)

Auf den Wodka als „Reservequelle" für die Akkumulation kam Stalin noch mehrfach zurück. In einem Brief an Schinkewitsch vom 20. März 1927 wies er darauf hin, daß auf Hinweise Lenins vom Sommer und Herbst 1922 das ZK der Partei im Oktober 1924 den Beschluß faßte, das Wodkamonopol einzuführen für die Schaffung eines Minimalfonds, um die Währung zu stützen und die Industrie in Gang zu halten. Die Partei stand vor der Wahl von zwei Übeln: entweder das Joch der Kapitalisten oder die Zulassung des Wodka.63a)

In einer Unterredung mit ausländischen Arbeiterdelegationen am 5. November 1927 wurde Stalin durch die Frage, wie das Wodkamonopol mit der Bekämpfung des Alkoholismus in Einklang zu bringen sei, erneut mit diesem Problem konfrontiert. Sie seien gezwungen, auf das Wodkamonopol als einem „zeitweiligen Mittel ungewöhnlicher Art" einzugehen. „Natürlich wäre es, allgemein gesprochen, ohne Wodka besser, denn Wodka ist ein Übel."63b) Aber der Wodka bringe über 500 Millionen Rubel an Akkumulationsmitteln ein, auf die die Sowjetwirtschaft noch nicht verzichten könne.

Die sofortige Aufhebung des Wodkamonopols würde keineswegs den Alkoholismus zurückdrängen, „denn der Bauer würde beginnen, eigenen Wodka herzustellen, und sich mit selbstgebranntem Schnaps vergiften."63c)

Wäre der Wodka in Privathände verlegt worden, wäre es zu einer Stärkung des Privatkapitals gekommen, die Regierung hätte Erzeugung und Verkauf des Wodkas nicht regulieren können und würde die Einstellung der Erzeugung und des Verbrauchs von Wodka in Zukunft erschweren.63d)

Auf dem XV. Parteitag der KPdSU (B) (2. - 19. Dezember 1927) zog Stalin in Erwägung, daß man „mit einem allmählichen Abbau der Wodkaerzeugung anfangen" könnte. An Stelle des Wodkas sollten andere Einnahmequellen treten, Radio und Kino, um die Verluste an Akkumulationsmitteln auszugleichen.63e)

Seit Januar 1928 führte die KPdSU (B) den Kampf gegen die Herstellung von selbstgebranntem Schnaps in den Dörfern. Diese „ökonomischen" Aktivitäten schienen unter den Bauern weit verbreitet gewesen zu sein. „Den Kampf muß man verstärken, und er wird verstärkt werden,..." wobei „das Dorf darüber unzufrieden sein wird."63f)

Zweifellos war die Wodkafrage in der UdSSR eine Besonderheit. Sie war für die Akkumulation noch Ende der 20er Jahre von Bedeutung. Ihre Brisanz zeigte sich noch einmal, als Gorbatschow voluntaristisch und bar jeder ökonomischen Überlegung die staatliche Wodkaproduktion einstellte, etwa eine Milliarde Rubel dringend benötigter Akkumulationsmittel verlor und das Wodkageschäft den Schwarzbrennern in Stadt und Land überließ. Eine spezifische Form kapitalistischer Privatisierung Gorbatschowscher Provenienz!

Das Wodkaproblem enthielt aber auch einen allgemeineren Aspekt in noch gefährlicherer Form. In mittel- und südasiatischen sowie einigen lateinamerikanischen Ländern sind die Kommunistischen Parteien mit ähnlichen Problemen konfrontiert: dem Anbau von Mohn.

Davon leben Millionen von Bauern. Der Kampf der Kommunistischen Partei Burmas (CPB) gegen die Opium-Produktion endete mit ihrer Niederlage. „Große Schwierigkeiten erwuchsen der CPB aus der Tatsache, daß zentrale Sektoren der burmesischen Landwirtschaft mit der Opium-Erzeugung verbunden sind. Obwohl sich die Partei bemühte, alternative Kulturen wie Weizen ins Spiel zu bringen, schwappte die Opium-Problematik immer wieder in die CPB hinein. 1985 beschloß der 3. CPB-Kongreß strenge Maßnahmen gegen Parteimitglieder, die mit Opiumanbau oder -handel zusammenhingen. Die Folge waren Massenaustritte in ländlichen Zonen. Es kam zum Bruch zwischen der Partei und den Bauern. So ging der CPB, die in den Städten wenig Chancen hatte, das letzte befreite Gebiet verloren. Ihre von den Massen isolierte Führung sah sich im März/April 1989 zur Flucht ins Ausland gezwungen."63g) Die CPB benötigte ein Jahrzehnt, bis sie wieder Einfluß gewinnen konnte.

Es besteht kein Zweifel darüber, daß das Drogenproblem im Kapitalismus nicht lösbar ist, genausowenig wie das Problem des Alkoholismus. Man sollte aber auch keine Illusionen haben, über die Schwierigkeiten, die Kommunistische Parteien mit der Lösung dieser Probleme haben werden.

Erwähnenswert, weil aktuell, sind noch einige Bemerkungen Stalins über die „neue Bourgeoisie" (die NÖP-Leute) und deren Ideologen, die sogenannten Smena-Wech-Leute. Diese Strömung sei im Wachsen begriffen und finde sich allmählich mit den Kulaken und mit der beamteten Intelligenz zusammen. Diese Ideologie ginge davon aus, daß die Kommunistische Partei „zwangsläufig entarten" und die neue Bourgeoisie „sich zwangsläufig konsolidieren" werde, „wobei wir Bolschewiki, ihrer Ansicht nach, ohne es selbst zu merken, an die Schwelle einer demokratischen Republik gelangen, sodann diese Schwelle überschreiten und mit Hilfe irgendeines ‘Cäsaren’, der, man weiß nicht, ob aus den Reihen der Militärs oder der Zivilbeamtenschaft, hervorgehen wird, uns eines schönen Tages in einer gewöhnlichen bürgerlichen Republik befinden müssen."64)

Zu Lebzeiten Stalins hatten die Smena-Wech-Leute keine Chance. Man könnte verleitet sein zu fragen, hat er den späteren Gorbatschow - Jelzin - Putin, die Inkarnation dieses „Cäsars", schon antizipiert? Das wäre Mystik. Aber die Gefahr, die von den Smena-Wech-Leuten für den Sozialismus ausgingen, die hatte er erkannt.

In seinem Referat über die wirtschaftliche Lage der Sowjetunion vom 13. April 1926 ging Stalin erneut ausführlich auf die Industrialisierung und die sozialistische Akkumulation ein.

Das Entwicklungstempo der Industrie sei zu beschleunigen, „mit aller Macht und unter Ausnutzung der vorhandenen Hilfsquellen voranzutreiben und dadurch die Entwicklung der gesamten Wirtschaft zu beschleunigen."65)

Schwerpunkte seien die Schwerindustrie, die Produktion von Produktionsmitteln, die Entwicklung eines eigenen Maschinenbaus.66) Neben der Orientierung auf Neubau von Werken, also extensiv erweiterte Reproduktion, erfolgen nun auch Hinweise auf Neuausrüstung alter Werke, also auf erste Formen einer intensiv erweiterte Reproduktion. Die „großen, sehr großen Kapitalien" die für die Industrialisierung erforderlich sind, seien durch die sozialistische Akkumulation aufzubringen.

Als Akkumulationsquellen werden genannt: die Enteignung der Gutsbesitzer und Kapitalisten, die Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln, die Annullierung der Zarenschulden, die Gewinne der nationalisierten Industrie, des nationalisierten Außenhandels, des staatlichen Binnenhandels, das nationalisierte Banksystem und schließlich die Staatsmacht, die über den Staatshaushalt verfügt. Unter rein ökonomischem Aspekt könnte diese Aufzählung von „Akkumulationsquellen" Bedenken erregen. Die Verfügung über den Staatshaushalt ermöglicht eine Umverteilung der Einnahmen zugunsten von Investitionsmitteln für die Industrie, erzeugt aber keine Gewinne, die nur in der Produktion und im Handel zu erhalten sind. Auch die Annullierung der Zarenschulden sind keine ökonomische Maßnahme, sondern eine politische, die jedoch ermöglichte, die eingesparten Summen in die Industrie zu investieren.

Stalin unterschied jedoch zwischen der „Möglichkeit" und der „tatsächlichen Akkumulation." Die Möglichkeiten auch voll zu nutzen, „sei ein ziemlich weiter Weg." Die Akkumulationsmittel seien konzentriert einzusetzen, dürften nicht verzettelt werden, das Kreditnetz sei zu verbessern. Es müsse verhindert werden, daß Akkumulationsüberschüsse durch alle möglichen „Rinnen und Ritzen" in die Taschen des Privatkapitals fließen. Es seien Reserven für die Amortisierung der Betriebe zu schaffen, Staatsreserven gegen alle möglichen Eventualitäten (Mißernten) anzulegen. Der Export sei zu steigern, um bestimmte Valutareserven zu schaffen. Im Binnenhandel seien besonders Getreidereserven anzulegen. Über die Steuerpolitik seien vor allem die besitzenden Schichten zu belasten.67)

In der Akkumulation gäbe es ernste Mißstände, „Veruntreuung angehäufter Reserven", „Gefräßigkeit einer ganzen Reihe von Organen unseres Staatsapparates", Fälle von „Diebstahl" usw.. Realität in der Planung sei erforderlich, sie dürfe nicht hinter der Entwicklung der Industrie zurückbleiben, dieser aber auch nicht vorauseilen.

Unrealistische Pläne, erst „viel Lärm", dann kolossale Verluste, Enttäuschung, Entlassung von Arbeitern, „politische Skandale."68)

Die Apparate seien einzuschränken, zu vereinfachen, die Kosten zu senken, aufgeblähte Stellenpläne abzubauen, ein strenges Sparsamkeitsregime einzuführen.

Stalin nannte Beispiele, die wegen ihrer Anschaulichkeit über die sowjetischen Planungsorgane dieser Zeit ungekürzt zitiert werden sollen:

„Man sagt, die Ausfuhr unseres Getreides sei unvorteilhaft, unrentabel. Aber warum ist sie unvorteilhaft? Weil der Beschaffungsapparat für die Aufbringung des Getreides mehr verausgabt als zulässig ist. Von allen unseren Planungsorganen ist festgestellt worden, daß zur Beschaffung eines Pudsx) Getreide 8 Kopeken ausreichen. In Wirklichkeit stellte sich jedoch heraus, daß statt 8 Kopeken 13 Kopeken pro Pud, also 5 Kopeken zuviel, verausgabt wurden. Wie aber konnte das passieren? Dies passierte eben deshalb, weil jeder mehr oder weniger selbständige Mitarbeiter des Beschaffungsapparates - ganz gleich, ob Kommunist oder Parteiloser -‚ bevor er mit der Beschaffung des Getreides beginnt, es für nötig befindet, seinen Mitarbeiterstab aufzublähen, sich mit einem Heer von Stenographinnen und Maschinenschreiberinnen umgibt, sich unbedingt ein Auto verschafft, einen Haufen unproduktiver Ausgaben macht, und dann, wenn man alles zusammenrechnet, stellt sich heraus, daß der Export bei uns unrentabel ist."69)

Stalin forderte einen entschiedenen Kampf gegen jede Art überflüssigen Aufwands zu führen. „Bei uns feiert man jetzt Bacchanalien, man schwelgt in allen möglichen Feierlichkeiten, Festversammlungen, Jubiläen, Denkmalsenthüllungen usw.. Zehntausende und Hunderttausende Rubel werden für derartige ‘Beschäftigungen’ vergeudet. Bei uns gibt es eine solche Unmenge aller möglichen Jubilare und Liebhaber von Feierlichkeiten und eine so erstaunliche Bereitwilligkeit, ein halbjähriges, einjähriges, zweijähriges usw. Jubiläum zu feiern, daß wahrhaft Dutzende von Millionen Rubel erforderlich sind, um die Nachfrage zu befriedigen."69a)

Es sei ein systematischer Kampf gegen den Diebstahl, gegen den sogenannten „frischfröhlichen" Diebstahl zu führen. „Es gab da, so erfährt man, einen Stutzer, einen jungen Mann mit einem Schnurrbärtchen, der in unseren Institutionen frischfröhlich drauflos stahl, systematisch, ohne Unterlaß stahl und immer mit Erfolg. Hier verdient nicht so sehr der Dieb selbst Aufmerksamkeit als vielmehr die Tatsache, daß seine Umgebung, die von dem Dieb wußte, ihn nicht nur nicht bekämpfte, sondern im Gegenteil nicht abgeneigt war, ihm auf die Schulter zu klopfen und ihn seiner Geschicklichkeit wegen zu loben, so daß der Dieb in den Augen dieser Leute als eine Art Held dastand."70) Solche Diebe gäbe es zu Hunderten und Tausenden. Man könne gegen sie nicht allein mit der GPU vorgehen, sondern man müsse unter den Arbeitern und Bauern eine moralische Atmosphäre schaffen, die den Dieben das Leben und Dasein unmöglich machen.

Solche Vorkommnisse waren einerseits eine Besonderheit des Aufbaus einer sozialistischen Ökonomik in der UdSSR, tragen andererseits aber auch allgemeinen Charakter. Ähnliche Erscheinungen gab es auch in den Ländern Ost- und Südosteuropas beim Aufbau des Sozialismus. Die alte Generation der DDR-Bürger wird sich an ähnliche „Fröhlichkeiten" in ihren Betrieben erinnern können, an Schlampereien, die, im übertriebenen Sinne, eine unvermeidliche Nebenerscheinung, eine Art „Gesetzmäßigkeit" des sozialistischen Aufbaus in seiner Anfangsphase zu sein scheinen.

Die sozialistische Industrialisierung benötige sachkundige Wirtschaftsfunktionäre, Direktoren, Kaufleute, Finanzexperten, Planungsfachleute. Diese mußten aus den Reihen der Arbeiter und der „Sowjetintelligenz, die ihr Geschick mit dem Geschick der Arbeiterklasse verbunden" hatte, gewonnen werden.71) Auch dafür war Zeit erforderlich.

Die Leiter der sozialistischen Industrie mußten erst Erfahrung sammeln im Prozeß des Aufbaus, wobei sie, unvermeidlich, auch Fehler machten.

In letzter Zeit sei es „üblich geworden, auf die Wirtschaftler als auf korrupte Elemente einzuhauen.... Manch einer, dem es gerade gefällt, hält es des öfteren für nötig, den Wirtschaftlern Hiebe zu versetzen, sie aller möglichen Todsünden zu bezichtigen." Stalin forderte, diese „häßliche Angewohnheit" abzulegen, „ein für alle mal."72) In den 20-er Jahren war es in der Sowjetunion nicht ganz einfach, als Leiter in der Industrie oder als Ökonom, tätig zu sein.

Die Industrialisierung war „ohne die direkte und systematische Unterstützung durch die Millionenmassen der Arbeiterklasse" nicht „zu bewältigen...."73) Die Arbeiter waren zu einem sehr großen Teil Arbeiter in der ersten Generation, kamen aus den Dörfern, teilweise noch Analphabeten, ohne industrielle Produktionserfahrung und Arbeitsdisziplin. Die ließ sich auch nicht durch ein paar Vorträge vom Parteisekretär des jeweiligen Betriebes erreichen. Stalin orientierte auf eine neue Form der Bildung und Vermittlung von Produktionserfahrungen: die Produktionsberatungen. Sie können „unschätzbare Dienste" leisten. Sie waren mal „im Schwung", jetzt sei es aber sehr still um sie geworden, was „ein großer Fehler" sei. Sie müssen „um jeden Preis wieder belebt werden." In den Produktionsberatungen dürfen nicht nur „kleine Fragen", wie die der „sanitären Einrichtungen", sondern müssen „die grundlegenden Fragen des Aufbaus der Industrie behandelt werden." Auf diesem Wege sollten „die Aktivität der Millionenmassen der Arbeiterklasse" gehoben, sie „zu bewußten Teilnehmern am Aufbau des Sozialismus" befähigt werden.74)

Die Industrialisierung war ohne Vorhandensein der Diktatur des Proletariats nicht möglich, und diese beruhte auf dem Bündnis der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft. Stalin kritisierte „Leute" in der Partei, die die werktätigen Massen der Bauernschaft als „Fremdkörper" betrachteten, „als Ausbeutungsobjekt für die Industrie, als eine Art Kolonie für unsere Industrie." (Als „Akkumulationsquelle" UH).

Stalin wies auf die Gefährlichkeit einer solchen Haltung hin. „Solche Leute sind gefährliche Leute...." Sie können mit dieser Haltung das Bündnis der Arbeiterklasse mit der werktätigen Bauernschaft, der Grundlage der Sowjetmacht, zerstören. Die Hebung der bäuerlichen Wirtschaft, der massenhafte Zusammenschluß der Bauernschaft, die Besserung ihrer materiellen Lage seien Voraussetzung, ohne die eine ernsthafte Entwicklung der Industrie nicht möglich sei.75) Darum könne man nicht die Steuern für die Bauern „aufs äußerste" steigern, die Preise für Industriewaren erhöhen.

Das Problem, das dieser Auseinandersetzung zu Grunde lag, war das Dilemma zwischen Festigung des Bündnisses der Arbeiterklasse mit der werktätigen Bauernschaft und der Akkumulation. Die von Stalin als „Leute" kritisierten Genossen gingen offenbar lediglich unter ökonomischem Aspekt an die Akkumulationnsfrage heran unter Vernachlässigung des politischen. Entscheidungen ausschließlich unter ökonomischem Aspekt, ein engstirniger Ökonomismus, kann den Sozialismus in dem betreffenden Land zerstören.

Die Akkumulationsfrage erwies sich als ein politisch brisantes Thema. Wie ein rückständiges Agrarland in ein Industrieland verwandeln? Ein Problem, vor dem die Mehrheit der Menschheit in den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas heute und mittelfristig steht - „ohne Ausplünderung von Kolonien, ohne große Anleihen und langfristige Kredite von außen."

Für die Lösung dieser Aufgaben haben die Erfahrungen der Sowjetunion sowie deren theoretische Verallgemeinerung in den Ausführungen Stalins nach wie vor große Bedeutung. In mehreren Reden und Artikeln hat Stalin den „Weg der eigenen Akkumulation" dargelegt. In einer Rede vom 1. März 1927 verweist er auf den „Weg der Sparsamkeit", der „sparsamen Wirtschaftsführung."76) In einer Rede auf der V. Unionskonferenz des KOMSOMOL vom 29. März 1927 führt er diesen Gedanken weiter aus. Die Industrie müsse „systematisch die Warenpreise senken" durch „Senkung der Selbstkosten der Produktion", Verbesserung ihrer „Produktion, Technik und Arbeitsorganisation, Methoden und Formen der Wirtschaftsführung."

Da die sowjetische Industrie mit den Kapitalisten auf dem „ausländischen Markt" nicht konkurrieren könne, bliebe der innere Markt für die Industrie der Hauptmarkt. Die Industrie könne sich nur in dem Maße entwickeln und erstarken, wie sich die Aufnahmefähigkeit des inneren Marktes, die Massennachfrage nach Industriewaren entwickele und erweitere. Daraus folge die Notwendigkeit der Preissenkungen für Industriewaren. Ohne Preissenkungen sei eine weitere Erhöhung des Reallohnes der Arbeiter, der stetigen Hebung des Lebensniveaus der Arbeiterklasse nicht möglich.

Diese Senkung der Industriepreise sei nicht zuletzt nötig, um den „Zusammenschluß zwischen Proletariat und Bauernschaft" auf der „Basis der Diktatur des Proletariats" aufrechterhalten zu können. Stalin verwies auf die „Preisschere", nach der die Bauern für Industriewaren, Textilien, Maschinen usw. zuviel bezahlen müssen, was „ernste Unzufriedenheit unter der Bauernschaft" hervorrufe und das Wachstum der Landwirtschaft erschwere.77) Die Bauernschaft als „Akkumulationsquelle" ist also nicht unerschöpflich, ist politisch begrenzt.

Um die genannte Preissenkung für Industriewaren durchzusetzen, bedürfe es einer „radikalen Verbesserung der Produktionstechnik,... der Arbeitsorganisation in den Betrieben..., Vereinfachung des gesamten Wirtschaftsapparats, eines entschiedenen Kampfes gegen den Bürokratismus des Wirtschaftsapparats. All das heißt bei uns sozialistische Rationalisierung der Produktion und der Wirtschaftsverwaltung."78)

Meines Wissens führte Stalin hier erstmalig den Begriff der „sozialistischen Rationalisierung" ein.

Durch Anwendung neuer, besserer Technik, einer besseren Arbeitsorganisation, Vereinfachung und Verbilligung des Wirtschaftsapparates sei die Arbeitsproduktivität zu steigern,79) womit Grundzüge der sozialistischen Rationalisierung verallgemeinert wurden. Die durch die sozialistische Rationalisierung erzielten Ersparnisse sollten für Weiterentwicklung und Erweiterung der Industrie, für Investitionen also für intensiv und extensiv erweiterte Reproduktion verwendet werden.

Der Zusammenhang von sozialistischer Rationalisierung und Akkumulation wurde als „eine der entscheidenden Fragen der Gegenwart" erkannt.80) Allerdings, auch die sozialistische Rationalisierung würde von „einigen Arbeitergruppen, darunter auch von der Jugend, gewisse, zeitweilige Opfer" verlangen. Die Geschichte der Revolution habe gelehrt, „daß kein einziger bedeutsamer Schritt möglich war, ohne daß einzelne Gruppen der Arbeiterklasse im Interesse der gesamten Arbeiterklasse unseres Landes gewisse Opfer brachten."81) Vor solchen, im Vergleich mit den Opfern der Arbeiterklasse im Bürgerkrieg unbedeutenden Opfern „im Interesse der Gesamtheit der Arbeiterklasse" dürfen wir nicht zurückschrecken.82)

Das Außenhandelsmonopol als eine wichtige Akkumulationsquelle war in der Sowjetunion nicht unumstritten. In einer Unterredung mit der ersten amerikanischen Arbeiterdelegation vom 9. September 1927 ging Stalin auf diese Frage näher ein. Forderungen nach Aufhebung des Außenhandelsmonopols werden von NÖP-Leuten, Kulaken, den Splittern der zerschlagenen Ausbeuterklassen erhoben.83) Würde man dieser Forderung nachkommen, so wäre dies gleichbedeutend mit Verzicht auf die Industrialisierung, auf die Errichtung neuer sowie der Erweiterung der alten Werke und Fabriken. Der Markt der UdSSR würde mit Waren aus den kapitalistischen Ländern überschwemmt werden. Es würde zu einem Abbau der Industrie führen, die aufgrund ihrer relativen Schwäche der kapitalistischen Konkurrenz nicht gewachsen sei, zu einer Vermehrung der Arbeitslosigkeit (die noch nicht völlig beseitigt war UH), zu einer Verschlechterung der materiellen Lage der Arbeiterklasse, zur Schwächung ihrer ökonomischen und politischen Positionen. Die Massen der Bauernschaft würden verelenden. Letztendlich würde eine solche Maßnahme zur „Stärkung des NÖP-Mannes" führen.84)

Diese Befürchtungen Stalins bei Aufhebung des Außenhandelsmonopols fanden dann auch in den „kühnen Wirtschaftsreformen" eines Gorbatschows, Gaidars und anderer „Experten" Ende der 80-er, Anfang der 90-er Jahre ihre Bestätigung.

In dieser Unterredung mit den amerikanischen Arbeitern äußerte sich Stalin zur Triebkraftproblematik im Sozialismus. In der kapitalistischen Wirtschaft ist der Profit die Haupttriebkraft. Im Sozialismus ist das „Bewußtsein, daß die Arbeiter nicht für den Kapitalisten, sondern für ihren eigenen Staat, für ihre eigene Klasse arbeiten ... eine gewaltige Triebkraft."85)

Die Mehrheit der Betriebsdirektoren bestehe aus Arbeitern, die „vom Obersten Volkswirtschaftsrat im Einvernehmen mit den Gewerkschaften ernannt werden, wobei kein einziger Direktor gegen den Willen der Arbeiter oder der betreffenden Gewerkschaft auf seinem Posten bleiben kann."86)

Der zweite Teil des Satzes ist problematisch. Wenn eine Mehrheit rückständiger Arbeiter eines Betriebes, auch innerhalb der Gewerkschaftsorganisation, den Direktor absetzen will, weil er notwendige, aber unpopuläre Maßnahmen treffen muß, kann das gefährliche Auswirkungen haben. Der zweite Teil dieses Satzes ließ sich daher in der Realität auch nicht durchsetzen. Er hatte nur in einem begrenzten Maße Sinn, nämlich dann, wenn ein Betriebsdirektor den Anforderungen eines sozialistischen Leiters nicht gerecht wurde oder sogar die Produktion zu sabotieren suchte, was leider vorkam. Entscheidend bleibt der erste Teil des Satzes, die Einsetzung des Direktors durch den Obersten Volkswirtschaftsrat, der auch über die Absetzung eines Direktors entscheiden muß. Die von Gorbatschow eingeführte „demokratische" Wahl von Betriebsdirektoren hat dann auch zur Zerstörung der Autorität der Leitungen geführt mit den entsprechenden Ergebnissen. Jeder Kapitalist würde über einen solchen ökonomischen Unsinn den Kopf schütteln - was ihn natürlich nicht daran hindert, Gorbatschow für diese „grandiose" Idee zu beglückwünschen und ihn als bedeutenden „marxistischen" Ökonom zur Nachahmung zu empfehlen.

Wichtig sind die Hinweise Stalins auf die schon w.o. genannten Produktionsberatungen der Arbeiter in den Betrieben sowie auf die Erkenntnis der Arbeiter, daß „unter dem Sowjetsystem" die Fabrik, in der er arbeitet, etwas ist, „was ihm nahesteht, was sein eigen ist, etwas, an dessen Entwicklung und Verbesserung er zutiefst interessiert ist."87)

Dieses „neue Verhältnis der Arbeiter zum Werk, zum Betrieb, dieses Gefühl des Verwachsenseins der Arbeiter mit dem Betrieb" sei „eine gewaltige Triebkraft unserer ganzen Industrie... ."88)

Wir bezeichnen ein solches Bewußtsein als „Eigentümerbewußtsein", das es in der Sowjetunion zumindest bis zum Tode Stalins und in der DDR bis in die 70er Jahre gegeben und sich als Triebkraft der sozialistischen Wirtschaft bewährt hat; in anderen Worten: solange die Triebkraft eine „stalinistische" war. Die in der Industrie erzielten Akkumulationsmittel dienten nicht nur als Investitionen zur erweiterten Reproduktion, sondern auch der Hebung des Lebensstandards der Arbeiterklasse. Annähernd 10 Prozent des Gewinns der Industrie werden bei uns für die Verbesserung der Lebenshaltung der Arbeiterklasse verwendet. Die Versicherung der Arbeiterklasse auf Staatskosten macht bei uns, gemessen am Geldlohn der Arbeiter, 13 Prozent desselben aus. Ein bestimmter Teil der Einkünfte (ich kann im Moment nicht sagen, wieviel) wird für kulturelle Bedürfnisse, für die Berufsausbildung der Lehrlinge in den Fabriken und für den Urlaub der Arbeiter verwendet. Der übrige Teil der Einkünfte aus der Industrie wird für die weitere Entfaltung der Industrie, für die Renovierung der alten Werke, schließlich für die Verbilligung der Industriewaren verwendet.89)

Der Terminus „Lebensqualität" war noch nicht im Sprachgebrauch. Aber aus den Ausführungen Stalins wird sichtbar, daß die Arbeiter über zwei Einkommen verfügen, wie w.o. schon erwähnt: einmal direkt in Form des Geldlohnes, zum anderen indirekt durch die Finanzierung kultureller Bedürfnisse, aus den entsprechenden „gesellschaftlichen Fonds" wie später formuliert. Anfang der 30-er Jahre faßte der sowjetische Ökonom N. Wosnessenski diesen Sachverhalt in der methodologischen These zusammen, wonach kulturelle Errungenschaften in die Berechnung des Lebensniveaus mit einbezogen werden müssen. Gegen bürgerliche und trotzkistische Behauptungen gewandt, wonach das Lebensniveau in der UdSSR sich verringert habe, erwiderte Wosnessenski: „Die Berechnungen des Lebensniveaus der Arbeiterklasse, die die Zeitdauer eines Arbeitstages, die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, das Wachstum der Gemeinschaftsverpflegung, das kommunale Bauwesen und die anderen Züge der erweiterten sozialistischen Reproduktion nicht berücksichtigen, wiesen wissentlich zu niedrige Kennziffern des materiellen und kulturellen Lebensniveaus der Arbeiterklasse aus."90)

Die Leistungen aus den gesellschaftlichen Fonds wurden in den sozialistischen Ländern, auch in der DDR, im Laufe der Zeit von vielen Werktätigen als etwas Selbstverständliches verstanden. Erst nach der Restauration des Kapitalismus wurde ihnen bewußt, was sie verloren hatten, was kostenlose medizinische Versorgung, kostenloses Bildungswesen vom Kindergarten bis zum Universitätsstudium - einschließlich eines sehr viel höheren Bildungsniveaus als in den kapitalistischen Staaten, siehe PISA-Studie! -, niedrige Mieten, bezahlbare Eintrittskarten zu kulturellen Veranstaltungen, Theater, Konzerte, Sport, kostengünstige Preise für wissenschaftliche und schöngeistige Literatur, Weltliteratur, etc., tatsächlich wert waren. Und nicht zuletzt: keine Arbeitslosigkeit und ein gesicherter Lebensabend.

IV. Kollektivierung der Landwirtschaft

Ende 1927 hatte sich die NÖP allmählich erschöpft. Auf dem XV. Parteitag der KPdSU (B) (2. - 19. Dezember 1927) wies Stalin auf die neuen Widersprüche in der sozialistischen Gesellschaft hin. Als Lenin 1921 die NÖP begründete, ging es darum, die sozialistische Industrie mit der bäuerlichen Wirtschaft zu verbinden, den Privathändler, den Privatkapitalisten zu verdrängen, den Handel zu erlernen. Eine Spaltung zwischen Proletariat und Bauernschaft durch das Privatkapital war zu verhindern. Darin bestand der Inhalt der Frage „wer - wen?"91)

Diese Frage habe nun einen anderen Charakter; sie habe sich aus dem Gebiet des Handels auf das Gebiet der handwerklichen und landwirtschaftlichen Produktion verlagert, „wo das Privatkapital ein bestimmtes Gewicht hat und wo man es systematisch verdrängen muß".92) Daraus ergebe sich die Aufgabe der Partei, „auf die Liquidierung der kapitalistischen Elemente in der Volkswirtschaft hinzusteuern."93)

Die Basis des Privatkapitals war nach wie vor die Landwirtschaft. Trotz Einschränkung der Kulaken durch Besteuerung waren sie noch immer die Haupterzeuger von Getreide, konnten sich durch Spekulationen mit Getreide behaupten, waren sie noch immer die bestimmende Kraft in der Landwirtschaft. Ein „gewisses Wachstum des Kulakentums im Dorfe" sei nicht zu übersehen. Mit administrativen Maßnahmen sei ihnen allein nicht beizukommen, sondern der „Kulak muß durch wirtschaftliche Maßnahmen und auf dem Boden der sowjetischen Gesetzlichkeit angepackt werden."93a)

Vom Kapitalismus in der Landwirtschaft ging in der UdSSR die Hauptgefahr einer Restauration aus. Diese Gefahr bestand solange, wie die kleinbäuerliche Zersplitterung der Landwirtschaft bestehen blieb. Die Entwicklungsmöglichkeiten der landwirtschaftlichen Kleinbetriebe hatte sich ebenfalls erschöpft. Das „Entwicklungstempo unserer Landwirtschaft" könne „nicht als hinlänglich bezeichnet werden."94)

Außerordentliche Rückständigkeit der landwirtschaftlichen Technik, niedriges Kulturniveau des Dorfes, Zersplitterung der landwirtschaftlichen Produktion verhinderten eine planmäßige Produktion, führe „zum größten Teil" zur „Anarchie der Kleinproduktion." Die Kollektiv- und Sowjetwirtschaften erzeugten zu dieser Zeit nur etwa zwei Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Produktion, nur etwas über sieben Prozent der Warenproduktion.95)

Sozialistische Industrie und privatkapitalistische Landwirtschaft, diese Widersprüche mußten gelöst werden, entweder Restauration des Kapitalismus oder Durchsetzung sozialistischer Produktionsverhältnisse auch in der Landwirtschaft.

Unter Berufung auf frühere Arbeiten Lenins erklärte Stalin im Januar 1928: „Gegenwärtig beruht die Sowjetordnung auf zwei verschiedenartigen Grundlagen: auf der vereinigten sozialistischen Industrie und auf der individuellen kleinbäuerlichen Wirtschaft, deren Grundlage das Privateigentum an den Produktionsmitteln ist." Die Sowjetordnung könne sich nicht lange auf diese verschiedenartigen Grundlagen stützen. „Lenin sagt, daß, solange im Lande die individuelle Bauernwirtschaft überwiegt, welche Kapitalisten und Kapitalismus hervorbringt, die Gefahr einer Restauration des Kapitalismus bestehen bleibt. Natürlich kann, solange eine solche Gefahr besteht, von einem Sieg des sozialistischen Aufbaus in unsrem Lande nicht ernsthaft gesprochen werden. Folglich ist für die Festigung der Sowjetordnung und den Sieg des sozialistischen Aufbaus in unserem Lande die Sozialisierung der Industrie allein völlig ungenügend. Dazu ist es notwendig, von der Sozialisierung der Industrie zur Sozialisierung der gesamten Landwirtschaft überzugehen."95a)

Diese Aussagen tragen allgemeingültigen Charakter, nicht nur für rückständige Agrarländer, sondern auch für die industriell hochentwickelten kapitalistischen Staaten. Um die sozialistische Vergesellschaftung der Landwirtschaft, in dieser oder jener Form, abhängig von den jeweils konkret-historischen Bedingungen, führt kein Weg herum, wenn sozialistische Produktionsverhältnisse durchgesetzt werden sollen.

In der Sowjetunion war die Zeit. dafür herangereift; eine Verlangsamung des Wachstumstempos der sozialistischen Schwerindustrie, wie von einigen Genossen vorgeschlagen, mußte die Restaurationsgefahr erhöhen und war angesichts der latenten Interventionsdrohung durch imperialistische Staaten gefährlich. Stalin bezeichnete solche Vorschläge als „die reaktionärste antiproletarische Utopie."96) Wenige Monate später meinte er dazu: „Das hieße Selbstmord begehen..."96a)

Der Übergang von der bäuerlichen Kleinwirtschaft zur Kollektivwirtschaft sollte „allmählich, aber unentwegt, nicht durch Zwang, sondern durch Beispiel und Überzeugung" vollzogen werden.97) Für diesen Zusammenschluß und die Intensivierung der Produktion spielten die Maschinen-Ausleih-Stationen (MAS) eine wesentliche Rolle. Sie waren nicht nur technische, sondern zugleich auch politisch-ideologische Stützpunkte der Arbeiterklasse auf dem Lande.

Die Kollektivierung war aber nicht nur ein ideologisches und technisches Problem, sondern auch ein finanzielles.

Um „die Umstellung der Bauern auf gesellschaftliche Bodenbestellung finanzieren zu können,... sind nicht wenige Mittel erforderlich,"98) also ein Problem der Akkumulation. Die Dialektik in der Errichtung sozialistischer Produktionsverhältnisse in der UdSSR in dieser Zeit bestand in der Kollektivierung der Landwirtschaft, um die landwirtschaftliche Produktion zu steigern und somit in der Schaffung von Akkumulationsmitteln, um die Kollektivierung finanzieren zu können, gleichzeitig aber auch die extensiv und intensiv erweiterte Reproduktion der Industrie zu forcieren, wofür ebenfalls bedeutende Akkumulationsmittel erforderlich waren. Ohne Industrie keine Akkumulation und umgekehrt, ohne Akkumulation keine Kollektivierung, ohne Kollektivierung keine Akkumulation, kein Sozialismus, sondern Restauration des Kapitalismus. Und die politische Seite des Problems: Die Kollektivierung durfte das Bündnis der Arbeiterklasse mit der werktätigen Bauernschaft nicht zerstören bei Strafe konterrevolutionärer Aufstände. Die soziale Basis für eine Konterrevolution war nach wie vor vorhanden. Vor einer solchen Situation hatte vorher noch keine kommunistische Partei gestanden. Die Errichtung einer sozialistischen Landwirtschaft war in der Weltgeschichte erstmalig.

Gegenüber der Opposition in der Partei, die anstelle einer vorrangigen Entwicklung der Produktion von Produktionsmitteln die Entwicklung der Leichtindustrie forderte, um den existierenden Warenhunger zu beseitigen, wies Stalin darauf hin, daß es noch eine „verhältnismäßig beträchtliche Zahl von Kapitalisten sowohl in der Industrie als auch im Handel" gäbe. „Das spezifische Gewicht dieser Elemente ist keineswegs so gering, wie manche Genossen es bei uns mitunter darstellen."99) Neue Millionäre gäbe es im Kleingewerbe, besonders im Leder- und Textilgewerbe, die die Kleinproduzenten unterjochen.

In der UdSSR gab es wesentliche Veränderungen in der sozialen Struktur. So war die Arbeitslosigkeit von 1925 bis 1927 von 950.000 auf 1.048.000 gestiegen! Davon waren 16,5 Prozent Industriearbeiter, 74 Prozent geistige und nichtqualifizierte Arbeiter. Die Hauptursache war die Übervölkerung des Dorfes. Auf dem Lande wuchs die Mittelbauernschaft auf Kosten eines Teiles der Dorfarmut. Während der Kulak wächst, vermindere sich die Dorfarmut. Der Mittelbauer war und bliebe die Zentralfigur in der Landwirtschaft. „Der Block mit den Mittelbauern, wobei die Dorfarmut unsere Stütze bildet, ist von ausschlaggebender Bedeutung für das Schicksal unseres gesamten Aufbaus, für die Diktatur des Proletariats."100) Stalin hatte dieses Problem, daß sich der Bündnispartner der Arbeiterklasse quantitativ verringerte klar erkannt. Wie weit war der neue Mittelbauer bereit, einen sozialistischen Weg zu gehen? Entwickelt sich mit ihm ein „neues" „Eigentümerbewußtsein" privatkapitalistischer Art?

Unzufriedenheit gab es auch unter Teilen der Intelligenz. Stalin sprach von „Hunderten und Tausenden" Angestellten, die beim Personalabbau im Staatsapparat entlassen werden mußten. Zehntausende von kleinen und mittleren Kapitalisten seien ruiniert, kleine und mittlere Läden geschlossen worden. Tausende kleiner Industrieller seien proletarisiert. Es gab also objektive Gründe für die „neue Bourgeoisie", für Teile der Intelligenz, der Mittelschichten, mit der Sowjetmacht unzufrieden zu sein. Daraus erwuchsen konterrevolutionäre Stimmungen unter diesen Kreisen, die Smena-Wech-Ideologie wurde als „Modeware" auf dem politischen Markt der neuen Bourgeoisie gehandelt.

Um so wichtiger war es, die Differenzierung in der Intelligenz zu beachten. Tausende Intellektuelle gingen zur Sowjetmacht über, vor allem die technische Intelligenz. Die Dorfschullehrer haben sich schon längst auf Grund des sowjetischen Schulwesens für die Sowjetmacht entschieden.101)

Diese Differenzierungen, Veränderungen in der Sozialstruktur spiegelten sich auch in der Partei wider, in der Opposition, die gegen die von Stalin begründete und von der Mehrheit des ZK und den Parteimitgliedern gebilligte Politik auftraten. Sozialismus muß also nicht für „alle" von Vorteil sein. Die Auswirkungen des sozialistischen Aufbaus auf die verschiedenen Klassen und Schichten sind sorgfältig zu analysieren. Das gilt auch für Schichten innerhalb der Arbeiterklasse. Stalin hatte das erkannt. Die in den 60-er Jahren in der DDR verkündete These von der „sozialistischen Menschengemeinschaft" war überzogen und mußte wenig später auch wieder zurückgenommen werden. Solange eine Klassengesellschaft existiert, ist der soziale Boden für eine Restauration des Kapitalismus potentiell vorhanden.

Die Kollektivierung in der UdSSR stieß auf den entschlossenen Widerstand der Kulaken. Sie waren Anfang 1928 noch immer die Hauptproduzenten von Getreide, vor allem von Marktgetreide. Nur ein Beispiel: Im Januar 1928 gab es einen Fehlbetrag von 100 Millionen Pud Getreide, wodurch Städte, Industriezentren und die Rote Armee vom Hunger bedroht wurden. In Sibirien hatte es im vorangegangenen Jahr eine sehr gute Ernte gegeben, wodurch die Getreidebilanz in anderen Bezirken ausgeglichen werden konnte. Die Kulakenwirtschaften horteten „Getreidebestände von 50.000 bis 60.000 Pud je Wirtschaft." Sie hielten das Getreide zurück, um eine Erhöhung der Preise auf das Dreifache im Vergleich zu den staatlichen Aufkaufpreisen durchzusetzen.

Nach Artikel 107 des Strafgesetzbuches war Spekulation verboten. Aber Staatsanwaltschaft und Gerichtsbehörden gingen nicht gegen die Kulaken vor. Der Grund: Fast alle Vertreter der Justizbehörden wohnten bei Kulaken, waren deren „Kostgänger" und bemüht, mit den Kulaken „in Frieden zu leben." Solche Tendenzen, im Dorfe mit „allen Schichten" „im Frieden zu leben", waren unter Funktionären keine Seltenheit.

Stalin forderte von den Kulaken die sofortige Abgabe aller Getreideüberschüsse zu staatlichen Aufkaufpreisen zu erwirken; bei Weigerung nach Artikel 107 des Strafgesetzbuches die Getreideüberschüsse zu konfiszieren; 25 Prozent sollten davon an die Dorfarmut und schwache Mittelbauern zu den niedrigen staatlichen Preisen, oder auf Kredit mit langjähriger Tilgungsfrist verteilt werden.102)

Aber solche Maßnahmen konnten nur kurzfristig Erfolge erzielen; langfristig war das Getreideproblem nur durch die Kollektivierung zu lösen.

Es muß hier angemerkt werden, daß Stalin sich energisch gegen Überspitzungen im Kampf gegen die Kulaken wandte, gegen „mißbräuchliche Verhaftungen" und „ungesetzliche Beschlagnahmen" von Getreideüberschüssen. Der Druck auf die Kulaken sollte ausschließlich auf der Grundlage der sowjetischen Gesetzlichkeit erfolgen. Der Artikel 107 sollte nur gegen „einzelne böswillige Elemente, die Überschüsse von 2000 und mehr Pud an Warengetreide besitzen" Anwendung finden.103)

In der Politik der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft, des Überganges von der privaten Einzelbauernwirtschaft zum landwirtschaftlichen Großbetrieb auf genossenschaftlicher Grundlage ist die Kontinuität in der Wirtschaftspolitik von Marx/Engels über Lenin zu Stalin besonders augenfällig. In seiner Schrift „Die Bauernfrage in Frankreich und Deutschland" vom November 1894 setzte sich Friedrich Engels mit rechtsopportunistischen Auffassungen in der Agrarfrage auseinander, die von Georg Heinrich von Vollmar auf dem Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Frankfurt am Main (Oktober 1894) vertreten wurde. Engels verdeutlichte in dieser Schrift die Unvermeidlichkeit des Übergangs der Einzelbauern zu „genossenschaftlichem Besitz und Betrieb", wenn sie ihren „Haus- und Feldbesitz" retten wollen. Diesen Übergang zur Genossenschaft werde die Sozialdemokratie dem Bauern erleichtern, falls er sich dazu entschließt, ja ihm sogar, falls er diesen Entschluß noch nicht fassen kann, eine verlängerte Bedenkzeit auf seiner Parzelle ermöglichen.104) Mehrfach verwies Engels auf das Prinzip der Freiwilligkeit bei einem solchen Übergang. Gegen ihren Willen werde es keine gewaltsamen Eingriffe in ihre Eigentumsverhältnisse geben.

Engels differenzierte zwischen den Bauern, unter denen es „eine ganze Musterkarte von Zwischenstufen vom Parzellenbauern bis zum Großbauern,..." gäbe.105) Bei Mittel- und Großbauern, die Knechte und Mägde in ihrem Betrieb ausbeuten, sei die Sache komplizierter. Die Arbeiterpartei nimmt vor allem die Interessen der Knechte, Mägde und Tagelöhner wahr. Die Beseitigung der Ausbeutung der Lohnarbeit, also der Knechte, Mägde, Tagelöhner, bleibe für eine Arbeiterpartei unverzichtbar. Aber, wir haben die „ökonomische Gewißheit, daß auch der Groß- und Mittelbauer vor der Konkurrenz des kapitalistischen Betriebs und der (damaligen, 1894, UH) wohlfeilen überseeischen Kornproduktion unfehlbar erliegen muß, wie die wachsende Verschuldung und der überall sichtbare Verfall auch dieser Bauern beweist."106) Als Ausweg aus diesem Niedergang könne man auch hier ihnen nur die „Zusammenlegung ihrer Güter zu genossenschaftlichen Betrieben empfehlen."

Zögen die Bauern aus der Einsicht in die Unvermeidlichkeit des Untergangs der kapitalistischen Produktionsweise die notwendigen Konsequenzen, würde es „unsres Amts sein, auch ihnen den Übergang in die veränderte Produktionsweise zu erleichtern. Andernfalls müssen wir sie ihrem Schicksal überlassen und uns an ihre Lohnarbeiter wenden, bei denen wir schon Anklang finden werden. Von einer gewaltsamen Expropriation werden wir auch hier wahrscheinlich absehen und im übrigen darauf rechnen können, daß die ökonomische Entwicklung auch diese härtesten Schädel der Vernunft zugänglich machen wird."107) Engels hielt also den Übergang von der privatwirtschaftlichen Bauernwirtschaft zur genossenschaftlichen Großproduktion für unvermeidlich und hielt unter bestimmten Bedingungen diesen Übergang auch für Großbauern - in Deutschland und Frankreich! - für möglich. Zu betonen ist, daß Engels eine „gewaltsame Expropriation" der Großbauern „wahrscheinlich" als nicht unbedingt notwendig betrachtete - in Deutschland und in Frankreich!

Lenin orientierte in seiner Agrarpolitik bei der Bildung von Kollektivwirtschaften nicht nur auf das Bündnis der Arbeiterklasse mit der Dorfarmut, sondern auch mit den Mittelbauern. Auf dem VIII. Parteitag der KPR (B) (18. - 23. März 1919) bezeichnete er es als „größte(n) Irrtum", anzunehmen, daß man nach dem Sturz der Herrschaft der Bourgeoisie und der Erringung der Macht der Arbeiterklasse der „weitere(n) Aufbau des Kommunismus"... ohne Beteiligung der Mittelschichten, der Zwischenschichten" möglich sei. Bezüglich der Landwirtschaft bedeute dies, „die Frage der Mittelbauernschaft in ihrem ganzen Umfang auf die Tagesordnung zu setzen."108) Gegenüber Gutsbesitzern und Kapitalisten bestehe die Aufgabe in der „restlosen Expropriation",... „gegenüber der Mittelbauernschaft... lassen wir keinerlei Gewaltanwendung zu."109) Auch gegenüber den Kulaken, den reichen Großbauern, wandte sich Lenin gegen eine „absolute Expropriation." Er verwies auf den Unterschied zwischen „Unterdrückung des Widerstandes der reichen Bauernschaft", „Unterdrückung ihrer konterrevolutionären Gelüste" und der „restlosen Expropriation."110) Soweit Lenin am 23. März 1919.

Er fügte hinzu: „Theoretisch ist diese Frage entschieden, aber wir haben zur Genüge erfahren und wissen aus unserem eigenen Erleben, wie groß der Unterschied zwischen der theoretischen Lösung einer Frage und der praktischen Durchführung dieser Lösung ist."111) Einige Tage zuvor, am 18. März berief sich Lenin auf die w.o. genannte Arbeit Engels, der meinte, daß „es vielleicht gelingen wird, auch gegenüber dem Großbauern ohne Repressalien, ohne Unterdrückungsmaßnahmen auszukommen. Für Rußland hat sich diese Annahme nicht bewahrheitet: Wir standen und stehen im direkten Bürgerkrieg gegen die Kulaken, und das wird auch künftig so sein. Das ist unvermeidlich. Das haben wir in der Praxis gesehen."111a)

Stalin setzte diese Politik zehn Jahre später fort, wobei er sich ausdrücklich auf Lenin berief. In einem Brief, „Lenin und die Frage des Bündnisses mit den Mittelbauern" vom Juni 1928, faßte er den Inhalt der Leninschen Politik gegenüber der Bauernschaft zusammen: „a) Stütze dich auf die Dorfarmut, b) erziele eine Verständigung mit den Mittelbauern, c) stelle keine Minute den Kampf gegen die Kulaken ein."112) Stalin wandte sich zu diesem Zeitpunkt auch noch gegen eine Expropriation der Kulaken. Es kämen Fälle vor, wo der Kampf gegen die Kulaken als deren Enteignung verstanden werde. Die „Enteignung der Kulaken unter unseren Verhältnissen" wäre „eine Torheit."113)

Die konkret historischen Bedingungen waren unterschiedlich, unter denen Engels, Lenin und Stalin ihre Konzeptionen über den Übergang von der privaten einzelbäuerlichen Wirtschaft zur genossenschaftlichen Großproduktion sowie über das Verhalten der Partei zu den Mittel- und Großbauern äußerten, inhaltlich aber stimmten sie überein.

Um die Jahreswende 1929/30 waren solche inneren und äußeren Bedingungen in der Sowjetunion herangereift, so daß Stalin die Liquidierung der Kulaken als Klasse auf die Tagesordnung setzen konnte - und mußte. Auch hierbei ist auf die Kontinuität in der Politik von Lenin zu Stalin hinzuweisen. Die Liquidierung der Großbauern als Klasse ist eine Gesetzmäßigkeit der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus. Nun hat der Begriff „Liquidierung" einen anrüchigen Klang, weil in der bürgerlichen und revisionistischen Geschichtsschreibung dieser Begriff mit „Massenmord" identifiziert wird. Auch für Engels, wie w.o. zitiert, führte kein Weg um die „Liquidierung" der Großbauern als Klasse herum, nur hielt er es für möglich, daß diese „Liquidierung" ohne gewaltsame Expropriation, ohne Anwendung von Zwang, ohne Bürgerkrieg (in Frankreich und in Deutschland!) möglich sei. Engels verwandte auch nicht den Begriff „Liquidierung."

Die Entwicklung in der DDR in den fünfziger und sechziger Jahren, in der Großbauern in die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) eintreten konnten, bestätigten die von Engels erwähnte Möglichkeit, wobei sich in der DDR der Übergang von der Einzelbauernwirtschaft zur Genossenschaft auch nicht ohne Klassenkampf, ohne Gewalt und/oder Druck in Einzelfällen vollzog, wobei man die unterschiedlichen Formen der Gewalt beachten muß, zu denen zum Beispiel auch steuerpolitische Maßnahmen gehörten. Soweit Zwang und Gewalt in der DDR angewandt werden mußte, so richtete er sich doch niemals gegen die Bauernschaft als Ganzes. Das wäre gar nicht gegangen, sondern gegen den Widerstand konterrevolutionärer Kräfte, die den Übergang zur genossenschaftlichen Großproduktion mit Sabotage, Brandstiftungen und Mord an Funktionären zu verhindern suchten, mit Unterstützung von Diversionsgruppen und Geheimdiensten im Westen, heute als „Freiheitskämpfer gegen die SED-Diktatur" verherrlicht.

Über den konterrevolutionären Charakter der Kulaken hatte also auch Lenin nicht die geringsten Illusionen. In dessen Beurteilung stimmten Lenin und Stalin völlig überein. Die Kulaken, die „in Hungerzeiten" Getreide zurückhielten und aufspeicherten, bezeichnete Lenin im November 1918 als „die schlimmsten Verbrecher." „Sie müssen bekämpft werden wie die ärgsten Feinde des Volkes."114) An anderer Stelle bezeichnete Lenin die Kulaken als „die vertiertesten, rohesten, brutalsten Ausbeuter, die in der Geschichte anderer Länder mehr als einmal die Macht der Gutsbesitzer, der Könige, Pfaffen und Kapitalisten wiederhergestellt haben. Kulaken gibt es mehr als Gutsbesitzer und Kapitalisten. Aber dennoch sind die Kulaken nur eine Minderheit im Volk... Diese Blutsauger haben sich während des Krieges an der Not des Volkes bereichert, sie haben Tausende und Hunderttausende Rubel zusammengerafft, indem sie die Preise für Getreide und andere Produkte hinaufschraubten. Diese Spinnen mästeten sich auf Kosten der durch den Krieg ruinierten Bauern, auf Kosten der hungernden Arbeiter. Diese Blutegel saugten das Blut der Werktätigen und wurden um so reicher, je mehr der Arbeiter in den Städten und Fabriken hungerte. Diese Vampire brachten und bringen den Boden der Gutsbesitzer an sich, sie zwingen die armen Bauern immer und immer wieder in Schuldknechtschaft."114a)

Die Kollektivierung hatte 1928/29 Fortschritte erreicht. Es sei gelungen, die Hauptmasse der Bauernschaft in einer ganzen Reihe von Gebieten auf den neuen sozialistischen Entwicklungsweg überzuleiten, die Dorfreichen, die Kapitalisten zu verdrängen, die Mittelbauern und arme Bauernschaft mit landwirtschaftlichen Maschinen auszustatten und „auf den breiten Weg der genossenschaftlichen, kollektiven Bodenhestellung" zu führen, einen „grundlegenden Umschwung innerhalb der Bauernschaft" trotz „unermeßlicher Schwierigkeiten" zu erreichen.115) Stalin führte Zahlen über das Wachstum der Anbaufläche der sozialistischen Betriebe sowie über die Steigerung der Produktion von Warengetreide an:

Anbaufläche in Hekar 1928 1929

staatliche Sowjetwirtschaften 1.425.000 1.816.000

Kollektivwirtschaften 1.390.000 4.262.000

Warenanteil der Getreideproduktion in Doppelzentner 1928 1929

staatliche Sowjetwirtschaften 6.000.000 8.000.000

Kollektivwirtschaften 3.500.000 13.000.000

 

Der Plan für 1930 sah vor, daß der Warenanteil der Sowjet- und Kollektivwirtschaften über 50 Prozent des Warenanteils der Getreideproduktion betragen soll.116)

Damit wurde der Hauptteil des Warengetreides in sozialistischen landwirtschaftlichen Betrieben erzeugt, die Abhängigkeit von der Getreideproduktion der Kulaken aufgehoben. Damit waren, wie Stalin schrieb, die ökonomischen Bedingungen für die Liquidierung der Kulaken als Klasse gegeben: „Wir duldeten diese Blutsauger, Spinnen und Vampire und trieben eine Politik der Einschränkung ihrer Ausbeutertendenzen. Wir duldeten sie, da wir nichts hatten, wodurch wir die Kulakenwirtschaft, die Kulakenproduktion hätten ersetzen können. Jetzt haben wir die Möglichkeit, ihre Wirtschaft durch die Wirtschaft unserer Kollektiv- und Sowjetwirtschaften mehr als zu ersetzen. Diese Spinnen und Blutsauger dürfen nicht weiter geduldet werden."116a)

Stalin verwies dabei auf die bedeutende Hilfe der Arbeiterklasse in Form der Maschinen- und Traktorenstationen (MTS) und Ausleihstellen (MAS).

Günstige Entwicklungsbedingungen für die sozialistische Landwirtschaft sah Stalin in der Aufhebung der absoluten Grundrente sowie im Verbot des Verkaufs von Grund und Boden.117)

Unter den konkreten Bedingungen der Sowjetunion 1929/30 hatte die Auffassung Stalins sicher ihre Berechtigung, daß die sozialistischen Getreidewirtschaften sich „mit einem Minimum an Gewinnen begnügen" und „zuweilen auch ohne jeden Gewinn" auskommen können.118) Dieser Sachverhalt sollte sich in allen sozialistischen Ländern Osteuropas wiederholen. Beim Übergang von der privaten Einzelbauernwirtschaft zur genossenschaftlichen Produktion sind die neuen Genossenschaften - aus sehr unterschiedlichen Gründen - noch nicht rentabel, arbeiten zum Teil mit beträchtlichen Verlusten.

In der DDR war einer dieser Gründe, daß die ersten Genossenschaften von den ärmsten Bauern, Umsiedlern, ehemaligen Landarbeitern gebildet wurden, mit geringen Erfahrungen der Bewirtschaftung eines Großbetriebes. In der VR Polen konnten sich revisionistische Kräfte in der Partei durchsetzen, die die unrentabelen Genossenschaften auflösten und den noch verbliebenen Genossenschaften die staatliche Unterstützung versagten. Stalin hat sich solchen Tendenzen, die es auch in der KPdSU gab, widersetzt. In der Stalinschen Formulierung muß das „zuweilen" hervorgehoben werden, denn auf die Dauer müssen die Genossenschaften natürlich auch Gewinne realisieren, ohne die nicht einmal die einfache Reproduktion gewährleistet wäre. Für Bildung und Entwicklung von Kollektivwirtschaften gab es günstige Kredite und besondere Steuervergünstigungen, die ein Anreiz für Bauern darstellten.119)

Von größter ökonomischer und politischer Bedeutung war, „daß der Mittelbauer in die Kollektivwirtschaften gegangen ist."120) Das „heilige Prinzip des Privateigentums", die letzte Hoffnung der Kapitalisten aller Länder „auf Wiederherstellung des Kapitalismus", stürzte zusammen.121)

Die Kulaken stellten trotz der bis 1928 verfolgten Politik deren Einschränkung noch immer eine bedeutende Macht dar. Sie blieben eine potentielle Gefahr für eine Restauration des Kapitalismus. 1927 gab es in der UdSSR 1,1 Millionen Kulakenwirtschaften, die 15 Prozent der anbaufähigen Fläche des Landes bearbeiteten und über 11,2 Prozent des gesamten Zugviehbestandes sowie über einen großen Teil der Landmaschinen verfügten.122)

Durch Zurückhaltung von Getreide konnten sie immer noch Hunger in den Städten und somit eine konterrevolutionäre Stimmung erzeugen. Die Macht der Kulaken als letzte bedeutende Bastion des Kapitalismus und die von ihr ausgehende Gefahr für die Errichtung sozialistischer Produktionsverhältnisse mußten gebrochen werden. Ohne die Liquidierung der Kulaken als Klasse war die Kollektivierung und der Übergang zum Sozialismus in der Landwirtschaft sowie in der Sowjetunion insgesamt nicht möglich. Die Erfolge der Kollektivierung und damit das Schwinden der Möglichkeit einer Restauration des Kapitalismus steigerten den Widerstand der Kulaken bis hin zu bewaffneten Aufständen. „Zwischen Januar und März 1930 kam es in Sibirien zu 65 Kulakenaktionen. Im Mittleren Wolgagebiet waren es im Laufe eines Jahres 718, im Stawropoler Kreis inszenierten Kulaken und Weißgardisten einen bewaffneten Aufstand. Viele ähnliche Umtriebe gab es in der Ukraine, besonders in den Grenzgebieten. In den Republiken Mittelasiens, Transkaukasiens und in Dagestan trug der Kampf des Kulakentums gegen die Kollektivierung und die Sowjetmacht den Charakter politischen Banditentums."123) Kulakenaufstände gab es auch in der Armenischen SSR, der Aserbaidshanischen SSR sowie im Nordkaukasus, so im Autonomen Gebiet der Tschetschenen.124)

In einem Artikel für die „Krasnaja Swesda" (Der Rote Stern) Nr. 18 vom 21. Januar 1930 erläuterte Stalin den Unterschied zwischen der Politik der Einschränkung, der Verdrängung einzelner Teile der Kulaken und der Liquidierung der Kulaken als Klasse. „Um das Kulakentum als Klasse zu verdrängen, muß man den Widerstand dieser Klasse in offenem Kampf brechen und ihr die Quellen ihrer Existenz und Entwicklung in der Produktion (freie Bodennutzung, Produktionsinstrumente, Pacht, Recht auf Anwendung von Lohnarbeit usw.) entziehen."125) Die armen und Mittelbauern des Dorfes, die „das Kulakentum"... „zerschmettern und die durchgängige Kollektivierung"... „verwirklichen", hätten dies begriffen.126)

Die Liquidierung der Kulaken als Klasse und die Kollektivierung waren also keineswegs ein „Willkürakt" Stalins, wie von der bürgerlichen und revisionistischen Geschichtsschreibung immer wieder unter dem Slogan der „Zwangskollektivierung" behauptet, sondern wurde als Massenbewegung der Klein- und Mittelbauern durchgeführt. Anders wäre es gar nicht möglich gewesen. Zwang wurde gegen die Kulaken ausgeübt; anders wäre es nicht gegangen. Aber Zwang gegen die Masse der Klein- und Mittelbauern, der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung der Sowjetunion gegenüber auszuüben, war eine Unmöglichkeit. Der Versuch allein wäre das Ende der Sowjetunion gewesen.

Stalin hatte weder die Macht noch den Apparat, noch die erforderlichen bewaffneten Kräfte dafür, denn die Mehrheit der Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere der Roten Armee stammten aus Arbeiter- und Bauernfamilien! Die überwiegende Mehrheit der Sowjetsoldaten waren Söhne von Klein- und Mittelbauern; auch noch zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Selbst die bösartige und schon idiotisch anmutende These der bürgerlichen Publizistik und des wiederkäuenden reformistischen und trotzkistischen Anhanges, Stalin als den „skupellosen Diktator", „paranoiden Massenmörder", darzustellen, ihm eine Gewaltanwendung gegen die Masse der Bauernschaft zu unterstellen, hätte Stalin, falls er das versucht hätte, nicht überlebt.

Aber auch in der zwangsweisen Liquidierung der Kulaken als Klasse gab es wesentliche Unterschiede. Nach dem Beschluß des Politbüros des ZK der KPdSU (B) vom 30. Januar 1930 wurden die Kulaken in drei Kategorien eingeteilt:

1. Organisatoren antisowjetischer Massenaktionen und Terrorakte. Diese waren Gegenstand der sowjetischen Gerichtsinstanzen.

2. Großkulaken und frühere mittelgroße Gutsbesitzer. Sie wurden in spärlich besiedelte Gebiete der UdSSR ausgesiedelt.

Zur 3. Kategorie gehörten alle übrigen Kulaken, die auf Grundstücke außerhalb der Kolchose (Kollektivwirtschaft) umgesiedelt wurden.

Der Beschluß des Politbüros wies ausdrücklich darauf hin, die gegen Kulaken gerichteten Maßnahmen nicht gegen die Mittelbauern anzuwenden. Die Zahl der Kulakenwirtschaften in den wichtigsten Gebieten betrug im Durchschnitt 3 - 5 Prozent.127)

Die Zwangsmaßnahmen gegen die Kulaken betrafen also eine Minderheit der Bauernschaft in der Sowjetunion.

Nach dem italienischen Kommunisten Domenico Losurdo hätte der „Pakt" der „subalternen Klassen" in der Oktoberrevolution, wodurch die „revolutionäre Partei" an die Macht gelangt sei, mit der Kollektivierung der Landwirtschaft „eine erste große Krise" erfahren.128) Wenn unter dem Terminus „Pakt" das Bündnis zwischen Arbeiterklasse und Bauernschaft verstanden wird, kann ich dem Genossen Losurdo nicht zustimmen. Dieses für die Sowjetnacht lebenswichtige, unverzichtbare Bündnis geriet durch die Kollektivierung aus einer Krise heraus und festigte das Bündnis zwischen Arbeiterklasse und den Genossenschaftsbauern. Stalin wies darauf hin, daß in den Kollektivwirtschaften sich die Unterschiede zwischen Dorfarmut und Mittelbauern verwischen, daß man diese Bezeichnung schon nicht mehr anwenden könne.

Es ist wohl beachtenswert, daß mehr als zehn Jahre nach der Konterrevolution in der Sowjetunion die Bauern der Kollektivwirtschaften ihre Wirtschaft gegen die „Privatisierer" verteidigen, daß sie den Hauptteil der Wähler Kommunistischer Parteien stellen, eine Rückkehr zum Sozialismus anstreben, und, o graus! sich der Politik des Genossen Stalin erinnern. Es blieb Putin und einer reaktionären Mehrheit der Duma Ende Juni 2002 überlassen, das Verbot des Kaufs und Verkaufs von Agrarland aufzuheben und die russischen Bauern in- und ausländischen Spekulanten auszuliefern. Es bleibt wohl noch abzuwarten, wie die russischen Bauern darauf reagieren werden.

Ähnlich bei den ehemaligen Genossenschaftsbauern in der DDR, die ihre Betriebe mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Angriffe der Privatisierer verteidigten und noch verteidigen. Im Unterschied zur Sowjetunion hat es in der DDR keine Kollektivierung gegeben, wie immer wieder von bürgerlichen und reformistischen Publizisten wider besseres Wissen behauptet wird, und somit auch keine „Zwangskollektivierung". In der DDR wurde der Grund und Boden nicht nationalisiert, sondern blieb Eigentum der Genossenschaftsbauern. Die Durchführung der Beschlüsse des Politbüros vollzog sich jedoch nicht ohne Fehler. Zwischen einem Beschluß und seiner Durchführung besteht immer eine mehr oder weniger große Diskrepanz. Dies ist unvermeidlich, schon weil die örtlichen Bedingungen unterschiedlich sind, in denen der Beschluß zu verwirklichen ist.

In einer Rede auf dem Plenum des ZK der KPdSU (B) vom 19. November 1928 kritisierte Stalin „unsere Parteifunktionäre auf dem Lande", daß sie gegen einen Beschluß des Politbüros und einem entsprechenden Gesetz bezüglich der individuellen Besteuerung verstießen. Nach Beschluß des Politbüros sollte nur der „reichste Teil" der Kulakenwirtschaften mit der individuellen Steuer belegt werden; das wären höchstens 2 - 3 Prozent aller Höfe. In einer „ganzen Reihe" von Gebieten waren es jedoch 10, 12 und noch mehr Prozent der Bauernhöfe, die mit dieser Steuer belegt würden. Da es in der Sowjetunion jedoch nur 5 Prozent Kulaken gäbe, sei diese Steuer auch von Mittelbauern und von allen Kulaken erhoben worden.129)

Auf die Frage nach den Kriterien zur Beurteilung der Größe von Bauernwirtschaften wies schon Lenin auf dem VIII. Parteitag der KPR (B) (18. - 23. März 1919) hin: „In der Praxis kommen Fälle vor, wie sie ein Genosse in der Kommission erzählte. Es umringten ihn Bauern, und jeder fragte: ‘Stelle fest, ob ich ein Mittelbauer bin oder nicht. Ich habe zwei Pferde und eine Kuh. Ich habe zwei Kühe und ein Pferd‘ usw.. Ein solcher Agitator, der das flache Land bereist, müßte nun ein unfehlbares Thermometer zur Verfügung haben, um es dem Bauern unter die Achsel zu stecken und ihm sagen zu können, ob er ein Mittelbauer ist oder nicht. Dazu muß man die ganze Geschichte der Wirtschaft dieses Bauern kennen, seine Stellung zu den unteren und oberen Gruppen - und das können wir so genau nicht kennen."129a)

In dem den Genossen bekannten Artikel Stalins „Vor Erfolgen von Schwindel befallen", Prawda Nr. 60 vom 2. März l930, ging er ausführlich auf Verletzungen des Prinzips der Freiwilligkeit beim Eintritt von Bauern in die Kollektivwirtschaften ein, so wie auf die Nichtberücksichtigung unterschiedlicher Bedingungen in den Gebieten. Die bisher erzielten Erfolge in der Kollektivierung, die „Wendung des Dorfes zum Sozialismus", habe bei einigen Funktionären zu „Eigendünkel und Überheblichkeit" geführt. Dies hätte zu einer Unterschätzung des Gegners, zu „abenteuerlichen Versuchen" geführt, „alle Fragen des sozialistischen Aufbaus ‘im Handumdrehen’ zu lösen." Man wolle „‘schnurstracks’ zum vollen Siege des Sozialismus" gelangen. Die örtlichen Bedingungen und Voraussetzungen für die Kollektivierung seien sehr unterschiedlich, so daß die Kollektivierung in einigen Regionen schon abgeschlossen, in anderen dafür noch längere Zeit erforderlich sei. Man könne „nicht mit Gewalt Kollektivwirtschaften schaffen." In einer Reihe nördlicher Bezirke, in denen weniger günstige Bedingungen für die Bildung von Kollektivwirtschaften bestünden, würde die notwendige geduldige Vorbereitungsarbeit für die Organisierung von Kollektivwirtschaften durch „bürokratische Dekretierung", „papierne Resolutionen" und „ruhmselige Resolutionen" ersetzt. In einigen Fällen wurde den Bauern, die noch nicht bereit waren in die Kollektivwirtschaften einzutreten, mit dem Einsatz von „Militärgewalt" gedroht, das „zur Bewässerung nötige Wasser zu entziehen oder ihnen keine Industriewaren zu liefern."

Stalin nannte noch andere Verletzungen der Gesetzlichkeit. Die einfachste Form der Kollektivwirtschaft war das Artel. Einige Funktionäre versuchten, gleich zur höchsten Form der Vergesellschaftung, zur landwirtschaftlichen Kommune, „hinüberzuspringen" und begannen, Wohnhäuser, Kleinvieh und Geflügel. zu „vergesellschaften". So gab es in einem Artel die „Anordnung", ... „innerhalb von drei Tagen in jeder Wirtschaft das gesamte Geflügel zu registrieren." Zur „Registrierung" und „Beaufsichtigung" seien „besondere Kommandeure" einzusetzen. Einige sich mit „drei R schreibende Funktionäre" hätten die Organisierung des Artels „mit dem Herunterholen der Kirchenglocken" begonnen.130)

Auf die Gefahren dieser „linken" Dummheiten und deren schädlichen Folgen ging Stalin in dem Prawda-Artikel „Antwort an die Genossen Kollektivbauern" vom 3. April 1930 ein.131) Diese linken Abweichungen führten zu einer ernsten Gefährdung des Bündnisses der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft als Grundlage der kollektivwirtschaftlichen Bewegung, stärkten den Rechtsopportunismus in der Partei. Die Hauptgefahr „war und bleibt bei uns" die rechte Abweichung. Durch die „linken" Überspitzer, die „die UdSSR in zwei bis drei Wochen zu kollektivieren" versuchten, wurden sie „objektiv die Verbündeten der rechten Abweichler." „Die Diskreditierung der Parteiführung ist jener elementare Boden, auf dem sich allein der Kampf der rechten Abweichler gegen die Partei entfalten kann."132)

Nimmt man die Gesamtheit der Überspitzungen zusammen und verallgemeinert sie, dann hat man das gewünschte „Tatsachenmaterial", um die Kollektivierung als „Zwangskollektivierung" zu diffamieren und Stalin für jeden einzelnen Gewaltakt, für jede Dummheit verantwortlich zu machen. Im übrigen: ähnliche Dummheiten kamen auch in der DDR und anderen sozialistischen Staaten vor. Da der Sozialismus mit Menschen aufgebaut wird, werden wohl auch in Zukunft solche Dummheiten unvermeidlich sein.

Bezüglich solcher Dummheiten gab Lenin über deren Ursachen in der Sowjetunion schon auf dem VIII. Parteitag der KPR (B) (18. - 23. März 1919) eine schlüssige Antwort: „Wir sind nie Utopisten gewesen und haben uns nie eingebildet, daß wir die kommunistische Gesellschaft mit den fein säuberlichen Händen fein säuberlicher Kommunisten aufbauen werden, die in einer rein kommunistischen Gesellschaft geboren und erzogen werden müssen. Das sind Ammenmärchen. Den Kommunismus müssen wir aus den Trümmern des Kapitalismus aufbauen, und nur die Klasse, die im Kampf gegen den Kapitalismus gestählt ist, kann das vollbringen. Das Proletariat - Sie wissen das sehr gut - ist nicht frei von den Mängeln und Schwächen der kapitalistischen Gesellschaft. Es kämpft für den Sozialismus und zugleich gegen seine eigenen Mängel. Der beste, fortgeschrittenste Teil des Proletariats, der in den Städten jahrzehntelang einen erbitterten Kampf geführt hat, konnte in diesem Kampf die ganze Kultur des städtischen und hauptstädtischen Lebens in sich aufnehmen und tat dies auch in einem bestimmten Maße. Sie wissen, daß das Dorf selbst in den fortgeschrittenen Ländern zur Unwissenheit verurteilt war. Wir werden natürlich das Kulturniveau des Dorfes heben, aber das ist eine Arbeit vieler Jahre.".133) Und weiter: „Man muß alles vermeiden, was in der Praxis zu einzelnen Mißbräuchen ermuntern könnte. Uns haben sich hier und dort Karrieristen, Abenteurer an die Rockschöße gehängt, die sich Kommunisten nennen und uns betrügen, die sich an uns herangemacht haben, weil die Kommunisten jetzt an der Macht sind. ... Diese Leute, die nur an ihre Karriere denken, wenden auf dem Lande Zwang an und glauben, daß das gut wäre. In Wirklichkeit aber führt das manchmal dazu, daß die Bauern sagen: ‘Es lebe die Sowjetmacht, aber nieder mit der Kommune!’ (d.h. mit dem Kommunismus). Solche Fälle sind nicht erdacht, sondern aus dem lebendigen Leben gegriffen, davon haben Genossen aus den Organisationen berichtet. Wir dürfen nicht vergessen, welch gewaltigen Schaden jede Maßlosigkeit, jede Unbedachtsamkeit und jede Überstürzung verursacht."134)

Die Kritik an den genannten ungesetzlichen Maßnahmen trifft nicht die KPdSU als Partei und auch nicht den Genossen Stalin. Solche Übergriffe sind unvermeidliche Begleiterscheinungen revolutionärer Umwälzungsprozesse.

V. Ökonomik der Übergangsperiode

1. Das Ende der NÖP

Die Kollektivierung der Landwirtschaft und die Liquidierung der Kulaken als Klasse warfen eine Reihe neuer theoretischer Fragen auf. Auf einer von der Kommunistischen Akademie beim Zentralen Exekutivkomitee (ZEK) der UdSSR einberufenen Konferenz marxistischer Agrarwissenschaftler Ende Dezember 1929 setzte sich Stalin mit einigen theoretischen Fragen der Übergangsperiode auseinander:135)

Gegenüber den praktischen Erfolgen des sozialistischen Aufbaus sei die theoretische Arbeit auf dem Gebiet der Ökonomie, besonders auf dem Gebiet der Landwirtschaft zurückgeblieben. Die theoretische Arbeit müsse nicht nur mit der praktischen Politik Schritt halten, sondern ihr vorausgehen.

Es seien noch immer verschiedene bürgerliche und kleinbürgerliche Theorien im Umlauf. Ohne einen auf der Grundlage der marxistisch-leninistischen Theorie geführten Kampf gegen die bürgerlichen Theorien sei es unmöglich, den völligen Sieg über unsere Klassenfeinde zu erringen.

Da gäbe es unter den Kommunisten die „Gleichgewichtstheorie", nach der sich der sozialistische und kapitalistische Sektor der Volkswirtschaft, ohne sich gegenseitig zu stören, nebeneinander friedlich, „parallel", entwickeln und „irgendwann" zusammentreffen würden, und dann hätten wir Sozialismus. Der Klassenkampf zwischen den beiden Sektoren nach dem Prinzip „wer - wen?" werde dabei außer acht gelassen. Stalin widerlegte diese These vermittels der Marxschen Reproduktionstheorie. Die kapitalistische Gesellschaft könne sich nicht ohne Akkumulation entwickeln. Das gelte auch für die sozialistische Gesellschaft. Die Akkumulation gehe aus der erweiterten Reproduktion hervor. In der kleinbäuerlichen Einzelwirtschaft sei nicht einmal die einfache Reproduktion gesichert. Als Ausweg gäbe es nur die Großproduktion, aber auf welcher Basis?, der kapitalistischen oder sozialistischen?

Die „zentralisierte sozialistische Großindustrie entwickelt sich gemäß der marxistischen Theorie der erweiterten Reproduktion," aber die Großindustrie unfasse nicht die gesamte Volkswirtschaft. In der Landwirtschaft überwiege noch immer die kleinbäuerliche Bauernwirtschaft. Sozialistische Großproduktion in der Landwirtschaft ist aber nur über den Weg der Kollektivierung möglich, und das bedeute Klassenkampf gegen die Kulaken. Es gäbe also nur zwei Wege, entweder kapitalistischer oder sozialistischer Weg in der Landwirtschaft, wobei erstere zurück zum Kapitalismus insgesamt bedeute. Zwischen beiden Wegen entscheide der Klassenkampf, womit die „Gleichgewichtstheorie" sich als Versuch erweise, einen dritten Weg ausfindig zu machen.136)

Eine andere Theorie sei die „Selbstlauf"-Theorie. Danach entwickle sich im Kapitalismus die Industrie in der Stadt, das Dorf folge spontan im Selbstlauf der kapitalistischen Stadt. So könne es auch im Sozialismus sein, daß die kleinbäuerliche Wirtschaft im Selbstlauf der sozialistischen Stadt folge. Insofern braucht man sich für die Schaffung von Sowjet- und Kollektivwirtschaften nicht anzustrengen, da das Dorf ohnehin der sozialistischen Stadt folgen würde.

Nun seien im Kapitalismus die Wirtschaft in der Stadt und die individuelle kleine Warenwirtschaft der Bauern ihrer Grundlage nach vom gleichen Typus. Wenn die kleinbäuerliche Wirtschaft auch noch keine kapitalistische sei, so ist sie es aber ihrer Grundlage nach, da sie auf dem Privateigentum beruhe, wobei sich Stalin in seiner Argumentation auf eine Randbemerkung Lenins zu Bucharins Buch „Ökonomik der Transformationsperiode" berief, in der er auf den Gegensatz zwischen der „warenwirtschaftlich-kapitalistischen Tendenz der Bauernschaft" und „der sozialistischen Tendenz des Proletariats" verwies.137)

Die „Selbstlauf"-Theorie erweise sich somit als eine antimarxistische.

Eine weitere „Theorie" wäre die von sozialdemokratischen Theoretikern - Stalin nannte David und Herz - entwickelte „Stabilitäts"-Theorie, wonach der Kleinbauer zäh und geduldig sein Stückchen Land verteidige.138)

Der Kampf der kleinbäuerlichen Wirtschaft gegen den landwirtschaftlichen Großbetrieb beweise ihre „Stabilität". Neben dem Hinweis, daß in der kapitalistischen Gesellschaft Millionenmassen von Kleinbauern zugrunde gehen, wies Stalin auf den Unterschied zwischen den westeuropäischen Kleinbauern und denen in der Sowjetunion hin. Die ersteren besäßen ihr Stückchen Land als Privateigentum an Grund und Boden, woraus die Bereitschaft folge, jede Entbehrung zu ertragen, um ihr Stückchen Land, die Grundlage ihrer Wirtschaft, zu verteidigen.

In der Sowjetunion gab es für die kleinen Bauern kein Privateigentum an Grund und Boden. Mit der Nationalisierung von Grund und Boden, der Aufhebung der absoluten Grundrente war es einfacher, die Bauern von den Vorzügen der Großwirtschaft zu überzeugen und sie für die Kollektivwirtschaft zu gewinnen. Stalin berief sich auf den dritten Band von „Das Kapital" von Marx sowie dessen „Theorien über den Mehrwert", in denen Marx die Theorie der Grundrente im allgemeinen und die Theorie der absoluten Grundrente im besonderen ausgearbeitet hatte. Es sei heute klar, „daß die theoretischen Sätze dieser Werke durch die Praxis unseres sozialistischen Aufbaus in Stadt und Land glänzend bestätigt worden sind.139) Desgleichen berief sich Stalin auf die w.o. erwähnte Schrift von Engels „Die Bauernfrage in Frankreich und Deutschland". Selbst unter den Bedingungen, daß eine Reihe von Kollektivwirtschaften in einigen Bezirken noch ungenügend mit moderner Technik - Maschinen, Traktoren - ausgerüstet seien, könne allein durch die Zusammenlegung der bäuerlichen Gerätschaften eine Vergrößerung der Anbaufläche um 30 bis 50 Prozent erreicht werden.

Desgleichen konnten in der Bearbeitung von Öd- und Neuland in einem vor der Revolution unbekannten Maße von unserem „Getreidetrust" rund 20 Millionen Hektar freien Bodens bestellt werden. Die Bauern seien jetzt in der Lage, Öd- und Neuland unter den Pflug zu nehmen, damit den „Bodenmangel" der vorrevolutionären Zeit beseitigen. Gerade weil die Bauern vor der Revolution keine Möglichkeit hatten, Neu- und Ödland zu bearbeiten, drängte es sie zum „weichen Boden", d.h. zu Ländereien, die den Gutsbesitzern gehörten. In der alten Zeit war „die Agrarfrage in Rußland die Achse der revolutionären Bewegung".140)

Nach einer von einem „Sowjet"ökonomen verkündeten und von der trotzkistisch-sinowjewistischen Opposition aufgegriffenen Theorie hätte die Oktoberrevolution der Bauernschaft weniger gegeben als die Februarrevolution; die Oktoberrevolution hätte der Bauernschaft eigentlich nichts gegeben.141)

Gemeint war die schon w.o. genannte „Schere" zwischen den Preisen für Agrar- und Industrieprodukte zum Nachteil der Bauern, das Problem der Aufhebung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land.

Stalin widerlegte diese These anhand statistischen Materials über die Produktion von Getreide und Marktgetreide vor und nach der Oktoberrevolution, differenziert nach Klassen, Gutsbesitzer, Kulaken, arme- und Mittelbauern, woraus ersichtlich, daß die letzteren nach der Oktoberrevolution, „ungeheuer viel gewonnen haben".142) Durch die Aufhebung des Privateigentums an Grund und Boden müsse der Bauer nicht jahrelang sparen, um ein Stück Land zu kaufen. Er kann produzieren, ohne Land kaufen zu müssen. War vor der Revolution das Inventar dürftig, habe er heute (1929 UH) mit der modernen Technik seine Produktivität verdoppelt bis verdreifacht.

Die „Schere" werde, wenn die kollektivwirtschaftliche Bewegung so rasch wachse wie bisher, in der nächsten Zeit beseitigt werden. Der Gegensatz zwischen Stadt und Land könne dann „in beschleunigtem Tempo ausgeglichen werden. ..."143)

Ein Agrarwissenschaftler habe behauptet, daß die Kollektivwirtschaft „als wirtschaftliche Organisation" nichts mit der sozialistischen Wirtschaftsform zu tun hätte.144) Damit war die Frage nach den Kriterien zur Bestimmung des Charakters einer Gesellschaftsordnung gestellt.

Der Charakter eines „Wirtschaftssystems" werde durch die Beziehungen der Menschen im Produktionsprozeß bestimmt. Die Kollektivwirtschaft beruhe auf der Vergesellschaftung der ausschlaggebenden Produktionsinstrumente, auf einem Boden, der dem Staate gehört. Daraus ergebe sich, daß die Kollektivwirtschaften „eine der Formen der sozialistischen Wirtschaft" darstellen.145)

In den Kollektivwirtschaften gäbe es noch Überbleibsel individualistischer und sogar kulakischer Art, die im Laufe der Zeit mit der Festigung der Kollektivwirtschaften, ihrer Maschinisierung verschwinden müssen.

Stalin zitierte aus Lenins Aufsätzen „Über das Genossenschaftswesen" vom Januar 1923, als es noch keine kollektivwirtschaftliche Massenbewegung gab, wonach sich in der „bei uns bestehenden Gesellschaftsordnung" die genossenschaftlichen Betriebe von privatkapitalistischen als kollektive Betriebe unterscheiden, „aber sie unterscheiden sich nicht von sozialistischen Betrieben, wenn sie auf dem Grund und Boden gegründet und mit Produktionsmitteln ausgerüstet sind, die dem Staat, d.h. der Arbeiterklasse gehören."146)

Der von Stalin erwähnte Sachverhalt, daß es in den Kollektivwirtschaften noch „Elemente des Klassenkampfes" gäbe, durch die w.o. genannten individualistischen Überbleibsel sowie auch aus einer gewissen Ungleichheit in der materiellen Lage verursacht, änderten am sozialistischen Charakter der Kollektivwirtschaften nichts. Es wäre auch irrig, zu glauben, „daß die Mitglieder der Kollektivwirtschaften schon Sozialisten geworden seien."147) Unter nochmaliger Berufung auf Lenin wies er darauf hin, daß die „Ummodelung" des kleinen Landwirts eine Sache sei, „die Generationen" erfordere.148)

Von Bedeutung sind die Veränderungen in den Klassenverhältnissen und in der Politik der Partei sowie den Schlußfolgerungen daraus.149) Man müsse in der NÖP unterscheiden zwischen einem zeitweilig bedingten „Rückzug" und der „Offensive", der Politik der Einschränkung und der Politik der Liquidierung der Kulaken als Klasse, bedingt vor allem durch die Getreideproduktion.

Solange die Kulaken den Hauptanteil des Marktgetreides produzierten, konnten sie nicht als Klasse liquidiert werden, mußte man mit ihnen auskommen, konnte man ihre Ausbeutertendenzen nur einschränken.

Erst mit der Kollektivierung und Mechanisierung der landwirtschaftlichen Produktion war die Liquidierung der letzten Positionen des Kapitalismus möglich geworden.

Eine Besonderheit der UdSSR war, daß Kulaken nicht in Kollektivwirtschaften aufgenommen werden durften.

Bezüglich der NÖP meinte Stalin, solange sie der Sache des Sozialismus diene, werden wir sie befolgen. „Sobald sie aber aufhört, der Sache des Sozialismus zu dienen, werden wir sie zum Teufel schicken. Lenin sagte, daß die NÖP ernsthaft und auf lange Zeit eingeführt worden ist. Er hat aber niemals gesagt, daß sie auf immer eingeführt worden sei."150)

Um diese Frage, Ende der NÖP oder ihre Weiterführung entspannen sich im ZK der KPdSU (B) scharfe Auseinandersetzungen, vor allem zwischen Stalin und Bucharin. Um es wiederholt deutlich zu sagen: Es handelte sich hierbei nicht einfach um Meinungsverschiedenheiten, die in Diskussionen ausgetragen werden konnten. Es ging um gegensätzliche Strategien, von deren Durchsetzung das Schicksal des Sozialismus abhing. Die NÖP war nicht einfach ein Diskussionsgegenstand. Weiterführung oder Beendigung der NÖP war eine Klassenfrage, Wiederbelebung des Kapitalismus oder Aufbau des Sozialismus. Der Zeitpunkt war herangereift, wo diese Frage klassenmäßig beantwortet werden mußte. Bucharin beharrte auf die Weiterführung der NÖP.

Auf dem Vereinigten Plenum des Zentralkomitees und der Zentralen Kontrollkommission der KPdSU (B) vom 16. bis 23. April 1929 erklärte er, daß die „neuen Formen des Zusammenschlusses - die Kontrahierung, die Kollektivwirtschaften, die ... Traktorenstationen, die Hilfe, die die Kollektivwirtschaften und die Sowjetwirtschaften den umliegenden individuellen Wirtschaften leisten -‚" ... „natürlich unsere nächste Aufgabe" sei. „Doch dadurch wird die NÖP, das heißt die Beziehungen über den Markt nicht im geringsten aufgehoben."151)

Bucharin machte hier gleich zwei Fehler. Erstens betrachtete er die NÖP nur unter dem Aspekt der Marktbeziehungen, sah nicht, zumindest unterschätzte er, die NÖP als ein Feld des Klassenkampfes auf ökonomischem Gebiet. Zweitens identifizierte er die NÖP mit Marktbeziehungen, engte Marktbeziehungen auf die NÖP ein. Es ging aber bei Beendigung der NÖP nicht um die Aufhebung der Marktbeziehungen, sondern es ging um Beseitigung der ökonomischen Grundlagen der Kapitalistenklasse, d.h. der Kulaken. Auch Bucharin wollte die Kulaken, wie er gegenüber Stalin sagte, „einschränken", „auch verfolgen". „Das ist eine unserer wichtigsten Aufgaben. Man muß sie einschränken, ... mehr als einschränken; man muß ihn verdrängen, man muß Kurs darauf nehmen, ihn gänzlich zu verdrängen."152)

Insofern scheint kein Unterschied zu Stalin zu bestehen. Bucharin war in seiner Konzeption jedoch inkonsequent.

Er wollte ihn „verdrängen", aber: „...doch nicht durch ‘eine dritte Revolution’, wie sie jetzt von einigen vertreten wird. Und nicht durch trotzkistische Entkulakisierung, wie das jetzt viele ‘Antitrotzkisten’ wünschen."153)

Damit meinte er Stalin und die Genossen, die ihn unterstützten. Nun ist die Behauptung einer „dritten Revolution" politischer Unsinn, und diesen von Bucharin erfundenen Unsinn wie auch eine „trotzkistische Entkulakisierung" Stalin zu unterstellen, eine bösartige Diffamierung der Person Stalins. Stalin hatte im April 1929 noch gar nicht die Liquidierung der Kulaken auf die Tagesordnung gesetzt, was Bucharin als Mitglied des Politbüros wußte.

An einer anderen Stelle identifizierte Bucharin arme Bauern, Mittelbauern und Kulaken unter dem Begriff „Verkäufer."

„Was den Markt anbetrifft, so ist der arme Bauer wie der Mittelbauer oder Kulak, die manchmal gezwungen sind, Getreide zu verkaufen, an einem bestimmten Preis interessiert; da sie Verkäufer sind, sind sie von einem niedrigen Preis überhaupt nicht begeistert... . Die einen sind stärker sowjetisch gesinnt, die anderen weniger."154) Demnach waren also die Kulaken nur „weniger" sowjetisch gesinnt!!!

Bucharin erkannte ganz klar, daß „höhere Preise (für Getreide, UH) im Frühjahr den reichen Schichten des Dorfes zusätzlichen Gewinn bringen: Die Frühjahrspreise sind höher als die Herbstpreise, und im Frühjahr hat der Kulak die größte Menge Getreide."155)

Diesen Gewinn der Kulaken glaubte Bucharin durch „Erhöhung der Besteuerung" ... „durchaus kompensieren" zu können. Die skeptische Frage von Ordshonikidse: „Du glaubst, du könntest den Kulaken so übers Ohr hauen?" beantwortete Bucharin, daß man „die Möglichkeit, den zusätzlichen Gewinn im Blickfeld zu haben ... mit einer wendigeren und elastischeren Preispolitik" verknüpfen könnte.156)

Die Ausführungen Bucharins zeugen von einer bemerkenswerten Naivität und Unverständnis der NÖP als einem erbitterten Klassenkampf, von seinen unqualifizierten Bemerkungen gegen Stalin abgesehen.

Bucharin sehe nur die eine Seite der NÖP, meinte Stalin, daß sie „eine gewisse Freiheit des privaten Handels" bedeute. Er „vergißt, daß die NÖP noch eine andere Seite hat...", nämlich die „regulierende(n) Rolle des Staates auf dem Markt." Die Gefahr von den Vertretern der rechten Abweichung bestehe darin, daß sie „die regulierende Rolle des Staates auf dem Markt" beseitigen, „den Markt ‘von den Fesseln befreien’ und auf diese Weise eine Ära der vollen Freiheit des privaten Handels eröffnen möchten.

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß diese Gefahr die Sprengung der NÖP von rechts bedeute.

Die kleinbürgerlichen Elemente würden gerade „in der Richtung der Sprengung der NÖP von rechts wirken. Die Kulaken, die wohlhabenden Elemente, die Spekulanten und Aufkäufer seien es, die mit ihrem Gezeter „die NÖP gerade von dieser Seite bombardieren." Viele unserer Genossen würden nicht selten dem noch Gehör schenken. „Die Tatsache, daß Bucharin diese zweite, tatsächlich reale Gefahr der Sprengung der NÖP nicht sieht, diese Tatsache spricht unzweifelhaft dafür, daß er dem Druck des kleinbürgerlichen Elements erlegen ist."

Bucharins Vorschlag des „Manöverierens" mit den Beschaffungspreisen für Getreide würde „die regulierende Rolle des Staates auf dem Markt auf ein Nichts reduzieren..." und dem kleinbürgerlichen Element Konzessionen machen, das „die NÖP von rechts zu sprengen sucht."

Letztendlich würde eine von Bucharin vorgeschlagene Erhöhung der Getreidepreise die Spekulanten und Aufkäufer, die das Geld dazu haben, bereichern auf Kosten der Dorfarmut und unbemittelten Schichten des Dorfes, letztendlich in der Konsequenz zur Erhöhung des Brotpreises in der Stadt, der Erhöhung der Löhne der Arbeiter und der Preise für Industriewaren führen. Gewinnen würden die Kulaken und die Wohlhabenden. Stalin bescheinigte Bucharin, „alle Begriffe der NÖP verwirrt" zu haben. „Bucharin hat es verlernt, diese klaren und einfachen Dinge zu begreifen."156a)

Die Mehrheit des Zentralkomitees lehnte die Konzeption Bucharins ab, die, sollte sie sich durchsetzen, zu einer Stärkung der Kulaken und insgesamt zu einer Begünstigung der kapitalistischen Privatwirtschaft, die ohnehin in der NÖP-Periode an Einfluß gewonnen hatte, führen müsse. Bucharin unterschätzte offenbar die Gefahren, die für die Sowjetmacht entstehen würden. Bereits auf dem Plenum wurden „die Anschauungen der Gruppe Bucharins, die in der Erklärung Bucharins vom 30. Januar und der Erklärung Bucharins, Rykows und Tomskis vom 9. Februar und in den Reden dieser Genossen auf dem Plenum des ZK und der ZKK dargelegt wurden, als mit der Generallinie der Partei unvereinbar und im wesentlichen mit der Position der rechten Abweichung identisch zu verurteilen und diese Genossen zu verpflichten, die Beschlüsse der Partei und ihrer Organe widerspruchslos durchzuführen; ..."157)

Hat Stalin nun die NÖP „abgebrochen," wie von bürgerlichen und revisionistischen Publizisten behauptet, weil er die NÖP „nie richtig verstanden" habe? Das hätte er allein gar nicht gekonnt. Dazu hätte es eines Beschlusses des Politbüros oder des ZK bedurft: Die NÖP war an ihrem Ende angelangt. Entweder würde sie in eine kapitalistische Restauration münden oder im Aufbau des Sozialismus. Letzteres bedeutete nicht, daß die Marktbeziehungen auch beendet waren, aber es bildeten sich Marktbeziehungen zwischen sozialistischen Produzenten und einfachen Warenproduzenten heraus, ohne Kapitalisten, wobei der Markt dem Plan untergeordnet war.

Stalins Verdienst bestand darin, diesen Sachverhalt klar erkannt und mit der Mehrheit des Zentralkomitees den Weg zum Aufbau des Sozialismus freigemacht zu haben. Es muß gesagt werden, daß Stalin nicht allein diese Erkenntnis gehabt hat, sondern auch andere ZK-Mitglieder und Sowjetökonomen waren selbständig zu der gleichen Erkenntnis gelangt. Es war das Ergebnis kollektiver Arbeit von Parteiführern und kommunistischen Wissenschaftlern.

2. Politische Ökonomie in der Periode des Aufbaus des Sozialismus in der UdSSR 1930 bis 1941

Den XVI. Parteitag der KPdSU (B) (26. Juni - 13. Juli 1930) kann man als Zäsur zwischen der Übergangsperiode, der NÖP, und der Periode des Aufbaus des Sozialismus bezeichnen. Er ist nicht unbegründet als „Parteitag der vollentfalteten Offensive des Sozialismus an der ganzen Front" in die Geschichte der Sowjetunion eingegangen.

Den von Stalin gehaltenen politischen Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees an den XVI. Parteitag vom 27. Juni kann man als einen wichtigen Beitrag zur Ausarbeitung der marxistisch-leninistischen Ökonomie, besonders zur politischen Ökonomie des Sozialismus bewerten. Diese Rede Stalins ist in den verschiedenen Ausgaben der „Geschichte der KPdSU" nach der berüchtigten „Geheimrede" Chruschtschows mehr als stiefmütterlich erwähnt worden. Die Autoren begnügten sich damit, Stalin nur einmal kurz zu erwähnen, daß er den politischen Rechenschaftsbericht gegeben hätte, wobei offen bleibt, wer denn federführend bei dieser Ausarbeitung war. In den weiteren Ausführungen wird dann ersichtlich, daß die Politik, die nun mal maßgeblich von Stalin bestimmt wurde, richtig und erfolgreich, daß die Kritik Stalins an der trotzkistisch-sinowjewistischen Opposition und der Gruppe um Bucharin gerechtfertigt war. Vermutlich sind die Erfolge der KPdSU (B) auf die geheimnisvolle Einwirkung des Geistes aus Aladins Wunderlampe zurückzuführen. Diese Darstellungen sind letztendlich nichts anderes als eine verschämte, versteckte Rehabilitierung Stalins, seiner Politik und theoretischen Beiträge zum Marxismus-Leninismus.158)

Die Beiträge Stalins im Rechenschaftsbericht zur Ökonomie lassen sich in zwei Hauptabschnitte gliedern: einmal die Analyse der „Krise des Weltkapitalismus", die Weltwirtschaftskrise und zum anderen die Analyse der Ergebnisse des bisherigen sozialistischen Aufbaus und den sich daraus ergebenden neuen Aufgaben.

2.1. Zur Weltwirtschaftskrise

Stalin hat es verstanden, die Marx‘sche Krisentheorie und die Leninsche Imperialismustheorie auf die Untersuchung der kapitalistischen Weltwirtschaft anzuwenden. Nun werden Rechenschaftsberichte nie von einem allein ausgearbeitet. Stalin konnte sich in der Ausarbeitung nicht zuletzt auf das umfangreiche Faktenmaterial und die exakten Untersuchungen des ungarischen Kommunisten Eugen Vargas stützen, den Stalin auch ausdrücklich nennt. Die Arbeiten Vargas waren wohl das Beste, was es in dieser Zeit in der internationalen wirtschaftspolitischen und wirtschaftswissenschaftlichen Literatur gab.159)

Stalin charakterisierte die Weltwirtschaftskrise als die erste weltumspannende Wirtschaftskrise seit dem Weltkrieg. (Gemeint ist der Erste Weltkrieg 1914 - 1918 UH) Sie habe nicht nur fast alle Industrieländer der Welt erfaßt, sondern auch die wichtigsten Agrarländer. Die Krise der Industrie falle mit einer Krise der Landwirtschaft zusammen. Die Krise verliefe trotz ihres allgemeinen Charakters in den einzelnen Ländern ungleichmäßig zu verschiedenen Zeiten und mit unterschiedlicher Stärke. Er verglich die Wachstumsraten der Industrie der führenden kapitalistischen Länder mit denen der UdSSR, um daraus die Krise der ersteren mit der von Jahr zu Jahr ansteigenden Entwicklungskurve der Industrie in der UdSSR zu konfrontieren. So sei die Zuwachsrate der UdSSR im ersten Quartal 1930 gegenüber 1927 von 17,6 auf 32 Prozent gewachsen.160)

Das war zweifellos ein bedeutender Erfolg. Allerdings war die Industrieproduktion in der UdSSR in absoluten Zahlen - selbst gegenüber einem Nullwachstum in den USA - noch immer weniger als in den USA. Selbst unter den Bedingungen der Wirtschaftskrise, der Stagnation, war der absolute Ausstoß in der Produktion der führenden kapitalistischen Länder immer noch höher als in der UdSSR. Im Niveau der industriellen Entwicklung war die UdSSR gegenüber den kapitalistischen Hauptländern noch beträchtlich zurück.

In der Stahlproduktion nahm die UdSSR den 5. Platz ein nach den USA, England, Deutschland, Frankreich. Im Jahre 1929 betrug die Roheisenproduktion der UdSSR 4 Millionen Tonnen, in den USA etwa 43 Millionen Tonnen. Dieser Sachverhalt veranlaßte Stalin wiederholt, nachdrücklich auf die beschleunigte Entwicklung der Industrie, namentlich der Metallurgie zu verweisen.

Diese Zahlenvergleiche erleichtern vielleicht das Verständnis dafür, warum Stalin mit aller Konsequenz auf die beschleunigte Entwicklung der Schwerindustrie bestand, auf Versuche der Opposition in der Partei, das Tempo der Entwicklung der Industrie zu verlangsamen, äußerst allergisch, mit aller Härte reagierte.

Die verschiedensten Theorien bürgerlicher Ökonomen zur „Linderung", „Verhütung", „Liquidierung" der Krise seien gescheitert. Die in den bürgerlichen Parlamenten sich in der Opposition befindlichen Parteien machten die jeweiligen Regierungen für die Krise verantwortlich, und in einigen Fällen wurde die Ursache der Krise sogar in den „Ränken der Bolschewiki" entdeckt! Angesichts der Krise seien die bürgerlichen Ökonomen gescheitert. Sie erwiesen sich als unfähig, die Wirtschaftskrisen als „unvermeidliches Resultat des Kapitalismus" zu begreifen. Stalin wies auf die seit mehr als hundert Jahren immer wieder auftretenden periodischen Wirtschaftskrisen hin, die im Rahmen des Kapitalismus trotz aller Bemühungen und „Theorien" nicht beseitigt werden können.

Stalin wiederholt hier Grundzüge der Marx‘schen Krisentheorie. Die Krisen gingen aus dem Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privatkapitalistischen Aneignung der Produktionsergebnisse hervor. Ausdruck dieses Grundwiderspruchs sei der Widerspruch zwischen dem kolossalen Anwachsen der Produktionskapazitäten des Kapitalismus, auf Gewinn eines Maximums an Profit gerichtet, und dem relativen Rückgang der zahlungsfähigen Nachfrage seitens der Millionenmassen der Werktätigen. Die Konkurrenz zwinge zur Entwicklung der Technik, zur Rationalisierung, zur Erhöhung der Produktivität, aber Binnen- und Außenmarkt können die produzierten Waren nicht aufnehmen auf-grund der niedrigen Kaufkraft der Massen der Werktätigen. „Die Überproduktionskrise ist der Ausdruck dieses Widerspruchs in stürmischen und verheerenden Formen."161)

Damit ging Stalin noch nicht über die Marx‘sche Krisentheorie hinaus. Er verwies aber zugleich auf neue Bedingungen:

1. Die Krise habe am stärksten das Hauptland des Kapitalismus, „seine Zitadelle", die USA, ergriffen, die etwa die Hälfte der gesamten Produktion und des Konsums aller Länder der Welt umfaßt. Dadurch wurde die Einflußsphäre der Krise kolossal erweitert.

2. In der Entfaltung der Wirtschaftskrise hat sich die Industriekrise der Hauptländer des Kapitals mit der Krise der Agrarländer verflochten.

3. Im Unterschied zum alten Kapitalismus (Kapitalismus der freien Konkurrenz, UH) sei der heutige Kapitalismus Monopolkapitalismus. Dies mache den Kampf um die Aufrechterhaltung hoher Monopolpreise der Waren trotz Überproduktion unvermeidlich, was für die Volksmassen besonders qualvoll sei und die Krise unvermeidlich in die Länge zieht.

4. „Die heutige Wirtschaftskrise entfaltet sich auf der Basis der allgemeinen Krise des Kapitalismus, die bereits in der Periode des imperialistischen Krieges begonnen hat, die die Grundpfeiler des Kapitalismus unterwühlt und die den Eintritt der Wirtschaftskrise erleichtert hat."162)

Ob der Begriff der „allgemeinen Krise des Kapitalismus" hier zum ersten-mal von Stalin geprägt wurde, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Inhaltlich ist er in der Krisentheorie von Eugen Varga enthalten. Varga hat aufgrund seiner Analysen den Ausbruch der Weltwirtschaftskrise fast auf den Tag genau vorausgesagt.

Es ist verständlich, daß bürgerliche Ökonomen und ihr revisionistischer Anhang den Begriff der „allgemeinen Krise" ihres Systems mit Eifer als „stalinistisch" verwerfen.

Die Anerkennung der „allgemeinen Krise des Kapitalismus" wäre gleichbedeutend mit ihrer theoretischen Selbstaufgabe.

Die zeitweilige Niederlage des europäischen Sozialismus wird als willkommener „unwiderlegbarer Beweis" angeführt, daß das kapitalistische System, verklärt als „freie Marktwirtschaft und Demokratie" westlicher Provenienz nunmehr die Menschheit bis in alle Ewigkeit beglücken wird. Sie können nicht begreifen, daß der Kapitalismus eine historisch vergängliche Gesellschaftsformation ist. Allerdings, wenn der Begriff der „allgemeinen Krise des Kapitalismus" kurzfristig, auf einige Jahrzehnte, verstanden wird, kann er bezweifelt werden, langfristig, sehr langfristig gesehen, erklärt er das kapitalistische Weltsystem als in seiner historischen Abstiegs- und Endphase richtig, wobei wir nicht wissen, wie lange diese Agonie dauern und wieviele Opfer an Menschen, materiellen und kulturellen Werten er noch fordern wird.

Ob Stalin den Begriff der „allgemeinen Krise des Kapitalismus" schon in dieser Langfristigkeit verstanden hat, muß ich hier offen lassen. Unter Berücksichtigung der damaligen Verhältnisse konnte er das wahrscheinlich nicht.

Aus der allgemeinen Krise des Kapitalismus erklärt Stalin den Charakter der Epoche als eine „Epoche der Kriege und Revolutionen."163)

Der Kapitalismus sei nicht mehr das einzige und allumfassende System der Weltwirtschaft. Das sozialistische System, „...die bloße Tatsache seines Bestehens" demonstriere „die Fäulnis des Kapitalismus" und erschüttere seine Grundlagen.

Der imperialistische Krieg und der Sieg der Oktoberrevolution haben die Kolonien und abhängigen Länder erschüttert, die Autorität des Imperialismus untergraben. In kolonialen und abhängigen Ländern sei ein „junger Kapitalismus" entstanden und herangewachsen, der mit den alten imperialistischen Ländern um die Märkte kämpfe. Die Gegensätze zwischen den wichtigsten imperialistischen Ländern, deren Kampf um Rohstoffe und Absatzmärkte habe sich enorm verschärft. Dies führe zu Umgruppierungen der Kräfte, neuen militärpolitischen Bündnissen und, trotz der Krise, zu einer „wahnsinnigen Auf- und Umrüstung", letztendlich zum Krieg, der für die Imperialisten „das einzige Mittel ist zur Neuaufteilung der Welt, zur Neuaufteilung der Absatzmärkte, der Rohstoffquellen, der Sphären für Kapitalanlagen." Die Kriegsgefahr wachse „in beschleunigtem Tempo."164)

Im weiteren verwies Stalin auf die Gegensätze zwischen Siegermächten und den besiegten Ländern im Weltkrieg, auf das Anwachsen der revolutionären Bewegung in China, Indien, Indonesien und Afrika.

Stalin meinte, daß sich die Arbeitermassen in den westlichen Ländern von der Sozialdemokratie abwenden und den Kommunisten zuwenden werden.165)

Die Prognosen Stalins bezüglich der wachsenden Kriegsgefahr, dem Anwachsen revolutionären Bewegungen in Asien und Afrika erwiesen sich als richtig. Seine Erwartungen, daß sich die Arbeitermassen im Westen von der Sozialdemokratie abwenden und sich dem Kommunismus zuwenden würden, hat er in der Tendenz schon richtig erkannt, erwiesen sich jedoch als überzogen, wenn auch in der Situation von 1930 verständlich. Der wachsende Einfluß der Kommunistischen Internationale auf die Arbeiterbewegung, der Aufschwung des Kampfes der KPD in Deutschland Ende der 20er Jahre war unübersehbar. Stalin unterschätzte aber das Beharrungsvermögen der sozialdemokratischen Ideologie in der Arbeiterbewegung. Mochten viele sozialdemokratische Arbeiter mit ihrer Führung hadern, die meisten blieben in ihrer Partei.

Völlig richtig sah Stalin jedoch, daß die Bourgeoisie „den Ausweg aus der Lage auf dem Gebiet der Innenpolitik in weiterer Faschisierung suchen wird, wozu sie alle reaktionären Kräfte, darunter auch die Sozialdemokratie, benutzen wird... und auf dem Gebiet der Außenpolitik in einem neuen imperialistischen Krieg...."166)

Mögen einzelne Formulierungen im Rechenschaftsbericht vereinfacht sein, um sie für die Masse der Werktätigen verständlich zu machen; die Charakterisierung der Weltwirtschaftskrise war sachlich richtig, desgleichen deren politischen Auswirkungen. Die theoretische Leistung Stalins wird sichtbar, wenn man die Stalinsche Analyse der Weltwirtschaftskrise mit Äußerungen des damaligen US-Präsidenten Herbert Hoover vergleicht, den Stalin mit der Bemerkung zitierte, daß auch dessen „Federal Reserve System" die Krise nicht zu zügeln vermochte.167)

Noch bis in den Herbst 1929 gab es hohe Wachstumsraten in den USA, herrschte allgemeiner Wohlstand, von US-Ökonomen als den Anbruch einer „New era" verklärt. Prahlerisch verkündete Präsident Hoover: „We in America are nearer to the final triumph over poverty than ever before in the history of any land."168) Selbst nach Ausbruch der Krise im Oktober verkündete Präsident Hoover noch: „.... that prosperity was just around the corner ."169)

Wenn nach Marx mit der Durchsetzung der Zehnstundenbill in England (1864) „Zum erstenmal" die „politische Ökonomie der Mittelklasse in hellem Tageslicht vor der politischen Ökonomie der Arbeiterklasse" erlag170), so erlag die bürgerliche Ökonomie des amerikanischen Finanzkapitals zum „zweitenmal" vor der marxistisch-leninistischen Ökonomie in der Weltwirtschaftskrise. Es wäre falsch,, diesen Sieg Stalin allein zuzuschreiben; aber daß Stalin als Generalsekretär der KPdSU(B) an diesem theoretischen Sieg über die bürgerliche Ökonomie einen bedeutenden Anteil hat, ist wohl nicht ernsthaft zu bestreiten.

2.2. Zum Aufbau des Sozialismus in der UdSSR

Wie w.o. schon vermerkt, lenkte Stalin die Aufmerksamkeit des Parteitages auf den Sachverhalt, daß ein „hohes Tempo" der Entwicklung nicht mit dem „industriellen Entwicklungsniveau" verwechselt werden darf. Ein Vergleich bezüglich des Entwicklungstempos (wir würden heute Wachstumstempo sagen, UH) mit dem Entwicklungsniveau zwischen den entwickelten kapitalistischen Staaten zeige „ein ziemlich unerfreuliches Bild." Er führte dazu die entsprechenden Zahlen für Elektroenergie und Roheisenproduktion an mit der Schlußfolgerung, daß wir „bezüglich des Entwicklungsniveaus unserer Industrie hinter den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern verteufelt zurückgeblieben" sind.171)

Dies zwinge zu der „unerbittliche(n) Schlußfolgerung..., daß wir ohne eine weitere Beschleunigung des Entwicklungstempos im Hüttenwesen Gefahr laufen, das Geschick unserer gesamten Industrieproduktion in Frage zu stellen."172)

Diese Orientierung auf beschleunigte Industrialisierung haben die sowjetischen Wirtschaftsorgane unter Stalin bis zu seinem Tode durchgehalten. Nur so war es möglich gewesen, daß die Sowjetunion das Kernwaffenmonopol der USA in kurzer Zeit brechen konnte.

Im Bericht über die Entwicklung der Landwirtschaft nahm nach wie vor das Getreideproblem den zentralen Platz ein. Es war das „wichtigste Kettenglied im System der Landwirtschaft." Dessen Lösung würde zugleich die Rückständigkeit der Landwirtschaft überwinden. Daraus folgte die Orientierung auf die Sowjet- und Kollektivwirtschaften und den Einsatz der Technik. Stalin führte Zahlen für die bisher erzielten Erfolge in der Kollektivierung und die Offensive gegen die Kulaken an. Zusammengefaßt ergab sich, daß 1930 die Kollektivwirtschaften mehr als die Hälfte des Warengetreides liefern könnten, daß das Schicksal der Landwirtschaft nicht mehr von den individuellen, sondern von den Kollektiv- und Sowjetwirtschaften entschieden wird.173) Die Kollektivierung verlief nicht konfliktlos, worauf schon w.o. hingewiesen wurde.

Von opportunistischen Elementen in der Partei wurde dem ZK vorgeworfen, daß Investitionen in die Sowjetwirtschaften „hinausgeworfenes" Geld, die Organisierung großer Sowjetwirtschaften unmöglich und sinnlos seien. Das ZK „versteige sich zu Phantastereien", „vergeude" Volksgelder für „nicht existierende" Kollektivwirtschaften. Die rechten Elemente schwelgten schon im Vorgefühl des „garantierten" Reinfalls.174)

Die alten Genossen aus der DDR werden sich an ähnliche Tiraden erinnern, die wir beim Übergang von der einzelbäuerlichen zur genossenschaftlichen Produktion in der Landwirtschaft zu hören bekamen. Nun war die Bestimmung der Größe von Kollektivwirtschaften, „ihrer Zweckmäßigkeit bezüglich Getreide-, Vieh-, Baumwoll-, u.a. Produktionen, ihrer Organisation, Verkehrswege, etc. keine einfache Sache, und Erfahrungen mußten erst gesammelt werden, bevor theoretische Verallgemeinerungen ausgearbeitet werden konnten, die für die Ausarbeitung von Genossenschafts- Statuten, Genossenschafts-Recht, u. a. erforderlich waren. Die von Stalin im Rechenschaftsbericht unterbreiteten Materialien waren erste Schritte auf dem Wege zur Ausarbeitung einer sozialistischen Ökonomik für die Landwirtschaft.

Neben Erfolgen gab es 1930 noch immer eine Reihe ungelöster Probleme, was auf die Langwierigkeit der Übergangsperiode hinweist.

Trotz eines Rückgangs der Erwerbslosigkeit gab es 1928 noch immer etwa zwei Millionen Arbeitslose. Auf der anderen Seite fehlte es an qualifizierten Arbeitern. Die Nachfrage der Industrie an Arbeitskräften sei zu 80 Prozent nicht zu befriedigen. Daraus folge die Aufgabe, „....schnellstens, buchstäblich von heute auf morgen, ganz unqualifizierte Leute zu schulen und zu qualifizierten Facharbeitern zu machen..."175)

Erfolge und Probleme gab es auch im Handel. Der vergesellschaftete Sektor im Binnenhandel umfaßte 1929/30 beim Großhandel mehr als 99 Prozent, beim Einzelhandel mehr als 89 Prozent.

Aber: Der Handel war Gewinnorientiert! Der vergesellschaftete Handel versorgte die Arbeiter mit „einträglicheren" Waren (Galanteriewaren), die größere Gewinne abwerfen, so daß die Arbeiter gezwungen waren, die für sie notwendigen Waren - landwirtschaftliche Produkte - zu etwa 25 Prozent auf dem Privatmarkt zu überhöhten Preisen zu kaufen. Offenbar seien die Genossen im Handel vom „Nöppmanngeist" angesteckt.176)

Stalin nannte umfangreiche soziale Leistungen für die Arbeiter, Speisehallen, eine „gewaltige Anzahl" von Stipendien für Arbeiter und Arbeiterkinder‚ Klubs, Lesehallen, Büchereien, Schulen, einschließlich Berufs-, Fach- und Hochschulen. Für solche sozialen Leistungen waren aber bedeutende finanzielle Mittel erforderlich, die nur im begrenzten Umfang zur Verfügung standen. Stalin wies darauf hin, daß sie „gezwungen" waren, „an allem zu sparen, sogar an den Schulen", um „die Schwerindustrie zu retten, sie wiederherzustellen" (Lenin).

Aus den statistischen Angaben ging hervor, daß 1930 noch immer 37,5 Prozent der Sowjetbevölkerung Analphabeten waren. Erst jetzt wäre „die Zeit gekommen, in der wir die restlose Einführung der allgemeinen Grundschulpflicht in Angriff nehmen müssen."177)

Breiten Raum in der Rede Stalins nahmen die Wachstumsschwierigkeiten und der Klassenkampf in der Sowjetunion ein.

Die Rekonstruktion in Industrie und Landwirtschaft erforderten „solidere Investitionen in der Volkswirtschaft" und „neue, erfahrene Kader, die fähig sind, die neue Technik zu meistern und sie weiterzuentwickeln." In der Landwirtschaft überwiege noch immer der bäuerliche Kleinbetrieb. (1930! UH)

Stalin unterschied die Schwierigkeiten in der UdSSR als Wachstumsschwierigkeiten, Schwierigkeiten des Aufbaus, des Vormarsches, von den Schwierigkeiten in den kapitalistischen Ländern als Schwierigkeiten des Niedergangs. So mache Amerika „gegenwärtig eine Krise durch, das heißt einen Niedergang der Wirtschaft."178)

Bei oberflächlichem Lesen könnte man zu der Auffassung gelangen, daß Stalin die Wirtschaftskrise mit dem „Niedergang der Wirtschaft" in den kapitalistischen Ländern gleichsetzt. Identifizierte er die Weltwirtschaftskrise mit der „allgemeinen Krise des Kapitalismus"? Dann wäre dies nicht richtig. Die Weltwirtschaftskrise war Ausdruck der „allgemeinen Krise", soweit richtig.. Nach der Marx‘schen Krisentheorie führt die Krise immer wieder zu einem neuen Aufschwung der Wirtschaft. Krise und Aufschwung lösen einander ab. Krisen sind eine gewaltsame Wiederherstellung des gestörten Gleichgewichts zwischen der angestiegenen Warenproduktion und der zurückgebliebenen zahlungsfähigen Nachfrage. Die Jagd nach hohen Profiten zwingt die Kapitalisten, die Produktion technisch zu vervollkommnen, das fixe Kapital wieder zu erneuern. In dem folgenden „Aufschwung" wird die nächste, schwerere Krise vorbereitet. Insofern kann man die Überproduktionskrise nicht mit dem „Niedergang der Wirtschaft" gleichsetzen, auch wenn die Krisen massenhaft Produktivkräfte zerstören und Millionen von Arbeitern und Angestellten ins Elend stürzen.

Stalin war natürlich klar, daß die Krisen, auch nicht die „allgemeine Krise", automatisch zum Zusammenbruch des Kapitalismus führen. Der Kapitalismus schafft die materiellen Voraussetzungen für seinen Sturz, bricht aber nicht automatisch zusammen. Dazu bedarf es der Aktion der politisch organisierten Arbeiterklasse.

Die Ursachen der Schwierigkeiten führte Stalin in erster Linie auf die „Schwierigkeiten des Klassenkampfes" zurück. Hinter „unseren Schwierigkeiten" stecken „unsere Klassenfeinde...", „die diese Schwierigkeiten ... durch den verzweifelten Widerstand der untergehenden Klassen ..." komplizieren. Die inneren Feinde würden von außen unterstützt werden. Hinzu komme das „Vorhandensein bürokratischer Elemente in unseren eigenen Institutionen..., von Unsicherheit und Engstirnigkeit in einigen Schichten unserer Partei."179)

Die objektiv mit dem Aufbau des Sozialismus bedingten Schwierigkeiten wurden durch den Widerstand der gestürzten Ausbeuterklassen mit Unterstützung von außen ausgenutzt und potenziert.

Daraus folge die Notwendigkeit, die Angriffe kapitalistischer Elemente zurückzuschlagen, ihren Widerstand zu unterdrücken, einer „Organisierung der Offensive gegen die kapitalistischen Elemente an der ganzen Front und Isolierung der opportunistischen Elemente in unseren eigenen Reihen,..."180)

Es wird immer wieder deutlich, daß sich der Klassenkampf, nicht nur der theoretische, auch innerhalb der Partei abspielte, woraus sich die Schärfe und Rücksichtslosigkeit in den Auseinandersetzungen ergaben, und nicht nur, um dies zu betonen, von Stalins Seite. In der bürgerlichen und revisionistischen Geschichtsschreibung wird immer so getan, als wenn die Feinde Stalins freundliche, sanftmütige Genossen gewesen seien, die nur aus den edelsten Motiven das „Menscheitsinteresse" vertraten und lediglich anderer Meinung waren als Stalin, die man am Kamin in freundlicher Atmosphäre geduldig hätte diskutieren können.

Stalin wies sowohl die „kindische(n) Formel Bucharins vom friedlichen Hineinwachsen der kapitalistischen Elemente in den Sozialismus"181) zurück, als auch den „linken" Opportunismus der Trotzkisten, die die NÖP „im Handumdrehen" „abschaffen" möchten. Mit der Offensive würden wir die NÖP noch nicht abschaffen. Die NÖP sei in der Anfangsphase ein „Rückzug" gewesen, in einem bestimmten Entwicklungsstadium werde sie zu einer „Offensive des Sozialismus."182) Stalin stellte die rhetorische Frage, was geschehen wäre, wenn sich die Gruppe Bucharin durchgesetzt hätte: „Wir wären unweigerlich mit unserer Industrie gescheitert, hätten die Sache der sozialistischen Rekonstruktion der Landwirtschaft zugrunde gerichtet, wären ohne Getreide geblieben und hätten der Vorherrschaft des Kulakentums den Weg geebnet. Wir säßen jetzt vor einem Scherbenhaufen."183)

Stalin konnte 1930 nicht ahnen, daß ein Gorbatschow 60 Jahre später die Sowjetunion mit einer Bucharin ähnlichen „Theorie" und Politik tatsächlich in einen Scherbenhaufen verwandelt hat. Eine nachträgliche, wenn auch negative, Bestätigung der Richtigkeit Stalinscher Wirtschaftspolitik und -theorie sowie seines schonungslosen Kampfes gegen den Opportunismus.

Stalin wies zugleich Auffassungen zurück, nach denen die Repressalien die Hauptsache der Offensive seien.

Repressalien seien zwar ein „notwendiges", aber ein „nebengeordnetes", nicht das „Hauptelement." Das Hauptelement sei das „gesteigerte Entwicklungstempo" in der gesamten Volkswirtschaft, der beschleunigten Verdrängung der kapitalistischen Elemente und die Mobilisierung der Massen für den Aufbau des Sozialismus und gegen den Kapitalismus. „Sie können Zehntausende und Hunderttausende Kulaken verhaften und verschicken", aber wenn Sie nicht gleichzeitig alles Notwendige unternehmen, den wirtschaftlichen Aufschwung zu beschleunigen, die alten kapitalistischen Formen durch neue Wirtschaftsformen zu ersetzen, „wird das Kulakentum sowieso wiedererstehen und wachsen."184)

Das Wesen der „bolschewistischen Offensive" faßte Stalin in vier Komplexen zusammen:

1. Klassenwachsamkeit, revolutionäre Aktivität der Massen gegen die kapitalistischen Elemente. Mobilisierung der schöpferischen Initiative und Selbsttätigkeit der Massen gegen den Bürokratismus, Wettbewerb, Arbeits-aufschwung zur Steigerung der Arbeitsproduktivität.

2. Die praktische Arbeit der Gewerkschaften, Genossenschaften, Sowjets und aller sonstigen Massenorganisationen den Bedürfnissen der Rekonstruktionsperiode anpassen. In diesen Massenorganisationen sollen die aktivsten und revolutionärsten Funktionäre einen Kern bilden zur Zurückdrängung opportunistischer und bürokratischer Elemente, um diese aus den Massenorganisationen zu verjagen.

3. Ein Maximum an Mitteln für die Finanzierung der Industrie, Sowjet- und Kollektivwirtschaften bereitstellen, die fähigsten Leute unserer Partei mit dieser Aufgabe betrauen.

4. Die Partei selbst zur Organisierung der Offensive mobilisieren, die Parteiorganisationen stärken.185)

Es war kein Zufall, daß sich Stalin im ersten Komplex auf den Klassenkampf, gegen die Reste des Kapitalismus orientierte. Die Einsicht in die dialektisch-widersprüchliche Verbindung von Kampf gegen die kapitalistischen Elemente und Aufbau der sozialistischen Ordnung, Einheit von destruktiver und konstruktiver Seite der sozialistischen Revolution (im weiteren Sinne, Revolution hier nicht auf die Phase des „Durchbruchs", der Eroberung der politischen Macht begrenzt, sondern auf die gesamte Periode des sozialistischen Aufbaus bis zur Errichtung der klassenlosen kommunistischen Gesellschaft), die in den vier Komplexen in sehr einfachen und für die Massen verständlichen Worten dargelegt wurde, gehört zu den wichtigen theoretischen Erkenntnissen der politischen Ökonomie des Sozialismus und der marxistisch-leninistischen Revolutionstheorie.

In einem Vergleich des sozialistischen mit dem kapitalistischen Wirtschaftssystem geht Stalin auf die Frage ein, warum es in den entwickelten kapitalistischen Staaten, die über genügend Kapital, technisch und organisatorisch geschulte Wirtschaftsleiter verfügen, auf dem Gebiet der Technik der Sowjetunion überlegen sind und auch über ein höheres Kulturniveau verfügen, zur Krise kam, während die Sowjetunion enorme Zuwachsraten verzeichnen konnte.

Die Ursachen für diese Erscheinung führte Stalin in erster Linie auf die Unterschiede in den Machtverhältnissen (Klassenmacht der Kapitalisten - Macht der Arbeiterklasse), den Eigentumsverhältnissen (Privateigentum), gesellschaftliches Eigentum, Konkurrenz, Profitstreben, Wettbewerb, Ziel der Produktion (Hebung der materiellen Lage der Werktätigen) zurück.

Obwohl die kapitalistische Gesellschaft in entscheidenden Bereichen der Sowjetunion noch überlegen war, entscheidend bleiben die Macht- und Eigentumsverhältnisse, die letztendlich über Krise oder Aufschwung der Wirtschaft entscheiden.

Nun war 1929/30 noch nicht erkennbar, daß auch unter sozialistischen Macht- und Eigentumsverhältnissen Krisen möglich sind. Die Marx‘sche politische Ökonomie sah eine solche Möglichkeit nicht vor. Krisen in sozialistischen Gesellschaften haben aber ihre Ursachen auch nicht in den Eigentumsverhältnissen, sind nicht gesetzmäßig, sondern können auftreten, wenn in der Parteiführung, von den Planungsorganen ernste Fehler begangen, Versäumnisse im politischen, sozialen und ökonomischen Bereich zugelassen werden. Im Sozialismus kommt der Führungstätigkeit der Partei, dem subjektiven Faktor, der Politik erstrangige, entscheidende Bedeutung zu.

Der Kapitalismus als ein sich „selbsttragendes" System kann sich zeitweilig auch weniger intelligente Politiker leisten, ohne gleich das System zu gefährden. Der Markt ist der Regulator der kapitalistischen Wirtschaft. Aber der Markt reguliert immer erst im nachhinein. Es ist eine spontane Regulierung, an der auch die Marktforschung wenig ändern kann. Die Segnungen des „selbstregulierenden Systems" merkt der Kapitalist immer erst dann, wenn er Bankrott macht. Dafür macht er dann die „unlauteren" Methoden der bitterbösen Konkurrenz und/oder die „Unfähigkeit" der gerade regierenden Partei verantwortlich, und bei der nächsten Wahl, wenn er noch dazu kommt, wählt er eine andere, die an der spontanen Marktregulierung sowenig ändert wie die vorangegangende, und so beginnt das Spiel von neuem.

Der Sozialismus kann sich das nicht leisten, besonders dann nicht, wenn er sich in kapitalistischer Umkreisung befindet, der Kapitalismus ihm noch ökonomisch und technisch - trotz Krisen! - überlegen ist.

Gegen Bucharin gewandt, der „theoretisch zum Eklektizismus abgeglitten" war und 1921 gemeinsam mit Trotzki Lenin vorwarf, daß er „politisch" an die Gewerkschaftsfrage herangehe, während er und Trotzki „wirtschaftlich" an sie herangehen würde, antwortete Lenin, daß dies „eine schreiende Unrichtigkeit" sei. „Politik ist der konzentrierte Ausdruck der Ökonomie ... Die Politik hat notwendigerweise das Primat gegenüber der Ökonomik..."186) Die Frage stehe lediglich so und könne marxistisch auch nur so stehen: „Ohne politisch richtig an die Sache heranzugehen, wird die betreffende Klasse ihre Herrschaft nicht behaupten und folglich auch ihre Produktionsaufgabe nicht lösen können."187)

Diese Aussage Lenins vom Januar 1921 gilt für den Sozialismus in besonderem Maße. Stalin handelte danach. Angesichts der Weltwirtschaftskrise zitierte Stalin eine andere Aussage Lenins, wonach Sowjetrußland „auf die internationale Revolution hauptsächlich durch" seine „Wirtschaftspolitik" einwirke. Der Kampf sei „im Weltmaßstab auf dieses Gebiet übertragen. Lösen wir diese Aufgabe, dann haben wir im internationalen Maßstab bestimmt und endgültig gewonnen."188)

Es müsse festgestellt werden, meinte Stalin, „daß unsere Partei die ihr von Lenin gestellte Aufgabe erfolgreich erfüllt."189)

In den „nächsten Aufgaben" der Partei gelangte Stalin aus der praktischen Erfahrung zu einigen allgemeinen Schlußfolgerungen, die nicht nur für die Sowjetunion der 30-er Jahre von Bedeutung waren, sondern auch allgemeine Grundzüge der PÖS enthielten. Dazu gehörte die richtige Standortverteilung der Industrie und Landwirtschaft, die Verbindung der Grundstoffindustrie mit der verarbeitenden Industrie, in der Landwirtschaft die Spezialisierung der Gebiete nach landwirtschaftlichen Kulturen und Betriebszweigen, was beim bäuerlichen Kleinbetrieb nicht möglich sei. Zur Wirtschaftsleitung gehören Techniker und Wirtschaftler. Ein Teil der früheren Fachleute, die mit den früheren Unternehmern noch verbunden sind und vom Ausland aufgewiegelt werden, sabotiere die Wirtschaft. Erforderlich ist die Heranbildung „einer großen Anzahl" neuer Wirtschaftsfachleute und Techniker. Das Problem der Kader sei „wirklich zum vordringlichsten Problem" geworden. Die Lösung dieses Problems ergab sich aus den Bedingungen der UdSSR Anfang der 30-er Jahre: Kampf gegen Schädlinge, Fürsorge und Entgegenkommen gegenüber der überwiegenden Anzahl der Techniker und Wissenschaftler, die „schlicht und redlich mit der Arbeiterklasse zusammenarbeiten," Organisierung technischer Hilfe aus dem Ausland, Delegierung von Wirtschaftlern ins Ausland zum Studium und Erwerb technischer Erfahrungen, Unterstellung der technischen Lehranstalten unter die entsprechenden wirtschaftlichen Organisationen, d.h. in unserer Terminologie: Verbindung der theoretischen Ausbildung der Ingenieure/Ökonomen mit der Wirtschaftspraxis. Es sei der Kampf gegen den Bürokratismus zu führen, für eine zweckmäßige Administration sowie für die Kontrolle der Durchführung der grundlegenden Weisungen der leitenden Organe. Stalin sah offensichtlich den Unterschied zwischen Bürokratismus und Administration. Das ist deshalb wichtig, weil notwendige administrative Weisungen, die unpopulär oder sogar nachteilig für einzelne Schichten seien können, unter dem Schlachtruf „Kampf gegen den Bürokratismus!" zunichte gemacht werden können. In der Praxis ist es nicht immer ganz einfach, zwischen einer notwendigen Verwaltung und Bürokratismus zu unterscheiden. Das Bürokratismus-Problem beschäftigte die europäischen sozialistischen Gesellschaften bis an ihr vorläufiges Ende. (Die VR China, KDVR, Kuba muß ich hier offen lassen) Oft werde die Initiative der Massen durch einen „Papierwust" erstickt. Dabei seien es nicht so sehr die alten Bürokraten als die neuen, die „sowjetischen" Bürokraten, unter denen die „kommunistischen"... „bei weitem nicht die letzte Rolle spielen", die durch „Kanzleibefehle", „Dekrete", die Initiative und Selbsttätigkeit der Massen ersticken.

Aber Stalin hatte keine Illusionen, diese Probleme „im Handumdrehen" lösen zu können.190)

Der Steigerung der Arbeitsproduktivität als ein „Problem ersten Ranges" kam entscheidende Bedeutung zu. Ohne systematische Steigerung der Arbeitsproduktivität seien die Aufgaben der Rekonstruktion nicht lösbar, können die führenden kapitalistischen Länder nicht eingeholt und überholt werden, sei nicht einmal die eigene „selbständige Existenz" gesichert. Auf die Arbeitsproduktivität als das „in letzter Instanz ... allerwichtigste, das ausschlaggebende für den Sieg der neuen Gesellschaftsordnung", hatte Lenin bereits in seiner bekannten Schrift „Die große Initiative" (Juni 1919) hingewiesen.191) Es ist interessant, daß Stalin - und nicht nur er -auf ein Ein- und Überholen der führenden kapitalistischen Länder orientierte, trotz der noch von ihm selbst genannten technisch- ökonomischen Rückständigkeit gegenüber diesen Ländern. Offenbar haben Stalin, und andere, die zeitlichen Fristen für ein solches „Ein- und Überholen", (bei Ulbricht „Überholen ohne einzuholen"), die Reserven des imperialistischen Systems, trotz Krisen, unterschätzt. Aber angesichts der Weltwirtschaftskrise mit ihren katastrophalen Auswirkungen und des gleichzeitigen Aufschwunges der sowjetischen Wirtschaft war eine solche überzogene Erwartung wohl verständlich. Im Jahre 1930 konnte es so erscheinen.

Als Mittel zur Steigerung der Arbeitsproduktivität orientierte Stalin auf „systematische Erhöhung der materiellen Lage der Werktätigen," „kameradschaftliche Arbeitsdisziplin", „sozialistischen Wettbewerb" und „Stoßarbeiterbewegung".

Ein ernstes Problem war die ausreichende Versorgung der Werktätigen mit Konsumgütern in Stadt und Land. Dies sollte gelöst werden durch eine Erhöhung des Reallohnes der Arbeiter, der Senkung der Preise für Industriewaren und landwirtschaftliche Erzeugnisse. Den „Warenhunger" zu beseitigen, neben der gesicherten Brotversorgung auch die ausreichende Versorgung mit Fleisch-, Molkereiprodukten und Gemüse zu gewährleisten, sei „nicht im Laufe weniger Monate" zu schaffen, dazu bedürfe es „zumindest eines Jahres". Stalin wies auf die nunmehr gegebene Möglichkeit hin, die Rohstoffbasis der Leichtindustrie zu erweitern.

Von „ernster Bedeutung" erweise sich für die Volkswirtschaft das Problem des Kreditwesens und des Geldumlaufes. Durch Konzentration auf kurzfristige Kreditgewährungen und Organisierung des bargeldlosen Verkehrs im vergesellschafteten Sektor sollte die Staatsbank zu einem gesamtgesellschaftlichen Apparat werden, der über die Produktion und Verteilung Buch führt. Zugleich werde dadurch in der Zirkulation eine große Menge Geld frei. So sollte das Kreditwesen geregelt, der Tscherwonez konsolidiert werden. (Tscherwonez = ehemalige sowjetische Münzeinheit auf Goldbasis)

Letztendlich orientierte Stalin noch auf die Bedeutung von Reserven.

Ein wichtiges, für die sozialistische Industrie entscheidendes Problem ist das der Leitung. Stalin betonte mit Nachdruck das Prinzip der individuellen Leitung, der persönlichen Verantwortung der Leiter. Arbeiter hätten sich wiederholt beklagt, daß es im Betrieb „keinen Verantwortlichen", daß es „keine Ordnung in der Arbeit gäbe."

Es dürfe nicht länger geduldet werden, „unsere Betriebe aus Produktionsorganismen in Parlamente" zu „verwandeln". Die Partei- und Gewerkschaftsorganisationen müßten „endlich begreifen, daß wir ohne Sicherung der individuellen Leitung und ohne Einführung einer strengen Verantwortlichkeit für den Gang der Arbeit die mit der Rekonstruktion der Industrie verbundenen Aufgaben nicht lösen können."192)

Dieses von Stalin 1930 beantwortete Problem der kollektiven oder individuellen Leitung hat später in den Anfangsetappen des sozialistischen Aufbaus in den volksdemokratischen Ländern immer wieder eine Rolle gespielt.

Auf Probleme der Leitungstätigkeit ging Stalin in mehreren Reden und Artikeln ein. So wies er in einer Rede „Über die Aufgaben der Wirtschaftler" vom 4. Februar 1931 auf den Unterschied zwischen „objektiven Möglichkeiten" und „subjektiven Fähigkeiten" hin. Während es die objektiven Möglichkeiten in der UdSSR gäbe, seien die subjektiven Fähigkeiten der Wirtschaftsleiter unzureichend. Sie seien in „technischer Hinsicht unerhört zurückgeblieben."193)

Er wandte sich gegen Vorstellungen, daß Tempo des Aufbaus zu Verringern, was bedeuten würde, zurückzubleiben. Rußland sei in der Vergangenheit immer wieder aufgrund seiner Rückständigkeit geschlagen worden. Hinter den fortgeschrittenen Ländern seien sie „um 50 bis 100 Jahre zurückgeblieben. Stalin warnte: „Wir müssen diese Distanz in zehn Jahren durchlaufen. Entweder bringen wir das zuwege, oder wir werden zermalmt."194)

Die Frage der persönlichen Verantwortung betraf aber nicht nur die Leiter der Wirtschaft, sondern auch die Arbeiter. So sollte die persönliche Verantwortung über ein differenziertes Tarifsystem, durch Beseitigung der Gleichmacherei, Entlohnung nach Qualifikation erfolgen. Damit sollte die Fluktuation eingeschränkt, ein Stamm von Facharbeitern, eine Stammbelegschaft geschaffen werden, die persönliche Verantwortung für die Qualität der Erzeugnisse gestärkt werden. Dazu gehörte auch ein ordentlicher Umgang mit Maschinen, Werkbänken, Werkzeugen, was im Argen lag. Das Fehlen persönlicher Verantwortlichkeit für die Arbeit habe dazu geführt, „daß die Maschinen nachlässig behandelt, die Werkbänke massenhaft beschädigt wurden, daß der Ansporn zur Hebung der Arbeitsdisziplin fehlte."195)

Durch Strukturveränderungen in den Vereinigungen von Betrieben, (vergleichbar mit den Vereinigungen Volkseigener Betriebe in der DDR, „VVB",UH) sollten die Leitungen effizienter gemacht werden. Diese Vereinigungen umfaßten manchmal 100 bis 200 Betriebe. Die Vereinigungen sollten verkleinert und in mehrere Vereinigungen neu gegliedert werden. Desgleichen sei in den Vereinigungen von der Kollektivverwaltung zur persönlichen Leitung überzugehen. In den Verwaltungen saßen 10 bis 15 Personen, „die Akten schrieben und diskutierten." Damit sei Schluß zu machen. An der Spitze der Vereinigung sollte ein Vorsitzender und einige Stellvertreter bleiben, die auch persönlich verantwortlich waren.196)

Mit recht konnte Stalin die internationale Bedeutung der Erfüllung des ersten Fünfjahrplans in vier Jahren in seinem Bericht vor dem vereinigten Plenum des ZK und der ZKK der KPdSU (B) vom 7. Januar 1933 hervorheben. Die praktischen Ergebnisse des ersten Fünfjahrplanes in der Weltgeschichte waren ein glänzender Sieg der Politischen Ökonomie des Sozialismus. Stalin berief sich dabei auf Lenin.

Lenin gebührt zweifellos das Verdienst, mit der NÖP die Politik und Theorie der Übergangsperiode in einem ökonomisch rückständigen Land in Grundzügen ausgearbeitet zu haben. Aber Lenin starb am 21. Januar 1924. Die weitere ökonomische Entwicklung und Ausarbeitung der ökonomischen Theorie des Sozialismus über die NÖP hinaus ist mit dem Wirken Stalins unlöslich verbunden. Es sei noch einmal betont: Stalin hat die PÖS nicht allein ausgearbeitet. Das hätte er allein gar nicht gekonnt. Die PÖS war das Werk einer Reihe von sowjetischen Wirtschaftswissenschaftlern. Aber Stalin hatte, wie gezeigt, daran einen wesentlichen Anteil und trug die politische Verantwortung für die Durchsetzung einmal gewonnener Erkenntnisse in der Wirtschaftspraxis. Insofern war der erste Fünfjahrplan auch ein Sieg Stalinscher Wirtschaftspolitik und - theorie. Diese Feststellung hat nichts mit einem nachträglichen Personenkult zu tun. Der Marxismus hebt die bestimmende Rolle der Volksmassen im Geschichtsprozeß hervor, weist aber zugleich auf die Rolle der Persönlichkeit im Geschichtsprozeß hin. Im Kontext dieser Relation sind politisches Wirken und theoretisches Denken Stalins einzuschätzen, weder Überhöhung noch Unterbewertung, weder Kult noch Verdammung.

Stalin zitierte ausführlich aus den widersprüchlichen Berichten der bürgerlichen Presse über den Fünfjahrplan, die vom „vollständigen Scheitern" bis zu dem Eingeständnis reichten, daß die Bolschewiki zwar schlechte Leute wären, aber mit dem Fünfjahrplan allem Anschein nach ihr Ziel erreichen würden.197)

Vergleicht man heutige Pressestimmen mit den damaligen, so ist die Ähnlichkeit auffällig, wenn auch nicht überraschend. Sozialismus ist von vornherein „nicht machbar", von „vornherein utopisch", Hirngespinst" etc. Wenn man den bürgerlichen Publizisten auch nicht gerade Einfallslosigkeit vorwerfen kann, bezüglich des Sozialismus kommen sie über abgedroschene Stereotypen nicht hinaus.198)

Die ersten Fünfjahrpläne in der UdSSR, die sowjetischen Erfahrungen und theoretischen Verallgemeinerungen sozialistischer Planung trugen Vorbildcharakter für die nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen sozialistischen Staaten. Wenn einige Züge der sowjetischen Wirtschaftspolitik und -planung von Parteiführern und Wirtschaftswissenschaftlern dieser Länder verabsolutiert und dogmatisch auf andere Verhältnisse angewandt wurden, so ist das nicht Stalin anzulasten.

Aufgrund der erreichten Erfolge in der Industrialisierung 199) sei für den zweiten Fünfjahrplan kein „maximal beschleunigtes Tempo" der Industrie mehr erforderlich. Man werde „ein weniger beschleunigtes Wachstumstempo in der Industrieproduktion einschlagen" müssen.200)

Dabei orientierte Stalin auf die intensiv erweiterte Reproduktion, nicht mehr vorrangig auf die Errichtung neuer Werke, wenn auch dies nach wie vor eine Rolle spielte, sondern auf „Meisterung der neuen (schon errichteten, UH) Betriebe und der neuen Technik", auf eine „ernste Steigerung der Arbeitsproduktivität", eine „ernste Herabsetzung der Selbstkosten."201)

Die Termini „extensiv" und „intensiv" erweiterte Reproduktion wurden verbal von Stalin noch nicht verwendet, sondern in verständlichen Ausdrücken umschrieben.

In der Landwirtschaft konnten 200.000 Kollektivwirtschaften und an die 5.000 Sowjetwirtschaften organisiert und zugleich die Anbaufläche um 21 Millionen Hektar erweitert werden. In den Kollektivwirtschaften seien mehr als 60 Prozent der Bauernwirtschaften vereinigt, die über 70 Prozent. des gesamten bäuerlichen Bodens bearbeiteten. Dies bedeute eine Erfüllung des Fünfjahrplanes um 300 Prozent. Im Vergleich zu 500 - 600 Pud Warengetreide, die in der Periode der Vorherrschaft der individuellen Bauernwirtschaften aufgebracht wurden, bestehe nun die Möglichkeit, 1.200 bis 1.400 Pud Warengetreide jährlich aufzubringen.202)

Mag man die angegebenen Zahlen aus heutiger Sicht mit einiger Vorsicht betrachten (wie Zahlen, „Erfolgsmeldungen", von unten nach oben zuweilen berichtet wurden, ist den alten Genossen aus der DDR bekannt); daß bedeutende Erfolge erzielt wurden, ist unbestreitbar.

Stalin nannte dann auch die Probleme der Kollektivwirtschaften. Die schon vorher erwähnten „Stimmungen", daß die Kollektiv - und Sowjetwirtschaften „nicht ganz rentabel" seien und man sie besser auflösen sollte,203) wies Stalin erneut zurück. Unrentabele Betriebe habe es einstweilen auch in der Industrie, nach der Errichtung neuer Betriebe gegeben. Rentabilität dürfe man nicht nach „Krämerart", vom „Standpunkt des Augenblicks", sondern unter dem Aspekt der „gesamten Volkswirtschaft in der Perspektive einiger Jahre" betrachten.204)

Neben einer Reihe „hochrentabeler" Kollektiv- und Sowjetwirtschaften gäbe es auch noch andere. Die Bedingungen für diese Wirtschaften seien nicht überall gleich. Es gäbe unter ihnen alte, neue, und ganz junge Wirtschaften. Letztere seien noch schwach, noch nicht voll entwickelte Wirtschaftsorganismen. In zwei bis drei Jahren würden auch diese rentabel sein.

Da die Kollektivierung in den wichtigsten Gebieten abgeschlossen sei, ginge es nun nicht mehr um ein beschleunigtes Tempo der Kollektivierung. Die Aufgabe bestünde darin, die Kollektivwirtschaften organisatorisch zu stärken.205) Also auch hier lag der Schwerpunkt in der Intensivierung der Landwirtschaft. Wesentliche Fortschritte gab es auch in der Zirkulationssphäre. Stalin verglich die NÖP im „ersten Stadium" mit der Situation im Handel Anfang der 30-er Jahre. In der alten NÖP sei „eine Belebung des Kapitalismus", „private(r) Warenumsatz", die „Tätigkeit von Privathändlern, Kapitalisten und Spekulanten zugelassen" worden. Es sei dies „ein mehr oder weniger freier, nur durch die regulierende Rolle des Staates beschränkter Handel" gewesen.

Nunmehr habe sich der Sowjethandel durchgesetzt, der nicht mit dem Handel des ersten Stadium der NÖP gleichgesetzt werden dürfe. Der Sowjethandel werde ebenfalls vom Staat reguliert. Sowjethandel sei „Handel ohne Kapitalisten, ohne Spekulanten...", „eine besondere Art Handel, wie ihn die Geschichte bis jetzt noch nicht gekannt hat..."206)

Das war zweifellos richtig. Erstmalig in der Weltgeschichte hat es einen sozialistischen Handel gegeben. Die Probleme, die in dem jungen Sowjethandel steckten, wurden nicht sogleich sichtbar. Ein Handel ohne Kapitalisten war richtig, aber ohne Spekulanten? Ohne kapitalistische Spekulanten sicher, aber es gab auch Spekulanten anderer, „sozialistischer" Art, die Stalin auch schon nannte.

Die völlige Verdrängung der privaten Händler schließe nicht aus, „daß im Warenumsatz nach dem Gesetz des Atavismus207) neuerlich Privathändler und Spekulanten auftauchen können, die das für sie geeigneteste Feld, nämlich den kollektivwirtschaftlichen Handel, für ihre Zwecke ausnutzen. Mehr noch, die Kollektivbauern selbst sind zuweilen nicht abgeneigt, sich auf Spekulation einzulassen,..." Stalin verwies auf den Beschluß des Zentralexekutivkomitees und des Rates der Volkskommissare der UdSSR vom 22. August 1932, wonach Spekulation unter Strafe gestellt wurde. Er betonte sogar, „daß diesem Gesetz nicht besondere Milde vorgeworfen werden kann."208)

Nun ist es eine alte geschichtliche Erfahrung, daß sich Spekulation durch Strafgesetze wohl einschränken, aber nicht verhindern läßt.

Auch der Sowjethandel ist ohne eine Geldwirtschaft, ohne Valuta nicht möglich. Stalin wies Vorstellungen von Ökonomen kapitalistischer Länder zurück, wonach die Sowjetvaluta keinen Wert darstelle und damit der Sowjethandel „unmöglich" sei. Diese Ökonomen verstünden von Ökonomie nicht mehr als der Erzbischof von Canterbury von antireligiöser Propaganda. Die Stabilität der Sowjetvaluta beruhe nicht allein auf den Goldreserven, sondern „vor allem" auf der „gewaltige(n) Menge von Waren in den Händen des Staates, die zu festen Preisen umgesetzt werden...." Eine solche Sicherung sei nur in der Sowjetunion vorhanden, die eine „realere Sicherung der Stabilität" der Währung sei als jede beliebige Goldreserve. Mit der „Theorie der Goldreserve als der einzigen Sicherung der Stabilität der Valuta" seien die bürgerlichen Ökonomen „endgültig in die Sackgasse geraten..."209)

Die Argumentation Stalins ist noch sehr vereinfacht. Es muß berücksichtigt werden, daß zu diesem Zeitpunkt (Januar 1933) die Rolle des Wertes, des Wertgesetzes im Sozialismus bei weitem noch nicht ausgearbeitet war; mehr noch, die Anwendung, der Wertkategorien auf die sozialistische Wirtschaft war noch immer umstritten, wurde von mehreren sowjetischen Ökonomen abgelehnt. Den Wertkategorien haftete nun mal der Geruch der bürgerlichen Ökonomie an, waren den meisten Kommunisten im höchsten Grade verdächtig.

Neue Möglichkeiten zu Spekulationen erschlossen findige Geister im kollektivwirtschaftlichen Getreidehandel. Es gab zwei Preise für Getreide, den staatlichen Festpreis, der gezahlt wurde für Getreideablieferung an den Staat und den Marktpreis, der höher war als der staatliche Festpreis. Aber erst nach Erfüllung des staatlichen Getreidebeschaffungsplanes zum Festpreis durften die Bauern ihr überschüssiges Getreide auf dem Markt zu höheren Preisen verkaufen. Dies führte dazu, daß von den Bauern bei Ablieferung an den Staat Getreide zurückgehalten wurde, das sie dann zum höheren Marktpreis verkauften und somit einen höheren Gewinn erwirtschafteten. Es gab auch Direktoren von Sowjetwirtschaften, die das Gleiche taten. Das Ergebnis war, daß trotz einer guten Ernte 1932 weniger Marktgetreide an den Staat abgeliefert wurde als im Vorjahr, in dem in den Nordostgebieten der UdSSR eine Dürreperiode zu Ernteeinbußen geführt hatte.

Mit der Legalisierung des freien Marktpreises für Überplanbestände an Getreide sollte der Warenumsatz zwischen Stadt und Land erweitert, die Versorgung der Arbeiter in der Stadt mit landwirtschaftlichen Produkten und der Bauern mit Industriewaren verbessert werden, da der staatliche und genossenschaftliche Handel dies allein nicht schaffen konnte. Schließlich sollte den Kollektivbauern eine zusätzliche Einnahmequelle erschlossen, deren ökonomische Lage verbessert, sie zur Verbesserung der Arbeit in den Kollektivwirtschaften stimuliert werden.

Aber, meinte Stalin, es gäbe „keine einzige revolutionäre Maßnahme", die gegen „negative Seiten" gefeit sei. Die sowjetischen Ökonomen, einschließlich Stalin, mußten beim Aufbau des Sozialismus eben auch ihr Lehrgeld zahlen.

Es gab noch andere, sicher unerwartete Probleme in der Kollektivwirtschaft, eine Art „Selbstlauftheorie", nach der, hat man erst einmal eine Kollektivwirtschaft organisiert, sich alles andere schon finden wird. Stalin wies hier auf die Verantwortung der Kommunisten in der Landwirtschaft hin. Die Ansprüche an die führende Rolle der Kommunisten bei der Hebung der Landwirtschaft verringerten sich nicht, sondern erhöhten sich.

Der Einzelbauer mußte sich um seine Wirtschaft selbst kümmern, konnte die Verantwortung für seine Wirtschaft nicht auf andere abwälzen. Seine Versäumnisse bezahlte er mit Hunger. Der Einzelbauer von gestern und Kollektivbauer von heute wälze aber die persönliche Verantwortung auf die Leitung der Kollektivwirtschaft ab. Wie in der Industrie, ging es auch in der Landwirtschaft darum, die persönliche Verantwortung des Leiters und jedes einzelnen Kollektivbauern zu heben. Darin lag die Verantwortung der Partei.210)

„Der Übergang von der individuellen Wirtschaft zur Kollektivwirtschaft sollte zur Stärkung der führenden Rolle der Kommunisten auf dem Lande führen."211) Man solle aus den Kollektivwirtschaften auch kein „Heiligenbild" machen. Wie die Sowjets, seien die Kollektivwirtschaften Organisationsformen, zwar sozialistische, aber sie sagen noch nichts über ihren Inhalt aus. Sie können „Wunder bewirken", wenn Kommunisten an ihrer Spitze stehen, bieten aber auch die Möglichkeit für Konterrevolutionäre, in die Leitungen einzudringen und ihre Stellung für Sabotage auszunutzen. Es gäbe sowjetfeindliche Elemente, die sich für die Kollektivwirtschaften aussprechen, aber: ohne Kommunisten! „Kollektivwirtschaften ohne Kommunisten!".

Der Klassenkampf auf dem Lande sei mit der Gründung von Kollektivwirtschaften nicht beendet, er nähme nur andere Formen an. Der Klassenfeind stünde nicht außerhalb der Kollektivwirtschaften „in der Gestalt von Leuten mit tierischer Physiognomie, mit riesigen Zähnen, mit feistem Nacken und einem Stutzen in der Hand," wie von Plakaten her bekannt. Dieser Kulak sei längst von der Bildfläche verschwunden. Heute träten die Sowjetfeinde als „stille", „honigtriefende", beinahe „Heilige" auf, säßen selbst in Genossenschaften als Lagerverwalter, Wirtschaftsleiter, Rechnungsführer, Sekretäre usw.. Sie seien „für" Kollektivwirtschaften, „für" Getreidebeschaffung, aber dann müßten Getreidevorräte für die Viehzucht angelegt werden, Reservefonds, dreimal so hoch als notwendig, für die Gemeinschaftsverpflegung 5 bis 10 Pfund Getreide täglich pro Arbeitskraft (was den Bauern natürlich gefiel! UH), aber für die Getreidebeschaffung war nichts mehr da. Mit diesen anschaulichen und verständlichen Bildern verwies Stalin auf die neuen Formen des Klassenkampfes. Es gäbe keine „neutralen" Kollektivwirtschaften. Die Kollektivwirtschaften unter den gegebenen Verhältnissen seien entweder bolschewistische oder sowjetfeindliche.212) Die Verantwortung für die Kollektivwirtschaft trage die Partei. In den Wirtschaften, wo die Kommunisten ihre Verantwortung wahrnehmen, ginge es voran. Aber in einigen Wirtschaften gäbe es „Schlafmützen", die zwar das Parteibuch in der Tasche hätten, aber ihren Aufgaben nicht gerecht werden. Letztendlich berief sich Stalin auf die Macht, über die sie verfügen, auf die Mittel des Staates, woraus sich ergebe, daß sie dazu berufen seien, die Kollektivwirtschaften zu leiten und daß sie die volle Verantwortung für die Arbeit auf dem Lande tragen."213)

Probleme des Warenumsatzes zwischen Stadt und Land, zwischen verschiedenen Zweigen der Volkswirtschaft nahmen auch im Rechenschaftsbericht an den XVII. Parteitag der KPdSU(B) vom 26. Januar 1934 breiten Raum ein. Stalin beklagte sich, „daß unter einem Teil der Kommunisten noch immer ein hochmütiges, geringschätziges Verhalten zum Handel überhaupt und zum Sowjethandel im besonderen herrscht."214) Es gäbe aber auch Vorurteile anderer Art zu überwinden. Stalin meinte „das ultralinke Geschwätz, das unter einem Teil unserer Funktionäre im Umlauf ist, daß nämlich der Sowjethandel ein überholtes Stadium sei, daß wir den direkten Produktenaustausch organisieren müßten, daß das Geld bald abgeschafft werden würde, weil es zu einem bloßen Rechenschein geworden sei, daß man den Handel nicht zu entwickeln brauche, da doch der direkte Produktenaustausch bereits vor der Tür stehe....".

Diese Funktionäre „verstehen nicht, daß das Geld ein Instrument der bürgerlichen Ökonomik ist, das die Sowjetmacht in ihre Hände genommen und den Interessen des Sozialismus angepaßt hat, um den Sowjethandel voll zu entfalten und dadurch die Bedingungen für den direkten Produktenaustausch vorzubereiten. Sie verstehen nicht, daß der Produktenaustausch nur als Ablösung und Ergebnis eines ideal organisierten Sowjethandels kommen kann, von dem bei uns noch nicht die leiseste Spur vorhanden ist und den wir nicht so bald haben werden. Es ist klar, daß die Partei, die bestrebt ist, den vollentfalteten Sowjethandel zu organisieren, es für notwendig gehalten hat, auch diese ‘linken’ Mißgestalten hart anzupacken, ihrem kleinbürgerlichen Geschwätz ein Ende zu machen."215)

Aus dem Kontext ist ersichtlich, daß Stalin Geld nicht nur als ein „Instrument der bürgerlichen Ökonomik", des Kapitalismus, sondern auch als ein Instrument der sozialistischen Wirtschaft verstand. Es ist hier schon eine Antizipation an die Erkenntnis sichtbar, daß die Wertkategorien nicht nur an die kapitalistische Gesellschaftsformation gebunden, sondern auch in der ersten, der niederen Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation wirksam sind. Es handelt sich bei dieser Aussage um einen bedeutsamen Schritt in der Ausarbeitung der politischen Ökonomie des Sozialismus.

Die Erfolge in der Industrialisierung, die Einführung moderner Technik in der Großindustrie brachte auch neue Probleme mit sich, darunter das Problem der Arbeitsnormen, daß sich - nicht nur in der Sowjetunion - als ein äußerst brisantes Thema erwies. Damit setzte sich Stalin in seiner Rede auf der ersten Unionsberatung der Stachanowleute am 17. November 1935 auseinander. Während der ersten Etappe des sozialistischen Wettbewerbs sei dieser nicht unbedingt mit der neuen Technik verbunden gewesen. Aber das habe sich geändert. Nunmehr sei er mit der neuen Technik verbunden. Die Leistungsnormen der Arbeiter seien an die neue Technik, die eine höhere Arbeitsproduktivität bewirke, anzupassen. Desgleichen habe die Ausbildung von Facharbeitern Fortschritte gemacht, sei die technische Qualifikation der Arbeiter gewachsen, womit auch die subjektiven Voraussetzungen für technisch begründete höhere Arbeitsnormen gegeben seien.

Die Anpassung der Leistungsnormen an die neuen Bedingungen war der Sinn der Stachanowbewegung. Es war das erstemal, daß in einem sozialistischen Land Normerhöhungen durchgesetzt wurden. Darin lag die historische Bedeutung der Stachanowbewegug. Stalin meinte, „daß diese Bewegung gewissermaßen aus sich selbst heraus, fast spontan, von unter her, ohne irgendwelchen Druck seitens der Leitungen unserer Betriebe begonnen hat." Sie sei sogar „in gewissem Maße gegen den Willen der Leitungen..., ja selbst im Kampfe mit ihnen entstanden und zur Entfaltung gekommen."216)

Die Betonung ist wohl auf „fast" spontan zu legen. Daß von den Betriebsleitungen kein Druck ausgeübt wurde, in einzelnen Fällen auch Kämpfe gegen engstirnige Leiter geführt werden mußten, war sicher richtig. Aber haben die Parteileitungen in der Stachanowbewegung nicht doch ein bißchen nachgeholfen? Das wäre ja nicht schlecht gewesen. Die Stachanowbewegung als Massenbewegung durchzusetzen, wäre jedenfalls ohne die Partei nicht möglich gewesen, hätte der führenden Rolle der Kommunistischen Partei widersprochen.

Es gab gegen die Stachanowbewegung, gegen die Einführung neuer, technisch begründeter Arbeitsnormen auch erhebliche Widerstände.

Die in den vorangegangenen Jahren aufgestellten Normen entsprachen der „technischen Rückständigkeit" der Arbeiterinnen und Arbeiter. Die Menschen seien inzwischen „technisch geschult", aber die Normen wären noch die alten. Konservative Techniker, Wirtschaftler und auch rückständige Arbeiter klammerten sich an die alten Normen. Es gäbe auch Einwände, daß man gar keine Normen benötige. Aber ohne technische Normen sei eine Planwirtschaft unmöglich. Außerdem würden sie den zurückbleibenden Massen helfen, sich auf das Niveau der fortgeschrittenen zu erheben. Sie seien eine „große regulierende Kraft, die die breiten Arbeitermassen in der Produktion um die fortgeschrittenen Elemente der Arbeiterklasse organisiert."217)

Die neue Technik machte auch vor der Landwirtschaft nicht halt. Erfolge in der Kollektivierung und die rasche Industrialisierung haben zu bedeutenden Strukturveränderungen geführt. Das Getreideproblem sei zwar gelöst, erklärte Stalin auf einer Beratung der besten Mähdrescherführer und -führerinnen am 1. Dezember 1935, reiche aber nicht aus. Mit der Industrialisierung und Kollektivierung haben sich die Stadtbewohner verdoppelt. Aus den Dörfern seien Millionen in die Stadt abgewandert. (Den Begriff „Urbanisierung" gab es noch nicht. UH)

Vor der Revolution haben die armen Bauern gehungert, aber die Dorfarmut sei verschwunden und der Kollektivbauer verbrauche mehr Getreide. Auch die Sterblichkeit sei zurückgegangen, die Geburtenziffer habe sich erhöht. Es habe ein absolutes Bevölkerungswachstum von etwa 3 Millionen pro Jahr gegeben, soviel, wie Finnland Einwohner hat.

Erfolge des sozialistischen Aufbaus bringen also neue Probleme mit sich.

Der Getreidebedarf sei gewachsen. Die Menschen verzehren aber nicht nur Brot, sondern brauchen außerdem auch Fleisch und Fett. Aber eine Erweiterung der Viehwirtschaft ist ohne große Getreidewirtschaft nicht denkbar.

Die Kollektivwirtschaften, die 90 Prozent der gesamten Bauernschaft erfaßten, verfügten mit ihren Großbetrieben über ausreichenden Boden, um die Getreideerträge steigern zu können. Es gäbe jedoch zu wenige Kader, die die moderne Technik, Traktoren, Maschinen, Mähdrescher bedienen und warten können. Darin liege die „größte Schwierigkeit." Die Ausbildung von Kadern für die landwirtschaftliche Technik sei daher die wichtigste Aufgabe. Stalin hob die Rolle der Mähdrescher, deren Führer und Führerinnen besonders hervor. Der richtige Einsatz von Mähdreschern würde vor „gewaltigen Verlusten" bewahren.

Selbst das Ernten mit einfachen Mähmaschinen war noch mit beträchtlichen Verlusten verbunden: Mähen - Garben binden - Garben aufstellen - Getreide zur Dreschmaschine fahren bedeutete 20 bis 25 Prozent Verluste des Ernteertrages. Mit dem Mähdrescher würden die Verluste auf ein geringfügiges Maß reduziert. Stalin zitierte Berechnungen von Agrarfachleuten. Danach betrugen die Verluste bei einer Aussaatfläche von 100 Millionen Hektar bei der Ernte mit einfachen Mähmaschinen eine Milliarde Pud Getreide. Die Ernte auf der gleichen Fläche mit Mähdreschern - vorausgesetzt daß sie nicht schlecht arbeiten - würde also einen Gewinn von einer Milliarde Pud Getreide bedeuten.218)

Solche Zahlen und das Herausarbeiten der Rolle der Technik mag für Ökonomen entwickelter kapitalistischer Länder, die über modernste Technik und qualifizierte Agrarökonomen und -ingenieure verfügen, nicht beeindruckend sein. Für die Sowjetunion, die eine äußerst rückständige Landwirtschaft mit einer Bauernschaft, die in ihrer überwältigenden Mehrheit aus Analphabeten bestand, mit primitivesten Ackerbaugeräten als soziales und ökonomisches Erbe des Zarismus übernommen hatte, war dieses in gut einem Jahrzehnt erreichte Ergebnis geradezu ein ökonomisches Wunder. In der bürgerlichen Publizistik werden immer wieder die „Mängel" in der Kollektivierung, ihr „scheitern", etc. in geradezu stereotyper Weise heruntergebetet. Alle Mängel, Probleme, die aus der halbfeudalen/halbkapitalistischen Vergangenheit resultierten, werden dem Sozialismus im Allgemeinen und dem Genossen Stalin im Besonderen angelastet. Zum Teil ist es einfach Unverständnis, daß die bürgerlichen Historiker und Politiker ihre sozial bestimmten Denkgrenzen nicht durchbrechen können, zum größeren Teil aber bösartige Lügen, um den verhaßten Feind in einer Flut von Verleumdungen zu ersäufen und die Werktätigen in ihren Ländern davon abzuhalten, das heilige Privateigentum in Frage zu stellen. Die soziale Angst hat die internationale Bourgeoisie seit der Oktoberrevolution nie verlassen; den historisch unvermeidlichen Untergang ihres überlebten kapitalistischen Systems vor Augen, erzeugt bei ihnen soziale Alpträume, die dann die wunderlichsten publizistischen Erzeugnisse hervorbringen.

Auf dem XVIII. Parteitag der KPdSU(B) (10.-21 März 1939), zog Stalin die Bilanz des bisher erreichten Standes der Technik und Wirtschaft.

Im Vergleich zum Vorkriegsniveau (1914 UH) sei die Industrie in der Sowjetunion um das Neunfache, die Industrie der wichtigsten kapitalistischen Länder im ganzen nur um 20 bis 30 Prozent gewachsen. Daraus zog Stalin den Schluß, daß in der Produktionstechnik und im Wachstumstempo die sowjetische Industrie die wichtigsten kapitalistischen Länder „schon eingeholt und überholt" habe.

Natürlich wußte Stalin, daß bei dem niedrigen Ausgangsniveau der sowjetischen Industrie ein so rasantes Wachstumstempo bezüglich des wirklichen Aufholens gegenüber den kapitalistischen Ländern nicht überschätzt werden durfte. Die industrielle Entwicklung pro Kopf der Bevölkerung gerechnet, zeige, daß die Sowjetunion in ökonomischer Hinsicht gegenüber den wichtigsten kapitalistischen Ländern noch immer zurückbliebe. Seit dieser Zeit war der Pro-Kopf-Vergleich bezüglich der Produktion und des Verbrauchs als Kriterium und Kennziffer für die ökonomische Entwicklung in die sowjetische Wirtschaftstheorie eingeführt. „Die ökonomische Leistungsfähigkeit der Industrie findet ihren Ausdruck nicht in dem Umfang der industriellen Produktion überhaupt, ohne Berücksichtigung der Bevölkerungszahl des Landes, sondern in dem Umfange der industriellen Produktion, in seinem direkten Verhältnis zur Höhe des Verbrauchs pro Kopf der Bevölkerung."219)

Stalin unterstrich die Notwendigkeit, die wichtigsten kapitalistischen Länder ökonomisch zu überholen. Dies sei möglich. „Nur dann ... können wir darauf rechnen, ... daß wir einen Überfluß an Produkten haben und die Möglichkeit erhalten werden, den Übergang von der ersten Phase des Kommunismus zu seiner zweiten Phase zu vollziehen."220)

Aus der Sicht Ende der 30-er Jahre, bei dem damaligen Stand der Produktivkraftentwicklung - im internationalen Maßstab - war eine solche Auffassung verständlich, die uns aus heutiger Sicht als unrealistisch erscheint. Stalin sprach allerdings auch sehr vorsichtig von einer „Möglichkeit." Es ist dies das Problem der Fristen, die immer wiederkehrende Unterschätzung der noch beträchtlichen Möglichkeiten des imperialistischen Systems, einer vereinfachten Gegenüberstellung der hohen Wachstumsraten in der Sowjetunion mit dem geringeren Wachstum und den Perioden der Stagnation der kapitalistischen Wirtschaft, so daß man „ausrechnen" konnte, wann man den Kapitalismus ökonomisch „eingeholt und überholt" hat. Eine absolute Stagnation in der Entwicklung der Produktivkräfte gibt es ohnehin nicht, und wie lange noch der Todeskampf des „sterbenden Imperialismus" dauern wird, das wußten weder Lenin noch Stalin. Die wissenschaftlich-technische Revolution, die nach dem Tode Stalins einsetzte, konnte er nicht voraussehen.

Trotz dieser Orientierung auf den Übergang von der niederen zur höheren Phase des Kommunismus blieb Stalin Realist. Um dieses Ziel zu erreichen, sei „die Bereitschaft, Opfer zu bringen, bedeutsame Kapitalinvestitionen vorzunehmen", unverzichtbar. Dazu sei „schließlich Zeit erforderlich ..., und zwar nicht wenig Zeit. Es ist unmöglich, die wichtigsten kapitalistischen Länder in zwei bis drei Jahren ökonomisch zu überholen."221)

Wenn man die genannten Visionen Stalins aus seiner Zeit heraus zwar als verständlich, zugleich aber auch als sehr kühn bezeichnen kann, er blieb stets auf dem Boden der harten ökonomischen Tatsachen. Ohne eine sehr hohe Akkumulationsrate, was auf Kosten der Konsumtion ging, d.h., ohne Verzicht, waren die anvisierten Ziele nicht zu erreichen, und die Erreichung dieser Ziele wären eben auch keine „kurze Durststrecke" gewesen, sondern würden, wie Ulbricht später formulieren sollte, eine ganze historische Epoche in Anspruch nehmen - wie lange? Bezüglich der Fristen haben sich bis jetzt alle geirrt, Marx, Engels, Lenin und offenbar auch Stalin.

Dies waren die letzten wichtigen Ausführungen Stalins zu ökonomischen Fragen des Sozialismus vor dem Großen Vaterländischen Krieg. Während des Krieges war nicht die Zeit gegeben, sich Fragen der ökonomischen Theorie zuzuwenden. Erst nach dem Kriege konnte er sich wieder dieser Problematik zuwenden.

VI. „Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR"

Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre setzte in der Sowjetunion eine neue Periode wirtschaftswissenschaftlicher Forschung ein. Es war nicht einfach eine Fortsetzung der Forschungen der zwanziger und dreißiger Jahre, sondern eine Suche nach Antworten auf neue Herausforderungen und Aufgaben sowohl im internationalen als auch nationalen Rahmen. Die sozialistischen Produktionsverhältnisse hatten sich in der UdSSR durchgesetzt und gingen nach dem Krieg, trotz ungeheurer Zerstörungen an materiellen Werten und Verlusten an Menschen, vor allem im arbeitsfähigen Alter, gefestigt hervor. In Osteuropa waren nach der Befreiung vom Faschismus volksdemokratische Staaten entstanden, in denen die kommunistischen und Arbeiterparteien begannen, mit der Überwindung der Kriegsschäden sozialistische Produktionsverhältnisse zu errichten, wobei sie die Erfahrungen der Sowjetunion auswerten und auf ihre Bedingungen anwenden konnten. Die Wirtschaftsentwicklung und Wirtschaftstheorie der UdSSR trug „Modell"charakter für die volksdemokratischen Länder, im positiven Sinne, wenn sie richtig verstanden und verarbeitet, mit Nachteilen, wenn sie unkritisch auf andere Verhältnisse formal angewendet wurden. Dabei gab es Erscheinungen von Dogmatismus, ohne die gesamte sozialistische Entwicklung in diesen Ländern als „dogmatisch" zu verschreien.

So wurde die wirtschaftswissenschaftliche Diskussion in der Sowjetunion auch in den volksdemokratischen/sozialistischen Staaten reflektiert. Natürlich trugen die wirtschaftstheoretischen Diskussionen in der UdSSR von Anfang an, seit der Oktoberrevolution, internationalen Charakter, nach dem Zweiten Weltkrieg aber in einem wesentlich erweiterten Maßstab.

Fragen der sozialistischen Ökonomik wurden buchstäblich zu einem Gegenstand der internationalen Diskussion. Darin lag die Bedeutung der Schriften Stalins zu „Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR". Diese Schriften, es handelt sich um die „Bemerkungen zu ökonomischen Fragen, die mit der Novemberdiskussion 1951 zusammenhängen" (1. Februar 1952), sowie die Antworten an verschiedene Genossen, an Notkin (21. April 1952), an Jaroschenko (22. Mai 1952), an Sanina und Wensher (28. September 1952).

Diese Schriften bilden insgesamt eine Einheit und wurden in der Regel auch zusammen in Broschüren unter dem Titel „Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR" veröffentlicht.

Es waren dies die letzten Arbeiten Stalins zur politischen Ökonomie. Sie bilden den Abschluß, in gewissem Sinne die Zusammenfassung der bisherigen Erfahrungen der Sowjetökonomie und des bis dahin erzielten theoretischen Erkenntnisstandes der Politischen Ökonomie des Sozialismus. Zugleich enthalten sie neue Aspekte, Fragen des Übergangs von der niederen zur höheren Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation, Fragen nach der Rolle des Wertgesetzes im Sozialismus, Fragen nach dem ökonomischen Grundgesetz der kommunistischen Gesellschaftsformation, die Anwendung der Marx‘schen Reproduktionstheorie auf die sozialistischen Produktionsverhältnisse, Fragen der Vertiefung der allgemeinen Krise des Kapitalismus; um die wichtigsten zu nennen.

Man kann diese Arbeit als eine Zäsur verstehen zwischen einer alten Periode, die als NÖP in die Geschichte eingegangen ist, und dem Anbruch einer neuen Periode, die, um einen Satz Walter Ulbrichts anzuwenden, der „Gestaltung des Sozialismus auf seinen eigenen Grundlagen."221a)

Stalin sprach in seinen bisherigen Arbeiten davon, daß die „erste Periode" der NÖP zuende sei; er hat zwar geäußert, wie w.o . notiert, daß die NÖP nicht in alle Ewigkeit existieren würde, aber ich habe in seinen Schriften keine formale Aufkündigung der NÖP, ihrer Beendigung, gefunden, auch keinen diesbezüglichen Beschluß des Politbüros oder Zentralkomitees. Die NÖP, als erster Etappe einer langfristigen Übergangsperiode, war „ausgegangen." Die NÖP als eine Art „Entscheidungsfrage" „wer - wen?" auf ökonomischem Gebiet konnte unter Führung Stalins zugunsten des Sozialismus entschieden werden, womit sie ihr Ende gefunden hatte. Offenbar bedurfte es dazu auch keines formellen Beschlusses mehr. Eine andere Frage wäre, ob mit dem Auslaufen der NÖP die Übergangsperiode schon abgeschlossen war, aber dies wäre ein Thema der Periodisierung für sich. Die von Marx und Lenin gegebenen Periodisierungen, „lange Geburtswehen, niedere, höhere Phase" der kommunistischen Formation von 1875 bzw. 1917 tragen hypothetischen Charakter und dürften durch die historische Entwicklung noch präzisiert werden.

Wenn ich die „Ökonomischen Probleme..." als Zäsur bezeichne, so ist mir bewußt, daß ein einzelnes Ereignis bzw. eine einzelne Schrift als „Zäsur" zu bezeichnen, stets etwas Willkürliches an sich hat. Wenn die Geschichte auch „Wendepunkte", „Brüche", „Umbrüche", kennt, bleibt es problematisch, solche Einschnitte als „Zäsur" zu bestimmen, was keinen Historiker davon abhält, „Zäsuren" als methodische Hilfsmittel zu bestimmen, was solange nützlich ist, wie man nicht vergißt, daß „Zäsuren" eben nichts anderes als gedankliche Orientierungspunkte sind. Für den Beginn der NÖP kann man den Beschluß des X. Parteitages der KPR (B) vom März 1921 setzen, aber über ihr Ende habe ich keinen solchen Beschluß finden können. Damit ist der gegen Stalin von bürgerlicher Seite erhobene Vorwurf, er habe die NÖP „abgebrochen", nicht haltbar.

Die Ausarbeitung der PÖS begann in den 20-er und 30-er Jahren; sie fand Ende der 40-er, Anfang der 50-er Jahre ihre Fortsetzung, auch nach dem Tode Stalins. „Vollendet", soweit man eine Theorieentwicklung überhaupt „vollenden" kann, wurde sie nicht. Ihre Fortsetzung nach der konterrevolutionären Unterbrechung 1989/90 in der Sowjetunion und Ost/Mitteleuropa kann sie erst wieder nach einer neuen Revolution finden, aber dies ist ein Gegenstand kommender Generationen. Wertvolle Einsichten in diesen weltgeschichtlichen Übergang von der Klassen- zur klassenlosen Gesellschaft bieten die Entwicklungen in der VR China, in der KVDR und Kuba, über deren theoretische Verallgemeinerungen hier keine Aussagen gemacht werden können.

Diese Frage nach dem Charakter der ökonomischen Gesetze im Sozialismus wurde bereits in den 20-er und 30-er Jahren diskutiert, und folgen wir Stalin, so gab es 1952 noch immer „manche Genossen" die „den objektiven Charakter der Gesetze der Wissenschaft, insbesondere der Gesetze der politischen Ökonomie" verneinen. Sie waren der Meinung, anbetracht der „besonderen Rolle, die die Geschichte dem Sowjetstaat zugewiesen habe", könnten der Sowjetstaat, seine Führer die bestehenden Gesetze der politischen Ökonomie aufheben, könnten sie neue Gesetze ‘aufstellen’, neue Gesetze ‘schaffen’. Diese Genossen würden „die Gesetze der Wissenschaft, die objektive, unabhängig vom Willen der Menschen in der Natur oder der Gesellschaft vor sich gehende Prozesse widerspiegeln", mit juristischen Gesetzen, die von Regierungen erlassen werden, verwechseln. Die Menschen können die objektiven Gesetze der Wissenschaft entdecken und in ihren Handlungen berücksichtigen, sie im Interesse der Gesellschaft ausnutzen, aber nicht verändern oder aufheben, oder gar „neue Gesetze" aufstellen.

Die Menschen können allerdings die Wirkungsbedingungen der Gesetze verändern oder aufheben. Stalin führte eine Reihe von Beispielen an, wie durch Eingriffe des Menschen der Wirkungsbereich von Naturkatastrophen - z.B. Deichbauten - eingeschränkt, wie Naturkräfte ausgenutzt - Energiegewinnung - werden können. Das gleiche gelte für die Gesetze der politischen Ökonomie, unabhängig davon, ob es sich um Gesetze des Kapitalismus oder Sozialismus handle. Auch diese können ausgenutzt, ihr Wirkungsbereich eingeschränkt, etc., aber nicht aufgehoben oder „neue" Gesetze geschaffen werden.

Die besondere Rolle der Sowjetmacht bestünde darin, daß sie sich auf das ökonomische Gesetz der unbedingten Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit dem Charakter der Produktivkräfte stützte.

Stalin bezog sich auf den Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktivkräfte und der privatkapitalistischen Aneignung im Kapitalismus. Diesen Widerspruch habe die Sowjetmacht durch die Vergesellschaftung der Produktionsmittel aufgehoben, damit sozialistische Wirtschaftsformen geschaffen.

Zwischen den Naturgesetzen und den ökonomischen Gesetzen bestünde ein Unterschied. Während Entdeckung und Anwendung von Naturgesetzen „mehr oder weniger reibungslos" vor sich ginge, bedürfe dies bei den ökonomischen Gesetzen starke gesellschaftliche Kräfte, die den Widerstand der überlebten Kräfte brechen.

Stalin führt im weiteren das Gesetz der planmäßigen (proportionalen) Entwicklung der Volkswirtschaft und das Wertgesetz an, die man ausnutzen, aber nicht „umwandeln" könne. Sie böten Möglichkeiten ihrer Ausnutzung, die Volkswirtschaft richtig zu planen und zu leiten, wobei man die Möglichkeit nicht mit der Wirklichkeit verwechseln dürfe.

Um die Möglichkeit Wirklichkeit werden zu lassen, müsse man die ökonomischen Gesetze erforschen und mit Sachkenntnis anwenden. Die Gesetze der politischen Ökonomie seien also objektive Gesetze, „die die Gesetzmäßigkeit der sich unabhängig von unserem Willen vollziehenden Prozesse des ökonomischen Lebens widerspiegeln.222)

Stalins Formulierung von der unbedingten Übereinstimmung der Produktivkräfte mit den Produktionsverhältnissen ist hier überzogen. Eine unbedingte Übereinstimmung gibt es nicht. In seiner Antwort an Alexander Iljitsch Notkin vom 21. April schränkt Stalin dann auch ein: „Die Worte ‘völlige Übereinstimmung’ dürfen nicht im absoluten Sinne aufgefaßt werden." Stalin räumt ein, daß auch im Sozialismus die Produktionsverhältnisse hinter dem Wachstum der Produktivkräfte zurückbleiben können. Die Worte „völlige Übereinstimmung" seien so aufzufassen, daß es „gewöhnlich im Sozialismus nicht zu einem Konflikt zwischen den Produktionsverhältnissen und Produktivkräften komme."222a) Also ganz schloß Stalin die Möglichkeit eines Konflikts zwischen den Produktionsverhältnissen und den Produktivkräften im Sozialismus nicht aus. Spätere Erfahrungen der europäischen sozialistischen Staaten sollten ihm nachträglich recht geben.

Interessant ist, daß Stalin bei der Formulierung des Gesetzes der planmäßigen (proportionalen) Entwicklung der Volkswirtschaft „proportional" in Klammern setzt. War er sich der Proportionalität nicht sicher? In der Sowjetunion gab es während der ganzen Zeit bis zu Stalins Tode Disproportionen. War dies der Grund für die Klammer? Daß in den 60-er Jahren in der DDR die Proportionalität aus der Gesetzesformulierung verschwand, darauf wurde bereits w.o. verwiesen. Dieser Sachverhalt ist bis heute umstritten.

Stalin wußte, daß er mit diesen Ausführungen „nichts Neues" sagte. Es wäre jedoch falsch, „auf die Wiederholung einiger uns bekannter Wahrheiten" zu verzichten. „Es ist so, daß zu uns, dem führenden Kern, jedes Jahr Tausende neue junge Kader kommen, die von dem brennenden Wunsch beseelt sind, sich zu bewähren, die aber noch keine ausreichende marxistische Bildung haben, viele uns wohlbekannte Wahrheiten nicht kennen und gezwungen sind, im Dunkeln zu tappen... . Ich denke, daß die systematische Wiederholung sogenannter ‘allgemein bekannter’ Wahrheiten und ihre geduldige Erläuterung eines der besten Mittel zur marxistischen Erziehung dieser Genossen ist."223)

Heute, nach der schwersten Niederlage, die der Sozialismus erlitten hat, scheint mir dieser Hinweis Stalins auf die Wiederholung „altbekannter Wahrheiten" von besonderer Aktualität zu sein.

Breiten Raum, insgesamt 25 Seiten einschließlich der Antwort an Genossen, widmete Stalin Fragen der Warenproduktion und der Wirkungsweise des Wertgesetzes im Sozialismus. Die Frage nach dem Wertgesetz im Sozialismus war und ist vom ersten Tag nach der Oktoberrevolution an bis in die Gegenwart über den Zeitpunkt der Konterrevolution 1989/90 hinaus das wohl am heftigsten umstrittene Thema in der politökonomischen Diskussion unter Kommunisten, wobei sich alle Teilnehmer auf Marx beriefen und berufen.

Sozialismus und Warenproduktion seien miteinander unvereinbar, Warenproduktion erzeuge wieder Kapitalismus, ja, Warenproduktion wird sogar als innere Ursache verstanden, daß die Konterrevolution 1989/90 siegen konnte. Das ist der Standpunkt der einen Richtung. Sozialismus schließe Warenproduktion nicht aus, sie sei unvermeidlich im Sozialismus als Übergangsstadium zum Kommunismus, Voraussetzung für die Schaffung eines Überflusses an Produkten, um zum Produktenaustausch in der höheren Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation übergehen zu können, die andere Richtung.

Hinzu kommt der Streit über die Anwendung von Kategorien wie „Mehrarbeit", „Mehrprodukt", „Mehrwert" im Sozialismus, und wenn schon Ware - Geld - Beziehungen, dann nur zwischen unterschiedlichen Warenproduzenten, staatliche - genossenschaftliche - einfache Warenproduzenten, oder auch zwischen staatlichen Betrieben, die den Werktätigen als Eigentümern gehören?224)

In der Sowjetunion wurde von den Ökonomen, die Ware - Geld - Beziehungen für unvermeidlich hielten, diese auf die NÖP-Periode bezogen; aber wie weiter? Das war die Fragestellung Ende der 40-er, Anfang der 50-er Jahre, unter der die Arbeit Stalins zu betrachten ist. Es ist klar, diejenigen Ökonomen, die Warenproduktion mit Sozialismus für unvereinbar halten, werden Stalins Position ablehnen, aber auch die Ökonomen der anderen Richtung werden widersprüchliche Aussagen bei Stalin finden. Die kritische Reflektion seiner Auffassungen kann nur unter der Sicht Anfang der 50-er Jahre erfolgen.

Mitte der 30-er Jahre meinten nicht wenige sowjetische Ökonomen, daß es im Sozialismus keine Widersprüche zwischen Produktion und Konsumtion gäbe. So meinte K. Butajew, daß der Widerspruch zwischen Akkumulation und Konsumtion in der UdSSR verschwinde. So sei die Marx‘sche Reproduktionstheorie auf die sowjetische Wirtschaft nicht mehr anwendbar. Wenn die Arbeiterklasse Eigentümer der Produktionsmittel sei, könne das neu geschaffene Produkt nicht mehr in ein notwendiges Produkt und in ein Mehrprodukt zerfallen, der Arbeitstag nicht mehr in notwendige Arbeit und Mehrarbeit geteilt werden. Selbst der bedeutende sowjetische Ökonom Wosnessenski meinte, daß die Kategorien der Marx‘schen Reproduktionstheorie nur Ausbeutungsverhältnisse reflektierten, die in der sozialistischen Volkswirtschaft nicht existierten. Das war etwa der Stand der sowjetischen ökonomischen Forschung bis zum Krieg. Erst Ende der 40-er Jahre begannen die Diskussionen um diese Probleme aufs Neue. Von diesem Stand der theoretischen Forschung ging Stalin aus.

Er polemisierte gegen die Behauptung einiger Ökonomen, daß Warenproduktion unter allen Umständen zum Kapitalismus führen müsse. Dies wäre nur dann der Fall, wenn Privateigentum an Produktionsmitteln bestehe, wenn die Arbeitskraft auf dem Markt als Ware verkauft werde. Unter sozialistischen Eigentumsverhältnissen müsse die Warenproduktion nicht unbedingt zum Kapitalismus führen. Er begründete die Warenproduktion im Sozialismus aus der Existenz zweier grundlegender Eigentumsformen, dem staatlichen und dem kollektivwirtschaftlichen bzw. genossenschaftlichen Eigentum.

Erst wenn „an die Stelle der zwei grundlegenden Produktionssektoren, des staatlichen und des kollektivwirtschaftlichen, ein allumfassender Produktionssektor mit dem Verfügungsrecht über alle Konsumgüter des Landes getreten sein wird, dann wird natürlich die Warenzirkulation mit ihrer ‘Geldwirtschaft’ als unnötiges Element der Volkswirtschaft verschwinden."225) Interessant in diesem Zusammenhang ist die Auseinandersetzung Stalins mit Notkin. Notkin betrachtete die Produktionsmittel und Produktionsinstrumente, die in staatlichen Betrieben produziert wurden, ebenfalls als Waren.

Stalin argumentiert dagegen, daß beim Verkauf einer Ware der Verkäufer das Eigentumsrecht an ihr verliert, der Käufer aber Eigentümer dieser Ware wird. Wenn der Sowjetstaat als Eigentümer der Produktionsmittel an diesen oder jenen staatlichen Betrieb Produktionsmittel übergibt, verliert er nicht das Eigentumsrecht an diesen. Die Direktoren der Betriebe seien nicht Eigentümer der Produktionsmittel, sondern seien als Beauftragte des Sowjetstaates zur Ausnutzung dieser Produktionsmittel eingesetzt. Da also kein Wechsel der Eigentumsrechte erfolgt, seien die Produktionsmittel keine Waren.

Anders im Außenhandel, weil dort der Eigentümer wechselt, behielten die in staatlichen Betrieben hergestellten Produktionsmittel „sowohl dem Wesen nach als auch formal die Eigenschaften von Waren..." während sie im „wirtschaftlichen Umlauf innerhalb eines Landes die Eigenschaften von Waren verlieren, ... aus dem Wirkungsbereich des Wertgesetzes heraustreten, wobei sie die äußere Hülle von Waren (Kalkulation und dgl.) behalten."225a)

Demnach band Stalin die Warenproduktion ausschließlich an die Existenz von unterschiedlichen Eigentumsformen, den staatlichen, genossenschaftlichen und einfacher Warenproduzenten. Diese Argumentation entbehrt nicht der Logik und wurde von vielen Ökonomen geteilt. Notkin ging offenbar über diese Auffassungen hinaus.

Diese Problematik war auch Gegenstand heftiger Diskussionen zwischen Ökonomen in der DDR.225b) Ende der 50-er Jahre wandte sich die den alten DDR-Ökonomen bekannte Professorin, Dr. Eva Altmann, ehemalige Rektorin der Hochschule für Planökonomie, später Hochschule für Ökonomie „Bruno Leuschner", gegen die Auffassung sowjetischer und DDR-Ökonomen, die den Standpunkt Notkins teilten, wonach Warenproduktion und damit die Wirkung des Wertgesetzes auch im Austausch zwischen Betrieben des volkseigenen Sektors existierten. Sie schrieb: „In der Lieferung von Produkten des einen volkseigenen Betriebes an den anderen, gleich, ob direkt auf der Grundlage des Staatsplanes oder nur in Vollzug einer vertraglichen Verpflichtung, realisieren sich nicht gesellschaftliche Beziehungen von Warenproduzenten zueinander, findet also kein Warenaustausch statt. Hier vollzieht sich die Verteilung der Produktionsmittel unter die staatlichen Betriebe nur in der Form des Warenaustausches, ohne dem ökonomischen Inhalt nach Warenaustausch zu sein. Die Produktionsmittel, die zwischen den staatlichen Betrieben kursieren, sind also in dieser Bewegung keine Waren."225c) In Übereinstimmung mit Stalins Auffassung trennte sie Warenproduktion und -austausch von der Form des Warenaustausches, den „ökonomischen Inhalt" von seiner Form.

In der DDR setzte sich im Zuge der Ausarbeitung des „Neuen Ökonomischen Systems der Planung und Leitung" (NÖSPL) die Auffassung durch, wonach das Wertgesetz auch innerhalb der Beziehungen unter volkseigenen Betrieben wirksam ist. „Die qualitative und quantitative Bestimmung des Wertes als eine wesentliche gesellschaftliche Beziehung ist ein grundlegendes Gesetz der sozialistischen Produktionsweise. In der Einheit der qualitativen und quantitativen Seiten existiert das Wertgesetz... . Das Wertgesetz bestimmt die Austauschfähigkeit, das heißt die ökonomische Qualität der Waren als gesellschaftliche Beziehungen planmäßig produzierender sozialistischer Warenproduzenten, die ihre Produkte durch die von Ausbeutung befreite Arbeit der Werktätigen für die Befriedigung der gesellschaftlichen und persönlichen Bedürfnisse herstellen. Das Wertgesetz ist die Grundlage zur Bestimmung der Austauschgröße, das heißt die ökonomische Quantität der Waren. Die für sie aufgewandte Arbeit wird im Maße der gesellschaftlich notwendigen Arbeit äquivalent ersetzt.

In allen Produktionsweisen, in denen die Arbeitsprodukte Warencharakter tragen, wirkt das Wertgesetz, obwohl es in jeder Produktionsweise spezifischen Charakter trägt. Wie alle allgemeinen ökonomischen Kategorien und Gesetze, unterliegen auch Wert und Wertgesetz in historischer Sicht Veränderungen, die als Modifikationen des Wertes und des Wertgesetzes (kurz Wertmodifikationen) bezeichnet werden."225d) Diese begründete Lehrmeinung setzte sich aber erst knapp zwei Jahrzehnte nach Stalins Tod in der DDR und in der Sowjetunion (erinnert sei an die Kossyginschen Reformen) durch - und blieb bis in die Gegenwart umstritten.

Stalin hielt es für „notwendig", einige Kategorien aus dem „Kapital" von Marx „über Bord zu werfen", die den sozialistischen Verhältnissen nicht entsprechen. Er nannte unter anderem Begriffe wie „notwendige" Arbeit und „Mehr"arbeit, „notwendiges" Produkt und „Mehr"produkt, „notwendige" Arbeitszeit und „Surplus"arbeitszeit.226)

Er begründete dies wie folgt: die Arbeiterklasse als Eigentümer der Produktionsmittel könne die Arbeitskraft nicht an sich selbst verkaufen, auch die Unterscheidung von „notwendiger" und „Mehr"arbeit sei sonderbar. Was für die Gesellschaft geleistet werde, wie Erweiterung der Produktion, für Bildungswesen, Gesundheitsschutz, Verteidigung usw. sei für die machtausübende Arbeiterklasse ebenso notwendig wie die Arbeit für die Deckung des persönlichen Bedarfs des Arbeiters und seiner Familie. Stalin berief sich dabei auf die entsprechende Passage aus der „Kritik des Gothaer Programms" nach der in der ersten Phase der kommunistischen Gesellschaft die Arbeit, die für die Gesellschaft geleistet werde, von Marx als genauso notwendig bezeichnet werde, wie die Arbeit zur Deckung des Konsumbedarfs der Arbeiterklasse.227)

Soweit Stalin im Februar 1952. Drei Monate später, im Mai, korrigierte er seine obigen Auffassungen in Polemik gegen Auffassungen von Jaroschenko: „Gewiß spiegelt die Marxsche Reproduktionstheorie... das Spezifische der kapitalistischen Produktion wider und ist natürlich in die Form der warenkapitalistischen Wertbeziehungen gekleidet... . Aber in der Marxschen Reproduktionstheorie nur diese Form sehen und ihre Grundlage übersehen, ihren Hauptinhalt übersehen, der nicht nur für die kapitalistische Gesellschaftsformation gilt, heißt von dieser Theorie nichts verstehen." Es sei eine „offenkundige Wahrheit..., daß die Marxschen Reproduktionsschemata sich keineswegs darauf beschränken, das Spezifische der kapitalistischen Produktion zu widerspiegeln, sondern daß sie zugleich eine ganze Reihe von Grundthesen der Reproduktion enthalten, die für alle Gesellschaftsformationen, darunter insbesondere auch für die sozialistische Gesell-schaftsfomation, Geltung haben. Solche Grundthesen der Marxschen Re-produktionstheorie, wie die These von der Teilung der gesellschaftlichen Produktion in Produktion von Produktionsmitteln und Produktion von Konsumtionsmitteln; die These vom vorrangigen Wachstum der Produktion von Produktionsmitteln bei der erweiterten Reproduktion; die These von dem Verhältnis zwischen Abteilung I und Abteilung II; die These vom Mehrprodukt als der einzigen Akkumulationsquelle; die These von der Bildung und Bestimmung der gesellschaftlichen Fonds; die These von der Akkumulation als der einzigen Quelle der erweiterten Reproduktion - alle diese Grundthesen der Marxschen Reproduktionstheorie sind eben Thesen, die nicht nur für die kapitalistische Formation Geltung haben und ohne deren Anwendung keine sozialistische Gesellschaft bei der Planung der Volkswirtschaft auskommen kann."228) Also ließen sich doch nicht die genannten Kategorien so einfach „über Bord" werfen.

Die kapitalistische Ausbeutung besteht nicht in der Teilung von „notwendigem" und „Mehrprodukt", sondern in der privaten Aneignung des Mehrprodukts. In der sozialistischen Wirtschaft kann das Mehrprodukt nicht mehr privat angeeignet werden, wird der Antagonismus zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung aufgehoben. Mehrarbeit war nach Marx in den Ausbeutergesellschaften „ihrem Wesen nach immer Zwangsarbeit... . Diese Mehrarbeit stellt sich dar im Mehrwert, und dieser Mehrwert existiert in einem Mehrprodukt. Mehrarbeit überhaupt, als Arbeit über das Maß der gegebenen Bedürfnisse hinaus, muß immer bleiben... . Ein bestimmtes Quantum Mehrarbeit ist erheischt durch die Assekuranz gegen Zufälle, durch die notwendige, die Entwicklung der Bedürfnisse und dem Fortschritt der Bevölkerung entsprechende, progressive Ausdehnung des Reproduktionsprozesses."229) Und an anderer Stelle schreibt Marx: „...streift man sowohl dem Arbeitslohn wie dem Mehrprodukt, der notwendigen wie der Mehrarbeit den spezifisch kapitalistischen Charakter ab, so bleiben eben nicht diese Formen, sondern nur ihre Grundlagen, die allen gesellschaftlichen Produktionsweisen gemeinschaftlich sind."230)

Inkonsequenzen zeigten sich bei Stalin auch in seinen Ausführungen über die Wirkungsweise des Wertgesetzes im Sozialismus. Er meinte, daß sich der Wirkungsbereich des Wertgesetzes „vor allem auf die Warenzirkulation" erstrecke. Auf diesem Gebiet behielte das Wertgesetz „in bestimmten Grenzen" die Rolle eines Regulators.231)

Die Wirkungen des Wertgesetzes erstreckten sich auch auf die Produktion. Die Konsumgüter, die für die Deckung des Aufwandes an Arbeitskraft im Produktionsprozeß notwendig seien, würden als Waren erzeugt und realisiert, unterlägen also der Wirkung des Wertgesetzes. Damit begrenzte er die Wirkung des Wertgesetzes auf die Produktion. Es hätte jedoch auch Bedeutung für die wirtschaftliche Rechnungsführung, die Rentabilität, die Selbstkosten, die Preise und dergleichen.232) Also doch auch auf die Produktion?

Dies bedeute jedoch nicht, daß das Wertgesetz im Sozialismus Regulator der Produktion sei, womit er recht hatte. Als Gründe dafür verwies er auf die Vergesellschaftung der Produktionsmittel in Stadt und Land, auf die Wirkungen des Gesetzes der planmäßigen (proportionalen) Entwicklung der Volkswirtschaft sowie auf Jahres- und Fünfjahrpläne.233) Nicht verbal, aber dem Kontext nach betrachtete Stalin den Plan als den Regulator der sozialistischen Wirtschaft, das Wertgesetz spielte dabei eine untergeordnete Rolle.

Wert und Wertgesetz seien historische Kategorien, die „mit der Existenz der Warenproduktion verbunden" seien. „Mit dem Verschwinden der Warenproduktion verschwinden auch der Wert mit seinen Formen und das Wertgesetz."234)

Manche Genossen seien der Meinung, daß mit dem Gesetz der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft das Prinzip der Rentabilität der Produktion aufgehoben sei. Dies sei falsch. Stalin wiederholte hier einen schon früher geäußerten Sachverhalt, wonach die Frage der Rentabilität nur vom Standpunkt der gesamten Volkswirtschaft in einem Zeitraum von 10 bis 15 Jahren betrachtet werden darf, einzelne Betriebe anfänglich unrentabel seien können und auch Betriebe, die volkswirtschaftlich unverzichtbare Erzeugnisse herstellen, die nicht rentabel seien müssen. In einem solchen Falle müsse der Staat diese Betriebe subventionieren.235)

Dies trifft übrigens auch für den Kapitalismus zu, nur mit dem Unterschied, das staatliche Subventionen - aus dem Steueraufkommen des Volkes! - in Betriebe geleitet werden, die Privateigentum sind, oder, wenn es sich um staatliche oder kommunale Betriebe handelt, die unverzichtbare Güter produzieren oder solche Dienstleistungen bringen, die für das Privatkapital keine Profite abwerfen, also „unrentabel" sind, aber den privatkapitalistischen Unternehmen insgesamt für ihre Mehrwertproduktion zugute kommen. Mit anderen Worten, daß die Werktätigen mit ihren Steuern über die Subventionen die Profite der Privateigentümer finanzieren. Letzteres hält aber die bürgerlichen Ideologen nicht davon ab, über die „Unrentabilität" der sozialistischen Wirtschaft lauthals zu zetern.

Subventionen sind also auch im Sozialismus erforderlich. Die Kehrseite der Subventionspolitik besteht darin, daß Betriebsdirektoren verleitet werden können, sich auf den Subventionen auszuruhen und die Frage der Rentabilität ihres Betriebes auf den Sanktnimmerleinstag zu verschieben. Auch die zweifellos begrenzte Wirkung des Wertgesetzes im Sozialismus hat noch so ihre Tücken.

Den Gegensatz zwischen Stadt und Land verstand Stalin als einen „Interessengegensatz" im Kapitalismus, der mit der Beseitigung des Privateigentums an Produktionsmitteln aufgehoben sei. Es blieben aber noch wesentliche Unterschiede bestehen, die im Sozialismus aufgehoben werden müssen. Dies bedeute jedoch nicht, daß alle Unterschiede beseitigt werden könnten. Durch Unterschiede zwischen landwirtschaftlicher und industrieller Produktion würden immer Unterschiede bleiben.

Ähnlich verhielte es sich mit dem Gegensatz von geistiger und körperlicher Arbeit. Dieser Gegensatz wäre durch die sozialistische Umgestaltung beseitigt worden, aber es blieben noch wesentliche Unterschiede, die durch das ererbte unterschiedliche kulturelle Niveau verursacht seien. Die wesentlichen Unterschiede können und müssen beseitigt werden, aber, analog zum Unterschied zwischen Stadt und Land, würden auch hier Unterschiede bestehen bleiben, die sich aus den Unterschieden in der Industrieproduktion ergäben, wie Bergbau oder Produktion in einer Fabrikhalle, Unterschiede in den Arbeitsbedingungen zwischen leitendem Personal und Arbeitern in den Betrieben. Die wesentlichen Unterschiede zwischen Stadt und Land, zwischen geistiger und körperlicher Arbeit ließen sich aufheben. Das wäre eine dringende Aufgabe der Zukunft, aber es ließe sich nicht jeder Unterschied beseitigen. Stalin räumte ein, daß es auch von ihm früher ungenaue Formulierungen gegeben habe, in dem Sinne, auf die Beseitigung dieser Unterschiede zu orientieren, ohne die erwähnte Einschränkung, daß es sich um Beseitigung der „wesentlichen" Unterschiede handele.236)

Mit der wissenschaftlich-technischen Revolution, die Stalin nicht mehr erlebte, nimmt der Anteil der geistigen Arbeit im Produktionsprozeß ständig zu, während die schwere körperliche Arbeit zurückgedrängt wird. Aber dies ist auch nur in den technisch hochentwickelten kapitalistischen Ländern der Fall. Ob schwere körperliche Arbeit - die für die Mehrheit der Menschheit noch immer existent ist - einmal ganz verschwinden wird, bleibt abzuwarten; unter kapitalistischen Verhältnissen sicher nicht, da dort der Einsatz von Technik oder körperlicher Arbeit unter Profitaspekt entschieden wird.

Bereits Anfang der 30-er Jahre hatten sowjetische Ökonomen die Frage nach dem ökonomischen Grundgesetz der kommunistischen Produktionsweise gestellt. Marx konnte das ökonomische Bewegungsgesetz der kapitalistischen Produktionsweise zu einer Zeit entdecken, als diese in England bereits vollständig ausgeprägt und entwickelt war. Davon konnte bezüglich des Kommunismus in der Sowjetunion nicht die Rede sein, auch 1952 noch nicht, als Stalin eine Formulierung des ökonomischen Grundgesetzes des Sozialismus - sehr vorsichtig, in Konjunktivform - vorschlug. Wie aber unter den Bedingungen des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus, und in Grenzen der Entwicklung des Sozialismus als der niederen Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation, deren ökonomisches Grundgesetz entdecken, d.h., desjenigen Gesetzes, das in der gesamten Formation wirken sollte?

Abgesehen von Auffassungen, nach denen im Sozialismus keine ökonomischen Gesetze wirken, somit auch kein Grundgesetz, gab es verschiedene Interpretationen eines ökonomischen „Bewegungsgesetzes" des Sozialismus:

1. das sei der Plan;

2. das Gesetz der erweiterten Reproduktion der sozialistischen Produktionsverhältnisse;

3. das Gesetz der sozialistischen Vergesellschaftung und schließlich

4. die Diktatur des Proletariats, die bewußt die sozialistische Wirtschaft leite.

Der sowjetische Ökonom L. Gatowski faßte 1932 das Grundgesetz als Grundlage eines Systems von Gesetzen auf, das mit den inneren Widersprüchen und dem Ziel der ökonomischen Entwicklung verbunden sei. Das war ein bedeutender Erkenntnisfortschritt.237) Unter diesem theoretischen Vorlauf schlug Stalin seine Definition vor: „Die wesentlichen Züge und Erfordernisse des ökonomischen Grundgesetzes des Sozialismus könnten etwa folgendermaßen formuliert werden: Sicherung der maximalen Befriedigung der ständig wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnisse der gesamten Gesellschaft durch ununterbrochenes Wachstum und stetige Vervollkommnung der sozialistischen Produktion auf der Basis der höchstentwickelten Technik."238)

Diese Definition entsprach dem Erkenntnisstand der Sowjetwissenschaft Anfang der 50-er Jahre. Sie fand in späteren Definitionen des ökonomischen Grundgesetzes von Ökonomen der sozialistischen Staaten ihren Niederschlag; allerdings, entsprechend dem gewachsenen Kenntnisstand, in abgewandelter Form.

In dem 1969 in der DDR erschienenen Buch „Politische Ökonomie des Sozialismus und ihre Anwendung in der DDR" wurde das ökonomische Grundgesetz als allgemeines Bewegungsgesetz der sozialistischen Gesellschaftsformation verstanden, als „ständige Erweiterung, Vervollkommnung und Intensivierung der sozialistischen Produktion und Reproduktion auf der Basis des wissenschaftlich-technischen Höchststandes zur Stärkung der sozialistischen Ordnung, der ständig besseren Befriedigung der materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Bürger, der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und ihrer gesellschaftlichen Beziehungen."239)

Die inhaltliche Bestimmung des ökonomischen Grundgesetzes bezog sich auch hier nur auf eine, die niedere Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation. Allerdings wurde 1969 der Sozialismus von Walter Ulbricht als eine „relativ selbständige Gesellschaftsformation" verstanden, eine Bestimmung, die schon damals und auch heute noch umstritten ist. Das ökonomische Grundgesetz der kommunistischen Gesellschaftsformation als ganzes konnte zum Zeitpunkt einer historisch noch unausgereiften sozialistischen Gesellschaft nicht entdeckt werden.

Aus heutiger Sicht müßte man fragen, ob „ununterbrochenes Wachstum" unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die natürliche Umwelt aufrechterhalten werden kann. Aber das Verhältnis von Ökonomie und Ökologie war 1952 noch kein Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung.

A.W. Sanina und W.G. Wensher schlugen vor, die wichtigsten Maschinen der MTS an die Kollektivwirtschaften zu verkaufen und damit den Staat von Investitionen in die Landwirtschaft zu entlasten.240) Stalin wandte sich zunächst aus zeitbedingten ökonomischen Gründen dagegen, da die Kollektivwirtschaften noch nicht in der Lage wären, die Technik zu übernehmen, zu warten und zu ergänzen, weil ihnen dazu noch die finanziellen Mittel fehlten. Wichtiger waren Stalins politökonomischen und sozialen Gründe, die er gegen Sanina/Wensher anführte. Die Kollektivwirtschaften würden Eigentümer der Hauptproduktionsinstrumente werden. Damit würde sich der Abstand zwischen Kollektivwirtschaften und allgemeinem Volkseigentum vergrößern. Es würde eine Erweiterung des Wirkungsbereichs der Warenzirkulation geben, was nicht die Entwicklung zum Kommunismus fördere. Die Warenzirkulation im Sozialismus sei mit der Perspektive des Übergangs zum Kommunismus unvereinbar. Der Boden, den die Kollektivwirtschaften bearbeiten, sei längst allgemeines Volkseigentum. Auch die Hauptproduktionsinstrumente, mit denen die Kollektivwirtschaften arbeiteten seien allgemeines Volkseigentum. Die Kollektivwirtschaften verfügen nur über ihre Erzeugnisse als Eigentum. Ein erheblicher Teil der Erzeugnisse, die Überschüsse der kollektivwirtschaftlichen Produktion, gelange auf den Markt und auf diese Weise in das System der Warenzirkulation. Dies sei der Hebung des kollektivwirtschaftlichen Eigentums auf das Niveau des Volkseigentums hinderlich. Es gäbe noch kein entwickeltes System des Produktenaustausches, aber „wir haben Keime des Produktenaustausches" in Form von „Waren"lieferungen für landwirtschaftliche Produkte.241) Diese Keime seien in allen Zweigen der Landwirtschaft zu fördern, indem man „Schritt für Schritt den Wirkungsbereich der Warenzirkulation einengt und den Wirkungsbereich des Produktenaustausches erweitert."242)

Mag zu diesem Zeitpunkt der Hinweis auf die Perspektive verfrüht erscheinen, strategisch war die Orientierung richtig. Stalin ging es um die Weiterführung der sozialistischen Umgestaltung, um das Heranführen an den Übergang zum Kommunismus, und insofern war die Auflösung der MTS und die Übergabe der Maschinen an die Genossenschaften ein Rückschritt, mußte die Genossenschaften als spezifische Eigentümer stärken. Offenbar hatte Stalin verstanden, daß ein Stehenbleiben auf Erreichtem zur Stagnation, zu ernsten Rückschlägen führen kann. Eine Revolution, die auf halbem Wege stehen bleibt, endet unzweifelhaft in der Konterrevolution. Der Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus ist in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung nur vergleichbar mit dem vor Tausenden von Jahren vollzogenen Übergang von der klassenlosen zur Klassengesellschaft. War sich Stalin dieser welthistorischen Tragweite der sozialistischen Umgestaltung bewußt? Ohne in Mystizismus zu verfallen und einer historisch ausgewogenen Einschätzung Stalins entgegenzuwirken - das Ziel, die Errichtung einer klassenlosen, der kommunistischen Gesellschaft, hat er, dem Kontext seiner Schriften zufolge, zu keiner Zeit aus den Augen verloren.

Vergleicht man Schriften und Handlungen Stalins auf dem Gebiet der Ökonomie mit denen eines Chruschtschows und eines Gorbatschows, eines Gaidars, Jelzins oder Putins mit den entsprechenden Resultaten, kann man dem Leser das Urteil überlassen, ob Stalin nun von Ökonomie etwas verstand oder nicht. Wenn Deutscher, der zu den prominenten Anti-Stalin-Autoren gehört, eingestehen muß, daß es der Sowjetunion gelang, „die industriellen Hauptziele, die sich Stalin gesteckt hatte, zu erreichen, und dies sogar früher als geplant", so kann man ihm ausnahmsweise zustimmen.243)

Desgleichen schreibt Deutscher: „Höhere Schulen und Universitäten unterrichteten doppelt so viele Schüler wie im Jahre 1940. Auf den Trümmern des Weltkrieges waren die Fundamente für den industriellen und militärischen Wiederaufstieg Rußlands gelegt worden, und er sollte die Welt alsbald aufrütteln."244)

Und dies noch vor dem Tode Stalins.

Ulrich Huar, Berlin

Anmerkungen (Quellennachweise)

Einleitung

1. Dmitri Wolkogonow: Triumpf und Tragödie. Politisches Porträt des J.W. Stalin. Band 1/1 1. Auflage, Berlin 1990, S. 186 und 187.

2. LW 33/231.

3. W.I. Lenin: Über die Bedeutung des streitbaren Materialisnus. In: LW 33/221.

4. Jelena & Alexander Charlamenko: Revolution und Konterrevolution in Rußland. Essen 2001. S. 51

5. Ebd. S. 51 f.

6. L. Ljowschin/W. Oreschkin: Über die politökonomische Forschung der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. In: Sowjetwissenschaft/Gesellschaftswissenschaftliche Beiträge, Heft 10/1974, S. 1036 f.

7. W.I. Lenin: Noch einmal über die Gewerkschaften. In: LW 32/73 und 74.

7a. SW 14/26.

7b. Friedrich Engels: Anti-Dühring. In: MEW 20/139.

7c. Brief von Engels an Conrad Schmidt in Zürich vom 1. Juli 1891. In: MEW 38/128.

8. Zu den wichtigsten Schriften Lenins zur NÖP gehören: Über die Naturalsteuer. In: Werke, Bd. 32; Die Neue Ökonomische Politik und die Aufgaben der Ausschüsse für politisch-kulturelle Aufklärung. Referat auf dem II. Gesamtrussischen Kongreß der Ausschüsse für politisch-kulturelle Aufklärung vom 17. Oktober 1921. In: Werke Bd. 33; Über die Neue Ökonomische Politik. In: Werke, Bd. 33; Eine knappe Zusammenfassung der Ideen Lenins zur NÖP findet sich in Ulrich Huar: Perspektiven der chinesischen Revolution. In: Weißenseer Blätter. Heft 2/1994, März-April, S. 29 - 36.

I. Von der militärischen Leitung der Volkswirtschaft zur Arbeiter- und Bauern-Inspektion

9. SW 4/263.

10. Ebd. S. 264.

11. Ebd. S. 266.

12. Ebd. S. 267.

13. Ebd. S. 268.

14. Nikolai Bucharin: Ökonomik der Transformationsperiode. Mit Randbemerkungen von Lenin. Berlin 1990, S. 233.

15. LW 33/38.

16. A. Steckij: Lenin und die sozialistische Planung. Moskau 1933, S. 19. Zitiert nach: L.D. Sirokorad: Die politische Ökonomie des Sozialismus in der UdSSR während der Übergangsperiode. Berlin 1977, S. 122.

17. SW 4/321.

18. Ebd. S. 322.

19. Ebd..

20. Friedrich Engels: Vereinbarungssitzung vom 4. Juli (Zweiter Artikel). In: MEW 5/194.

21. SW 4/323.

22. Ebd. S. 324.

II. Die NÖP - ein Feld des Klassenkampfes

23. SW 5/108.

24. Ebd..

25. Ebd. S. 109.

26. Ebd. S. 109 f.

27. Ebd. S. 110.

28. Bucharin, a.a.O. Kapitel 9, Die Ökonomischen Kategorien des Kapitalismus in der Übergangsperiode. S. 196 - 216.

29.Ebd. S. 214.

30. Ebd. S. 215 f.

31. SW 6/191.

32. Ebd. S. 192.

33. Ebd. S. 193.

34. Ebd. S. 217.

35. Ebd..

35a. Wolkogonow, a.a.O., S. 195.

36. SW 6/218 - 220.

37. SW 7/132.

38. Ebd. S. 136.

39. Ebd. S. 142.

40. Ebd. S. 143.

41. Ebd. Theorie der Produktivkräfte. Mechanizistische Trennung der Einheit von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, womit eine "klassenneutrale" Wirtschaftspolitik ermöglicht wird. Nach einer sozialdemokratischen Auffassung würde die Entwicklung der Produktivkräfte automatisch zum Sozialismus führen.

42. Ebd. S. 144.

43. Ebd. S. 146.

44. Ebd. S. 150.

45. Ebd. S. 151.

46. Ebd. S. 151 f.

47. Ebd. S. 152.

48. Ebd. S. 172.

49. Ebd..

III. Industrialisierung und Akkumulation, Triebkräfte und "Lebensqualität"

50. Auf diese Auseinandersetzung wird hier nicht eingegangen. Sie wird in einem besonderen Beitrag zur Parteitheorie reflektiert.

51. SW 7/259.

52. Ebd..

53. Ebd..

53a. SW 9/115f.

53b. Ebd. S. 117.

53c. Ebd. S. 117 f.

53d. SW 10/107.

53e. Ebd. S. 108.

54. SW 7/261 Beachten: Dies schrieb Stalin vor der Weltwirtschaftskrise 1929!

55. Ebd. S. 264.

56. Ebd. S. 265.

57. Ebd. S. 273.

58. Ebd. S. 274.

59. Damalige Bezeichnung für große volkseigene Betriebe und Betriebsvereinigungen, vergleichbar mit VEB und VVB in der DDR.

60. SW 7/274.

61. Ebd. S. 276.

62. In der DDR wurde von Wirtschaftswissenschaftlern unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen Revolution dieses Gesetz eingeschränkt auf "die Proportionalität von Prozessen, deren Größenordnung und Tempo." Im Prozeß der wtR bildeten sich häufig zwischen den Haupterzeugnissen bedeutende Ungleichmäßigkeiten im Größenverhältnis bezüglich der Wachstumsraten aus. Ein Festhalten an einer "vo1kswirtschaftlichen Struktur" könne zu bedeutenden Verlusten führen. Das Gesetz wurde nunmehr auf "planmäßige Entwicklung" der Volkswirtschaft eingeschränkt. Diese Neuformulierung blieb bis zum Ende der DDR in der wissenschaftlichen Diskussion umstritten. Siehe hierzu: Politische Ökonomie des Sozialismus und ihre Anwendung in der DDR. Berlin 1969, S. 243 - 249.

63. SW 7/296.

63a. SW 9/165 f.

63b. SW 10/202-

63c. Ebd..

63d. Ebd. S. 203.

63e. Ebd. S. 271.

63f. Ebd. SW 11/111.

63g. RotFuchs, 5. Jhg. Nr.53, Juni 2002, S. 22.

64. SW 7/296.

65. SW 8/106.

66. Ebd. S. 107.

67. Ebd. S. 110 - 114.

68. Ebd. S. 116.

69. Ebd. S. 118.

69a. Ebd. S. 119.

70. Ebd. S. 120.

71. Ebd. S. 123.

72. Ebd..

73. Ebd. S. 124.

74. Ebd..

75. Ebd. S. 125.

76. SW 9/151.

77. Ebd. S. 168 f.

78. Ebd. S. 169.

79. Ebd. S. 170.

80. Ebd..

81. Ebd..

82. Ebd..

83. SW 10/96.

84. Ebd..

85. Ebd. S. 104.

86. Ebd..

87. Ebd. S. 105.

88. Ebd..

89. Ebd. S. 106.

90. N. Voznesenskij: Über die sozialistische erweiterte Reproduktion im ersten Fünfjahrplan. In: Bolschewik, Heft 4/1933, S. 57. Zitiert nach Sirokorad, a.a.O., S. 161.

IV. Kollektivierung der Landwirtschaft

91. SW 10/259.

92. Ebd..

93. Ebd. S. 260.

93a. Ebd. S. 270.

94. Ebd. S. 264.

95. Ebd. S. 266.

95a. SW 11/5 f.

96. SW 10/265.

96a. SW 11/83.

97. SW 10/268.

98. Ebd. S. 266.

99. Ebd. S. 269.

100. Ebd. S. 274.

101. Ebd. S. 275 - 277.

102. SW11/4.

103. Ebd. S. 15 f.

104. MEW 22/501.

105. Ebd. S. 502.

106. Ebd. S. 503.

107. Ebd..

108. LW 29/186 f.

109. Ebd. S. 191.

110. Ebd..

111. Ebd. S. 192.

111a. Ebd. S. 145.

112. SW 11/93.

113. Ebd. S. 95.

114. LW 28/170.

114a. W.I. Lenin: Genossen Arbeiter! Auf zum 1etzten, entscheidenden Kampf! Erste Augusthälfte 1918, zuerst veröffentlicht 1925. In: LW 28/42.

115. SW 12/111.

116. Ebd. S. 111 f.

116a. Ebd. S. 197.

117. Ebd. S. 115.

118. Ebd..

119. Ebd..

102. Ebd. S. 117.

121. Ebd. S. 118.

122. Siehe: Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion in sechs Bänden. Bd. IV. Zweites Buch. Moskau 1976, S. 56.

123. Ebd. S. 57.

124. Ebd..

125. SW 12/161.

126. Ebd..

127. Siehe: Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion..., a.a.O., S. 57.

128. Domenico Losurdo: Die Dialektik der Revolution. Rußland und China im Vergleich. In: Topos. China. Heft 18. Edizioni La Citta del Sole. 2001, S. 36.

129. SW 11/235.

129a. LW 29/193 f.

130. W 12/168 - 175.

131. Ebd S. 177 - 200.

132. Ebd. S. 190 f.

133. LW 29/194.

134. Ebd. S. 195 f.

V. Ökonomik der Übergangsperiode

1. Das Ende der NÖP

135. SW 12/125 - 152.

136. Ebd. S. l27 - 130.

137. Ebd. S. 130 - 132. Vgl. Nikolai Bucharin: Ökonomik der Transformationsperiode mit Randbemerkungen von Lenin. Berlin 1990, S. 135.

138. SW 12/132 - 138.

139. Ebd. S. 134. Siehe: Karl Marx: Das Kapital, Bd. III, MEW 25, 45. Kapitel, Die absolute Grundrente. S. 747 - 780. - Theorien über den Mehrwert, MEW 26.2/253 - 258, 265f, 291 - 297, 394 f., MEW 26.3/ 95f, 395f. Kenntnisse über die „Theorien über den Mehrwert" konnte Stalin nur über Sekundärquellen erhalten haben. Sie wurden erst nach seinem Tode vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU in russischer Sprache herausgegeben, der 1. Band 1954, Band 2 und 3 folgten 1957 und 1961. Die von Stalin gemachten Angaben sind sachlich richtig.

140. SW 12/137.

141. Ebd. S. 138 - 142.

142. Ebd. S. 139.

143. Ebd. S. 141.

144. Ebd. S. 142 - 146.

145. Ebd. S. 142.

146. Ebd. S. 143, Vgl. LW 33/459.

147. SW 12/145.

148. Ebd. S. 146.

149. Ebd. S. 146 - 152.

150. Ebd. S. 151.

151. N. Bucharin: 1929 - Das Jahr des großen Umschwungs. Berlin 1991, S. 68.

152. Ebd..

153. Ebd. S. 68f.

154. Ebd. S. 80.

155. Ebd..

156. Ebd. S. 81. Hervorhebung von mir.UH.

156a. SW l2/38 - 43.

157. Die Kommunistische Partei der Sowjetunion in Resolutionen und Beschlüssen der Parteitage, Konferenzen und Plenen des Zentralkomitees, 1898 - 1954, Berlin 1957, Bd. VII. S. 200.

2. Politische Ökonomie in der Periode des Aufbaus des Sozialismus in der UdSSR 1930 bis 1941

158 Vgl. Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Berlin 1960, (Moskau 1959) S. 562ff. - Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Berlin 1971, (Moskau 1969) S. 499ff. - Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion in 6 Bänden, Bd. IV, Buch 2, Moskau 1976, S. 76 ff.

2.1. Zur Weltwirtschaftskrise

159 Siehe Eugen Varga: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik. In: Internationale Presse-Korrespondenz, Jahrgang 9 und Jahrgang 10, Hefte vom Februar 1929 bis Jahrgang 10, Nr. 12, vom 3. Februar 1930. In: E. Varga: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik. Vierteljahresberichte 1922 bis 1939. Herausgegeben von Jörg Goldberg, Bd. IV. Internationale Presse-Korrespondenz 1922 - 1924. Varga war zweifellos der bedeutendste Ökonom der Kommunistischen Internationale. Stalin nennt Varga. SW 12/258.

160. SW 12/209 - 212.

161. Ebd. S. 212 - 215.

162. Ebd. 216.

163. Ebd..

164. Ebd. S. 217 - 219.

165. Ebd. S. 222.

166. Ebd. S. 223.

167. Ebd. S. 213. 1913 gründeten die 12 größten föderalen Reservebanken dieses „Federal Reserve System" - Sie kontrollierten die gesamte Tätigkeit der US-Banken. Geleitet wurde dieses System von einem Federal Reserve Board, 1933 in „Board of Governers" unbenannt, deren Mitglieder vom Präsidenten ernannt wurden. Bürgerliche Ökonomen in den USA glaubten, mit diesem System, Krisen verhindern zu können. Versuche Hoovers, die im Oktober 1929 ausgebrochene Krise einzudämmen, scheiterten.

168. „Wir in Amerika sind näher am endgültigen Triumpf über Armut als jemals zuvor in der Geschichte irgend ein anderes Land." Zitiert nach: Allan Nevins/Henry Steele Commager with Jeffrey Morris: A Pocket History of the United States, Ninth Revised Edition. New York 1992, S. 414..

169. Zitiert nach ebd. S. 116. „Wohlstand ist gleich um die Ecke zu haben.".

170. Karl Marx: Inauguraladresse der Internationalen Arbeiterassoziation. In: MEW 16/11.

2.2. Zum Aufbau des Sozialismus in der UdSSR

171. SW 12/240.

172. Ebd. S. 239.

173. Ebd. S. 246 - 254.

174. Ebd. S. 247 und 251f.

175. Ebd. S. 256.

176. Ebd. S. 260f.

177. Ebd. S. 261 - 263.

178. Ebd. S. 266.

179. Ebd. S. 267.

180. Ebd..

181. Siehe Bucharin: 1929 Das Jahr des großen Umschwungs, a.a.O..

182. SW 12/267 - 271.

183. Ebd. S. 271.

184. Ebd. S. 171f.

185. Ebd. S. 273f.

186. LW 32/73.

187. Ebd. S. 74.

188. LW 32/458, SW 12/284.

189. SW 12/284.

190. Ebd. 284 - 289.

191. LW 29/416.

192. SW 12/291.

193. SW 13/33.

194. Ebd. S. 36.

195. Neue Verhältnisse - Neue Aufgaben des wirtschaftlichen Aufbaus. Rede vom 23. Juni 1931. In: Ebd. S. 50 - 57.

196. Ebd. S. 70f.

197. Ebd. S. 146f.

198. Ebd. 48. Die Pressestimmen können aus Platzgründen hier nicht zitiert werden. Siehe S. 147 - 153.

199. Siehe Zahlen in ebd. S. 160 - 169.

200. Ebd. S. 166 und 167.

201. Ebd. S. 167.

202. Ebd. S. 171.

203. Ebd. S. 172.

204. Ebd. S. 173.

205. Ebd. S. 174f.

206. Ebd. S. 182.

207. Atavismus = Entwicklungsrückschlag.

208. SW 13/183 und 348, Fußnote 60.

209. Ebd. S. 183f.

210. Ebd. S. 193 - 201.

211. Ebd. S. 201.

212. Ebd. S. 205f.

213. Ebd. S. 208.

214. Ebd. S. 303.

215. Ebd. S. 304f.

216. SW 14/36f.

217. Ebd. S. 42.

218. Ebd. S. 48 - 55.

219. Ebd. S. 197.

220. Ebd. S. 198.

221. Ebd..

VI. „Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR"

221a. Siehe: Walter Ulbricht: Die Bedeutung des Werkes „Das Kapital" von Karl Marx für die Schaffung des entwickelten gesellschaftlichen Sozialismus in der DDR und der Kampf gegen das staatsmonopolistische Herrschaftssystem in Westdeutschland, Berlin 1967, S. 38.

222. SW 15/293 - 300.

222a. Ebd. S. 342.

223. Ebd. S. 300f.

224. Siehe hierzu: Ulrich Huar: Wertgesetz und Sozialismus, in: Weißenseer Blätter, Heft 1, 2, 3, 1998.

225. SW 15/307.

225a. Ebd. S 342ff.

225b. Siehe U. Huar, a.a.O., Teil II, Heft 2/1998, S. 19f.

225c. Eva Altmann: Warenproduktion und Wert in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus. In: Wirtschaftswissenschaft. 5. Jahrgang, Heft 8, November/Dezember 1957, S. 1204.

225d. Politische Ökonomie des Sozialismus und ihre Anwendung in der DDR, Berlin 1969, S. 277f.

226. SW 15/308f.

227. Ebd. S. 309. Vgl. Karl Marx: Kritik des Gothaer Programm. In: MEW 19/19.

228. SW l5/371f.

229. Karl Marx: Das Kapital, Bd. III In: MEW 25/827.

230. Ebd. S. 883. Siehe auch: Friedrich Engels: Anti-Dühring, in: MEW 20/180.

231. SW 15/310.

232. Ebd..

233. Ebd. S. 312.

234. Ebd. S. 313.

245. Ebd. S. 315.

246. Ebd. S. 316 - 320.

237. L. Gatowskij: Über einige Fragen der Theorie der sowjetischen Wirtschaft, In: Problemy ekonomiki, 8/192., S. 39, zitiert nach L.D. Sirokorad, a.a.O. S. 120.

238. SW 15/331.

239. Politische Ökonomie des Sozialismus... a.a.O. S. 237.

240. SW 15/378.

241. Ebd S. 383-385.

242. Ebd. S. 85.

243. Isaac Deutscher: Stalin. Eine politische Biographie, Berlin 1990, 1. Auflage, S. 724.

244. Ebd. S. 756

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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