Zeitschrift für Sozialismus und Frieden 4/03
Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik (i.G.)
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Stalin
als Theoretiker
des Marxismus-Leninismus
Stalins Beiträge zur Parteitheorie, Heft II
Zum 50. Todestag Stalins am 5. März 2003
Von Ulrich Huar
Der Kampf gegen die parteifeindliche Opposition
2. Zum Kampf Stalins gegen die parteifeindliche Opposition in der KPdSU (B)
2.1. Über Trotzki und Bucharin
2.2. “Sozialismus in einem Land”
2.2.1. Lenins Theorie vom Sozialismus in einem Lande
2.2.2. Stalin gegen Trotzki
2.2.3. Der “neue” Trotzkismus
2.2.4. Die Bucharingruppe
2.2.5. Gegen eine “Schädlingspsychose”
Anhang
Anmerkungen (Quellennachweise)
Einladung zur Lesereise mit Harpal Brar „Perestrojka
Man könnte die Frage stellen,
ob dieser Kampf noch zur Parteitheorie gehört, denn er war eben nicht nur ein
theoretischer Kampf, sondern in erster Linie ein politischer Kampf, der bis zu
seinem Ende auf Leben und Tod geführt wurde. Aber der Beitrag Stalins zur
marxistisch-leninistischen Parteitheorie wäre unvollständig, wenn man diesen
Kampf ausklammern wollte.
Dieser Kampf wurde und wird
in der gesamten bürgerlichen, revisionistischen und trotzkistischen Literatur
zur Diffamierung Stalins verfälscht und diese Verfälschung wurde auch von kommunistischen Wissenschaftlern ohne
Analyse des tatsächlichen Sachverhaltes unkritisch übernommen.
Was aber wäre, wenn die
Opposition von Trotzkisten und/oder die Gruppierung um Bucharin sich im ZK
hätten durchsetzen können, Stalin und die Mehrheit der Mitglieder des ZK
liquidiert hätten? Diese Frage ist nicht nur spekulativ. Solche Bestrebungen
hat es gegeben. In einem solchen Falle hätten sie nur vorweggenommen, was dann
von einem Gorbatschow und seiner Gruppe rund 50 Jahre später vollbracht wurde -
die Zerstörung der Sowjetunion.
Die Hauptgefahr für die
Existenz der Sowjetunion ging von Trotzki und seinen Anhängern innerhalb der
Partei, der Sowjetunion und außerhalb des Landes aus. Die Richtigkeit der in
den Ausführungen Stalins im Kampf gegen Trotzki und dessen “Theorien” finden
ihre Bestätigung im Nachwort zu Trotzkis Autobiographie “Mein Leben”, das der
amerikanischen Ausgabe von Grassert & Dulap, New York 1960, entnommen ist.1)
In zusammengefaßter Form war nach diesen Nachwort Trotzki “der anerkannte
Führer und Sprecher eines zur Diktatur Stalins in Gegensatz stehenden
internationalen Kommunismus...”2). Von der Insel Prinkipo (bei
Istanbul, UH) unterhielt er “aktiven Kontakt mit der kommunistischen Welt und
sozialistischen Bewegungen...”3). ,in einer “ersten Artikelserie für
die amerikanische Presse” legte er dar, “worum es der Opposition ging...”4),
er ließ “keinen Zweifel daran, daß er seiner ursprünglichen kommunistischen
Philosophie der permanenten Revolution treu blieb.”5), “...
Unterstützung kam ihm allein von den antistalinistischen Marxisten.”6),
Trotzki “... beschäftigte sich in seiner Rolle als Weltführer der
antistalinistischen Opposition innerhalb der kommunistischen Bewegung.”7),
Trotzki “... widmete sich auch mit Nachdruck der Bekämpfung einer neuen
stalinistischen Taktik ...”8) (gemeint war der Nichtangriffsvertrag
zwischen der Sowjetunion und dem faschistischen Deutschland 1939, der von allen
antikommunistischen Publizisten entstellt wird. UH)9). Trotzki war
“stark an den verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften interessiert, die in
der ganzen Welt von Gruppen der Opposition herausgegeben wurden. Die
bedeutendste davon war das in russischer Sprache erscheinende ‘Bulletin of the
Opposition’, gegründet 1929 und zuerst herausgegeben in Berlin, dann in Paris
und New York.”10). Trotzkis Hauptrolle “... war die eines
unbeugsamen Kritikers Stalins und der Bürokratie, die Rußland regierte.”11).
1935 bezeichnete Trotzki den “Stalinismus” als “die eiternde Pestbeule der
Arbeiterbewegung auf der ganzen Welt.... wir müssen ihn vernichten; ... das
Proletariat sammeln unter der Fahne von Marx und Lenin.”12)
Trotzki veranlaßte die
Einsetzung einer “internationalen Untersuchungskommission...” aus
“Persönlichkeiten, deren Integrität außer Zweifel” stehe, die untersuchen
solle, ob die von Stalin behaupteten Verbrechen, die er begangen haben soll,
der Wahrheit entsprächen. Die Kommission bestand aus dem “bekannten Philosophen
und Erzieher” John Dewey als Vorsitzenden, John Chamberlain, E.A. Ross, Suzanne
La Follete, Ben Stolberg, Wendelin Thomas, Otto Rühle, Carlo Tresca, Alfred
Romer und Francisko Zamora.” Natürlich lautete das Urteil dieser
Spitzenvertreter der bürgerlichen Intelligenz “Nicht schuldig”. Die
vollständigen Aufzeichnungen dieser Kommission wurden bei Harper (New York)
veröffentlicht.13) Die Liste ließe sich fortsetzen. Zunächst ist es
doch erstaunlich, wie besorgt die kapitalistische Presse um das Wohlergehen der
Sowjetunion, um den Kommunismus war! Trotzki war also die Inkarnation des
Marxismus, des Leninismus, dem die Bourgeoisie geradezu huldigte!
Stellt man hier richtig, daß
in diesen Passagen für die “Diktatur Stalins” die Mehrheit des Zentralkomitees
der KPdSU (B), die Mehrheit der Parteimitglieder, für “internationaler
Kommunismus” bzw. “antistalinistische Marxisten”, “antistalinistische
Opposition” die russische und internationale Konterrevolution zu verstehen ist,
dann wird aus dem “Nachwort” zur Glorifizierung Trotzkis eine Bestätigung der
Wahrheit in Stalins Kritik an Trotzki und seinen Epigonen. Desgleichen
bestätigt die Aussage, das Proletariat unter “der Fahne von Marx und Lenin” zu
sammeln, daß Trotzki der gefährlichste Ideologe des Antikommunismus in der
russischen und internationalen Arbeiterbewegung war. Es wird auch hier
deutlich, daß Trotzki seine Zersetzungsarbeit nur unter Berufung auf einen verfälschten
Marxismus und Leninismus durchführen konnte, eine Methode, die von
Chruschtschow, Gorbatschow bis zu den “modernen” Revisionisten” ihre Anwendung
findet. Wollten die Revisionisten in der DDR nicht auch einen “besseren
Sozialismus”, eine “bessere DDR”, die “Beseitigung des Dogmatismus”, die
Hinwendung zum “wahren Marx”, ja selbst zum “wahren Lenin”, zum “späten Lenin”,
ja, zu dem allerherrlichsten Sozialismus überhaupt? - Unter Berufung auf Marx,
auf Rosa Luxemburg wurde die sozialistische DDR zertrümmert und in eine
wirtschaftlich sozial und kulturell heruntergebrachte Landschaft der
spätkapitalistischen BRD verwandelt, die Staatsbürger der DDR wurden zu
“Bewohnern” eines “Beitrittsgebiets.”
Der andere gefährliche
Oppositionelle war Nikolai Bucharin, ein ständig zwischen „linken“ und
„rechten“ Opportunisten schwankender, auf theoretischem Gebiet eklektizistisch
argumentierender Wirrkopf, dessen “theoretischen Anschauungen ... nur mit sehr
großen Bedenken zu den völlig marxistischen gerechnet werden” können.14)
Um Bucharin sammelten sich vorwiegend unzufriedene Intellektuelle, hinter denen
sich die NÖP - Bourgeoisie und weißgardistische Konterrevolutionäre formierten.15)
Bucharin hat mit Kamenew gegen Stalin und die Mehrheit des ZK konspiriert und
wollte an die Stelle Stalins Sinowjew setzen. Das ist dokumentarisch belegt,
worauf noch zurückzukommen sein wird. Sinowjew und Kamenew bildeten und
wechselten Gruppierungen, mal mit Stalin gegen Trotzki, mal umgekehrt. Die
Oppositionellen bekämpften sich mit Vehemenz auch untereinander; was sie
gemeinsam hatten, waren Fraktionsbildungen, um das Zentralkomitee zu
zerschlagen. Daß dabei persönliche Feindschaften, Rivalitäten, Machtdenken eine
nicht unerhebliche Rolle spielten, steht außer Frage.
Eine letzte Bemerkung. Für
die Repressalien in den 30er Jahren wird in der antikommunistischen Publizistik
ausschließlich Stalin verantwortlich gemacht. “Auf Befehl Stalins...” Auch
kommunistische Publizisten übernehmen unkritisch solche durch nichts bewiesene
Behauptungen.
Zunächst einmal hatte Stalin
in den 30er Jahren keineswegs die Macht, allein “Erschießungen” zu befehlen.
Seine Autorität war während dieser Jahre durchaus nicht unangefochten - wie
gerade die innerparteilichen Auseinandersetzungen beweisen. Stalin konnte sich
aber auf die Mehrheit des ZK und der Parteimitgliedschaft stützen. Die
Oppositionellen entlarvten sich durch ihre Taten selbst als Feinde der
Sowjetmacht und wurden von den Justizorganen nach den sowjetischen Gesetzen
rechtskräftig verurteilt.
Man kann die Frage nach der
Qualität der sowjetischen Justiz in dieser Zeit stellen. Den alten zaristischen
Justizapparat hatte die Sowjetmacht zerschlagen. Im Bericht über die Tätigkeit
des Rates der Volkskommissare vom 11. (24.) Januar 1918 begründete Lenin diesen
Schritt: „Denselben Weg, den die Sowjetmacht hinsichtlich der sozialistischen
Armee ging, schlug sie auch hinsichtlich eines andern, noch feineren, noch
komplizierteren Werkzeugs der herrschenden Klassen ein - des bürgerlichen
Gerichts, das sich als Hüter der Ordnung aufspielte, in Wirklichkeit aber ein
blindes, raffiniertes Werkzeug zur schonungslosen Unterdrückung der
Ausgebeuteten war, ein Werkzeug zur Verteidigung der Interessen des Geldsacks.
Die Sowjetmacht handelte, wie alle proletarischen Revolutionen es gelehrt
haben: sie warf dieses Gericht sofort zum alten Eisen. Mag man darüber zetern,
daß wir das alte Gericht, statt es zu reformieren, sofort zum alten Eisen
geworfen haben. Wir haben auf diese Weise die Bahn frei gemacht für ein wirkliches
Volksgericht. ...”16) Es war also Lenin, unter dem der alte
Justizapparat zerstört wurde, nicht Stalin!
Der Aufbau einer neuen
sozialistischen Justiz ließ sich nicht in zwanzig Jahren unter den Bedingungen
des Bürger- und Interventionskrieges, innerer scharfer Klassenkämpfe der
NÖP-Periode und Interventionsdrohung von außen vollenden. Es gab auch keinerlei
theoretische Vorleistungen, keine praktischen Erfahrungen mit einer
sozialistischen Justiz. Auch bei Marx und Engels gab es nicht mehr, als daß der
alte Repressivapparat des Staates zerstört werden mußte. Auch mit der
Errichtung einer sozialistischen Justiz beschritt die Sowjetmacht Neuland.
Die sowjetische Justiz war
eine revolutionäre, eine Klassenjustiz. Aber wie sollte sie funktionieren, und
wo kamen die sozialistischen Juristen her? Die fielen nun mal nicht vom Himmel,
sondern mußten ausgebildet werden. Die Richter und Staatsanwälte kamen
vorwiegend aus der Arbeiterklasse und der armen Bauernschaft - mit dem vom
Zarismus ererbten Kulturniveau! - die in der Roten Armee im Bürger- und
Interventionskrieg gekämpft hatten, in kurzen Lehrgängen zu Juristen
ausgebildet wurden. Einige wenige progressive Juristen aus der alten Zeit waren
auch darunter. Man mag über diesen Sachverhalt “zetern”, wie Lenin sagte, aber
keine Revolution kann die alte Justiz, die zu den Repressivorganen des alten
Ausbeuterstaates gehörte und die Interessen der jeweils herrschenden Klasse
schützten, übernehmen. Über den Klassencharakter der Justiz kann man sich in
Montesquieus Werk “Vom Geist der Gesetze”, unterrichten lassen. Charles Louis
de Secondat, Baron de la Brède et de Montesquieu (1689-1755), als ein
Repräsentant des französischen Hochadels, steht nun ganz und gar nicht im
Verdacht, kommunistische Propaganda betrieben zu haben. Er forderte die
Sicherung der Ämter der Exekutive für den Adel, die Entziehung des Adels der
öffentlichen Gerichtsbarkeit durch Bildung von Sondergerichten des Oberhauses,
denen es ansteht, “das Gesetz zugunsten des Gesetzes selbst zu mildern und weniger
streng als das Gesetz zu entscheiden.”17)
In der jungen, noch nicht
ausgereiften sowjetischen Justiz waren unter den konkreten Bedingungen der 30er
Jahre Fehlurteile möglich; auch Unschuldige konnten in die Mühlen der Justiz
geraten. Über die sowjetische Justiz äußerte sich Richard Iwanowitsch Kosolapow
in einem Interview mit Viktor Koschemjako, wobei er noch auf einen anderen
Aspekt hinwies: “Warum haben sich neben der gerechten Strafe für Verbrechen
gegen das Volk Prozesse auch gegen Unschuldige gerichtet? Teilweise ist das mit
dem Bürokratismus und dem Wunsch, sich verdient zu machen, teilweise auch mit
dem niedrigen Niveau an professioneller Ausbildung und Kultur der Mitarbeiter der
Rechtsschutzorgane, der Sicherheits- und Justizorgane erklärbar. Die
Hauptursache ist jedoch eine andere. Wir verfügen jetzt über umfassende
Tatsachenmaterialien und über dokumentarische Beweise, um folgende
Schlußfolgerung ziehen zu können: Viele unschuldige Menschen, insbesondere
Kommunisten, litten darunter, daß fremde Elemente (Weißgardisten, Kriminelle,
Trotzkisten usw.) in diese Organe eingedrungen waren, um ihre Dienststellung
als Mittel des antisowjetischen Klassenkampfes zu nutzen. Zur Ehre der Partei
muß gesagt werden, sie verstand es, sich damit auseinanderzusetzen. Der Beweis
dafür ist der Beschluß des Plenums des ZK der KPdSU (B) vom Januar 1938 sowie
der Beschluß des Rats der Volkskommissare der UdSSR vom 17. November 1938 ‘über
Verhaftungen, staatsanwaltliche Aufsicht und Untersuchungsführung‘, der von
Molotow und Stalin unterzeichnet ist. Aber die unschuldig zu Tode Gekommenen
wurden dadurch natürlich nicht wieder zum Leben erweckt.”18)
Um es deutlich zu sagen, die
Verbrechen, die Stalin unterstellt werden, waren die Verbrechen von Trotzkisten
und anderen Konterrevolutionären, die sich in die noch ungefestigten Apparate
einschleichen konnten. Gerade der erwähnte Beschluß des Plenums des ZK vom
Januar 1938, veröffentlicht in der Prawda Nr. 19 vom 19. Januar 1938, beweist,
daß Stalin als Gene-ralsekretär des ZK der Partei, diese konterrevolutionären
Verbrechen entschieden bekämpfte, er beweist aber auch zugleich, daß Stalin
nicht die Machtstellung hatte, die ihm angedichtet wird. Hätte er sie gehabt,
hätte er diese Verbrechen verhindert. Stalin war eben nicht allmächtig!
Die Kernfrage der
Auseinandersetzung zwischen Stalin und Trotzki war, ob es möglich sei, in einem
rückständigen Land wie Rußland den Sozialismus aufzubauen, oder ob man die
Revolution im Westen abwarten müsse, weil ohne die Revolution im Westen der
Aufbau des Sozialismus in Rußland unmöglich sei. Nach Deutscher sei Stalins
Lehre vom “Sozialismus in einem Lande” ein “hervorragendes Diskussionsthema”.
Jetzt wurde Stalin “wirklich aus eigener Kraft der führende Theoretiker der
Partei”. Die - nach Deutscher - “alten, marxistischen Gelehrten” konnten “nicht
verhindern, daß die Lehre vom ‘Sozialismus in einem Lande’ der Glaube der
Nation wurde”.19) Soweit kann man mit Deutscher noch übereinstimmen, wobei
Stalin sich als Theoretiker bereits mit seinen Schriften zur nationalen Frage,
zur Politischen Ökonomie und anderen ausgewiesen hatte.
Deutschers Einschätzung
Trotzkis als dem Vertreter der Theorie der “permanenten Revolution”, der sich
in “vielen kritischen Augenblicken der Jahre 1905, 1917 und 1920 ... als der
ernsthafteste Stratege der Revolution bewährt habe”20), kann ich
allerdings nicht folgen.
Die Theorie vom “Sozialismus
in einem Lande” ist von Lenin begründet worden. Stalin gebührt das Verdienst,
nach dem Tode Lenins diese Theorie weiter ausgearbeitet und präzisiert zu
haben, in ständiger Auseinandersetzung mit Trotzki und anderen Oppositionellen.
Die theoretischen Arbeiten Stalins zu diesem Thema haben dann wohl dazu
geführt, daß diese von Lenin zuerst begründete Theorie Stalin zugeschrieben
wurde - vielleicht darum, um diese Theorie nachträglich noch als “falsch”, als
“stalinistisch” abwerten zu können, was bei Lenin schwieriger ist, wenn man
sich auf ihn gegen Stalin “berufen” will. Hinweise von Lenin über die
Möglichkeit des Sieges des Sozialismus in einem Land, in mehreren Ländern, in
Rußland als einem ökonomisch rückständigen Land sind zahlreich. Er hat sie
unter verschiedenen Situationen und zu verschiedenen Zeiten geäußert. Da diese
Äußerungen Lenins in unterschiedlichen Zusammenhängen geäußert wurden, sich
folglich auch inhaltlich unterschieden, konnte sich sowohl Stalin auf sie
berufen als auch Trotzki sie für seine Theorie der “permanenten Revolution”
mißbrauchen. Es ist tatsächlich so, mit aus ihrem Kontext gerissenen und
voluntaristisch verabsolutierten Zitaten aus Klassikerschriften kann man so
ziemlich alles “beweisen.” Die wichtigsten Äußerungen Lenins zum Thema sollen
darum hier unter Angabe des Datums kurz dokumentiert werden.
Es gäbe “... die falsche
Auffassung von der Unmöglichkeit des Sieges des Sozialismus in einem Lande...”
- Die Ungleichmäßigkeit der ökonomischen und politischen Entwicklung ist “ein
unbedingtes Gesetz des Kapitalismus.” Daraus folge, daß der “Sieg des
Sozialismus zunächst in wenigen kapitalistischen oder sogar in einem einzeln
genommenen Lande möglich ist”. (22. August 1915)21) Der Traum von der “vereinten Aktion der
Proletarier aller Länder” sei gleichbedeutend mit der “Vertagung des
Sozialismus auf den St. Nimmerleinstag.” Sozialismus sei möglich in einer
“Minderheit von Ländern” des “fortgeschrittenen Kapitalismus.” (Oktober 1916)22)
(Dazu gehörte Rußland nicht. UH) Auf Grund der ungleichmäßigen Entwicklung des
Kapitalismus kann der Sozialismus “nicht gleichzeitig in allen Ländern siegen”.
Zuerst nur “in einem oder einigen Ländern”. Andere werden “eine gewisse Zeit”
bürgerlich oder vorbürgerlich bleiben. Die Bourgeoisie anderer Länder würde
danach streben, “das siegreiche Proletariat der sozialistischen Staaten zu
zerschmettern”. (September 1916)23) Es seien Kriege möglich zwischen
dem Sozialismus, der in einem Lande den Sieg errungen hat, gegen andere, bürgerliche
oder reaktionäre Länder. (Oktober 1916)24) Der “Übergang zum
Sozialismus” sei in Rußland möglich, “nicht unmittelbar, mit einem Schlag” -
aber mit “Übergangsmaßnahmen.” (März 1917 (April) 1917)25) Das
Proletariat Rußlands könne sich nicht die sofortige Durchführung der
sozialistischen Umgestaltung zum Ziel setzen. Aber “der größte Fehler” des
Proletariats wäre, auf “praktisch bereits herangereifte(r) Schritte zum
Sozialismus” zu “verzichten”. Der Krieg habe sie “in ungewöhnliche
Verhältnisse” gestellt. Es folgt eine Polemik gegen die These Plechanows von
der “Unmöglichkeit des Sozialismus” in Rußland. Die Kontrollmaßnahmen (über
Produktion und Verteilung, UH) seien noch “kein Sozialismus” aber eine
“Übergangsmaßnahme”, Rußland wird “mit einem Fuß im Sozialismus stehen”. Wir
betrachten den Sozialismus nicht als Sprung, sondern als praktischen Ausweg aus
der “entstandenen Zerrüttung”. (April 1917)26) Es gäbe den
“weitverbreitete(n) Einwand” in der bürgerlichen, sozialrevolutionären und
menschewistischen Presse: “Wir seien noch nicht reif für den Sozialismus, es
sei verfrüht, den Sozialismus ‘einzuführen’, unsere Revolution sei eine
bürgerliche - also müsse man Knecht der Bourgeoisie sein....” ... “Man muß
entweder vorwärtsschreiten oder zurückgehen. Vorwärtsschreiten im Rußland des
20. Jahrhunderts, das die Republik und den Demokratismus auf revolutionärem
Wege erobert hat, ist unmöglich, ohne zum Sozialismus zu schreiten, ohne
Schritte zum Sozialismus zu machen. Schritte, die bedingt sind und bestimmt werden
durch den Stand der Technik und Kultur...”. (10. - 14. September 1917)27)
Wir haben uns niemals “unlösbare” Aufgaben gestellt... die “durchaus lösbaren
Aufgaben unverzüglicher Schritte zum Sozialismus... können sofort gelöst werden
durch die Diktatur des Proletariats und der armen Bauernschaft” - ein
“dauerhafter Sieg ist jetzt mehr als je und mehr als irgendwo sonst dem
Proletariat in Rußland sicher, wenn es die Macht ergreift“. (1. Oktober 1917)28)
Das Zentralkomitee sei vom Sieg des Sozialismus sowohl in Rußland als auch in
Europa überzeugt. (17. (4.) November 1917)29) “Fast alle Arbeiter
und die gewaltige Mehrheit der Bauern” stehen auf der Seite der Sowjetmacht und
der “von ihr begonnenen Revolution. Insofern ist der Erfolg der sozialistischen
Revolution in Rußland gesichert.” ...Es wäre ein Fehler, “die Taktik der
sozialistischen Regierung Rußlands darauf aufzubauen, ...ob die europäische und
insbesondere die deutsche Revolution im nächsten halben Jahr (oder in einer
ähnlichen kurzen Frist) ausbrechen wird oder nicht”... . In der Taktik müsse
man davon ausgehen, wie man die sozialistische Revolution... “wenigstens in
einem Lande so lange halten kann, bis andere Länder sich anschließen
werden”.... “wenn man uns sagt, daß der Sieg des Sozialismus nur im Weltmaßstab
möglich sei, so sehen wir darin lediglich einen Versuch... eine ganz unleugbare
Wahrheit zu entstellen. Natürlich, der endgültige Sieg des Sozialismus in einem
Lande ist unmöglich”. (Januar 1918)30) Man dürfe die “große Losung ‘Wir
setzen auf den Sieg des Sozialismus in Europa’ nicht zu einer Phrase machen.
Das ist eine Wahrheit, wenn man den langen und schwierigen Weg bis zum
vollständigen Sieg des Sozialismus in Auge hat. Es ist eine unbestreitbare
philosophisch-historische Wahrheit, wenn man die ganze ‘Ära der sozialistischen
Revolution’ in ihrer Gesamtheit nimmt. Aber jede abstrakte Wahrheit wird zur
Phrase, wenn man sie auf jede beliebige konkrete Situation anwendet”. Sie
können “nicht die Bürgschaft ... übernehmen”, daß die europäische Revolution
“in den nächsten paar Wochen ausbrechen und siegen werde...”. (25. Februar
1918)31) In Polemik gegen die These, man hätte “folglich” die Macht
nicht ergreifen sollen: Der vollständige Sozialismus sei nur in Zusammenarbeit
der Proletarier aller Länder möglich, “durch eine Reihe von Versuchen - von
denen jeder, einzeln genommen, einseitig sein, an einer gewissen
Nichtübereinstimmung leiden wird”. (5. Mai 1918)32) Im Weltmaßstab
“völlig, endgültig zu siegen ist in Rußland allein nicht möglich... ”.
Zumindest in allen fortgeschrittenen Länder, oder auch nur in einigen der
größten fortgeschrittenen Länder müsse das Proletariat den Sieg errungen haben,
bevor die Sache des Proletariats gesiegt hat. (März - April 1919)33)
“Hat denn irgendein Bolschewik jemals geleugnet, daß die Revolution endgültig
erst dann siegen kann, wenn sie alle oder mindestens einige der bedeutendsten
fortgeschrittenen Länder erfaßt? Wir haben das stets gesagt.” (6. - 19. Mai
1919)34) “Selbstverständlich kann den endgültigen Sieg nur das
Proletariat aller fortgeschrittenen Länder der Welt erringen...” die Russen
beginnen das Werk, das vom englischen, französischen, deutschen Proletariat
gefestigt wird, aber, “ohne die Hilfe der werktätigen Massen aller
unterdrückten Kolonialvölker, und in erster Reihe der Völker des Ostens, nicht
siegen werden.” Die Avantgarde allein kann den Übergang zum Kommunismus nicht
vollziehen. (20. Dezember 1919)35) Unser Sieg ist nur dann von
Dauer, wenn unsere Sache in der ganzen Welt siegt. “... wir hatten ja unser
Werk ausschließlich in der Erwartung der Weltrevolution begonnen.” Nach drei
Jahren könne man sagen, “daß wir gesiegt haben” ... dürfen aber “nicht
vergessen, daß wir erst zur Hälfte gesiegt haben”, nicht vergessen, daß “unsere
Sache eine internationale ist”..., “unser Sieg nur ein halber Sieg, vielleicht
sogar noch weniger” ist. (6. November 1920)36) Wir haben erklärt,
daß unser Sieg nicht gesichert sei, wenn es nicht zur Revolution im Westen
kommt. Eine rasche und einfache Lösung sei nicht erfolgt. Aber das Wichtigste
sei erreicht: Die “Behauptung der proletarischen Macht und der Sowjetrepublik,
sogar im Falle einer Hinauszögerung der sozialistischen Weltrevolution”. (21.
November 1920)37) Wir haben uns niemals die Aufgabe gestellt, “ganz
allein, aus eigener Kraft, zu siegen”... “Die Weltrevolution ist noch nicht da,
aber auch wir sind bisher nicht besiegt worden.” (26. November 1920)38)
“10 - 20 Jahre richtige Beziehungen mit der Bauernschaft, und der Sieg ist im
Weltmaßstab (sogar bei einer Verzögerung der proletarischen Revolutionen, die
anwachsen) gesichert, sonst 20 - 40 Jahre Qualen weißgardistischen Terrors.”
(März/April 1921)39) “Der Ausgang des Kampfes hängt in letzter
Instanz davon ab, daß Rußland, Indien, China usw. die gigantische Mehrheit der
Erdbevölkerung stellen. Gerade diese Mehrheit. der Bevölkerung wird denn auch
in den letzten Jahren mit ungewöhnlicher Schnelligkeit in den Kampf um ihre
Befreiung hineingerissen, so daß es in diesem Sinne nicht den geringsten
Zweifel darüber geben kann, wie die endgültige Entscheidung des Kampfes im
Weltmaßstab ausfallen wird. In diesem Sinne ist der endgültige Sieg des
Sozialismus vollständig und unbedingt gesichert.” (2. März 1923)40)
Aus dieser unvollständigen
Reflektion Leninscher Äußerungen zur Frage “Sozialismus in einem Land” läßt
sich folgern: Mit einem mir passenden Zitat kann ich “beweisen”, daß Lenin
gegen Sozialismus in einem Land oder daß er dafür war. Hier geht es nur um die
Feststellung, daß Lenin bereits das Problem Sozialismus in einem Land
theoretisch reflektiert hat, und je nach veränderten Bedingungen
unterschiedlich beantwortet hat. Nimmt man seine letzten Äußerungen, so lassen
sich die Leninschen Erkenntnisse über “Sozialismus in einem Land”
zusammenfassen: Der Sieg des Sozialismus in einem Land, auch im ökonomisch und
kulturell rückständigen Rußland, ist möglich, selbst bei Verzögerung der
Weltrevolution. Dieser Sieg ist jedoch noch nicht endgültig, noch nicht
gesichert, bis nicht in einem oder wenigstens in einigen ökonomisch
fortgeschrittenen Ländern die proletarische Revolution gesiegt hat. Lenin
spricht mehrfach vom “vollständigen” Sieg des Sozialismus. Da in dieser Zeit
die Begriffe “Sozialismus” und “Kommunismus” häufig synonym angewendet wurden,
bleibt offen, ob Lenin mit “endgültigem” Sieg die höhere Phase der
kommunistischen Gesellschaft oder nur die niedere Phase meint. Lenin bezieht in
seine Theorie die “Völker des Ostens” mit ein, die im Gefolge der
Oktoberrevolution eine Periode antikolonialer, demokratischer Revolutionen
eröffnet hatten.
Ab 1920/21 berücksichtigt
Lenin in seinen Aussagen zunehmend eine Verzögerung der Revolution im Westen.
Der ursprüngliche Gedanke, Rußland beginnt mit der proletarischen
Weltrevolution, der Westen - namentlich Deutschland - folgt und übernimmt auf
Grund seiner ökonomisch-technischen Überlegenheit die bestimmende Rolle, wird
aufgegeben. Dafür wird die Rolle der “gigantischen Mehrheit der
Erdbevölkerung”, Rußland, Indien, China im Kampf um die “endgültige
Entscheidung des Kampfes” hervorgehoben.
Die Leninsche Theorie vom
“Sozialismus in einem Land” war das Fundament, von dem Stalin in seinem Kampf
gegen die parteifeindliche Opposition ausging und die er in diesem Kampf weiter
entwickelte, vervollkommnete und präzisierte. Erste Äußerungen Stalins zu
diesem Thema finden sich im Bericht über die politische Lage auf dem VI.
Parteitag der SDAPR (B) (26. Juli bis 30. August 1917), unmittelbar nach den
Juliereignissen.41) Die Möglichkeiten eines friedlichen Übergangs
der Macht von der bürgerlichen provisorischen Regierung an die Sowjets war
damit nicht mehr gegeben. Sollte die Revolution weitergeführt, die dringendsten
Forderungen der Massen erfüllt werden: Frieden - Land für die Bauern - Brot für
die Arbeiter in der Stadt, blieb nur noch der bewaffnete Aufstand und der
Übergang zum Sozialismus. Damit war die Frage nach der Möglichkeit des Sieges
der sozialistischen Revolution in Rußland auf die Tagesordnung gesetzt. Bereits
auf der VII. Gesamtrussischen Konferenz der SDAPR (B) (Aprilkonferenz 1917)
erklärten Kamenew, Rykow und andere, daß ein Sieg der sozialistischen
Revolution in Rußland unmöglich sei. Dies wurde auch auf dem VI. Parteitag
wiederholt. N.S. Angarski erklärte, daß die Orientierung auf einen Sieg der
Revolution “keine Taktik des Marxismus, sondern eine Taktik der Verzweiflung”
sei.42)
Desgleichen traten Bucharin
und Preobrashenski gegen die These Lenins von der Möglichkeit des Sieges der
sozialistischen Revolution in einem Lande auf. Dagegen polemisierte Stalin in
seinem Bericht. Unter normalen Bedingungen, bei der schwachen Entwicklung des
Kapitalismus in Rußland, sei ein Sieg der sozialistischen Revolution in Rußland
nicht möglich. Aber der Krieg, die Zerrüttung der Wirtschaft, der Erschütterung
der kapitalistischen Organisation der Volkswirtschaft ermöglichen einen Sieg
der sozialistischen Revolution. In Rußland bestünde im Unterschied zu
Deutschland ein “hoher Grad der Organisiertheit der Arbeiter, im revolutionären
Sinne, nicht nach Institutionen wie in Österreich”. Das Proletariat habe “so
umfassende Organisationen wie die Sowjets der Arbeiter- und
Soldatendeputierten” die es in keinem anderen Land gibt. Die Arbeiter Rußlands
könnten “nicht auf ein aktives Eingreifen in das Wirtschaftsleben des Landes im
Sinne sozialistischer Umgestaltungen verzichten, ohne politischen Selbstmord zu
begehen. Es wäre unwürdige Pedanterie, wollte man verlangen, daß Rußland mit
den sozialistischen Umgestaltungen ‘wartet’, bis Europa ‘anfängt’. Dasjenige
Land ‘fängt an’, das mehr Möglichkeiten hat...”43) Mit diesen
Ausführungen ging Stalin nicht über Lenin hinaus. Sie verdeutlichen aber die
Übereinstimmung mit den Auffassungen Lenins.
Im weiteren erfolgte die
Auseinandersetzung mit Bucharin und anderen Zweiflern an der Möglichkeit eines
Sieges der sozialistischen Revolution in Rußland. Bucharin habe die Frage “am
schärfsten” gestellt, aber “sie nicht zu Ende geführt”. Bucharin behaupte, daß
“der imperialistische Bourgeois ... einen Block mit dem Bauern gebildet” habe.
Es gäbe aber verschiedene Bauern. Der Block sei mit “rechtsorientierten Bauern”
gebildet worden, aber es gäbe auch “Bauern der unteren Schichten,
linkseingestellte, die die ärmsten Schichten der Bauernschaft vertreten”.
Bucharin habe nicht gesagt, gegen wen sich der Block richte. Es sei dies ein
Block des alliierten und des russischen Kapitals, des Offizierskorps und der
Oberschichten der Bauernschaft in Gestalt der Sozialrevolutionäre vom Schlage
eines Tschernow. Dieser Block hat sich gegen die unteren Schichten der
Bauernschaft, gegen die Arbeiter gebildet. Bucharins Analyse sei “grundfalsch”,
nach der wir der “ersten Etappe einer Bauernrevolution” entgegengingen. Die
Bauernrevolution müsse sich mit der Arbeiterrevolution treffen, “mit ihr
zusammenfallen”. Nach Bucharin würde die zweite Etappe, nach der
Bauernrevolution, die proletarische Revolution sein, von Westeuropa
unterstützt, ohne Beteiligung der Bauern, die den Boden bekommen hätten und
zufrieden gestellt seien. Aber gegen wen richte sich dann die Revolution?
Bucharin bliebe mit seinem “kindischen Schema” die Antwort schuldig.44)
War die Konzeption Bucharins
wirklich nur ein “kindisches Schema” oder steckte mehr dahinter? Von der Sache
her war die Konzeption Bucharins eine Absage an Lenins Schlußfolgerungen über
die Möglichkeit des Sieges der sozialistischen Revolution in einem Land, in
Rußland. Bucharin sah den Ausweg in der “proletarischen Weltrevolution”. Er
meinte, daß die Revolution in Rußland den Imperialisten den “revolutionären
Krieg” erklären müsse, um auf diese Weise “das Feuer der sozialistischen
Weltrevolution zu entfachen”.45) Diese These Bucharins unterschied
sich nicht von Trotzkis Theorie der “permanenten Revolution”.
Preobrashenski erklärte, daß
nur “beim Vorhandensein einer proletarischen Revolution im Westen” ein
sozialistischer Weg in Rußland eingeschlagen werden könne.46)
Stalin antwortete, daß die
“Möglichkeit ... nicht ausgeschlossen” ist, “daß gerade Rußland das Land sein
wird, das den Weg zum Sozialismus bahnt. ...Man muß die überlebte Vorstellung
fallen lassen, daß nur Europa uns den Weg weisen könne. Es gibt einen
dogmatischen Marxismus und einen schöpferischen Marxismus. Ich stehe auf dem
Boden des letzteren.”47) Sieben Jahre später - in einem
Prawda-Artikel vom 20. Dezember 1924, “Der Oktober und Trotzkis Theorie der
‘permanenten’ Revolution”48) - setzte sich Stalin mit dieser Theorie
auseinander. Trotzki habe bereits 1905 die revolutionäre Kraft der Bauernschaft
nicht erkannt, wie in seiner Losung: “Weg mit dem Zaren, her mit der
Arbeiterregierung!” zum Ausdruck kam. Auch 1915 glaubte er, daß die Losung der
Konfiskation des Bodens unter den Bedingungen des Imperialismus keine Rolle
mehr spiele.49) Trotzki habe das Wesen der Leninschen Theorie der
Diktatur des Proletariats als “Klassenbündnis des Proletariats mit der
werktätigen Bauernschaft zum Sturz des Kapitalismus, zum endgültigen Sieg des
Sozialismus, unter der Bedingung, daß die führende Kraft in diesem Bündnis das
Proletariat” sei, nicht begriffen.50)
Es folgt ein Zitat aus dem
Vorwort von Trotzkis Buch “Das Jahr 1905”, das er 1922 geschrieben hatte:
“Gerade in der Zeitspanne zwischen dem 9. Januar und dem Oktoberstreik 1905
haben sich bei dem Verfasser die Ansichten über den Charakter der revolutionären
Entwicklung Rußlands herausgebildet, die die Bezeichnung Theorie der
‘permanenten Revolution’ erhielten. Diese hochgelehrte Bezeichnung brachte den
Gedanken zum Ausdruck, daß die russische Revolution wohl unmittelbar vor
bürgerlichen Zielen steht, jedoch bei ihnen nicht wird stehenbleiben können.
Die Revolution wird ihre nächsten bürgerlichen Aufgaben nicht anders lösen
können als dadurch, daß sie das Proletariat an die Macht bringt. Dieses aber
wird, nachdem es die Macht erobert hat, sich nicht auf den bürgerlichen Rahmen
der Revolution beschränken können. Im Gegenteil, gerade zur Sicherung ihres
Sieges wird die proletarische Avantgarde schon in der ersten Zeit ihrer
Herrschaft tiefstgehende Eingriffe nicht nur in das feudale, sondern auch in
das bürgerliche Eigentum vornehmen müssen. Hierbei wird sie in feindliche
Zusammenstöße nicht nur mit allen Gruppierungen der Bourgeoisie geraten,
die sie im Anfang ihres revolutionären Kampfes unterstützt haben, sondern auch
mit den breiten Massen der Bauernschaft,
mit deren Beihilfe sie zur Macht gekommen ist. Die Widersprüche in der
Stellung der Arbeiterregierung in einem rückständigen Lande mit einer
erdrückenden Mehrheit bäuerlicher Bevölkerung werden nur im internationalen
Maßstab, in der Arena der Weltrevolution des Proletariats ihre Lösung
finden können.”51)
Stalin konfrontierte diese
Ausführungen Trotzkis mit Lenins Auffassungen zu dieser Frage. Lenin habe vom
Bündnis des Proletariats mit der werktätigen Bauernschaft gesprochen, Trotzki
von “feindlichen Zusammenstößen”. Nach Lenin schöpfe die Revolution ihre Kräfte
vor allem unter den Arbeitern und Bauern selbst, bei Trotzki “nur” in der
“Arena der Weltrevolution”.
Die Theorie der “permanenten
Revolution” bezeichnete Stalin als eine Abart des Menschewismus.52)
Dies war insofern berechtigt, als die Menschewiki in Übereinstimmung mit der
internationalen Sozialdemokratie einen Sieg des Sozialismus in einem Lande,
speziell in einem rückständigen Land wie Rußland, bezweifelten.
Stalin argumentierte im
weiteren mit den in der Leninschen Imperialismustheorie dargestellten
Widersprüchen des imperialistischen Weltsystems und hob hervor, daß der
“Durchbruch” am “wahrscheinlichsten” in jenen Ländern vor sich gehen werde, wo
die “Kette des Imperialismus” am schwächsten sei. “Infolgedessen ist der Sieg
des Sozialismus in einem Lande, selbst wenn dieses Land kapitalistisch weniger
entwickelt ist, bei Fortbestehen des Kapitalismus in den anderen Ländern,
selbst wenn diese Länder kapitalistisch entwickelter sind, durchaus möglich und
wahrscheinlich.”53)
Dem gegenüber habe Trotzki in
seiner Broschüre “Unsere Revolution” (1906) geschrieben: “Ohne direkte
staatliche Unterstützung durch das europäische Proletariat wird die
Arbeiterklasse Rußlands nicht imstande sein, die Macht zu behaupten und ihre
zeitweilige Herrschaft in eine dauernde sozialistische Diktatur zu verwandeln.
Daran darf man nicht einen Augenblick zweifeln.”54) Man könnte
einwenden, daß es wenig sinnvoll ist, aus einer Schrift zu zitieren, die fast
20 Jahre zurückliegt. Der Verfasser könnte in diesen zwei Jahrzehnten auf Grund
des Erkenntnisfortschritts zu anderen Auffassungen gelangt sein. Dies war bei
Trotzki jedoch nicht der Fall. So zitierte Stalin noch weitere Passagen aus
Trotzkis Schriften, die unter verschiedenen Aspekten stets auf das Gleiche
hinausliefen, nämlich die Unmöglichkeit des Sieges des Sozialismus in einem
Lande. So schrieb Trotzki in Jahre 1924, daß man ohne auf “die anderen zu
warten”, den Kampf auf nationalem Boden beginnen könne, in der Überzeugung,
damit den “anderen Ländern einen Anstoß” zu geben. Aber wenn das “nicht
geschehen sollte, dann wäre es aussichtslos, zu glauben..., daß zum Beispiel
ein revolutionäres Rußland einem konservativen Europa gegenüber sich behaupten
... könnte.”55)
Bei Trotzki zeigt sich also
Kontinuität in seiner Theorie der “permanenten Revolution”. Stalin wies auch
hier unter Berufung auf Lenin darauf hin, daß zu einem vollständigen Sieg, zu
einer vollständigen Garantie gegen eine Restauration des Kapitalismus “die
gemeinsamen Anstrengungen der Proletarier mehrerer Länder notwendig” seien. “Es
erübrigt sich zu sagen, daß wir Unterstützung brauchen.”56)
Diese Unterstützung müsse
aber nicht unbedingt die Revolution im Westen sein. Stalin wies auf solche
Arten der Unterstützung hin wie die “Sympathie der europäischen Arbeiter für
unsere Revolution”, deren “Bereitschaft, die Interventionspläne der
Imperialisten zu durchkreuzen”, aber nicht nur der europäischen Arbeiter,
sondern auch der “unterdrückten Völker des Ostens”.57) Stalin
unterschied zwischen Sieg des Sozialismus in einem Land und einem vollständigen
Sieg in einem Land, letzteres im Sinne einer Garantie gegen eine Restauration
des Kapitalismus, gegen einen Interventionskrieg imperialistischer Mächte. Der
vollständige Sieg sei erst nach dem Sieg der proletarischen Revolution
wenigstens in einigen kapitalistischen Ländern gegeben. Damit befand er sich in
Übereinstimmung mit Lenins Auffassungen aus den 20er Jahren.
Trotzki behauptete im
Nachwort zu einer Neuauflage seiner Broschüre “Das Friedensprogramm” (1922),
daß nach fünf Jahren Sowjetmacht seine These, “daß die proletarische Revolution
im nationalen Rahmen nicht zu Ende geführt werden kann”, ... “manchen Lesern”
als “widerlegt erscheine(n)”. Dies sei jedoch unbegründet, denn “ein wirklicher
Aufschwung der sozialistischen Wirtschaft in Rußland” sei “erst nach dem Siege
des Proletariats in den wichtigsten Ländern Europas möglich... .”58)
Demnach, meinte Stalin, bliebe der Revolution in Rußland nur die “Wahl”:
“...entweder auf dem Halm zu verfaulen oder zu einem bürgerlichen Staat zu
entarten.”59) Diese Grundgedanken wiederholte Stalin in einem Brief
an Genossen D - OW vom 25. Januar 1925, wobei er sie näher bestimmte. “Sieg des
Sozialismus” heiße, “die Gutsbesitzer und Kapitalisten zu verjagen, die Macht
zu ergreifen, die Attacken des Imperialismus abzuschlagen und den Aufbau der
sozialistischen Wirtschaft zu beginnen. All dies kann dem Proletariat in einem
Lande durchaus gelingen, eine vollständige Garantie gegen eine Restauration
kann jedoch nur das Ergebnis ‘gemeinsamer Anstrengungen der Proletarier
mehrerer Länder’ sein.”60)
Stalin sagte aber auch hier
nicht, daß diese “Anstrengungen” unbedingt die “Revolution” sein müsse. Es wäre
doch töricht, die Oktoberrevolution in Rußland zu beginnen, wenn sie sich nicht
gegenüber einem konservativen Europa behaupten könne. Wenn Trotzkis Theorie
richtig wäre, dann hätte Lenin unrecht gehabt, wenn er das Rußland der NÖP in
ein sozialistisches Rußland verwandeln wollte. Wir hätten alles, “um die vollendete
sozialistische Gesellschaft zu errichten.”61)
Stalin wies auf die
Gefährlichkeit der Theorie von der Leugnung des Sieges des Sozialismus in einem
Lande hin. Wenn in den nächsten fünf bis zehn Jahren keine Revolution im Westen
kommt, und wir uns als Sowjetrepublik behaupten, sollen wir solange in
Passivität verharren, “Wasser ins Meer” tragen, anstatt die
sozialistische Wirtschaft aufzubauen? Aber dieser Sieg bedeute natürlich kein
“endgültiger”. Solange eine “kapitalistische Umkreisung besteht, die Gefahr
einer militärischen Intervention ständig vorhanden” ist, kann von einem
“endgültigen” Sieg keine Rede sein. Einige Genossen verharren noch in der alten
sozialdemokratischen Theorie, nach der in Ländern, die kapitalistisch weniger
entwickelt sind als England oder
Amerika für die proletarische
Revolution kein Boden gegeben sei.62)
Die Auseinandersetzung mit
den Thesen Trotzkis setzte Stalin in seinem Referat vor dem Aktiv der Moskauer
Parteiorganisation am 9. Mai 1925 fort.63) Es gäbe zwei Gruppen von
Gegensätzen, innere: die Gegensätze zwischen Proletariat und Bauernschaft als
Privateigentümern bei gemeinsamen Interessen von Proletariern und der
Bauernschaft, und äußere zwischen der Sowjetunion und den “allen übrigen
Ländern, als den Ländern des Kapitalismus”. Die gemeinsamen Interessen zwischen
Proletariat und Bauern ermöglichen das Bündnis zwischen beiden unter Führung
des Proletariats, die gemeinsam die “vollendete sozialistische Gesellschaft
errichten können und müssen”.64) Eben dies bestreite Trotzki, nach
dem die Widersprüche zwischen Proletariat und der Bauernschaft, “der
erdrückenden Mehrheit”, nur im internationalen Maßstab, durch die
Weltrevolution gelöst werden können. Stalin belegte diese Auffassung Trotzkis
mit mehreren Zitaten aus dessen Schriften.65) Trotzkis Fehler
bestünde darin, daß er die Widersprüche zwischen Proletariat und Bauernschaft
verabsolutiere, die gemeinsamen Interessen zwischen ihnen übersehe.
Das Problem bestand in der
Frage, welche Seite die bestimmende war, die Gegensätze oder die gemeinsamen
Interessen? Es war klar, daß dieses objektive Widerspruchsverhältnis sich nicht
im Selbstlauf auflösen würde. Die Lösung der Frage, welche Seite dominieren
würde, war abhängig vom Klassenkampf, von den Kräfteverhältnissen zwischen den
Klassen, von der Führungsfähigkeit der Bolschewiki. Bei fehlerhafter Politik
konnten die Widersprüche zur Sprengung des Bündnisses zwischen Proletariat und
Bauernschaft und damit zum Sturz der Diktatur des Proletariats führen, die auf
diesem Bündnis beruhte. Insofern war die Konzeption Trotzkis existenzgefährdend
für die Sowjetmacht. Stalin zitierte auch wieder ausführlich aus Lenins
Schriften, um den Gegensatz der Auffassungen Trotzkis zum Leninismus zu
dokumentieren.66) “Ich weiß”, sagt Lenin, “daß es natürlich
Neunmalweise gibt, die sich für sehr gescheit halten und sich sogar Sozialisten
nennen, die behaupten, man hätte die Macht nicht ergreifen dürfen, solange die
Revolution nicht in allen Ländern ausgebrochen wäre. Diese Leute ahnen nicht,
daß sie mit diesem Gerede der Revolution den Rücken kehren und auf die Seite
der Bourgeoisie übergehen. Zu warten, bis die werktätigen Klassen die
Revolution im internationalen Maßstab durchführen, hieße, daß alle in
Erwartung zu erstarren hätten. Das ist Unsinn.”67)
Die inneren Widersprüche
können die Bolschewiki lösen, die äußeren Widersprüche, die Gefahr der
Intervention durch die imperialistischen Mächte und damit die Gefahr der
Restauration der kapitalistischen Ordnung können nicht allein durch die
Anstrengungen eines Landes völlig gelöst werden. “Eine volle Garantie gegen die
Intervention und folglich auch der endgültige Sieg des Sozialismus ist
infolgedessen nur im internationalen Maßstab, ... nur als Ergebnis des Sieges
der Proletarier einiger Länder möglich.” Dies wäre die “unerläßliche
Vorbedingung für den endgültigen Sieg des Sozialismus“.68)“ In dem
w.o. genannten Prawda-Artikel vom 20. Dezember 1924 fehlt der Hinweis auf den
“Sieg des Proletariats in einigen Ländern”, auf eine “siegreiche Revolution in
mehreren Ländern”, sondern Stalin wies nur auf die “Unterstützung” durch die
Arbeiter in den europäischen Ländern hin, wobei Unterstützung in “vielfältigen
Formen” nicht unbedingt die proletarische Revolution mit einschließt.
In der Schrift “Zu den Fragen
des Leninismus” (1926)69) nahm Stalin einige Präzisierungen zur
Frage “Sozialismus in einem Land” gegenüber früheren Äußerungen vor, die in der
Arbeit “Über die Grundlagen des Leninismus”70) vom Mai 1924
enthalten sind. 1924 hieß es, daß der Sieg des Proletariats in einzelnen
Ländern nicht nur möglich, sondern auch notwendig sei, auf Grund des
ungleichmäßigen, sprunghaften Charakters der Entwicklung der einzelnen
kapitalistischen Länder unter den Verhältnissen des Imperialismus.71)
Dieser Leitsatz sei “völlig richtig und bedarf keines Kommentars”. Aber es gab
in der Schrift von 1924 noch eine zweite Formulierung. Darin hieß es, daß der
Sturz der Macht der Bourgeoisie und die Errichtung der Macht des Proletariats
in einem Lande noch nicht heißt, daß man die “Hauptaufgabe des Sozialismus”,
die “Organisierung der sozialistischen Produktion” in einem Lande schon lösen
könne.
“Zum Sturz der Bourgeoisie
genügen die Anstrengungen eines Landes ... zum endgültigen Siege des
Sozialismus, zur Organisierung der sozialistischen Produktion, genügen nicht
die Anstrengungen eines Landes ... dazu sind die Anstrengungen der Proletarier
mehrerer fortgeschrittener Länder notwendig.”72) Diese zweite
Formulierung von Mai 1924 war gegen die Behauptungen der Trotzkisten gerichtet,
nach der sich die Diktatur des Proletariats in einem Land nicht gegen einem
“konservativen Europa” behaupten könne, wenn der Sieg in den anderen Ländern
ausbleibe. Soweit hatte diese Formulierung ihre Berechtigung. Nunmehr erweise
sich diese zweite Formulierung als “ungenau” und deshalb “unrichtig”.
Der Mangel dieser
Formulierung bestehe darin, daß zwei verschiedene Fragen zu einer
zusammengezogen wurden. Die Möglichkeit der Errichtung des Sozialismus in einem
Lande mit der Frage, ob ein Land, in dem die Diktatur des Proletariats
errichtet ist, gegen Intervention und Restauration völlig gesichert ist.
Er habe in seiner Schrift
“Die Oktoberrevolution und die Taktik der russischen Kommunisten” (Dezember
1924) diese Formulierung in zwei Fragen zerlegt: 1. die Frage nach der
vollständigen Garantie gegen die Restauration der bürgerlichen Ordnung und die
2. die Frage nach der Möglichkeit der Errichtung der vollendeten
sozialistischen Gesellschaft in einem Lande.73) Demzufolge ist nach
Stalin zu unterscheiden die Errichtung der vollendeten sozialistischen
Gesellschaft in einem Lande von dem endgültigen Sieg des Sozialismus,
gleichbedeutend mit der Garantie vor Intervention und Restauration der
kapitalistischen Ordnung. Die Errichtung der vollendeten sozialistischen
Gesellschaft in einem Lande sei möglich, aus eigener Kraft, der endgültige
Sieg, Garantie vor Intervention und Restauration sei nur international möglich,
nach dem Sieg der proletarischen Revolution wenigstens in einigen
fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern. Dies war der Stand der Erkenntnisse
Stalins vom Januar 1926.
Von dieser Position aus
kritisierte Stalin die Auffassungen Sinowjews, der unter “endgültigem Sieg des
Sozialismus” die Aufhebung der Klassen, die Abschaffung der Diktatur des
Proletariats verstand. Unter dem “endgültigen Sieg” verstand er nicht die
Garantie gegen Intervention und Restauration. Sinowjew meinte, daß die These,
wonach der Sowjetstaat, auch wenn er allein ist, den Sozialismus aufbauen kann,
keine “leninistische Fragestellung” sei, sondern dies “nach nationaler
Beschränktheit” rieche. Stalin bezeichnete die Auffassungen Sinowjews als eine
“Kapitulation vor den kapitalistischen Elementen unserer Wirtschaft” (NÖP, UH),
als Abkehr vom Leninismus74), sowie eines Verstoßes gegen Beschlüsse
der Partei, wie sie in der Resolution der XIV. Parteikonferenz “Über die
Aufgaben der Komintern und der KPR (B) im Zusammenhang mit dem erweiterten
Plenum des EKKI” festgelegt wurden: “Das Bestehen zweier diametral
entgegengesetzter gesellschaftlicher Systeme ruft die ständige Gefahr der
kapitalistischen Blockade, anderer Formen des ökonomischen Druckes, der
bewaffneten Intervention und der Restauration hervor. Die einzige Garantie für
den endgültigen Sieg des Sozialismus, das heißt die Garantie gegen die
Restauration ist folglich die siegreiche sozialistische Revolution in einer
Reihe von Ländern...” “Der Leninismus lehrt, daß der endgültige Sieg des
Sozialismus im Sinne der vollständigen Garantie gegen eine Restauration der
bürgerlichen Verhältnisse nur im internationalen Maßstab möglich ist...”
“Daraus folgt keineswegs, daß die Errichtung der vollendeten sozialistischen
Gesellschaft in einem so rückständigen Lande wie Rußland ohne ‘staatliche Hilfe’
(Trotzki) der in technischer und ökonomischer Hinsicht entwickelteren Länder
unmöglich sei”.75)
Es könne sein, daß eine
Resolution Fehler enthalte. Dann müsse man dies sagen. Aber darum ginge es bei
Sinowjew nicht, der gemeinsam mit Kamenew im Politbüro den Standpunkt vertrete,
daß die Sowjetunion auf Grund ihrer technischen und ökonomischen
Rückständigkeit “nicht imstande wäre, mit den inneren Schwierigkeiten fertig zu
werden, es sei denn, daß uns die internationale Revolution rette“.76)
Nun war - und ist im 21.
Jahrhundert - die Frage der technisch-ökonomischen Rückständigkeit eine
Kardinalfrage des sozialistischen Aufbaus. Sie konnte in der Sowjetunion
weitgehend noch bis in die 70er Jahre gelöst werden. Die Sowjetunion war in der
Raumfahrt, in der Lasertechnik und auf anderen Gebieten die führende
Industriemacht gewesen. Gegenwärtig und für eine mittelfristig überschaubare
Periode sind die VR China, die KVDR, die sozialistischen Republiken Vietnam und
Kuba mit ähnlichen Problemen auf einer qualitativ höheren Stufe konfrontiert.
Der wissenschaftlich-technische Abstand dieser sozialistischen Gesellschaften
von den USA dürfte noch größer sein als der der Sowjetunion von den
kapitalistischen Mächten Ende der 20er Jahre. Analoge Diskussionen unter
Kommunisten heute zu den Diskussionen Mitte der 20er Jahre in der Sowjetunion
sind daher nicht verwunderlich. Die Kommunisten in der Sowjetunion haben das
Problem gelöst, warum sollten die chinesischen Kommunisten es in zwei oder drei
Jahrzehnten nicht auch lösen können? Wenn ihnen die Imperialisten in den USA
soviel Zeit lassen!
Allerdings ging es bei
Sinowjew und Kamenew, deren Konzeption sich im Wesen von den Auffassungen
Trotzkis nicht unterschied, nicht um Diskussionsfragen unter Kommunisten,
sondern sie bildeten bereits in Leningrad eine Fraktion, die die Beschlüsse des
ZK unterlief. Die Diskussion “Sozialismus in einem Land” war bis Ende 1925 im
wesentlichen abgeschlossen, sie immer wieder neu zu entfachen, konnte die
Einheit der Partei gefährden. Stalin bezeichnete die Gruppierung um
Sinowjew/Kamenew zu recht als “neue Opposition.”
In seinem Artikel “Über den
Oppositionsblock in der KPdSU (B), Thesen” (26. Oktober 1926)77)
wies Stalin die Übereinstimmung der Auffassungen von Sinowjew/Kamenew mit
Trotzki nach. Stalin konfrontierte (wiederholend UH) die Leninsche Konzeption
von “Sozialismus in einem Land” mit der trotzkistischen: “Obgleich der
Trotzkismus im Oktober 1917 mit der Partei mitging, ging er und geht er auch
weiter davon aus, daß unsere Revolution an und für sich, dem Wesen der Sache
nach, keine sozialistische Revolution
sei, daß die Oktoberrevolution nur Signal,
Anstoß und Ausgangspunkt für die sozialistische Revolution im Westen sei, daß,
wenn sich die Weltrevolution verzögert und die siegreiche sozialistische
Revolution im Westen nicht in allernächster Zeit erfolgt, die proletarische
Macht in Rußland zusammenbrechen oder (was ein und dasselbe ist) unter dem
Druck unvermeidlicher Zusammenstöße zwischen Proletariat und Bauernschaft
entarten müsse.“78) Es ist zu beachten, daß diese trotzkistische
Position neun Jahre nach der Oktoberrevolution, in der sich die
Sowjetrepubliken nicht nur gegenüber den imperialistischen Mächten und der
inneren Konterrevolution behauptet und erste Schritte eines sozialistischen
Aufbaus erfolgreich getan hatten, nunmehr auch von Sinowjew/Kamenew übernommen
wurde.
Die Aussagen Trotzkis und
seiner Gesinnungsgenossen seien eine “sozialdemokratische Abweichung in unserer
Partei in der grundlegenden Frage... des Charakters und der Perspektiven
unserer Revolution”. Die “‘neue Opposition’ (Sinowjew, Kamenew), die früher
gegen den Trotzkismus, gegen die sozialdemokratische Abweichung in unserer
Partei gekämpft hat”, ist “auf die ideologischen Positionen des Trotzkismus
übergegangen....”. Sie setze “sich jetzt mit dem gleichen Feuereifer für den
Trotzkismus” ein, “mit dem sie früher gegen den Trotzkismus auftrat“.79)
In seinem Referat “Über die
sozialdemokratische Abweichung in unserer Partei” auf der XV. Unionskonferenz
der KPdSU (B) (26. Oktober bis 3. November 1926) führte Stalin ausführlich die
Auseinandersetzung mit Trotzki, Sinowjew, sowie mit Smilga und Radek fort, die
er in den “Thesen” über den “Oppositionsblock” bereits angesprochen hatte.
Stalin zitierte aus einem Brief Trotzkis an die Oppositionellen in Leningrad
vom September 1926. Danach habe sich die “Leningrader Opposition ... energisch
gegen die Theorie des Sozialismus in einem Lande, als gegen eine theoretische
Rechtfertigung der nationalen Beschränktheit gewandt.”80)
Smilga stellte in einer Rede
in der Kommunistischen Akademie am 26. September 1926, gegen Bucharin
polemisierend, die Frage, “ob die Wiederherstellungsperiode zur Überprüfung,
zur Revision des zentralen Punktes des Marxismus und Leninismus berechtigen
kann, der besagt, daß es in einem einzelnen, technisch rückständigen Lande
unmöglich ist, den Sozialismus zu errichten“.81) Desgleichen trat
Radek in sehr überheblicher Weise auf. Stalin verwies auf ein Referat Radeks in
der Kommunistischen Akademie, in den er die Theorie der Errichtung des
Sozialismus in der Sowjetunion als Theorie des Aufbaus des Sozialismus “in
einem Kreis” oder sogar “in einer Straße” bezeichnete. Auf Einwände der
Genossen, daß dies eine “Leninsche Idee” sei, habe er geantwortet: “Sie haben Lenin
schlecht gelesen; wenn Wladimir Iljitsch lebte, würde er sagen, daß dies eine
Schtschedrinsche Idee sei. In Schtschedrins ‘Pompadouren’ gibt es einen
eigenartigen Pompadour, der den Liberalismus in einem Kreis aufbaut.”82)
Stalin widerlegte diese unsinnigen
Behauptungen ausführlich mit Zitaten aus Lenins Schriften über die Möglichkeit
des Aufbaus des Sozialismus in einem Lande, die hier nicht wiederholt werden
müssen, da am Anfang ausführlich dokumentiert. Aber auch die Berufung auf Marx
bei Smilga stand auf schwachen Füßen. Wenn Marx und Engels in der “Deutschen
Ideologie” (1845/46) davon ausgingen, daß für eine proletarische Revolution ein
hoher ökonomischer Entwicklungsstand erforderlich sei, so gibt es auch andere,
spätere Äußerungen von Marx und Engels. In seiner Schrift “Die Klassenkämpfe in
Frankreich” (Januar - Oktober 1850) wertete Marx die Erfahrungen der
europäischen Revolutionsperiode aus. Mitte des 19. Jahrhunderts war in England
der Kapitalismus am höchsten entwickelt, gab es in England schon ein
zahlenmäßig starkes Industrieproletariat. Mußte nicht also die Revolution in
England, als dem ökonomisch und industriell am höchsten entwickelten Land,
ausbrechen? Keineswegs.
“In England findet stets der
ursprüngliche Prozeß statt; es ist der Demiurg des bürgerlichen Kosmos. Auf dem
Kontinent treten die verschiedenen Phasen des Zyklus, den die bürgerliche
Gesellschaft immer von neuem durchläuft, in sekundärer und tertiärer Form ein.
Erstens führte der Kontinent nach England unverhältnismäßig mehr aus als nach
irgendeinem anderen Land. Diese Ausfuhr nach England hängt aber wieder ab von
dem Stand Englands, besonders zum überseeischen Markt. Dann führt England nach
den überseeischen Ländern unverhältnismäßig mehr aus als der gesamte
Kontinent, so daß die Quantität des kontinentalen Exports nach diesen Ländern
immer abhängig ist von der jedesmaligen überseeischen Ausfuhr Englands. Wenn
daher die Krisen zuerst auf dem Kontinent Revolutionen erzeugen so ist doch
der Grund derselben stets in England gelegt. In den Extremitäten des
bürgerlichen Körpers muß es natürlich eher zu gewaltsamen Ausbrüchen kommen
als in seinem Herzen, da hier die Möglichkeit der Ausgleichung größer ist als
dort. Andererseits ist der Grad, worin die kontinentalen Revolutionen auf
England zurückwirken, zugleich der Thermometer, an dem es sich zeigt, inwieweit
diese Revolutionen wirklich die bürgerlichen Lebensverhältnisse in Frage
stellen oder wieweit sie nur ihre politischen Formationen treffen.”83)
Die Analogie der Verhältnisse
Mitte des 19. Jahrhunderts mit denen der Sowjetunion zum Westen in den 20er
Jahren des 19. Jahrhunderts ist unübersehbar, wenn Analogien auch keine
Identität bedeuten.
Die bis heute noch unter
kommunistischen Wissenschaftlern weit verbreitete Auffassung, daß eine neue
sozialistische Revolution notwendig zuerst in den entwickelten kapitalistischen
Ländern ausbrechen müsse, kann auch nicht durch einzelne Äußerungen von Marx
und Engels belegt werden. In seinem Brief an die Redaktion der
“Otetschestwannyje Sapiski” vom November 1877 antwortete Marx einem seiner
Kritiker: “Er (der Kritiker, UH) muß durchaus meine historische Skizze von der
Entstehung des Kapitalismus in Westeuropa in eine geschichtsphilosophische
Theorie des allgemeinen Entwicklungsganges verwandeln, der allen Völkern
schicksalshaft vorgeschrieben ist, was immer die geschichtlichen Umstände sein
mögen, in denen sie sich befinden, um schließlich zu jener ökonomischen
Formation zu gelangen, die mit dem größten Aufschwung der Produktivkräfte der Arbeit
die allseitige Entwicklung des Menschen sichert.”84) Daran sollten
wir uns halten. Wer kann schon voraussagen, welche Auswirkungen revolutionäre
antiimperialistische Bewegungen in Asien, Afrika, Lateinamerika oder in
Osteuropa auf die imperialistischen Metropolen haben können? Auswirkungen, die
die Arbeiterklasse und andere Werktätige revolutionieren und einen gewaltigen
Schub in Richtung eines echten Menschheitsfortschritts bewirken können? Es ist
auch heute nicht gesagt, daß die nächste sozialistische Revolution in den
kapitalistischen Zentren ausbrechen muß, sie kann auch wieder am “schwächsten
Kettenglied” des imperialistischen Weltsystems ihnen Anfang nehmen. Was
wünschenswert wäre, ist das eine, was wirklich geschieht, das andere.
Im “Nachwort (1894) (zu
‘Soziales aus Rußland’)” ging Friedrich Engels mehrfach unter verschiedenen
Aspekten auf das dialektisch-widersprüchliche Verhältnis in den
Wechselwirkungen von der Revolution in Rußland und Westeuropa ein, wobei auch
hier der Zeitpunkt - 1894 - zu berücksichtigen ist.85) Nach Engels
würde “der Sturz des zaristischen Despotismus, die Revolution in Rußland...
auch der Arbeiterbewegung des Westens einen neuen Anstoß und neue, bessere
Kampfesbedingungen geben und damit den Sieg des modernen industriellen
Proletariats beschleunigen, ... ohne den das heutige Rußland weder aus der
Gemeinde (der Obschtschina, UH) noch aus dem Kapitalismus heraus zu einer
sozialistischen Umgestaltung kommen kann.“86) Hierbei handelte es
sich noch um die bürgerlich-demokratische Revolution in Rußland, wie sie 1905 -
11 Jahre nach Engels Prognose! - auch stattfand, die starke Einflüsse auf die
Linken in der westeuropäischen, namentlich der deutschen, Arbeiterbewegung
hatte.
Obwohl Engels die russischen
Bolschewiki, namentlich Lenin und Stalin, nicht kennen konnte, so sah er doch,
daß es “in Rußland Leute genug” gibt, “die die westliche kapitalistische
Gesellschaft mit all ihren unversöhnlichen Gegensätzen und Konflikten genau
kennen und auch über den Ausweg mit sich im reinen sind, der aus dieser
scheinbaren Sackgasse führt.”87)
Wenn die russische Revolution
den “Anstoß” für die Revolution im Westen geben sollte, diese Revolution im
Westen aber niedergeschlagen wurde bzw. nicht stattfand - was dann? Eine
Antwort darauf ist bei Marx und Engels nicht zu finden - aber bei Lenin und
Stalin! In einem sehr weiten Sinne trifft auf die Mehrheit der Bolschewiki, auf
Lenin und Stalin, ein Satz von Marx aus den “Klassenkämpfen in Frankreich” zu:
“Eine Klasse, worin sich die revolutionären Interessen der Gesellschaft
konzentrieren, sobald sie sich erhoben hat, findet unmittelbar in ihrer eigenen
Lage den Inhalt und das Material ihrer revolutionären Tätigkeit: Feinde
niederzuschlagen, durch das Bedürfnis des Kampfes gegebene Maßregeln zu ergreifen;
die Konsequenzen ihrer eigenen Taten treiben sie weiter. Sie stellt keine
theoretischen Untersuchungen über ihre eigene Aufgabe an.”88)
Stalin wies erneut mit
Nachdruck auf die ideologischen und praktisch-politischen Folgen hin, den Sieg
des Sozialismus in Rußland in Frage zu stellen. Ohne “klare Perspektiven”
können die Arbeitermassen “nicht bewußt” am Aufbau des Sozialismus teilnehmen,
kann es “keinen Willen” dazu geben. Dies habe ein “Erstarken der
kapitalistischen Elemente unserer Wirtschaft zur Folge”, würde
“Verfallserscheinungen” und “defätistische Stimmungen” innerhalb der
Arbeiterklasse erzeugen. “Wer die entscheidende Bedeutung der sozialistischen
Perspektive unseres Aufbaus unterschätzt, der hilft den kapitalistischen
Elementen unserer Wirtschaft, der züchtet Kapitulantentum.” Desweiteren habe
die Aufgabe der sozialistischen Perspektive auch internationale Auswirkungen,
muß das “in allen Ländern die Auslösung der internationalen Revolution
aufhalten.”89)
Die Tätigkeit des
Oppositionsblocks unter der Führung Trotzkis war sehr gefährlich. In der
Resolution der 13. Konferenz der KPR (B) (16. - 18. Januar 1924) hieß es:
“Dieser ganze oppositionelle Block wurde von Trotzki angeführt und erlangte
deshalb anfänglich eine gewisse Autorität.”90) Auf dem Plenum des ZK
der KPR (B) (17. - 20. Januar 1925) wurde die Frage der weiteren Tätigkeit
Trotzkis im ZK noch bis zum nächsten Parteitag zurückgestellt. Sollte Trotzki
weiterhin versuchen, “Parteibeschlüsse zu verletzen oder nicht zu erfüllen”,
würde das ZK, ohne den Parteitag abzuwarten, “Trotzkis weitere Zugehörigkeit
zum Politbüro für unmöglich zu erklären und auf der vereinigten Sitzung des ZK
und der ZKK die Frage seiner Entfernung von der Arbeit im ZK zu stellen.”91)
Auf diese Resolution hinzuweisen, ist insofern wichtig, einmal um nachzuweisen,
daß die “Meinungsverschiedenheiten” alles andere als ungefährlich für die
Existenz der UdSSR waren, daß es sich eben nicht nur um “Diskussionsfragen”
handelte, sondern um Existenzfragen, und zweitens, daß Stalin keineswegs
“allmächtig” war, daß er nicht allein bestimmen, anordnen, “befehlen” konnte.
Trotzki und Sinowjew waren Mitglieder des ZK und des Politbüros und übten
starken Einfluß aus, vor allem auf beträchtliche Teile der Intelligenz. Stalin
konnte sich auf die Mehrheit im ZK und Politbüro stützen, die wie er auf
Leninschen Positionen stand. Wenn Deutscher in den Reden Stalins den “Schwung
origineller Gedanken” vermißte, er mußte zugeben, daß er “das allgemeine
Vertrauen” genoß.92)
Vertrauen kann man nun aber
weder anordnen noch “befehlen.” Mag sein, daß Trotzki ein “schwungvoller”
Redner war und Stalin es an “Schwung” in seinen Reden fehlen ließ. Wie heißt es
doch in Goethes “Faust” so schön?:
“Es trägt Verstand und
rechter Sinn, // mit wenig Kunst sich selber vor;... // Ja, eure Reden, die so blinkend sind, // In denen ihr der Menschheit Schnitzel
kräuselt, // Sind unerquicklich wie der
Nebelwind, // Der herbstlich durch die
dürren Blätter säuselt!”
So ist das nun mal mit dem
“Schwung” der Reden, und was die “originellen Gedanken” betrifft, auf der
anderen Seite bescheinigt Deutscher Stalin, daß er mit seiner Theorie
“Sozialismus in einem Lande” sich als “Theoretiker” ausgewiesen habe. Ja, was
denn nun?
Bleibt noch eine Frage: Warum
haben die “schwungvollen” Redner im ZK und Politbüro nicht die Mehrheit, nicht
das Vertrauen der Mehrheit der Mitglieder erringen können? Waren die zu dumm
gewesen, um den theoretischen Höhenflügen eines Trotzki, Sinowjew, Kamenews
folgen zu können?
Stalin bestand im November
1926 noch nicht auf dem Ausschluß der Oppositionellen aus der Partei. “Wir
sagen nur, daß sich beim Oppositionsblock eine sozialdemokratische Abweichung
geltend macht, wir machen die Opposition darauf aufmerksam, daß es noch nicht
zu spät ist, sich von dieser Abweichung loszusagen, und fordern den
Oppositionsblock hierzu auf.”93) Das Oktoberplenum des ZK und der
ZKK (25. - 27. Oktober 1923)94) über den Oppositionsblock hatte
“nicht Repressalien im Auge, sondern die Notwendigkeit eines ideologischen
Kampfes gegen die prinzipiellen Fehler der Opposition...”. Stalin forderte den
Oppositionsblock auf, sich “von seinen prinzipiellen Fehlern” loszusagen,
“damit die Partei und der Leninismus vor Angriffen und Revisionismusversuchen
bewahrt bleiben“.95) In seinem Schlußwort zu seinem Referat “Über
die sozialdemokratischen Abweichungen in unserer Partei” (3. November 1926)
polemisierte Stalin erneut gegen Trotzki und Sinowjew, die behaupteten, daß das
von Lenin formulierte Gesetz der Ungleichmäßigkeit der ökonomischen und
politischen Entwicklung der kapitalistischen Länder “theoretisch falsch” sei.
Trotzki und Sinowjew behaupteten, daß die Ungleichmäßigkeit des
vormonopolistischen Kapitalismus größer gewesen sei als in der Periode des
monopolistischen Kapitalismus.96) Trotzki, so Stalin, verwechsle die
ökonomische Ungleichheit der
kapitalistischen Länder der Vergangenheit mit der Ungleichmäßigkeit der
ökonomischen und politischen Entwicklung in der Periode des Imperialismus, die
unvergleichlich größer ist als früher und unvermeidlich zu einer
Sprunghaftigkeit der Entwicklung führe.97)
Die Argumentation Stalins war
sachlich richtig. Das Gesetz der Ungleichmäßigkeit der ökonomischen Entwicklung
im Kapitalismus der freien Konkurrenz hatte bereits Marx entdeckt. Was Lenin neu
hinzufügte, war, daß diese Ungleichmäßigkeit in der ökonomischen und
politischen Entwicklung im Imperialismus einen sprunghaften, explosiven,
katastrophenartigen Charakter angenommen habe.98) Die Behauptung von
Trotzki und Sinowjew, daß das genannte Gesetz von Lenin “theoretisch falsch”
sei, war eindeutig ein Bruch mit der Leninschen Imperialismustheorie, womit sie
“im Sumpf des Ultraimperialismus und des Kautskyanertums” gerieten.
In zehn kurzen Sätzen
skizzierte Stalin die Imperialismustheorie Lenins und hob für die Verschärfung
der Ungleichmäßigkeit zwei Faktoren hervor:
“erstens, daß die Aufteilung
der Welt unter den imperialistischen Gruppen beendet ist, daß es auf der Welt
keine ‘freien’ Gebiete mehr gibt und daß zur Herstellung eines ökonomischen
‘Gleichgewichts’ die Neuaufteilung des Aufgeteilten vermittels
imperialistischer Kriege eine absolute Notwendigkeit ist;
zweitens, daß die noch nie
dagewesene kolossale Entwicklung der Technik im weitesten Sinne des Wortes es
den einen imperialistischen Gruppen erleichtert, andere imperialistische
Gruppen im Kampf um die Eroberung von Märkten, im Kampf um die Besitzergreifung
von Rohstoffquellen usw. zu überholen und ihnen den Rang abzulaufen.”99)
Kamenew - immerhin Direktor
des Lenin-Instituts der KPdSU (B) - griff die These von der Möglichkeit des
Sieges des Sozialismus in einem Lande von einer anderen Seite an. Er
behauptete, daß Lenins “grundlegender” Artikel (1915 !) über die Möglichkeit
des Sieges des Sozialismus in einem Lande sich nicht auf Rußland beziehe,
sondern auf andere kapitalistische Länder.100) Gemeint ist offenbar
der Artikel Lenins “Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa” (23.
August 1915), dessen diesbezügliche Aussage w.o. dokumentiert ist. (Siehe 2.2.1.,
Lenins Theorie vom Sozialismus in einem Lande.)
Es ist richtig, daß Lenin
Rußland nicht genannt hat, sondern von “wenigen kapitalistischen Ländern...”
oder “einem einzeln genommenen Lande” sprach. Kamenew führte weiterhin einen
Artikel Lenins “Einige Thesen” vom 13. Oktober 1915 an, mit der Behauptung, daß
Lenin nur auf den Sieg der bürgerlich-demokratischen Revolution in Rußland
orientiert habe. In den “Thesen” heißt es tatsächlich: “6. Es ist die Aufgabe
des russischen Proletariats, die bürgerlich-demokratische Revolution in Rußland
zu Ende zu führen, zu dem Zweck, die sozialistische Revolution in Europa zu
entfachen.”101) Kamenew behauptete weiter, daß Lenin davon
ausgegangen wäre, daß die Revolution in Rußland nicht in die sozialistische
Revolution hinüberwachsen könne.
Stalin konnte zu recht auf
andere Arbeiten Lenins hinweisen, in denen Lenin auf den Übergang von der
bürgerlich-demokratischen zur sozialistischen Revolution orientierte.102)
Sollte Kamenew als Direktor des Lenin-Instituts die Arbeit Lenins “Zwei
Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution” (Juni-Juli,
1905) nicht gekannt haben, in der Lenin an mehreren Stellen unmißverständlich
auf den Übergang von der demokratischen zur sozialistischen Revolution in
Rußland hingewiesen hatte? “Der Kampf gegen die Selbstherrschaft ist eine
zeitweilige und vorübergehende Aufgabe der Sozialisten.” “Die
revolutionär-demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft ist
zweifellos nur eine vorübergehende, zeitweilige Aufgabe der
Sozialisten...” “Allein das Proletariat
ist fähig, konsequent bis zu Ende zu gehen, denn es geht weit über die
demokratische Umwälzung hinaus.” “Das Proletariat muß die demokratische
Umwälzung zu Ende führen, indem es die Masse der Bauernschaft an sich
heranzieht, um den Wi-derstand der Selbstherrschaft mit Gewalt zu brechen und
die schwankende Haltung der Bourgeoisie zu paralysieren. Das Proletariat muß
die sozialistische Umwälzung vollbringen, indem es die Masse der
halbpro-letarischen Elemente der Bevölkerung an sich heranzieht, um den
Wi-derstand der Bourgeoisie mit Gewalt zu brechen und die schwankende Haltung
der Bauernschaft und der Kleinbourgeoisie zu paralysieren.”103)
Desgleichen ignorierte
Kamenew Arbeiten Lenins ab 1916, in denen er von der Möglichkeit des
Sozialismus in Rußland sprach. (Siehe 2.2.1., Lenins Theorie vom Sozialismus in
einem Lande)
Die Grundidee der Leninschen
Revolutionskonzeption für Rußland war gerade die Idee des Hinüberwachsens der
bürgerlich-demokratischen Revolution in die sozialistische Revolution und damit
auch der Möglichkeit des Sieges des Sozialismus in Rußland, als in “einem”
Land. Gerade diesen Zusammenhang bestritt Kamenew, indem er die
bürgerlich-demokratische von der sozialistischen Revolution mechanisistisch von
einander trennte. Die Verfälschung des Leninismus bestand darin, daß er diese
Trennung Lenin unterstellte. Kamenew muß die Schriften Lenins genausogut
gekannt haben wie Stalin, so daß der Schluß naheliegt, daß Kamenew den
Leninismus absichtlich verfälscht hat, was von Stalin nicht unbemerkt blieb.
Diese Methode ist auch heute noch bei Revisionisten und Geschichtsfälschern
aller Richtungen im Schwange: ein Zitat von Marx, Engels, Lenin - ein
“grundlegendes”, natürlich, - wird der Politik bzw. den theoretischen
Auffassungen Stalins gegenübergestellt und diese damit als “falsch”, “verfehlt”
etc. “verurteilt”, beides abstrakt, außerhalb von Raum und Zeit, von den
konkreten Bedingungen. Wer von den Werktätigen hat denn die Werke der Klassiker
gleich zur Hand, um solche Behauptungen zu überprüfen? Außerdem gehört auch
Zeit dazu. Diese Methode der Geschichts- und Theorieverfälschung ist daher
immer noch wirksam und gefährlich.
Stalin wies auf die
“Taschenspielertricks” von den Oppositionellen ausführlich hin.104)
Von methodologischer
Bedeutung ist die Auseinandersetzung Stalins mit den Verfälschungen des
Leninismus durch Trotzki. Stalin hielt dies offenbar für sehr wichtig, daß er
dafür allein 16 Seiten in seinem “Schlußwort” verwandte.105) Trotzki
behaupte, daß die Theorie der “permanenten Revolution” mit der Frage nach
Charakter und Perspektiven unserer Revolution nichts zu tun habe. Dies sei ein
“Kniff”, ein “Taschenspielertrick”, denn die Theorie der “permanenten
Revolution” ist eine Theorie von den Triebkräften der Revolution.106)
Trotzki behaupte, daß er dieser Theorie “schon längst keine ernste Bedeutung
mehr beimesse”, was Stalin an Hand eines Briefes von Trotzki an Genossen
Olminski vom Dezember 1921, in der Presse 1925 veröffentlicht widerlegen
konnte.107)
Aus diesem Brief ergab sich,
daß Trotzki zugab, sich in der Organisationsfrage geirrt, aber bezüglich der
“Einschätzung der Triebkräfte der Revolution”, also der Theorie der
“permanenten Revolution” recht behalten habe. Trotzki behaupte, daß seine “Theorie”
ab Februar 1917 mit den Positionen der Partei übereingestimmt habe. Lenin habe
aber bis zu seinem Lebensende gegen die Theorie der “permanenten Revolution”
gekämpft.108) Demnach hätten die Bolschewiki bis zum Februar 1917
keine Revolutionstheorie gehabt, von 1903 bis 1917 so ohne Perspektive und
revolutionäre Theorie gelebt.109)
Stalin zitierte aus Trotzkis
“Anmerkungen” zu seinem 1922 geschriebenen Artikel “Unsere
Meinungsverschiedenheiten”, in dem er behauptete, daß “die antirevolutionären
Züge des Bolschewismus (!!! kein Druckfehler! UH) im Falle des revolutionären
Sieges zu einer gewaltigen Gefahr ... werden“.110) Der offenbar von
Trotzki “geläuterte” Lenin habe diese Gefahr dadurch vermieden, daß er die
“Auswechslung seines ideologischen Rüstzeugs in dieser wichtigen Frage (der
permanenten Revolution, UH) im Frühjahr 1917, d.h. vor der Eroberung der
Macht...” vorgenommen habe.111) Stalin faßte die Auffassungen
Trotzkis zu dieser Frage zusammen: “Also, es waren einmal Bolschewiki, die
‘beginnend’ mit dem Jahre 1903, die Partei schlecht und recht
“zusammenschlossen”, die aber keine revolutionäre Theorie hatten, die,
‘beginnend’ mit dem Jahre 1903, durch viele Irrungen und Wirrungen gingen und
sich irgendwie bis zum Jahre 1917 durchschlugen; dann aber, als sie Trotzki mit
der Theorie der permanenten Revolution in der Hand erblickten, beschlossen sie,
ihr ‘Rüstzeug auszuwechseln’, und büßten nach ‘Auswechslung des Rüstzeugs’ die
letzten Reste des Leninismus, der Leninschen Revolutionstheorie ein und erreichten
damit eine ‘völlige Übereinstimmung’ der Theorie der permanenten Revolution mit
der ‘Position’ unserer Partei. Es wäre dies eine interessante Mär, ...”112)
Stalin zitierte dazu einen
Artikel Lenins, aus dem hervorgeht, was er von der Theorie Trotzkis hielt: “Die
Klassenverhältnisse in der bevorstehenden Revolution klarzustelIen, ist die
Hauptaufgabe einer revolutionären Partei... Diese Aufgabe wird von Trotzki in
‘Nasche Slowo’ nicht richtig gelöst; er wiederholt seine ‘originelle’ Theorie
aus dem Jahre 1905 und will sich keine Gedanken darüber machen, aus welchen
Gründen das Leben volle zehn Jahre an dieser wunderbaren Theorie vorbeigegangen
ist.
Die originelle Theorie
Trotzkis übernimmt von den Bolschewiki den Appell zum entschlossenen revolutionären
Kampf des Proletariats und zur Eroberung der politischen Macht durch das
Proletariat, von den Menschewiki aber die ‘Negierung’ der Rolle der
Bauernschaft.” ...Dadurch “hilft Trotzki in Wirklichkeit den liberalen
Arbeiterpolitikern in Rußland, die unter der ‘Negierung’ der Rolle der
Bauernschaft den mangelnden Willen verstehen, die Bauern zur Revolution
aufzurütteln!”113) Demzufolge sah Lenin in der Theorie der
“permanenten Revolution” eine halbmenschewistische Theorie.
Auf der XIV. Parteikonferenz
hieß es über die Theorie Trotzkis: “Ein Bestandteil der trotzkistischen Theorie
der permanenten Revolution ist die Behauptung, daß ‘ein wirklicher Aufschwung
der sozialistischen Wirtschaft in Rußland erst nach dem Siege des Proletariats
in den wichtigsten Ländern Europas möglich sein wird’ (Trotzki 1922) - eine
Behauptung, die das Proletariat der UdSSR in der jetzigen Periode zu
fatalistischer Passivität verurteilt. Gegen derartige ‘Theorien’ schrieb
Genosse Lenin: ‘Unendlich schablonenhaft ist ihr Argument, das sie im Verlauf
der Entwicklung der westeuropäischen Sozialdemokratie auswendig gelernt haben
und das darin besteht, daß wir für den Sozialismus noch nicht reif seien, daß
uns, wie sich die verschiedenen gelehrten Herren unter ihnen ausdrücken, die objektiven
ökonomischen Voraussetzungen für den Sozialismus fehlen.’” (Aufzeichnungen
über Suchanow)114)
Im weiteren systematisierte
Stalin die “praktische Plattform” der Opposition in acht Punkten. Man könnte
ihm vorwerfen, daß er sie wie ein “Buchhalter” numeriert, nur würde ein solcher
methodischer “Vorwurf” am Sachverhalt auch nicht das geringste ändern. Der
Nachweis über die praktisch-politische Tätigkeit des Oppositionsblocks ist aber
darum wichtig, weil er ausweist, daß es hier eben nicht um die Diskussion
strittiger theoretischer Probleme ging, sondern um sehr profane politische
Ziele, nämlich um eine neue, nichtleninistische, eine trotzkistische Partei.
Die Partei, so Stalin, werde
das nicht dulden.
Die Partei wird und kann
nicht dulden, daß Sie jedesmal, wenn Sie in der Minderheit bleibend auf die
Straße laufen, eine Krise in der Partei ankündigen und Unruhe in der Partei
stiften.
Da Sie schon keine Hoffnung
mehr haben, die Mehrheit in der Partei zu gewinnen, lesen Sie allerlei
unzufriedene Elemente auf, sammeln sie um sich, die Ihnen als Material für eine
neue Partei dienen sollen.
Sie verunglimpfen den
führenden Apparat der Partei, durchbrechen die eiserne Disziplin in der Partei
und sammeln alle und jegliche von der Partei verurteilten Strömungen unter der
Flagge der Freiheit der Fraktionen. Sie vereinigen diese Strömungen um sich, um
sie zu einer neuen Partei zu formieren.
Sie nutzen die großen
Schwierigkeiten, die auf dem Wege des Aufbaus des Sozialismus uns
entgegenstehen aus, um unsere Lage zu verschlechtern und über die Partei
herzufallen.
Die Industrialisierung und
die Errichtung des Sozialismus ist nur möglich, wenn sich die materielle und
kulturelle Lage der Arbeiterklasse ständig verbessert. Die Partei tut alles
dazu, was sie kann. Aber die Opposition läuft auf die Straße und erklärt
demagogisch, daß der Arbeitslohn sofort um 30 - 40 Prozent erhöht werden muß,
obwohl sie genau weiß, daß dies gegenwärtig nicht möglich ist und unter
rückständigen Werktätigen Unzufriedenheit erzeugt, die sie schürt und
organisiert, um sie gegen die Partei zu lenken.
Die Opposition untergräbt das
Bündnis der Arbeiterklasse mit den Bauern, indem sie propagiert, die
Verkaufspreise zu erhöhen und den Steuerdruck auf die Bauernschaft zu
verstärken. (Stalin gibt nicht an, ob Verkaufspreise für Industriewaren oder
für landwirtschaftliche Produkte gemeint sind. Im ersteren Falle wären die
Bauern betroffen, im anderen die Arbeiter in der Stadt. UH)
Die Opposition stiftet
ideologische Verwirrung in der Partei, übertreibt unsere Schwierigkeiten, um
defaitistische Stimmungen zu erzeugen und die Idee der Unmöglichkeit der
Errichtung des Sozialismus in unserem Lande zu propagieren, die Grundlagen des
Leninismus zu untergraben.
Die Opposition stört die
Arbeit der Komintern, sucht ihre Sektionen zu zersetzen, die Führung der
Komintern zu diskreditieren.115)
Stalin zog aus dem
praktischen Verhalten der Opposition die Konsequenzen: Er forderte die
Opposition auf, ihre destruktive Arbeit einzustellen. “Entweder Sie erfüllen
diese Bedingungen, die zugleich die Voraussetzungen für die völlige Einheit
unserer Partei sind, oder Sie tun das nicht - und dann wird die Partei, die Sie
gestern geschlagen hat, morgen vollends zu zerschlagen beginnen.“116)
Dies war eine eindeutige Warnung. Sie signalisierte, daß diese “Diskussionen”
nicht endlos geführt werden würden, daß die Partei die Zersetzungsarbeit der
Opposition nicht mehr dulden wird. Den Ernst der innerparteilichen Situation
verdeutlicht ein Brief Trotzkis an die Oppositionellen vom September 1926, den
Stalin im “Schlußwort” zitierte: “Die vereinigte Opposition hat im April und im
Juli gezeigt, und sie wird im Oktober zeigen, daß die Einheitlichkeit ihrer
Anschauungen unter dem Einfluß der groben und unloyalen Hetze nur gefestigt
wird, und die Partei wird begreifen, daß nur auf dem Boden der Anschauungen der
vereinigten Opposition ein Ausweg aus der gegenwärtigen schweren Krise möglich
ist.”117)
Die Auffassungen Trotzkis
sowie der Opposition, ihre praktische Zersetzungsarbeit fand die Unterstützung
der ehemaligen Sozialrevolutionäre, Menschewiki und bürgerlichen Nationalisten
in der UdSSR. Desgleichen lobten die Führer der II. Internationale Trotzki und
bezeichneten ihn als einen “Marxisten europäischer Prägung”. Innerhalb der
Komintern fand Trotzki die Unterstützung rechter und “linker” Opportunisten wie
auch von aus Kommunistischen Parteien ausgeschlossener Renegaten wie P. Levi,
A. Rosmer, P. Monatte, A. Balabanoff, u.a.. Die von Trotzki ausgehenden
Gefahren für die KPdSU und die Sowjetunion waren sehr ernst.118)
War dieser
politisch-ideologische und theoretische Kampf nun eine Art “Zweikampf” zwischen
Stalin und Trotzki? Die Mehrheit des ZK verteidigte entschlossen Leninsche
Positionen. Es gab mehrere Genossen im ZK, die in Artikeln gegen den
Trotzkismus kämpften. Dazu gehörten A.A. Andrejew, A.S. Bubnow, F.E.
Dzierzynski, M.W. Frunse, J.A. Jakowlew, J.M. Jaroslawski, M.I. Kalinin, S.M.
Kirow, N.K. Krupskaja, W.W. Kuibyschew, O.W. Kuusinen, E.I. Kwiring, A.F.
Mjasnikow, W.M. Molotow, I.P. Nossow, G.K. Ordshonikidse, G.I. Petrowski, N.A.
Skrypnik, I.I. Skworzow-Stepanow, I.M. Vareikis.119) Mit den
genannten Genossen erschöpft sich nicht die Mehrheit im ZK, die Stalin
unterstützten. Vielen Genossen war es nicht gegeben, Artikel zu schreiben. Es
ist immer nur eine Minderheit, die sich literarisch betätigen kann. Es war G.I.
Petrowski, der forderte, Trotzki ein Ultimatum zu stellen.120)
Stalin stand in diesem Kampf also nicht allein.
Die prinzipienfeste
Verteidigung des Leninismus im Kampf gegen den Trotzkismus und die Opposition
führte zu einer Bereicherung der marxistisch-leninistischen Theorie. “Die
Parteigeschichte als Wissenschaft erhob sich auf eine neue Stufe. Viele
führende Persönlichkeiten der Partei, Schüler und Mitstreiter Lenins, nahmen an
der Ausarbeitung einer wissenschaftlichen Geschichte der Partei und der
Oktoberrevolution teil”.121) Dieser Kampf förderte die theoretische
Bildung und politische Entwicklung der Parteien der Kommunistischen
Internationale.
Auf dem VII. Erweiterten
Plenum des EKKI (22. November - 16. Dezember 1926) ging Stalin noch einmal auf
die sozialdemokratische Abweichung in der KPdSU (B) (Referat am 7. Dezember
1926) ein.122) Allein der Umfang des Referates zeigt, welche
Bedeutung er diesem ideologischen Kampf beimaß. In diesem Referat gab es
unvermeidlich Wiederholungen von Aussagen, die er bereits auf der
Unionskonferenz der KPdSU (B) vier Wochen vorher gemacht hatte, die w.o.
dokumentiert sind und hier weggelassen werden können. Diese Wiederholungen waren
insofern unvermeidlich, als der Hörerkreis ein anderer war, und nicht
vorausgesetzt werden konnte, daß frühere Reden oder Artikel von Stalin schon
bekannt waren.
Aber es gab auch neue
Aspekte, die darzustellen sind. Stalin ging davon aus, daß die Geschichte der
KPdSU seit 1903 eine “Geschichte des Kampfes der Gegensätze innerhalb der
Partei, der Überwindung dieser Gegensätze und des allmählichen Erstarkens
unserer Partei” gewesen sei. Bei Fragen der “Tagespolitik”, Fragen “rein
praktischen Charakters” seien “Übereinkommen ... mit Andersdenkenden” möglich.
Aber bei “prinzipiellen Meinungsverschiedenheiten” könne es “kein
Übereinkommen”, keine “mittlere Linie” geben. Dies wäre eine “ideologische
Entartung der Partei, die ‘Linie’ des ideologischen Todes der Partei“.123)
Der Kampf zur Überwindung der innerparteilichen Meinungsverschiedenheiten sei
“ein Entwicklungsgesetz für alle einigermaßen großen Parteien...”124)
Dabei berief sich Stalin auf zwei Briefe von Engels an Bernstein vom 20.
Oktober 1882 und vom 8. Oktober 1885. Aus dem Brief vom Oktober 1882 zitierte
Stalin: “Es scheint, jede Arbeiterpartei eines großen Landes kann sich nur in
innerem Kampf entwickeln, wie das in dialektischen Entwicklungsgesetzen überhaupt
begründet ist. Die deutsche Partei wurde, was sie ist, im Kampf der Eisenacher
und Lassalleaner, wo ja die Keilerei selbst eine Hauptrolle spielte. Einigung
wurde erst möglich, als die von Lassalle absichtlich als Werkzeug gezüchtete
Lumpenbande sich abgearbeitet hatte - und auch da geschah sie unserseits mit
viel zu großer Übereilung. In Frankreich müssen die Leute, die zwar die
bakunistische Theorie geopfert, aber die bakunistischen Kampfmittel fortführen
und gleichzeitig den Klassencharakter der Bewegung ihren Sonderzwecken opfern
wollen, sich auch erst abarbeiten, ehe wieder Einigung möglich. Unter solchen
Umständen Einigung predigen wollen, wäre reine Torheit. Mit Moralpredigten
richtet man nichts aus gegen Kinderkrankheiten, die unter heutigen Umständen
nun einmal durchgemacht werden müssen.”125)
Zur Theorie “Sozialismus in
einem Land” fügte Stalin neue Aspekte hinzu. Es handele sich bei dieser Frage
nicht um “Montenegro”, auch nicht einmal um “Bulgarien”, sondern um die UdSSR.
Der Imperialismus habe in Rußland bestanden und sich entwickelt. Es habe ein
“bestimmtes Minimum” an Großindustrie gegeben, ein “bestimmtes Minimum” an
Proletariat. Es gäbe eine Partei, die das Proletariat führe. Ungeachtet der
technischen Rückständigkeit kann das Proletariat die Bourgeoisie aus “eigener
Kraft” überwinden, den Sozialismus aufbauen und ihn letzten Endes errichten.
Dies bedeutet nicht, “...etwa auf Erden das ‘Himmelreich’ und allgemeines
Wohlleben einzuführen ...”. Dies wäre eine “spießerhafte, kleinbürgerliche
Vorstellung.” ... “letzten Endes...” können “derartige Produktions- und
Distributions-bedingungen” geschaffen werden, “die direkt und unmittelbar zur
Aufhebung der Klassen führen”. Dies wäre nach Stalin (Dezember 1926! UH) in
einem Lande, in der UdSSR, möglich.126) Aber das Proletariat eines
Landes könne aus eigener Kraft nicht die internationale Bourgeoisie bezwingen,
was zum endgültigen Sieg des Sozialismus in einem Lande notwendig sei - oder
wenigstens die Neutralisierung der internationalen Bourgeoisie.127)
Die Interessen des Aufbaus des Sozialismus in der UdSSR verschmelzen sich mit
den Interessen der revolutionären Bewegung aller Länder zu einem gemeinsamen
Interesse, dem Sieg der sozialistischen Revolution in allen Ländern.
Stalin stellte die, wie sich
mehr als 60 Jahre später zeigen sollte, sehr wichtige Frage: “Was wäre die
Folge, wenn es dem Kapital gelänge, die Republik der Sowjets zu zerschlagen?
Eine Epoche der schwärzesten Reaktion würde über alle kapitalistischen und
kolonialen Länder hereinbrechen, man würde die Arbeiterklasse und die unterdrückten
Völker vollends knebeln, die Positionen des internationalen Kommunismus würden
liquidiert.”128)
Gorbatschow, seine Klientel
in der UdSSR und in der Kommunistischen Weltbewegung haben auf ihre Art diese
Voraussicht Stalins bestätigt. Sie rechtfertigt aber auch zugleich den
konsequenten Kampf Stalins gegen Trotzki und den Oppositionsblock, wobei erneut
darauf verwiesen werden muß, daß Stalin diesen Kampf nicht allein geführt hat
und auch allein nicht hätte mit Erfolg führen können. Es war ein Kampf der
Mehrheit im ZK, im Politbüro und der Mitgliedschaft, der “Basis”, wie wir heute
sagen würden, wobei Stalin in diesem Kampf seiner verantwortungsvollen Funktion
als Generalsekretär der Partei gerecht wurde, das Vertrauen der Partei besaß
und somit im theoretischen und praktisch-politischen Kampf die entscheidende
Rolle spielte.
Auch auf dem Plenum des EKKI
konnte sich Stalin auf die Mehrheit der Repräsentanten der Kommunistischen
Parteien stützen, die die Tätigkeit des Oppositionsblocks verurteilten, so P.
Sámard, B. Smeral, P. Togliatti, E. Thälmann, W. Kolarow, C. Zetkin, Sen
Katayama, L. Longo u.a..129)
Eine neue Fragestellung ergab
sich aus der “sogenannten ‘teilweise(n)’ Stabilisierung des Kapitalismus”.
Würde sie zur Verringerung oder gar zur Beseitigung der Möglichkeiten des
Aufbaus des Sozialismus in der UdSSR führen? Der Aufbau des Sozialismus in der
UdSSR unter den Bedingungen der NÖP und der relativen Stabilisierung des
Kapitalismus habe zu Berechnungen aller Arten von Ziffern geführt, die alljährlich
von den Organen der Partei und Sowjetmacht unter dem Aspekt des Anteils der
sozialistischen Wirtschaftsformen auf dem Gebiet der Industrie, der
Landwirtschaft und des Handels vorgenommen werden.
Die Fragen des Aufbaus des
Sozialismus in der UdSSR seien für die KPdSU (B), für das Proletariat und die
Komintern zur “aktuellsten Frage” geworden. “Bauen wir, um den Boden für die
bürgerliche Demokratie zu düngen oder um die sozialistische Gesellschaft zu
errichten - das ist jetzt die Kernfrage unserer Aufbauarbeit.”130)
Im Abschnitt über die
“Opposition an der Arbeit” verwies Stalin auf neue Erscheinungen, nämlich das
Bestreben der Opposition, eine “neue Partei”, eine “rein proletarische Partei”
zu gründen. Einer der Anhänger der Opposition, Herr Ossowski, erklärte, daß die
KPdSU (B) die Interessen der Kapitalisten vertrete. Auf dem Juliplenum des ZK
habe die Opposition gegen den Ausschluß Ossowski aus der Partei gestimmt, womit
die Opposition die “moralische Verantwortung” für Ossowskis Gründung einer “neuen
Partei” übernommen habe. Diese Idee einer “rein proletarischen Partei” mache
auch in Deutschland und Frankreich unter den Ultralinken Schule. So behauptete
Korsch, daß die sozialistische Industrie in der UdSSR eine “rein
kapitalistische Industrie”, die KPdSU (B) eine “kulakische” Partei, die
Komintern eine “opportunistische” Organisation sei. Korsch vertrete die
Auffassung, daß in der UdSSR eine “neue Revolution” gegen die bestehende
Staatsmacht notwendig sei.131) In Frankreich bezeichnete Souvarine
die Parteibürokratie, die führende Spitze der Partei, als “Hauptfeind der
Revolution”. Die “Rettung” sei nur durch eine “Neue Revolution” gegen “die
führende Spitze der Partei und der Sowjetmacht”, “vor allem gegen das
Sekretariat des ZK der KPdSU (B)” möglich.132) Der innere
Oppositionsblock wurde von Feinden der Sowjetmacht gelobt. Objektiv bildete der
Oppositionsblock eine Einheit mit den in- und ausländischen Feinden der
Sowjetmacht. Dafür führte Stalin mehrere Zitate aus sozialdemokratischen und
bürgerlichen Presseorganen an: Paul Levi schrieb, daß “unsere Stellung bei der
Opposition” sei. “Die Tatsache besteht, daß in Rußland wieder eine selbständige
antikapitalistische, klassenkämpferische Arbeiterbewegung einsetzt.”133)
(Leipziger Volkszeitung, 30. Juli 1926) Mit dieser “Arbeiterbewegung” war die
Opposition gemeint. Ein Führer der “russischen Sozialdemokratie”, der
Menschewiki Dan, setzte sich für eine Restauration des Kapitalismus in der
UdSSR ein. “Die bolschewistische Opposition bereitet durch ihre Kritik an der
bestehenden Ordnung, in der sie fast wörtlich die Kritik der Sozialdemokratie
wiederholt, die Geister vor ... für die Aufnahme der positiven Plattform der
Sozialdemokratie.” Und weiter: “Die Opposition zieht nicht nur unter den
Arbeitermassen, sondern auch unter den kommunistischen Arbeitern Keime von
Ideen und Stimmungen groß, die bei geschickter Pflege leicht
sozialdemokratische Früchte tragen können.” (Sozialistitscheski Wjestnik, Nr.
17/18) Das Zentralorgan der konterrevolutionären bürgerlichen Partei Miljukows,
“Poslednije Nowosti” schrieb über die Opposition: “Heute untergräbt die
Opposition die Diktatur, in jeder neuen Veröffentlichung der Opposition werden
immer ‘schrecklichere’ Worte gebraucht, die Opposition selbst macht eine
Evolution durch in Richtung immer schärferer Attacken gegen das herrschende
System, und das genügt zunächst, um sie dankbar zu begrüßen als Sprechrohr
breiter Schichten der politisch unzufriedenen Bevölkerung.” (Poslednije Nowosti
Nr. 1990) Und weiter: “Der schlimmste Feind für die Sowjetmacht ist jetzt
derjenige, der sich unbemerkt heranschleicht, sie mit seinen Fühlern von allen
Seiten erfaßt und sie liquidiert, bevor sie sich dessen bewußt wird. Gerade
diese, in der immer noch andauernden Vorbereitungsperiode unvermeidliche und
notwendige Rolle spielt die sowjetische Opposition.” (Poslednije Nowosti, Nr.
1983 vom 27. August d.J.)134)
Stalin zog die
Schlußfolgerung, daß sich objektiv die “Front der Opposition mit der Front der
Gegner und Feinde der Diktatur des Proletariats verschmolzen habe.135)
Trotzki stellte die Frage, ob
eine klassenlose Gesellschaft, in der es keinen Staat mehr gäbe, eine Armee zur
Verteidigung gegen äußere Feinde haben könne, d.h., ohne Staat gäbe es keine
Armee. Trotzki band also die Existenz einer Armee an den Staat. Stalin
antwortete, daß unter soziologischem Aspekt theoretisch ein solcher Zustand
denkbar sei, daß eine klassenlose Gesellschaft, in der es keinen Staat mehr
gäbe, eine sozialistische Miliz zur Verteidigung gegen äußere Feinde haben
kann. Er fügte den Satz hinzu: “Ich halte es für wenig wahrscheinlich, daß es
bei uns dazu kommen könnte...”136) Er glaube, daß es durch den
Einfluß des Aufbaus des Sozialismus in der UdSSR auf das Proletariat in den
kapitalistischen Ländern zu “revolutionären Explosionen” kommen werde, womit
sich diese Frage erübrige. Weder Marx, Engels noch Lenin haben jemals eine
solche Frage wie Trotzki gestellt. Sie ist spekulativ. Stalin hielt eine
“sozialistische Miliz” in einer klassenlosen Gesellschaft, ohne Staat, 1926 für
“denkbar”. Nun, denkbar ist vieles. Die von Trotzki gestellte Frage war auch
nur demagogisch. Diese Frage war 1926 und ist auch heute praktisch
gegenstandslos.
Stalin wies auf das Programm
der KPdSU (B) hin, wo es diesbezüglich heißt: “Die Rote Armee muß als Werkzeug
der proletarischen Diktatur notwendigerweise einen offenen Klassencharakter
tragen, das heißt sich ausschließlich aus dem Proletariat und den ihm
nahestehenden halbproletarischen Schichten der Bauernschaft formieren. Erst mit
der Aufhebung der Klassen wird sich eine solche Klassenarmee in eine
sozialistische Miliz des ganzen Volkes verwandeln”.137)
Stalin konfrontierte die
Stellung Kamenews und Sinowjews zum Trotzkismus mit ihren früheren Aussagen
über Trotzki. So schrieb Kamenew in seinem Beitrag “Partei und Trotzkismus” für
den Sammelband “Für den Leninismus” im Jahre 1925: “Gen. Trotzki ist zu dem
Kanal geworden, durch den die kleinbürgerlichen Elemente in unserer Partei
wirken...” Er sei “zu einem Symbol alles dessen geworden, was gegen unsere
Partei gerichtet ist...” Man müsse darüber aufklären, “daß man zwischen
Trotzkismus und Leninismus wählen muß, daß man den einen nicht mit dem anderen
vereinbaren kann,.. ”138) Sinowjew schrieb in “Bolschewismus und
Trotzkismus” in dem gleichen Sammelband 1925: Das Auftreten Trotzkis sei
“nichts anderes als ein bereits ziemlich offener Versuch der Revision oder
sogar der direkten Liquidation der Grundlagen des Leninismus....” In einen
Prawda-Artikel vom 5. Februar 1925 schrieb Sinowjew: “Wer behauptet, der
Trotzkismus könne eine ‘legale Schattierung’ in der bolschewistischen Partei
werden, der hört selbst auf, Bolschewik zu sein. Wer jetzt die Partei im Bunde
mit Trotzki aufbauen will, in Zusammenarbeit mit demselben Trotzkismus, der
offen gegen den Bolschewismus auftritt, der verläßt die Grundlagen des
Leninismus.”139)
Stalin stellte an Kamenew und
Sinowjew auf dem Plenum die Frage, ob sie bereit seien, diese Worte jetzt zu
wiederholen. Kamenew hatte in seiner Rede auf dem Plenum erklärt: “Wir stehen
zu Trotzki, weil er die Grundgedanken Lenins nicht revidiert. ”140)
Kamenaw und Sinowjew waren zum Trotzkismus übergegangen. Stalin faßte zusammen:
Der Oppositionsblock sei ein Sammelbecken und Hort aller und jeglicher
opportunistischer Elemente. Er habe die Fraktionsmacherei wieder aufgenommen,
belebe die Theorie von der Freiheit der Fraktionen in der Partei, führe den
Kampf gegen die Einheit der Partei, gegen ihre führenden Kader, für die Bildung
einer neuen Partei. Der Oppositionsblock sei der Keim einer neuen Partei
innerhalb der KPdSU (B), mit eigenem Zentralkomitee, eigenen parallelen lokalen
Komitees, erhebe besondere Mitgliedsbeiträge für ihre Kasse. “Die Aufgabe
besteht darin, diesen Block zu zerschlagen und ihn zu liquidieren.” Die Diktatur
des Proletariats in einem Lande bei gleichzeitiger Herrschaft des Imperialismus
in anderen Ländern kann unter solchen Bedingungen “keine einzige Minute
existieren ohne die Einheit der Partei, ohne daß die Partei mit einer eisernen
Disziplin gewappnet ist. Die Versuche, die Einheit der Partei zu
untergraben,... eine neue Partei zu schaffen, müssen mit der Wurzel ausgerottet
werden, wenn wir die Diktatur des Proletariats behaupten ...‚ den Sozialismus
aufbauen wollen. Deshalb besteht die Aufgabe darin, den Oppositionsblock zu
liquidieren und die Einheit unserer Partei zu festigen.”141) Auf dem
Plenum wurde einstimmig beschlossen, Sinowjew als Vorsitzenden des EKKI
abzusetzen und von seiner Arbeit in der Komintern zu entbinden.142)
Deutscher bemerkte über Sinowjew
und Kamenew: Sie “gaben später zu, daß sie die Kampagne (gegen die ‘permanente
Revolution’, UH) gestartet hatten, um Trotzki mit alten Zitaten aus Lenins
Schriften zu diskreditieren, in denen sich der Gründer der Partei gegen die
‘Permanente Revolution’ ausgesprochen hatte. Innerlich hatten sie jedoch keine
Einwände gegen die Grundzüge von Trotzkis Lehre zu erheben, die längst zum
alltäglichen Gedankengut der Partei gehörten. Ihre Angriffe gegen Trotzki waren
deshalb unaufrichtig und unecht.”143)
Zugleich bescheinigte
Deutscher Stalin eine “einzigartigen Hellhörigkeit für alle diese
psychologischen Unterströmungen in und um die Partei“.144)
Lassen wir die zarte
Umschreibung des Oppositionsblocks als “psychologische Unterströmungen”
beiseite, so bestätigt Deutscher auf seine Art die Legitimität des Kampfes
Stalins gegen die Opposition. Stalin erwies sich tatsächlich als “hellhörig”
gegenüber den Gefahren, die von Trotzki und dem Oppositionsblock für die
Existenz der UdSSR und für die Kommunistische Internationale ausgingen.
Erstmalig differenzierte
Stalin zwischen einem “alten” und “neuen” Trotzkismus in einer Rede auf dem
Plenum der kommunistischen Fraktion des Zentralrats der Gewerkschaften der
Sowjetunion am 19. November 1924.145) Der “alte” Trotzkismus habe
drei Besonderheiten:
Die Theorie der “permanenten
Revolution”, Leugnung der armen Bauernschaft als einer revolutionären Kraft,
während Lenin seinerseits die Idee der Diktatur des Proletariats und der
Bauernschaft vertrat. Der Leninismus weise nach Trotzki “antirevolutionäre
Züge” auf. In einem Brief an Tscheidse von 1913 schrieb Trotzki: “Das gesamte
Gebäude des Leninismus ist gegenwärtig auf Lüge und Fälschung aufgebaut und
trägt den Giftkeim seiner eigenen Zersetzung in sich.146)
Die Theorie von der
Möglichkeit des “Nebeneinanderlebens von Revolutionären und Opportunisten,
ihrer Gruppierungen und Grüppchen im Schoße einer gemeinsamen Partei.” Stalin
verwies auf den “Augustblock Trotzkis”, in dem Anhänger Martows, Otsowisten und
Liquidatoren mit Trotzki zusammenwirkten.
Erzeugen von Mißtrauen
gegenüber den Führern des Bolschewismus, der Versuch, sie zu diffamieren. Lenin
wird als “berufsmäßiger Ausbeuter jeglicher Rückständigkeit in der russischen
Arbeiterbewegung” charakterisiert.147) Diesen “alten” Ballast warf
Trotzki während der Oktoberrevolution 1917 ab, anders wäre eine Zusammenarbeit
mit ihm unmöglich gewesen und er wäre nicht in die Reihen der Bolschewiki
gelangt.
Der “neue” Trotzkismus ist
nicht eine einfache Wiederholung des “alten” Trotzkismus, er sei “weicheren
Geistes und gemäßigterer Form als der alte”. Trotzki ginge nicht mehr frontal
gegen den Leninismus an, sondern wirke nunmehr unter der Flagge des Leninismus,
der neu ausgelegt und verbessert würde.
Dies zeige sich in der Frage
der “permanenten Revolution”. Die Oktoberrevolution habe diese Theorie “voll
und ganz bestätigt”, woraus folge, daß der Leninismus vor der Oktoberrevolution
falsch gewesen wäre, der Leninismus danach richtig. Es war die schon w.o. genannte
“Zweiteilung des Leninismus”, den “Vorkriegsleninismus”, den “alten”,
“unbrauchbaren” Leninismus und den Nachkriegs-, Oktoberleninismus. Mit dieser
Zweiteilung des Leninismus
konnte Trotzki nunmehr unter
Berufung auf Lenin den Kampf gegen den Leninismus führen.148)
wollte der alte Trotzkisrnus
das bolschewistische Parteiprinzip mit Hilfe der Theorie (Praxis) einer Einheit
mit den Menschewiki untergraben. Der neue Trotzkismus erfand eine neue,
“demokratische” Theorie, nämlich die Theorie der Gegenüberstellung der alten
Kader und der jungen Parteimitglieder. Damit wurde die Parteigeschichte in zwei
ungleiche Teile zerlegt, die Zeit “vor dem Oktober” und die Zeit “nach dem
Oktober.” Die Geschichte vor dem Oktober sei eine Art “Vorgeschichte”, eine “nicht
sehr wichtige Vorbereitungeperiode”, die Geschichte nach der Oktoberrevolution
die richtige, “wirkliche”, “eigentliche” Geschichte der Partei. Mit diesem
Schema der Aufspaltung der Einheit der Partei zwischen alten und jungen Kadern
sollte die Partei zersetzt werden.149)
war der alte Trotzkismus
bemüht, Lenin mehr oder weniger offen zu diffamieren, während der neue
Trotzkismus sein Werk unter “dem Schein der Lobpreisung, unter dem Schein der
Verherrlichung Lenins” zu vollbringen sucht.150)
Stalin führt kurz das Buch
Trotzkis “Über Lenin” an, das Trotzki im April 1924 herausgegeben hatte. Darin
stellte Trotzki Lenin so dar, als “würde Lenin so gut wie nichts anderes getan
haben, als ‘bei jeder passenden Gelegenheit den Gedanken von der
Unvermeidlichkeit des Terrors einzuhämmern’. Es entsteht der Eindruck, als ob
Lenin der blutdürstigste aller blutdürstigen Bolschewiki gewesen wäre“.151)
Im Gegensatz zu Lenins Methode, der keine Entscheidung traf, ohne vorher ein
leitendes Kollegium mit einzubeziehen, stelle Trotzki Lenin als “eine Art
chinesischen Mandarin” dar, der die wichtigsten Fragen in der Stille seines
Arbeitszimmers aus Eingebung entscheidet.”152) Mit dieser Methode
verwandelte Trotzki den Riesen Lenin in einen “zwergenhaften Blanquisten“.153)
Auf dem XIV. Parteitag der
KPdSU (B) vom 18. - 31. Dezember 1925 gab Stalin eine Art “Abriß” der
bisherigen Geschichte der Auseinandersetzungen innerhalb der Partei.154)
Diesen “Abriß” gab er in einem Schlußwort, das immerhin 34 Seiten umfaßte,
woraus deutlich wird, wie ernst die Situation in der Partei gewesen sein muß.
Stalin unterschied zwischen den ideologischen Meinungsverschiedenheiten und dem
Bilden von Plattformen, Fraktionen.
Von der Leningrader
Parteiorganisation wurde Ende 1924 beantragt, Trotzki aus der Partei
auszuschließen. Die Mehrheit des ZK lehnte dies ab. Wenig später forderte die
Leningrader Parteiorganisation mit Kamenew den Ausschluß Trotzkis aus dem
Politbüro. Das ZK lehnte auch dies ab und beschränkte sich darauf, Trotzki als
Volkskommissar für das Kriegswesen abzusetzen.
Stalin begründete diese
Entscheidung damit, daß die Politik des Absägens große Gefahren in sich birgt,
daß die Methode des Absägens, des Aderlasses - und sie forderten Blut -
(gemeint waren Sinowjew und Kamenew, UH) gefährlich und ansteckend ist: „heute
hat man den einen abgesägt, morgen kommt der andere, übermorgen ein dritter
dran, und was bleibt dann in der Partei?”155) Diesen Gedanken
wiederholte er noch einmal in Sorge um die Erhaltung der Einheit der Partei.
Zwei Tage vor dem XIV. Parteitag hatten die Mitglieder des ZK
“Kompromißbedingungen eines Abkommens” unterbreitet, die auf eine “mögliche
Versöhnung” abzielten. Dieser Kompromißvorschlag beweist, daß die
marxistisch-leninistische Mehrheit des ZK die Einheit der Partei mit Kamenew
und Sinowjew aufrecht erhalten wollte. Nach meinem jetzigen Erkenntnisstand war
es der letzte Versuch, die ideologischen Meinungs-verschiedenheiten noch
innerhalb der Partei auszutragen, die ernsthafte Gefahr einer Spaltung der
Partei noch zu verhindern. Darum wird der Kompromißvorschlag hier in vollem
Wortlaut dokumentiert:
“Die unterzeichneten
Mitglieder des ZK glauben, daß eine Reihe führender Genossen der Leningrader
Organisation die Vorbereitung zum Parteitag im Gegensatz zur Linie des ZK der
Partei und gegen die Anhänger dieser Linie in Leningrad betrieben hat. Die
unterzeichneten Mitglieder des ZK halten die Resolution der Moskauer Konferenz
sowohl ihrem Wesen als auch ihrer Form nach für absolut richtig und glauben,
daß das ZK verpflichtet ist, allen und jeglichen Tendenzen entgegenzutreten,
die sich gegen die Parteilinie richten und die Partei desorganisieren. Allein
im Interesse der Parteieinheit, im Interesse des Friedens innerhalb der Partei,
der Abwendung der Gefahr, daß die Leningrader Organisation, eine der besten
Organisationen der KPR, sich dem ZK der Partei entfremden könnte, halten die
Unterzeichneten es für möglich - nachdem der Parteitag die präzise und klare
politische Linie des ZK bestätigt -‚ auf eine Reihe von Zugeständnissen
einzugehen. Dementsprechend machen wir folgende Vorschläge:
Bei Abfassung der Resolution
zum Bericht des ZK soll die Resolution der Moskauer Konferenz unter Milderung
einiger ihrer Formulierungen als Grundlage genommen werden.
Die Veröffentlichung des
Briefes der Leningrader Konferenz und der Antwort des Moskauer Komitees sowohl
in den Zeitungen als auch in den Bulletins soll im Interesse der Einheit für
unzweckmäßig erachtet werden.
Die Mitglieder des
Politbüros... sollen auf dem Parteitag nicht gegeneinander auftreten.
In den Parteitagsreden soll
abgerückt werden von Sarkis (Regelung der Zusammensetzung der
Parteimitgliedschaft) und Safarow (Staatskapitalismus).
Der Fehler bezüglich
Komarows, Lobows und Moskwins soll auf organisatorischem Wege korrigiert
werden.
Der Beschluß des ZK, einen
Leningrader Genossen in das Sekretariat des ZK aufzunehmen, soll unmittelbar
nach dem Parteitag verwirklicht werden.
Zum Zwecke engerer Verbindung
mit dem Zentralorgan soll ein Genosse aus Leningrad in das Redaktionskollegium
des Zentralorgans aufgenommen werden.
Angesichts der Schwäche des
Redakteurs der ‘Leningradskaja Prawda’ (Gladnews), soll dieser im
Einverständnis mit dem ZK durch einen stärkeren Genossen ersetzt werden.
Kalinin, Stalin, Molotow,
Dzierzynski u.a. 15. XII. 1925”156)
Stalin fügte hinzu: “Wir sind
gegen die Politik des Absägens. Das bedeutet nicht, daß es den Führern erlaubt
sein wird, sich ungestraft aufzuspielen und der Partei auf der Nase
herumzutanzen. Auf keinen Fall! Verbeugungen vor Führern wird es nicht geben.
Die Partei will die Einheit und wird sie durchsetzen - mit Kamenew und
Sinowjew, wenn sie es wollen, ohne sie, wenn sie es nicht wollen. (Zurufe;
“Sehr richtig!” Beifall.) Was aber erfordert die Einheit? Die Einheit
erfordert, daß die Minderheit sich der Mehrheit unterordnet. Ohne das gibt es
keine und kann es keine Einheit der Partei geben.”157)
Die Auseinandersetzungen mit
Trotzki, Sinowjew und Kamenew gingen jedoch weiter.158) Unter
anderem forderte die Opposition die Veröffentlichung ihrer “Theorie” in der
Parteipresse. In einem Brief von Trotzki an Ordshonikidse vom 11. Juli 1927
definierte Trotzki den Begriff “Defaitismus” als eine Politik, die auf die
Niederlage des “eigenen” Staates gerichtet sei, der sich in den Händen einer
feindlichen Klasse befindet.
Lassen wir hier diese
eigenartige “Definition” beiseite. “Defaitismus” wird in Fremdwörterbüchern
übereinstimmend als “Schwarzmalerei”, “Untergangsstimmung”,
“Zusammenbruchspsychose und ihre Verbreitung”, “Miesmacherei” bezeichnet.159)
Trotzki meinte, daß
Clemenceau kein Defaitist sei, weil er in Opposition zu einer unfähigen
Regierung während des Krieges (Erster Weltkrieg, UH) diese gestürzt habe, um
den Krieg zu gewinnen. Aus dieser Clemenceau-Deutung gelangte Trotzki zu seinem
bemerkenswerten Schluß: “Wenn also zum Beispiel jemand sagt, die politische
Linie ungebildeter und gewissenloser Plagiatoren müsse eben im Interesse des
Sieges des Arbeiterstaates, wie Kehricht hinweggefegt werden, so wird er
deshalb noch keineswegs zum ‘Defaitisten’. Im Gegenteil, unter den gegebenen
konkreten Bedingungen ist er gerade der wahre Wortführer der revolutionären
Vaterlandsverteidigung: ideologischer Kehricht führt nicht zum Sieg.”160)
Diesen Satz muß man wohl zweimal lesen! In Klartext hieß das nichts anderes,
als daß Stalin und die Mehrheit des ZK der KPdSU (B) “ungebildete, gewissenlose
Plagiatoren” seien, “Kehricht”, der “hinweggefegt” werden müsse, natürlich von
ihm, von Trotzki, der unter den “gegebenen konkreten Bedingungen” der “wahre
Wortführer der revolutionären Vaterlandsverteidigung” sei.
Stalin kommentierte, daß sich
also Trotzki, „wenn der Feind bis auf eine Entfernung von 80 Kilometern an den
Kreml herangekommen ist, nicht damit befassen wird, die UdSSR zu verteidigen,
sondern die jetzige Mehrheit der Partei zu stürzen. Und das nennt er
Verteidigung.”161)
Die Konzeption vertrat
Trotzki im Sommer 1927 unter der akuten Interventionsdrohung imperialistischer
Staaten und verlangte, daß diese “Theorie” in der Parteipresse veröffentlicht
werden sollte! Für Anarchisten und Monarchisten würde es keine “Pressefreiheit”
geben, bemerkte Stalin. Die Oppositionellen “wollen der bürgerlichen
Presse’freiheit’ ein Hintertürchen öffnen”, ... wodurch sie “die
antisowjetischen Elemente beleben, deren Druck auf die Diktatur des
Proletariats verstärken und der ‘bürgerlichen’ Demokratie den Weg bahnen. An
eine Tür klopfen sie, eine andere aber öffnen sie.”162)
Unter Stalins Führung gab es
allerdings kein “Glasnost”. Dies blieb einem Gorbatschow vorbehalten, mit den
bekannten, von der internationalen Bourgeoisie bejubelten Ergebnissen.
Stalin stellte angesichts der
Tätigkeit der Opposition die Frage des Ausschlusses Trotzkis und Sinowjews aus
dem ZK der KPdSU (B). Es sei ein “letzter Versuch”, “der Opposition zu helfen
aus der Sackgasse herauszukommen.” Allerdings habe die Opposition drei
Bedingungen zu erfüllen: 1. Die “absurde Losung hinsichtlich des
Clemenceauschen Experiments” aufzugeben angesichts der drohenden Kriegsgefahr,
2. “offen und unumwunden die antileninistische Spaltergruppe Maslow - Ruth
Fischer in Deutschland zu verurteilen und jede Verbindung mit ihr abzubrechen”,
3. sich “von jeglicher Fraktionsmacherei und von allem loszusagen, was zur
Schaffung einer neuen Partei in der KPdSU (B) führen kann”. Ohne Annahme dieser
drei Bedingungen sei ein weiteres Verbleiben Trotzkis und Sinowjews im ZK nicht
mehr zuzulassen.163)
Die Mehrheit des ZK und
Stalin haben eine Geduld mit der Opposition gezeigt, die heute unverständlich
erscheinen mag. In einer gemeinsamen Sitzung des Präsidiums des EKKI und der
Internationalen Kontrollkommission am 27. September 1927164) führte
Stalin den Nachweis, daß Trotzki und die Opposition noch zu Lebzeiten Lenins
das ZK angegriffen haben. Nach Trotzki hätten einzelne Führer die Macht an sich
gerissen, die Macht usurpiert. Als wenn das in einer Millionenpartei mit
revolutionären Traditionen ginge.165) Warum aber habe dann Trotzki
die Macht nicht an sich gerissen? Das Regime in der Partei sei bereits von
Lenin eingeführt worden. Stalin verwies auf Beschlüsse des X. und XI.
Parteitages der KPR (B) (März 1921 und März 1922), auf denen die
Organisationsformen der Parteiführung sowie das Fraktionsverbot beschlossen
wurden. Stalin zitierte aus der “Erklärung der 46” (15. Oktober 1923),
unterzeichnet von Pjatakow, Preobrashenski, Serebrjakow, Alski u.a. also noch
zu Lebzeiten Lenins: “Das innerhalb der Partei bestehende Regime ist völlig
unerträglich. Es tötet die Selbsttätigkeit der Partei und ersetzt die Partei
durch einen zusammengeschobenen Beamtenapparat, der in normalen Zeiten
reibungslos funktioniert, der aber in Krisenzeiten unvermeidlich ins Stocken
gerät und angesichts der herannahenden ernsten Ereignisse völlig zu versagen
droht. Die entstandene Lage ist dadurch zu erklären, daß sich das nach dem X.
Parteitag entstandene Regime der fraktionellen Diktatur innerhalb der Partei
objektiv überlebt hat.”166) Desgleichen hieß es in einer Erklärung
Trotzkis an das ZK und an die ZKK vom 8. Oktober 1923: “Das Regime, das im Wesentlichen
schon vor dem XII. Parteitag entstanden war, nach dem Parteitag aber endgültig
gefestigt wurde und endgültige Form annahm, ist viel weiter von der
Arbeiterdemokratie entfernt als das Regime in den härtesten Perioden des
Kriegskommunismus.”167) Es ginge Trotzki und seinen Anhängern um
nichts anderes, als den Leninismus durch den Trotzkismus zu ersetzen und damit
die Partei zu spalten und letztendlich zu zerstören.
In der Sitzung des
vereinigten Plenums des ZK und der ZKK der KPdSU (B) am 23. Oktober 1927 fand
die Auseinandersetzung mit der trotzkistischen Opposition ihre Fortsetzung. Die
Grundessenz in den Angriffen Trotzkis gegen Stalin bestand in der Entstellung
des Leninismus unter dem Vorwand der Bekämpfung Stalins. Er behauptete, daß
Lenin mit Stalin gebrochen habe.
Diese Version wird bis heute
nicht nur von Feinden des Marxismus-Leninismus, sondern auch von “Linken”
vertreten, die damit den Antikommunisten Wasser auf die Mühlen leiten und dafür
auch von diesen mit gelegentlichen Fußtritten bedacht werden. Als “Beweis” für
diesen “Bruch” wird der Brief Lenins an den Parteitag vom Dezember 1922
angeführt, den der kranke Lenin diktiert hat, der auf dem XIII. Parteitag
(1924) verlesen und der nach stenograhischen Aufzeichnungen 1956 im “Kommunist”
Nr. 9 veröffentlicht wurde.168) Diese Aufzeichnungen sind
unterschiedlich mit den Initialen M.W. und L.F. unterzeichnet.
Diese Briefe werden von
Trotzkisten und Revisionisten als “politisches Testament” bezeichnet, obwohl es
sich um Briefe handelt, aus deren Kontext hervorgeht, daß Lenin eine Spaltung
der Partei befürchtete, die aus den feindlichen Beziehungen zwischen Stalin und
Trotzki hervorgehen könnte. Bei Lenin ist bezüglich dieses Briefes von einem
“Testament” nicht die Rede, wobei aus diesem Brief, der in mehrere Abschnitte,
Briefe, untergliedert ist, einseitig das herausgestellt wird, was man zu einer
Diffamierung Stalins aufbauschen kann. Die oft und gern zitierte Stelle
befindet sich in der “Ergänzung zum Brief vom 24. Dezember 1922”, Niederschrift
vom 4. Januar 1923, unterzeichnet mit L.F.: “Er ist zu grob, und dieser Mangel,
der in unserer Mitte und im Verkehr zwischen uns Kommunisten durchaus
erträglich ist, kann in der Funktion des Generalsekretärs nicht geduldet
werden. Deshalb schlage ich den Genossen vor, sich zu überlegen, wie man Stalin
ablösen könnte und jemand anderen an diese Stelle zu setzen, der sich in jeder
Hinsicht von Stalin nur durch einen Vorzug unterscheidet, nämlich dadurch, daß
er toleranter, loyaler, höflicher und den Genossen gegenüber aufmerksamer,
weniger launenhaft usw. ist. Es könnte so scheinen, als sei dieser Umstand eine
winzige Kleinigkeit. Ich glaube jedoch, unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung
einer Spaltung und unter dem Gesichtspunkt, der von mir oben geschilderten
Beziehungen zwischen Stalin und Trotzki ist das keine Kleinigkeit, oder eine
solche Kleinigkeit die entscheidende Bedeutung erlangen kann.”169)
Lenin erklärte in diesem
Brief vorweg, daß er “eine Reihe von Erwägungen rein persönlicher Natur”
anstelle und daß “die eine wie die andere Bemerkung nur für die Gegenwart ...”
gelten.170) Es handelt sich also eindeutig um kein “Testament” wie
von Chruschtschow, Gorbatschow und anderen Revisionisten behauptet wurde.
Lenin kritisierte an Stalin,
daß er “zu grob” sei. Lenin “schlug vor”, “zu überlegen, wie man Stalin ablösen
könnte ...”. “Zu überlegen” und “ablösen könnte” sind im Konjunktiv
ausgedrückt. Man mag darüber streiten, aber eine “Forderung”, Stalin abzulösen,
war das nicht. Lenin konnte auch keinen anderen Vorschlag unterbreiten, als
“jemand anderen” an die Spitze zu stellen, der nur durch “einen Vorzug” sich
von Stalin unterscheide, nämlich “toleranter, loyaler, höflicher ...
aufmerksamer, weniger launenhaft” zu sein. Demnach hatte Stalin also Vorzüge!
Alle diese wenig schönen Eigenschaften sind aber keine politischen! Dennoch
wird diese Briefstelle geradezu wie ein “heiliges Vermächtnis” in der
antistalinistischen Publizistik gehandelt. So heißt es bei A.G. Löwy: “Im
Januar hatte Lenin mit Stalin gebrochen und die bekannten Nachsätze zu seinem
Testament geschrieben, in denen er die Absetzung Stalins als Generalsekretär
forderte.“171)
Eine sehr ausgewogene
Darstellung dieser Problematik findet sich in einem Interview von Richard
Iwanowitsch Kosolapow, Prof. Dr. der philosophischen Wissenschaften, von
1998: “Stalin hielt das Andenken an
Lenin heilig, und zwar ungeachtet der komplizierten gegenseitigen Beziehungen
zu ihm in seinen letzten Lebensjahren, d.h während Lenins schwerer Krankheit.
Er hat den Schwur, den er an der Bahre Lenins abgab, niemals gebrochen. Mich
haben immer die platten Erzählungen über die ‘Freundschaft’ Lenins und Stalins,
über die beiden ‘hehren Adler’, die sich nicht miteinander aussprechen konnten,
ziemlich peinlich berührt. Sicher ist aber, daß Lenin den Genossen Stalin als
Organisator sehr hoch einschätzte und ihm mehr als den anderen vertraute.
Gerade das beunruhigte die nächsten Bekannten der Familie, genauer N.
Krupskajas, als da waren Sinowjew, Kamenew und auch Trotzki, die am Krankenbett
Lenins Intrigen spannen. Das ZK hatte Stalin beauftragt dafür zu sorgen, daß
für Lenin die notwendigen ärztlichen Behandlungsvorschriften eingehalten
werden. Sie wurden aber am laufenden Band verletzt, was dann auch zu dem scharfen Gespräch Stalins mit ihr führte.
Jetzt ist völlig klar, daß Stalin etwas zu recht befürchtete.
Dreimal hintereinander wurden
für Lenin falsche Diagnosen gestellt. Man zermürbte ihn mit unnötigen
Behandlungsmethoden und war offenbar bestrebt, ihn langsam zu Tode zu heilen
und gleichzeitig zu diskreditieren. (siehe Lopuchin, Ju.I., ‘Die Krankheit, der
Tod, und die Einbalsamierung Lenins. Wahrheit und Mythen’, Moskau, 1997) Das
Verhältnis Lenins zu Stalins wurde an die Grenze des Zerwürfnisses getrieben,
aber Stalin gelang es, das zu vermeiden, obwohl Chruschtschow versuchte, das
Gegenteil zu beweisen. Stalin stand diese schwere Prüfung durch und trug die
Stafette Lenins weiter.171a)
Übersehen, oder “vergessen”
werden die Äußerungen Lenins in diesen Briefen über Trotzki, Sinowjew, Kamenew,
Bucharin u.a., wobei es sich bei diesen Bemerkungen Lenins weniger um
persönliche, als um politische Eigenschaften handelte. Lenin meinte jedoch, daß
man dies ihnen “nicht als persönliche Schuld” anrechnen könne. Die “Episode mit
Sinowjew und Kamenew im Oktober” waren “natürlich kein Zufall”, ... wie auch
der “Nichtbolschewismus” Trotzkis.172) Desgleichen bezeichnete Lenin
Bucharin als einen “überaus wertvollen und bedeutenden Theoretiker der Partei”,
fügte aber hinzu, daß “seine theoretischen Anschauungen ... nur mit sehr großen
Bedenken zu den völlig marxistischen gerechnet werden” können, “denn in ihm
steckt etwas Scholastisches. (er hat die Dialektik nie studiert und, glaube
ich, nie völlig begriffen.)“173)
Warum werden diese
Bemerkungen, und diese enthalten politische bzw. theoretische Kriterien, denn
nicht aus dem “Testament” zitiert? Einfach darum, weil sie nicht in die
Stalinphobie passen. Die protokollierten Briefe des kranken Lenins vom Dezember
1922 sollten weder bezüglich Stalins noch der anderen Genannten überbewertet
und schon gar nicht in den Rang eines “Testaments” erhoben werden.
Dies geschah jedoch auf dem
Plenum vom 25. Oktober 1927, als die Opposition sich auf dieses “Testament”
berief, als sie ihre Angriffe “hauptsächlich gegen Stalin” richteten.174)
Entgegen besserem Wissen behaupteten sie, daß das ZK dieses “Testament”
verheimlicht habe. Diese Lüge - bis heute wiederholt - platzte denn auch auf,
denn, wie die Mitglieder des ZK und der ZKK natürlich wußten, wurde dieser
Brief “Dutzende von Malen” auf dem Plenum des ZK und der ZKK behandelt. Auf dem
XIII. Parteitag (Mai 1924) wurde das “Testament” verlesen. Der Parteitag habe
einstimmig - also mit den Stimmen Trotzkis, Sinowjews, Kamenews! - beschlossen,
dieses “Testament” nicht zu veröffentlichen, “weil Lenin dies selbst nicht
gewünscht und verlangt hatte.”175) Auf dem XIII. Parteitag habe
Stalin das ZK ersucht, ihn von der Funktion als Generalsekretär zu entbinden.
Der Parteitag behandelte selbst diese Frage. “Jede Delegation behandelte diese
Frage und alle Delegationen, unter ihnen Trotzki, Kamenew und Sinowjew,
verpflichteten Stalin einstimmig, auf seinem Posten zu bleiben.”176)
Ein Jahr später hatte Stalin auf einem Plenum diesen Antrag ein zweites Mal
gestellt, doch man verpflichtete ihn erneut, auf seinem Posten zu bleiben.
Stalin wies noch auf den Sachverhalt hin, daß die “stenographischen Protokolle
der Plenartagungen des ZK und der ZKK ... in einigen Tausend Exemplaren
gedruckt und an die Parteimitglieder verteilt” werden, in denen “die Reden der
Oppositionellen ebenso wie die Reden der Genossen, die die Parteilinie
vertreten”, enthalten sind. “Sie werden von Zehntausenden und Hunderttausenden
gelesen. ”177)
Die Opposition stünde mit konterrevolutionären
Elementen, weißgardistischen Offizieren und ausländischen Kapitalisten in
Verbindung. Ihre Tätigkeit wäre auf die Spaltung der Partei von innen gerichtet
in Verbindung mit einem Angriff von außen.
Sinowjew versuchte, unter
Berufung auf Lenin, daß dieser vor dem X. Parteitag (8. - 16. März 1921) “immer
und zu jeder Zeit für Diskussionen gewesen” sei, die Forderung nach
Fraktionsfreiheit begründen.
Lenin habe aber in seinem
Referat auf dem X. Parteitag diese Diskussionen als Fehler bezeichnet, wies
Stalin nach. Oppositionelle Fraktionen habe Lenin eindeutig als schädlich für
die Einheit der Partei bezeichnet: “Die Propaganda in dieser Frage muß bestehen
einerseits in der gründlichen Aufklärung über die Schädlichkeit und
Gefährlichkeit der Fraktionsbildung vom Standpunkt der Parteieinheit und der
Verwirklichung der Willenseinheit der Avantgarde des Proletariats, als
Grundbedingung für den Erfolg der Diktatur des Proletariats, anderseits in der
Aufklärung über die Eigenart der neusten taktischen Manöver der Feinde der
Sowjetmacht. Diese Feinde, die sich davon überzeugt haben, daß die
Konterrevolution unter offen weißgardistischer Flagge hoffnungslos ist, machen
jetzt alle Anstrengungen, um die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der KPR
auszunutzen und die Konterrevolution auf diese oder jene Weise durch
Auslieferung der Macht an eine politische Schattierung, die äußerlich der
Anerkennung der Sowjetmacht am nächsten kommt, zu fördern.”178)
Lenin forderte die Anwendung “äußerster Maßnahmen” gegen Mitglieder des ZK,
Kandidaten des ZK und Mitglieder der Kontrollkommission, bis zum
Parteiausschluß, bei Verstoß gegen diese Maßregel.179)
Dezember 1928 oder Anfang
1929 schrieb Stalin einen Artikel “So tief sind sie gesunken“.180) In
dieser kleinen Schrift bezeichnete Stalin den 7. November 1927 als einen
Wendepunkt. An diesem Tage seien die Trotzkisten auf die Straße gegangen und
hätten gezeigt, daß sie nicht nur mit der Partei, sondern auch mit dem
Sowjetregime gebrochen haben. Die trotzkistische Organisation sei zu partei-
und sowjetfeindlichen Handlungen übergegangen.
Die Parteiführung sei bemüht
gewesen, den Trotzkisten zu helfen, ihre Fehler zu erkennen und den Weg in die
Partei zurückzufinden.
Seit 1923 hätte die Partei
geduldig die Linie des ideologischen Kampfes verfolgt. Noch auf dem XV.
Parteitag (Dezember 1927) hielt die Partei an dieser Linie fest, obwohl die
Trotzkisten bereits von “Meinungsverschiedenheiten taktischen Charakters zu
Meinungsverschiedenheiten programmatischen Charakters übergegangen” wären.181)
Das Vereinigte Plenum des ZK
und der ZKK der KPdSU (B) vom 23. Oktober 1927 hatte bereits den Beschluß über
den Ausschluß Sinowjews und Trotzkis aus dem ZK gefaßt. Die Unterlagen über die
spalterische Tätigkeit der Führer der trotzkistischen Opposition -
Organisierung einer illegalen parteifeindlichen Druckerei zwecks Zerstörung der
Partei, Block mit den Renegaten Martow, Ruth Fischer und Souvarien zwecks
Zerstörung der Komintern usw. - wurden in der Prawda vom 25. Oktober 1927
veröffentlicht.182)
Auf dem XV. Parteitag wurden
die aktiven Trotzkisten aus der Partei ausgeschlossen. Im Parteitagsbeschluß
werden 75 Personen genannt‚ die ausgeschlossen wurden, darunter Kamenew,
Pjatakow, Radek, Smilga und Smirnow, aus einer anderen antirevolutionären
Gruppe Sapranow und weitere 23 Personen.183)
Im Laufe des Jahres 1928
haben sich die Trotzkisten “vollends aus einer illegalen parteifeindlichen
Gruppe in eine illegale antisowjetische Organisation” verwandelt. “Darin
bestand das Neue, daß die Organe der Sowjetmacht im Laufe des Jahres 1928
zwang, Repressalien gegen die Funktionäre dieser illegalen antisowjetischen
Organisation zu ergreifen.”
Von den Trotzkisten wurden
eigene Druckereien, eigene Komitees gegründet, Versuche unternommen,
antisowjetische Streiks zu organisieren, wurde der “Bürgerkrieg gegen die
Organe der proletarischen Diktatur” vorbereitet. Trotzki unterhielt
Verbindungen zu Presseorganen der Renegaten und Weißgardisten im Ausland. Die
Trotzkisten erklärten direkt, daß man bei der Vorbereitung zum Bürgerkrieg “vor
nichts, vor keinerlei geschriebenen oder ungeschriebenen Gesetzen haltmachen”
solle.184) Aus dieser subversiven Tätigkeit der trotzkistischen
Organisation “erklären sich die in letzter Zeit von der OGPUU ergriffenen
Maßnahmen zur Liquidierung dieser antisowjetischen Organisation (Verhaftungen
und Ausweisungen).“185)
Damit war die ideologische
und theoretische Auseinandersetzung beendet und anstelle der Theoriegeschichte
tritt die Geschichte der Justiz.
Der Mord an Kirow am 1. Dezember
1934, dem Sekretär des ZK der KPdSU (B) und Sekretär des Leningrader
Gebietskomitees der Partei verdeutlichte, daß die Drohung mit dem Bürgerkrieg
von seiten der Trotzkisten ernst gemeint war, daß sie vor keinen geschriebenen
und ungeschriebenen Gesetzen zurückschreckten. Sie setzten den Terror auf die
Tagesordnung.
Dieser Mord war nicht die Tat
eines einzelnen fanatischen Mörders. Er war Mitglied der KPdSU, besaß ein
Mitgliedsbuch, unter dessen Mißbrauch er sich Zugang zu Kirow verschaffen
konnte. Er war mit der parteifeindlichen Sinowjew-Gruppe verbunden.186)
Es ist nicht uninteressant, daß diese Verbindung des Mörders zur
Sinowjew-Gruppe in der sechsbändigen Geschichte der KPdSU von 1976 sowie in der
Geschichte der KPdSU, Moskau 1969/Berlin 1971 keine Erwähnung findet, als ob
der Mörder allein sein Verbrechen hätte durchführen können.187)
Dieses Kapitel schließe ich
mit einer Einschätzung der viel geschmähten “Geschichte der KPdSU (B), Kurzer
Lehrgang” ab, die in den genannten “Geschichten” der KPdSU sorgfältig umgangen,
aber indirekt bestätigt werden:
“Am 1. Dezember 1934 wurde im
Smolny in Leningrad Genosse Kirow durch einen Revolverschuß ruchlos ermordet.
Der am Tatort ergriffene
Mörder erwies sich als Mitglied einer konterrevolutionären unterirdischen
Gruppe, die aus Teilnehmern der sowjetfeindlichen Sinowjewgruppe in Leningrad
organisiert worden war.
Der Mord an Genossen Kirow,
dem Liebling der Partei, dem Liebling der Arbeiterklasse, rief bei den
Werktätigen unseres Landes gewaltigen Zorn und tiefste Trauer hervor.
Die Untersuchung ergab, daß
sich in den Jahren 1933/34 in Leningrad aus früheren Teilnehmern der
Sinowjew-Opposition eine unterirdische konterrevolutionäre Terroristengruppe
gebildet hatte; an deren Spitze das sogenannte “Leningrader Zentrum” stand.
Diese Gruppe setzte sich das Ziel, die Führer der Kommunistischen Partei zu
ermorden. Als erstes Opfer war Genosse Kirow ausersehen. Aus den Aussagen der
Teilnehmer dieser konterrevolutionären Gruppe ergab sich, daß sie mit
Vertretern ausländischer kapitalistischer Staaten in Verbindung standen und von
ihnen Gelder erhielten.
Die entlarvten Teilnehmer
dieser Organisation wurden vom Militärkollegium des Obersten Gerichtshofes der
Sowjetunion zur höchsten Strafe, zur Erschießung, verurteilt.”188)
Die Tätigkeit der
Bucharingruppe unterschied sich von der trotzkistisch-sinowistischen Opposition
dadurch, daß sie ihre Angriffe gegen die Mehrheit des ZK vorwiegend auf
ökonomischem Gebiet führte, während die Trotzkisten vor allem auf politischem
Gebiet gegen die Partei und Sowjetmacht agierten. In der Konsequenz mußten
beide unterschiedlichen Richtungen zur Zerstörung der Einheit der KPdSU (B) und
der Sowjetmacht führen. Die Kennzeichnung der Bucharingruppe als “rechte” Abweichung,
die der Trotzkisten als “linke” trifft nur sehr allgemein zu‚ aus dem damaligen Sprachgebrauch und
Begriffsgefüge erklärbar.
Auf Bucharin wurde bereits
ausführlich in den Arbeiten Stalins zur Politischen Ökonomie des Sozialismus
verwiesen.189)
In einer “kurzen
Niederschrift” über die Bucharingruppe, die Äußerungen Stalins aus Reden
enthalten, die er in einer gemeinsamen Sitzung des Politbüros des ZK und des
Präsidiums der ZKK der KPdSU (B) Ende Januar/Anfang Februar 1929 gehalten hat,
ist die ökonomische Konzeption von Bucharin, Tomski und Rykow kurz
zusammengefaßt: Verlangsamung des Entwicklungstempos der Industrie,
Einschränkung des Aufbaus der Sowjet- und Kollektivwirtschaften, volle Freiheit
für den privaten Handel, Verzicht auf die regulierende Rolle des Staates.190)
Zugleich wandte sich Bucharin
gegen die Anwendung außerordentlicher Maßnahmen gegen die Kulaken, gegen deren
“übermäßige Besteuerung”, Bucharin, Rykow und Tomski drohten mit Niederlegung
ihrer Funktionen, wenn die Partei ihre Politik nicht ändere.191)
Stalin verwies darauf, “daß Bucharin im Auftrag der Gruppe hinter den Kulissen
Verhandlungen mit Kamenew führte, um einen Block der Bucharinleute mit den
Trotzkisten gegen die Partei und ihr ZK
zu organisieren....”192) Dieses Komplott zwischen Bucharin
und Kamenew ist im “Sotsialistitscheski Westnik vom 22. März 1929, ein in
Berlin erscheinendes Organ deutscher Trotzkisten, belegt.193)
Desgleichen findet die subversive Verschwörertätigkeit in der Zeitschrift der
französischen Trotzkisten “Contre le Courant ihre Bestätigung, die auch in
“Gegen den Strom”, Organ der KPD (Opposition), Berlin, Nr. 17, 27. April 1929,
S. 8, veröffentlicht wurde.194) Aus diesen trotzkistischen Blättern
geht eindeutig hervor, daß Bucharin, Tomski und Rykow mit Kamenew gegen Stalin
und Molotow, gegen die Mehrheit des ZK
intrigiert haben. Danach hat Bucharin gegenüber Kamenew geäußert:
“Wir sind der Meinung, daß
die Linie Stalins vernichtend für die ganze Revolution ist. Mit dieser Linie
geraten wir in den Abgrund. Die Differenzen zwischen uns und Stalin sind viel,
viel ernsthafter als alle Differenzen, die zwischen uns und Ihnen bestanden
haben.
Ich, Rykow und Tomski
schätzen die Situation übereinstimmend folgendermaßen ein: >Es wäre viel
besser, wenn wir im Politbüro anstelle von Stalin jetzt Sinowjew und Kamenew
hätten.< Darüber habe ich mit Rykow und Tomski ganz offenherzig gesprochen;
mit Stalin spreche ich schon einige Wochen nicht mehr; er ist ein
prinzipienloser Intrigant, der alles der Aufrechterhaltung seiner Macht
unterordnet....”195)
Auch wenn trotzkistischen
Blättern gegenüber Vorsicht geboten ist, der Sachverhalt stimmt mit anderen
Quellen überein.
Die Absprachen zwischen
Bucharin und Kamenew verdeutlichen, daß es nicht mehr um die Diskussion
unterschiedlicher ökonomischer Theorien ging, sondern daß die Bucharingruppe
auf den Sturz des ZK hinarbeitete. Bucharin befürchtete nicht zu unrecht, daß
sie im ZK keine Mehrheit für ihre Politik finden würden, denn “der mittlere
ZK-Funktionär” begreift “noch nicht die Tiefe der Meinungsverschiedenheiten,
...“.196) Nun ist das Komplott Bucharins mit Kamenew zum Sturz
Stalins als gewähltem Generalsekretär wohl nicht nur eine
“Meinungsverschiedenheit”.
In der Resolution des
gemeinsamen Plenums des ZK und der ZKK der KPdSU (B) (16. - 23. April 1929)
wurden die Auffassungen der Bucheringruppe ausführlich analysiert, als falsch
und schädlich zurückgewiesen, ihre geheimen Versuche, einen fraktionellen Block
gegen das ZK zu organisieren, verurteilt.197) Politbüro und ZKK
faßten den Beschluß:
a) das Verhalten Bucharins
und Sokolnikows (die Unterredung mit Kamenew) als fraktionellen Akt zu
verurteilen, der von der völligen Prinzipienlosigkeit Bucharins und Sokolnikows
zeugt und außerdem den elementarsten Forderungen der Gewissenhaftigkeit und
einfachen Anständigkeit widerspricht
b) das Verhalten Rykows und
Tomskis, die dem ZK und der ZKK die Tatsache der ihnen bekannten geheimen
Verhandlungen Bucharins mit Kamenew verheimlichten, als ganz und gar unzulässig
zu erklären.198)
Die Grundzüge der
Bucharinschen Wirtschaftskonzeption 199) bestanden in einer
Überbewertung der relativen Stabilisierung des Kapitalismus (die 1929 mit dem
Ausbruch der Weltwirtschaftskrise ohnehin zu Ende ging, UH), im Versöhnlertum
gegenüber der Sozialdemokratie, der Ablehnung des Kampfes gegen den “linken”
Flügel der Sozialdemokratie, der die Arbeiter hinderte, sich von der
Sozialdemokratie zu lösen, in der These, daß sich der Klassenkampf in der UdSSR
gegen die Kapitalisten in der NÖP-Periode in dem Maße abschwäche, wie der
sozialistische Aufbau vorankomme, daß die Kulaken in den Sozialismus
hineinwachsen würden. Der wachsende Widerstand der Kapitalisten in der UdSSR
ergäbe sich aus Unzulänglichkeiten der Organe der Sowjetmacht, als Reaktion auf
das Versagen des Staatsapparates. Mit Verbesserung des Apparates würde der
Widerstand der Kapitalisten aufhören.
Stalin meinte dazu, daß damit
“die Schädlingsarbeit der bürgerlichen Intellektuellen in Schachty, die eine
Form des Widerstands der bürgerlichen Elemente gegen die Sowjetmacht und eine
Form der Verschärfung des Klassenkampfes ist, sich nicht aus dem
Wechselverhältnis der Klassenkräfte, nicht aus dem Wachstum des Sozialismus,
sondern aus der Untauglichkeit unseres Apparats erklären.”200) Dies
sei “keine Erklärung, sondern Hohn auf eine Erklärung. Das ist keine
Wissenschaft, sondern Afterwissenschaft.”201)
Bucharin wolle den Markt, der
durch die regulierende Hand des Sowjetstaates in Grenzen gehalten wurde, von diesen
“Fesseln” befreien, eine “Normalisierung” des Marktes herbeiführen, die letzten
Endes “eine Ära der vollen Freiheit des privaten Handels eröffnen” würde.202)
Letztendlich sollte das Tempo der Industrialisierung gedrosselt, die Schaffung
von Genossenschaften und Sowjetwirtschaften gebremst, die Kulaken nicht zu hoch
besteuert werden. Stalin resümierte, daß zwei verschiedene Pläne der
Wirtschaftspolitik bestünden, der Plan der Partei und der Plan Bucharins.
Der Plan der Partei sah ein
schnelles Entwicklungstempo der Industrie vor als Schlüssel für die
Rekonstruktion der Landwirtschaft. Ohne Industrie keine Kollektivierung, keine
Mechanisierung der Landwirtschaft als Bedingung für die Steigerung der
Getreideproduktion. Ohne Steigerung der Getreideproduktion keine Erweiterung
der Viehwirtschaft, ohne Erweiterung der Viehwirtschaft keine bessere
Versorgung der Arbeiter mit Fleisch- und Molkereiprodukten. Zu dieser Zeit
wurde von den Kulaken noch immer das meiste Getreide angebaut, war die
Sowjetmacht noch immer abhängig von den dem Sozialismus feindlich eingestellten
Kulaken, die das Getreide horteten, um Wucherpreise zu erzwingen. Aber ohne
Industrialisierung, ohne Übergang zu Kollektiv- und Sowjetwirtschaften konnte
sich die Sowjetmacht nicht gegenüber den Kulaken und der NÖP-Bourgeoisie
behaupten. Industrialisierung oder Restauration des Kapitalismus, so stand die
Frage.
Bucharin dagegen wollte das
freie Spiel des Marktes, die Kulaken nicht zu hoch besteuern, die
Kollektivierung verlangsamen, die Industrialisierung bremsen, das
Getreidedefizit durch Kauf von Getreide aus dem Ausland beseitigen, wodurch
Valuta gebunden wurden, die für den Ankauf von Industrieanlagen vorgesehen
waren. Bucharin setzte auf die Entwicklung der individuellen Bauernwirtschaft,
was die Kulaken als die stärksten Einzelwirtschaften stärken mußte, damit den
Kapitalismus. Die kleinen und mittleren
Einzelbauern waren nicht mehr in der Lage, mit den bisherigen
Bearbeitungsmethoden die Getreideproduktion wesentlich zu erhöhen.203)
Im Rechenschaftsbericht an
den XVI. Parteitag (26. Juni - 13. Juli 1930) verwies Stalin auf die Folgen,
wäre die Partei der Konzeption Bucharins gefolgt und verglich sie hinsichtlich
ihrer Ergebnisse mit der Konzeption der Gruppe Trotzki-Sinowjew: „Was wäre geschehen,
wenn wir auf die Rechtsopportunisten aus der Gruppe Bucharins gehört
hätten, wenn wir auf die Offensive
verzichtet, das Entwicklungstempo der Industrie gedrosselt, die Entwicklung der
Kollektivwirtschaften und Sowjetwirtschaften gehemmt und uns auf die individuelle
Bauernwirtschaft gestützt hätten? Wir wären unweigerlich mit unserer Industrie
gescheitert, hätten die Sache der sozialistischen Rekonstruktion der
Landwirtschaft zugrunde gerichtet, wären ohne Getreide geblieben und hätten
der Vorherrschaft des Kulakentums den Weg geebnet. Wir säßen jetzt vor einem
Scherbenhaufen. Was wäre geschehen, wenn wir auf die ‘linken’ Opportunisten aus
der Gruppe Trotzki-Sinowjew gehört und die Offensive 1926/27 eröffnet hätten,
als wir keine Möglichkeit besaßen, die kulakische Produktion durch die
Produktion der Kollektiv- und Sowjetwirtschaften zu ersetzen? Wir hätten dabei
unweigerlich Fiasko erlitten, hätten unsere Schwäche demonstriert, die Position
des Kulakentums und der kapitalistischen Elemente überhaupt gestärkt, den
Mittelbauern dem Kulaken in die Arme getrieben, wir hätten unseren
sozialistischen Aufbau vereitelt und wären ohne Getreide geblieben. Wir säßen
jetzt vor einem Scherbenhaufen. Die Resultate wären die gleichen.“204)
Sechzig Jahre später hat Gorbatschow
diese Einschätzung Stalins auf seine Weise als richtig bestätigt. Die
Übereinstimmung der Wirtschaftspolitik Gorbatschows mit der Konzeption
Bucharins ist unübersehbar, was Walter Lagueur veranlaßte, von einer
“Kontinuität” von Bucharin zu Gorbatschow zu sprechen. Gorbatschow hat es
geschafft, in Umsetzung der Bucharinschen Konzeption die Sowjetunion in einen
“Scherbenhaufen” zu verwandeln.
Das Ende der
innerparteilichen Kämpfe ist bekannt. In den Prozessen von 1936 bis 1938 wurden
die führenden Funktionäre der parteifeindlichen Gruppierungen um Sinowjew,
Kamenew, Radek, Bucharin u.a. vor ein Militärtribunal gestellt, verurteilt und
erschossen. Die Akten zu diesen Prozessen sind bis heute der historischen Forschung
noch nicht zugänglich, so daß ich mich nicht dazu äußere. Die bisher
vorliegenden Publikationen variieren in ihren Beurteilungen zwischen “gerechten
Urteilen” und “Schauprozessen.” Es kann nicht überraschen, daß die
kapitalistischen Medien, in den 30er Jahren vor allem die Hearstpresse,
Renegaten, Revisionisten, Trotzkisten, diese Prozesse verurteilten und sich in
der Verteufelung Stalins als “paranoiden Massenmörder” und der Abqualifizierung
der Sowjetjustiz als “Unrechtsregime” gegenseitig überbieten.
Sie haben Stalin schon vor
diesen Prozessen mit allen nur denkbaren abwertenden Prädikaten
charakterisiert, wobei Trotzki, Sinowjew, Radek und Bucharin ein
bemerkenswertes Vokabular offenbarten. Die Methode der Diffamierung von
historischen Persönlichkeiten ist seit mehr als hundert Jahren bekannt, die der
französische Psychologe Gustave Le Bon 1895 in seinem Buch “Psychologie der
Massen” beschrieb: “Die reine, einfache, aller Vernünftelei und allen Beweises
bare Behauptung ist eines der sichersten Mittel, um der Massenseele eine Idee
einzuflößen ... Die Behauptung hat aber nur dann wirklichen Einfluß, wenn sie
ständig wiederholt wird, und zwar möglichst mit denselben Worten. Das
Wiederholte wird schließlich als eine bewiesene Wahrheit angenommen ... Lesen
wir täglich in der selben Zeitung, A sei ein ausgemachter Schuft und B ein
Ehrenmann, so glauben wir es schließlich...”204a)
Unverständlich ist, daß
selbst ernstzunehmende Kommunisten so unkritisch diese “historischen Urteile”
übernehmen und als eine Art unumstößlicher Wahrheit verbreiten, an der es
nichts zu zweifeln gibt.
Eins ist sicher: Durch die
Liquidierung der parteifeindlichen Gruppierungen in den 30er Jahren wurde ein
Bürgerkrieg in der Sowjetunion verhindert, der zu ihrer Zerstörung geführt hätte.
Vielleicht liegt gerade darin der Grund, daß Stalin in der bürgerlichen
Historiographie und Publizistik so vehement als “Verbrecher” diffamiert wird.
Das ist verständlich, denn welche grandiosen Möglichkeiten hätte sich den in
Deutschland an der Macht befindlichen Hitlerfaschisten und anderen
imperialistischen Mächten geboten, wenn sich die Sowjetunion in einem
Bürgerkrieg zerfleischt hätte!
Und genau das hat Stalin
verhindert!
In Beschlüssen und
Resolutionen der KPdSU (B) und der Komintern wurden die parteifeindlichen
Gruppierungen einmütig verurteilt, so auch in den Reden Stalins auf dem Plenum
des ZK der KPdSU (B) (3. und 5. März 1937) und im Rechenschaftsbericht an den
XVIII. Parteitag (10. März 1939).
Hier geht es aber um etwas
anderes. Auf dem Plenum des ZK ging Stalin auf ernste Mängel in der
Parteiarbeit ein, die die Tätigkeit von Partei- und Sowjetfeinden begünstigt
haben. Erfolge in der sozialistischen Wirtschaft können Selbstzufriedenheit,
ein übertriebenes Selbstbewußtsein erzeugen, zur Unterschätzung der Kräfte der
politischen Feinde, zu politischer Blindheit führen. So entstünde eine
Atmosphäre von Paradefeierlichkeiten, gegenseitigen Beglückwünschungen,
Überheblichkeit und Sorglosigkeit. Es träte eine Atmosphäre ein, in der “die
Menschen beginnen, solche unangenehmen Tatsachen zu übersehen wie die
kapitalistische Umkreisung, die neuen Formen des Schädlingswesens, die mit
unseren Erfolgen verbundenen Gefahren usw. Kapitalistische Umkreisung? Das ist
doch Unsinn! ... Neue Formen des Schädlingswesens, Kampf gegen Trotzkismus? All
das sind Lappalien! .... Merkwürdige Leute sitzen dort in Moskau, im ZK der
Partei, denken irgendwelche Fragen aus, reden von irgendwelchem
Schädlingswesen, schlafen selbst nicht und lassen andere nicht schlafen ...”205)
Stalin bezeichnete die
Auffassung, wonach der Klassenkampf im Zuge des sozialistischen Aufbaus “mehr
und mehr erlöschen müsse”, als “faule Theorie”. Die “Reste der zerschlagenen
Klassen in der UdSSR” würden nicht allein dastehen. “Sie genießen die direkte
Unterstützung unserer Feinde jenseits dar Grenzen der UdSSR. Es wäre ein Irrtum
anzunehmen, daß die Sphäre des Klassenkampfes sich auf das Gebiet der UdSSR
beschränke.”206)
Stalin ging auch auf die
Methoden der Schädlingsarbeit ein. “Kein einziger Schädling” würde “fortwährend
schädigen, ...” Dann wäre er schnell entlarvt. Von Zeit zu Zeit müsse er
“Erfolge” in der Arbeit aufweisen, sich Vertrauen erschleichen. Die Schädlinge
entfalten “ihre Schädlingsarbeit in vollem Umfang gewöhnlich nicht in Friedenszeiten,
sondern in einer Periode unmittelbar vor dem Kriege oder während des Krieges
selbst.”207) Dieser Satz ist sehr wichtig. Stalin hat ihn
berücksichtigt, wie sich noch zeigen wird.
Stalin verwies auf die
konterrevolutionäre IV. Internationale, die zu zwei Dritteln aus Spionen und
Diversanten bestehe. Wachsamkeit sei nach wie vor geboten. “Man muß erreichen,
daß es überhaupt keine trotzkistischen Schädlinge in unseren Reihen gibt.”208)
Im Falle eines Krieges
”werden das Hinterland und die Front unserer Armee, dank ihrer Homogenität und
inneren Einheit, fester sein ... als in irgendeinem anderen Lande, woran die
ausländischen Liebhaber kriegerischer Zusammenstöße denken sollten.”209)
Um diese Festigkeit ging es
Stalin, und, um hier vorzugreifen, die hat er erreicht, eine Festigkeit, die
die faschistische Wehrmachtsführung einschließlich ihres Oberbefehlshaber
Hitler, dem “größten Feldherren aller
Zeiten” (GRÖFAZ!), bei ihrem Überfall auf die Sowjetunion nicht in Rechnung
gestellt hatte.
So wunderte sich der General
Kurt von Tippelskirch nach dem Scheitern des “Blitzkrieges” und notierte in
seinem Tagebuch: “Spionage, die in Ländern mit freier Wirtschaft unter dem
Deckmantel einer harmlos erscheinenden wirtschaftlichen Scheintätigkeit ein
leichtes Spiel hatte, fand in der zentral gelenkten Wirtschaft der Sowjetunion
... kein Betätigungsfeld ...” “Man stand einem Feind mit stahlhartem Willen gegenüber, der mit brutalem Einsatz der
Kräfte und operativ nicht ohne Geschick führte....” Es wäre “schon zu erkennen:
hier handelte es sich nicht darum, in schnellen Schlägen ein Kartenhaus zum
Einsturz zu bringen. So leicht und planmäßig wie die früheren würde dieser
Feldzug nicht verlaufen.”210)
Der ehemalige Botschafter der
USA in der Sowjetunion J.E. Davis schrieb, daß es bei der Invasion der Nazis
hinter den russischen Linien keine “Arbeit im Innern” gegeben habe. “Es gab
keinen sogenannten ‘inneren Angriff’ in Rußland im Kontakt mit dem deutschen
Oberbefehl. Der Einmarsch in Prag 1939 vollzog sich unter aktiver militärischer
Unterstützung durch die Organisation Henleins in der Tschechoslowakei. Dasselbe
traf beim Einfall in Norwegen zu. Im heutigen Bilde der Sowjetunion fehlen die
Sudeten Henleins, die slowakischen Tisos, die belgischen Degrelles und die
norwegischen Quislinge.” In seinen Erinnerungen an seine Botschaftertätigkeit
bis 1941 fand er heraus, “daß so gut wie alle Kniffe und Umtriebe der deutschen
Fünften Kolonne, wie wir sie seither kennen gelernt haben, durch die
Geständnisse und Zeugenaussagen jener Prozesse (1937/38 UH) gegen die
‘bekennenden‘ Quislinge Rußlands enthüllt und bloßgelegt worden sind. ... Es
wurde mir klar, daß die Sowjetregierung vom Vorhandensein dieser Umtriebe
überzeugt war, sich aufs höchste beunruhigt fühlte und daranging, sie energisch
zu unterdrücken. Bis 1941, das heißt bis zum Einfall der Deutschen, hatten sie
jede Spur der vorher organisierten Fünften Kolonne ausgelöscht.”211)
In seinem Schlußwort auf dem
Plenum des ZK der KPdSU (B) (3. und 5. März 1937) “über die Mängel in der
Parteiarbeit”212) warnte Stalin vor einer Gefahr, die sich aus den
Prozessen und Parteireinigungen ergaben, der Gefahr einer Schädlingspsychose.
Es ginge darum, die “japanischen und deutschen Agenten des Trotzkismus” zu
schlagen und zu vernichten, aber nicht diejenigen, “die irgendeinmal nach der
Seite des Trotzkismus hin schwankten ...‚ die irgendeinmal in die Lage kamen,
durch die Straße zu gehen, durch die irgendeinmal dieser oder jener Trotzkist
gegangen ist ...” Es seien “solche Stimmen hier auf dem Plenum laut geworden.”
Stalin forderte ein
“individuelles, differenziertes Herangehen an die Menschen .... Man darf nicht
alle über einen Kamm scheren. So ein summarisches Verfahren kann der Sache des
Kampfes gegen die wirklichen trotzkistischen Schädlinge und Spione nur
schaden.”
Unter den verantwortlichen
Genossen gäbe “es eine gewisse Anzahl ehemaliger Trotzkisten, die sich schon
längst vom Trotzkismus abgewandt haben und den Kampf gegen den Trotzkismus
nicht schlechter, ja besser führen als mancher unserer verehrten Genossen, die
nie in die Lage gekommen sind, nach der Seite des Trotzkismus hin zu
schwanken....”
Es gäbe auch Genossen, die
“ideologisch stets gegen den Trotzkismus eingestellt waren, aber trotzdem
persönliche Beziehungen mit einzelnen Trotzkisten unterhielten, die sie
unverzüglich abbrachen, sobald ihnen die wahre Physiognomie des Trotzkismus
klargeworden war....”213)
Diese Passagen Stalins
verdeutlichen, daß in den 30er Jahren eine politisch-psychologisch angespannte
Situation in der Sowjetunion herrschte, die man dem Kontext nach als
“Schädlingspsychose” bezeichnen kann. Trotzki, Sinowjew und Bucharin hatten
nicht wenige Anhänger in der Partei. Sie waren einst Mitglieder des
Zentralkomitees, des Politbüros, bekleideten Spitzenfunktionen in der KPdSU (B)
und in der Komintern. Es konnte doch nicht alles falsch sein, was sie gesagt
haben! In den Mitgliederversammlungen gab es in dieser Zeit lebhafte
politisch-ideologische Diskussionen. Die Politisierung der Sowjetgesellschaft
war insgesamt hoch.
Mit der Entlarvung und
Zerschlagung der partei- und sowjetfeindlichen Gruppierungen waren die Anhänger
des Trotzkismus nicht verschwunden, die ideologischen Einflüsse der Ideen
Trotzkis und oder Bucharins auf nicht wenige Mitglieder und auch Funktionäre
noch nicht überwunden.
Hinzu kam ein weiterer
Umstand. Wer bestimmte denn nun, wer ein wirklicher trotzkistischer Agent,
Spion war, und wer nur in der einer oder anderen Frage noch trotzkistischen
Überzeugungen nachhing oder sich tatsächlich längst vom Trotzkismus gelöst
hatte. Ohne einer psychologisierenden Geschichtsschreibung das Wort zu reden,
psychologische Momente, Charaktereigenschaften der Menschen, sind in solchen
Situationen auch nicht zu vernachlässigen. Die Sowjetgesellschaft war noch
immer eine Klassengesellschaft. Sie war aus einer mit noch starken feudalen
Überresten durchsetzten kapitalistischen Gesellschaft hervorgegangen, erst
zwanzig Jahre alt, eine in historischer Sicht sehr kleine Zeitspanne. Der
Kapitalismus war in der NÖP noch gegenständlich vorhanden und von der
kapitalistischen Umwelt gingen auch noch ideologische Impulse aus. Die Menschen
in der Sowjetunion der 30er Jahre konnten sich den ganzen “alten Dreck” noch
nicht vom Leibe schaffen, um mit Marx zu sprechen. Dies traf auch auf die
Mitglieder und Funktionäre der KPdSU (B) zu. In einer solchen Atmosphäre konnte
ein Genosse sehr schnell als “Trotzkist”, als “Schädling” “entlarvt” werden,
der vielleicht irgendeine unqualifizierte Äußerung gemacht oder gar den
Parteisekretär kritisiert hatte. War der Kritiker nicht früher schon ein
Anhänger Trotzkis? Nun beweise mal, Genosse, daß Du kein Schädling bist!
Stalin wußte, wovon er
sprach. In einer solchen Atmosphäre konnten auch Unschuldige in die Mühlen der
Justiz geraten und verurteilt werden. Stalin hat sich mehrfach gegen solche
Exzesse gewandt, hat wiederholt verlangt, aus der Partei ausgeschlossene
Mitglieder zu rehabilitieren und in die Reihen der Partei wieder aufzunehmen.212a)
Es ergibt sich die Frage,
wer ist denn nun verantwortlich für die Entstehung einer solchen
“Schädlingspsychose”? Von der antikommunistischen Publizistik wird sie
natürlich Stalin angelastet.
Dieser Vorwurf hält einer
historischen Analyse jedoch nicht stand. Von den imperialistischen Mächten
wurde vom ersten Tag nach der Oktoberrevolution an eine in ihren Ausmaßen und
Intensität in der bisherigen Geschichte unbekannte Diversionstätigkeit gegen
Sowjetrußland, ab 1922 gegen die Sowjetunion durchgeführt. Dies ist
aktenkundig. Churchill haßte die Sowjetmacht vom ersten Tage ihrer Existenz an,
als Stalin international noch wenig bekannt war. Churchill war bemüht,
Deutschland und die Sowjetunion gegeneinander zu hetzen, auch dies aktenkundig.
Diese These des “sich gegenseitig totschlagen” wurde dann von Truman
übernommen. Die Aggressionspolitik, deren Höhepunkt der Überfall des
faschistischen deutschen Imperialismus auf die Sowjetunion 1941 war und die
atomare Bedrohung durch den US-Imperialismus seit 1945 sind
geschichtsnotorisch. Die imperialistischen Regierungen - direkt oder über
“private” Organisationen - haben einen
regelrechten Agenten-‚ Spionage- und Sabotagekrieg gegen die UdSSR geführt und
haben versucht, auch in der KPdSU ihr Agentennetz aufzubauen, wobei sie sich
auf die inneren Feinde in der Sowjetunion stützen konnten. Für die Situation in
den 30er Jahren tragen die inneren und äußeren Feinde der Sowjetunion die volle
Verantwortung. Stalins “Verbrechen” bestand darin, daß er dem dreckigen Spiel
des deutsch-faschistischen, des englischen und US-amerikanischen Imperialismus
einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht hat, daß er dieses Spiel
durchschaut und ihm seine eigenen Regeln aufgedrückt hat.
Abschließend zu diesem
Kapital und kennzeichnend für die Situation in den 30er Jahren sei noch einmal
Lenin zitiert aus seiner Schrift “Die proletarische Revolution und der Renegat
Kautsky” aus dem Jahre 1918:
“Der Übergang vom
Kapitalismus zum Kommunismus umfaßt eine ganze geschichtliche Epoche. Solange
sie nicht abgeschlossen ist, behalten die Ausbeuter unvermeidlich die Hoffnung
auf eine Restauration, und diese Hoffnung verwandelt sich in Versuche der
Restauration. Und nach der ersten ernsten Niederlage werfen sich die gestürzten
Ausbeuter, die ihren Sturz nicht erwartet, an ihn nicht geglaubt, keinen
Gedanken an ihn zugelassen haben, mit verzehnfachter Energie, mit rasender
Leidenschaft, mit hundertfachem Haß in den Kampf für die Wiedererlangung des
ihnen weggenommenen “Paradieses‚ für ihre Familien, die ein so schönes Leben
geführt haben und die jetzt von dem ‘gemeinen Pack’ zu Ruin und Elend (oder zu
‘gewöhnlicher’ Arbeit...) verurteilt werden. Und hinter den kapitalistischen
Ausbeutern trottet die breite Masse des Kleinbürgertums einher, von dem
Jahrzehnte geschichtlicher Erfahrungen in allen Ländern bezeugen, daß es
schwankt und wankt, daß es heute dem Proletariat folgt, morgen vor den
Schwierigkeiten der Umwälzung zurückschreckt, bei der ersten Niederlage oder
halben Niederlage der Arbeiter in Panik gerät, die Nerven verliert, sich hin
und her wirft, wehklagt, aus einem Lager in das andere überläuft ... wie unsere
Menschewiki und Sozialrevolutionäre.
Und bei einer solchen Lage
der Dinge, in der Epoche des verzweifelten, verschärften Kampfes, da die
Geschichte Fragen des Seins oder Nichtseins jahrhunderte- und
jahrtausendealter Privilegien auf die Tagesordnung setzt, von Mehrheit und
Minderheit, von reiner Demokratie, von Gleichheit des Ausbeuters mit dem
Ausgebeuteten zu reden, zu behaupten, die Diktatur sei nicht nötig - welch
bodenlose Borniertheit, welcher Abgrund von Philistertum gehört dazu!“214
Ulrich
Huar, Berlin
Plenum des ZK der KPdSU
(B) - Januar 1938
Informatorische
Mitteilung über das ordentliche Plenum des ZK der KPdSU (B)
Vor einigen Tagen fand das
ordentliche Plenum des Zentralkomitees der KPdSU (B) statt. Das Plenum
behandelte die Fragen der Tagung des Obersten Sowjets der UdSSR und faßte
entsprechende Beschlüsse. Das Plenum erörterte das Problem der „Fehler der
Parteiorganisationen beim Ausschluß von Kommunisten aus der Partei, die
formal-bürokratische Behandlung der Berufungen von aus der KPdSU (B)
Ausgeschlossenen und Maßnahmen zur Beseitigung dieser Mängel“ und faßte einen
entsprechenden Beschluß, der nachstehend veröffentlicht wird.
Außerdem behandelte das
Plenum des ZK eine Reihe von Wirtschaftsfragen und faßte entsprechende
Beschlüsse.
Das Plenum entband P.P.
Postyschew von seiner Funktion als Kandidat des Politbüros des ZK der KPdSU
(B).
Das Plenum nahm den Sekretär
des Moskauer Gebietskomitees der KPdSU (B) Gen. N.S. Chruschtschow als Kandidat
für das Politbüro des ZK der KPdSU (B) und Gen L.S. Mechlis als Mitglied in das
Organisationsbüro des ZK der KPdSU (B) auf.
Über Fehler der
Parteiorganisationen beim Ausschluß von Kommunisten aus der Partei, über die
formal-bürokratische Behandlung der Berufung von aus der KPdSU (B)
Ausgeschlossenen und Maßnahmen zur Beseitigung dieser Mängel (Beschluß des
Plenums des ZK der KPdSU (B))
Das Plenum des ZK der KPdSU
(B) hält es für notwendig, daß Augenmerk der Parteiorganisationen und ihrer
Leiter darauf zu lenken, daß bei der großen Arbeit zur Säuberung ihrer Reihen
von trotzkistischen rechten Agenten des Faschismus ernste Fehler und
Entstellungen begangen wurden, welche die Reinigung der Partei von Doppelzünglern,
Spionen und Schädlingen behindern. Trotz mehrmaliger Hinweise und Warnungen des
ZK der KPdSU (B) handhaben die Parteiorganisationen in vielen Fällen den
Ausschluß von Kommunisten aus der Partei völlig falsch und mit verbrecherischer
Leichtfertigkeit.
Das ZK der KPdSU (B) hat
mehrmals von den Parteiorganisationen und ihren Leitern verlangt, daß sie bei
der Entscheidung über den Parteiausschluß oder der Wiederaufnahme von zu
Unrecht aus der KPdSU(B) Ausgeschlossenen in die Partei die Parteimitglieder
aufmerksam und individuell zu behandeln haben.
Das Plenum des ZK der KPdSU
(B) hat in seinem Beschluß vom 5. März 1937 zum Referat des Genossen Stalin
„Über die Mängel der Parteiarbeit und die Maßnahmen zur Liquidierung der
trotzkistischen und anderer Doppelzüngler“ auf folgendes hingewiesen:
„Einigen unserer leitenden
Parteifunktionäre mangelt es an der nötigen Aufmerksamkeit gegenüber den
Menschen, den Parteimitgliedern, den Funktionären. Mehr noch, sie beschäftigen
sich nicht mit den Funktionären, wissen nicht, wie sie denken und wie sie sich
entwickeln, sie kennen ihre Kader überhaupt nicht. Gerade deshalb gibt es bei
ihnen keine individuelle Behandlung der Parteimitglieder und -funktionäre. Die
individuelle Behandlung aber ist die Hauptsache in unserer organisatorischen
Arbeit. Und gerade weil sie nicht individuell die Parteimitglieder und
-funktionäre beurteilen, handeln sie gewöhnlich aufs Geratewohl: entweder sie
loben sie grundlos und maßlos oder sie verprügeln sie ebenso grundlos und
maßlos und schließen sie zu Tausenden und Zehntausenden aus der Partei aus.
Einige unserer leitenden Parteifunktionäre suchen überhaupt in Zehntausenden zu
denken, ohne sich um den ‘Einzelnen’, um die einzelnen Parteimitglieder und um
deren Schicksal zu kümmern. Tausende und Zehntausende von Menschen aus der
Partei auszuschließen, halten sie für eine Kleinigkeit, und sie trösten sich
damit, daß unsere Partei groß genug ist und daß Zehntausende von
Ausgeschlossenen an der Lage der Partei nicht das geringste ändern können. Aber
so können sich nur solche Menschen zu Parteimitgliedern verhalten, die dem
Wesen der Sache nach zutiefst parteifeindlich sind.
Durch ein solches herzloses
Verhalten zu den Menschen, den Parteimitgliedern und -funktionären wird
künstlich Unzufriedenheit und Erbitterung in einem Teil der Partei geschaffen.
Es ist klar, daß die
trotzkistischen Doppelzüngler solche verbitterten Genossen leicht für sich
gewinnen und sie geschickt zu sich in den Sumpf trotzkistischer
Schädlingsarbeit ziehen können.“
In dem gleichen Beschluß des
Plenums des ZK der KPdSU (B) heißt es weiter: „Die Praxis des formalen und
herzlos bürokratischen Verhaltens zum Schicksal der einzelnen Parteimitglieder,
zum Ausschluß von Mitgliedern aus der Partei oder zur Wiederaufnahme von Ausgeschlossenen
ist scharf zu verurteilen.
Die Parteiorganisationen
werden verpflichtet, ein Maximum an Vorsicht und kameradschaftlicher Sorge bei
der Entscheidung über den Ausschluß aus der Partei oder über die Wiederaufnahme
von Ausgeschlossenen aus der Partei walten zu lassen.“
Im Brief vom 2. Juni 1936
„Über Fehler bei der Überprüfung der Berufungen derjenigen, die während der
Überprüfung und während des Umtausches der Parteidokumente ausgeschlossen
wurden“, hat das ZK der KPdSU (B) auf das leichtfertige und in einer Reihe von
Fällen herzlos beamtenmäßige Verhalten von Parteiorganen bei der Prüfung der
Berufungen von aus der Partei Ausgeschlossenen hingewiesen:
„Entgegen den Anweisungen des
ZK“, heißt es in diesem Brief, „werden die Berufungen Ausgeschlossener höchst
langsam geprüft. Viele Ausgeschlossene bemühen sich monatelang, die Behandlung
der von ihnen eingereichten Bemerkungen zu erreichen. Eine große Anzahl von
Berufungen wird behandelt, ohne mit den betreffenden persönlich Fühlung zu
nehmen, ohne die Erklärungen der Einspruch Erhebender zu prüfen, ohne letzteren
die Möglichkeit zu gewähren, die Gründe für den Parteiausschluß ausführlich
darzulegen.
In einer Reihe von
Rayon-Parteiorganisationen wurde eine ganz unzulässige Willkür gegenüber den
aus der Partei Ausgeschlossenen geduldet. Mitglieder, die wegen Verschleierung
ihrer sozialen Herkunft und wegen Passivität, jedoch nicht wegen feindlicher
Tätigkeit gegen die Partei und die Sowjetmacht aus der Partei ausgeschlossen
waren, verloren automatisch ihre Arbeit, ihre Wohnung u.dgl.m..
Auf diese Weise spielten die
leitenden Funktionäre dieser Parteiorganisationen, weil sie sich die
Richtlinien der Partei über die bolschewistische Wachsamkeit nicht wirklich zu
eigen gemacht hatten, durch ihre formal-bürokratische Einstellung zur
Behandlung der Berufungen von Mitgliedern, die bei der Überprüfung der
Parteidokumente ausgeschlossen worden waren, den Parteifeinden in die Hände.“
Man sieht, den örtlichen
Parteiorganisationen wurden warnende Hinweise gegeben.
Und dennoch, trotz alledem,
verharren viele Parteiorganisationen und ihre Leiter weiterhin bei ihrer
formalen und herzlos bürokratischen Einstellung zum Schicksal der einzelnen
Parteimitglieder.
Es sind nicht wenige
Tatsachen bekannt, daß Parteiorganisationen ohne irgendeine Überprüfung und
folglich unbegründet Kommunisten aus der Partei ausschließen, ihnen die Arbeit
nehmen, sie oft sogar völlig grundlos zu Volksfeinden erklären,
Gesetzwidrigkeiten begehen und gegenüber den Parteimitgliedern ganz willkürlich
verfahren.
So gibt es folgende
Beispiele: das ZK der KP (B) Aserbaidshans bestätigte auf einer einzigen
Sitzung am 5. November 1937 mechanisch den Ausschluß von 279 Personen aus der
Partei; das Stalingrader Gebietskomitee bestätigte am 26. November der
Ausschluß vor 69 Personen; das Gebietskomitee von Nowosibirsk bestätigte am 28.
November mechanisch die Beschlüsse der Rayonkomitees der KPdSU (B) über den
Ausschluß von 72 Personen aus der Partei; in der Regionsparteiorganisation von
Ordshonikidse hat das Parteikollegium der Kommission für Parteikontrolle beim
ZK der KPdSU (B) die Beschlüsse über den Ausschluß von 101 Kommunisten von 160
Personen, die Berufung eingelegt hatten, als falsch und völlig unbegründet
aufgehoben; in der Nowosibirsker Parteiorganisation mußten ebenso 51 Beschlüsse
von 80 aufgehoben werden; in der Rostower Parteiorganisation wurden 43
Beschlüsse von 66 aufgehoben; in der Stalingrader Parteiorganisation 58 von
103; in der Saratower 80 von 134; in der Kursker Parteiorganisation 56 von 92,
in der Organisation von Winniza 164 von 337 usw..
In vielen Rayons des
Charkower Gebiets gibt es unter dem Vorwand der „Wachsamkeit“ zahlreiche Fälle
ungesetzlicher Entlassungen und Weigerungen, den aus der Partei ausgeschlossener
und parteilosen Funktionären Arbeit zu geben. Im Rayon Smijewo wurden im
Oktober und November 1937 36 Lehrer grundlos entlassen und weitere 42 für die
Entlassung vorgesehen. Infolgedessen werden in den Schulen der Dörfer
Taranowka, Samostjashnoje, Skrypajewka und anderen kein Unterricht in
Geschichte, Verfassung der UdSSR, Russisch, Ukrainisch und Fremdsprachen
erteilt.
In der Stadt Smijewo erteilte
den Biologieunterricht in der Oberschule die Lehrerin Shurko, 1904 geboren,
Tochter eines Kollektivbauern, 8 Jahre pädagogische Dienstzeit; sie hat 4 Jahre
am Fernstudium des Pädagogischen Instituts teilgenommen.
In der Lokalzeitung erschien
eine Notiz, daß ihr Bruder, der als Pädagoge in der Stadt Isjum arbeitet,
Nationalist sei. Das genügte, um die Genn. Shurko zu entlassen. Im Zusammenhang
mit der Entlassung der Genn. Shurko wurde ihrem Mann das politische Mißtrauen
ausgesprochen und auch die Frage seiner Entlassung aufgeworfen. Bei der
Überprüfung stellte sich jedoch heraus, daß die Notiz über den Bruder der Genn.
Shurko eine Verleumdung darstellte und dieser nicht entlassen worden war.
In der Stadt Charkow wurde
die Funktionärin des Betriebskomitees des „Tinjakow“-Werkes, Genn. Einhorn, in
der Angelegenheit der verhafteten Trotzkistin Gorskaja von den Organen des
Volkskommissariats für Innere Angelegenheiten als Zeugin verhört. Über die
Aufforderung, zum Volkskommissariat für innere Angelegenheiten zu kommen,
machte sie dem Leiter der Kaderabteilung, Semenkow, Mitteilung, der sogleich danach
im Parteikomitee des Werks die Frage nach den Verbindungen der Genn. Einhorn
zu der Trotzkistin Gorskaja stellte. Darauf hin wurde die Genn. Einhorn ihrer
Funktion im Betriebskomitee enthoben und entlassen. Der Ehemann der Schwester
der Genn. Einhorn, der in der Redaktion der Lokalzeitung arbeitete, wurde
entlassen, weil er „keine Mitteilung über die Verbindungen der Schwester seiner
Frau mit Trotzkisten gemacht“ habe!
Das Kursker Gebietskomitee
der KPdSU (B) hat die Vorsitzende des Betriebskomitees der Zuckerfabrik von
Dmitro-Taranowo, die Genossin Iwantschenkowa, ohne jegliche Überprüfung und
ohne persönliche Rücksprache aus der Partei ausgeschlossen und ihre Verhaftung
durchgesetzt, indem es ihr die bewußte konterrevolutionäre Vorbereitung des
Auftretens des parteilosen Arbeiters Kulinitschenko auf der Wahlversammlung für
den Obersten Sowjet der UdSSR zuschrieb. Bei der Überprüfung wurde
festgestellt, daß die ganze „Schuld“ der Genossin Iwantschenkowa darin bestand,
daß der parteilose Arbeiter Kulinitschenko auf der Wahlversammlung, nachdem er
von seinem Leben erzählt hatte, bei seiner Rede aus dem Konzept geriet und
vergaß, den Familiennamen des Kandidaten für den Obersten Sowjet zu nennen.
In vielen Rayons des Gebiets
Kuibyschew wurde eine große Anzahl von Kommunisten mit der Begründung aus der
Partei ausgeschlossen, daß sie Volksfeinde seien. Allein die Organe des
Volkskommissariats für innere Angelegenheiten finden keinerlei Grund zur
Verhaftung dieser aus der Partei Ausgeschlossenen.
Zum Beispiel schloß das
Rayonkomitee der KPdSU (B) Bolschoje Tschernigowo 50 Personen von den insgesamt
210 Kommunisten, die der Rayon-Perteiorganisation angehören, aus der Partei aus
und erklärte sie zu Volksfeinden, während die Organe des Volkskommissariats für
Inneres bei 43 dieser Ausgeschlossenen keinen Grund für eine Verhaftung fanden.
Im Parteikollegium der Kommission für Parteikontrolle im ZK der KPdSU (B) für
das Gebiet Kuibyschew erscheinen viele von den Rayonkomitees der KPdSU (B) als
Volksfeinde Ausgeschlossenen mit der Forderung, sie entweder zu verhaften oder
das Schandmal von ihnen zu nehmen.
Das ZK der KPdSU (B) verfügt
über Angaben, daß es solche Tatsachen auch in anderen Parteiorganisationen
gibt.
Das Plenum des ZK der KPdSU
(B) ist der Meinung, daß alle diese und ähnliche Tatsachen in den
Parteiorganisationen vor allem deshalb verbreitet sind, weil es unter den Kommunisten
einzelne noch nicht entdeckte und entlarvte Kommunisten gibt, die Karrieristen
sind, die bestrebt sind, sich durch Parteiausschlüsse und durch Repressalien
gegen Parteimitglieder auszuzeichnen und hervorzutun, die bestrebt sind, sich
vor möglichen Anschuldigungen über Mangel an Wachsamkeit durch Anwendung von
wahllosen Repressalien gegen Parteimitglieder zu sichern.
Ein solcher karrieristisch
eingestellter Kommunist glaubt, daß, wenn einmal gegen ein Parteimitglied eine
Beschuldigung erhoben ist, auch dann, wenn diese eine falsche oder sogar
provokatorische ist, dieses Mitglied für die Organisation gefährlich ist und
man es möglichst schnell loswerden muß, um die eigene Wachsamkeit zu beweisen
und sich dadurch zu sichern. Deshalb hält er es für überflüssig, die gegen den
Kommunisten vorgebrachten Anschuldigungen objektiv zu prüfen und entscheidet
die Notwendigkeit seines Ausschlusses aus der Partei bereits vorher.
Ein solcher karrieristisch
eingestellter Kommunist, der sich hervortun will, verbreitet ohne jede
Überprüfung Panik wegen Volksfeinden und erreicht durch sein Schreien in
Parteiversammlungen mit Leichtigkeit unter irgendeiner formalen Begründung oder
ganz ohne eine solche den Ausschluß von Parteimitgliedern. Die
Parteiorganisationen stehen oft völlig unter dem Einfluß solcher
karrieristischer Schreier.
Einem solchen Karrieristen
ist das Schicksal der Parteimitglieder gleichgültig; er ist bereit, wissentlich
Dutzende von Kommunisten zu Unrecht aus der Partei auszuschließen, um selbst
als wachsam zu gelten. Er ist bereit, Parteimitglieder wegen geringfügiger
Vergehen aus der Partei auszuschließen, um sich „Verdienste“ bei der Entlarvung
von Feinden zuzuschreiben. Wenn aber die übergeordneten Parteiorgane die zu
Unrecht aus der Partei Ausgeschlossenen rehabilitieren, ist er nicht im
geringsten bestürzt, sondern nimmt die Pose eines Menschen an, der zufrieden
ist, daß er sich auf jeden Fall in bezug auf die „Wachsamkeit“ rückversichert
hat.
Die Parteiorganisationen und
ihre Leiter umgeben oft selbst solche „Kommunisten“ mit der Aureole von
wachsamen Kämpfern für die Reinheit der Partei, anstatt ihnen die Maske ihrer
heuchlerischen Wachsamkeit vom Gesicht zu reißen und sie zu entlarven.
Es ist an der Zeit, solche,
mit Verlaub zu sagen, Kommunisten zu entlarven und sie als Karrieristen
zu brandmarken, die bestrebt sind, sich durch Parteiausschlüsse
einzuschmeicheln, die bestrebt sind, sich durch Repressalien gegenüber
Parteimitgliedern rückzuversichern.
Es sind weiterhin viele
Tatsachen bekannt, daß getarnte Volksfeinde und doppelzünglerische Schädlinge
in provokatorischer Absicht die Eingabe von verleumderischen Beschuldigungen
gegen Parteimitglieder organisieren und unter dem Vorwand der Entfaltung der
Wachsamkeit den Ausschluß von ehrlichen und der Partei ergebenen Kommunisten
aus der KPdSU (B) anstreben, um so den Schlag von sich selbst abzulenken und
sich selbst in der Partei zu halten..
Der entlarvte Volksfeind, der
frühere Leiter des OPRO des Rostower Gebietskomitees der KPdSU (B), Schazki,
und seine Komplicen nutzten die politische Kurzsichtigkeit der führenden
Funktionäre des Rostower Gebietskomitees der KPdSU (B) dazu aus, ehrliche
Kommunisten aus der Partei auszuschließen, den Funktionären wissentlich
ungerechte Strafen aufzuerlegen und die Kommunisten auf jede Art zu verbittern.
Gleichzeitig unternahmen sie alles nur irgend Mögliche, um ihre
konterrevolutionären Kader in der Partei zu halten.
In demselben Gebiet, in
Rostow, veranlaßte die frühere Leiterin der Abteilung Schulen des Rostower
Gebietskomitees der KPdSU (B), die Volksfeindin Schestowa, im Auftrag einer
konterrevolutionären Organisation in der Parteiorganisation des Rostower
Pädagogischen Instituts den Ausschluß von ungefähr 30 ehrlichen Kommunisten aus
der Partei.
Der frühere Sekretär des
Kiewer Gebietskomitees der KP (B) der Ukraine, der Volksfeind Kudrjawzew,
stellte in den Parteiversammlungen den sich zu Wort meldenden Kommunisten
regelmäßig die provokatorische Frage: „Haben Sie denn wenigstens über jemand
eine Erklärung abgegeben?“ Infolge dieser Provokation wurden in Kiew beinahe
über die Hälfte der Mitglieder der Stadtparteiorganisation politisch
kompromittierende Erklärungen abgegeben, wobei sich die Mehrzahl der
Erklärungen als offensichtlich falsch und sogar provokatorisch erwies.
Die heute als feindlich
entlarvte Leitung des Rayonparteikomitees des „Barrikaden“-Viertels der Stadt
Stalingrad hat das seit 1917 der Partei angehörende Mitglied Mochnatkin, einen
ehemaligen roten Partisanen, den Leiter einer der größten Abteilungen des
Werkes „Rote Barrikaden“ wegen „antisowjetischer Äußerungen“ provokatorisch aus
der Partei ausgeschlossen und seine Verhaftung herbeigeführt. Wie sich bei der
Überprüfung herausstellte, bestanden diese „antisowjetischen Äußerungen“ darin,
daß Gen. Mochnatkin in einem Gespräch mit Genossen seine Unzufriedenheit
darüber geäußert hatte, wie herzlos der Dorfsowjet die Kinder des während des
Bürgerkrieges im Kampf gegen die Weißen gefallenen Kommandeurs der
Partisanenabteilung behandelte, in der Mochnatkin Adjutant des Kommandeurs
gewesen war. Gen. Mochnatkin wurde erst durch das Einschreiten der Kommission
für Parteikontrolle beim ZK der KPdSU (B) wieder aufgenommen.
Solche Beispiele
provokatorischer Tätigkeit von Parteifeinden, die sich in den Parteiapparat
eingeschlichen haben, gibt es auch in den Parteiorganisationen von Woronesh,
Krasnodar, Tscheljabinsk und anderer Städte.
Alle diese Tatsachen zeigen,
daß viele unserer Parteiorganisationen und ihre Leiter es bis jetzt noch nicht
verstanden haben, den geschickt getarnten Feind zu erkennen und zu entlarven,
der erstens seine feindliche Einstellung mit Geschrei über Wachsamkeit zu
tarnen und sich in der Partei zu halten versucht und der sich zweitens bemüht,
durch Repressalien unsere bolschewistischen Kader zu zerschlagen und
Unsicherheit und unnötiges Mißtrauen in unseren Reihen zu säen.
Ein solcher getarnter Feind
ist ein übler Verräter und Verleumder, er schreit gewöhnlich am lautesten über
Wachsamkeit und beeilt sich, möglichst viele zu „entlarven“, und er tut dies
alles, um seine eigenen Verbrechen vor der Partei zu verbergen und die
Aufmerksamkeit der Parteiorganisation von der Entlarvung der wirklichen
Volksfeinde abzulenken.
Ein solcher getarnter Feind
ist ein elender Doppelzüngler, der sich auf jede Weise bemüht, in den
Parteiorganisationen eine Atmosphäre unnötigen Mißtrauens zu schaffen, in der
man jedes Parteimitglied, das einen anderen von irgend jemand verleumdeten
Kommunisten verteidigt, sogleich fehlender Wachsamkeit und der Verbindung mit
Volksfeinden beschuldigt.
Ein solcher getarnter Feind
ist ein frecher Provokateur, der in den Fällen, wo die Parteiorganisation eine
gegen einen Kommunisten erhobene Beschuldigung nachzuprüfen beginnt, auf jede
Weise eine gespannte Situation für diese Überprüfung, eine Atmosphäre
politischen Argwohns um diesen Genossen schafft und dadurch anstelle einer
objektiven Behandlung dieser Angelegenheit einen Strom neuer Anzeigen gegen
ihn organisiert.
Statt daß die
Parteiorganisationen und ihre Leiter die provokatorische Tätigkeit eines
solchen getarnten Feindes entlarven und brandmarken, lassen sie sich oft von
ihm ins Schlepptau nehmen, schaffen für ihn eine Lage, in der die Verleumdung
ehrlicher Kommunisten ungestraft bleibt, und gehen selbst dazu über, massenhaft
unbegründete Parteiausschlüsse vorzunehmen, Strafen aufzuerlegen und
dergleichen mehr. Mehr noch, selbst nach der Entlarvung von Feinden, die sich
eingeschlichen haben und ehrliche Kommunisten verleumden, ergreifen unsere
leitenden Parteifunktionäre häufig keine Maßnahmen, um die Folgen zu
beseitigen, zu denen die Schädlingsarbeit in den Parteiorganisationen
hinsichtlich der unrechtmäßigen Ausschlüsse von Kommunisten aus der Partei
geführt hat. Es ist für alle Parteiorganisationen und deren Leiter die höchste
Zeit, den getarnten Feind, der sich in unsere Reihen eingeschlichen hat und
seine feindselige Haltung hinter scheinheiligem Geschrei über Wachsamkeit zu
verbergen und sich in der Partei zu halten sucht, um in ihr seine gemeine
Verräterarbeit fortzusetzen, zu entlarven und auszurotten.
Wodurch ist zu erklären, daß
unsere Parteiorganisationen bis jetzt weder die Karrieristen entlarvt und
gebrandmarkt haben, die sich durch Parteiausschlüsse hervorzutun und in den
Vordergrund zu schieben suchen, noch auch die getarnten Feinde in der Partei,
die hinter Geschrei über Wachsamkeit ihre feindliche Haltung zu verbergen und
sich in der Partei zu halten suchen, die sich bemühen, durch Anwendung von
Repressalien unsere bolschewistischen Kader zu zerschlagen und unnötiges
Mißtrauen in unseren Reihen zu säen?
Das ist zu erklären aus der
verbrecherisch leichtfertigen Einstellung zum Schicksal der Parteimitglieder.
Allen ist bekannt, daß sich viele unserer leitenden Parteifunktionäre als
politisch kurzsichtige, prinzipienlose Praktiker erwiesen haben, daß sie den
Volksfeinden und Karrieristen ermöglichten, sie hinters Licht zu führen, daß
sie leichtfertig zweitrangigen Funktionären die Entscheidung von Fragen
überließen, die das Schicksal von Parteimitgliedern betrafen, und daß sie es in
verbrecherischer Weise unterließen, diese Angelegenheit zu leiten.
Die Gebietskomitees,
Regionskomitees, die Zentralkomitees der nationalen Kommunistischen Parteien
und ihre Leiter versäumen es nicht nur, die parteifeindliche und dem
Bolschewismus fremde Praxis beim Ausschluß von Kommunisten aus der Partei zu
korrigieren, sondern tragen häufig selbst durch ihre falsche Leitung zu diesem
formalen und herzlos bürokratischen Verhältnis zu den Parteimitgliedern bei
und schaffen damit einen günstigen Nährboden für Karrieristen und getarnte
Parteifeinde. Es hat keinen einzigen Fall gegeben, daß Gebietskomitees,
Regionskomitees und Zentralkomitees der nationalen Kommunistischen Parteien
nach Klärung einer Angelegenheit die Praxis der unterschiedslosen und summarischen
Behandlung von Parteimitgliedern verurteilt und die Leiter der örtlichen
Parteiorganisationen für den unbegründeten und unrechtmäßigen Ausschluß von
Kommunisten aus der Partei zur Verantwortung gezogen hätten.
Die Leiter der
Parteiorganisationen sind der naiven Meinung, daß die Korrektur der Fehler in
bezug auf die unrechtmäßig Ausgeschlossenen die Autorität der Partei
untergraben und der Entlarvung der Volksfeinde schaden könne. Sie verstehen
nicht, daß jeder Fall eines unrechtmäßigen Parteiausschlusses Wasser auf die
Mühle der Parteifeinde ist.
In vielen Gebiets- und
Regionsorganisationen liegt eine große Anzahl von ungeprüften Berufungen vor,
die überhaupt nicht behandelt werden. Im Gebiet Rostow sind mehr als 2.500
Berufungen nicht überprüft, in der Region Krasnodar 2.000, im Gebiet Smolensk
2.300, im Gebiet Woronesh 1.200, im Gebiet Saratow 500 usw..
Die Gebietskomitees,
Regionskomitees und die Zentralkomitees der nationalen Kommunistischen
Parteien, die es ablehnten, Berufungen von Ausgeschlossenen zu überprüfen,
haben die Beschlüsse der Rayon- und Stadtkomitees der KPdSU (B) in dieser
Frage, entgegen dem Parteistatut, in unwiderrufliche und endgültige Beschlüsse
verwandelt.
Alles dies bedeutet, daß die
Gebietskomitees, Regionskomitees und die Zentralkomitees der nationalen
Kommunistischen Parteien es in Wirklichkeit unterlassen haben, die Tätigkeit
der örtlichen Parteiorganisationen in einer überaus wichtigen und brennenden
Frage, in der Frage des Schicksals von Parteimitgliedern, zu leiten, daß sie
die Entscheidung dieser Frage dem Selbstlauf und häufig der Willkür überlassen
haben.
Die Gebietskomitees,
Regionskomitees und die Zentralkomitees der nationalen Kommunistischen Parteien
fördern selbst die Praxis der massenweisen, unterschiedslosen
Parteiausschlüsse, indem sie diejenigen leitenden Parteifunktionäre straflos
ausgehen lassen, den Kommunisten gegenüber willkürlich verfahren.
Es ist an der Zeit, mit dem
den Bolschewiki fremden, formalen und herzlos bürokratischen Verhalten zu den
Menschen, den Parteimitgliedern Schluß zu machen.
Es ist an der Zeit zu
verstehen, daß:
„... die Partei zu einer sehr
bedeutenden und ernsten Angelegenheit für das Parteimitglied geworden ist und
die Mitgliedschaft in der Partei oder der Parteiausschluß ein großer Umschwung
im Leben des Menschen ist.“
Es ist an der Zeit zu
verstehen, daß:
„... für die einfachen
Parteimitglieder das Verbleiben in der Partei oder der Parteiausschluß eine
Frage auf Leben und Tod ...“ ist (Stalin).
Es ist an der Zeit zu
begreifen, daß das Wesen der bolschewistischen Wachsamkeit darin besteht, daß
man es versteht, den Feind zu entlarven, so listig und geschickt er auch sein
mag, in welches Gewand er sich auch hüllen mag, und nicht darin, wahllos oder
„auf alle Fälle“ alle, die einem in die Hände fallen, zu Dutzenden und
Hunderten aus der Partei auszuschließen.
Es ist an der Zeit zu
begreifen, daß die bolschewistische Wachsamkeit ein Maximum an Vorsicht und
kameradschaftlicher Sorge bei der Entscheidung von Fragen des
Parteiausschlusses oder der Wiederaufnahme in die Partei nicht nur nicht
ausschließt, sondern im Gegenteil voraussetzt.
Das Plenum des ZK der KPdSU
(B) fordert von allen Parteiorganisationen und ihren Leitern, daß sie die
bolschewistische Wachsamkeit der Massen der Parteimitglieder im höchsten Grad
verstärken, daß sie alle freiwilligen und unfreiwilligen Parteifeinde entlarven
und ausmerzen. Das Plenum des ZK der KPdSU (B) hält die völlige Liquidierung
der die Partei schädigenden Praxis der unterschiedslosen, nicht individuellen
und summarischen Behandlung der Menschen, der Parteimitglieder für die
wichtigste Voraussetzung zur erfolgreichen Lösung dieser Aufgabe.
Das Plenum des ZK der KPdSU
(B) beschließt:
Die Gebietskomitees,
Regionskomitees, die Zentralkomitees der nationalen Kommunistischen Parteien
und alle Parteiorganisationen werden verpflichtet, endgültig Schluß zu machen
mit den rnassenweisen wahllosen Parteiausschlüssen und eine wirklich
individuelle, differenzierte Behandlung bei der Entscheidung über den
Parteiausschluß oder die Wiederaufnahme von Mitgliedern herbeizuführen.
Die Gebietskomitees,
Regionskomitees und die Zentralkomitees der nationalen Kommunistischen Parteien
werden verpflichtet, diejenigen leitenden Parteifunktionäre ihrer Funktionen
zu entheben und seitens der Partei zur Verantwortung zu ziehen, die die
Direktiven des ZK der KPdSU (B) nicht erfüllen, Mitglieder und Kandidaten der
KPdSU (B) ohne sorgfältige Überprüfung aller Materialien aus der Partei
ausschließen und Willkürhandlungen gegenüber den Parteimitgliedern begehen.
Die Gebietskomitees,
Regionskomitees, die Zentralkomitees der nationalen Kommunistischen Parteien
und die Parteikollegien der Kommission für Parteikontrolle beim ZK der KPdSU
(B) werden beauftragt, innerhalb von 3 Monaten die Überprüfung der Berufungen
aller aus der Partei Ausgeschlossenen abzuschließen.
Alle Parteikomitees werden
verpflichtet, in ihren Beschlüssen über den Ausschluß von Kommunisten aus der
Partei klar und genau die Motive darzulegen, die als Begründung für den
Ausschluß gedient haben, damit die übergeordneten Parteiorgane die Möglichkeit
haben, die Richtigkeit dieser Beschlüsse zu überprüfen. Jeder solcher Beschluß
eines Rayon-, Stadt- oder Gebietekomitees bzw. eines Zentralkomitees einer
nationalen Kommunistischen Partei ist unbedingt in der Presse zu
veröffentlichen.
Es wird festgelegt, daß die
Parteiorgane bei der Wiederaufnahme von Parteimitgliedern, die von den
örtlichen Parteiorganisationen zu Unrecht ausgeschlossen wurden, verpflichtet
sind, in ihren Beschlüssen genau anzugeben, welches Rayon- oder Stadtkomitee
der KPdSU (B) dem Wiederaufgenommenen die Parteidokumente auszuhändigen hat.
Die Rayon- und Stadtkomitees
der Partei werden verpflichtet, den Wiederaufgenommenen unverzüglich die
Parteidokumente auszuhändigen, sie zur Teilnahme an der Parteiarbeit
heranzuziehen und allen Mitgliedern der Grundorganisationen klarzumachen, daß
sie für die bolschewistische Erziehung der in die KPdSU (B) Wiederaufgenommenen
verantwortlich sind.
Die Parteiorganisationen
werden verpflichtet, Personen vor der Partei zur Verantwortung zu ziehen, die
sich der Verleumdung von Parteimitgliedern schuldig gemacht haben, diese
Parteimitglieder völlig zu rehabilitieren und in den Fällen ihre Beschlüsse in
der Presse zu veröffentlichen, in denen vorher diskreditierendes Material über
diese Parteimitglieder erschienen war.
Den Parteiorganisationen wird
verboten, den Ausschluß eines Kommunisten aus der Partei vor der Überprüfung
der Berufung und vor dem Zustandekommen eines endgültigen Beschlusses über den
Ausschluß in die Registrierkarte einzutragen.
Die falsche und schädliche
Praxis, die aus der KPdSU (B) Ausgeschlossenen sofort aus ihrer Arbeit zu
entlassen, wird verboten. Es wird angeordnet, daß in all den Fällen, in denen
es sich im Zusammenhang mit dem Ausschluß aus der KPdSU (B) als notwendig
erweist, den Funktionär seiner Stellung zu entheben, diese Entlassung nur
vorgenommen werden kann, nachdem ihm eine andere Arbeit nachgewiesen wurde.
Die Gebiets- und
Regionskomitees sowie die Zentralkomitees der nationalen Kommunistischen
Parteien werden verpflichtet, über die entsprechenden Sowjet- und
Wirtschaftsorgane dafür zu sorgen, daß die aus der KPdSU (B) Ausgeschlossenen
bis spätestens 15. Februar 1938 eine Arbeit aufnehmen, und in Zukunft nicht
mehr zu dulden, daß aus der KPdSU (B) Ausgeschlossene ohne Arbeit bleiben.
„Prawda“ Nr. 19, 19. Januar
1938; Quelle: Die Kommunistische Partei
der Sowjetunion und Resolutionen und Beschlüssen der Parteitage, Konferenzen
und Plenen des ZK. Band IX, Berlin 1957.
1.)
Leo Trotzki: Mein Leben. Versuch einer Autobiographie. Berlin 1990, S. 521 -
530.
2.)
Ebd. S. 521.
3.)
Ebd. S. 522.
4.)
Ebd.
5.)
Ebd.
6.)
Ebd.
7.)
Ebd.
8.)
Ebd. S. 523.
9.)
Siehe Kurt Gossweiler: Betrachtungen zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt
von 1939. In: Kurt Gossweiler: Wider den Revi-sionismus. München 1997, S. 167 -
191.
10.)
Trotzki: Mein Leben, a.a.O., S. 523.
11.)
Ebd. S. 524.
12.)
Ebd. S. 525.
13.)
Ebd. S. 527 f.
14.)
Lenin: Brief an den Parteitag, 22. Dezember 1922. In: LW 36/579.
15.)
Zu Bucharin siehe Ulrich Huar: Stalin als Theoretiker des Marxismus-Leninismus,
Teil II-2, Beiträge zur politischen Ökonomie des Sozialismus. In: Schriftenreihe
für marxistisch-leninistische Bildung der Kommunistischen Partei Deutschlands,
Heft Nr. 86/II-2, Berlin, August 2002, S. 3 - 10. (im weiteren
“Schriftenreihe...” genannt.). Der Bucharin-Biograph A.G. Löwy verweist darauf,
daß es ihm unmöglich war, aus den ihm “zur Verfügung stehenden Quellen
verläßliche Daten über Bucharins Leben zu entnehmen. In der westlichen
Literatur fanden sich nur die widersprüchlichsten Angaben über seine
Le-bensweise...”, so daß er das “erforderliche Quellenstudium” durch Gespräche
aus dem persönlichen Bekanntenkreis Bucharins er-gänzen” mußte. Solche in
Gesprächen er-worbenen Kenntnisse dürften nicht frei von Subjektivismus sein
und sind nur mit Vorsicht zu berücksichtigen. A.G. Löwy: Die Welt-geschichte
ist das Weltgericht. Leben und Werk Nikolai Bucharins. Wien 1990, S. 8.
16.)
LW 26/464.
17.)
Oh.L. Montesquieu: Vom Geist der Gesetze. Buch XIV - XVIII, hrsg. von K.
Weigand. Stuttgart 1965, S. 221.
18.)
Die Wahrheit über Stalin. Gespräch mit Richard Iwanowitsch Kosolapow. In:
Schrif-tenreihe... Berlin, September, Heft Nr. 45 S. 23. Die Kommunistische
Partei der Sowjetunion in Resolutionen und Beschlüssen der Parteitage,
Konferenzen und Plenen des ZK, Band IX. Berlin 1957, S. 229 - 244. (im weiteren
KPdSU in R. u. B. genannt.)
19.)
Isaak Deutscher: Stalin. Eine politische Biographie. Berlin 1990, S. 377.
20.)
Ebd. S. 378.
21.) LW 21/345.
22.) LW 23/52.
23.) Ebd. S. 74.
24.)
Ebd. S. 92.
25.)
Ebd. S. 356.
26.)
LW 24/298 - 301.
27.)
LW 25/358 und 369 f.
28.)
LW 26/77.
29.)
Ebd. S. 273.
30.)
Ebd. S. 442 - 446, 471.
31.) LW 27/49.
32.) Ebd. S. 338.
33.) LW 29/42.
34.)
Ebd. S. 330.
35.)
LW 30/147.
36.)
LW 31/391 und 393.
37.)
Ebd. S. 405.
38.) Ebd. 427.
39.) LW 32/335.
40.) LW 33/488.
41.)
Am 4. Juli 1917 ließ die Regierung Kerenski eine friedliche Demonstration von
Arbeitern und Soldaten durch konterrevolu-tionäre Truppen zusammenschießen.
Damit war die Möglichkeit eines friedlichen Übergangs der Macht an die Sowjets
nicht mehr gegeben. Ab Juli herrschte eine konterrevolutionäre
Militär-diktatur. Lenin setzte nunmehr den bewaffneten Aufstand, dessen
Verbindung mit der Massen-bewegung der Arbeiter, Bauern und Soldaten, auf die
Tagesordnung. Siehe hierzu Lenin: Die politische Lage, - Zu den Losungen, -
Eine Antwort. LW 25/174 - 176, 181 - 139, 209 - 220.
42.)
Siehe Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion in sechs Bänden. Bd.
III, 1. Buch, Moskau 1971, S. 219. (im weitern GKPdSU/6 genannt).
43.) SW 3/161.
44.) Ebd. S. 159 f.
45.)
VI. Parteitag der SDAPR (Bolschewiki). Protokolle. S. 104 f. russ. Zitiert nach
GKPdSU/6, III/1, a.a.O., S. 217.
46.) Ebd. S. 219.
47.) SW 3/172 f.
48.)
SW 6/323 - 339. Trotzkis Theorie der “permanenten Revolution” ist nicht zu
ver-wechseln mit der Forderung von Marx und Engels “...die Revolution permanent
zu machen” aus dem Jahre 1850 in Auswertung der europäischen Revolutionsperiode
1848 - 1850. Bei Marx/Engels heißt es: “...Während die demokratischen
Kleinbürger die Revolution möglichst rasch und unter Durchführung höchstens
der obigen Ansprüche zum Abschluß bringen wollen, ist es unser Interesse und
unsere Aufgabe, die Revolution permanent zu machen, so lange, bis alle mehr
oder weniger besitzenden Klassen von der Herrschaft verdrängt sind, die
Staatsgewalt vom Proletariat erobert und die Assoziation der Proletarier nicht
nur in einem Lande, sondern in allen herrschenden Ländern der ganzen Welt so
weit vorgeschritten ist, daß die Konkurrenz der Proletarier in diesen Ländern
aufgehört hat und das wenigstens die entscheidenden produktiven Kräfte in den
Händen der Proletarier konzentriert sind. Es kann sich für uns nicht um
Veränderung des Privateigentums handeln, sondern nur um seine Vernichtung,
nicht um Vertuschung der Klassengegensätze, sondern um Aufhebung der Klassen,
nicht um Verbesserung der beste-henden Gesellschaft, sondern um Gründung einer
neuen.” MEW 7/247 f.
49.) SW 6/327.
50.)
Ebd. S. 324 f.
51.)
Ebd. S. 327. Hervorhebungen im Original.
52.)
Ebd. S. 329.
53.)
Ebd. S. 331.
54.)
Ebd. S. 332.
55.)
Ebd. S. 334.
56.)
Ebd.
57.)
Ebd. S. 334 f.
58.)Ebd.
S. 336.
59.)
Ebd.
60.)
SW 7/14.
61.)
Ebd. S. 14 f. Stalin ließ in diesem Brief den folgenden Satz Lenins weg, den
ich hier vollständig zitiere: “Das ist noch nicht die Errichtung der sozialistischen
Gesellschaft, aber es ist alles, was zu dieser Errichtung notwendig und
hinreichend ist.” LW 33/454. In der Polemik gegen Trotzki im Mai 1925 zitiert
Stalin diesen Passus dann vollständig. SW
7/100.
62.) SW 7/15 f.
63.)
Ebd. S. 94 - 104.
64.)
Ebd. S. 96.
65.)
Ebd. S. 96 f.
66.)
Ebd. S. 98 - 101.
67.)
Ebd. S. 101. (Lenin, Werke, 4. Aus-gabe, Bd. 27, S. 336. russ. In der
deutschsprachigen Ausgabe konnte ich dieses Zitat nicht finden.)
68.) Ebd. S. 102.
69.) SW 8/10 - 81.
70.)
SW 6/62 - 166.
71.)
SW 8/54 und SW 6/94 f.
72.) SW 8/55.
73.) Ebd. S. 55 f.
74.)
Ebd. S. 59 - 61.
75.)
Ebd. S. 63. Siehe die KPdSU in R. u. B., a.a.O., V/250.
76.) SW 8/64 - 66.
77.) Ebd. S. 192 - 208.
78.)
Ebd. S. 194 f.
79.)
Ebd. S. 197.
80.)
Ebd. S. 247.
81.)
Ebd. S. 248.
82.)
Ebd. S. 249. Pompadour: Typus eines bornierten und starrsinnigen Provinzgewaltigen
aus dem Werk des russischen Satirikers Saltykow-Schtschedrin “Die Pompadoure
und ihre Damen.”
83.)
MEW 7/97.
84.)
MEW 19/111. Es empfiehlt sich, den ganzen Brief zu lesen, S. 107 - 112.
85.) MEW 18/663 - 674.
86.) Ebd. S. 674.
87.) Ebd. S. 667.
88.) MEW 7/19 f.
89.)
SW 8/250.
90.)
Die KPdSU in R. und B., a.a.O., Bd. IV., S. 263.
91.)
Ebd. Bd. V., S. 171.
92.)
Deutscher, a.a.O., S. 209 f.
93.)
SW 8/262.
94.)
Die KPdSU in R. und B., a.a.O., Bd. IV, S. 246.
95.) SW 8/264.
96.)
Ebd. S. 279.
97.)
Ebd.
98.)
Siehe Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. In: LW 22/189 - 309.
99.) SW 8/281.
100.) SW 8/283
101.) LW 21/409.
102.) SW 8/284 f.
103.) LW 9/74, 75, 87, 90.
104.) SW 8/292 - 297.
105.) Ebd. S. 297 - 313.
106.)
Ebd. S. 297.
107.)
Ebd. S. 293 f.
108.)
Ebd. S. 299 - 301.
109.)
Ebd. S. 301.
110.)
Ebd.
111.)
Ebd. S. 302.
112.)
Ebd. S. 302 f.
113.)
Ebd. S. 303. LW, 4. Ausgabe, Bd. 21, S. 381 f. russ. In der deutschsprachigen
Ausgabe der Lenin-Werke habe ich diesen Artikel nicht gefunden. Er muß dem
Kontext nach 1915 geschrieben worden sein.
114.)
SW 8/304. Die KPdSU in R. und B., a.a.O., Bd. V., S. 250 f. Das Leninzitat
siehe 2.2.1. Lenins Theorie vom Sozialismus in einem Land.
115.) SW 8/313 - 315
116.) Ebd. S. 316.
117.)
Ebd. Siehe GKPdSU/6, a.a.O., Bd. IV/1, S. 387 - 396. Siehe Trotzkis Brief an
die Oppo-sitionellen, September 1926. - Anlage zum stenographischen Protokoll
der Sitzungen des Politbüros vom 8. und 11. Oktober 1926.
118.)
Ebd. S. 391.
119.)
Ebd. S. 389.
120.)
Ebd. S. 393.
121.) Ebd. S.
396.
122.) SW 9/3 - 132.
123.)
Ebd. S. 3 f.
124.)
Ebd. S. 7
125.)
Ebd. S. 8., MEW 35/374. Der Brief von 1885 in MEW 36/365.
126.) SW 9/18 - 20.
127.) Ebd. S. 22.
128.)Ebd. S. 24.
129.) GKPdSU/6, a.a.O., Bd. IV/1, S. 518 und 519.
130.) SW 9/33.
131.) Ebd. S. 44.
132.)
Ebd. S. 45.
133.)
Ebd. S. 47.
134.)
Ebd. S. 48.
135.)
Ebd. S. 49.
136.)
Ebd. S. 114.
137.)
Ebd.
138.)
Ebd. S. 127.
139.)
Ebd. S. 127 und 128.
140.)
Ebd. S. 128.
141.)
Ebd. S. 129 f. Siehe auch GKPdSU/6, Bd.
IV/1, S. 512 - 522.
142.)
Ebd. S. 517.
143.)
Deutscher, a.a.O., S. 379.
144.)
Ebd.
145.)
SW 6/290 - 319.
146.)
Ebd. S. 312.
147.)
Ebd. S. 313.
148.)
Ebd. S. 315.
149.)
Ebd. S. 316.
150.)
Ebd. S. 317.
151.)
Ebd. Siehe Leo Trotzki: Über Lenin. Essen. Arheiterpresse, 1996, S. 112 f.; Die
Kritik Stalins an diesem Buch ist noch sehr zurückhaltend. Lenin werden von
Trotzki Äußerungen unterstellt, die er nicht belegen kann.
152.) SW 6/317.
153.) Ebd. S. 318.
154.) SW 7/306 - 340.
155.) Ebd. S. 330.
156.)
Ebd. S. 333 f.
157.)
Ebd. S. 339.
158.)
Siehe Vereinigtes Plenum des ZK und der ZKK der KPdSU (B), 29. Juli - 9. August
1927. In: SW 10/3 - 74.
159.)
Fremdwörterbuch des VEB Biblio-graphisches Institut, Leipzig 1954.; Friedhelm
Hübner: Fremdwörterbuch. Deutsche Bibli-othek. (Bassermann-Ratgeber)
Niederhausen/Ts. 1995.
160.) SW 10/46.
161.) Ebd. S. 47.
162.)
Ebd. S. 51 f.
163.)
Ebd. S. 72 f.
164.)
Ebd. S. 133 - 145.
165.)
Ebd. S. 138.
166.)
Ebd. S. 141.
167.)
Ebd.
168.)
LW 36/577 - 596. Auf diese Briefe wurde bereits in dem Heft “Stalins Beiträge
zur Theorie der nationalen Frage”, Schriftenreihe für marxistisch-leninistische
Bildung der Kommunistischen Partei Deutschlands, Heft 86/1, Juni 2002, S. 33
und in “offensiv”, Zeitschrift für Frieden und Sozialismus, Heft 5/2002, S. 30
verwiesen.
169.)
LW 36/580.
170.)
Ebd. S. 578 und 580.
171.)
A.G. Löwy: Die Weltgeschichte ist das Weltgericht. Leben und Werk Nikolai
Bucharins, Wien 1969/1990, S. 193.
171
a.) Die Wahrheit über Stalin, Gespräch mit R.I. Kosolapow. Schriftenreihe...,
a.a.O., S. 13 f.
172.) LW 36/579.
173.) Ebd.
174.) SW 10/150 f.
175.)
Ebd. S. 151.
176.)
Ebd. S. 153.
177.)
Ebd. S. 155.
178.)
LW 32/246.
179.)
Ebd. S. 248. Dieser Absatz wurde auf Beschluß des Parteitages nicht veröffentlicht.
Erst auf der XIII. Konferenz der KPR (B) am 17. Januar 1924 wurde er
veröffentlicht. KPdSU in R. u. B., a.a.O., Bd. IV,
S. 270.
180.) SW 11/280 - 284. Es handelt sich um eine
Erstveröffentlichung, zu der kein Datum und kein Ort angegeben ist.
181.)
Ebd. S. 260 f.
182.)
KPdSU in R. u. B., a.a.O., Bd. VI, S. 331f.
183.) Ebd. Bd. VII, S. 96 f.
184.) SW 11/281 ff.
185.)
Ebd. S. 283.
186.)
Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Moskau 1959) Berlin
1960, S. 611.
187.)
GKPdSU/6, Bd. IV/2, S. 296. Hier wird nur von “Umtrieben feindlicher Kräfte”
gesprochen.; Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Moskau
1969) Berlin 1971, S. 535. Hier ist nur von einem Einzeltäter die Rede, der
“erfüllt war von Feindschaft und Haß gegen die Partei und ihre leitenden
Funktionäre, die konsequent die auf den Sieg des Sozialismus gerichtete
Generallinie der Partei verfolgten.” Nach dieser Lesart hatte Stalin wohl mit
der “Generallinie” nichts zu tun!?
188.)
Geschichte der Kommunistischen Partei (Bolschewiki) Kurzer Lehrgang, 1938,
Berlin 1946, S. 394 f.
189.)
Siehe Schriftenreihe... Beiträge zur politischen Ökonomie das Sozialismus Heft
Nr. 86 II - 2, Berlin, August 2002, S. 7 - 9 und S. 18 oder “Offensiv”
Zeitschrift für Sozialismus und Frieden, 8/02, S. 41 - 44 und S. 50.
190.) SW 11/235.
191.) Ebd. S. 286.
192.)
Ebd.
193.)
Siehe Nikolai Bucharin: 1929 - Das Jahr des großen Umschwungs, Berlin 1991, S.
132 - 138.
194.)
Ebd. S. 139 - 141.
195.)
Ebd. S. 132 f.
196.)
Ebd. S. 134.
197.)
Siehe KPdSU in R. u. B., a.a.O., Bd. VII. S. 190 - 218.
198.)
Ebd. S. 203.
199.)
Siehe Über die rechte Abweichung in der KPdSU (B), In SW 12/1 - 95.
200.)
Ebd. S. 32.
201.)
Ebd. S. 33.
202.)
Ebd. S. 39.
203.)
Ebd. S. 54 - 56. Siehe auch Schriftenreihe... Beiträge zur politischen Ökonomie
des Sozialismus, Heft 86/II - I, Abschn. III und IV. S. 20 - 47 oder
“Offensiv”, a.a.O., S. 16 - 38.
204.) SW 12/270 f.
204 a). G.Le Bon: Psychologie der Massen, Stuttgart 1960, S.
102. Zit. nach W. Walther: Der andere Krieg, Leipzig 1983, S. 17.
205.) SW 14/132.
206.) Ebd. S. 136.
207.)
Ebd. S. 138.
208.)
Ebd. S. 140.
209.)
Ebd. S. 210.
210.)
Zitiert nach G.K. Shukow: Erinne-rungen und Gedanken, Bd. 1, Moskau 1969/Berlin
1970, S. 369 und 372.
211.)
J.E. Davis: Als USA-Botschafter in Moskau. Authentische und vertrauliche
Berichte über die Sowjetunion bis Oktober 1941. S. 210 und 211. Zürich 1943.
212.)
SW 14/144 - 160.
212
a.) Siehe Anlage: Plenum des ZK der KPdSU (B), Januar 1938.
213.) SW 14/146
214.) LW 28/252 f.
Mi,
26.3.03, Darmstadt,
Heiner-Lehr-Bürgerzentrum,
Kopernikusplatz 1,
19.30
h
Do,
27.3.03, Heidelberg,
Eine-Welt-Zentrum,
Karlstorbahnhof,
20.00
h
Fr,
28.3.03, Gelsenkirchen,
Alternative
e.V., Overwegstr. 53,
19.00
h
Fr,
4.4.03, Jena,
Stadtteilzentrum
„Lisa“, Werner-Seelenbinder-Straße,
18.00
h
Sa,
5.4.04, Berlin,
Veranstaltung
im kleinen Kreis. Info: Tel.u.Fax: 030 – 51066801
Mo,
7.4.03, Berlin,
Altes
ND-Haus, Franz-Mehring-Platz 1,
19.00 h
Di, 8.4.03, Schwedt,
Kulturbund
e.V., Berliner Straße (Kosmonaut),
19.00
h
Mi,
9.4.03, Strausberg,
Restaurant
„Sticker“, Garzauer Chaussee 1,
18.00 h
Do, 10.4.03, Leipzig,
Stadtteilzentrum
„Messemagistrale“ Str. d. 18. Okt. 10 A, 1
8.00
h
Fr,
11.4.03, Potsdam,
Rosa-Luxemburg-Stiftung,
Dortustr. 53,
19.00
h
Sa,
12.4.03, Bernau,
Treff
23, Breitscheidtstraße,
10.00
h