Zeitschrift für Sozialismus und Frieden 3/03
Herausgeber:
Verein zur Förderung demokratischer Publizistik (i.G.)
Spendenempfehlung: 1,60 E
Stalin
als Theoretiker des Marxismus-Leninismus
Stalins Beiträge zur Parteitheorie, Heft I
Zum 50. Todestag Stalins am 5. März 2003
Von Ulrich Huar
Redaktionsnotiz
Ulrich Huar: Einleitung
Grundfragen der marxistisch-leninistischen Parteitheorie
Vorbemerkungen
1.1. Parteifragen vor der Oktoberrevolution
1.1.1. Verbindung der sozialistischen Ideologie mit der spontanen Arbeiterbewegung
1.1.2. Zur Organisationsfrage
1.1.3. Über das „Hereintragen“ des sozialistischen Bewußtseins in die Arbeiterklasse
1.1.4. Anarchismus oder Sozialismus
1.1.5. Einheit oder Spaltung der Partei
1.2. Die Parteifrage nach der Oktoberrevolution
1.2. l. Die Partei vor und nach der Eroberung der Macht
1.2.2. Über die Bolschewisierung der Parteien der Kommunistischen Internationale
1.2.3. Partei und Religion
1.2.4. Die Partei im System der Diktatur des Proletariats
1.2.5. Innerparteiliche Demokratie
1.2.6. Kritik und Selbstkritik
1.2.7. Quantität und Qualität
1.2.8. Über die Grundlagen des Leninismus. Vorlesungen an der Swerdlow-Universität (April bis Mai 1924)216)
Anmerkungen (Quellennachweise)
Wir führen die Reihe von
Ulrich Huar über die Beiträge Stalins zur Theorie des Marxismus-Leninismus
hiermit fort. Da wir uns aus Platzgründen sehr kurz fassen müssen, sei in Bezug
auf unsere Beweggründe für diese Veröffentlichungen sowie zur Information über
die Arbeitsweise sowie die Wahl der Darstellung durch den Autor auf das erste
Heft dieser Reihe („Beiträge zur Theorie der nationalen Frage“, Offensiv Heft
5/2002) verwiesen.
Das Thema der Parteitheorie
umfasst zwei Offensiv-Hefte.Für die Texterfassung danken wir den Genossinnen
und Genossen von der „Schriftenreihe der KPD“ sehr herzlich. Die Arbeiten von
Ulrich Huar zu Stalin erscheinen dort und bei uns parallel.
Zeitung-Machen kostet Geld.
Wir bitten deshalb um Spenden:
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Redaktion
Offensiv, Hannover
In der einschlägigen
Geschichtsliteratur ist wohl nichts mehr umstritten als die Theorie der
Leninschen Partei neuen Typus, die fälschlich Stalin zugeschrieben wird.1)
Dem bedeutenden Anteil Stalins an der Entwicklung und Stärkung der KPR (B)
/KPdSU, als der ersten Partei neuen Typus in der Weltgeschichte, ist die
vorliegende Arbeit gewidmet.
Marxistisch-leninistische
Parteien werden in der bürgerlichen, revisionistischen und trotzkistischen
Literatur als „stalinistisch“ gebrandmarkt, als die Inkarnation alles Bösen.
Dies steht von Anfang an fest und bedarf keinerlei weiterer Beweise. Selbst ein
auf seinem Gebiet der Rechtstheorie und Rechtsgeschichte so hervorragender
Wissenschaftler wie Uwe-Jens Heuer sah in der Entwicklung der SED Ende der 50er
Jahre eine Hinwendung „zur stalinistischen Partei neuen Typus.“2) Er
sei nach 1945 Marxist geworden, aber, es „war ein von Stalin überformter
Marxismus.“ Er räumt dabei ein, daß diese Überformung „in bestimmter
politischer Hinsicht wirksam“ gewesen sei.3) An anderer Stelle meint
er, Stalin habe im Gegensatz des „späten Lenins“ die „Entwicklungswidersprüche
im Volk, zwischen Arbeiterklasse und ihrem eigenen Staat, Fragen der Entfaltung
des Individuums nicht reflektiert.“4)
Heuer wandte sich mehrfach
gegen die Charakterisierung des Sozialismus als Stalinismus, wohl weil er darin
eine Diffamierung des Sozialismus sah.
Die Bezeichnung Stalinismus sei „letztendlich ein Vermächtnis Stalins. Er hat
bekanntlich nicht nur den Leninismus, sondern auch den Trotzkismus, den
Luxemburgismus erfunden.“5)
Man mag über die Verwendung
von Personennamen zur Bezeichnung von Theorien, politischen Konzeptionen oder
Strategien streiten, Stalin brauchte weder den „Leninismus“ noch „Trotzkismus“
noch „Luxemburgismus“ zu erfinden. Diese Theorien existierten und wurden von
konkreten politischen Personen und Gruppierungen gebraucht. Wer den Begriff
„Leninismus“, später „Marxismus-Leninismus“ als „erster“ geprägt hat, ist bis
heute noch nicht eindeutig zu beantworten, nebenbei auch nicht so wichtig. Wer
hat den Begriff „Marxismus“ geprägt? Marx bestimmt nicht. Der Begriff
„Leninismus“ haben auch Trotzki, Bucharin, Sinowjew, Kamenew u.a. verwendet,
nicht nur Stalin. Heuer kann seine Behauptung auch durch nichts belegen.
Nach dem Bucharin-Biograph,
Adolf G. Löwy, habe sich Bucharin in einer Gedenkrede nach Lenins Tod vor der
Akademie gegen den „Mythos vom Marxismus-Leninismus“ ausgesprochen. Bucharin
habe nicht vom Marxismus-Leninismus, sondern vom Marxismus Lenins gesprochen.6)
Nach Robert Steigerwald - im Gegensatz zu Löwy - habe Bucharin 1923 die
Formulierung Marxismus-Leninismus eingeführt.7)
Inwiefern die Bezeichnung
„Stalinismus“ ein „Vermächtnis Stalins“ sein soll, ist schon gar nicht
nachvollziehbar. Der Terminus „Stalinismus“ wurde meines Wissens erst nach der
berüchtigten Geheimrede Chruschtschows auf dem XX. Parteitag der KPdSU (14. -
25. Februar 1956) als antikommunistischer
Kampfbegriff geprägt und als
Totschlagskeule unterschiedslos gegen alle Kommunisten, selbst gegen völlig
harmlose kleinbürgerliche Reformisten geschwungen. Jedwede Kritik an der
kapitalistischen Gesellschaftsordnung, jede Infragestellung des Kapitalismus
als System, wird programmatisch als „Stalinismus“ diffamiert.
Es ist schon verwunderlich,
daß Heuer als ein durchaus gewissenhafter Wissenschaftler, trotz seiner
Erfahrungen als Mitglied des Bundestages mit dem „Rechtssystem“ der BRD, der
mehrfach auf die Anwendung der historischen Analyse von Sachverhalten
orientiert, so unkritisch die Lügen Chruschtschows und Gorbatschows über Stalin
übernimmt. So habe die Rede Gorbatschows anläßlich des 70. Jahrestages der
Oktoberrevolution „und die dort erfolgte Abrechnung mit Stalin“ ihm „die
Flanke“ gestützt für seine „Auseinandersetzung mit Stalins Theorie.“8)
Desgleichen erstaunlich ist
die „Wertung“ Stalins von Eberhard Czichon und Heinz Marohn in ihrem ansonsten
gut recherchierten Buch „Das Geschenk“. Leider sind sie ihrer richtigen These,
wonach auch „die Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte“ kritisch
hinterfragt werden soll, bezüglich Stalins nicht gerecht geworden. Auch sie
lehnen den Terminus „Stalinismus“ begründet ab. „Allerdings halten wir jeden
Versuch, Stalins Politik und seine Verbrechen wie auch immer zu rechtfertigen
oder auch nur zu verharmlosen und seine Ideologie als Lenins Erbe zu
interpretieren, wissenschaftlich und politisch ebenso für unverantwortlich wie
wir jede Anstrengung als unhistorisch zurückweisen, die Ursachen für die
eingetretenen Deformationen beim Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft auf
Lenin zurückführen zu wollen. Historisch hat sich erwiesen, daß Stalins Politik
zu einer verhängnisvollen Deformation beim sozialistischen Aufbau führte.“9)
Beweise für die „Verbrechen“
Stalins, für die „verhängnisvollen Deformationen“ der sozialistischen
Gesellschaft sind nicht mehr erforderlich, sondern „historisch“ erwiesen! Und
wehe dem, der dennoch wagt, die von der bürgerlichen antikommunistischen
Publizistik, von Chruschtschow, Gorbatschow, Trotzkisten, Anarchisten und
Revisionisten behaupteten „Verbrechen“ Stalins in Frage zu stellen, Stalins
Schriften als bedeutenden Bestandteil der marxistisch-leninistischen Theorie zu
würdigen.
Mit diesen durch nichts
bewiesenen Behauptungen haben Czichon und Marohn ihrerseits ein „Geschenk“ an
die antikommunistische Historiographie gemacht, sind ihrer Verantwortung als
marxistische Historiker nicht gerecht geworden. Die Liste von durchaus seriösen
Wissenschaftlern, die glauben, den Kolporteuren antikommunistischer Lügen über
Stalin noch immer Referenz erweisen zu müssen, ließe sich fortsetzen.
Letztendlich kommt dabei heraus, wie auch schon behauptet wurde, daß die
unbestreitbaren Erfolge der Sowjetunion „ohne“ - „trotz“ - „gegen“ Stalin
erzielt wurden. So behauptete Ilja Ehrenburg allen Ernstes, daß die „viele(n)
Heldentaten und Siege des Sowjetvolkes... wohl nicht ‘dank Stalins’, sondern
‘trotz Stalin’“ vollbracht wurden.10)
Darstellungen, die der Flut
antistalinscher Verleumdungen entgegenstehen, sind zur Zeit noch in der
Minderheit. Aber Quantität ist bekanntlich kein Kriterium für historische
Wahrheit. An erster Stelle sind hier die zahlreichen Schriften des
Faschismusforschers Kurt Gossweiler zu nennen, von denen hier nur auf zwei
verwiesen sei: „Wider den Revisionismus“ und die „Taubenfuß-Chronik“. Mit
wissenschaftlicher Akribie sind hier die Behauptungen Chruschtschows,
Gorbatschows und der Trotzkisten über Stalin als Lügen explizit widerlegt.
Gossweiler gebührt das Verdienst, zu den ersten Kommunisten zu gehören, die die
für die kommunistische Weltbewegung katastrophalen Auswirkungen des
Anti-Stalinismus erkannt und den Kampf gegen diese verbrecherische Politik und
Ideologie aufgenommen zu haben. „Der Anti-Stalinismus ist heute tatsächlich das
größte Hindernis für den Zusammenschluß der Kommunisten, wie er gestern der
Hauptfaktor der Zerstörung der kommunistischen Parteien und der sozialistischen
Staaten war.“11)
Eine historisch ausgewogene
Einschätzung der Politik Stalins gab die Publizistin Sahra Wagenknecht in einem
Artikel für die „Weißenseer Blätter“: Nicht zu leugnen ist, daß Stalins Politik
- in ihrer Ausrichtung, ihren Zielen und wohl auch in ihrer Herangehensweise -
als prinzipientreue Fortführung der Leninschen gelten kann. (Der
„stalinistische“ Staatsaufbau existierte in seinen Grundzügen ohnehin bereits
vor Stalins Machtantritt.) Welche Handlungsspielräume die Situation im
damaligen Rußland bot, muß angesichts der konkret historischen Bedingungen
untersucht werden. Eine solche Analyse wird vermutlich zu dem Schluß gelangen,
daß weder in Bucharins Lösungsansatz noch in dem Trotzkis (um nur zwei
prägnante Beispiele zu nennen) eine realisierbare Alternative zur Stalinschen
Linie vorlag. Und was immer man - berechtigt oder unberechtigt - gegen die
Stalin-Zeit vorbringen mag, ihre Ergebnisse waren jedenfalls nicht Niedergang
und Verwesung, sondern die Entwicklung eines um Jahrhunderte zurückgebliebenen
Landes in eine moderne Großmacht während eines weltgeschichtlich einzigartigen
Zeitraums; damit die Überwindung von Elend, Hunger, Analphabetismus,
halbfeudalen Abhängigkeiten und schärfster kapitalistischer Ausbeutung;
schließlich der Sieg über Hitlers Heere, die Zerschlagung des deutschen und
europäischen Faschismus sowie die Ausweitung sozialistischer
Gesellschaftsverhältnisse über den halben europäischen Kontinent.12)
Der parteilose
Theologieprofessor Hanfried Müller, Herausgeber der „Weißenseer Blätter“, wies
aus seiner Sicht mit Besorgnis auf die Auswirkungen des XX. Parteitages der
KPdSU hin: Zu den Bedingungen, unter denen sich das Kräfteverhältnis zwischen
Sozialismus und Imperialismus sowohl international zwischen den Staaten als
auch je innenpolitisch zu Ungunsten des revolutionären Prozesses verschob,
gehörten grundlegend die Fehlentscheidungen der KPdSU im Umkreis des XX.
Parteitages. Sie erschütterten zutiefst das revolutionäre Selbstbewußtsein der
ganzen kommunistischen Weltbewegung und damit zugleich das Zutrauen breiter
antiimperialistischer Kräfte. Bis dahin überzeugte Kommunisten wurden zu
Renegaten, und treue Bundesgenossen wandten sich voller Entsetzen ab. Danach
fanden das sozialistische Lager und viele kommunistische Parteien in Europa nie
wieder zu der Geschlossenheit und Prinzipien- Klarheit und -Festigkeit zurück,
deren sie zur Selbstbehauptung und zu weiterem Wachstum in jeder Beziehung
bedurft hätten.13)
Bei dem umfangreichen
Material erscheint es mir zweckmäßig, Stalins Beiträge zur Parteitheorie in
zwei große Abschnitte zu untergliedern. Erstens, zur marxistisch-leninistischen
Parteitheorie im allgemeinen, zweitens, der Kampf Stalins gegen die
parteifeindliche Opposition in der
KPdSU (B) von 1925 bis Ende der 30er Jahre. Im ersten Abschnitt werden
die innerparteilichen Kämpfe nur soweit tangiert, wie zum Verständnis
erforderlich. Den Kampf Stalins gegen feindliche Gruppierungen innerhalb der
Partei in einem gesonderten Abschnitt darzustellen, erscheint mir dadurch
gerechtfertigt, daß gerade dieser Kampf im Mittelpunkt bürgerlicher,
revisionistischer, antistalinscher Publizistik steht. Es ist dabei
unvermeidlich, daß das historisch-chronologische Prinzip dem
theoretisch-logischen untergeordnet werden mußte. Diesen Nachteil mußte ich in
Kauf nehmen.
Um es vorweg zu nehmen: Das
Verdienst der Ausarbeitung der Theorie der Partei neuen Typus gebührt Lenin.
Alle Vorwürfe an die Adresse der „stalinistischen“ Partei sind an Lenin zu
richten, was bürgerliche Autoren im Unterschied zu den Revisionisten und
Trotzkisten auch tun. Die Revisionisten schlagen auf die „stalinistische“
Parteikonzeption ein und berufen sich dabei auf Lenin, so Chruschtschow,
Gorbatschow und ihre Epigonen. Den Revisionisten geht es angeblich um die
„Wiederherstellung“ der „Leninschen Normen“ des Parteilebens. Anders können sie
Kommunisten nicht täuschen, sie nicht ideologisch entwaffnen und in das
kapitalistische Gesellschaftssystem integrieren. Die PDS-Größen haben dabei
Erstaunliches geleistet und ihre Partei folgerichtig in den politischen
Bankrott geführt. Das gleiche trifft auf die Reformisten in den einst starken
kommunistischen Parteien in Italien und Frankreich zu, die sie zur Bedeutungslosigkeit
heruntergebracht haben. „Gut gewühlt, alter Maulwurf!“
Bezüglich der Parteifrage ist
auf die Kontinuität von Marx - Lenin - Stalin hinzuweisen. Ein Vergleich der
Statuten des Bundes der Kommunisten (1847), der Statuten der Internationalen
Arbeiterassoziation (1864) mit den Statuten der KPR (B) weisen diese
Kontinuität eindeutig nach.14) Die Grundideen, die in den genannten
Dokumenten enthalten sind, bilden allgemeingültige Axiome einer Kommunistischen
Partei: Proletarischer Charakter der Partei, Proletarischer Internationalismus,
Führung der Arbeiterklasse durch die Partei/ihre Rolle als Avantgarde,
Verbindung der Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus mit der spontanen
Arbeiterbewegung; Errichtung der Diktatur des Proletariats als politischer Voraussetzung
zur Aufhebung des Privateigentums an Produktions- und Zirkulationsmitteln,
Aufhebung der Klassenteilung der Gesellschaft, demokratischer Zentralismus als
Organisationsprinzip, Errichtung der sozialistischen und kommunistischen
Gesellschaft. Sowohl die Statuten des Bundes wie die der KPdSU verlangten von
ihren Mitgliedern „entsprechende Lebensweise und Wirksamkeit“, „revolutionäre
Energie und Eifer der Propaganda“, „Bekennung des Kommunismus“ und
„Unterwerfung unter die Beschlüsse“ der Partei. Auch die Statuten des Bundes
der Kommunisten sahen bei Verletzung der Bedingungen der Mitgliedschaft den
Ausschluß sowie auch den Schutz der Partei vor Diversanten vor. Die
Kreisbehörden hatten über Verbrechen gegen den Bund zu richten und für die
Vollstreckung der Urteile zu sorgen; verdächtige Subjekte seien zu überwachen
und unschädlich zu machen.15)
Neben der Kontinuität von der
Marxschen zur Leninschen Parteiauffassung gibt es in letzterer allerdings auch
Neues. Mit dem Übergang des Kapitalismus der freien Konkurrenz zum
Monopolkapitalismus und Imperialismus, dem hohen Grad der Konzentration von
Produktion und Kapital, dem hohen Organisationsgrad der imperialistischen
Herrschaftsapparate und der Kriegsgefahr nahm die Organisationsfrage bei Lenin
einen höheren Stellenwert ein als im 19. Jahrhundert. Mit dem Imperialismus
begann die Epoche der Kriege und proletarischen Revolutionen, des „Erwachens
Asiens“, die einen Epochenwandel einleiteten. Insofern war die Partei neuen
Typus eine Höherentwicklung zur Marxschen Partei des 19. Jahrhunderts. Mit der
Herausbildung von Großbetrieben mit mehr als 1.000 Arbeitern und Angestellten
reichte auch das Territorialprinzip der Organisation nicht mehr aus. Es kam
zusätzlich zur Bildung von Betriebsparteiorganisationen, die eine engere
Verbindung zwischen Partei und Arbeitern/Angestellten direkt am Arbeitsplatz
ermöglichten. Das Fraktionsverbot (X. Parteitag der KPR/B) März 1921 innerhalb
der Partei erwies sich zum Schutz der Partei, zur Wahrung ihres Charakters nach
der Eroberung der politischen Macht in Rußland als notwendig, stellt jedoch
kein allgemeingültiges Axiom der Parteitheorie dar.
Der Begriff „Partei neuen
Typus“ ist in den Schriften Lenins bis 1915 nicht zu finden. Meines Wissens
erscheint er erstmalig in seinem Artikel „Was weiter? (Über die Aufgaben der
Arbeiterparteien gegenüber Opportunismus und Sozialchauvinismus)“ vom Januar
1915: „Der Typus der sozialistischen Parteien der Epoche der II. Internationale
war die Partei, die in ihrer Mitte einen Opportunismus duldete, der sich in den
Jahrzehnten der ‘friedlichen’ Periode immer mehr ausbreitete, aber im
Verborgenen blühte, der sich den revolutionären Arbeitern anpaßte, von ihnen
ihre marxistische Terminologie übernahm und jeder klaren, prinzipiellen Abgrenzung
aus dem Weg ging. Dieser Typus hat sich überlebt.“16)
Bezüglich der europäischen
Parteien meinte Lenin 1922, daß die „Umgestaltung des alten Typus der
parlamentarischen, in Wirklichkeit reformistischen und nur leicht revolutionär
übertünchten europäischen Partei zu einem neuen Typus der Partei, zu einer
wirklichen revolutionären, wirklich kommunistischen Partei eine außerordentlich
schwierige Sache sei.“17. Seit dieser Zeit wird die Leninsche Partei
als „Partei neuen Typus“ bezeichnet. Der englische Historiker Eric Hobsbawm
schreibt: „Die Macht der revolutionären Bewegungen beruhte auf der
kommunistischen Organisationsform nach Lenins ‘neuen Parteitypus’, einer gewaltigen Innovation für die
Gesellschaftskonstruktion des 20. Jahrhunderts, vergleichbar nur mit der
Begründung der christlichen Klosterkultur und anderer Orden des Mittelalters.
Selbst kleine Organisationen konnten dadurch unverhältnismäßig starke
Wirkungskraft entfalten, denn mehr noch als militärische Disziplin und
Zusammenhalt gelang es der ‘Partei’, von ihren Mitgliedern ein
außerordentliches Maß an Hingabe und Selbstaufopferung und die vollständige
Konzentration auf die unbedingte Ausführung aller Parteibeschlüsse
einzufordern. Sogar gegnerische Beobachter waren davon tief beeindruckt.“18)
Die „Partei neuen Typus“ ist ihrem Wesen nach die alte Partei von Marx und
Engels unter den Bedingungen des Imperialismus, der proletarischen Revolutionen
und des Aufbaus des Sozialismus. Sie wurde geschaffen im Kampf gegen
Revisionismus, Trotzkismus, Anarchismus und anderen Abweichungen vom Marxismus.
An der Ausarbeitung und Politik der Partei neuen Typus durch Lenin hatte Stalin
mit eigenständigen Beiträgen einen Anteil.
Erste Äußerungen Stalins zur
Parteitheorie finden sich in dem Artikel „Die Sozialdemokratische Partei
Rußlands und ihre nächsten Aufgaben“ in der Zeitung „Brdsola“ („Der Kampf“) Nr.
2/3, November/Dezember 1901. Dieser Artikel trägt keine Unterschrift, was unter
den Bedingungen der Illegalität ganz normal war. Isaak Deutscher meint, daß
dieser Artikel „wahrscheinlich“ von mehreren Autoren geschrieben worden sei,
daß Stalin aber „wahrscheinlich“ „maßgeblich mitgearbeitet“ habe.19)
Deutscher erklärt aber nicht, wie er zu dieser Annahme gelangt. Auf diese Weise
kann man die Autorenschaft vieler Artikel - nicht nur von Stalin - in Frage
stellen, die unter illegalen Bedingungen geschrieben wurden und deren Verfasser
allen Grund hatten, ihre Artikel nicht oder nur mit einem Pseudonym zu
unterzeichnen. Einleitend erfolgt eine historisch-kritische Würdigung der
westeuropäischen utopischen Sozialisten, R. Owen, Louis Blanc, Fourier. Da
Stalin als Georgier neben seiner Muttersprache nur eine Fremdsprache, Russisch,
beherrschte, konnte er Kenntnisse über die westeuropäischen Utopisten nur über
Übersetzungen erhalten haben. Deutscher muß einräumen, daß Stalin, wenn auch
aus „zweiter Hand“, die Entwicklung der westeuropäischen, besonders der
deutschen, Sozialdemokratie „sehr genau“ verfolgte.20)
Die Hauptaufgabe der
russischen Sozialdemokratie sah Stalin in völliger Übereinstimmung mit Lenin
darin, „das Klassenbewußtsein der Arbeiter zu entwickeln... den getrennten und
zersplitterten Kampf einzelner Arbeitergruppen gegen die einzelnen Unternehmer
zu vereinigen, ihn zu einem gemeinsamen Klassenkampf zu verschmelzen... .“21)
Es ist hier der Gedanke von der Verbindung der sozialistischen Ideologie mit
der spontanen Arbeiterbewegung, den Lenin zur gleichen Zeit in der „Iskra“ und
ein Jahr später in seiner Schrift „Was tun?“ ausführlich begründete, enthalten.
In diesem Kontext kritisierte Stalin die „sogenannten Bernsteinianer“, für die
die Bewegung alles, das Endresultat nichts sei. So wandte sich Stalin gegen die
„Groschenpolitik“ der russischen Revisionisten, wie sie in einem Artikel in der
Petersburger Zeitung „Rabotschaja Myssl“ zum Ausdruck kam, wonach „Unser
politisches Programm... im ‘Zehnstundentag’ und der ‘Wiedereinführung der durch
das Gesetz vom 2. Juni (1897 UH) abgeschafften Feiertage’“ bestünde.22)
Stalin orientierte die Partei
auf den Übergang von der Propaganda in Zirkeln und ökonomischen Streiks zum
politischen Kampf, zur politischen Agitation. Die zaristische Selbstherrschaft
unterdrücke nicht nur die Arbeiter, sondern auch die Bauern, die
nichtrussischen Nationen und Nationalitäten und die Angehörigen anderer
Glaubensbekenntnisse, die mögliche Bündnispartner in einer demokratischen
Revolution seien können. Er kritisierte die Taktik der Bourgeoisie, den Kampf
gegen den Zarismus auf dem Rücken der Arbeiter auszutragen, um dann selbst die
politische Macht zu übernehmen. Die Bourgeoisie aller Länder und Nationen
verstünde es sehr wohl, „mit fremden Fingern die Glut aus dem Ofen kratzen zu
lassen... .“ Sie räume „mit Vergnügen der Arbeiterklasse und überhaupt dem
einfachen Volk das Recht ein, den Rücken hinzuhalten, wo die Peitschen der
Kosaken sausen oder die Kugeln der Soldaten pfeifen, auf den Barrikaden zu
kämpfen... .“ Sie „sympathisiere“ mit diesem Kampf und „empöre“ sich über die
„Grausamkeiten“ des Feindes. Aber erst wenn die „Ohnmacht des Feindes“ klar
erkennbar sei, ginge sie selbst zu revolutionären Maßnahmen über.23)
An anderer Stelle ging Stalin
auf das Verhältnis der Arbeiter zur Bourgeoisie ein. Die Bourgeoisie räume den
Arbeitern lediglich die „Rolle einer Hilfskraft“ ein. Die Arbeiterbewegung
solle sich auf den ökonomischen Kampf beschränken, den politischen Kampf jedoch
der „Intelligenz“ überlassen. Wie die Geschichte lehre, sollten die Arbeiter
nur „für die Bourgeoisie die Kastanien aus dem Feuer“ holen. Die Bourgeoisie
lebe in „ständiger Furcht vor dem ‘roten Gespenst des Kommunismus’“ und bemühe
sich „in allen Revolutionen die Sache dort enden zu lassen, wo sie eigentlich
erst beginnt.“24) Damit war bereits 1901 die Frage nach dem Hegemon
in der bürgerlich-demokratischen Revolution unter den neuen Bedingungen des
Imperialismus beantwortet. Stalin orientierte auf die „führende Rolle“ der
Arbeiterklasse in der bürgerlich-demokratischen Revolution, und damit die
Arbeiterklasse diese führende Rolle übernehmen könne, bedürfe es der
selbständigen politischen Partei.“25)
Ein Teil der Studenten kämpfe
mit Entschlossenheit für seine Forderungen. Man dürfe aber nicht vergessen, daß
auch dieser Teil aus den Söhnen der unterdrückten Bürger besteht. Solange die
Studentenschaft noch nicht im praktischen Leben aufgegangen, noch keine
bestimmte gesellschaftliche Stellung eingenommen habe, neige sie idealen
Bestrebungen zu, riefe sie „zum Kampf für die Freiheit“ auf. Die Studenten
traten in dieser Zeit (vor 100 Jahren in Rußland UH) in der demokratischen
Bewegung „fast als Leiter, als Vortrupp“ auf, um die sich „der unzufriedene Teil
der verschiedenen Gesellschaftsklassen“ gruppierte. Die Regierung zog
streikende Studenten als Rekruten ein. Die Studenten gingen zu
Straßendemonstrationen über. Aus den politischen Demonstrationen - nicht nur
derjenigen der Studenten - gewann Stalin die Einsicht, daß sie nicht
niedergeschlagen werden können. Das gemeinsame Banner, unter denen die
Demonstrationen verliefen und die die Teilnehmer aus verschiedenen Klassen
vereinigte, war der Sturz der Selbstherrschaft. Selbst wenn die
Straßendemonstrationen auch keine direkten Resultate zeigten, die Regierung so
manches Mal als Sieger hervorginge, so seien dies „Pyrrhussiege“. „Noch einige
solcher Siege - und die Niederlage des Absolutismus ist sicher.“
Die Staatsgewalt sei genauso
überzeugt, wie wir, daß die Straßenagitation das Todesurteil für sie sei, „daß
nur noch zwei bis drei Jahre zu vergehen brauchen, bis sich das Gespenst der
Volksrevolution vor ihr erhebt.“26) Eine bemerkenswerte Prognose des
22jährigen Stalins. Vier Jahre später erhoben sich die werktätigen Massen
Rußlands zur demokratischen Revolution. Deutscher meint zu dieser Arbeit des
Zweiundzwanzigjährigen, daß sie „kein literarisches Meisterwerk“ sei,
verglichen mit den Arbeiten Lenins und Plechanows, aber für kaukasische
Verhältnisse sei sie eine Leistung. Der Aufsatz in „Brdsola“ gehöre „zum
Besten, was Stalin innerhalb eines halben Jahrhunderts geschrieben“ habe.27)
Aus den beiden „Briefen aus
Kutais“ vom Oktober 1904 gehen die enge Verbindung und der Gedankenaustausch
zwischen Lenin und Stalin bezüglich von Grundfragen der Parteitheorie deutlich
hervor. Es ging um das Verhältnis von Spontaneität und Bewußtsein. Die Theorie
des Sozialismus kann nicht spontan aus der Bewegung der Massen entstehen. Sie
wird „‘ganz unabhängig von der Entwicklung der spontanen Bewegung’
ausgearbeitet, sogar trotz dieser Bewegung, und danach erst in diese Bewegung
von außen hineingetragen, wobei sie die Bewegung entsprechend ihrem Inhalt
korrigiert, d.h. entsprechend den objektiven Anforderungen des Klassenkampfes
des Proletariats.“ Das Proletariat muß „zum Bewußtsein der wahren
Klasseninteressen“, zur „Erkenntnis des sozialistischen Ideals“ geführt werden.28)
Der Hintergrund dieser Briefe aus Kutais war die Auseinandersetzung Lenins mit
Kautsky, Rosa Luxemburg, Plechanow, Axelrod und Wera Sassulitsch bezüglich des
Problems „Führer und Massen“, bewußte Führung der Massen durch die Partei, oder
„Spontaneitätstheorie“, nach der die Führer den spontanen Kämpfen der Massen
folgen.29)
Von Bedeutung für die
Ausarbeitung der Leninschen Parteitheorie war die Arbeit von Stalin „Die Klasse
der Proletarier und die Partei der Proletarier (Zu Punkt 1 des Parteistatuts)“
vom 1. Januar 1905. Auf dem II. Parteitag der SDAPR (17. Juli bis 10. August 1903
in Brüssel und London) kam es zu einer scharfen Kontroverse zwischen den
marxistischen Kräften und den Opportunisten in der Partei. Der Streit
entzündete sich um eine entscheidende Organisationsfrage der Partei, der Frage
nach der Mitgliedschaft in der Partei, um die Formulierung des $ 1 des
Parteistatuts. Auf diesem Parteitag bildeten sich die beiden Strömungen heraus,
Bolschewiki und Menschewiki, die Leninisten und Opportunisten, die sich
unversöhnlich gegenüberstanden. Auf der Prager Parteikonferenz 1912 führte
dieser Kampf zur Trennung der Bolschewiki von den Menschwewiki. „Die
Meinungsverschiedenheiten“, schrieb Lenin, „die diese beiden Flügel gegenwärtig
voneinander trennen, laufen hauptsächlich nicht auf programmatische und nicht
auf taktische, sondern nur auf organisatorische Fragen hinaus.“ Lenin
bezeichnete das „System der Anschauungen“ der um Martow gruppierten Genossen
als „Opportunismus in organisatorischen Fragen.“30)
Stalin war auf dem Parteitag
nicht anwesend und konnte sich erst mit diesem Artikel zu Wort melden. Die
Protokolle des II. Parteitages muß er gekannt haben, sonst hätte er sich in
seinem Artikel nicht so ausführlich mit den Auffassungen Martows
auseinandersetzen können. Ob er Lenins Schrift „Ein Schritt vorwärts, zwei
Schritte zurück“, veröffentlicht im Mai 1904, kannte, muß ich offen lassen. Er
hat Lenin nur einmal angeführt, während er sich mit Martow sehr ausführlich
auseinandergesetzt hat. Die Argumentation Stalins gegen Martow unterscheidet
sich auch von der Lenins. Sie ist in einigen Aspekten noch schärfer.
Stalin faßte die Partei der
Proletarier als eine „Kampfgruppe von Führern“ auf. Erstens muß sie nach ihrer
Mitgliederzahl viel kleiner sein als die Klasse der Proletarier, sie muß
zweitens nach ihrem Klassenbewußtsein und ihrer Erfahrung nach höher stehen als
die Klasse der Proletarier, sie muß drittens eine geschlossene Organisation
darstellen. Stalin betonte die Partei als eine „geschlossene zentralisierte
Organisation“, damit sie das kämpfende Proletariat nach einem einheitlichen
Plan führen kann.31) Unter diesem Aspekt „geschlossene,
zentralisierte Organisation“ stellte Stalin die Frage nach der Mitgliedschaft,
dem § 1 des Parteistatuts. Die Einheit von programmatischen, taktischen und
organisatorischen Ansichten ist der Boden der Partei. Nur auf der Einheit
dieser drei Ansichten können sich die Parteimitglieder zu einer zentralisierten
Partei zusammenschließen. „Zerfällt die Einheit der Ansicht, so zerfällt auch
die Partei.“ Folglich kann nur Parteimitglied sein, der das Parteiprogramm, die
Taktik, das Organisationsprinzip „restlos akzeptiert.“32)
Gegen Schwätzer gewandt, die
in einer Kampfpartei nichts zu suchen haben, müsse ein Parteimitglied
darangehen, die genannten Ansichten auch zu verwirklichen, sie in die Tat umzusetzen.
Die Partei sei eine Organisation von Führern, keine Anhäufung von
Einzelgängern.33) Von den Parteimitgliedern sei zu fordern, daß die
„persönlichen Interessen mit den Interessen der Partei verschmelzen.“ Die
Partei sei „eine Festung“, deren Tore sich nur Erprobten öffnen.34)
Ausführlich wandte er sich gegen Martow, dessen Formulierung des § 1 die Partei
jedem Sympathisierenden öffnen würde, von dem nicht verlangt werde, in einer
Parteiorganisation und unter deren Kontrolle mitzuarbeiten, also nicht der
Parteidisziplin unterworfen wäre. In Übereinstimmung mit Lenin argumentierte
Stalin, daß Professoren und Studenten, denen die Unterordnung unter die
Parteidisziplin schwer falle, „die sich nicht entschließen können, ihre Wünsche
den Wünschen der Partei unterzuordnen“, nicht in die Partei aufgenommen werden
können. Martow, dem es gerade um die Aufnahme von diesen Intellektuellen ginge,
ohne von ihnen die Unterordnung unter die Parteidisziplin zu fordern - da sie
sonst der Partei fernbleiben würden - öffnete damit die Türen dem
Opportunismus, „zu einer Zeit, wo Tausende von Feinden das Klassenbewußtsein
des Proletariats bedrängen.“35)
Aus dem in diesem Halbsatz
genannten Sachverhalt ergibt sich offenbar die Schärfe der Stalinschen
Argumentation. Stalin erlebte die Unterdrückung durch die Selbstherrschaft am
eigenen Leibe. Er war häufig in der Verbannung, in Gefängnissen oder auf der
Flucht. Er mußte unter den Bedingungen der Illegalität arbeiten, ständig auf
der Hut sein. Unter diesen Bedingungen konnte die Partei tatsächlich nur
existieren, kämpfen und das Proletariat führen, wenn sie zentralistisch
organisiert wurde und eine eiserne Disziplin herrschte. Für intellektuelle
„Sympathisanten“, die die Disziplin nur vor den anderen, den den „niederen
Klassen“ angehörenden Parteimitgliedern verlangten, selbst aber „über den
Dingen“ standen, war in einer revolutionären Kampfpartei unter den genannten
Bedingungen kein Platz.
Stalin war sich darüber im
klaren, daß es einem Menschen schwer falle, sich mit diesen Bedingungen
einverstanden zu erklären, „ist es doch kein Spaß, seine Wünsche den Wünschen
der Partei unterzuordnen.“36) Stalin ging in seinen Forderungen
offenbar über die von Lenin in seiner Schrift „Ein Schritt vorwärts, zwei
Schritte zurück“ formulierten noch hinaus. Lag die Ursache dafür darin, daß
Stalin den Kampf in der Illegalität unter den w.o. genannten Bedingungen
führte, während Lenin in der Emigration - sicher auch kein Vergnügen - deren
Druck nicht unmittelbar ausgesetzt war? Stalin wies selbst darauf hin, daß er
sich in seinen Formulierungen von Lenin unterschied:
„In Martows Formulierung ist,
wie wir wissen, nur von der Annahme des Programms die Rede, von der Taktik und
der Organisation aber kein Wort, während für die Einheit der Partei die Einheit
der organisatorischen und taktischen Ansichten in demselben Maße notwendig ist
wie sie Einheit ihrer programmatischen Ansichten. Man wird uns sagen, auch in
der Formulierung des Genossen Lenin werde hiervon nicht gesprochen. Richtig!
Aber in der Formulierung des Genossen Lenin ist es ja auch nicht notwendig,
darüber zu sprechen! Ist es nicht von selbst klar, daß derjenige, der in einer
der Parteiorganisationen arbeitet, also auch gemeinsam mit der Partei kämpft
und sich der Parteidisziplin fügt, keiner anderen Taktik und keinen anderen
Organisationsprinzipien folgen kann als der Taktik der Partei und den
Organisationsprinzipien der Partei? Was aber werdet ihr von einem
„Parteimitglied“ sagen, das das Parteiprogramm akzeptiert hat, jedoch keiner
Parteiorganisation angehört? Welche Garantie ist gegeben, daß dieses „Mitglied“
die Taktik und die organisatorischen Ansichten der Partei vertreten wird, und
keine anderen?! Das ist es, was uns Martows Formulierung nicht erklären kann!
Martows Formulierung muß die Folge haben, daß uns eine seltsame „Partei“ in den
Händen bleibt, deren „Mitglieder“ das gleiche Programm haben (das ist noch eine
Frage!), während ihre taktischen. und organisatorischen Ansichten verschieden
sind! Eine ideale Vielfältigkeit. Wodurch wird sich dann unsere Partei von
einem Bankett unterscheiden?“37)
Die Frage der Parteidisziplin
beschäftigte Lenin und Stalin noch in weiteren Schriften.
Ein Jahr später, April/Mai
1905 setzte sich Stalin erneut mit Parteifragen in seiner Broschüre „Kurze
Darlegung der Meinungsverschiedenheiten in der Partei“ auseinander.38)
In Übereinstimmung mit Lenin ging Stalin davon aus, daß nur zwei Ideologien in
unserer Zeit existieren, die bürgerliche und die sozialistische. Die
bürgerliche Ideologie sei viel älter, verbreiteter, habe tiefere Wurzeln im
Leben geschlagen als die sozialistische. Das gesellschaftliche Leben sei von
der bürgerlichen Ideologie „durchtränkt.“ Es sei viel leichter, die bürgerliche
Ideologie zu verbreiten als die sozialistische.39)
Diese Feststellung galt nicht
nur für das Rußland im Jahre 1905. Das Verhältnis in der Durchsetzung der
sozialistischen Ideologie gegenüber der bürgerlichen ist abhängig von ganz konkreten
Bedingungen. Nach der Zerstörung des europäischen Sozialismus ist es in Europa
und in den USA sehr schwierig, im Kampf gegen die übermächtig erscheinenden
bürgerlichen Medien die sozialistische Ideologie wenigstens in Grundzügen noch
zu behaupten. Auch in unserer Zeit ist die Gesellschaft von der bürgerlichen
Ideologie, man kann sagen, „von Kopf bis Zeh“, durchtränkt. Insofern ist die
Auseinandersetzung zwischen Bolschewiki und Menschewiki in Rußland vor hundert
Jahren noch immer aktuell. Die bürgerlichen Ideologen würden „nicht
schlummern“, sie verkleiden sich auf ihre Art als Sozialisten und versuchen
unermüdlich, die Arbeiterklasse der bürgerlichen Ideologie zu unterwerfen.40)
Die Rolle, die damals die Menschewiki in der russischen und internationalen
Arbeiterbewegung spielten, haben heute die „Reformer“ in der PDS und in vormals
starken europäischen kommunistischen Parteien übernommen.
Die Arbeiterklasse fühle sich
spontan zum Sozialismus hingezogen, aber die bürgerliche Ideologie dränge sich
trotzdem spontan dem Arbeiter auf. Darum müsse die Partei die Arbeiterbewegung
mit dem Sozialismus vereinigen. Die Arbeiterklasse würde sich natürlich
„irgendeinmal, nach langen Irrungen und Qualen“ durch die spontane Bewegung
auch „ohne Hilfe der Sozialdemokratie durchsetzen, bei den Toren der sozialen
Revolution anlangen.“41) Der wissenschaftliche Sozialismus sei ohne
Arbeiterbewegung nichts, aber die Arbeiterbewegung sei ohne wissenschaftlichen
Sozialismus ein Schiff ohne Kompaß, „das auch so am andern Ufer landen wird...“
jedoch mit dem Kompaß ginge es schneller.42) Diese Aussagen, wonach
die spontane Bewegung auch zum Sozialismus führen würde, ist heute, nach
hundert Jahren, nicht mehr aufrechtzuerhalten. Eine ähnliche Aussage habe ich
in späteren Arbeiten von Lenin und Stalin auch nicht mehr gefunden.
Der Schwerpunkt der
Argumentation lag bei Lenin („Was tun?“) und Stalin auf der Begründung der
Notwendigkeit des Hineintragens der sozialistischen Ideologie in die
Arbeiterklasse, der Verbindung von sozialistischer Theorie mit der spontanen
Arbeiterbewegung, da sich die Arbeiter spontan nicht den wissenschaftlichen
Sozialismus aneignen können. Die Theorie wird von Intellektuellen
ausgearbeitet, von Wissenschaftlern, die über die nötige Ausbildung, über das Wissen
ihrer Zeit verfügen. Die Theorie entsteht außerhalb der Arbeiterbewegung und
muß in diese hineingetragen werden. Damit wandte sich Stalin wieder der Frage
nach den Gelehrten, den Intellektuellen zu. Die Intellektuellen entstammten zum
überwiegenden Teil dem Bürgertum. „Der größte Teil der Gelehrten“, meinte
Stalin, betrachte die Arbeiterbewegung als „eine Rebellion Widerspenstiger“,
„die man mit der Peitsche zur Vernunft bringen sollte.“ Andere meinten, es sei
„Pflicht der Reichen“, „den Armen irgendwelche Brosamen zuzuteilen,
betrachteten die Arbeiterbewegung als eine „Bewegung von Bettlern, deren Ziel
es sei, Almosen zu erhalten.“ Unter „tausend solcher Gelehrten wird sich
vielleicht nur einer finden, der an die Arbeiterbewegung wissenschaftlich herangeht.“43)
Stalin zitierte aus einem
Artikel Kautskys, der in Lenins „Was tun?“ abgedruckt war, wonach das „moderne
sozialistische Bewußtsein“ nur „auf Grund tiefer wissenschaftlicher Einsicht“
entstehen kann. „Träger der Wissenschaft ist aber nicht das Proletariat,
sondern die bürgerliche Intelligenz.“
In „einzelnen Mitgliedern“
dieser Schicht sei der moderne Sozialismus entstanden und durch sie erst
„geistig hervorragenden Proletariern“ vermittelt worden, „die ihn dann in den
Klassenkampf des Proletariats hineintragen. Das sozialistische Bewußtsein sei
also etwas von außen in den Klassenkampf des Proletariats Hineingetragenes“, es
sei nicht „urwüchsig“ in ihm entstanden.44) Desgleichen berief sich
Stalin auf eine andere Aussage von Kautsky (zitiert bei Lenin: „Ein Schritt
vorwärts, zwei Schritte zurück“, UH) bezüglich der Parteidisziplin. Der
Proletarier sei nichts als isoliertes Individuum. Seine Kraft, Erwartungen und
Hoffnungen schöpfe er aus der Organisation. Daraus folge, daß der Proletarier
„sein Pflicht auf jeden Posten, auf den er gestellt wird, in freiwilliger
Disziplin“ erfülle.
Der Literat dagegen füge sich
nur mit großer Mühe der Parteidisziplin, nur aus Nötigung und nicht aus gutem
Willen. „Die Notwendigkeit der Disziplin erkennt er nur für die Masse, nicht
für auserlesenen Geister an.“ Er selbst rechnet sich natürlich zu den
letzteren.45)
Bezüglich der Rolle der
Intellektuellen in der Arbeiterbewegung zeigt sich auch hier Kontinuität von
Marx/Engels zu Lenin und Stalin, auch über Kautsky, solange letzterer noch
Marxist war. In dem bekannten „Zirkularbrief“ von Marx und Engels an Bebel,
Liebknecht, Bracke und andere vom 17./18. September 1879 unterbreiteten sie
Kriterien für die Aufnahme von Intellektuellen aus dem Bürgertum in die Partei:
„1. müssen diese Leute, um der proletarischen Bewegung zu nutzen, auch
wirkliche Bildungselemente mitbringen.“ 2. dürfen sie „keine Reste von
bürgerlichen, kleinbürgerlichen etc. Vorurteilen mitbringen, sondern sich die
proletarische Anschauungsweise unumwunden aneignen.“ Solche Intellektuellen,
die in bürgerlichen und kleinbürgerlichen Vorstellungen befangen sind, sind „in
einer Arbeiterpartei... ein fälschendes Element. Sind Gründe da, sie vorderhand
darin zu dulden, so besteht die Verpflichtung, sie nur zu dulden, ihnen keinen
Einfluß auf Parteileitungen zu gestatten, sich bewußt zu bleiben, daß der Bruch
mit ihnen nur eine Frage der Zeit ist.“ In einem kleinbürgerlichen Land wie
Deutschland hätten sie das Recht, sich als „sozialdemokratische
Kleinbürgerpartei“ zu konstituieren, mit denen man ja verhandeln und je nach
Umständen Kartell schließen könne.46)
Es ist interessant, daß schon
in dieser Zeit ein Vertreter der kaukasischen Menschewiki behauptete, daß der
„Leninismus dem Marxismus von Grund aus widerspricht.“47) Diese
Behauptung ist also nicht neu, inzwischen schon hundert Jahre alt. Ist der
Begriff „Leninismus“ vielleicht von einem Menschewiki erstmalig geprägt worden?
Deutscher meint zu diesem
Artikel Stalins, es gäbe „...kein Zweifel darüber, daß Stalin ein
unerbittlicher Leninist war.“48) Dem ist zuzustimmen. Es gab demnach
auch bei Deutscher keinen Bruch zwischen Leninscher und Stalinscher
Parteitheorie.
Die Fragen Zentralismus -
Mitgliedschaft in der Partei - Verbindung von wissenschaftlichem Sozialismus
mit der spontanen Arbeiterbewegung - sozialistische und bürgerliche Ideologie
wurden in mehreren Artikeln sowohl von Lenin als auch von Stalin wiederholt
behandelt, wobei auch neue Aspekte hinzugefügt wurden. So in Stalins Artikel
„Antwort an den ‘Sozialdemokrat’“ vom 15. August 190549), den Lenin
in einem Artikel vom 24. Oktober 1905 kurz reflektierte, wobei er die
„ausgezeichnete Fragestellung über das berühmte ‘Hineintragen des
Bewutßtseins’“ hervorhob.50) Es geht hierbei weniger um die
Anerkennung des Artikels von Stalin durch Lenin, als um den Nachweis der
Zusammenarbeit Lenins mit Stalin bei geographisch räumlicher Trennung und unter
den Bedingungen der Illegalität für Stalin in dieser Zeit, um den Nachweis der
Übereinstimmung, der Kontinuität von Lenin zu Stalin. Auch in diesem Artikel
berief sich Stalin auf Kautsky und Lenin in der Auseinandersetzung mit den
Menschewiki.
Stalin ging von „zwei großen
Klassen“ aus, zwischen denen „ein Kampf auf Leben und Tod“ geführt werde. Die
Lebensbedingungen der Bourgeoisie zwinge diese, die kapitalistischen Zustände
zu festigen. Die Lebensbedingungen des Proletariats wiederum zwinge es, diese
kapitalistischen Zustände aus der Welt zu schaffen. Entsprechend dieser beiden
Klassen werde ein zweifaches Bewußtsein herausgearbeitet, das bürgerliche und
sozialistische. Wenn es keinen Kapitalismus und keinen Klassenkampf gäbe, würde
es auch kein sozialistisches Bewußtsein geben.
Wenn auch der
wissenschaftliche Sozialismus von einigen wenigen sozialdemokratischen
Intellektuellen ausgearbeitet und über die Partei das sozialistische Bewußtsein
in die Arbeiterbewegung hineingetragen werde, dürfe man nicht daraus schließen,
daß „es nur Intellektuelle in der sozialdemokratischen Partei“ gäbe. In der
Partei gäbe es mehr fortgeschrittene Arbeiter als Intellektuelle. Mit der
Entstehung des Proletariats, meint Kautsky, entstünden zugleich auch
sozialistische Tendenzen, kämen sozialistische Bestrebungen auf. Diese
sozialistischen Bestrebungen entstünden von selbst, aber diese Bestrebungen,
diese sozialistischen Tendenzen dürfen nicht mit sozialistischem Bewußtsein
verwechselt werden. Letzteres müsse, auch nach Kautsky, von außen in die
Arbeiterklasse hineingetragen werden.51)
Diese von Kautsky, Lenin und
Stalin mehrfach ausführlich begründete Notwendigkeit des Hineintragens des
sozialistischen Bewußtseins durch die Partei in die spontane Arbeiterbewegung
wird bis in die Gegenwart auch von Kommunisten angefochten. So meint der
Sprecher der Bundeskoordination der Kommunistischen Plattform in der PDS,
Friedrich Rabe: „Revolutionäres Bewußtsein entsteht in der Arbeiterklasse im
Prozeß der Auseinandersetzung mit den täglichen Widersprüchen. Die These von
der Möglichkeit, Bewußtsein in die Arbeiterklasse hineintragen zu können, trägt
zutiefst idealistischen Charakter. Sie vermittelt die Illusion, den Zeitpunkt
gesellschaftlicher Veränderungen selbst bestimmen zu können. Eine große
historische Leistung ist es bereits, wenn es gelingt den Zeitpunkt zu erkennen,
in dem sich qualitative gesellschaftliche Veränderungen anbahnen, um Einfluß
auf ihre Entwicklungsrichtung zu nehmen.“
Die Begründung des
„idealistischen Charakters“ der These vom „Hineintragen“ bleibt Genosse Rabe
schuldig. Niemand hat behauptet, durch das „Hineintragen“ den Zeitpunkt
gesellschaftlicher Veränderungen bestimmen zu können. Wenn er diese Illusion
hat, ist dies seine Sache. Jedenfalls hat die Politik des Hineintragens
maßgeblich zur Bildung marxistisch-leninistischer Parteien im internationalen Maßstab
beigetragen, und diese Parteien waren solange erfolgreich, bis sie von
Revisionisten von innen zerstört werden konnten. Offenbar will aber auch
Genosse Rabe „Einfluß“ auf „Entwicklungsrichtungen“ nehmen. Wie denn? Nicht
„von außen“?
Stalin ging in seinem Artikel
weiter auf die Ursachen der Spaltung der Partei in Bolschewiki und Menschewiki
ein. Niemand habe die Menschewiki daran gehindert, „einen Kampf der Ideen und
Prinzipien zu führen. Haben ihnen etwa die Bolschewiki nicht gesagt: Schafft
ein besonderes Organ und verteidigt eure Ansichten, die Partei kann euch ein
solches Organ zur Verfügung stellen...?“52) Die Menschewiki wären
damit nicht einverstanden‚ sie zögen den Kampf „um Sitze“, d.h. in den
damaligen Vertretungskörperschaften, der Dumas, vor. Stalin sah die Ursachen
der Spaltung in der politischen Charakterlosigkeit der menschewistischen
Führer, die er auch begründete:
Nimmt man solche Züge
zusammen, wie politische Charakterlosigkeit, Kampf um der Sitze willen,
Unstandhaftigkeit, Prinzipienlosigkeit und andere derartige Eigenschaften, so
erhalten wir eine gewisse allgemeine Eigenschaft - intelligenzlerische
Wankelmütigkeit, an der vorallem Intellektuelle leiden. Es ist klar, daß
intelligenzlerische Wankelmütigkeit der Boden (die Basis) ist, auf der der
„Kampf um der Sitze willen“, „Prinzipienlosigkeit“ und dergleichen mehr
entsteht. Die Unstatthaftigkeit der Intellektuellen aber ist bedingt durch ihre
gesellschaftliche Lage. So erklären wir die Parteispaltung.53)
Damit war die Parteispaltung sowohl aus objektiven Ursachen, der
„gesellschaftlichen Lage“ der Intellektuellen, als auch aus der sich daraus
ergehenden „intelligenzlerischen Wankelmütigkeit“, aus psychologischen Ursachen
erklärt, in Übereinstimmung mit Kautsky und Lenin.
In dieser gleichnamigen
Artikelserie, geschrieben Juli 1906 bis April l90754), unterschied
Stalin im Sozialismus drei Hauptströmungen: Reformismus, Anarchismus und
Marxismus. Da seine Arbeit auf die Auseinandersetzung mit dem Anarchismus
gerichtet war, der zu dieser Zeit im Kaukasus unter einem Teil des
Kleinbürgertums, aber auch unter Arbeitern, verbreitet war, begnügte er sich
gegenüber dem Reformismus mit der Bemerkung, daß dieser „von Tag zu Tag immer
mehr alle sozialistischen Kennzeichen“ verlöre.55)
Stalin wandte sich gegen die
Auffassung, daß Marxismus und Anarchismus ein und dieselben Prinzipien hätten,
es zwischen ihnen lediglich taktische Meinungsverschiedenheiten gäbe. Dies sei
ein großer Irrtum. „Wir sind der Auffassung, daß die Anarchisten richtige
Feinde des Marxismus sind.“55a) Mit dieser anscheinend sehr
apodiktischen Charakterisierung des Anarchismus befand sich Stalin auch hier in
völliger Übereinstimmung mit Marx und Engels. Mit dem Anarchismus - im 19.
Jahrhundert mit Proudhon und vor allem mit Bakunin - hatten sich Marx und
Engels mehrfach auseinanderzusetzen. Ihre Artikel gegen den Anarchismus
Bakunins aus den Jahren 1872 - 1874 umfassen allein im Band 18 der Werksausgabe
(MEW) über 300 Seiten, über ein Drittel des gesamten Bandes.55b)
Bakunin und seine Anhänger
waren keineswegs erfolglos in ihrer Arbeit, die Internationale
Arbeiter-Assoziation (IAA) von innen zu zersetzen. Ihre Tätigkeit hatte
wesentlich zu der Entscheidung von Marx und Engels beigetragen, die IAA
aufzulösen. Die Rolle, die Bakunin in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts
gespielt hat, hatten Anfang des 20. Jahrhunderts in Rußland Kropotkin und seine
Anhänger, Stalin nennt unter anderen W. Tscherkesischwili, P. Ramus, Baton,
übernommen. Auch im Anarchismus gibt es Kontinuität von Proudhon bis in die
Gegenwart, im internationalen Maßstab.
Der „Hauptfeind“ der
Anarchisten ist nicht das Kapital, sondern der Staat, das „Hauptübel“, das
abgeschafft werden muß. Vom Klassencharakter des Staates wird abstrahiert.
Darum keine politischen Parteien, keine politische Bewegung, keine politischen
Führer, keine Autorität, die nur in einer Diktatur enden können. Wo die
Anarchisten die Oberhand gewinnen, die „Führung“ übernehmen, führt dies zur
Niederlage jeder revolutionären Bewegung, wie im Sommer 1873 in Spanien. Die
Bakunisten hatten dabei die gutorganisierte und zahlreiche spanische
Internationale faktisch in ihre Auflösung geführt, ihre Reorganisation auf
Jahre hinaus unmöglich gemacht. Sie haben, so Engels, „ein unübertreffliches
Muster davon geliefert, wie man eine Revolution nicht machen muß.“55c)
Die russischen Anarchisten
warfen der SDAPR vor, daß sie ihre Diktatur über das Proletariat errichten, die
alte Sklaverei fortsetzen wolle, daß sie nicht revolutionär sei. Es ist
interessant, daß diese unsinnigen Thesen der Anarchisten bis in die Gegenwart
im Arsenal antikommunistischer Diffamierung der sozialistischen Staaten
enthalten sind - nur wenn die Anarchisten Bomben gegen ihre eigenen
Staatsgebäude werfen, geht das Geheule los, wobei dann die Verbrechen der
Anarchisten gern den Kommunisten unterstellt werden. Es grenzt schon an ein
Wunder, daß der verbrecherische Anschlag auf das World-Trade-Center am 11.
September 2001 nicht auf die „infernalischen“ Kräfte der Kommunisten
zurückgeführt wird. So ist der Anarchismus auf dem bürgerlichen Politikmarkt
wenigstens noch zu verwerten.
In den ersten beiden Teilen
seiner Artikelserie setzte sich Stalin mit dem Anarchismus auf philosophischem
Gebiet auseinander, wobei er Grundzüge der dialektischen Methode und der
materialistischen Theorie in allgemein verständlicher Sprache darlegte. Stalin
war kein Philosoph. Aber er kannte die einschlägigen Werke von Marx und Engels.
Er verfügte über die didaktische Fähigkeit, selbst komplizierte Probleme der
marxistischen Philosophie in einfachen Worten darzulegen, daß sie von wenig
gebildeten Arbeitern, soweit sie überhaupt lesen konnten, verstanden wurden.
Bei einer solchen Darstellungsweise konnte Stalin auf drastische Vereinfachungen
nicht verzichten, die ihm bis heute von Intellektuellen verschiedener Couleur
den Vorwurf der „Primitivität“ einbrachte. Es gab bei Stalin zeitweilig auch
anfechtbare Auffassungen zur Philosophie. Aus einem Brief Stalins an M.G.
Zchakaja geht hervor, daß er den von Lenin kritisierten Epiriokritizismus
(1908)56) in seiner Gefährlichkeit unterschätzt hatte. Stalin
meinte, daß es Aufgabe der Bolschewiki sei, die Philosophie von Marx und Engels
„im Geiste von J. Dietzgen weiterzuentwickeln und sich dabei gleichzeitig die
guten Seiten des ‘Machismus’ anzueignen.“57)
Da mir der genannte Brief
nicht vorlag, muß ich offen lassen, wann der Brief geschrieben wurde und welche
Seiten des „Machismus“ von Stalin als „gut“ verstanden wurden. Man kann Stalin
als einen didaktisch guten und verständlichen Interpreten des dialektischen und
historischen Materialismus bezeichnen, was auch auf seine Darstellung der
marxistischen Philosophie in der „Geschichte der Kommunistischen Partei der
Sowjetunion (Bolschewiki) Kurzer Lehrgang“ zutrifft.58) Auf 34
Seiten einen Abriß des dialektischen und historischen Materialismus
verständlich auszuarbeiten, zeugt von didaktischem und pädagogischen Geschick.
Für die Parteitheorie ist der
dritte Teil, „Der proletarische Sozialismus“59) von Bedeutung.
Stalin verwendete durchgängig den Begriff „Sozialismus“. Aus dem Kontext wird
ersichtlich daß er unter Sozialismus die höhere Phase der kommunistischen
Gesellschaft verstand. Die Verwendung der Begriffe „Sozialismus“ und
„Kommunismus“ wurden auch von Marx und Engels synonym verwendet. Sie
bezeichneten ihr „Manifest“ als das der „Kommunistischen Partei“, weil in
dieser Zeit (1847) unter Sozialismus einmal die Auffassungen der französischen
utopischen Sozialisten, diverser kleinbürgerlicher Bewegungen, sowie die der
„mannigfaltigsten sozialen Quacksalber“ verstanden wurden, „...die mit
allerhand Flickwerk, ohne jede Gefahr für Kapital und Profit, die
gesellschaftlichen Mißstände aller Art zu beseitigen versprachen...“‚ unter
Kommunismus die revolutionären proletarischen Bewegungen und des utopischen
Arbeiterkommunismus.60)
In der bekannten „Kritik des
Gothaer Programms“ spricht Marx von zwei Phasen der kommunistischen
Gesellschaft, einer „ersten“ und einer „höheren“, von „Umwandlungen des
Staatswesens“ in einer kommunistischen Gesellschaft.61) Engels
spricht im „Anti-Dühring“ vom „wissenschaftlichen Sozialismus.“62)
In „Staat und Revolution“, geschrieben August bis September 1917, spricht Lenin
ebenfalls von „erster“ und „höherer“ Phase des Kommunismus, wobei er für „erste
Phase“ in Klammern hinzufügt: („Sozialismus“ im landläufigen Gebrauch des
Wortes) oder (die gewöhnlich Sozialismus genannt wird).63) In der
gleichen Schrift spricht Lenin vom „wissenschaftlichen Unterschied zwischen
Sozialismus und Kommunismus.“ „Was gewöhnlich als Sozialismus bezeichnet wird,
nannte Marx die ‘erste’ oder ‘niedere’ Phase der kommunistischen Gesellschaft.
Insofern die Produktionsmittel Gemeineigentum werden, ist das Wort
‘Kommunismus’ auch hier anwendbar, wenn man nicht vergißt, daß es kein
vollkommener Kommunismus ist.“64) In „Die große Initiative“ (Juni
1919) heißt es bei Lenin: „In Parenthese sei bemerkt: Der wissenschaftliche
Unterschied zwischen Sozialismus und Kommunismus besteht lediglich darin, daß
das erste Wort die erste Stufe der aus dem Kapitalismus erwachsenden neuen
Gesellschaft, das zweite Wort die höhere, weitere Stufe dieser Gesellschaft
bezeichnet.)65)
Wann, wer, zuerst diese
Begriffsbestimmungen vorgenommen hat, ist wohl kaum noch zu ermitteln. Diese Hinweise
sind aber wichtig, weil immer wieder unter Berufung auf Zitate von Lenin oder
Stalin behauptet wird, daß schon im Sozialismus die Ware-Geld-Beziehungen
aufgehoben werden und der Staat verschwinden, absterben muß, wobei übersehen
wird, daß die beiden Begriffe zumindest bis 1919 auch als Synonyme verwendet
wurden.“ So mutet es auch heute seltsam an, wenn in linken Publikationen von
„Sozialisten“ und „Kommunisten“ gesprochen, zur Aktionseinheit von
„Sozialisten“ und „Kommunisten“ aufgerufen wird, man „Sozialisten“ und
„Kommunisten“ zusammenführen will.
Was sind denn nun
„Sozialisten“, was „Kommunisten“? Wollen die ersteren nur die niedere Phase der
- ja was? - kommunistischen Gesellschaft errichten? oder sollen wir wieder
unterscheiden: „Sozialisten“ = „Quacksalber“, „Kommunisten“ = „Revolutionäre“?
Oder werden „Soziallisten“ und „Kommunisten“ als Synonyme verwendet? Dann
braucht man sie nicht „zusammenzuführen.“ Nicht exakte Begriffsbestimmungen
führen zu Beliebigkeiten in der Theorie und Politik, dann bleibt jedem
überlassen, was er unter Sozialisten, Kommunisten versteht, kann sich jedes
Blättchen als „sozialistisch“ bezeichnen. „Laßt alle Blumen blühen!“
Stalin erklärte den
proletarischen Sozialismus als eine „direkte Schlußfolgerung aus dem dialektischen
Materialismus“66) vom Anwachsen des städtischen und ländlichen
Proletariats, dessen Klasseninteresse die Abschaffung des kapitalistischen und
die Einführung des sozialistischen Eigentums erfordert. In der sozialistischen
Gesellschaft wird es Klassen, Warenproduktion, Kauf und Verkauf nicht mehr
geben, somit auch keine Käufer und Verkäufer der Arbeitskraft, keine
Unternehmer und Lohnarbeiter. Mit der Lohnarbeit wird auch jedes Privateigentum
an den Produktionsmitteln aufgehoben. Hauptziel der zukünftigen Produktion wird
nicht der Profit der Kapitalisten, sondern die unmittelbare Befriedigung der
Bedürfnisse der Gesellschaft sein. Es wird keinen Platz geben für zersplitterte
Produktion, Konkurrenz, Krisen und Arbeitslosigkeit
Wo es keine Klassen gibt, bedarf
eines keines Staates, keiner politischen Gewalt mehr. Es folgen diesbezügliche
Zitate von Marx und Engels, in denen die höhere Phase der kommunistischen
Gesellschaft charakterisiert wird als einer „Assoziation ... welche die Klassen
und ihren Gegensatz ausschließt“, in welcher es „keine eigentliche politische
Gewalt mehr geben...“ wird (Marx 1846) in der die ganze Staatsmaschinerie „ins
Museum der Altertümer, neben das Spinnrad und die bronzene Axt“ gesetzt wird.
(Engels, 1884)67)
„Selbstredend“ wird es in der
„höheren“ Phase eine „Leitung der gemeinsamen Angelegenheiten neben den
örtlichen Büros“ geben, ein „statistisches Zentralbüro“...„das Angaben über die
Bedürfnisse der gesamten Gesellschaft sammeln und dann die verschiedene Arbeit
unter die Schaffenden entsprechend verteilen wird.“ Auch Konferenzen und
Kongresse würde es geben, deren Beschlüsse für die in der Minderheit
gebliebenen Genossen bis zum nächsten Kongreß bindend sein werden.68)
1906/07 gab es noch keinerlei
praktische Erfahrungen über den Aufbau des Sozialismus, weder in einer
Übergangsperiode noch in der „niederen“ Phase, schon gar nicht über die
„höhere“ Phase. So schließt denn Stalin diesen Abschnitt mit den bekannten
Sätzen aus der „Kritik des Gothaer Programms“: „In einer höheren Phase der
kommunistischen (d.h. sozialistischen) Gesellschaft, nachdem die knechtende
Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der
Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die
Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis
geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch die
Produktionskräfte gewachsen sind, ...erst dann kann der enge bürgerliche
Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahnen
schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.“69)
Die sozialistische
Gesellschaft setze auch ein sozialistisches Bewußtsein der Menschen voraus. Die
Entwicklung der modernen Produktivkräfte werde behindert durch das
kapitalistische Eigentum. Es sei klar, wenn es dieses nicht mehr geben würde,
würden sich die Produktivkräfte verzehnfachen. Die Gefühle und Anschauungen der
Menschen seien auch nicht unveränderlich, sie seien im Urkommunismus, als der
Mensch noch kein Privateigentum kannte, andere, als in der Zeit: wo es
Privateigentum gab. Unter sozialistischen Verhältnissen würde „das Fühlen und
Denken der Menschen von sozialistischen Bestrebungen durchdrungen“ sein.70)
Der proletarische Sozialismus
von Marx sei kein „schöner Traum“, kein „Phantasiegebilde“. Als
wissenschaftlichen Beweis für die Verwirklichung des proletarischen Sozialismus
führt Stalin an, daß „mit einer Veränderung der Form der Produktion sich früher
oder später auch die Form des Eigentums unvermeidlich ändert.“71) In
der bisherigen Geschichte war es so gewesen. Der Produktionsprozeß, die Arbeit,
hätten bereits gesellschaftlichen Charakter, „eine sozialistische Prägung“
angenommen. Der gesellschaftliche Charakter der Produktion widerspreche dem privaten
Charakter der Aneignung, woraus folgt, daß „die moderne kollektive Arbeit
unvermeidlich zum kollektiven Eigentum führen muß,... .“72)
Nun sind hier die Marx‘schen
Gedanken in einem gewissen schematischen Automatismus des Geschichtsprozesses
zusammengefaßt, wie ihn Marx so nicht geäußert hat. Aus der Sicht Anfang des
20. Jahrhunderts für die Arbeiter unterschiedlicher Nationalität und zum Teil
sehr niedrigen Bildungsniveau geschrieben, eine verständliche
Darstellungsweise. Solche bedenklichen Vereinfachungen in der Darstellung des
Marxismus haben Stalin auch immer wieder den Vorwurf der „Dogmatisierung“ des
Marxismus von seinen Kritikern eingebracht. Unter dem heutigen Bildungsstand
linker Parteien, der heutigen Arbeiterklasse, ist eine solche Kritik sehr
einfach, zugleich aber auch unhistorisch, da sie die damaligen konkreten
Wirkungsbedingungen in Rußland außer acht läßt. Ein abstraktes Herangehen vom
heutigen theoretischen Erkenntnisstand an hundert Jahre zurückliegende
historische Ereignisse, Theoriebildung und -vermittlung führt zwangsläufig zu
Fehlurteilen.
Stalin deutet dann auch neben
der „Unvermeidlichkeit“ des Sozialismus in einem anderen Zusammenhang auf die
Alternative hin, „...daß entweder alles gesellschaftliche Leben zusammenbrechen
muß, oder daß das Proletariat... zum Herrn der modernen Produktion, zu ihrem...
sozialistischen Eigentümer werden muß.“73) Stalin berief sich für
seine Ausführungen auf Engels im „Anti-Dühring“ wonach „...eine Umwälzung der
Produktions- und Verteilungsweise stattfinden muß, die alle Klassenunterschiede
beseitigt, falls nicht die ganze moderne Gesellschaft untergehen soll... .“
Darin begründe sich die „Siegesgewißheit des modernen Sozialismus“.74)
Das sozialistische Ideal sei
nicht das Ideal aller Klassen. Nur das Proletariat sei unmittelbar am
Sozialismus interessiert. Für die Verwirklichung den Sozialismus bedarf es des
Klassenbewußtseins, des Zusammenschlusses des Proletariats und der Fähigkeit,
seine eigene Sache zu führen. Der Weg zum Sozialismus führe über den
Klassenkampf, der mannigfaltige Formen aufweise, Streik, Boykott, Sabotage,
Kundgebungen, Demonstrationen, Teilnahme an Vertretungskörperschaften. Alle
diese Kampfformen seien vorbereitende Mittel, aber keine dieser Formen, auch
der Generalstreik, für sich allein genommen, können den Kapitalismus aus der
Welt schaffen. Das entscheidende Mittel sei die sozialistische Revolution. Dies
dürfe nicht als ein plötzlicher, kurz dauernder Schlag verstanden werden,
sondern sei ein „lang andauernder Kampf der proletarischen Massen.“ Die
Erringung der politischen Herrschaft durch das Proletariat sei die „erste
Stufe“ der Revolution. Mit der „Sozialistischen Diktatur des Proletariats“ muß
die sozialistische Revolution beginnen.75)
Die sozialistische Revolution
und die Errichtung der Diktatur des Proletariats erfordere die Organisiertheit
des Proletariats; Gewerkschaften und Arbeitergenossenschaften als notwendige
Organisationen der Proletarier können allein nicht den organisatorischen
Bedürfnissen des kämpfenden Proletariats genügen. Der Zweck dieser
Massenorganisationen ist die Verbesserung der Lage der Arbeiter im
Kapitalismus. Aber sie können nicht. den Kapitalismus beseitigen. Dazu bedarf
es einer Organisation‚ „die die klassenbewußten Elemente der Arbeiter aller Berufe
um sich schart, das Proletariat in eine ihrer selbst bewußte Klasse verwandelt
und auch die Zertrümmerung der kapitalistischen Zustände, die Vorbereitung der
sozialistischen Revolution zum Hauptziel setzt.“76) Diese Partei muß
Klassenpartei, eine revolutionäre Partei, eine internationale Partei sein. Die
Befreiung der Arbeiter sei keine nationale, sondern eine soziale Frage, wobei
Stalin auf das zaristische Rußland als einem Nationalitätenstaat verweist, in
dem die soziale Befreiung für den georgischen und russischen Arbeiter, wie für
die Proletarier der anderen Nationen von gleicher Bedeutung sei.77)
Daß Stalin den
internationalistischen Charakter der Partei aus den Bedingungen des
Nationalitätenstaates erklärt, ist bezüglich des Adressaten verständlich trägt
jedoch allgemeingültigen Charakter. Desgleichen ist der Hinweis Stalins auf die
Notwendigkeit des Zentralismus in den Organisationen des Proletariats, nicht
nur der Partei, sondern auch der Gewerkschaften und Genossenschaften, im
Gegensatz zur föderalistischen Zersplitterung nicht nur eine Besonderheit des
Nationalitätenstaates, wobei der Zwischensatz „soweit dies möglich ist“,
beachtet werden muß. Die Frage des Zentralismus als einem allgemeinen
Organisationsprinzip der proletarischen Partei ist je nach den konkreten
Bedingungen zu beantworten. Eine schematische Anwendung eines allgemeinen
Prinzips kann Schaden anrichten. Es sei klar, daß alle Organisationen des
Proletariats auf „einer demokratischen Grundlage aufbauen müssen, soweit
natürlich irgendwelche politischen und andere Bedingungen dies nicht
verhindern.“78) Auch diese wichtige Bemerkung galt nicht nur für das
zaristische Völkergefängnis, in dem jede demokratische Bewegung brutal
unterdrückt wurde.
Die seit hundert Jahren immer
wieder von wohlmeinenden Intellektuellen aufgestellte Forderung nach
„Demokratisierung“ in ihrer abstrakten Form, unabhängig von den
konkret-historischen Bedingungen, dem Grad der Unterdrückung, dem
Klassenkräfteverhältnis, dem politischen und theoretischen Niveau der Arbeiter,
auch der Partei der Arbeiterklasse selbst, hat in der Konsequenz, wie die
geschichtlichen Erfahrungen beweisen, immer nur der Konterrevolution den Weg
geebnet. Sollen die Gewerkschaften und Genossenschaften unter Führung der
Partei stehen oder parteilos sein? „Die Entscheidung dieser Frage hängt davon
ab, wo und unter welchen Bedingungen das Proletariat zu kämpfen hat.“79)
Also auch in dieser Frage gibt es keinen Schematismus. Natürlich müsse die
Partei freundschaftliche Beziehungen zu diesen Organisationen herstellen. Je
besser diese Beziehungen entwickelt seien, je besser würden diese sich
entwickeln. Ansonsten könnten die Gewerkschaften verflachen, die Interessen der
Gesamtklasse zugunsten reiner Berufsinteressen verletzen und dem Proletariat großen
Schaden zufügen. Darum sei es notwendig, „in allen Fällen den
ideologisch-politischen Einfluß der Partei auf die Gewerkschaften und
Genossenschaften sicherzustellen.80)
In den letzten Abschnitten
setzt sich Stalin mit Argumenten der Anarchisten auseinander, wie diese sich
zum proletarischen Sozialismus verhalten. So behauptete W. Tscherkesischwili,
als der „unvergleichliche Führer“ der Anarchisten, das „Kommunistische
Manifest“ von Marx und Engels sei von Anfang bis Ende aus dem „Manifest“ Victor
Considérants „gestohlen“ worden. Das „Manifest“ von Marx und Engels sei eine
„sehr mittelmäßige Paraphrasierung... des Manifests von Considérant.“81)
Solche unbewiesenen Behauptungen und Unterstellungen waren und sind in der
antikommunistischen Publizistik aller Couleur gang und gäbe, waren und sind
gefährlich. Wer von den Arbeiter und Bauern Rußlands, besonders des Kaukasus
mit 40 Nationalitäten, hatte, Considérants Schriften zur Hand, um die Aussage
von Tscherkesischwili überprüfen zu können? (Wer von den heutigen Werktätigen
hat die Schriften Cosidérants auf seinen Bücherregalen stehen, ja kennen ihn
überhaupt?)
Es ist seit den ersten
Schriften von Marx und Engels eine gängige Methode: Ich behaupte irgend einen
Unsinn, unterstelle diesen Unsinn Marx, widerlege diesen Unsinn und habe damit
Marx widerlegt, „endgültig!“, „wissenschaftlich!“ Für Marx können auch Engels,
Lenin, Stalin, Mao und andere kommunistische Theoretiker eingesetzt werden,
ganz nach Belieben.
Auch Stalin hatte, dem
Kontext zu folgen, die Schriften Considérants nicht zur Hand. Stalin stützte
sich in seiner Erwiderung gegen Tscherkesischwili auf Paul Louis: Geschichte
des Sozialismus in Frankreich und auf Karl Kautsky: Das Kommunistische Manifest
- ein Plagiat?82) Gestützt auf diese beiden Schriften konnte Stalin
Considérant richtig als Utopisten charakterisieren, der die Rettung Frankreichs
in einer Versöhnung der Klassen sah, ein Gegner des Kommunismus war. Daraus
ergab sich die Unvereinbarkeit des „Demokratischen Manifests“ von Considérant
mit dem „Manifest“ von Marx und Engels.83)
Kropotkin behauptete, daß die
Anarchisten für den „freien Kommunismus“ seien, während die Sozialdemokratie
„Staatskapitalismus“ und „Kollektivismus“ wollten. Stalin zitierte ausführlich
aus den einschlägigen Schriften der Anarchisten84) und faßte deren
Auffassungen zusammen: Nach Ansicht der Sozialdemokraten wäre die
sozialistische Gesellschaft (gemeint ist die „höhere“ Stufe der kommunistischen
Gesellschaft, UH) unmöglich ohne Regierung, die als „Hauptunternehmer“ die
Arbeiter einstellt. Sie würde „Minister ... Gendarmen, Spione haben. Die
Teilung in „schwarze“ und „weiße“ Arbeit werde nicht aufgehoben, das Prinzip
„Jedem nach seinen Bedürfnissen“ verworfen, dafür ein anderes Prinzip
anerkannt, „Jedem nach seinen Verdiensten.“85) Man glaube nicht, daß
solcher Blödsinn keine Wirkungen habe. Allein schon die Wortbildungen
„Gendarmen“ - „Spione“ rufen Abwehr hervor, denn allzu bekannt sind die
zaristischen Gendarmen und Spitzel. Stalin widerlegte diese unsinnigen
Unterstellungen mit bekannten Zitaten von Marx und Engels aus verschiedenen
Werken von 1846 bis 1871, von denen ich hier nur auf das „Manifest der
Kommunistischen Partei“ und die „Kritik des Gothaer Programms“ verweise.86)
Nach Auffassung der
Anarchisten habe die Sozialdemokratie keinen revolutionären Charakter, hätte
keine Volksverbundenheit, und soweit sie für eine Diktatur eintrete, so sei es
keine Diktatur des Proletariats, sondern ihre eigene Diktatur über das Proletariat.87)
Stalin zitierte ausführlich Kropotkin und aus Publikationen georgischer
Anarchisten, die sich gegen die Idee der Diktatur aussprachen, die nichts
andere sei „als ein übles Produkt des Regierungsfetischismus, der ... stets
bestrebt war, die Sklaverei zu verewigen.“88) Auch hier verwies
Stalin in seiner Polemik auf die einschlägigen Werke von Marx und Engels,
besonders auf deren Auswertung der Pariser Kommune (1871) sowie auf Lissagaray:
„Geschichte der Pariser Kommune“ und Arthur Arnould: „Volkstümliche Geschichte
der Pariser Kommune.“89)
Erfahrungen über die
politische Machtausübung der Arbeiterklasse lagen zu dieser Zeit auch noch
nicht vor. Die Auseinandersetzung Stalins mit den Anarchisten konnte daher nur
theoretisch erfolgen, wobei er sich vor allem auf Marx, Engels und Kautsky
stützte, wodurch seine Argumentation unvermeidlich den Charakter einer
Zitatensammlung annahm. Aber wer wußte denn mehr über diese Problematik in
dieser Zeit als Marx, Engels, Kautsky, Lissagaray und Arnould, und nur auf
deren Verallgemeinerung ihrer Erfahrungen mit dem Anarchismus des 19.
Jahrhunderts in Gestalt der Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus konnte
sich Stalin stützen, wobei die Kontinuität von Bakunin zu Kropotkin
unübersehbar ist, letzterer insofern gefährlicher war, als in Rußland und in
Asien eine Periode demokratischer und proletarischer Revolutionen heranreifte,
die mit der Revolution 1905 in Rußland eröffnet wurde. Die Artikel Stalins
zeigen zugleich, daß er trotz seiner Tätigkeit unter den Bedingungen der
Illegalität ausgezeichnete Kenntnisse über die einschlägige Literatur hatte.
In der Zeit von 1907 bis 1917
befand sich Stalin fast das gesamte Jahrzehnt im Gefängnis, in der Verbannung
oder auf der Flucht.90) Daraus erklärt sich, daß es aus dieser Zeit
nur wenige Schriften von Stalin gibt. Neben dieser quantitativen Seite hatten
die konkreten Lebensbedingungen, unter denen Stalin schreiben mußte, auch
qualitative Auswirkungen. Es geht dabei nicht um „Stilfragen“, an denen
Deutscher und andere Schöngeister ständig herumnörgeln, sondern um inhaltliche
Fragen. In seinen Forderungen an die Partei war Stalin in einigen Fällen
schärfer als Lenin. In seinem durch Verhaftung nicht vollendeten Artikel „Der
Londoner Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Rußlands (Aufzeichnungen
eines Delegierten)“, geschrieben im zweiten Halbjahr 190791), ging
es um zwei Fragen der Parteitheorie, die Frage nach der Einheit der Partei und
zur Frage „führende Rolle“ der Partei oder Partei als „Avantgarde“? Der
Parteitag habe zu einem weiteren Zusammenschluß, zur Festigung der Partei
beigetragen. Die Partei würde „von nun an eine streng konsequente
Klassenpolitik des sozialistischen Proletariats durchführen.“ Die faktische
Vereinigung der fortgeschrittenen Arbeiter ganz Rußlands zu einer
einheitlichen, gesamtrussischen Partei unter dem Banner des revolutionären
Sozialdemokratismus wäre der Sinn des Londoner Parteitages gewesen.92)
Die wichtigsten
Meinungsverschiedenheiten in der Partei gingen um das Verhältnis zu den
bürgerlichen Parteien. Nach Ansicht der Menschewiki müsse die Arbeiterklasse
den Kampf gegen den Zarismus unter Führung der liberalen Bourgeoisie führen,
die SDAPR müsse daher Abkommen mit den bürgerlichen Parteien abschließen, dürfe
diese nicht durch revolutionäre Losungen erschrecken. Die Bolschewiki vertraten
dagegen die entgegengesetzte Auffassung. Die liberale Bourgeoisie hatte sich in
der demokratischen Revolution als antirevolutionär erwiesen. Die Führung im
Kampf gegen den Zarismus muß das Proletariat selbst übernehmen. Das Proletariat
wiederum kämpft unter der Führung der in der SDAPR organisierten
fortgeschrittensten Arbeiter. Die „Einheit“ auf dem V. Parteitag erwies sich
jedoch als trügerisch. Es waren keine taktischen Meinungsverschiedenheiten
sondern hinter diesen verbargen sich Klassenfragen. Die „Einheit“ kam
letztendlich dadurch zustande, daß eine Resolution der Bolschewiki nicht
durchkam, in der die Fehler des Zentralkomitees festgestellt wurden, aus
Erwägungen, „nur ja keine Spaltung herbeizuführen.“ Dies habe, so Stalin,
„stark auf die Genossen“ eingewirkt. Die Resolution der Menschewiki, in der dem
Zentralkomitee das Vertrauen ausgesprochen wurde, fand ebenfalls keine
Mehrheit.93)
Stalin hatte die
klassenmäßigen Ursachen der gegensätzlichen Taktiken klar erkannt:
„Offensichtlich ist die Taktik der Bolschewiki die Taktik der Proletarier der
Großindustrie, die Taktik derjenigen Gebiete, wo die Klassengegensätze
besonders klar sind und der Klassenkampf besonders scharf ist. Der
Bolschewismus - das ist die Taktik der echten Proletarier. Anderseits ist es
nicht weniger offensichtlich, daß die Taktik der Menschewiki vorwiegend eine
Taktik der im Handwerk beschäftigten Arbeiter und der bäuerlichen
Halbproletarier ist, eine Taktik derjenigen Gebiete, wo die Klassengegensätze
nicht ganz klar sind und der Klassenkampf verschleiert ist. Der Menschewismus -
das ist die Taktik der halbbürgerlichen Elemente des Proletariats.“94)
Stalin faßte zwei Reden, die
Rosa Luxemburg auf dem Parteitag gehalten hatte, zusammen, in denen sie die
Führer des Menschewismus, Plechanow und Axelrod, als Opportunisten bezeichnete.
Auch die Bolschewiki würden „manchmal danebenhauen, manchmal sonderbar und
allzu felsenfest sind, aber ich verstehe und rechtfertige sie durchaus:
angesichts der zerfließenden, gallertartigen Masse des menschewistischen
Opportunismus muß man felsenfest sein... .“95) Stalin hat aus den
Reden Rosa Luxemburgs allerdings einseitig nur das zusammengefaßt, was den
Standpunkt der Bolschewiki stützte, vor allem die Kritik am Liberalismus. Die
kritischen Bemerkungen gegen die „sogenannten Bolschewiki“ hat er nicht
reflektiert, die auch nicht stichhaltig waren. Nach Rosa Luxemburgs Auffassung
könne die Partei einen bewaffneten Aufstand nicht vorbereiten. Diese, ihre
Hinwendung zur Spontaneität ist sachlich falsch. Möglicherweise wollte sich
Stalin hier nicht mit Rosa Luxemburg auseinandersetzen. Richtig an der
Reflexion ihrer Reden bleibt, daß sie „trotz einzelner Vorbehalte“ sich mit den
Bolschewiki solidarisch erklärte. Gegenüber den dogmatischen Abweichungen der
Menschewiki vom Marxismus erklärte sie: „In welch geschäftiges Gegacker eines
Huhnes, das auf dem Misthaufen des bürgerlichen Parlamentarismus nach Perlen
scharrt, habt ihr diese Lehre verwandelt, die den mächtigen Flügelschlag der
Adlerschwingen des Proletariats darstellt.“
Wichtig, weil auch heute noch
unter Kommunisten umstritten, soll das Proletariat (die Kommunistische Partei)
Führer oder Avantgarde der Revolution sein? Stalin zitierte zu dieser Frage den
Genossen Alexinski, mit dessen Auffassung er übereinstimmte: Es gehe hier „um
zwei entgegengesetzte Auffassungen, die sich in diesem Punkt geltend machten,
denn ‘Avantgarde’ und ‘Führer’ seien zwei völlig verschiedene Begriffe.
Avantgarde (Vortrupp) sein heißt sich in den vordersten Reihen schlagen, die am
stärksten unter Feuer liegenden Stellungen einnehmen, sein Blut vergießen,
dabei aber von anderen, im gegebenen Falle von den bürgerlichen Demokraten
geführt werden: die Avantgarde leitet niemals den Gesamtkampf, sondern wird
stets selbst geleitet. Und umgekehrt: Führer sein heißt, sich nicht nur in den
vordersten Reihen schlagen, sondern auch den Gesamtkampf leiten, ihn auf sein
eigenes Ziel ausrichten. Wir Bolschewiki. wollen nicht, daß das Proletariat von
den bürgerlichen Demokraten geführt werde, wir wollen, daß das Proletariat
selbst die Führung des ganzen Kampfes des Volkes habe und ihn auf die
demokratische Republik ausrichte.“96)
In drei Arbeiten, verfaßt
zwischen August 1909 bis Dezember 1910 befaßte sich Stalin mit dem Verhältnis
zwischen den Parteiorganen im Ausland und der Organisierung des Kampfes in
Rußland.97) Die Partei mache eine Krise durch. Ihre Ursachen seien
die „Losgerissenheit der Partei von den breiten Massen“ und die
„Losgerissenheit ihrer Organisationen voneinander.“98) Diese
„Losgerissenheit“ führte Stalin darauf zurück, daß die Parteiorgane im Ausland
der russischen Wirklichkeit „fernstehen.“ Im Ausland erschienen der
„Proletari“, redigiert von Lenin, der „Golos“, ein menschewistisches Blatt und
der „Sozialdemokrat“, Zentralorgan der SDAPR, deren Redaktion sich aus
Vertretern der Bolschewiki, Menschewiki und der polnischen Sozialdemokraten
zusammensetzte. Diese Zeitungen mußten illegal über die Grenzen nach Rußland
eingeführt und verteilt werden. Die Zeitungen konnten praktisch nicht in die
Kämpfe eingreifen, da sie oftmals erst Wochen nach den Kämpfen eintrafen. Somit
könne von einer Führung der proletarischen Klassenkämpfe in Rußland vom Ausland
her nur sehr bedingt gesprochen werden. Das alte Organisationsprinzip, die
alten Methoden der Parteiarbeit, „...angesichts der ‘Führung’ vom Ausland her,
sei eine bloße ‘Übertragung von Funktionen’“, „die die Partei nicht mit den
Massen verbinden und sie nicht zu einem einheitlichen Ganzen zusammenschweißen
kann.“99)
Stalin ging es dabei um die
Verbindung des Kampfes der Arbeiter für ihre täglichen Interessen mit den
grundlegenden Interessen der Klasse der Proletarier, der allgemein-politischen
Arbeit mit dem alltäglichen Kampf der Arbeiter. Die Organisation nach dem
Territorialprinzip sollte durch das Produktionsprinzip ergänzt werden. So
sollten „die Fabrik- und Werkkomitees der verschiedenen Produktionszweige je
nach Produktion in verschiedene Unterbezirke gruppiert werden, um diese
Unterbezirke territorial zu Bezirken zu vereinigen... .“100)
Abgesehen von der konkreten
Form der Organisationsprinzipien lassen sich in diesen „Fabrik- und Werkkomitees“
Keimformen der späteren „Betriebsparteiorganisationen“ erkennen.
Die „erfahrensten und
einflußreichsten fortgeschrittenen Arbeiter“ in den örtlichen Organisationen
sollten die „Angelegenheiten der Partei“ in ihre Hände nehmen. Es sei kein
Unglück, wenn Arbeiter in wichtigen Positionen „in der ersten Zeit stolpern“,
die Bebels fallen nicht vom Himmel. Arbeiter mit Kenntnissen seien nur wenig
vorhanden. Aber mit Hilfe von erfahrenen und aktiven Intellektuellen müsse man
in Zirkeln, Besprechungen „Theorie und Praxis des Marxismus“ mit ihnen
„systematisch“ durchnehmen, um aus den Arbeitern Parteiführer, „Bebels“, zu
gewinnen. Stalin faßte zusammen:
„1.
verstärkte Agitation auf dem Boden der täglichen Bedürfnisse, die mit den
Bedürfnissen der gesamten Klasse des Proletariats verbunden werden,
2.
Organisierung und Festigung der Fabrik- und Werkkomitees als der wichtigsten
Zentren der Partei in den Bezirken,
4.
Organisierung von ‘Besprechungen’ mit den fortgeschrittenen Arbeitern - das
sind die Wege, mit deren Hilfe es unsere Organisationen verstehen werden,
breite Massen um sich zusamenzuschließen.“101)
Die genannten Aufgaben
konnten durch Auslandsorgane nicht bewältigt werden. Gesamtparteikonferenzen
und im Ausland erscheinende Zeitungen seien „sehr wichtig“, doch können sie
allein die Krise nicht überwinden. Es sei eine gesamtrussische Zeitung
erforderlich, die im Zentrum der Parteiarbeit steht und in Rußland erscheint,
die Parteiarbeit leitet, sie vereinigt und lenkt. Eine „gut organisierte
gesamtrussische Zeitung in den Händen des Zentralkomitees wäre das wirksamste
Werkzeug für den wirklichen Zusammenschluß der Partei... .“ Nur auf diesem Wege
würde das Zentralkomitee „aus einem fiktiven Zentrum zu einem wirklichen
Zentrum der Gesamtpartei werden.“102)
Wenige Monate später
präzisierte Stalin die genannten Vorschläge:
1.
Verlegung des (leitenden) Zentrums für die praktische Arbeit nach Rußland;
2.
Organisierung einer gesamtrussischen Zeitung, die in Rußland erscheint und von
dem erwähnten Zentrum redigiert wird;
3.
Organisierung örtlicher Presseorgane in den wichtigsten Zentren der
Arbeiterbewegung (Ural, Donezbecken, Petersburg, Moskau, Baku usw.).103)
„Die Hauptsache ist die
Organisierung der Arbeit in Rußland.“ Meinungsverschiedenheiten werden nicht in
Debatten, „sondern hauptsächlich im Laufe der Arbeit, ...der Anwendung der
Prinzipien gelöst... .“104) Diese letzten Bemerkungen schrieb Stalin
aus der Verbannung. Er bemerkte wohl nicht zu Unrecht, daß viele Emigranten den
Kontakt zu den Kämpfen im zaristischen Rußland verloren hatten. Revolutionen
würden schließlich nicht aus den Bibliotheken von Genf, London oder Paris
hervorgehen, sondern aus den Elendsvierteln von Moskau, Kasan, Baku und anderen
Zentren der Arbeiterbewegung.
Von großer Bedeutung war die
VI. Allrussische Parteikonferenz in Prag (5. bis 17. Januar 1912), da es nun
auch zur organisatorischen Trennung von
Bolschewiki und Menschewiki kam. Damit setzten sich die Bolschewiki in der
SDAPR durch, die den Parteinamen behielten, mit dem Zusatz „Bolschewiki“ in
Parenthese. Die Prager Parteikonferenz verdeutlichte in der Praxis, daß in
einer revolutionären Arbeiterpartei nicht zwei Klassenlinien, bürgerliche und
sozialistische Ideologie, auf Dauer koexistieren können. Früher oder später
kommt es auch zum organisatorischen Bruch. Gelingt es den marxistischen
Kräften, die Revisionisten und andere Opportunisten aus der Partei zu drängen,
kann eine solche marxistische Partei die Arbeiterklasse in ihren Kämpfen bis
zur erfolgreichen Revolution führen. Umgekehrt, gelingt es den
revisionistischen Kräften, die Marxisten in der Partei zu isolieren oder aus
der Partei zu drängen, so wird aus der ehemaligen Kampfpartei eine kleinbürgerlich-parlamentarische
Partei und sie wird in das bürgerliche politische System integriert. Damit
werden bis in die Gegenwart immer wieder Marxisten-Leninisten mit der Frage des
Verhaltens in einer von Reformisten und anderen kleinbürgerlichen Elementen
beherrschten Partei konfrontiert. In der Partei verbleiben, um den Kampf
innerhalb der Partei führen zu können, oder die Partei verlassen und eine neue
marxistisch-leninistische Kampfpartei gründen? Diese Frage läßt sich nicht
abstrakt beantworten. Sie muß jedesmal unter den konkreten Bedingungen, unter
Berücksichtigung des Kräfteverhältnisses innerhalb der Partei, von den
Marxisten-Leninisten beantwortet werden.
Den Bolschewiki gelang es
1912, die Menschewiki zu verdrängen, mit dem Ergebnis der siegreichen
Oktoberrevolution, die „Linken“ in der deutschen Sozialdemokratie um Rosa
Luxemburg und Karl Liebknecht haben sich erst mit Ausbruch der
Novemberrevolution von den Revisionisten getrennt. Ohne die konterrevolutionäre
Politik der rechten sozialdemokratischen Führer, die die Arbeiter ideologisch
und politisch entwaffnet haben, hätte die Konterrevolution nicht siegen können.
Das Festhalten an der „Einheit“ aus falsch verstandener „Parteidisziplin“,
Furcht vor der „Spaltung“, sich dem „Vorwurf“ der Spaltung auszusetzen, führte
die deutschen Marxisten in die Niederlage, bezahlten Rosa Luxemburg, Karl
Liebknecht und Hunderte Arbeiter mit ihrem Leben.
In seinem Flugblatt vom März
l912 begrüßte Stalin die Beschlüsse der Prager Parteikonferenz als das „Ende
der Krise unserer Partei“, als deren „Wiedergeburt“.105) Die
Konferenz würde den Zusammenschluß der örtlichen Parteiorganisationen mit dem
Zentralkomitee fördern, die Zersplitterung der örtlichen Organisationen
überwinden helfen. Er wiederholte die schon vorher erhobene Notwendigkeit der
Schaffung eines einflußreichen Zentralkomitees, „das durch lebendige Wurzeln
mit den örtlichen Organisationen verbunden ist, die letzteren systematisch
informiert und miteinander verbindet, ein Zentralkomitee, das unermüdlich in
alle Angelegenheiten der gesamtproletarischen Aktionen eingreift, ein
Zentralkomitee, das zwecks umfassender politischer Agitation über eine in
Rußland erscheinende illegale Zeitung verfügt - nach dieser Seite müssen sich
die Erneuerung und der Zusammenschluß der Partei entwickeln.“106)
Die Betonung lag auch hier
wieder auf „eine in Rußland erscheinende Zeitung“. Wenn Deutscher meint, daß
nach der Prager Konferenz von 1912 die kaukasische Gruppe der Bolschewiki in
Baku zum „Eckpfeiler der bolschewistischen Organisation“ geworden war107),
so kann man ihm auch hier zustimmen. Diese kaukasische Gruppe wurde nun einmal
von Stalin geführt, womit dessen Einfluß auf die Parteientwicklung in Rußland
in dieser Zeit explizit ausgewiesen wird.
In seinem Artikel „Parteilose
Sonderlinge“ vom 15. April 1912 setzt sich Stalin mit dem „parteilosen
Progressismus“ auseinander, der zu dieser Zeit unter russischen Intellektuellen
in „Mode“ gekommen war.108) Die Parteilosigkeit abstrahiere von den
gegensätzlichen Interessen der Klassen, der Bourgeois und Proletarier, der
Gutsbesitzer und Bauern, verkleistere die Gegensätzlichkeit der
Klasseninteressen. Jede Klasse habe ihre Partei, mit besonderem Programm mit
besonderer Physiognomie. Die Parteien leiten den Kampf. Ohne Parteien gäbe es
keinen Kampf, sondern Chaos, die Vermengung der Interessen. „Verkleisterung der
Klassengegensätze, Verschweigen des Klassenkampfes, Fehlen einer Physiognomie,
Bekämpfung des Programmprinzips, Streben nach Chaos und Vermengung der Interessen
- das ist die Parteilosigkeit.109) Die Parteilosigkeit strebte die
„Vereinigung des Unvereinbaren, die Realisierung des Unrealisierbaren“ an.
Bourgeois und Proletariat miteinander verbinden, eine Brücke zwischen
Gutsbesitzer und Bauern schlagen, danach strebe die Parteilosigkeit. Diese
Position werde von der Zeitschrift „Saprossy Shism“ Nr. 6 (Anforderungen des
Lebens, erschien 1909 bis 1912 in Petersburg) vertreten.
Die Autoren dieser
Zeitschrift wollten dem „Block der Rechten“, der zur „Bekämpfung der gesamten
progressiven Opposition“ gebildet worden war, einen „Block der Linken“
entgegenstellen, der „alle progressiven Gesellschaftselemente“ umfassen sollte.
Diese „progressiven Elemente“ wären nach Auffassung der „Partei der friedlichen
Erneuerer“ die „progressive“ Bourgeoisie, liberalisierende Gutsbesitzer, die
nach dem Gutsherrenland dürstenden Bauern und die gegen die Bourgeoisie
kämpfenden Proletarier, deren Vereinigung die „Saprossy Shism“ anstrebe.110)
„Erneuerer“, „pluralistische Parteien“, „Zusammenführer“ von heterogenen
Klassenkräften gab es also schon 1912. Diese Ausführungen Stalins dürfen nicht
verwechselt werden mit der Bündnispolitik der Partei. Bündnisse, Koalitionen
mit Parteien anderer Klassen zur Erreichung bestimmter Ziele, für die ein
gemeinsames Interesse vorliegt (auch bei Interessengegensätzen auf anderen
Gebieten), sind etwas anderes und hier nicht von Stalin gemeint.
In einem Prawda-Artikel vom
23. April 1920 „Lenin als Organisator und Führer der KPR“111) ging
Stalin auf einen Vorwurf von Genossen ein, nicht nur der Menschewiki, wonach
Lenin eine übermäßige Neigung zur Polemik und Spaltung gehabt haben soll. Dies
habe es „seinerzeit“ gegeben, aber die Partei hätte ihre innere Schwäche und
Verschwommenheit nicht überwinden, ihre eigene Kraft und Festigkeit nicht
erlangen können, wenn sie nicht die nichtproletarischen, opportunistischen
Kräfte aus ihren Reihen verjagt hätte. Unter der Herrschaft der Bourgeoisie
könne die proletarische Partei nur in dem Maße wachsen und erstarken, wie sie
den Kampf gegen die opportunistischen, antirevolutionären und parteifeindlichen
Elemente in ihrer Mitte und in der Arbeiterklasse führe. Stalin berief sich auf
Lassalle, der meinte, daß sich eine Partei stärkt, in dem sie sich reinigt.112)
Nicht jede Einheit sei ein Zeichen der Stärke. So sei die „Einheit“
zwischen Scheidemann und Noske einerseits und Liebknecht und Luxemburg
andererseits unecht und fiktiv. „Wer weiß, ob es für das deutsche Proletariat
nicht besser gewesen wäre, wenn sich die revolutionären Elemente der deutschen
Partei rechtzeitig von deren antirevolutionären Elementen getrennt hätten.“113)
Einheit oder Spaltung, wie
schon w.o. gesagt, läßt sich nicht ein für allemal abstrakt beantworten.
Verallgemeinern kann man nur eines: ohne eine revolutionäre, proletarische,
internationalistische Partei wird die Arbeiterklasse ihre historische Aufgabe
nicht erfüllen können. Mögen die jeweiligen Klassenkräfteverhältnisse für die
Bildung einer solchen Partei auch noch so ungünstig sein, so kommt die
Arbeiterklasse um diese Partei nicht herum, wenn sie das kapitalistische System
überwinden will
Auf die Unterschiede in der
Parteipolitik vor und nach der Eroberung der Macht wies Stalin in einem Artikel
für die Prawda vom 28. August 1921 hin.114) Er verallgemeinerte die
Erfahrungen, die die KPR (B) in ihrem Kampf seit Ende 1900 gesammelt hatte.
Zunächst ginge es um die Formierung, die Gründung der Partei, dem folge die
Gewinnung der breiten Massen der Arbeiter und Bauern, schließlich die Eroberung
und Behauptung der Macht. Vor der Machteroberung „bildete die Partei einen
Hebel zur Zerstörung des Alten, zum Sturz des Kapitals in Rußland....“ Nach der
Eroberung der Macht sei „aus einer Partei des Umsturzes innerhalb Rußlands“
eine „Partei des Aufbaus“, eine „Partei der Schaffung neuer Wirtschaftsformen
geworden.“115) Es ging also um das Verhältnis von destruktiver und
konstruktiver Funktion in der Parteipolitik, wobei Stalin diese Begriffe nicht
verwendet, sondern sie umschreibt als „Partei des Umsturzes“ und „Partei des
friedlichen Aufbaus“.
In der Praxis lassen sich die
destruktive und konstruktive Funktion so nicht gegenüberstellen. Auch im Kampf
um die Macht gibt es eine konstruktive Seite in der Politik der Partei. Dazu
gehört zunächst einmal die Gründung und Entwicklung der Partei selbst, die
Ausarbeitung und Entwicklung der Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus,
der proletarischer Moral und Solidarität u.a.. Ohne diese konstruktive Seite
kann die Partei ihre destruktive Funktion, den Sturz der politischen Macht der
Bourgeoisie, die Aufhebung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, nicht
durchführen. Im Kampf um die Vorbereitung und in der Durchführung der
Revolution dominiert die destruktive Funktion, in der Zerstörung des Alten,
weil anders der Aufbau des Neuen nicht erfolgen kann. Umgekehrt, nach Eroberung
der Macht durch die Arbeiterklasse überwiegt beim Aufbau des Sozialismus die konstruktive
Funktion, die „neue Politik“, wie Lenin sie bezeichnete, aber die destruktive
Funktion kann noch nicht verschwinden, um konterrevolutionäre
Restaurationsversuche von innen und außen niederzuschlagen. Das Alte ist auch
nach der Machteroberung noch lange Zeit wirksam und muß in dieser oder jener
Form überwunden werden. Marx sprach von den „Muttermalen“ der alten
kapitalistischen Gesellschaft, die in einer Übergangsperiode noch vorhanden
wären - wie lange es noch solche Muttermale gibt, kann nicht vorausgesagt
werden. In den europäischen sozialistischen Staaten waren sie bis zu ihrem Ende
noch nicht überwunden, an die die Konterrevolution geschickt anzuknüpfen wußte.
Der Begriff „destruktive Funktion“ darf nicht in einem mechanistischen Sinne
interpretiert werden.
Zu den bis in die Gegenwart
unter Linken, von bürgerlichen und sozialdemokratischen Publizisten ganz zu
schweigen, heftig umstrittenen Parteifragen gehört: die „Bolschewisierung“ der
Parteien der Kommunistischen Internationale (KI), darunter der KPD. In einer in
der Prawda vom 3. Februar 1925 veröffentlichten Unterredung mit dem Genossen
Herzog116) legte Stalin in zwölf Punkten dar, was unter
„Bolschewisierung“ zu verstehen war. Auch hier sind die konkret-historischen
Bedingungen von 1925, der Periode der „relativen Stabilisierung des
Kapitalismus“ und, speziell, das Klassenkräfteverhältnis in Deutschland zu
berücksichtigen, unter denen die zwölf Punkte zu beurteilen sind. Es geht
nicht, um dies erneut zu betonen, etwa um eine mechanische Übertragung,
„Anwendung“ dieser Punkte auf veränderte Bedingungen im 21. Jahrhundert, auf
Kommunistische Parteien, deren Kampfbedingungen in Asien, in Nahen Osten, in
Lateinamerika und Afrika sowie in den Hochburgen des Kapitalismus völlig
verschieden sind - und sich ständig verändern.
Ausgangspunkt für Stalins
Thesen war die Notwendigkeit, die Sozialdemokratie in Deutschland zu entlarven
und zu zerschlagen, sie zu einer verschwindenden Minderheit in der
Arbeiterklasse herabzudrücken.117) Nach der Rolle, die die
konterrevolutionäre Führung der SPD, die Ebert, Scheidemann, Noske in der
Novemberrevolution und in der revolutionären Nachkriegskrise gespielt haben,
deren Verrat an der Revolution, an der Arbeiterklasse dokumentarisch bewiesen
ist, ist diese Forderung Stalins verständlich. In dem späteren, am 18.
September 1925 auf ihrem Heidelberger Parteitag beschlossenen Programm
orientierte die SPD-Führung auf einen friedlichen, parlamentarischen Weg zum
Sozialismus, was illusorisch war. Daran änderte auch nichts, daß sie noch
Forderungen aus dem Erfurter Programm (Oktober 1891) übernommen hatte.118)
Die Arbeiter können nur
siegen, meinte Stalin, wenn sie von einem Willen beseelt sind, von einer Partei
geführt werden, die das Vertrauen der Mehrheit der Arbeiterklasse besitzt.
„Wenn es innerhalb der Arbeiterklasse zwei miteinander konkurrierende gleich
starke Parteien gibt, dann ist selbst bei günstigen äußeren Bedingungen ein
dauerhafter Sieg unmöglich.“119) Stalin wandte sich energisch gegen
sektiererische Auffassungen einiger Genossen, die meinten, „die Partei festigen
und sie bolschewisieren bedeute, alle Andersdenkenden aus der Partei
hinauszujagen. Das ist natürlich falsch.“120) Die Auseinandersetzung
mit der Sozialdemokratie müsse vor allem auf dem Gebiet der „konkreten
Bedürfnisse“ der Arbeiterklasse geführt werden, der „alltäglichen Praxis“,
Löhne, Arbeitszeit, Wohnverhältnisse, Versicherungen, Steuern,
Arbeitslosigkeit, Preiserhöhungen bei Lebensmitteln, etc., wobei diese Fragen
mit den grundlegenden Fragen der internationalen und der inneren Lage
Deutschlands verknüpft werden müssen. Die gesamte Arbeit der Partei müsse unter
dem Aspekt der Revolution, der Eroberung der Macht durch das Proletariat
geleistet werden. Die grundlegenden Voraussetzungen für die Bolschewisierung
der „kommunistischen Parteien“121) seien:
1. Es
ist notwendig, daß die Partei sich nicht als Anhängsel der parlamentarischen
Wahlapparats betrachtet, wie es im Grunde genommen die Sozialdemokratie tut,
und auch nicht als Gratisbeilage zu den Gewerkschaften, wovon zuweilen gewisse
anarcho-syndikalistische Elemente faseln, sondern als die höchste Form der
Klassenvereinigung des Proletariats, die berufen ist, alle übrigen Formen der
proletarischen Organisationen, von den Gewerkschaften bis zur
Parlamentsfraktion, zu führen.
2. Es
ist notwendig, daß die Partei, besonders ihre führenden Elemente, sich der
revolutionären Theorie des Marxismus, die mit der revolutionären Praxis
untrennbar verbunden ist, voll bemächtigen.
3. Es
ist notwendig, daß die Partei die Losungen und Direktiven nicht auf Grund
eingelernter Formeln und geschichtlicher Parallelen, sondern als Ergebnis einer
sorgfältigen Analyse der konkreten Bedingungen der revolutionären Bewegung im
Lande und im internationalen Maßstab ausarbeitet, wobei die Erfahrungen der
Revolutionen aller Länder unbedingt mit in Rechnung gestellt werden müssen.
4. Es
ist notwendig, daß die Partei die Richtigkeit dieser Losungen und Direktiven im
Feuer des revolutionären Kampfes der Massen überprüft.
5. Es
ist notwendig, daß die gesamte Arbeit der Partei, besonders wenn in ihr die
sozialdemokratischen Traditionen noch nicht überwunden sind‚ auf neue, revolutionäre Art umgestellt wird,
darauf berechnet, daß jeder Schritt der Partei, jede ihre Aktion naturgemäß zur
Revolutionierung der Massen, zur Vorbereitung und Erziehung der breiten Massen
der Arbeiterklasse im Geiste der Revolution führt.
6. Es
ist notwendig, daß die Partei es in ihrer Arbeit versteht, die höchste
Prinzipienfestigkeit (nicht zu verwechseln mit Sektierertum) mit einem Maximum
an Verbundenheit und Kontakt mit den Massen (nicht zu verwechseln mit
Nachtrabpolitik) zu verbinden, da es ohne diese Bedingung für die Partei
unmöglich ist, nicht nur die Massen zu lehren, sondern auch von ihnen zu
lernen, nicht nur die Massen zu führen und sie auf das Niveau der Partei
emporzuheben, sondern auch auf die Stimme der Massen zu lauschen und ihre
brennendsten Nöte zu erkennen.
7. Es
ist notwendig, daß die Partei es versteht, in ihrer Arbeit eine unversöhnliche
revolutionäre Einstellung (nicht zu verwechseln mit revolutionärem
Abenteurertum) mit einem Maximum an Elastizität und Manövrierfähigkeit (nicht
zu verwechseln mit Anpassungspolitik) zu verbinden, da es ohne diese Bedingung
für die Partei unmöglich ist, alle Formen des Kampfes und der Organisation zu
meistern, die Tagesinteressen des Proletariats mit den grundlegenden Interessen
der proletarischen Revolution zu verbinden und in ihrer Arbeit den legalen
Kampf mit dem illegalen Kampf zu verknüpfen.
8. Es
ist notwendig, daß die Partei ihre Fehler nicht verhüllt, daß sie die Kritik
nicht fürchtet, daß sie es versteht, ihre Kader an Hand ihrer eigenen Fehler zu
verbessern und zu erziehen.
9. Es
ist notwendig, daß die Partei es versteht, in die grundlegende führende Gruppe
die besten Elemente der fortschrittlichen Kämpfer aufzunehmen, die genügend
Hingabe besitzen, um wahrhafte Vertreter der Bestrebungen des revolutionären
Proletariats zu sein und die genügend Erfahrung haben, um wirkliche Führer der
proletarischen Revolution zu werden, die fähig sind, die Taktik und die
Strategie des Leninismus anzuwenden.
10. Es
ist notwendig, daß die Partei die soziale Zusammensetzung ihrer Organisationen
systematisch verbessert und sich von zersetzenden opportunistischen Elementen
reinigt, wobei sie die Erreichung einer maximalen Einheitlichkeit als Ziel vor
Augen haben muß.
11. Es
ist notwendig, daß die Partei eine eiserne proletarische Disziplin entwickelt,
die auf der Grundlage der ideologischen Einheit, der Klarheit der Ziele der
Bewegung, der Einheit des praktischen Handelns und des bewußten Verhaltens der
breiten Parteimassen zu den Aufgaben der Partei erwächst.
12. Es
ist notwendig, daß die Partei die Durchführung ihrer eigenen Beschlüsse und
Direktiven systematisch überprüft, da ohne diese Bedingung die Gefahr besteht,
daß sie sich in leere Versprechungen verwandeln, die nur geeignet wären, das
Vertrauen der breiten proletarischen Massen zur Partei zu untergraben.
Ohne diese und ähnliche
Bedingungen ist die Bolschewisierung ein leerer Schall.122)
Ist es Parteimitgliedern
erlaubt, religiöse Überzeugungen zu haben, wenn diese nicht im Widerspruch zur
Loyalität gegenüber der Partei stünden? Auf diese Frage eines Mitgliedes der
ersten amerikanischen Arbeiterdelegation in der Sowjetunion antwortete Stalin,
daß es „formal gesprochen“ keine Bedingungen für die Aufnahme in die Partei
gäbe, die vom Kandidaten „unbedingten Atheismus“, forderten. Dies bedeute
jedoch nicht, daß die Partei der Religion neutral gegenüberstehe. Die Partei
entfalte antireligiöse Propaganda und werde dies auch in Zukunft tun. Nach dem
Gesetz habe jeder Bürger das Recht, sich zu jeder beliebigen Religion zu
bekennen, dies sei eine Sache des Gewissens. Die Kirche sei vom Staat getrennt.
Aber mit der Verkündung der Freiheit des Glaubensbekenntnisses habe auch jeder
Bürger das Recht, durch Überzeugung, durch Propaganda und Agitation gegen diese
oder jene und gegen die Religion überhaupt zu kämpfen. Die Partei könne sich
der Religion gegenüber nicht neutral verhalten. Die Partei sei für die
Wissenschaft, die Religion stehe im Gegensatz zu ihr, Prozesse, wie in Amerika,
wo unlängst Darwinisten verurteilt wurden, seien in der Sowjetunion unmöglich.123)
Die antireligiöse Propaganda diene als ein Mittel zur Untergrabung des
Einflusses der reaktionären Geistlichkeit, die die Ausbeuterklassen
unterstützt. Stalin betonte, daß sie die reaktionäre Geistlichkeit
„niedergeworfen“ hätten, schlimm sei nur, daß sie noch nicht völlig liquidiert
sei. Es gäbe Fälle, in denen Parteimitglieder die antireligiöse Propaganda
behinderten. Es sei sehr gut, solche Parteimitglieder auszuschließen.124)
Nach den Erfahrungen mit der
Geistlichkeit im zaristischen Rußland, während der Revolution und des
Bürgerkrieges ist die Stellung Stalins gegenüber der Geistlichkeit
verständlich. Sie sollte nicht verallgemeinert werden im Sinne eines
Bestandteiles der marxistisch-leninistischen Parteitheorie. Stalins Beurteilung
trifft zweifellos auf die Mehrheit der Geistlichkeit unterschiedlicher
Religionen zu, wie die geschichtlichen Erfahrungen von mehr als hundert Jahren
Klassenkämpfe beweisen. In Rußland waren es die Popen, in Mittelasien die
islamischen Mullahs. Hier sei nur an die Basmatschenaufstände in Mittelasien
erinnert.
Auch die SED in der DDR hat
ihre Erfahrungen mit den offiziellen Kirchenleitungen gemacht. Vielleicht hätte
sie besser auf Stalin hören sollen.125) Aber es gab und gibt
Geistliche unterschiedlicher Religionen und Konfessionen, die an der Seite der
Arbeiterklasse gekämpft haben und kämpfen. Hier sei nur an den
antifaschistischen Widerstand erinnert. Für Mittelasien hatte die KPR (B)
besondere Aufnahmebedingungen, die es mohammedanischen Proletariern
ermöglichten, Mitglied der Partei zu werden. Die Stalinsche Formulierung
„reaktionäre Geistlichkeit“ ist also nicht verallgemeinerungsfähig. Eine
dogmatische Akzeptanz einer situationsbezogenen Einschätzung in Ländern mit
starker katholischer oder islamischen Bevölkerung Lateinamerika oder der Nahe
Osten (es gibt etwa eine Milliarde Muslime auf der Welt) würde zur Zerstörung
kommunistischer Parteien führen. Andererseits sind starke reaktionäre Strömungen
unter der Geistlichkeit sowohl im Islam als auch in christlichen Kirchen
unübersehbar, die jede demokratische Regung mit allen Mitteln zu unterdrücken
suchen.
Die Beziehungen zwischen
einer marxistisch-leninistischen Partei mit Kirchen bzw. islamischen Organisationen
sind ein äußerst sensibles Feld. Für deren Gestaltung gibt es keine
allgemeinverbindlichen Rezepte. Stalin hat die Politik der KPdSU (B) gegenüber
der russisch-orhtodoxen und islamischen Geistlichkeit auch nirgendwo zur
Nachahmung empfohlen. In den zwölf Punkten der Bolschewisierung der Parteien
der KI sind auch keine diesbezüglichen Forderungen enthalten.
Erstmalig in der
Weltgeschichte war die marxistisch-leninistische Partei mit dem Verhältnis, den
Beziehungen zum Staat der Diktatur des Proletariats konfrontiert. An
praktischen Erfahrungen gab es nur die Pariser Kommune, Der Rat der Kommune
setzte sich jedoch aus zwei „Parteien“ zusammen, den Blanquisten und
Proudhonisten, sowie einigen wenigen Marxisten. Eine marxistische Partei gab es
noch nicht in der Pariser Kommune.
In mehreren Arbeiten,
Berichten, Reden in der Zeit von 1923 bis 1930 setzte sich Stalin mit dieser
Problematik auseinander und verallgemeinerte die Erfahrungen aus den
Beziehungen zwischen Partei und Staat in der Sowjetunion. Im „Organisatorischen
Bericht des ZK“ auf dem XII. Parteitag der KPR (B) (17. - 25. April 1923)
unterzog er den sowjetischen Staatsapparat einer strengen, aber sachlichen
Kritik. „Der Staatsapparat ist der grundlegende, die Massen erfassende Apparat,
der die an der Macht befindlichen Arbeiterklasse, vertreten durch ihre Partei,
mit der Bauernschaft verbindet und der Arbeiterklasse ... die Möglichkeit gibt,
die Bauernschaft zu führen.“126) Aber, der Typus vom Staatsapparat
als Sowjetstaat sei zwar richtig, aber seine Bestandteile sind noch „fremde,
bürokratische, halbzaristisch-bürgerliche Elemente. Der Staatsapparat soll, im
„Dienste der Volksmassen“ stehen, aber „manche Leute dieses Staatsapparates“
wollen „ihn zu einer Futterkrippe“ machen.127) Der Staatsapparat
müsse vereinfacht werden, „Diebe und Gauner“ aus ihm vertrieben werden, sonst
würde der Apparat zum Selbstzweck verkommen. Unter Bezug auf Lenin meinte
Stalin, es ginge nicht nur um die Stärkung der führenden Rolle der Partei,
sondern im Lande solle „kein einziger, noch so hoch stehender Würdenträger“
bleiben, von dem der einfache Mann sagen könnte: „Dem ist nicht beizukommen.“
Es ginge, nach Lenin, eben darum, „nicht nur den Staatsapparat, sondern auch
die Partei von den Würdenträgertraditionen und -gepflogenheiten zu reinigen,
die unsere Partei kompromittieren.“128)
Im weiteren unterschied
Stalin zwischen der Partei als Organisation und der Partei als Apparat.
Bezüglich der Organisation sei auf die soziale Zusammensetzung zu achten. Die
Partei sei eine Partei der Arbeiterklasse. Darum sei das Augenmerk auf das
Wachstum der proletarischen Elemente in der Partei. zu richten, der Zustrom
nichtproletarischer Element einzuschränken. Stalin begründete dies aus den
Verhältnissen der NÖP. Zweifellos sei die Partei „dem verderblichen Einfluß der
NÖP-Elemente ausgesetzt“. Darum sei ein Maximum an Homogenität in der Partei,
ein „entschiedenes“ Überwiegen der Arbeiter innerhalb der Partei auf Kosten der
Nichtarbeiter zu erreichen.129) Die Erfahrungen haben gezeigt, nicht
nur in der Sowjetunion, daß nach Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse
vor allem Intellektuelle in die Partei eintreten. Daraus ergaben sich Gefahren
bezüglich des Parteiapparats auf die Stalin weitsichtig hinwies. Sie können zur
Zerstörung der Partei führen.
Das ZK der KPR (B) umfaßte
zur Zeit des XII. Parteitages 27 Mitglieder. Es trat einmal alle zwei Monate
zusammen. Innerhalb des ZK habe sich ein Kern von zehn bis fünfzehn Genossen
gebildet, „die sich in Sachen der Führung der politischen und wirtschaftlichen
Arbeit ... dermaßen eingefuchst haben, daß sie Gefahr laufen, sich in eine Art
Hohepriester der Führung zu verwandeln.“ Dies sei vielleicht ganz gut, habe
aber auch „eine sehr gefährliche Seite: Diese Genossen, die große Erfahrungen
in der Frage der Leitung gesammelt haben, können von Dünkel angesteckt werden,
sich abkapseln und sich der Arbeit unter den Massen entfremden.130)
Wenn Stalin hier noch sehr vorsichtig von einer Möglichkeit der Entfremdung
sprach, die Gefahren der Verselbständigung der Führung hatte er erkannt. Die
Verselbständigung der Führung, des Apparates, gegenüber den Mitgliedern der
Partei - und den Volksmassen - ist ein objektiver, unvermeidlicher Prozeß. Die
Genossen der Führungsgruppe der Partei, ob Politbüro, Sekretariat, Abteilungen
des Parteiapparates, kommen in der Regel ständig zusammen, erhalten
Informationen, sind untereinander verbunden. Die Mitglieder der Partei sind
über das gesamte Territorium des Staates verstreut (in der Sowjetunion 22
Millionen km2; in der VR China 10 Millionen km2), kommen
in ihren lokalen Parteiorganisationen, Wohn- oder Betriebspateiorganisationen,
in der Regel einmal im Monat, nach der Arbeit, zusammen. Einmal erhalten sie
nicht alle Informationen, über die die Führungsgruppe verfügt, zum anderen
erhalten sie die Informationen später, wobei die Führung nur das an
Informationen weitergibt, was sie für nötig hält. Es kann berechtigte Gründe
geben, Informationen zurückzuhalten. Darüber entscheiden die Genossen des Kerns
der Führungsgruppe. Das politisch-ideologische und theoretische Niveau der
Genossen der Führungsgruppe ist in der Regel höher als bei der Mehrheit der
Parteimitglieder. Daraus folgt unvermeidlich eine gewisse Verselbständigung des
Apparates gegenüber der Organisation.
Soweit diese
Verselbständigung sich in Grenzen hält, sogar notwendig ist, um schnelle
Entscheidungen in kritischen Situationen fällen zu können, wird sie von der
Mehrheit der Parteimitglieder auch akzeptiert, richtet sie keinen Schaden an.
Ohne einer psychologisierenden Geschichtsschreibung das Wort zu reden, spielen
in der Frage der Verselbständigung der Charakter der Funktionäre eine nicht zu
unterschätzende Rolle. Erfolge in der Führungstätigkeit - Stalin sagt: in neun
von zehn Fällen richtige Entscheidungen treffen, was sehr gut wäre - können
einzelnen Genossen in den Kopf steigen, die sich dann als „Hohepriester“ der
Partei, als Inkarnation des Marxismus-Leninismus fühlen und entsprechend auftreten,
Widerspruch, Kritik ganz und gar nicht vertragen und - möglichst noch mit
administrativen Mitteln - unterdrücken. Diese Gefahren hatten Lenin und Stalin
erkannt. Sie bestanden in allen herrschenden Kommunistischen Parteien und
werden auch in Zukunft nicht zu vermeiden sein.
Zu glauben, daß in einer
zukünftigen sozialistischen Gesellschaft, vor allem in der Übergangsperiode,
nur „Ritter ohne Furcht und Tadel“ die Macht ausüben werden, daß es keinen
Karrieristen, Großmäulern, gelingen wird, in den Parteiapparat aufzusteigen -
die dann als erste im Falle einer Niederlage die Parteibücher in die Mülltonnen
werfen und als nun mehr geläuterte Protagonisten der Herrlichkeiten der
bürgerlich-parlamentarischen Demokratie und freien Marktwirtschaft alle niederbrüllen,
die ihnen zu widersprechen wagen - gehört in das Reich der Illusionen. Im
übrigen sind diese Erscheinungen der Verselbständigung der Apparate in der
kapitalistischen Gesellschaft noch viel schärfer und ekelhafter ausgeprägt als
in den sozialistischen Ländern. Solange es Klassen und einen Staat geben wird,
wird man solche Erscheinungen wohl einschränken, aber nicht völlig ausschließen
können.
Stalin verwies auf das
Generationsproblem in der Führungstätigkeit. Die führenden Genossen im ZK
werden alt, müssen abgelöst werden. Der Gesundheitszustand Lenins war
bedenklich, auch die übrigen führenden Genossen, des „Grundkerns des ZK“, seien
verbraucht. Aber es gäbe noch keine Ablösung. Parteiführer heranzubilden sei
sehr schwer, man benötigt dafür fünf bis zehn Jahre, oder sogar noch mehr. Es
sei viel leichter, mit Hilfe der Kavallerie des Genossen Budjonny dieses oder
jenes Land zu erobern, als zwei oder drei Führer von unten herauf auszubilden.
Einen Ausweg sah Stalin darin, neue, jüngere Genossen in das ZK zu wählen, um
diese „die ganze Schwere der Leitung spüren zu lassen.“ Das ZK sollte
„mindestens bis auf 40 Mann“ erweitert werden.131) Die Frage des
Führungsnachwuchses ist von allgemeiner Bedeutung. Sie spielte in der gerade
gebildeten Sowjetunion auf Grund der vom Zarismus hinterlassenen
Kulturlosigkeit der Massen eine entscheidende Rolle. Die Führungsschicht der
Partei war zahlenmäßig sehr dünn. Das trifft auch auf die Mehrheit der heutigen
Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas zu. Darum gehört der Mord an
revolutionär-demokratischen Führungspersönlichkeiten in diesen Ländern zur
Strategie imperialistischer Großmächte. Hier sei nur an die Ermordung von
Patrice Lumumba und an die allerdings mißglückten Mordanschläge auf Fidel
Castro erinnert. Ist der Führungskern in einem solchen Lande liquidiert, dauert
es in der Regel zwanzig bis dreißig Jahre, bis eine neue Führung herangebildet
ist. Eine andere Methode ist die der Diffamierung von Führungspersönlichkeiten
als „Verbrecher“, um sie auf diesem Wege auszuschalten. Vor dem Problem des
Führungsnachwuchses stehen heute auch kommunistische Parteien in
imperialistischen Ländern, woraus ersichtlich, daß die Nachwuchsfrage nicht
ausschließlich auf ökonomisch rückständige Länder zu reduzieren ist. Sie ist vielschichtig.
Im Rechenschaftsbericht auf
dem XIV. Parteitag der KPdSU (B) (18. bis 31. Dezember 1925) ging Stalin erneut
auf das Verhältnis Partei - Staat ein: Die Partei sei die führende Kraft in der
Diktatur des Proletariats. Ohne Führung durch die Partei wäre die Diktatur des
Proletariats unter den Bedingungen der kapitalistischen Umkreisung unmöglich.
Daraus erkläre sich, daß die Bourgeois aller Länder „mit heller Wut“ von
unserer Partei sprächen.132) Dies bedeute jedoch keine Identität von
Partei und Staat. „Die Partei ist die führende Kraft in unserem Staat. Es wäre
jedoch dumm, aus diesem Grunde zu behaupten, ... das Politbüro sei das höchste
Organ im Staate.“133) Dies sei Konfusion, die nur Wasser auf die
Mühle unserer Feinde leite. „Das Politbüro ist das höchste Organ nicht des
Staates, sondern der Partei, die Partei aber ist die höchste führende Kraft des
Staates. Das ZK und das Politbüro sind Organe der Partei.“ Er wolle „die
Staatsbehörden nicht mit der Partei identifizieren ... sondern nur sagen, daß
in allen grundlegenden Fragen unserer Innen- und Außenpolitik der Partei die
führende Rolle gehörte.134)
Stalin unterscheidet hier
zwischen dem System der Diktatur des Proletariats als politischem System des
Sozialismus und dem Staatsapparat, der Regierung, der Ministerien. Der
Staatsapparat ist nicht die Partei. Die führende Rolle der Partei bezieht sich
auf das gesamte System der Diktatur des Proletariats. Die Führungsrolle der
Partei bezüglich des Staatsapparates vollzieht sich über die dort tätigen Genossen
sowie durch die politisch-ideologische Führung der Partei im System der
Diktatur des Proletariats, in dem der Staatsapparat ja keine exzeptionelle
Stellung einnimmt. Führung, auch des Staatsapparates durch die Partei bedeute
eben keine Identität von Partei und Staat. Die zeitweilig historisch bedingte
„Personalunion“ von Partei- und Staatsfunktionen mag später zu dieser falschen
Identifizierung von Staat und Partei beigetragen haben, was von bürgerlichen
Medien bis in die Gegenwart ausgenutzt wird und auch in
Sozialismusvorstellungen von Kommunisten „kritisch überwunden“ und für die
Zukunft ausgeschlossen werden soll. Wenn die Führungsschicht zahlenmäßig sehr
begrenzt ist, wird eine „Personalunion“ kaum zu vermeiden sein.
In seiner Arbeit „Zu den Fragen
des Leninismus“ (Januar/Februar 1926) ging Stalin ausführlich auf die
Beziehungen zwischen Partei und Staat im System der Diktatur des Proletariats
ein, wobei er aus den einschlägigen Schriften von Lenin zur Staatstheorie lange
Zitate anführte.135) In dieser Arbeit wird ein weiteres Mal die
Kontinuität von Lenin zu Stalin deutlich. Ausgangspunkt bei Stalin ist die
Kritik der These, wonach man die radikale Umgestaltung der alten bürgerlichen
Verhältnisse ohne gewaltsame Revolution, ohne Diktatur des Proletariats
bewerkstelligen könne. „Zu glauben, daß man eine solche Revolution friedlich,
im Rahmen der bürgerlichen Demokratie, die der Herrschaft der Bourgeoisie
angepaßt ist, durchführen kann, bedeutet, entweder den Verstand verloren und
die normalen menschlichen Begriffe eingebüßt zu haben oder sich grob und offen
von der proletarischen Revolution loszusagen.“136)
Mit Verweis auf Lenin
polemisiert Stalin gegen kleinbürgerliche Demokratieauffassungen, daß die
Partei unter den Bedingungen kapitalistischer Machtverhältnisse erst die
Mehrheit der Bevölkerung gewinnen müsse, bevor sie die Macht ergreifen dürfe.
Nach Lenin müsse das revolutionäre Proletariat erst die Bourgeoisie stürzen,
den bürgerlichen Staatsapparat zerschlagen, dann würde das Proletariat die Sympathien
und die Unterstützung der Mehrheit der werktätigen nichtproletarischen Massen
für sich gewinnen. In Übereinstimmung mit Lenin könne die Klasse der
Proletarier nicht die Macht mit anderen Klassen teilen. Dies sei im Begriff der
Diktatur des Proletariats enthalten.137) Diese Aussage ist von
allgemeiner Bedeutung für die marxistisch-leninistische Staatstheorie. Macht
ist nicht teilbar! Die Bourgeoisie denkt auch nicht im Traum daran, ihre Macht,
die Macht ihrer Klasse mit einer anderen Klasse, der Klasse der Lohnarbeiter,
zu teilen. Ihre Ideologen verstehen es allerdings meisterhaft, die Macht der
Bourgeoisie unter demokratischer Phraseologie zu verhüllen. Der auch politisch
reflektierte Konkurrenzkampf unter den Bourgeois ändert daran nicht das geringste.
Sowie die Klasseninteressen der Bourgeoisie als Ganzes, das Privateigentum an
den Produktionsmitteln auch nur im geringsten bedroht erscheint, hält sie gegen
das Proletariat zusammen. Das ist der „antikommunistische Grundkonsens“ der
verschiedenen Fraktionen der Bourgeoisie und ihrer politischen Parteien - bei
allem politischen Krakeel und Finanzskandalen untereinander.
Die Nichtteilbarkeit der
Macht schließt Bündnisse mit anderen Klassen und Schichten nicht aus. „Diese
Macht, die Macht einer Klasse, kann nur durch eine besondere Form des
Bündnisses zwischen der Klasse der Proletarier und den werktätigen Massen der
kleinbürgerlichen Klassen, vor allem der werktätigen Massen der Bauernschaft,
errichtet und bis zu Ende verwirklicht werden.“138) Bündnisse sind
also keine Machtteilung! Innerhalb des Bündnisses übt die Partei der
Arbeiterklasse die führende Rolle aus. Sie ist nicht teilbar. „Diese besondere
Form des Bündnisses besteht darin, daß der Führer des Staates, der Führer im
System der Diktatur des Proletariats eine Partei ist, die Partei. des
Proletariats, ... die die Führung mit anderen Parteien nicht teilt und nicht
teilen kann.“139) Dieser Hinweis ist wichtig für Länder, in denen
der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus in Form eines Mehrparteiensystems
vollzogen wird. Es war kein Zufall, wenn 1989 die Konterrevolution in der DDR
aus Artikel 1 der Verfassung den Führungsanspruch der
marxistisch-leninistischen Partei, der SED, aufhob. Von diesem Führungsanspruch
abzusehen, die Führung der Arbeiterklasse durch die Partei durch eine
„Avantgarde“-Rolle zu ersetzen oder zu umschreiben, kann die Arbeiterklasse in
einer Entscheidungssituation desorientieren. Die Führung der Arbeiterklasse
durch die marxistisch-leninistische Partei ist auch unter heutigen und
zukünftigen Bedingungen unverzichtbar, auch wenn zur Zeit in den EU-Ländern und
in den USA keine revolutionäre Situation besteht, die kommunistischen Parteien
in diesen Ländern nach der Niederlage vorläufig keine einflußreiche politische
Kraft darstellen, die Führung der Arbeiterklasse von der Bourgeoisie über ihr
Parteiensystem und über reformistische Gewerkschaftsführer ausgeübt wird. Aus
taktischen Erwägungen den Führungsanspruch theoretisch aufzugeben, weil zur
Zeit nicht durchsetzbar, führt in der
Konsequenz zum Opportunismus.
In einem weiteren Abschnitt
wandte sich Stalin der Rolle der Partei und Arbeiterklasse im System der
Diktatur des Proletariats zu. Sie übt ihre Führungsrolle, ihre „lenkende Kraft“
über die Massenorganisationen aus, Gewerkschaften, Jugendverband,
Genossenschaften. Es sei Aufgabe der Partei, „die Arbeit aller
Massenorganisationen des Proletariats ohne Ausnahme zusammenzufassen und deren
Tätigkeit auf ein Ziel,, auf
das Ziel der Befreiung des Proletariats zu lenken.“140) Mehrfach
verwandte Stalin bezüglich der Massenorganisationen Begriffe wie
„Transmission“, „Hebel“ im System der Diktatur des Proletariats, über die die
Partei ihre führende Rolle verwirklicht. Diese Massenorganisationen zu leiten,
das wäre im allgemeinen das Bild des „Mechanismus“ der Diktatur, das Bild des
„Systems der Diktatur des Proletariats.“141) Nach einem Zitat Lenins
hätte die Partei in den Massenorganisationen im „großen und ganzen“ „einen
formal nichtkommunistischen, elastischen und verhältnismäßig umfassenden,
überaus mächtigen proletarischen Apparat, durch den die Partei mit der Klasse
und der Masse eng verbunden ist und durch den unter Führung der Partei die
Diktatur der Klasse verwirklicht wird.“142)
Die Partei verwirklicht die
Diktatur des Proletariats, aber nicht unmittelbar, sondern über die
Massenorganisationen. „Ohne diese ‘Transmissionen‘ wäre eine einigermaßen feste
Diktatur unmöglich.“143) „...keine einzige wichtige politische oder
organisatorische Frage“ unserer Massenorganisationen wird „ohne leitende
Weisungen der Partei“ entschieden...“144) Dieser Sachverhalt hatte
schon immer selbst unter Genossen zu eklatanten Fehlinterpretationen geführt:
Die Diktatur des Proletariats sei die Diktatur der Partei! Diese unhaltbare These
wird nach wie vor von allen antikormmunistischen Ideologen und allen möglichen
Schöngeistern verbreitet. Unhaltbar ist diese These darum, weil die Partei,
selbst wenn sie das wollte, nicht allein die Diktatur ausüben kann. Nebenbei
bemerkt, trifft dies auch für Diktaturen der Ausbeuterklassen zu. Die
faschistische Diktatur war eben nicht nur die Diktatur der NSDAP, einiger
faschistischer Führer oder gar Hitlers allein, wie in bürgerlichen
Publikationen gern behauptet wird, um die Spitzen des Monopol- und
Bankkapitals, die Hitler mit der
Ausübung der Macht beauftragt hatten und dessen Diktatur tatkräftig
unterstützten - solange sie ihnen nützlich war - aus der Kritik herauszuhalten.
Ohne besonders reaktionäre Teile des Monopolkapitals gab und gibt es keine
faschistische Diktatur, wobei sich die betreffende reaktionäre Partei ebenfalls
mit Massenorganisationen umgibt bzw. vorhandene in ihrem Interesse
umfunktioniert, „umwandelt“, z.B Gewerkschaften in „Deutsche Arbeitsfront“!
Auch offene, unverhüllte, terroristische Diktaturen der Bourgeoisie bedürfen
der „Transmissionen“, über die sie ihre Macht realisieren. Was die bürgerlichen
Ideologen stört, ist nicht die Diktatur, sondern die Diktatur des Proletariats,
das heißt, der proletarische Klassencharakter der Diktatur. Die
bürgerlich-parlamentarische Demokratie ist ihrem Wesen nach auch nichts anderes
als eine verhüllte Machtausübung der Bourgeoisie, sogar die sicherste Form
ihrer Diktatur, d.h. ihrer Klassenherrschaft, „dadurch, daß sie die Gewalt
abwechselnd aus ihrer einen Hand fallen läßt, um sie mit ihrer andern
aufzufangen.“ 144a)
Es würde den Rahmen
vorliegender Arbeit sprengen, die Diktaturen/Diktatoren in Südkorea,
Südvietnam, auf den Philippinen, in Indonesien, Chile, Südafrika und anderen
Staaten nur halbwegs aufzuzählen, deren blutige Regimes von den jeweiligen
Administrationen der USA gefördert und unterstützt, von ihren Ideologen als
Vorkämpfer der „freien Welt“, für „Demokratie und Menschenrechte“ verklärt
wurden. Die Mudjaheddins, die Taliban gehörten ja auch einmal zu diesen
„Freiheitskämpfern“, bis sie ihre von den USA gelieferten Waffen gegen ihre
einstigen Auftraggeber wandten. „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan - der
Mohr kann gehen!“ Doch diese Mohren gingen eben nicht. Solange die Menschheit
in Klassen gespalten ist, wird es Klassenherrschaften = Diktaturen geben. Erst
in einer klassenlosen Gesellschaft wird es keine mehr geben, eben auch keinen
Staat mehr. Aber dies ist keine Gegenwartsaufgabe. Die Frage der Diktatur läßt
sich nicht abstrakt beantworten, außerhalb der Klassenfrage. Der Klassenaspekt
ist entscheidend für die Bestimmung des Charakters einer Diktatur. Die von
bürgerlichen Ideologen verkündete „Totalitarismusdoktrin“ ist theoretisch und
historisch unhaltbar.
Stalin wies eine solche
Identifizierung der Diktatur des Proletariats gleich „Diktatur der Partei“ auch
entschieden zurück. Die Massenorganisationen haben spezifische Aufgaben, die
Gewerkschaften andere als der Jugendverband oder Frauenorganisationen. Wenn es
auch „leitende Weisungen“ von der Partei für alle wichtigen Beschlüsse der
Massenorganisationen gibt, die Durchführung, die Umsetzung der Beschlüsse
führen die Massenorganisationen selbst durch. Die Partei müsse bei all ihren
Weisungen stets mit dem Willen, dem Zustand, dem Bewußtseinsgrad der von ihr
Geführten rechnen. „Wer ... die führende Rolle der Partei mit der Diktatur des
Proletariats identifiziert, der ersetzt den Willen und die Handlungen der
Klasse durch die Weisung der Partei. Partei und Klasse sind nicht deckungsgleich,
die Partei kann die Klasse nicht ersetzen. Die Partei bleibt „bei all ihrer
wichtigen, führenden Rolle“ ein Teil der Klasse.“145)
Der Begriff Diktatur ist ein
staatstheoretischer Begriff. Die Diktatur des Proletariats schließt den Begriff
der Gewalt ein, denn ohne Gewalt gibt es keine Diktatur. Eine Identifizierung
von Diktatur des Proletariats mit Diktatur der Partei würde bedeuten, daß die
Partei nicht nur „Führer und Lehrer“ der Arbeiterklasse sei, sondern auch eine
Art Diktator, der ihr gegenüber Gewalt anwendet. Dies sei völlig absurd. Die
proletarische Partei kann keine Gewalt gegen die eigene Klasse anwenden.146)
Es geht bei dieser Frage um die Wechselbeziehungen zwischen Partei und Klasse,
zwischen Parteimitgliedern und Nichtmitgliedern innerhalb der Arbeiterklasse.
Stalin faßt die Auffassungen Lenins zu dieser Problematik zusammen: l. Die
Autorität der Partei beruhe auf dem Vertrauen der Arbeiterklasse zur Partei. 2.
Dieses Vertrauen wird nicht auf einmal und schon gar nicht durch Gewaltanwendung,
sondern nur durch langwierige, ständige
Überzeugungsarbeit durch die Partei erworben. 3. Ohne dieses Vertrauen der
Arbeiterklasse gibt es keine wirkliche Führung durch die Partei. 4. Ohne
Führung der Partei, beruhend auf dem Vertrauen der Arbeiterklasse, gibt es
keine einigermaßen feste Diktatur des Proletariats.147)
Führen heißt, die Massen von
der Richtigkeit der Politik der Partei überzeugen, solche Losungen aufzustellen
und durchzuführen, die die Massen an die Positionen der Partei heranführen und
ihnen erleichtert, an Hand ihrer eigenen Erfahrungen die Richtigkeit der
Politik der Partei zu erkennen, die Massen auf das Bewußtseinsniveau der Partei
zu heben und sich somit die Unterstützung der Massen, ihre Bereitschaft zum
entscheidenden Kampfe zu sichern. Die Methode der Überzeugung ist die Hauptmethode der Führung der
Arbeiterklasse durch die Partei.148) Die Massen zu führen ist gar
keine so leichte Aufgabe. Einmal stehen sie in ihrer Mehrheit unter dem Einfluß
der bürgerlichen Ideologie, die ihnen von Kindesbeinen an über Schule - Kirche
- Parteien - Klubs - Organisationen,
dem gesamten Kulturbetrieb, durch die Massenmedien vermittelt wird. Sie sind
bis zu einem gewissen Grade durch die Gesamtheit der Lebensumstände im
Kapitalismus gegen die kommunistische Ideologie immunisiert. Die Massen lernen
bekanntlich auch nicht aus Büchern und Parteiprogrammen.
Die Mehrheit der Volksmassen
sind Empiriker und daran muß die Partei anknüpfen. Die Erfahrungen der Massen
im Kapitalismus, die sie täglich machen, sind der Ausgangspunkt, an die die
Agitation und Propaganda der Partei in möglichst einfachen, für die Massen
verständlichen Worten und Begriffen anschließen muß. Eine Schwierigkeit für die
Partei besteht darin, daß sie auf ein Minimum von Theorie und geschichtlicher
Erfahrung nicht verzichten kann, d.h. theoretische Erkenntnisse in die
Agitation einbeziehen, die Theorie mit den Erfahrungen der Massen verbinden,
muß ohne die Theorie zu verballhornen oder gar zu verfälschen. Stalin gehörte
zu den wenigen Führern der Kommunistischen Weltbewegung, die diese Kunst
meisterhaft beherrschten, worüber immer wieder intellektuelle Schöngeister die
Nase rümpfen, weil sie nicht begreifen können, daß die Volksmassen nicht aus
Akademikern bestehen.
Die Partei kann und muß auch
nicht alle Arbeiter überzeugen, um Aktionen durchführen zu können. Sie muß sich
allerdings vor „entscheidenden politischen Aktionen“ die „Unterstützung der
Mehrheit der Arbeitermassen“, zumindest deren „wohlwollende Neutralität“
sichern. Wie aber soll sich die Partei gegenüber der Minderheit der
Arbeiterklasse verhalten, die sich nicht freiwillig dem Willen der Mehrheit der
Klasse unterwirft? In einem solchen Falle kann und muß die Partei, die das
Vertrauen der Mehrheit auf ihrer Seite hat, die Minderheit „zur Unterwerfung unter den Willen der Mehrheit
zwingen.“ „Das schließt aber die Anwendung von Zwang nicht aus, sondern setzt
sie voraus, wenn dieser Zwang darauf gründet, daß die Partei das Vertrauen und
die Unterstützung der Mehrheit der Arbeiterklasse genießt, wenn er gegen die
Minderheit angewendet wird, nachdem man es vermocht hat, die Mehrheit zu
überzeugen.“149)
Läßt man die Formulierung
„Vertrauen zur und Unterstützung der Partei durch die Mehrheit: der
Arbeiterklasse“ weg, dann kommt die „Diktatur“ der Partei über die
Arbeiterklasse, die „Diktatur der Führer“ heraus, eine bis heute übliche
Verfälschung und Unterstellung Stalinscher Parteitheorie und Politik. Stalin
verwies auf diesbezügliche Argumente Lenins aus dessen Schrift „Der ‘linke
Radikalismus‘ - die Kinderkrankheit im
Kommunismus.“150) Die damaligen Verfechter der These „Diktatur der
Partei“ beriefen sich auf Lenin, der selbst von der „Diktatur“ der Partei
gesprochen habe. Stalin schrieb, daß er in Lenins Werken nur fünf
Fälle gefunden habe, in denen Lenin die Frage der „Diktatur der Partei“
„flüchtig berührt habe“.151) Diese Stellen werden von Stalin im
Wortlaut angeführt 152) und kommentiert:
a)
Lenin hielt die Formel „Diktatur der Partei“ nicht für einwandfrei, und genau,
weshalb er sie äußerst selten gebraucht und manchmal in Anführungszeichen
gesetzt habe.
b) In
Polemik mit Gegnern sei Lenin „gezwungen“ gewesen, „von der Diktatur der Partei
zu sprechen, gewöhnlich von der ‘Diktatur einer Partei‘, das heißt „daß unsere
Partei allein an der Macht steht, sie die Macht nicht mit anderen Parteien
teilt, daß unter der Diktatur der Partei gegenüber der Arbeiterklasse die
Führung durch die Partei, ihre führende Rolle zu verstehen“ sei.
c)
Bezüglich der Rolle der Partei im System der Diktatur des Proletariats, wenn
diese „wissenschaftlich zu definieren war“, habe Lenin „ausschließlich von der
führenden Rolle der Partei in bezug auf die Arbeiterklasse“ gesprochen.
Unter
d) folgt ein Hinweis auf Lenin, die Formulierung „Diktatur der Partei“ nicht in
die Resolution des II. Kongresses der KI aufzunehmen und unter e) die These,
wonach die Begriffe „Diktatur der Partei“, „Diktatur der Führer“ mit dem
Leninismus unvereinbar sind.153)
Auf den ersten Blick könnte
man meinen, daß es sich um Interpretierungsfragen oder einfachen Wortstreit handelt. Es ist immer wieder zu
beobachten, daß aus Werken der Klassiker einzelne Abschnitte, Sätze zitiert
werden, die unter einer ganz bestimmten konkret-historischen Situation geäußert
und dann zu einem „Axiom“ erhoben werden. Nicht unbekannt sind die sogenannten
„Zitatenschlachten“, Klassikerzitate als „Autoritätsbeweise“, um den eigenen
Standpunkt unter Berufung auf die Klassiker in den Rang einer „Offenbarung“ zu
erheben und damit jeden Widerspruch abzuschmettern. Wichtiger als die oben
genannten Auslegungen der Lenin’schen Äußerungen scheint mir die Argumentation
Stalins zu sein, nämlich der Hinweis auf die Gefahren, die solche
Formulierungen „Diktatur der Partei“, folglich „Diktatur der Führer“, erzeugen.
Die politischen Konsequenzen solcher Formulierungen für die parteilosen Massen
hießen: „Wagt nicht zu widersprechen“, denn die Partei sei „allmächtig“, wir
haben die Diktatur der Partei! Parteikader könnten „forscher ran“gehen,
„fester“ zupacken, denn man brauche nicht auf die Stimme der parteilosen Masse
zu hören und schließlich könnte dies bei Parteispitzen zu einer „gewissen
Selbstzufriedenheit“ führen, sie „sogar überheblich“ werden lassen.154)
Diese Gefahren bestanden,
wobei sie sich nicht nur aus Fehlinterpretierungen, voluntaristischer Auslegung
Lenin’scher Schriften ergaben. Überheblichkeit bei nur einigen wenigen
Parteifunktionären gegenüber den Massen, Arroganz gegenüber einfachen Menschen,
die Gewohnheit „anzuordnen“, zu „dekretieren“ anstatt zu überzeugen, genügen,
um negative Erfahrungen bei parteilosen Werktätigen zu erzeugen, die den Boden
für die Akzeptanz der These von der „Diktatur der Partei“, „der Führer“
gegenüber der Arbeiterklasse bereiten. „Ob nicht doch ein bißchen dran ist an
dieser Behauptung?“ Gegen diese Gefahren ist auch in Zukunft keine Partei
gefeit. Die Führer der Kommunistischen Partei sind nicht nur Lehrer der
Arbeiterklasse. In einigen Fällen bedürfen auch die Führer der Erziehung durch die
Klasse, die manchmal etwas rauh sein kann.
In einem Artikel der Prawda
vom 15. Dezember 1923 „Über die Diskussion“155) setzte sich Stalin
mit der Opposition in der Partei über Fragen der innerparteilichen Demokratie
auseinander. Es gab zwei Gruppierungen, einmal ein Teil der „linken“
Kommunisten (Preobrashenski, Stukow, Pjatakow u.a.) zum anderen die
„demokratischen Zentralisten“ (Rafail, Sopronow u.a.), sowie Trotzki. Bemerkenswert sind Sprache und Ton, in der
die Diskussion offensichtlich geführt wurde. Es fehlte nicht, so Stalin, an
Kraftausdrücken und Geschimpfe über das ZK, an ungereimten Beschuldigungen.
Gegen diese Art von Grobheiten ging Stalin öfter vor, obwohl er selbst, wie er
mehrfach zugegeben hatte, auch grob
gegenüber seinen Widersachern war.
Diese Unsitte, Diskussion von
strittigen Problemen mit saftigen Kraftausdrücken zu würzen, gab - und gibt? -
es nicht nur in kommunistischen, sondern auch in bürgerlichen Parteien. Der
Krakeel innerhalb und zwischen den Parteien scheint eine Art
klassenindifferenter politischer „Gesetzmäßigkeit“ zu sein, nach dem Motto, wo
Argumente fehlen, stellen sich Kraftausdrücke ein. Besonders in Wahlzeiten,
oder bei der Aufdeckung von Skandalen aller Art, natürlich immer beim andern,
können. sich Politiker so richtig ins Zeug legen, geht es dabei noch gegen
kommunistische Parteien, kommt also der Klassenaspekt hinzu, gibt es für
Schmähreden keine Grenzen mehr. Stalin wandte sich mehrfach gegen die
„abstoßenden Formen“ die die Streitigkeiten annahmen, insbesondere dann, „wenn
sie aus persönlichen Motiven“ entstehen.155a) Das Problem war die
Einschränkung der innerparteilichen Demokratie. Preobrashenski meinte, daß es
1917 und 1918 keine Einschränkungen gegeben habe, daß die Einschränkungen, die
auf dem X. und XI. Parteitag (März 1921 und März 1922) beschlossen wurden, „das
selbständige Denken der Partei“, die „Selbsttätigkeit der Parteiorganisationen“
beenge.156) Die genannten Parteitage standen noch unter Leitung
Lenins, und es war Lenin, der das Verbot von Gruppierungen in der Partei
vorgeschlagen hatte, das auf dem X. Parteitag beschlossen wurde.
In den Jahren 1917/18 gab es
einen offenen Kampf zwischen den Gruppierungen und Fraktionen der Partei, der
die Partei in eine Krise geführt hatte, die mit der Frage ihres „Seins oder
Nichtseins“ verbunden war. Stalin wies besonders auf den Kampf innerhalb der
Partei in der Periode des Brester Friedens hin.157) Darin lagen die
Ursachen des Fraktionsverbotes. Um dies noch einmal zu betonen: Das
Fraktionsverbot war ein Beschluß des Zentralkomitees, der auf Initiative Lenins
gefaßt wurde und kein „Willkürakt“ Stalins, dem immer wieder das
Fraktionsverbot unterstellt wird. Aber auch nach dem Bürger- und
Interventionskrieg, unter den Bedingungen der NÖP, trat Stalin für die
Beibehaltung des Fraktionsverbots ein und wandte sich entschieden gegen
Preobrashenski und andere Genossen, die es aufheben wollten. Mit der NÖP fand
eine Belebung kleinbürgerlicher Tendenzen statt, die auch vor der Partei nicht
halt machten. Die Wiederherstellung des „vergangenen Regimes des
Fraktionskampfes“ würde „unvermeidlich zur Untergrabung der Einheit der Partei“
führen.158)
Fragen der innerparteilichen
Demokratie können nur unter Berücksichtigung der konkret-historischen Situation
beantwortet werden. Ein Fraktionsverbot und andere Einschränkungen der
innerparteilichen Demokratie bilden kein allgemeingültiges Axiom der
Parteitheorie. Unter bestimmten Bedingungen sind sie unverzichtbar, unter
anderen können sie Initiativen der Parteimitglieder hemmen. Einer der
Verfechter der „Demokratisierung“ der Partei, Sapronow, forderte Neuwahlen, um
die Gruppe der führenden Genossen, nicht zuletzt oder besonders Stalin, aus
ihren Funktionen zu verdrängen. Ohne die Bedeutung von Neuwahlen unter dem
Aspekt des Demokratismus zu leugnen, sah Stalin in ihnen keine „grundlegende
Garantie“ für die Verbesserung des innerparteilichen Lebens. Stalin unterschied
zwei Arten von Demokratismus: erstens den Demokratismus der Parteimassen,
Initiativen zu entfalten, aktiv an der Parteiführung teilzunehmen und zweitens
den „‘Demokratismus‘ unzufriedener Parteigrößen, die das Wesen des
Demokratismus in der Ablösung der einen Personen durch andere sehen.“159)
Stalin hatte die Beweggründe des „Demokratismus“ der Opposition richtig
erkannt. Es ging nicht um innerparteiliche Demokratie, sondern um Befriedigung
individueller Machtgelüste von politisch unzufriedenen Intellektuellen, und
dahinter standen die NÖP-Bourgeoisie, die Reste der weißgardistischen Reaktion,
unabhängig davon, ob die „demokratischen Oppositionellen“ in der Partei sich
dessen bewußt waren oder nicht.
Bis zum vorläufigen Ende des
europäischen Sozialismus trat die „Opposition“ in den Kommunistischen Parteien
stets unter dem Werbeslogan des Demokratismus auf, das sie als ihr Kampfbanner
vorantrug und hinter dem sich die Konterrevolution formieren konnte. Die
„Demokratisierung“ war und ist der Schlachtruf der internationalen
Konterrevolution. Darauf wies in einem anderen Zusammenhang schon Engels in
einem Brief an Bebel vom 11./l2. Dezember 1884 hin, wonach in einem
revolutionären Moment „...die ganze reaktionäre Masse ... sich demokratisch“
gebärdet. „Jedenfalls ist unser einziger Gegner am Tag der Krise und am Tag
nachher - die um die reine Demokratie sich gruppierende Gesamtreaktion, und
das, glaube ich, darf nicht aus den Augen verloren werden.“160)
In der NÖP-Periode 1923 als
dem „Tag nachher“ war die innerparteiliche Opposition der Wortführer der
russischen Gesamtreaktion. Stalin hatte die Gefahren erkannt, die von der
Opposition ausgingen.
Der Entwicklung der
innerparteilichen. Demokratie standen noch andere Hindernisse im Wege. Da waren
die „Überreste und Gepflogenheiten der Kriegsperiode in den Köpfen mancher
... Funktionäre“, die die Partei nicht
als „selbsttätigen Organismus“ begriffen sondern als ein „System von
Institutionen.“ Diese Überreste ließen sich nicht kurzfristig überwinden. Auf
dem Parteiapparat lastete der Druck des „bürokratischen Staatsapparats.“ Der
Staatsapparat hatte etwa eine Million Angestellte, der Parteiapparat nicht mehr
als 20.000 bis 30.000 Funktionäre. Der Druck dieser schwerfälligen. Maschinerie
ließ sich ebenfalls nicht in „kürzester Zeit“ überwinden. Schließlich erwies
sich auch das aus der zaristischen Vergangenheit ererbte niedrige Kulturniveau
in einer Reihe rückständiger Parteizellen als ein Hemmnis für die Entfaltung
der innerparteilichen Demokratie.161)
Besonders gefährlich waren
die Angriffe Trotzkis auf das Zentralkomitee, besonders auf den engeren Führungskreis
der Partei. Trotzki berief sich auf die Erfahrungen mit den Führern der II.
Internationale, die zum Opportunismus entartet waren und extrapolierte diesen
Sachverhalt auf den Führungskern der Bolschewiki. Diese „Argumentation“ war
nicht ungeschickt. Der von Trotzki heraufbeschworenen „Entartung“ der „alten
Garde“ stellte er die Jugend gegenüber. „Die Jugend“ sei „das sicherste
Barometer der Partei“ und reagiere „am schärfsten auf den Parteibürokratismus.“162)
Der Analogieschluß von den
opportunistischen Führern der II. Internationale auf die führenden Genossen der
Bolschewiki, (zu denen Trotzki als Mitglied des Politbüros und des ZK selbst
gehörte! UH) den Apparat der Bolschewiki, ist historisch nicht haltbar, war
nichts anderes als Demagogie. Desgleichen die Jungen den Alten
gegenüberzustellen, sie voneinander zu trennen, war auf die Zerstörung der
Partei gerichtet. Möglicherweise gebührt Trotzki das Verdienst, als erster den
„Generationskonflikt“ als Ursache gesellschaftlicher Konflikte erfunden zu
haben, um den Klassenkampf zu kaschieren. As ob man die historisch bedingten
Ursachen für den Bürokratismus im Parteiapparat, den es ja gab und
der von Lenin und Stalin bekämpft wurde, durch einen Generationswechsel beseitigen könnte. Trotzkis „Polemik“ war auf
die Zerschlagung des Zentralkomitees, gezielt auf den Sturz Stalins als
Generalsekretär gerichtet. Die bekannte ausgemachte Feindseligkeit in den
Beziehungen zwischen Stalin und Trotzki, die noch aus dem Bürgerkrieg
herrührte, haben dabei auch ihre Rolle gespielt. Die Sachfragen, um die es
ging, lassen sich jedoch nicht auf diese psychologische Komponente reduzieren.
Stalin bestritt keineswegs
die Möglichkeit, daß die alten Bolschewiki entarten könnten, genausowenig wie
wir „vor einem Erdbeben absolut gesichert sind.“ „Die Möglichkeit einer solchen
Gefahr, die eventuell eintreten könnte, kann und muß zugegeben werden.“163)
Aber Möglichkeiten sind keine Realitäten. Die Gefahr der Entartung der alten
Bolschewiki war real nicht gegeben. Desgleichen war seltsam: Die „Alten“
könnten entarten, die „Jungen“ dagegen erobern „die revolutionären Formeln im
Kampf.“164) Demnach können die Jungen nicht entarten? Die Frage der
Entartung ist demnach keine politische, sondern eine Generationsfrage!?
In seinem Referat auf der
XIII. Konferenz der KPR(B) (16. bis 18. Januar 1924) verdeutlichte Stalin die
Klassenbedingtheit der innerparteilichen Demokratie.165) Er ging von
der Resolution über den Parteiaufbau aus, die in der gemeinsamen Sitzung des
Politbüros des ZK und des Präsidiums der ZKK der KPR (B) am 5. Dezember 1923
angenommen worden war. Das Plenum des ZK (14. bis 15. Januar 1924) billigte diese Resolutionen, die laut Beschluß der
XIII. Parteikonferenz unterbreitet wurde.
Für das Verständnis der
Diskussion zur innerparteilichen Demokratie ist die Kenntnis der Situation, in
der sie stattfand, von Bedeutung. Die KPR (B) wurde von der Opposition in eine
Existenzkrise gestürzt, von der das Schicksal der jungen Sowjetunion
abhing, die vor einem Jahr, am 22. Dezember 1922, erst gebildet und noch lange
nicht gefestigt war. Dieser Sachverhalt rechtfertigt die Dokumentation der
Resolution des ZK und der ZKK der KPR (B) vom Oktober 1923 in vollem Wortlaut:
Gemeinsame Plenartagung des
ZK und der ZKK mit Vertretern von 10 Parteiorganisationen Moskau, 25. - 27.
Oktober 1923
Die
gemeinsame Plenartagung des ZK und ZKK beriet zusammen mit Vertretern von 10
Parteiorganisationen über die innerparteiliche Lage und brandmarkte das
parteifeindliche, fraktionelle, verleumderische Auftreten Trotzkis vom 8.
Oktober 1923, das das Signal zur Vereinigung aller oppositionellen
Gruppierungen zum Kampfe gegen die Partei, gegen den Leninismus war. Das Plenum
brandmarkte die von Trotzki zusammengeflickte Plattform, die sich „Erklärung
der 46 Oppositionellen“ nannte. Im Kampfe gegen die leninistische Partei
vereinigten sich alle oppositionellen Gruppierungen: die Trotzkisten, Dezisten,
die Überreste der „linken Kommunisten“ und der „Arbeiter-Opposition“. In ihrer
Erklärung prophezeiten sie eine schwere Wirtschaftskrise und den Untergang der
Sowjetmacht und forderten, als einzig möglichen Ausweg aus der Lage, Freiheit
für die Fraktionen und Gruppierungen, die vom X. Parteitag auf Vorschlag
Lenins verboten worden waren.
Resolution des Plenums
über die Lage in der Partei
Die gemeinsame Plenartagung
billigt voll und ganz den vom Politbüro rechtzeitig festgelegten Kurs auf die
innerparteiliche Demokratie sowie die vom Politbüro vorgeschlagene Verstärkung
des Kampfes gegen jeden überflüssigen Aufwand und den zersetzenden Einfluß der
NÖP auf einzelne Elemente der Partei. Die gemeinsame Plenartagung beauftragt
das Politbüro, alles Notwendige zu unternehmen, um die Arbeit der vom Politbüro
und vom Septemberplenum eingesetzten Kommissionen zu beschleunigen: der
Kommission 1. zur Frage der „Schere“, 2. zur Frage des Arbeitslohns, 3. zur
innerparteilichen Lage. Das Politbüro soll, nach Ausarbeitung der notwendigen.
Maßnahmen zu diesen Punkten, beginnen, sie unverzüglich in die Tat umzusetzen
und hierüber auf dem nächsten ZK-Plenum Bericht erstatten. Die gemeinsame
Plenartagung des ZK und der ZKK mit Vertretern von 10 Parteiorganisationen
sieht das Auftreten Trotzkis in dieser für die internationale Revolution und
die Partei höchst verantwortungsvollen Zeit für einen schweren politischen
Fehler an, insbesondere weil der gegen das Politbüro gerichtete Angriff
Trotzkis objektiv den Charakter eines fraktionellen Auftretens angenommen hat,
das die Einheit der Partei zu gefährden droht und eine Parteikrise herbeiführt.
Die gemeinsame Plenartagung stellt mit Bedauern fest, daß Trotzki zur
Behandlung der von ihm aufgeworfenen Fragen den Weg gewählt hat, an einzelne
Mitglieder der Partei zu appellieren, anstatt den einzig zulässigen Weg zu
gehen - diese Fragen zuvor in den Kollegien, deren Mitglied Trotzki ist, zur
Diskussion zu stellen.
Der von Trotzki gewählte Weg
war das Signal zu einer fraktionellen Gruppenbildung (Erklärung der 46). Die
gemeinsame Plenartagung des ZK und der ZKK und die Vertreter der 10
Parteiorganisationen verurteilen entschieden die Erklärung der 46 als einen
Schritt fraktioneller Spaltungspolitik, die, wenn auch ohne Willen der
Unterzeichner dieser Erklärung, einen solchen Charakter angenommen hat. Diese
Erklärung droht dem gesamten Leben der Partei für die nächsten Monate den
Stempel des innerparteilichen Kampfes aufzudrücken und so die Partei in einer
für das Schicksal der internationalen Revolution höchst verantwortungsschweren
Zeit zu schwächen. (Angenommen mit 102 gegen 2 Stimmen, bei 10 Stimmenthaltungen).
„Dreizehnte Konferenz der KPR(B). Bulletin“ 1924 166)
Was aus dem Dokument nicht
hervorgeht, ist die Ausdehnung der Tätigkeit Trotzkis auf die Rote Armee. Im
Dezember 1923 entfachte der Leiter der Politischen Verwaltung der Roten Armee,
W.A. Antonow-Owssejenko, in den Parteiorganisationen der Militärschulen und in
Truppenteilen eine Kampagne gegen das ZK. Trotzki gab die Weisung heraus, eine
Konferenz der kommunistischen Zellen der Militärhochschulen durchzuführen, um
sie für den Kampf gegen das ZK zu mobilisieren. Antonow-Owssejenko gab ein
Zirkular, Nr. 200, an die Armeeorganisationen der KPR (B) heraus, in denen
ihnen die Weisung erteilt wurde, das System der parteipolitischen Organe der
Roten Armee und ihre Funktionen von trotzkistischen Positionen aus umzubauen.
Es liegt auf der Hand, daß bei Durchführung dieser trotzkistischen Konzeption
die Rote Armee zersetzt und ihrer Kampfkraft beraubt worden wäre. Auch die Rote
Armee war nicht gegen die Unterwanderung von Anhängern Trotzkis gefeit.167)
Wie aus dem Dokument
ersichtlich, wurde die Resolution nach einer Diskussion von der Mehrheit
angenommen, die, wie Stalin bemerkte, „nicht nur bei der Mehrheit, sondern der
gesamten Partei überhaupt so eine einmütige Billigung gefunden“ hat.168) Dies
erneut festzustellen, ist deshalb wichtig, weil immer wieder Stalin unterstellt
wird, daß er selbstherrlich, willkürlich die Parteifragen allein entschieden,
daß es keine Diskussion gegeben habe. Auf Grund der gespannten Situation in der
Partei, der inneren und äußeren Lage der Sowjetunion gelangte Stalin zu der
Einschätzung, daß es eine „voll entfaltete, vollständige Demokratie ...
offenbar nicht geben“ wird. Sie wird sich in den vom X., XI. und XII. Parteitag
umrissenen Grenzen halten. Die „wichtigste Garantie“, daß in „unserer Partei
die innerparteiliche Demokratie in Fleisch und Blut“ übergehe, sei „die
Stärkung der Aktivität und der Bewußtheit der Parteimassen.“ Es gäbe einige
Genossen und Organisationen, die „aus der Frage der Demokratie einen Fetisch machen,
indem sie diese als etwas Absolutes, außerhalb von Zeit und Raum, betrachten.“
Es gäbe „Augenblicke, in denen es unmöglich und sinnlos“ sei, „sie zu
verwirklichen.“169)
Für die Verwirklichung einer
umfassenden Demokratie müssen die inneren und äußeren Bedingungen gegeben sein:
eine entwickelte Industrie, zahlenmäßiges und qualitatives Wachstum der
Arbeiterklasse, dies gelte auch für die Partei. Der Frieden war noch nicht
gesichert, die Bedrohung von außen durch einen imperialistischen Interventionskrieg
bestand nach wie vor. „.. .wenn man uns überfällt und wir das Land mit der
Waffe in der Hand verteidigen müssen, kann von Demokratie gar keine Rede sein,,
denn wir werden sie einschränken müssen.“ Wahrscheinlich würden wir die
Reihen der Partei „militarisieren,“ ... „die Frage der innerparteilichen
Demokratie“ würde von selbst entfallen.170)
Es gäbe noch andere
Hindernisse für die Entfaltung der innerparteilichen Demokratie, Überreste des
militärischen Denkens aus der Kriegsperiode bei einem Teil der Funktionäre,
Druck des bürokratischen Staatsapparats auf den Parteiapparat, auf
Parteifunktionäre, das niedrige Kulturniveau einer ganzen Reihe von
Organisationen. Für die Wahl von Funktionären müssen die Parteimitglieder und
deren Organisationen als Ganzes ein Mindestmaß an Bildung haben, wie auch die
zu wählenden Funktionäre. Wenn aber dieses „Mindestmaß“ nicht vorhanden ist,
müsse man von einer demokratischen Wahl absehen und zur Ernennung von
Funktionären übergehen.171)
In einer von Trotzki
verfaßten Resolution wurden erneut die Fragen Apparat und Partei, Kader und
Jugend, Fraktionen und Einheit der Partei gestellt. Unter der Losung des
Kampfes gegen die „Apparatleute“ suchte Trotzki den Parteiapparat der Partei
gegenüberzustellen. Es war aber so, daß die Gouvernements- und Kreiskomitees
wie auch das ZK gewählt wurden. Diese Leitungsgremien waren der Partei
unterstellt. Die Angriffe Trotzkis gegen den Parteiapparat stellten eine Gefahr
dar, denn sie könnten unerfahrene Parteimitglieder irritieren. Die Partei ohne
Apparat ist nicht denkbar. Nach Trotzki reagiere die „studierende Jugend“
besonders empfindlich auf den Bürokratismus und forderte, mehr „studierende
Jugend“ in die Partei aufzunehmen. Stalin erinnerte an die Auseinandersetzungen
Lenins mit Martow bezüglich der Aufnahme von Intellektuellen in die Partei. Die
Partei ist eine Arbeiterpartei, folglich müsse vor allem der proletarische Teil
der Partei wachsen. Lenin meinte, daß in unserem Komitees „auf je zwei
Intellektuelle acht Arbeiter“ kommen sollten.172)
Schließlich forderte Trotzki.
die „Freiheit der Gruppierungen“, die Aufhebung des Fraktionsverbotes. Nach
Trotzki wären Gruppierungen eine Reaktion auf das „bürokratische Regime des
Zentralkomitees“. Würde es dies nicht geben, dann gäbe es auch keine
Gruppierungen. Aber dies, so Stalin, sei keine marxistische Fragestellung.
Gruppierungen entstünden und werden entstehen, weil es verschiedene
Wirtschaftsformen im Land gäbe, von Keimformen des Sozialismus bis zu
mittelalterlichen Wirtschaftsformen. Mit der NÖP gäbe es Kapitalismus, ein
Wiederaufleben des Privatkapitals und ein Wiederaufleben der entsprechenden
Ideen, die auch in die Partei eindringen. In der Partei gibt es Arbeiter,
Bauern und Intellektuelle. Darin lägen die Ursachen für die Schaffung von
Gruppierungen, „die wir manchmal durch chirurgische Maßnahmen entfernen müssen
und manchmal durch ideologische Beeinflussung auf dem Wege der Diskussion zum
Verschwinden bringen müssen.173)
Trotzki wolle die Partei in
eine „Föderation von Gruppen“ umwandeln, und dies unter den Bedingungen der
kapitalistischen Umkreisung, die nicht nur „eine einheitliche, nicht nur eine
fest zusammengeschlossene, sondern eine wirklich stählernde Partei“ erfordere,
die „dem Ansturm der Feinde des Proletariats“ standhalten und die Arbeiter in
den „entscheidenden Kampf“ führen kann. Darum können keine Gruppierungen und
Fraktionen in der Partei geduldet werden.174) Interessant und aktuell ist die Kritik
Stalins an der Methode der Opposition, die es sich zur Regel gemacht habe,
„Genossen Lenin als den genialsten aller genialen Männer zu preisen... .“ „Man
will mit einem Wortschwall von der Genialität des Genossen Lenin die Abkehr von
Lenin verbergen.“175) Dies habe Preobrashenski allerdings nicht
daran gehindert, in der Frage des Brester Friedens dem „genialsten aller
genialen“ Männer nicht zu folgen, und Sapronow erlaubte sich, auf einem der
Parteitage Lenin einen „Ignoranten“ und „Oligarchen“ zu nennen.176)
Diese Methode gehört auch heute noch in das ideologische Arsenal von Opportunisten
in kommunistischen und anderen linken Parteien, um unter Berufung auf Lenin
Ideen des bürgerlichen Parlamentarismus in ihre Programmatik einzuschmuggeln
und den antikommunistischen Ideologen Referenz zu erweisen. Unter Berufung auf
Lenin wird die Schaffung einer einheitlichen, starken Kommunistischen Partei in
Deutschland heute noch blockiert.
Auf dem XIII. Parteitag der
KPR (13) (23. bis 31. Mai 1924) fand der Kampf zwischen Zentralkomitee und
Trotzki seine Fortsetzung.177) Neben der Wiederholung der w.o.
skizzierten Argumente gab es auch einige neue Akzente. Nach Trotzki „mache die
Partei keine Fehler. Dies sei nach Meinung Stalins unmöglich“. Die Partei mache
„nicht selten“ Fehler. Es käme darauf an, Fehler herauszufinden, ihre Wurzeln
bloßzulegen, um aus der Analyse der Fehler sie in Zukunft vermeiden zu können.
Anders gäbe es keine Parteientwicklung.178) Preobrashenski
kritisierte die „Parteireinigung“, die ein „Instrument“ der Mehrheit gegen die
Opposition sei. Stalin wies diese Behauptung zurück. Periodische Reinigungen
der Partei von „unzuverlässigen Elementen“ seien erforderlich, weil sich anders
die Partei nicht festigen könne. Es gab
Fehler bei der Parteireinigung, aber habe es „bei einem großen Werk“ jemals
„keine einzelnen Fehler“ gegeben? So gab es Entrüstungen von hochbezahlten
Parteimitgliedern - mit Monatsgehalt von 1.000 bis 2.000 Rubel - die sich
darüber „entrüsteten“, daß sie von „irgendeinem Chauffeur... gereinigt“ werden
sollten. Solche Parteimitglieder müßten erzogen oder umerzogen werden, mitunter
durch Ausschluß aus der Partei. Es sei notwendig, „von Zeit zu Zeit die Reihen
der Partei mit einem Besen von Unrat zu säubern.“179)
Nun hört sich diese Äußerung
sehr grob an. Aber das war damals der Umgangston in der KPR (B), keine
Besonderheit Stalins. Die „Parteireinigungen“ in der KPR (B) sind auch später
oft entstellt reflektiert worden. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß nach
der Revolution allerhand Karrieristen, kleinbürgerliche Intellektuelle, selbst
Gauner und Diebe, in die Partei kamen und dort Unheil anrichteten. Es gab die
auch in anderen Parteien bekannten sogenannten „Karteileichen“, die wohl in der
Partei waren, aber nicht am Parteileben teilnahmen, keine Beiträge zahlten und
in den Grundorganisationen nicht einmal bekannt waren. Solche
„Parteireinigungen“ waren für die KPR (B) bzw. KPdSU (B) eine Notwendigkeit, um
ihren Charakter als revolutionäre Kampfpartei zu erhalten. Fehler, die Stalin
auch einräumte, waren dabei unvermeidlich, denn auch die mit der Überprüfung
der Mitglieder beauftragten Genossen waren in manchen Fällen überfordert, so
daß in einer Reihe von Fällen unberechtigte Ausschlüsse wieder rückgängig
gemacht werden mußten. „Parteireinigungen“ hat es in der SED in dieser Form
nicht gegeben. Periodische Überprüfung der Mitglieder, schon aus statistischen
Gründen, meist verbunden mit der Ausgabe neuer Parteidokumente, waren auch hier
notwendig.
Mangelnde Parteidisziplin,
Verletzungen der Beitragspflicht sind in kommunistischen Parteien bis heute
nicht unbekannt. Die Oppositionellen entfalteten eine „hemmungslose Agitation
für Demokratie in der Partei“. Sie würden unwillkürlich, ohne es zu wollen, zu
einer „Art Sprachrohr der neuen Bourgeoisie“ werden, die auf die Demokratie in
unserer Partei pfeife, aber im Lande gern eine Demokratie haben möchte. Diese
Opposition in der Partei begünstigte die Agitation der neuen Bourgeoisie, die
auf die Schwächung der Diktatur des Proletariats, auf die „Erweiterung“ der
Sowjetverfassung, auf die Wiederherstellung der politischen Rechte der
Ausbeuter abziele. „Nicht umsonst sympathisieren die Menschewiki und
Sozialrevolutionäre“ mit der Opposition.180) Demokratiefragen, ob
innerhalb oder außerhalb der Partei, erwiesen sich immer wieder als
Klassenfragen.
Auf dem XV. Parteitag der
KPdSU (B) (2. bis 19. Dezember 1927) äußerte sich Stalin zu weiteren Aspekten
der innerparteilichen Demokratie. Im Abschnitt III, „Die Partei und die
Opposition“181) stellte Stalin die Frage, welche Demokratie die
Partei brauche, eine Demokratie der „Freiheit für ein paar vor der Revolution
losgelöste Intellektuelle, ohne Ende zu schwätzen, ein eigenes Presseorgan zu
besitzen ...“ oder eine Demokratie der „Freiheit für die Parteimassen, über
Fragen unseres Aufbaus zu entscheiden, den Aufschwung der Aktivität der
Parteimassen, ihre Heranziehung zur Führung der Partei, die Entwicklung ihres
Gefühls, Herr in der Partei zu sein. ...“ Die erstere brauchen wir nicht, die
zweite haben wir.182)
Die Kollegialität in der
Führung habe zugenommen. Sowohl quantitativ als auch qualitativ sei die Führung
gewachsen. Das ZK und die ZKK als leitendes Zentrum umfassen 200 bis 250
Genossen, die regelmäßig zusammentreten. Die Entscheidung wichtiger Fragen
ginge mehr und mehr von einer engen führenden Gruppe in ein breiteres Zentrum
über. Neben den alten Kadern gesellen sich zunehmend neue emporsteigende Kader,
die hauptsächlich aus Arbeitern bestehen. Gab es früher Hunderte bis Tausende
Parteikader, so jetzt Zehntausende. Von den untersten Organisationen in der
gesamten Union bis „ganz hinauf ... zählen unsere Parteikader, deren gewaltige
Mehrheit aus Arbeitern besteht, jetzt nicht weniger als l00.000 Funktionäre.“
Zugleich wachsen die ideologisch-organisatorischen Erfahrungen, gäbe es ein
Wachstum der kommunistischen Kultur des Kaderbestandes.183) Es gab
jedoch auch noch „ernste Mängel“. Es zeigten sich Erscheinungen der
Vetternwirtschaft, des Spießertums in der Partei. Die Entwicklung vollziehe
sich nicht in einem reibungslosen, allgemeinen Aufschwung. Noch gäbe es Klassen
und Widersprüche im Lande. Unser Vormarsch erfolge im Kampf, durch Entwicklung
der Widersprüche und deren Überwindung.184) „Niemals, solange es
Klassen gibt, wird sich ein Zustand herbeiführen lassen, wo man wird sagen
können: Nun, Gott sei Dank, jetzt ist alles gut. Niemals wird das bei uns der
Fall sein, Genossen.“185)
Es gäbe noch immer
Erscheinungen der Überheblichkeit. „Zwei, drei große Erfolge, und schon dünkt
man sich ein Goliath.“186) Statt zu überzeugen, werde noch immer
administriert. Man müsse der Gefahr entgegenwirken, daß sich die
Parteiorganisationen in „öde Kanzleiinstitutionen“ verwandeln. Ein Teil unserer
Funktionäre, der gegen den Bürokratismus kämpft, werde mitunter selbst vom
Bürokratismus infiziert. Solange der Staat besteht, würde dieser Prozeß in
höherem oder geringerem Grade fortdauern.187) Eine Anzahl von Genossen würden zu einem
ruhigen Leben, ohne Perspektivbewußtsein streben, „daß ringsum eine festliche
und feierliche Stimmung herrsche, daß jeden Tag bei uns feierliche Sitzungen
stattfinden, daß nur ja überall Beifall geklatscht und womöglich jeder von uns
der Reihe nach als Ehrenmitglied in alle möglichen Präsidien gewählt werde.“188)
Letztendlich schimmeln solche Genossen an, blieben im „Schlamm des Spießertums“
stecken, verwandeln sich letztendlich in echte Spießer. Dies wäre „der Weg
wirklicher Entartung.“189) Gab es solche Erscheinungen nicht auch in
der SED in den 80er Jahren?
„Die Selbstkritik hat viel für
sich. // Gesetzt den Fall, ich tadle mich; // So hab‘ ich erstens den Gewinn,
// Daß ich so hübsch bescheiden bin; // Zum zweiten denken sich die Leut, //
Der Mann ist lauter Redlichkeit; // Auch schnapp‘ ich drittens diesen Bissen //
Vorweg den andern Kritiküssen; // Und viertens hoff‘ ich außerdem // Auf
Widerspruch, der mir genehm. // So kommt es denn zuletzt heraus, // Daß ich ein
ganz famoses Haus.“
Mir ist nicht bekannt, ob
Stalin Wilhelm Busch gekannt hat. Aber dieser hübsche Vers verdeutlicht in poetischer
Form, wogegen Stalin gekämpft hat, der in mangelnder, echter Selbstkritik eine
„äußerst ernste Gefahr“ sah. So seien Genossen, die in den Dörfern arbeiteten
von sogenannten „behördlichen Erwägungen“ erfüllt, daß man nach oben „alles ‘im
besten Licht’ zeigen müsse, daß bei uns alles aufs beste bestellt sei, daß man
die Eiterbeulen verdecken müsse, daß Kritik nicht notwendig sei, da sie die
örtlichen Machtorgane, die örtlichen Funktionäre diskreditiere...“.190)
In einer Rede vom 19. Januar
1925 wies Stalin erneut auf die Gefahren hin, die entstehen, wenn man Angst vor
Kritik habe, Mängel, die es gäbe, aufzudecken, um sie zu beseitigen. „Entweder
wir, die ganze Partei, erlauben den parteilosen Bauern und Arbeitern, uns zu
kritisieren, oder sie werden uns durch Aufstände kritisieren... . Entweder wir
hören auf, nach Beamtenmanier alles in bester Ordnung zu finden, fürchten keine
Kritik und lassen uns von den parteilosen Arbeitern und Bauern kritisieren, die
doch die Auswirkungen unserer Fehler an ihrem eigenen Leibe spüren, oder wir
tun das nicht, ... und dann folgt die Kritik in Form von Aufständen.“191)
In einem Brief an Genossen ME
- RT vom 28. Februar 1925 berührte Stalin Fragen der Kritik bezüglich der
Parteien der Komintern. Es gäbe keine Partei, die frei von einzelnen Fehlern
wäre. Man solle im Exekutivkomitee der KI nicht die Augen davor schließen, sich
einer Parade „des völligen Einverständnisses“, des „Wohlergehens“ erfreuen und
„in allem einander zustimmen.“ Solche Parteien würden „niemals revolutionäre
Parteien werden... .“ Stalin kritisierte auch die Politik „des Hinausjagens
aller andersdenkenden Genossen.“ Dies würde ein „Regime des Einschüchterns, ein
Regime des Furchteinflößens“ erzeugen, das den Geist der Selbstkritik und der
Initiative tötet.“ Es sei „nicht gut, wenn man die Führer der Partei fürchtet,
sie aber nicht achtet.“
Die russischen Bolschewiki
hätten eine „intensive prinzipielle Aufklärungskampagne gegen den Trotzkismus
geführt und dadurch Hunderttausender neuer (noch unerfahrener UH)
Parteimitglieder und Parteilose im Geiste des Bolschewismus erzogen.
Repressalien allein genügen nicht. Der Ausschluß aus der Partei sei das letzte
Mittel, und dem müsse eine prinzipielle Aufklärungskampagne vorausgehen.192)
Den gleichen Gedanken wiederholte Stalin in einer Rede auf einem erweiterten
Plenum des Exekutivkomitees der Komintern (EKKI) am 27. März 1925. Der Kampf
gegen rechte Abweichungen in der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei
bedeute nicht, „daß alle Rechte unbedingt und restlos ausgeschlossen werden
müssen. Der Ausschluß ist nicht das entscheidende Mittel im Kampf gegen die
Rechten.“ Das Wesentlichste sei, die rechten Gruppierungen im Verlauf eines
prinzipiellen Kampfes ideologisch und moralisch zu zerschlagen, wobei die Parteimassen
in diesen Kampf einbezogen werden müssen.193) Kritik ist hier als
Waffe im Kampf gegen Abweichungen und zugleich als Mittel der
politisch-ideologischen Erziehung der Parteimassen charakterisiert.
In einem Referat vor dem
Aktiv der Moskauer Parteiorganisation vom 9. Mai 1925 bezeichnete Stalin die
Selbstkritik als ein „Zeichen der Stärke.“ Nur eine starke Partei könne sich
eine „schonungslose Kritik an ihren eigenen Mängeln“ leisten. Eine Partei, „die
das Tageslicht und die Kritik scheut“, ist „eine Clique von Betrügern, die zum
Untergang verurteilt sind“.194) Drei Jahre später, am 13. April
1928, widmete Stalin in einem Referat vor dem gleichen Aktiv einen ganzen
Abschnitt allein der Selbstkritik.195) Die Selbstkritik gehöre zum
Wesen des Regimes der Diktatur des Proletariats. In einem Lande, in dem die
Diktatur des Proletariats von einer Partei geleitet werde, die die Macht nicht
mit anderen Parteien teile und auch nicht teilen könne, müssen „wir selber
unsere Fehler aufdecken und korrigieren“, da „es sonst niemand gibt, der sie
aufdecken und korrigieren“ könne. Selbstkritik müsse eine der „gewichtigsten
Kräfte“ sein, die unsere Entwicklung vorantreibe.196)
Die Stärke des Bolschewismus
bestehe gerade darin, seine Fehler einzugestehen. Mögen alle ehrlichen Arbeiter
und werktätigen Elemente die Mängel in unserer Arbeit, in unserem Aufbau
aufdecken und Wege zur Beseitigung unserer Mängel aufzeigen.
Stalin wies auf Probleme im
Verhältnis von Massen und Führern hin. Einerseits habe sich eine Gruppe von Führern
herausgebildet, deren Autorität ständig steige. Ohne eine solche autoritative
Gruppe von Führern ist die Leitung eines großen Landes undenkbar. Andererseits
erfolgt der Aufstieg der Massen der Arbeiterklasse und der anderen Werktätigen
sehr langsam, „sie beginnen, von unten zu den Führern auf zuschauen, sind vom
Glanz geblendet und fürchten sich oftmals, ihre Führer zu kritisieren“,197)
Darin bestünde die Gefahr der Loslösung der Führer von den Massen. Stalin
führt diesen Prozeß zunächst auf objektive Ursachen zurück, den
politisch-ideologischen Entwicklungsrückständen der Massen gegenüber den
Führern. Dies könne dazu führen, daß die Führer überheblich werden und sich für
unfehlbar halten. Dadurch drohe der Partei der Untergang. Darum sei es erforderlich,
„in Form von Selbstkritik und Kritik an unseren Mängeln die breite öffentliche
Meinung der Arbeiterklasse als lebendige und wachsame moralische Kontrolle zu
organisieren, für deren Stimme die Führer, die große Autorität genießen, ein
aufmerksames Ohr haben müssen.“198)
Ohne an dieser Stelle eine
Abhandlung über die Entstehung einer „öffentlichen Meinung“ zu verfassen, ist
auf die Kompliziertheit dieses Prozesses hinzuweisen. Die „öffentliche Meinung“
ist Produkt von Informationen. Wie weiter oben erwähnt, übten die Trotzkisten
und andere Oppositionelle bedeutenden Einfluß auf Teile der Arbeiterklasse, auf
nicht wenige Parteiorganisationen, selbst in der Roten Armee, aus. Die
„öffentliche Meinung“, wenn vorwiegend von den Trotzkisten geprägt, kann dann sogar
sehr gefährlich für die revolutionäre Partei werden. Stalin wies dann auch zu
recht auf die Bedeutung der Presse hin, so auf das Blatt der Arbeiter- und
Bauerninspektion „Listok Rabotsche - Krestjanskoi Inspekzii“, das in bestimmten
Zeitabständen in der „Prawda“ erschien, und auf die „Komsomolskaja Prawda“,
Organ des Leninschen Kommunistischen Jugendverbandes der Sowjetunion. Die
Kritik von Arbeitern und anderen Werktätigen sei nicht immer hundertprozentig
richtig, sei unvollkommen. Die Arbeiter seien nicht immer in der Lage, „ihre
Gedanken richtig zu formulieren.“ Es folgt der nicht unbekannte Satz, „...daß
man auch eine Kritik, die nur 5 - 10 Prozent Wahrheit enthält, begrüßen, sie
aufmerksam anhören und ihren gesunden Kern berücksichtigen muß.199)
Es ginge jedoch nicht um
jedwede Kritik. „Die Kritik eines Konterrevolutionärs ist ebenfalls Kritik.“
Sie bezwecke die Diffamierung der Sowjetmacht.200) Eine solche
Kritik sei nicht gemeint, sondern es gehe um Kritik, die von Sowjetmenschen
ausgehe zur Verbesserung der Organe der Sowjetmacht. Dies war sicher richtig,
aber in der Praxis nicht immer zu unterscheiden. Einmal ist die
Konterrevolution durchaus in der Lage, ihre „Kritik“ als „Verbesserung“ der
Sowjetordnung zu verkaufen, wie die geschichtlichen Erfahrungen seit 1928
beweisen. Eine offene „Kritik“, auf die Diffamierung der Sowjetmacht gerichtet,
würde schnell erkannt und zerschlagen werden. Zum anderen können Funktionäre
berechtigte Kritik an ihrer Arbeit als „Diffamierung“ der Sowjetmacht abschmettern
und damit jedwede Kritik unterdrücken. Auch dies wird durch geschichtliche
Erfahrungen bestätigt. Diese Widersprüchlichkeit zwischen der Notwendigkeit der
Kritik und dem Mißbrauch der Kritik ist unvermeidbar. Es kommt hinzu, daß in
prekären Klassenkampfsituationen Kritik und Selbstkritik eingeschränkt werden
müssen, denn selbst berechtigte Kritik kann von der Konterrevolution
ausgenutzt, in ihr Gegenteil umgewandelt werden. Kritik und Selbstkritik
erweisen sich somit als ein diffiziles politisches Problem.
Darauf verwies Stalin in
einem Prawda-Artikel vom 26. Juni 1928 unter dem Titel „Gegen die
Vulgarisierung der Losung der Selbstkritik.“201) Es gäbe eine Art
„Selbstkritik“, die auf die Zerstörung des Parteigeistes auf die
Diskreditierung der Sowjetmacht gerichtet sei. Dazu gehöre das Geschwätz von
der „Entartung“. Damit meinte Stalin die Opposition in der Partei.202)
Es gab auch Formen der Vulgarisierung der Kritik. So würde sachliche Kritik an
Mängeln durch „Reklamegeschrei gegen Auswüchse im persönlichen Leben“ ersetzt,
Kritik um der Kritik willen, als „Sport“ betrieben, als „Sensationsmacherei“.203)
Diese Art von „Kritik“ scheint eine unausrottbare üble Erscheinung in
allen linken Parteien bis in die Gegenwart zu sein. Situationsbedingt nannte
Stalin noch die Umwandlung der Selbstkritik in „eine Hetze gegen unsere
Wirtschaftler“, deren Diffamierung. Auch Wirtschaftler seien nicht
hundertprozentig gegen Fehler gefeit. Es gäbe überhaupt keine Menschen, die
hundertprozentig gegen Fehler gefeit seien. Für die Heranbildung von
Wirtschaftskadern seien „Jahre und nochmals Jahre erforderlich“. Die Hauptsache
sei: „Ersetzt die Massenkritik von unten nicht durch ‘kritisches’ Wortgeprassel
von oben... .“204)
Im politischen
Rechenschaftsbericht des ZK an den XVI. Parteitag (26. Juni bis 13. Juli 1930)
faßte Stalin die Ergebnisse der „Selbstkritikkampagne“, eröffnet am 3. Juni
1928, zusammen. Die Schachty-Affäre, eine groß angelegte Sabotageaktion einer
konterrevolutionären Organisation ehemaliger Grubenbesitzer und bürgerlicher
Spezialisten (die „Schachtinzy“) im Donezgebiet (Drosselung der
Kohlenförderung, Beschädigung von Maschinen und Lüftungsanlagen, die zu
Einstürzen, Explosionen und Bränden in Gruben, Fabriken und Kraftwerken
führten), war der Anlaß für diese Kampagne.205) Mangelnde
Wachsamkeit, Mängel in der Führungstätigkeit der Parteifunktionäre, deren
politische Blindheit und Überheblichkeit hatten diese Sabotagetätigkeit lange
Zeit übersehen lassen. Die Schachty-Affäre habe gezeigt, „daß es der Partei
stellenweise an revolutionärem Spürsinn fehlte.“206)
Mängel der Arbeit in den
örtlichen Parteiorganisationen im Kampf gegen das Kulakentum waren ein weiterer
Anlaß für die „Selbstkritikampagne“. Alle Kräfte in Partei und Arbeiterklasse
waren zur Entfaltung der Selbstkritik „von oben bis unten und von unten bis
oben, ohne Ansehen der Person“ aufgerufen. Aufgabe der Selbstkritik sei, die
Mängel in der Arbeit rücksichtslos aufzudecken. Zugleich grenzte Stalin die
Selbstkritik von der trotzkistischen „Kritik“ ab, die auf die Diskreditierung
der Sowjetmacht gerichtet war.207)
Erfahrungsgemäß ist die
Kritik von oben nach unten, die Selbstkritik unten, ohne Schwierigkeiten zu
haben, aber umgekehrt, von unten nach oben erweist sich die Kritik etwas
schwieriger. Die Genossen in den oberen Leitungsetagen haben nicht wenige
Möglichkeiten, unbequeme Kritiker zum Schweigen zu bringen. Die Methoden
reichen von Versetzungen, möglicherweise mit „Beförderung“, Suche nach Fehlern,
Mängeln des kritisierenden Genossen, und da es bekanntlich keinen Menschen
„ohne Fehl und Tadel“ gibt, läßt sich rasch etwas finden, aufbauschen, oder
sogar erfinden und unterstellen bis zur Behauptung, der Kritiker wolle alte,
bewährte Genossen „abschießen“, sei gar ein Schädling! „Moderne“ Formen wie das
„Mobbing“, um kritische Genossen aus der Partei zu drängen, gab es zu Stalins
Zeiten noch nicht. Die in der Partei organisierten Genossen sind nicht isoliert
von der Gesellschaft mit ihren Klassen und Schichten. Auch in Zukunft wird es
solche häßlichen Gewohnheiten wie Unterdrückung der Kritik geben, die
eingeschränkt, aber nicht aufgehoben werden können. Das Parteileben vollzieht
sich in Widersprüchen, Kämpfen, Auseinandersetzungen, in denen auch die üblen
Tricks der Klassengesellschaft Anwendung finden. Stalin hatte über diesen
Sachverhalt keine Illusionen. Kritik und Selbstkritik waren und sind im Kampf
gegen diese Übel zweifellos ein wirksames Mittel, allmächtig sind sie nicht.
Besonders nach Eroberung der
Macht durch die Arbeiterklasse muß die Partei aufpassen bezüglich der Aufnahme
von neuen Mitgliedern. In einer Mitgliederversammlung der Tifliser Organisation
der KP Georgiens am 6. Juli 1921 rief Stalin die Genossen zur Vorsicht auf.
Seit die KPR (B) Regierungspartei sei, würden mitunter „ganze Gruppen“
unzuverlässiger, karrieristischer Elemente der Partei beitreten oder
beizutreten trachten, die „den Geist der Zersetzung und des Konservatismus“ in
die Partei hineintragen. Die „Kraft und das Gewicht einer Partei, besonders der
kommunistischen Partei“, hänge „nicht so sehr von der Menge ihrer Mitglieder
als vielmehr von ihrer Qualität, von ihrer Standhaftigkeit und der Treue für
die Sache des Proletariats“ ab. Die KPR (B) zählte zu dieser Zeit 700.000
Mitglieder. Wenn die Partei wolle, so könne sie die Mitgliederzahl auf sieben
Millionen bringen, aber 700.000 standhafte Kommunisten sind eine „ernster zu
nehmende Kraft... als 7 Millionen Mitläufer, die niemand braucht und die zu
nichts nutze sind“.
Die KPR (B) habe niemals nach
einer großen Mitgliederzahl gejagt, ihr ging es vor allem um die Verbesserung
der qualitativen Zusammensetzung der Partei. Die deutsche Sozialdemokratie war
Ende des 19. Jahrhunderts die größte der Welt, die sich während des
imperialistischen Krieges (Erster Weltkrieg, UH) als „Spielzeug in den Händen
des Imperialismus“ erwies, nach dem Krieg in den Abgrund stürzte, weil sie
jahrelang ihre Organisationen durch Aufnahme von allerhand „kleinbürgerlichem
Gesindel“ den „lebendigen Geist in ihr tötete.“208) Mit dem „Sturz
in den Abgrund“ ist hier die Zerstörung der Sozialdemokratie als revolutionärer
Klassenpartei zu verstehen. Im Konzert kapitalistischer Machtausübung spielte
sie als kleinbürgerliche Reformpartei in der Arbeiterbewegung bis 1933 noch
eine Rolle, wenn auch eine sehr schäbige.
In Auswertung des XIII.
Parteitages vom 17. Juni 1924 warnte Stalin davor, das „Lenin-Aufgebot“ -
anläßlich des Todes von Lenin kam es zu zahlreichen Neuaufnahmen in die Partei
- zu übertreiben. Es habe 250.000 Neuaufnahmen aus der Arbeiterklasse gegeben.
Es gäbe Stimmen, die Zahl der Mitglieder auf eine Million, sogar auf zwei
Millionen zu bringen. „Die größten Parteien können zugrunde gehen, wenn sie
sich übernehmen, zu vieles erfassen und sich dann unfähig erweisen, das Erfaßte
festzuhalten, zu verdauen. In der Partei gab es vor dem Lenin-Aufgebot etwa 60
Prozent politisch ungeschulter Genossen, danach werden es etwa 80 Prozent sein.
Man solle sich auf die 800.000 Mitglieder beschränken, die qualitative
Zusammenarbeit der Partei verbessern, das Lenin-Aufgebot in den Grundlagen des
Leninismus unterweisen, die Mitglieder zu bewußten Leninisten erziehen.209)
Eine weitere Warnung vor unkontrolliertem zahlenmäßigen Wachstum der Partei
erfolgte in einer Unterredung mit Teilnehmern einer Beratung der
Agitprop-Abteilungen am 14. Oktober 1925. Ein zahlenmäßiges Wachstum sei
natürlich gut, aber ein zu schnelles Wachstum führe „zu einer gewissen Senkung
des Bewußtseinsniveaus der Parteimitglieder, zu einer gewissen
Qualitätsverschlechterung der Partei.“ Man solle dem unregulierten Zustrom zur
Partei Einhalt gebieten und neue Mitglieder „nur nach sorgfältiger Auswahl in
die Partei“ aufnehmen. Des weiteren müsse eine „intensive politische Schulung
unter den neuen Mitgliedern“ organisiert werden.210)
Offenbar gab es immer wieder
den Drang, die Partei zahlenmäßig zu erweitern. So mußte Stalin auf dem XIV.
Parteitag der KPdSU (B) (18. bis 31. Dezember 1925) die unvernünftige Forderung
einiger Genossen zurückweisen, „in ein oder zwei Jahren 90 Prozent der gesamten
Arbeiterklasse ... in der Partei“ zu organisieren.211) Bei
Neuaufnahmen sollten vor allem der Kern der Arbeiterklasse, die Arbeiter der
Großindustrie, berücksichtigt werden. Auch wenn die Partei eine Arbeiterpartei
ist, müßte „ein gewisser Prozentsatz der besten Vertreter der Bauernschaft in
die Partei aufgenommen werden. Dies erfordere das Bündnis der Arbeiterklasse
mit der werktätigen Bauernschaft.212) Für die Sowjetunion, in der
die Mehrheit der Bevölkerung 1925 noch immer aus Bauern bestand, war diese
Forderung für den Erhalt und die Stabilität der Diktatur des Proletariats von
besonderer Bedeutung.
Im Rechenschaftsbericht an
den XVIII. Parteitag der KPdSU (B) (10. bis 21. März 1939) wies Stalin auf
einige weitere Aspekte in der marxistisch-leninistischen Erziehung der
Parteimitglieder und Parteifunktionäre hin. Als Axiom müsse gelten: „Je höher
das politische Niveau und je bewußter die marxistisch-leninistische Einstellung
der Funktionäre des betreffenden Zweiges der Staats- und Parteiarbeit, um so
höher steht die Arbeit und umgekehrt....“213) Im weiteren
orientierte Stalin auf die Verbindung von Fachwissenschaft mit der
marxistisch-leninistischen Wissenschaft im Studium. Ein Leninist könne nicht
nur ein Spezialist auf einem wissenschaftlichen Gebiet sein, er dürfe sich
nicht abkapseln vom politischen Leben des Landes, sondern müsse ein aktiver
Teilnehmer an der politischen Leitung des Landes sein. Dies bedeute natürlich
„für die Spezialisten unter den Bolschewiki eine zusätzliche Arbeit.“214)
Hohen Stellenwert maß Stalin der Parteipropaganda und der Erziehung der Kader
bei. Dabei hob er den Wert des „Kurzen Lehrgangs der Geschichte der KPdSU (B)“,
erschienen im September 1938, für die marxistisch-leninistische Bildung und
Erziehung der Parteikader und -mitglieder hervor.
Nun gibt es ein regelrechtes
Trommelfeuer bürgerlicher Ideologen, Revisionisten, Trotzkisten, Reformisten
gegen den „Kurzen Lehrgang...“ als Ausgeburt Stalinschen Dogmatismus und
„Verfälschung“ der Geschichte der KPdSU (B). Selbst ansonsten ernstzunehmende
Wissenschaftler und führende Funktionäre in kommunistischen Parteien beteiligen
sich an der Schmähung dieses Buches - ohne viel zu prüfen‚ ohne zu analysieren.
Verfaßt wurde der „Kurze Lehrgang...“ unter Redaktion einer Kommission des
Zentralkomitees der KPdSU (B), natürlich auch von Stalin als Generalsekretär
der Partei. Vergleicht man den „Kurzen Lehrgang...“ mit einschlägigen
Schriften, Reden von Stalin, ist einiges daraus im „Kurzen Lehrgang...“
enthalten, aber Stalin hat ihn nicht allein ausgearbeitet. Ein inhaltlicher
Vergleich des „Kurzen Lehrgangs...“ mit späteren, nach der berüchtigten
Chruschtschow-Rede auf dem XX. Parteitag der KPdSU, vom ZK der KPdSU
autorisierten Ausgaben der „Geschichte der KPdSU“, vor allem der sechsbändigen
„Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion“, herausgegeben vom
Institut für Marxismus-Leninismus, ergibt im Wesentlichen Übereinstimmung der
Aussagen. Von einer „Verfälschung“ der Geschichte der KPdSU im „Kurzen
Lehrgang...“ kann also nicht die Rede sein, während die Lügen eines
Chruschtschows und des späteren Gorbatschows dokumentarisch nachgewiesen sind.
In einem „Kurzen
Lehrgang...“, unter den Bedingungen der 30er Jahre und einer
geringen Anzahl marxistisch-leninistischer Historiker konnte nicht mehr
geleistet werden. Es kann nicht verwundern, daß Trotzkisten, Anarchisten,
Bucharin-Anhänger gegen dieses Buch Sturm liefen und laufen. Inhaltlich
widerlegen konnten sie den Inhalt nicht. Mit dem „Kurzen Lehrgang...“ wurden
Hunderttausende - Millionen? - junger Kommunisten in der internationalen
Kommunistischen Bewegung auf allen Kontinenten an das Studium des
Marxismus-Leninismus herangeführt, erhielten sie erste Kenntnisse über den
Leninismus in Theorie und Geschichte. Hundertausende Parteifunktionäre begannen
ihren kommunistischen Werdegang mit dem Studium des „Kurzen Lehrgangs...“
Vielleicht war es gerade die starke propagandistische und politische
Wirksamkeit dieses Buches, daß es so heftig von den Gegnern des Leninismus attackiert
wurde und wird. Nicht selten mußte ich in Auseinandersetzung mit Kritikern des
„Kurzen Lehrgangs...“ erleben, daß sie ihn überhaupt nicht kannten, ihn nie
gelesen haben, was sie jedoch nicht daran hinderte, ihn „aufs schärfste zu
verurteilen!!!!“ als „Abkehr vom Leninismus“ - den sie genausowenig kannten,
nach der Devise des Mephisto: „Bezeugt nur, ohne viel zu wissen.“
Aus heutiger Sicht ist der
„Kurze Lehrgang...“ als ein historisch bedeutsames Werk in seiner Zeit, mit
bedeutenden progressiven und starken politischen Wirkungen, als ein Baustein
des Leninismus einzuschätzen, ohne etwa den Leninismus auf dieses eine Werk
reduzieren zu wollen. Nach mehr als einem halben Jahrhundert gibt es in der
Weiterentwicklung der marxistisch-leninistischen Theorie und
Geschichtswissenschaft über den „Kurzen Lehrgang...“ hinausweisende bedeutende
Erkenntnisfortschritte, wodurch der Wert des „Kurzen Lehrgangs...“ als
historischem Zeitdokument jedoch nicht gemindert wird.
Der XVIII. Parteitag
orientierte auf die Gründung einer Hochschule für Marxismus-Leninismus beim ZK
der KPdSU (B)215) zur Ausbildung theoretisch qualifizierter
Parteikader in dreijährigen Lehrgängen. Für mittlere Kader waren zweijährige
„Lenin-Schulen“ organisiert worden. Des weiteren wurden in einer Reihe von
Zentren des Landes Jahreskurse für die Fortbildung von Propagandisten und
Mitarbeiter der Presse geschaffen. Das Land sollte von einem dichten Netz von
Bildungsstätten der Partei überzogen werden, in denen die
marxistisch-leninistische Theorie in Lehrgängen und Veranstaltungen gelehrt
wurde. Über die Lehrtätigkeit der Partei wurde das theoretische und politische
Niveau nicht nur der Funktionäre, sondern auch der Masse der Parteimitglieder
und parteilosen Werktätigen wesentlich erhöht.
Da die Einschätzung der
„Grundlagen“ von Isaak Deutscher bis in die Gegenwart von allen möglichen
„geläuterten“ ehemaligen Kommunisten als eine Art Offenbarung wiedergekäut
wird, soll sie auch dem Leser nicht vorenthalten werden. „Er (Stalin UH)
erklärte dort den Leninismus so, wie er ihn verstand. Was er zu diesem Thema zu
sagen hatte, war so wenig originell und so flach, daß es sich kaum lohnt, eine
Zusammenfassung seiner Darlegungen hier wiederzugeben. Was neu bei ihm war, das
war die Form. Er erklärte die Lehre Lenins, die im wesentlichen soziologisch
und experimentell war, als eine Folge strenger Regeln, als eine Patentstrategie
und als eine taktische Verhaltensvorschrift für die Erlösung der Menschheit.
All das war mit der Genauigkeit eines Buchhalters registriert und numeriert. Er
kodifizierte und formalisierte den Leninismus in einem Stile unechter
Vereinfachung und Durchsichtigkeit, der viele Menschen anzieht, denen eine
gründliche soziologische Schulung fehlt. Jeden Satz, den er formulierte,
belegte er mit einem Zitat aus Lenins Werken, das zuweilen ganz belanglos,
zuweilen aus dem Zusammenhang gerissen war, genauso, wie ein mittelalterlicher
Scholastiker seine Spekulationen mit Sätzen aus der Heiligen Schrift belegt
hätte. Zugegeben, auch Lenin hatte zuweilen seine Darstellung mit fast zu
vielen Marxzitaten gespickt. Aber Stalin brachte diese Manieriertheit zu solch
absurder Vollkommenheit, daß er das bekannte Wort des Archimedes so hätte
abwandeln können: ‘Gebt mir einen Satz von Lenin, und ich werde die Erde aus
den Angeln heben.“217) Sein Verdammungsurteil weiß aber Deutscher
auch nicht mit einem einzigen Satz aus den „Grundlagen“ zu belegen. Über einen Satz
hätte Deutscher eigentlich selber stolpern müssen: über Menschen, „denen eine
gründliche soziologische Schulung fehlt.“ Gerade solche Menschen waren die
Hörer der Swerdlow- Universität.
Arbeiter und Bauern, die aus
dem Bürger- und Interventionskrieg kamen, junge Genossen, die gerade lesen und
schreiben gelernt hatten, die die Reproduktionstheorie von Marx mit Sicherheit
nicht kannten. Ihnen eine „gründliche soziologische Schulung“ zu vermitteln,
war gerade das Anliegen Stalins. Wenn er Vereinfachungen vornahm -
Vereinfachungen sind nie ganz ungefährlich - den Stoff nach „strengen Regeln“
gliederte und mit der „Genauigkeit eines Buchhalters“ numerierte, so spricht
dies für das didaktische und pädagogische Geschick Stalins. Wenn Stalin
ausführlich Lenin zitierte, so ergab sich dies aus dem Thema, nämlich
Grundlagen des Leninismus! Man mag darüber streiten ob jedes Zitat notwendig
war, aber wenn vom Leninismus die Rede ist, dürften Zitate aus Lenins Werken
unvermeidlich sein. Deutscher hat versäumt, wenigstens eine „unechte“
Vereinfachung zu nennen, und wenn Deutscher in den „Grundlagen“ eine „taktische
Verhaltensvorschrift für die Erlösung der Menschheit“ sieht, so ist dies seine
Sache, bei Stalin ist ein solcher Unsinn nicht zu finden.
In der Überschrift zu den
Vorlesungen heißt es „Grundlagen des Leninismus“ also eine Einschränkung, die
Stalin vornahm, der ausdrücklich bemerkte, daß seine „Vorlesungen keine
erschöpfende Darlegung des Leninismus sein können. Sie können im besten Fall
nur ein gedrängter Konspekt der Grundlagen des Leninismus sein.“218)
Aus heutiger Sicht könnte man die „Grundlagen“ als eine Art Lehrbrief, eine
Anleitung zum Studium der Werke Lenins bezeichnen, und als eine solche
Anleitung können sie auch heute noch jungen Kommunisten nützlich sein, als eine
Einführung in das Studium des Leninismus, wobei der Leninismus als Theorie und
Methode auf die Analyse der heutigen Bedingungen des Klassenkampfes angewandt
werden muß.
Stalin beginnt mit der Frage,
was Leninismus sei und setzt sich mit zwei begrenzten, einseitigen Auffassungen
auseinander.
1. Der Leninismus sei die
Anwendung des Marxismus auf die „eigenartigen“ Verhältnisse in Rußland. Dies
wäre ein Teil der Wahrheit, aber der Leninismus lasse sich nicht ausschließlich
auf „nationale“ Erscheinungen reduzieren. Der Leninismus ist in der „ganzen
internationalen Entwicklung“ verwurzelt.
2. Der Leninismus sei die
„Wiederbelebung der revolutionären Elemente des Marxismus der vierziger Jahre
des 19. Jahrhunderts“ im Unterschied vom Marxismus der nachfolgenden Jahre, in
denen er angeblich „gemäßigt, nichtrevolutionär“ geworden sei. Von der
unsinnigen Teilung des Marxismus in einen „revolutionären“ und einen
„gemäßigten“ abgesehen, sei auch in dieser These ein Teil der Wahrheit
enthalten. Lenin hat den revolutionären Inhalt des Marxismus im Kampf gegen die
Opportunisten in der II. Internationale wiederbelebt. Das ist richtig. Aber
auch dies wäre nur eine halbe Wahrheit. Lenin hat den Marxismus unter den neuen
Bedingungen des Kapitalismus und des Klassenkampfes weiterentwickelt.
Daß beide von Stalin
kritisierten Thesen noch heute von Revisionisten, von demokratisch
„geläuterten“ Funktionären der PDS als „neueste“ Erkenntnisse verkauft werden,
sei hier nur am Rande erwähnt. Es folgt die bekannte Definition des Leninismus
von Stalin: „Der Leninismus ist der Marxismus der Epoche des Imperialismus und
der proletarischen Revolution. Genauer: Der Leninismus ist die Theorie und
Taktik der proletarischen Revolution im allgemeinen, die Theorie und Taktik der
Diktatur des Proletariats im besonderen.“219) Diese Definition unter
den Bedingungen des Jahres 1924 war zweifellos richtig. Definitionen müssen
kurz, präzise sein. Definitionen sind stets Abstraktionen. Diese Definition, um
dies auch deutlich zu sagen, war weder ein „Dogma“ noch eine „unechte
Vereinfachung.“ Erläuterungen, Interpretationen einer Definition sind der
Ausführung überlassen. Natürlich könnte man einwenden, daß Definitionen eines
historischen Sachverhalts erst am Ende der Analyse erfolgen. Aber dies wäre,
wie Engels sich ausdrückte, kleinliche „Flohknackerei“. Stalin verwies auf den
unterschiedlichen Charakter der Epoche im Wirken von Marx und Engels, im 19.
Jahrhundert, vor der proletarischen Revolution, und Lenins in der Periode des
entwickelten Imperialismus, der sich entfaltenden proletarischen Revolution,
die bereits in einem Lande gesiegt hat, der
Ära der proletarischen Demokratie der Sowjets. Deshalb sei der Leninismus die
Weiterentwicklung des Marxismus.220)
Der „überaus kämpferische“
und „überaus revolutionäre Charakter“ des Leninismus erkläre sich aus zwei
Gründen:
1. Der Leninismus ging aus
dem Schoß der proletarischen Revolution hervor.
2. Er erstarkte im Ringen mit
dem Opportunismus der II. Internationale. Man dürfe nicht vergessen, zwischen
Marx/Engels und Lenin lag „ein ganzer Zeitabschnitt der ungeteilten Herrschaft
des Opportunismus der II. Internationale,... dessen rücksichtslose Bekämpfung
eine wichtige Aufgabe des Leninismus sein mußte.“221)
Es folgt die Darstellung der
Leninschen Theorie in Einzelheiten, die hier nicht reflektiert werden müssen.
Sie seien aber jungen Menschen, die sich unter heutigen Bedingungen mit dem
Leninismus vertraut machen möchten, als Anleitung, nicht als Ersatz für das
Studium der Schriften Lenins!, nachdrücklich empfohlen. Alte Genossen werden in
der wiederholten Lektüre dieser Vorlesungen neue Akzente entdecken, die Stalin
gesetzt hatte und die durchaus „originell“ waren. Auf einige „originelle“
Erkenntnisse sei verwiesen.
1. Die Erklärung, wie es zur
faktischen Herrschaft des Opportunismus in der II. Internationale gekommen war.
An der Spitze (der Theoretiker der II. Internationale, U.H.) standen
„rechtgläubige“ Marxisten, die „Orthodoxen“, Kautsky und andere. Das war aber
nur die formale Seite. In Wirklichkeit aber verlief die Hauptarbeit der II.
Internationale auf dem Boden des Opportunismus. Die Opportunisten paßten sich
der Bourgeoisie an und die „Orthodoxen“ paßten sich den Opportunisten an, im
Interesse der „Wahrung der Einheit“ mit den Opportunisten, im Interesse des
„Friedens in der Partei.“ Das Ergebnis war die Herrschaft der Opportunisten.
Die „Kette zwischen der Politik der Bourgeoisie und der Politik der
„Orthodoxen“ erwies sich als geschlossen.“222)
2. Die Macht des Proletariats
in einem Lande errichten heißt noch nicht, den vollen Sieg des Sozialismus zu
sichern. Das Proletariat eines Landes kann allein nicht den Sozialismus
„endgültig“ verankern, das Land gegen die Intervention und folglich gegen eine
Restauration völlig sichern. Es sei der Sieg der Revolution wenigstens in
einigen Ländern notwendig.223)
3. Die Aufgaben der Diktatur
des Proletariats ließen sich nicht in kurzer Zeit erfüllen, nicht in ein paar
Jahren. Dies wäre „ein Ding der Unmöglichkeit.“ Der Übergang vom Kapitalismus
zum Sozialismus sei keine „schnell vorübergehende Periode“, mit einer Reihe
„hochrevolutionärer“ Akte und Dekreten, sondern eine „ganze historische
Epoche“.224) Diesen Hinweis auf die Langfristigkeit der
Übergangsperiode hat Walter Ulbricht später in der These vom „Sozialismus als
relativ selbständiger Gesellschaftsformation“ konkretisiert. Die Betonung der
Langfristigkeit ist ein wesentlicher Aspekt bei Stalin, den er auch später in
anderen Zusammenhängen wiederholt hat.
4. Der Begriff der Diktatur
dürfe nicht mit dem Begriff der „Machteroberung“ vertauscht werden, wie von den
Opportunisten erklärt. Die Diktatur sei kein einfacher Wechsel eines Kabinetts,
die Bildung einer neuen Regierung. Die Diktatur des Proletariats ist eine
revolutionäre Macht, die sich auf die Gewaltanwendung gegen die Bourgeoisie
stützt. Der Staat ist eine Maschine in den Händen der herrschenden Klasse zur
Unterdrückung des Widerstandes ihrer Klassengegner. Insofern unterscheide sich
die Diktatur des Proletariats nicht von der Diktatur jeder anderen Klasse. Es
gäbe aber einen wesentlichen Unterschied.
In allen bisher existierenden
Klassenstaaten war die Diktatur stets die Herrschaft einer ausbeutenden
Minderheit, während die Diktatur des Proletariats die Diktatur der
ausgebeuteten Mehrheit über die ausbeutende Minderheit ist. Stalin zitiert dann
die Definition Lenins, wonach die Diktatur des Proletariats die durch kein
Gesetz beschränkte und sich auf Gewalt stützende Herrschaft des Proletariats
über die Bourgeoisie ist. Daraus folge, daß die Diktatur des Proletariats keine
vollständige Demokratie sein könne, keine Demokratie für alle. „Das Gerede der
Kautsky und Konsorten über allgemeine Gleichheit, über ‘reine‘ Demokratie usw.
ist eine bürgerliche Verschleierung der unzweifelhaften Tatsache, daß eine
Gleichheit zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern unmöglich ist. Selbst „bei
demokratischen Zuständen unter den Verhältnissen des Kapitalismus“ werden die
Regierungen nicht vom Volk, „sondern von den Rotschild und Stinnes, den
Rockefellern und Morgan“ eingesetzt.225) Die Diktatur des
Proletariats könne nicht entstehen als Resultat der friedlichen Entwicklung der
bürgerlichen Demokratie, sondern nur im Gefolge der Zertrümmerung der
bürgerlichen Staatsmaschinerie, der bürgerlichen Armee, des bürgerlichen
Beamtenapparates, der bürgerlichen Polizei, d.h. der Repressivapparate des
bürgerlichen Staates. Der Hinweis auf die
Marxsche These vom „Zerbrechen“ der Repressivorgane des bürgerlichen
Staates sowie der Leninschen Definition der Diktatur des Proletariats war nun
nicht „originell“, aber deren ausführliche Begründung war nicht nur 1924 von
vordringlicher Aktualität. Wenn man für Rotschild, Stinnes ect. andere Namen
einsetzt, dann stimmen die Aussagen Stalins auch heute noch. Daran ändern auch
„Bündnisse für Arbeit“ nicht das geringste.
5. In der Sowjetmacht sind
die gesetzgebende und vollziehende Gewalt in einer einheitlichen
Staatsorganisation vereinigt. Die territorialen Wahlkreise sind durch
Produktionseinheiten, durch Werke und Fabriken ersetzt. Die Arbeiter und
werktätigen Massen sind unmittelbar mit dem staatlichen Verwaltungsapparat
verknüpft und lernen das Land zu verwalten. Die Republik der Sowjets sei „jene
gesuchte und endlich entdeckte politische Form, in deren Rahmen die ökonomische
Befreiung des Proletariats, der vollständige Sieg des Sozialismus erreicht
werden muß.“ Die Sowjetmacht sei die „Entwicklung und Vollendung“ der Pariser
Kommune.226) Die Sowjetorganisation war 1924 noch nicht vollständig
ausgearbeitet. Es gab auch noch keine volksdemokratischen Staaten. Aber die
Grundlagen eines sozialistischen Staates, die waren gelegt und richtig von
Stalin reflektiert.
6. Neu, „originell“ war
zweifellos das w.o. schon genannte Lenin-Aufgebot. Stalin hob hervor, daß die
200.000 neuen Mitglieder „nicht so sehr von selber in die Partei kamen“,
sondern „vielmehr von der ganzen übrigen parteilosen Masse entsandt wurden, die
bei der Aufnahme der neuen Mitglieder aktiv mitwirkte und ohne deren Zustimmung
keine neuen Mitglieder aufgenommen wurden.“227) Diese Art der
Aufnahme neuer Mitglieder in die Partei wird heute noch von der Kommunistischen
Partei Kubas angewendet. Mit Nachdruck ging Stalin auf den Kampf gegen den
Opportunismus innerhalb der Partei ein. Die Quelle der Fraktionsmacherei seien
die opportunistischen Elemente. Die Partei werde gestärkt wenn sie sich von opportunistischen Elementen säubere.
„Die Theorie der Überwältigung der opportunistischen Elemente durch
ideologischen Kampf innerhalb der Partei, die Theorie der ‘Überwindung‘ dieser
Elemente im Rahmen ein und derselben Partei ist eine faule und gefährliche
Theorie... .“228)
Die „Grundlagen“ bilden eine
Zusammenfassung der Leninschen Theorie. In dieser Arbeit wird ebenfalls die
Kontinuität von Marx/Engels zu Lenin und Stalin deutlich. Einige Aspekte sind
neu, auch bei Lenin noch nicht vorhanden, durchaus „originell“. In der
theoretischen Schulung und marxistisch-leninistischen Erziehung der Parteikader
spielten die „Grundlagen“ die gleiche Rolle wie der w.o. genannte „Kurze
Lehrgang...“. Ganze Generationen junger Parteimitglieder wurden über die
„Grundlagen“ an die Theorie des Leninismus herangeführt. Daran ändern auch die
unsachlichen, durch nichts belegten Äußerungen von Deutscher nichts.
Eine theoriegeschichtliche
Darstellung der marxistisch-leninistischen Parteitheorie würde ohne die
Einbeziehung der Schriften Stalins unvollständig bleiben. Stalin blieb nicht,
wie er mehrfach geäußert hat, auf dem Marxismus „liegen“, sondern er „stand“
auf dem Marxismus, und wir können hinzufügen, auch auf dem Leninismus, den es
in allen seinen Bestandteilen unter den sich ständig verändernden Bedingungen
weiterzuentwickeln galt und gilt. Stalin hat seinen Anteil dazu geleistet. Wenn
es nach seinem Tode zu Erscheinungen des Dogmatismus in der theoretischen
Arbeit in kommunistischen Parteien kam, was auch nicht zu verabsolutieren ist -
so ist das nicht Stalin anzulasten, der sich wiederholt sowohl gegen
Dogmatismus als auch Revisionismus gewandt hat. Wie bei Marx, Engels und Lenin
gab es auch bei Stalin Irrtümer in der theoretischen Arbeit, und wer will, mag
sich daran ergötzen und daran erfreuen, „wie wir‘s dann zuletzt so herrlich
weit gebracht.“ Ulrich Huar, Berlin
1.)
Zur Parteitheorie siehe Ulrich Huar: Zur politischen Organisation von
Kommunisten in Geschichte und Gegenwart. Teil III. Die Partei neuen Typus. In:
Weißenseer Blätter, Heft 4/2000 und Heft 1/2001. - Kommunistische Parteien in
Geschichte und Zukunft. Aspekte der marxistisch-leninistischen Parteitheorie.
In: Imperialismus und antiimperialistische Kämpfe im 21. Jahrhundert.
Protokollband der gleichnamigen Konferenz von “RotFuchs” und “Offensiv” am
28./29. Oktober 2000 in Berlin. Hersg.: “Offensiv”, S. 203 - 230.
2.)
Uwe-Jens Heuer: Im Streit. Ein Jurist in zwei deutschen Staaten. 1. Auflage
2002, Baden-Baden 2002, S. 30.
3.)
Ebd. S. 43.
4.)
Ebd. S. 150.
5.)
Ebd. S. 172.
6.)
A.G. Löwy: Die Weltgeschichte ist das Weltgericht. Leben und Werk Nokolai
Bucharins. Wien 1990, S. 203.
7.)
Robert Steigerwald: Probleme einer revolutionären Partei in nicht-revolutionärer
Zeit. Zum 100. Jahrestag von Lenins “Was tun?” In: Marxistische Blätter, Heft
1/02, S. 88.
8.)
U.-J. Heuer, a.a.O., S. 156.
9.)
Eberhard Czichon/Heinz Marohn: Das Geschenk. Die DDR im Perestrojka-Ausverkauf.
PapyRossa-Verlag, Köln 1999, S. 9.
10.)
Ilja Ehrenburg: Menschen. Jahre. Leben. Memoiren. Bd. III. 6. Buch, Berlin
1978, S. 534.
11.)
Kurt Gossweiler: Wider den Revisionismus. München 1997, S. 234.
12.)
Sahra Wagenknecht: Marxismus und Opportunismus. In: Weißenseer Blätter, Heft
4/1992, S. 13.
13.)
Hanfried Müller: Einige Gedankensplitter zu den Gründungsjubiläen von BRD, DDR
und dem “größeren Deutschland”. In: Weißenseer Blätter, Heft 4/1999, S. 30.
14.)
Vgl. Statuten des Bundes der Kommunisten, MEW 4/596 - 601. K. Marx: Provisorische
Statuten der Internationalen Arbeiterassoziation, MEW 16/14 - 16. W.I. Lenin:
Erste Skizze eines Programmentwurfs der KPR (B), LW 29/83 - 108.
15.)
Statuten des Bundes der Kommunisten. Art. 41 u. 42. Im MEW 4/600.
16.)
LW 21/99.
17.)
Lenin: Notizen eines Publizisten. In: LW 33/194.
18.)
Eric Hobsbawm: Das Zeitalter der Extreme. München/Wien 1995, S. 103.
19.)
Isaak Deutscher: Stalin. Eine politische Biographie. Berlin 1990, S. 65.
20.)
Ebd. S. 67.
21.) SW 1/12.
22.) Ebd. S. 15.
23.)
Ebd. S. 20.
24.)
Ebd. S. 26.
25.)
Ebd. S. 27.
26.)
Ebd. S. 24.
27.)
Deutscher, a.a.O., S. 73.
28.)
SW 1/49 - 51.
29.)
Siehe hierzu: Lenin: “Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück” (Mai 1904);
LW 7/199 - 430; Unter dem gleichen Titel, “Eine Antwort N. Lenins an Rosa
Luxemburg” 2. Septemberhälfte 1904, ebd. S. 480 - 501. Diese “Antwort...” wurde
an Kautsky zur Veröffentlichung in der “Die Neue Zeit”, Organ der deutschen
Sozialdemokratie, gesandt, doch Kautsky lehnte die Publikation ab.
30.) Vgl. LW 7/200.
31.) SW 1/56.
32.)
Ebd. S. 57.
33.)
Ebd. S. 58.
34.)
Ebd. S. 59.
35.)
Ebd. S. 63.
36.)
Ebd. S. 62.
37.)
Ebd. S. 63.
38.) SW 1/77 - 112.
39.) Ebd. S. 83 f.
40.)
Ebd. S. 84.
41.)
Ebd. S. 85.
42.)
Ebd. S. 88 f.
43.)
Ebd. S. 88.
44.)
Ebd. S. 97.
45.)
Ebd. S. 110 f.
46.)
MEW 19/164 f. Der Zirkularbrief war als parteiinternes Schreiben abgefaßt und
darum von Marx und Engels nicht veröffentlicht. Erstmalig wurde er in der
Zeitschrift “Die Kommunistische Internationale” 1931 veröffentlicht.
47.)
SW 1/94.
48.)
Deutscher, a.a.O., S. 104.
49.) SW 1/138 - 149.
50.) LW 9/387.
51.) SW 1/142 f. 51a. „Unsere Zeit”, 11. Oktober 2002.
Diskussionstribüne, S. III.
52.) SW 1/144.
53.) Ebd. S. 145.
54.)
Ebd. S. 257 - 342.
55.)
Ebd. S. 257 f.
55
a.) Ebd. S. 258 55a. Ebd. S. 258. 55b. Siehe K. Marx/F. Engels: Die
angeblichen Spaltungen in der Internationale.
55b.)
Vertrauliches Zirkular des Ge-neralrats der Internationalen
Arbeiterassoziation. In: MEW 18/3 - 31.: K. Marx: Der politische
Indifferentismus. Ebd. S. 299 - 304.; K. Marx/F. Engels: Ein Komplott gegen die
Internationale Arbeiter-Assoziation. Ebd. 327 - 471.; F. Engels: Die Bakunisten
an der Arbeit. Denkschrift über den Aufstand in Spanien im Sommer 1873. Ebd. S.
475 - 493.; K. Marx: Konspekt von Bakunins Buch “Staatlichkeit und Anarchie.”
Ebd. S. 599 - 642. Ob Stalin diese Schriften gekannt hat, weiß ich nicht. In
seiner Arbeit zitiert Stalin aus anderen Schriften von Marx und Engels, aber nicht
aus den hier genannten.
55
c.) MEW 18/492 und 493 55c. MEW 18/492 - 493.
56.)
Lenin: Materialismus und Empiriokritizismus. LW 14.
57.)
Siehe Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion in sechs Bänden.
(Im weiteren “GKPdSU/6” genannt) Bd. II, Moskau o.J. S. 308.
58.)
Siehe Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki)
Kurzer Lehrgang. Berlin 1946. S. 126 - 160. (Im weiteren ”Kurzer Lehrgang”
genannt.)
59.)
SW 1/287 - 323.
60.)
Engels: Vorrede (zur englischen Ausgabe von 1888) des “Kommunistischen
Manifests.” in: MEW 4/580. Ausführlich über die Begriffe Sozialismus und
Kommunismus siehe Joachim Höppner/Waltraud Seidel - Höppner: Von Babeuf bis
Blanqui. Französischer Sozialismus und Kommunismus vor Marx. Bd. 1. Einführung.
Leipzig 1975. S. 19 ff.
61.)
MEW 19/21 und 28.
62.)
MEW 20/265.
63.) LW 25/480 - 481.
64.) Ebd. S. 485.
65.) LW 29/409 f.
66.)
SW 1/ 289.
67.)
Ebd. S. 292., Vgl. K. Marx: Das Elend der Philosophie. Im MEW 4/182.; F.
Engels: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates. In: MEW 21/168.
68.) SW 1/293.
69.)
Ebd. S. 293 f.; Bei Marx steht hinter “höheren Phase der kommunistischen
Gesellschaft” nicht in Parenthese (d.h. sozialistische) MEW 19/21.
70.) SW 1/294 f
71.) Ebd. S. 295.
72.)
Ebd. S. 296.
73.)
Ebd. S. 297.
74.)
Ebd. S. 298.; Siehe MEW 20/146 f.
75.)
SW 1/300 und 301.
76.)
Ebd. S. 303.
77.)
Ebd..
78.)
Ebd..
79.)
Ebd. S. 304.
80.)
Ebd..
81.)
Ebd. S. 305.; Stalin weist in Parenthese darauf hin, daß die gesammelten
Artikel von Tscherkesischwili, Ramus und Labriola in deutscher Sprache unter
dem Titel “Die Urheberschaft des Kommunistischen Manifests” erschienen sind.
Die Zitate bei Stalin dort auf S. 10.
82.)
Ebd. S. 307 und 308.
83.)
Ebd. S. 306.; Über Considérant siehe Joachim Höppner/Waltraud Seidel-Höppner:
Von Babeuf bis Blanqui. a.a.O., Bd. 1, S. 180 - 189, Bd. II, S. 209 - 249.
84.) SW 1/309 - 311.
85.)
Ebd. S. 311 f.
86.)
Ebd. S. 312 - 314.
87.)
Ebd. S. 314 und 317.
88.)
Ebd. S. 318.
89.)
Ebd. S. 320 und 322.
90.)
Siehe Deutscher, a.a.O., S. 138.
91.)
SW 2/42 - 70.; Der V. Parteitag fand vom 30. April bis 19. Mai 1907 statt.
92.)
Ebd. S. 42 und 43.
93.)
Ebd. S. 52.
94.)
Ebd. S. 45.
95.)
Ebd. S. 58.; Die beiden Reden sind enthalten in: Rosa Luxemburg, Ausgewählte
Reden und Schriften. Bd. II, Berlin l95l, S. 274 - 307.; Die hier
veröffentlichten Reden, das Protokoll des Parteitages und die Äußerungen
Stalins sind offenbar nicht deckungsgleich. Stalin bemerkte zu deren Widergabe
auch: “So ungefähr sprach Genossin Rosa Luxemburg”. 95a. Zitiert nach GKPdSU/6, Bd. II. Moskau,
o.J. S. 255.
96.)
SW 2/60.
97.)
Die Parteikrise und unsere Aufgaben, August 1909. Resolutionen, beschlossen vom
Bakuer Komitee am 22. Januar 1910.; Brief an das ZK der Partei aus der
Solwytschegodsker Verbannung. 31. Dezember
1910. In: SW 2/132 - 142, 178 - 181, 189 - 192.
98.) SW 2/134.
99.) Ebd. S. 135.
100.)
Ebd. S. 137.
101.)
Ebd. S. 138.
102.)
Ebd. S. 141.
103.)
Ebd. S. 179 f.
104.)
Ebd. S. 190.
105.)
Ebd. S. 193.
106.)
Ebd. S. 197.
107.)
Deutscher, a.a.O., S. 154 - 155.
108.)
SW 2/208 - 210.
109.)
Ebd. S. 208.; Wie ersichtlich, handelt es sich nicht um “Parteilosigkeit”
bezüglich der Mitgliedschaft in einer Partei, sondern um Parteiergreifen für
die Interessen der einen oder anderen Klasse.
110.) Ebd. S. 209.
111.) SW 4/271 - 279.
112.)
Ebd. S. 275.
113.)
Ebd..
114.)
Die Partei vor und nach der Machtergreifung. SW
5/87 - 97.
115.) Ebd. S. 92.
116.) SW 7/29 - 35.
117.) Ebd. S. 30.
118.)
Siehe Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung in acht Bänden. Bd. 4, Berlin
1966, S. 84 f, 422 - 425.
119.) SW 7/30 f.
120.) Ebd. S. 31.
121.)
Stalin verwendet den Plural. Es ist also nicht nur die KPD gemeint.
122.)
SW 7/32 - 34.
123.)
Stalin meint den sogenannten “Affenprozeß”, Juli 1925 im Staate Tennessee, in
dem der Lehrer John Scopes angeklagt war, weil er die Darwinsche Evolutionstheorie
gelehrt hatte.
124.)
SW 10/115 f.
125.)
Siehe Rosemarie Müller-Streisand: SED und Kirche: Aus der Geschichte lernen -
aber was?. Im Weißenseer Blätter, Teil 1, Heft 4/1995, S. 2 - 15 und Teil II,
Heft 5/1995, S. 3 - 20.
126.) SW 5/181.
127.) Ebd. S. 182.
128.)
Ebd. S. 184.
129.)
Ebd. S. 188 f.
130.)
Ebd. S. 192.
131.)
Ebd. S. 193.
132.) SW 7/298.
133.) Ebd..
134.) Ebd. S. 298 f.
135.) SW 8/10 - 81.
136.) Ebd. S. 22.
137.)
Ebd. S. 24.
138.)
Ebd..
139.)
Ebd..
140.)
Ebd. S. 31.
141.)
Ebd. S. 32.
142.)
Ebd..
143.)
Ebd. S. 31.
144.)
Ebd..
144a. Marx: Aus dem Parlamente. (Die Anträge Roebucks und Bulwers) In: MEW
11/352.
145.)
SW 8/36.
145
a.) Karl Marx: Aus den Parlamenten (die Anträge Roebucks und Bulwers); in: MEW
11/352.
146.)
Ebd. S. 38.
147.)
Ebd. S. 41 f.; Siehe LW 31/9.
148.) SW 46.
149.) Ebd. S. 47.
150.)
Ebd. S. 49 und 51.; LW 31/24 - 31.
151.) SW 8/50.
152.) Ebd. S. 50 f.
153.)
Ebd. S. 52 f.
154.) Ebd. S. 53.
155.) SW 5/325 - 339.
155
a.) Ebd. S.191
155a. Ebd. S. 191.
156.)
Ebd. S. 331 f.
157.)
Ebd. S. 332 f.
158.)
Ebd. S. 331 f.
159.) Ebd. S. 335.
160.) MEW 36/253.
161.) SW 5/335.
162.) Ebd. S. 336.
163.)
Ebd. S. 337.
164.)
Ebd. S. 338.
165.)
Ebd. SW 6/5 - 40.
166.)
Die Kommunistische Partei der Sowjetunion in Resolutionen und Beschlüssen der
Parteitage, Konferenzen und Plenen des ZK, Berlin 1957. Bd. IV, S. 245 - 246. (im weiteren „KPdSU in R/B” genannt). Siehe auch GKPdSU/6, Bd. IV.
Mokau 1973, Erstes Buch, S. 330 - 344.
167.)
GKPdSU/6, IV/l, a.a.O., S. 336.
168.)
SW 6/6.
169.)
Ebd. S. 7.
170.)
Ebd. S. 8.
171.)
Ebd. S. 9 f.
172.)
Ebd. S. 8.
173.)
Ebd. S. 20.
174.)
Ebd. S. 20 f.
175.)
Ebd. S. 30.
176.)
Ebd. S. 31.
177.)
Siehe Schlußwort, ebd. S. 197 - 209.
178.)
Ebd. S. 203.
179.)
Ebd. S. 204 f.
180.) Ebd. S. 207.
181.) SW 10/282 - 305.
182.)
Ebd. S. 284.
183.)
Ebd. S. 285.
184.)
Ebd. S. 286 f.
185.)
Ebd. S. 287.
186.)
Ebd. S. 288.
187.)
Ebd..
188.)
Ebd. S. 289.
189.)
Ebd.; Zur Auseinandersetzung mit der Opposition siehe Teil 2.
190.)
Über “Dymowka”.; SW 7/19.
191.) SW 7/27.
192.) Ebd. S. 38 f.
193.)
Ebd. S. 57.
194.)
Ebd. S. 105.
195.) SW 11/26 - 35.
196.) Ebd. S. 27.
197.)
Ebd. S. 28.
198.)
Ebd. S. 29.
199.)
Ebd. S. 30.
200.)
Ebd. S. 31.
201.)
Ebd. S. 113 - 122.
202.)
Ebd. S. 118.
203.)
Ebd. S. 120 f.
204.)
Ebd. S. 122.
205.)
Siehe GKPdSU/6, Band IV/l. a.a.O., S. 600.
206.) SW 12/274.
207.) Ebd.
208.) SW 5/85.
209.) SW 6/228 f.
210.) SW 7/206 f.
211.)
Ebd. S. 300.
212.)
Ebd. S. 302.
213.) SW 14/219.
214.) Ebd. S. 220.
215.) Ebd. S. 222.
216.) SW 6/62 - 166.
217.)
Deutscher, a.a.O., S. 353 f.
218.) SW 6/62.
219.) Ebd. S. 63.
220.)
Ebd. S. 63 f.
221.)
Ebd. S. 64.
222.)
Ebd. S. 71.
223.)
Ebd. S. 95.
224.)
Ebd. S. 99.
225.)
Ebd. S. 101 und 102.
226.)
Ebd. S. 107 f.
227.)
Ebd. S. 152.
228.)
Ebd. S. 162 f.