Zeitschrift für Sozialismus und Frieden 5/03

Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik (i.G.)

Spendenempfehlung: 1,60 E

 

Ausgabe: März-April 2003

 

Redaktionsnotiz

Golfkrieg und Imperialismustheorie

Frank Flegel: Der Krieg widerlegt die Theorien von „Hegemonismus" und „kollektivem Imperialismus"

Zum 50. Todestag Stalins *

Kurt Gossweiler: Gedanken zum 50. Jahrestag des Todes von J.W.Stalin

Hans Stahl: Es rettet uns kein höh´res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

Fragen der Politischen Ökonomie des Sozialismus *

Ingeborg Böttcher: „Die Crux (Das Kreuz) mit dem Wertgesetz" (Zum gleichnamigen Artikel von Hermann Jacobs in Offensiv September/Okotober 2002), Teil 1

Probleme mit der PDS

Werner Roß: Der neue Programmentwurf der PDS – eine ideologische Denk- und politische Handlungsfalle

Frank Flegel: Mein Austritt aus der PDS

Helmut Lucas: Der linke Schwanz der Bourgeoisie wird löchrig

Resonanz zum Heft über die Oktoberrevolution

Gerald Hoffmann: Nachbemerkungen und Diskussion zu "Voraussetzungen und Ergebnisse der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution" (offen-siv, Heft 2/2003)

Aus der Leser/innen-Post

 

Redaktionsnotiz

Der unmittelbare Feldzug der USA im Irak ist vorbei, die Folgeprobleme werden riesengroß sein – und es besteht die Gefahr, dass daraus unmittelbar oder mittelbar die nächsten kriegerischen Auseinandersetzungen resultieren. Gleichzeitig versucht Europa, endlich auch selbst Weltpolitik strukturieren zu können. Die Lage gleicht einer Katastrophe. Und wesentlich mit hervorgerufen wurde diese Lage durch die Konterrevolution in der Sowjetunion und den Ländern des Warschauer Paktes. Wir sind in diesem Heft noch nicht in der Lage, einen Überblick über die Friedensbewegung zu geben, ebenso fällt es noch schwer, die Bedeutung des Krieges für die kommunistischen Kräfte konkret, differenziert und trotzdem auch allgemein zu fassen. Wir versuchen, diese Fragen im nächsten Heft aufzuarbeiten.

Die Lesereise mit Harpal Brar ist beendet, die Resonanz war etwas schwächer als beim Imperialismus-Thema im letzten Jahr, im Ganzen sind wir aber mit den Veranstaltungen zufrieden. Es gab gute Diskussionen, die Bestärkung vorhandener und das Knüpfen neuer interessanter Kontakte. Wir danken hier allen Genossinnen und Genossen, die am Zustandekommen und an der Durchführung beteiligt waren, ganz herzlich, - und das geht besonders an Andrea Schön für Übersetzung und Begleitung und an all jene, die privat Quartiere zur Verfügung stellten und für Unterkunft sorgten. Herzlichen Dank dafür! Und wir haben weiteren Grund, Dank auszusprechen. Der Genosse Gerasimtschuck aus der Ukraine hatte uns gebeten, ihm Eindrücke, Fakten über das Leben in Ostdeutschland (im Vergleich zum Leben in der DDR) zuzusenden. Wir danken den Genossen Below aus Schwedt und Lange aus Neuenhagen sehr dafür, dass sie uns Material übergeben konnten, welches wir weiterleiteten. Und wir konnten einem weiteren Anliegen dienen: der Genosse Henri Alleg aus Frankreich (eigentlich aus Algerien) war in den 60er Jahren in der DDR. Nun schreibt er seine Memoiren und brauchte Kontakte, Zeitungsausschnitte usw von damals. Die Genossen Arnold Schölzel von der „jungen Welt" und Gerhard Niebling haben hier sehr geholfen, so dass wir ein richtiges kleines Paket nach Frankreich schicken konnten. Auch dafür also herzlichen Dank!

Da wir wie immer unter Platzmangel leiden, nun nur noch der Hinweis, dass wir Spenden brauchen, um zu überleben:

Spendenkonto Offensiv: Konto: Frank Flegel, Egerweg 8, Konto-Nr.: 3090180146 bei der Stadtsparkasse Hannover, BLZ 250 501 80.


Golfkrieg und Imperialismustheorie

Frank Flegel: Der Krieg widerlegt die Theorien von „Hegemo-nismus" und „kollektivem Imperialismus"

Die korrekte Analyse des derzeitigen Imperialismus hat uns schon mehrfach in dieser Zeitschrift beschäftigt. Hier soll es im Unterschied zu bisherigen Disputen nicht um innertheoretische Auseinandersetzungen gehen (ohne diese gering schätzen zu wollen!), sondern ganz einfach um die Konfrontation der beiden oben genannten „Theorien" mit der Realität, wie sie sich im Zuge des USA-Krieges gegen den Irak dargestellt haben. Dazu kurz (und stark verkürzt) zur Erinnerung: „Hegemonismus" will ausdrücken, dass wir keine nennenswerte Konkurrenz unter den verschiedenen imperialistischen Zentren zu verzeichnen haben, weil ein Zentrum, nämlich die USA, der Hegemon ist, alle anderen nur in Anerkennung dieser Hegemonie und damit in Abhängigkeit vom Hegemon handeln können und wir dementsprechend in einer unipolaren Welt leben. „Kollektiver Imperialismus", eine Erfindung von Leo Mayer und Co., meint, dass die Interessen der Imperialisten sich ähneln, sie ihre Ausbeutungsbedingungen gemeinsam (kollektiv) sichern und deshalb mit einer heftigen innerimperialistischen Auseinandersetzung nicht zu rechen ist. Demgegenüber zitiere ich jetzt auszugsweise einen Bericht aus der „jungen Welt" vom 12./13. April 2003, S.1, von Gerd Schumann, der die unterschiedlichen Zielstellungen anhand von Zitaten der führenden imperialistischen Politiker darstellt.

„Der stellvertretende US-Kriegsminister Paul Wolfowitz konkretisierte am Donnerstag, 10.4.03, im Washingtoner Senat die Pentagon-Planung für eine auch zeitlich grenzenlose Kontrolle der Siegermacht über Nachkriegs-Irak. Während für Einheimische repräsentative Rollen vorgesehen sind, darf die UNO, wenn sie will, in Bagdad an einem Katzentisch Platz nehmen. Zum europäischen Antikriegsblock, der am Freitagabend (11.4.03) in St.Petersburg zusammentrat, verlangte Wolfowitz Geld in Form eines Schuldenerlasses für Irak.

Die nun beginnende Umsetzung der Pentagon-Vorstellungen hätten quasi eine Art inoffiziellen, durch Washington regierten 51. Bundesstaat namens Irak zur Folge. Zunächst sollen demnach „bis zur Bildung einer Übergangsregierung" sowohl US- als auch irakisch geführte Ministerien doppelt eingesetzt werden. 18 Monate waren dafür ursprünglich vorgesehen, nun erwähnte Wolfowitz keinen Zeitrahmen mehr und meinte, die Verantwortung „zunächst" für öffentliche Dienstleistungen wie die Gesundheits- und Stromversorgung solle „allmählich" auf irakisch geführte übergehen. (...) „Im Laufe der Zeit", so Wolfowitz, könnten sich die Pläne noch ändern. Wie und ob überhaupt die vereinten Nationen in diesen Rahmen passen, sagte der Vizeminister nicht. Deren Rolle werde – in dieser Reihenfolge – von der Kriegskoalition, dem „irakischen Volk" und erst zum Schluss von den UN-Mitgliedstaaten bestimmt. Keinesfalls könne die UNO „tonangebend" sein. Barsche Töne fand Wolfowitz für die deutsch-französisch-russischen Gegner der US-Kriegskoalition. Vor deren Gipfeltreffen am Freitag (11.4.03) in St.Petersburg verlangte er einen Schuldenerlass durch sie. Irak müsste an Russland und Frankreich jeweils rund 8 Mrd. Dollar aus den 80er Jahren zahlen, als Irak im Krieg mit Iran stand. (...) Mit der Schuldenfrage begann die Diskussion um einige hundert Milliarden Dollar – eine nicht nur für den nach einem Boykott-Jahrzehnt und unübersehbaren Kriegsfolgen am Boden liegenden Irak nicht leistbare Summe. Sie könnte den zukünftigen Ausplünderern des Landes eine auf lange Zeit offene „Argumentationstür" verschaffen. (...)

Von Frankreich forderte Wolfowitz aktuell „einen Preis" für die Ablehnung des Irak-Kriegs und für sein Veto gegen eine militärische Unterstützung der Türkei durch die NATO. Das Verhalten der Franzosen sei „verhängnisvoll für die NATO" gewesen. Paris habe „ein ernstes Problem in der NATO geschaffen, und wir müssen sehen, wie wir darauf reagiere," drohte der Pentagon-Vize, und verschärfte auch verbal die Auseinandersetzung um die Rolle Frankreichs in der NATO, aber auch die grundsätzliche Rolle von UNO, NATO sowie der führenden Mächte Kontinentaleuropas.

Großbritannien erteilte unterdessen am Freitag (11.4.03) dem für den 29. April in Brüssel geplanten „Vierer-Gipfel" der Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs, Belgiens und Luxemburgs zur Europäischen Verteidigungsunion eine definitive Absage. Bei dem Treffen gehe es um „kraftvolle Schritte" auf dem Weg zu einer einheitlichen „Europäischen Verteidigungspolitik", und die könnte am besten, so war es aus Brüssel und Berlin zu hören, mit einer kleinen Gruppe, einer „Avantgarde", vorgegeben werden. „Wir wollen die EU handlungsfähig machen auch für den Fall, dass die NATO sagt, wir wollen das nicht". (...)

Die innerimperialistischen Widersprüche wachsen – und die Vorbereitungen zu deren Austragung laufen auf Hochtouren. Wir sollten – statt dem modischen Schnickschnack von „Globalisierung", „Neoliberalismus", „kollektivem Imperialismus" oder „Hegemonismus" aufzusitzen, lieber bei Lenin nachsehen. Denn es ist gefährlich, die Situation zu bagatellisieren: Kapitalismus ist Imperialismus und Imperialismus ist Krieg. Wer Frieden will, muss den Imperialismus schlagen oder zumindest schwächen. Wenn uns das nicht gelingt, stehen uns neue Kriege in welthistorischem Ausmaß bevor. Die herrschenden Klassen der imperialistischen Zentren bereiten sie ganz offen unter unseren Augen vor. Frank Flegel, Hannover


Zum 50. Todestag Stalins

Kurt Gossweiler: Gedanken zum 50. Jahrestag des Todes von J.W.Stalin

Beitrag zur Veranstaltung „A 50 ANNI DALLA MORTE DI STALIN" des „Comitato in Difesa del Socialismo" am 23. März in Rom

(Aus Platzgründen am Anfang in Verabredung mit dem Autor um etwa zwei Seiten gekürzt!)

Alles, was seit 1990 über die Menschheit gekommen ist an Unheil oder an bereits vorhandenem Unheil ins Unermessliche gesteigert wurde - Massenarbeitslosigkeit, Massenarmut, hungernde und erfrierende Obdachlose, Furcht vor dem Morgen, tägliches Massensterben von Kindern und Erwachsenen in der sogenannten Dritten Welt, Kriegsdrohung und Kriege, Flucht von Millionen Menschen vor dem Verhungern, vor den Bomben, vor Invasoren, und schließlich die immer rücksichtslosere Zerstörung der Natur und Verschwendung der natürlichen Ressourcen – das alles ist die Folge des Verschwindens der Sowjetmacht und der europäischen sozialistischen Staaten, ist die Folge der Wiederherstellung der fast uneingeschränkten Herrschaft des Imperialismus über die Völker dieser Erde. Für Kommunisten, für Marxisten-Leninisten ist das keine Überraschung. In einer Rede vor dem Exekutiv-Komitee der Kommunistischen Internationale am 7. Dezember 1926 hatte Stalin schon gewarnt:„Was wäre die Folge, wenn es dem Kapital gelänge, die Republik der Sowjets zu zerschlagen? Eine Epoche der schwärzesten Reaktion würde über alle kapitalistischen und kolonialen Länder hereinbrechen, man würde die Arbeiterklasse und die unterdrückten Völker vollends knebeln, die Positionen des internationalen Kommunismus würden liquidiert."

Hat Stalin damit etwa zu schwarz gemalt? Ist, was seit 1989/90 geschah, nicht noch viel schlimmer als das, was Stalin voraussah? In Stalins Zukunftsbild nach einem Untergang der Sowjetmacht fehlt noch, was wir seit 1991 erleben: der imperialistische Krieg ist permanent geworden, die Völker der ehemaligen Sowjetunion werden auf das Lebensniveau der Völker in der sogenannten Dritten Welt herabgedrückt, die bereits politisch kolonial befreiten Länder werden wieder rekolonialisiert, die Arbeiterklasse der entwickelten kapitalistischen Länder wird ihrer in über hundert Jahren - vor allem seit und dank der Existenz der sozialistischen Gegenmacht! - errungenen sozialen und politischen Rechte beraubt – im Namen eines „Krieges gegen den Terror"! Dieser Beschreibung der Folgen der Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion und in den sozialistischen Ländern Osteuropas zuzustimmen dürfte für Kommunisten kaum ein Problem sein.

Anders sieht es aber mit einer zweiten, für die kommunistische Bewegung lebenswichtigen Erkenntnis aus, die da lautet: Was die Sowjetmacht und die kommunistische Bewegung zersetzt und zerstört hat und daran hindert, die alte Kraft und geschichtsmächtige Stärke wiederzugewinnen, ist ihr Befall mit der Krankheit des Revisionismus.

Was aber hat die Kommunisten in der Sowjetunion und in den meisten kommunistischen Parteien daran gehindert - und hindert auch heute noch viel zu viele Kommunisten und Sozialisten daran! - zu erkennen, dass die von den Nachfolgern Stalins betriebene Politik den von Marx und Lenin für den Aufbau des Sozialismus gewiesenen Weg verlassen hat – den Weg des Klassenkampfes, des Kampfes gegen den Imperialismus und für den Sieg des Sozialismus im Weltmaßstab -, und dass sie statt dessen auf die abschüssige Bahn der Klassen-zusammenarbeit eingeschwenkt sind, auf die Bahn der Zusammenarbeit mit dem Imperialismus, vor allem mit dem mächtigsten und für den Sozialismus gefährlichsten, dem USA-Imperialismus, auf die Bahn des Friedensschlusses mit dem Imperialismus? Dafür gibt es sicher viele Gründe. In erster Linie aber lag das meiner Ansicht nach daran, dass ihnen die Begründungen, welche die neuen Sowjetführer für ihren Kurswechsel angaben, einleuchtend und im Einklang mit den Leninschen Grundsätzen zu sein schienen. Vor allem waren dies die folgenden:

Erstens: „Im Atomzeitalter kann der Frieden nicht mehr gegen die andere Atommacht, sondern nur gemeinsam mit ihr aufrechterhalten und gesichert werden." Auf einer Besprechung mit ausländischen Journalisten im Anschluss an die Oktoberfeierlichkeiten im November 1962 drückte Chruschtschow dies so aus: „Wenn wir uns auch nicht lieben, so müssen wir uns doch umarmen, um den Frieden zu sichern!"

Zweitens: „Der Sozialismus ist inzwischen so stark geworden, dass er keinen Rückschlag mehr befürchten muss." Originalton Chruschtschow 1959: „Es gibt heute in der Welt keine Kräfte, die den Kapitalismus in unserem Lande wiederherstellen, die das sozialistische Lager zerschlagen könnten. Die Gefahr einer Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion ist ausgeschlossen. Das heißt, dass der Sozialismus nicht nur vollständig, sondern auch endgültig gesiegt hat." Das war die These, mit der Chruschtschow begründete, dass man in der Außenpolitik nun ganz neue Wege im Verhältnis zu den imperialistischen Staaten beschreiten und in der Innenpolitik bereits damit beginnen könne, bestimmte Seiten des Staates absterben zu lassen, vor allem die Organe der Staatssicherheit, und dass man mit der übertriebenen Wachsamkeit Schluss machen müsse.

Diese beiden Chruschtschow-Thesen hätten aber noch nicht ausgereicht, in der Partei und im Volke keinerlei Zweifel an der Richtigkeit des neuen Kurses aufkommen zu lassen, stand der doch in so Vielem so deutlich im Widerspruch zu den Lehren Lenins und Stalins, die den Sowjetbürgern und natürlich besonders den Parteimitgliedern sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen waren. Waren sie doch schon in der Schule, in ihrer Berufsausbildung, im Parteilehrjahr mit den grundlegenden Arbeiten Lenins und Stalins vertraut worden, vor allem mit Stalins „Fragen des Leninismus" und dem „Kurzen Lehrgang der Geschichte der Sowjetunion", diesen beiden unverzichtbaren Kompendien für den sozialistischen Aufbau, wo auch immer.

Es musste also drittens erreicht werden, dass niemand mehr auf die Idee kam oder aber es wagte, Kritik an der Politik der neuen Führung mit Berufung auf Stalin zu üben. Die Revisionisten in der neuen Führung mit Chruschtschow und Mikojan an der Spitze mussten Wege finden, um die Möglichkeit auszuschließen, dass sich Zweifel an der Richtigkeit des neuen Kurses und gar ein wirksamer Widerstand gegen ihn entfalten konnte, weil er im Widerspruch zu dem stand, was Stalin und sie selbst zu Stalins Lebzeiten als unanfechtbare Wahrheit gelehrt hatten. Dazu war es aber unerlässlich, die bisher unangefochtene und unermessliche Autorität Stalins zunichte zu machen.

Es gibt keinen stärkeren Beweis für die positive Rolle Stalins als die Tatsache, dass die Zerstörung seiner Autorität in der Sowjetunion und in der kommunistischen Bewegung die Voraussetzung für die Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion war. Ohne „Entstalinisierung" keine Restauration des Kapitalismus!

Die Imperialisten wussten das sehr gut, daher ihr Wohlwollen für Trotzki und die offenen und verkappten Stalingegner im Lande und für Tito, nachdem er – schon während des Krieges – zu verstehen gegeben hatte, dass er auf ihrer Seite stünde. Daher auch die hoffnungsvolle Zuversicht des US-Außenministers Allan Dulles nach Chruschtschows Stalin-Verdammung auf dem XX. Parteitag, der er mit den Worten Ausdruck verlieh, „die Sowjetführer hätten durch die Anti-Stalin-Kampagne und ihr Liberalisierungsprogramm eine Kettenreaktion ausgelöst," von der er hoffte, dass durch sie „die internationale Szenerie bis zum Jahre 1965" umgeändert sein würde.

Die revisionistische Unterminierung- und Zerstörungsarbeit hat allerdings nicht schon 1965, sondern erst ein Vierteljahrhundert später die Sowjetunion und die europäischen sozialistischen Staaten zum Einsturz gebracht, aber der Vollender des Zerstörungswerkes, Gorbatschow, hat erneut den Beweis dafür erbracht, dass das unentbehrlichste Zerstörungswerkzeug dabei die Anti-Stalin-Hetze war. Seitdem ist nun schon über ein Jahrzehnt vergangen und hat ein Wechsel in ein neues Jahrhundert stattgefunden – Zeit genug, sollte man meinen, dass selbst die erbittertsten Stalin-Gegner ruhiger und gelassener auf eine nun schon ein halbes Jahrhundert zurückliegende Geschichte zurückblicken.

Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Den fünfzigsten Jahrestag des Todes Stalins begehen die imperialistischen Medien mit geballten Ladungen von Artikeln und Serien über den „Jahrhundertverbrecher" Stalin, die – was man kaum für möglich halten konnte – noch alles übertreffen, was in den letzten fünfzig Jahren seit Stalins Tod auf diesem Gebiet „geleistet" wurde. Und was die Medien der „demokratisch-sozialistischen" und „demokratisch-kommunistischen" Parteien und Richtungen betrifft, so lassen die meisten Autoren ihrer Gedenkartikel an ihrer Verurteilung Stalins keinen Zweifel, auch wenn sie sich darum bemühen, - oder Bemühen darum vorzeigen – kein einseitiges, sondern ein „objektives" Bild Stalins zu zeichnen. In der Grundtendenz sind sich beide einig: diesen 50. Jahrestag dazu zu nutzen, den heute Lebenden Stalin neben Hitler zum mindestens zweitschlimmsten Verbrecher des 20. Jahrhunderts so eindringlich vorzuführen, dass für sie lebenslang ein anderes Stalin-Bild unakzeptabel bleibt.

Ich fragte mich, weshalb eigentlich diese so überbordende, alles bisher auf diesem Gebiet Gebotene in den Schatten stellende, vor den offenkundigsten Lügen und Fälschungen nicht zurückschreckende Orgie der Anti-Stalin-Hetze? Ich habe darauf nur eine Antwort gefunden: Die Sieger von gestern haben Furcht! Ja, sie fürchten den Einfluss des vor einem halben Jahrhundert gestorbenen Stalin auf die heute Lebenden! Sie erschrecken davor, dass noch immer und sogar immer mehr Menschen in Russland und den übrigen Staaten der früheren Sowjetunion bei ihren Demonstrationen Stalin-Bilder mit sich führen. Sie fürchten, dass die Verlierer von gestern die Sieger von morgen oder übermorgen sein könnten. Und sie haben Grund zu dieser Furcht. Zwanzig Jahre nach ihrem Triumph über den Sozialismus stecken sie in der tiefsten Krise ihres Systems: ökonomisch, politisch, sozial, kulturell, und nicht zuletzt: ideologisch. Immer deutlicher sichtbar wird: die allgemeine Krise des Kapitalismus ist trotz der Niederlage des Sozialismus in Europa nicht überwunden, sondern dauert fort und vertieft sich.

In Deutschland und anderswo sehen die Herrschenden aus der ökonomischen Krise keinen anderen Ausweg mehr, als vom Volke zu verlangen, eine „Blut, Schweiß und Tränen"-Lösung widerspruchslos hinzunehmen.

Die USA-Imperialisten. sind da aber schon viel weiter. Um sowohl das alte Ziel der unbeschränkten Weltherrschaft zu erreichen und zugleich den vollen Ausbruch der schon lange schwelenden Wirtschaftskrise zu vermeiden, setzen sie nur noch auf eines: Krieg! Und sie drohen allen, die nicht mit ihnen sind, sie als Gegner zu betrachten im „Krieg des amerikanischen Jahrhunderts."

Aber schon jetzt ist klar zu erkennen: wie Hitler die Anti-Hitlerkoalition zusammenführte, so ist Bush schon jetzt dabei, eine weltweite Anti-US-Imperialismus-Koalition zusammenzuzwingen, die ihm oder seinen Nachfolgern irgendwann ihr Stalingrad bereiten wird. Es gibt für Bush und seinesgleichen, aber auch für alle vom US-Imperialismus Bedrohten und Erpressten zur Zeit keine empfehlenswertere Literatur, als den Band mit Stalins Reden im Vaterländischen Krieg! Der Krieg, den zu beginnen die Bush und Rumsfeld wild entschlossen sind, und der überraschende Widerstand, auf den sie dabei nicht nur bei den Volksmassen, sondern sogar bei NATO-Partnern stoßen, die ihnen gestern noch „unverbrüchliche Solidarität" beteuerten, sollte Anlass dazu sein, sich auch einer anderen Vorhersage Stalins in seiner Arbeit über „Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR" zu erinnern. In dieser Arbeit widmete Stalin einen Abschnitt der Frage der Unvermeidlichkeit von Kriegen zwischen den kapitalistischen Ländern. Stalin führte dort aus: „Manche Genossen behaupten, dass infolge der Entwicklung der neuen internationalen Bedingungen nach dem zweiten Weltkrieg Kriege zwischen den kapitalistischen Ländern nicht mehr unvermeidlich seien. Sie meinen, dass die Gegensätze zwischen dem Lager des Sozialismus und dem Lager des Kapitalismus stärker seien als die Gegensätze zwischen den kapitalistischen Ländern, dass die Vereinigten Staaten von Amerika sich die anderen kapitalistischen Länder so weit untergeordnet hätten, um ihnen nicht zu gestatten, untereinander Krieg zu führen und sich gegenseitig zu schwächen, dass die tonangebenden Leute des Kapitalismus aus der Erfahrung zweier Weltkriege, die der ganzen kapitalistischen Welt schweren Schaden zugefügt haben, genügend gelernt hätten, um sich nicht noch einmal zu erlauben, die kapitalistischen Länder in einen Krieg gegeneinander hineinzuziehen – dass infolge all dessen die Kriege zwischen den kapitalistischen Ländern nicht mehr unvermeidlich seien.

Diese Genossen irren sich. Sie sehen die an der Oberfläche schimmernden äußeren Erscheinungen, aber sie sehen nicht die in der Tiefe wirkenden Kräfte, die, obwohl sie vorläufig unmerkbar wirken, dennoch den Lauf der Ereignisse bestimmen werden.

Nach außen hin scheint alles ‚wohlgeordnet’ zu sein. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben Westeuropa, Japan und andere kapitalistischen Länder auf Ration gesetzt; (West-)Deutschland, England, Frankreich, Italien, Japan, die in die Klauen der USA geraten sind, führen gehorsam die Befehle der USA aus. Es wäre aber falsch, anzunehmen, dieser ‚wohlgeordnete Zustand’ könne ‚in alle Ewigkeit’ erhalten bleiben, diese Länder würden die Herrschaft und das Joch der Vereinigten Staaten von Amerika endlos dulden, sie würden nicht versuchen, aus der amerikanischen Knechtschaft auszubrechen und den Weg einer selbständigen Entwicklung zu beschreiten.... Daraus folgt aber, dass die Unvermeidlichkeit von Kriegen zwischen den kapitalistischen Ländern bestehen bleibt."

Man könnte einwenden: Wenn das, was 1952 unmöglich schien, heute in den Bereich des Möglichen kommt, dann liegt das daran, dass es heute kein sozialistisches Lager mehr gibt. Aber wer so argumentiert, der argumentiert einem Blinden ähnlich: er übersieht großzügig, dass das volkreichste Land der Erde ein von der Kommunistischen Partei regiertes Land ist, der übersieht ebenfalls, dass es ein sozialistisches Vietnam und ein sozialistisches Nordkorea gibt, und der übersieht, dass sich in nächster Nähe zu den USA trotz aller Interventions- und Erdrosselungsversuche das sozialistische Kuba behauptet.

Nein, es sind „die in der Tiefe wirkenden Kräfte", von denen Stalin gesprochen hat, die dazu geführt haben, dass sich vor unseren Augen eine Entwicklung in geradezu rasendem Tempo entwickelt hat, die noch vor einem Monat kaum einer für möglich gehalten hätte. Damals glaubten zum Beispiel die Unionspolitiker, den Bundeskanzler Schröder mit der Feststellung politisch erledigen zu können, er habe mit seinem Nein zum Krieg der USA gegen Irak Deutschland in die schlimmste Isolierung seiner Geschichte geführt. Heute ist in allen Medien zu hören und zu lesen, dass es die USA sind, die so isoliert sind, wie noch nie in ihrer Geschichte. Die Gegensätze zwischen den größten imperialistischen Staaten haben in kürzester Zeit eine geradezu explosive Zuspitzung erfahren, die gegenseitigen Kontroversen führender Politiker der USA auf der einen, und z. B. Frankreichs auf der anderen Seite haben eine Schärfe angenommen, die ahnen lassen, wie sehr es viele von den Staaten satt haben, nach der Pfeife der USA zu tanzen, die das bisher brav getan haben.

Aber noch wichtiger ist der Widerstand der Völker in aller Welt gegen den Kriegskurs der USA. Er vor allem ist es, der auch den Regierenden den Rücken dafür stärkte und stärkt,, „aus der amerikanischen Knechtschaft auszubrechen" und den Weg „bedingungslosen Gehorsams" zu verlassen.

Das Forum, auf dem dies gegenwärtig am deutlichsten vor aller Welt sichtbar wird, ist der Sicherheitsrat der UNO. Die UNO erweist sich – für viele überraschend – als eine Einrichtung, die trotz der dominanten Rolle der USA als einzig übriggebliebener Supermacht dem Kriegstreiben eben dieser Supermacht wenn nicht total Einhalt gebieten, so ihm doch Hindernisse in den Weg zu legen und die USA als Verächter und Brecher des Völkerrechtes vor aller Welt bloßzustellen vermag. Gerade deshalb wird die UNO heute mehr denn je zuvor als unverzichtbare Verteidigerin des Völkerrechts empfunden, bei der unbedingt das Monopol auf Entscheidung über Gewaltanwendung bleiben muss. Woher kommt es, dass die UNO noch immer eine solche positive Rolle spielen kann? Das liegt daran, dass sie – anders als der Völkerbund der Zwischenkriegszeit – auf einer demokratischen Satzung beruht, die selbst der Supermacht USA nur um den Preis des offenkundigen Völkerrechtsbruches erlaubt, sich über sie hinwegzusetzen.

Wem aber verdankt die Völkergemeinschaft, dass sie in den Vereinten Nationen eine Organisation mit einer solch demokratischen Verfassung verfügt? Sie verdankt das einzig und allein der Sowjetunion. Die Geschichte der Vorbereitung und Gründung der UNO ist die Geschichte des zähen, hartnäckigen Kampfes der sowjetischen Delegation mit Stalin an der Spitze um eine Verfassung dieser Organisation, die allen ihren Mitgliedern unabhängig von ihrer Größe und ihrem Reichtum gleiche Rechte gewährt, zugleich aber auch Sicherungen einbaut, die verhindern, dass die Versammlung der Völkergemeinschaft majorisiert werden kann durch eine Mehrheit, die nur durch den erpresserischen Druck oder den Stimmenkauf durch eine Großmacht zusammengebracht wird.

Fast genau sechs Monate nach dem Inkrafttreten der UNO-Charta (24.Oktober 1945), nämlich am 22.März 1946, würdigte Stalin in einem Interview die große Bedeutung der UNO, „da sie ein ernst zu nehmendes Instrument für die Erhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit" darstelle. Er fuhr fort:. „Die Stärke dieser internationalen Organisation besteht darin, dass sie sich auf dem Grundsatz der Gleichberechtigung der Staaten und nicht auf den Grundsatz der Herrschaft einiger über die anderen stützt. Wenn es der Organisation der Vereinten Nationen gelingt, auch weiterhin den Grundsatz der Gleichberechtigung zu wahren, wird sie unbedingt eine große positive Rolle bei der Sicherung des allgemeinen Friedens und der Sicherheit spielen."

Es ist dies der UNO nicht immer gelungen. Schon 1950, am 7. Juli, erreichten die USA, eine Mehrheit des Sicherheitsrates zur Zustimmung zu einem Angriffskrieg gegen die Koranische Demokratische Volksrepublik zu bestimmen. Das hatte folgende Vorgeschichte. Unter dem Einfluss der imperialistischen Mächte wurde der im Oktober 1949 gegründeten Volksrepublik China verweigert, den ihr nach dem Sturz des Tschiang Kai-schek-Regimes zustehenden Platz im Sicherheitsrat als eine der Veto-Mächte einzunehmen. Aus Protest gegen diese Verweigerung erklärte die Sowjetunion am 10.Januar 1950, an den Sitzungen des Sicherheitsrates nicht mehr teilzunehmen. Im März 1950 fanden Wahlen in Südkorea statt, bei denen der Regierungschef Li Syng Man eine vernichtende Niederlage erlitt. Die Regierung der KVDR unterbreitete angesichts dieser Wahlniederlage der südkoreanischen Ultrarechten im Juni den Vorschlag, die demokratischen Kräfte sollten die friedliche Wiedervereinigung des Landes vorbereiten. Als Ort eines Treffens von Vertretern beider Teile des Landes wurde die Stadt Hädschu in Nordkorea, in unmittelbarer Nähe der Demarkationslinie gelegen, in Aussicht genommen.

Eine solche Entwicklung lag ganz und gar nicht im Interesse der USA. Im Juni unternahm der US-Außenminister John Foster Dulles eine Reise nach Japan und Südkorea. Am 19. Juni hielt er im südkoreanischen Parlament eine Rede, in der er erklärte: „Die Augen der freien Welt sind auf Sie gerichtet. Ein Kompromiss mit dem Kommunismus – gemeint waren die von Nordvietnam vorgeschlagenen Verhandlungen in Hädschu – wäre ein Weg in die Katastrophe." Er versicherte seinen Zuhörern „die Bereitschaft der USA, einem Südkorea, das gegen den Kommunismus kämpft, alle nötige moralische und materielle Hilfe zu leisten."

Am 25. Juni fielen südkoreanische Truppen an drei Stellen in Nordkorea ein. Am 26. Juni meldeten die „New York Times und der Londoner „Daily Herald" die Einnahme von Hädschu durch sie. Da sie aber zurückgeschlagen wurden und die nordkoreanischen Truppen im Gegenschlag rasch tief nach Südkorea vordrangen, ließ man diese Meldungen rasch der völligen Vergessenheit anheimfallen, weil sie der Lüge vom „völlig überraschenden Überfall Nordkoreas" ins Gesicht schlugen. Nachdem klar wurde, dass die nordkoreanischen Truppen in kurzer Zeit ganz Südkorea einnehmen würden, beschloss die USA-Regierung, mit ihren Streitkräften einzugreifen. Sie nutzte die Abwesenheit der Sowjetunion im Sicherheitsrat dazu aus, eine Entschließung mit Mehrheit annehmen zu lassen, in der die KVDR als Aggressor verurteilt wurde und damit die Aggression der USA gegen Nordkorea den Segen der UNO erhielt.

Die USA griffen massiv in die Kampfhandlungen ein mit ihrer ganzen Überlegenheit an modernsten Waffen, insbesondere in der Luft. Die koreanische Volksarmee wurde dadurch zum Rückzug gezwungen. Die USA, dadurch übermütig geworden, überschritten mit ihren Truppen die Demarkationslinie und drangen im Oktober 1950 bei Tschosan bis an die koreanisch-chinesische Grenze vor.

Als daraufhin die Volksrepublik China im gleichen Monat der koreanischen Volksarmee mit der Entsendung von Freiwilligenformationen zu Hilfe kam, setzen die USA in der UNO einen Beschluss durch, der die Volksrepublik China zum Aggressor erklärte. Darauf bezog sich Stalin in einem Interview, das er einem Prawda-Korrespondenten am 17. Februar 1951 gab. Zur amerikanisch-britischen Aggression gegen Nordkorea befragt, womit diese enden könne, antwortete Stalin: „Wenn England und die Vereinigten Staaten von Amerika die friedlichen Vorschläge der Volksregierung Chinas endgültig ablehnen, dann kann der Krieg in Korea nur mit einer Niederlage der Interventen enden." Zu diesem Zeitpunkt waren die USA in einem Siegesrausch, der sie über eine solche Voraussage nur hochmütig lachen ließ. Aber Stalin behielt recht: „Korea war die erste militärische Auseinandersetzung in der Geschichte des nordamerikanischen Imperialismus, die er nicht als Sieger beendete. Das kam angesichts seiner Weltgendarmenrolle einer Niederlage gleich."

Stalin wurde weiter danach befragt, wie er den UNO-Beschluss einschätze, der die VR China zum Aggressor erklärte. Seine Antwort: „Ich bewerte ihn als einen schändlichen Beschluss. ... Die Organisation der Vereinten Nationen, die als Bollwerk zur Erhaltung des Friedens geschaffen wurde, verwandelt sich in ein Instrument des Krieges, in ein Mittel zur Entfesselung eines neuen Weltkrieges. Den aggressiven Kern der UNO bilden die zehn Mitgliedstaaten des aggressiven Nordatlantikpaktes (die USA, England, Frankreich, Kanada, Belgien, Holland, Luxemburg, Dänemark, Norwegen, Island) und die 20 lateinamerikanischen Länder (...). ...Somit verwandelt sich die UNO in ein Instrument des Aggressionskriegs und hört zugleich auf, eine Weltorganisation gleichberechtigter Nationen zu sein. In Wirklichkeit ist die UNO jetzt weniger eine Weltorganisation, als eine Organisation für die Amerikaner, die so handelt, wie es den amerikanischen Aggressoren genehm ist.... Die Organisation der Vereinten Nationen betritt auf diese Weise den unrühmlichen Weg des Völkerbundes. Damit begräbt sie ihre moralische Autorität und setzt sich dem Zerfall aus."

Immerhin enthielt die Charta der Vereinten Nationen so viele Bestimmungen, die sich als Hindernis für ihre totale Unterordnung unter das Diktat der USA erwiesen; allerdings nur solange Gorbatschow die Sowjetunion nicht zum offenen Komplizen der USA gemacht hatte. Damit hatte er es aber sehr eilig. In einer Rede vor der Vollversammlung der UNO am 7. Dezember 1988 brachte er seine völlige Abkehr vom Lenin-Stalinschen Kampf gegen den Imperialismus damit zum Ausdruck, dass er dss bisherige Auftreten der Sowjetvertreter in der UNO gegen die imperialistischen Kriegstreiber mit den Worten verächtlich machte: „Leider befand sich die UNO seit ihrer Gründung unter dem Druck des ‚Kalten Krieges’. Für lange Jahre wurde sie der Austragungsort propagandistischer Schlachten und zur Stätte der Kultivierung politischer Konfrontation". Jetzt aber, meinte er, „sind wir in eine neue Epoche eingetreten... Eine Forderung der neuen Etappe ist die Entideologisierung der Beziehungen zwischen den Staaten.... Schauen Sie, wie sich unsere Beziehungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika verändert haben. Nach und nach bildet sich gegenseitiges Vertrauen heraus..."

Dass sich hinter solchen wohlklingenden und um Vertrauen zum USA-Imperialismus werbenden Worten in Wahrheit eine verbrecherische Komplizenschaft mit den auf einen neuen Krieg hinsteuernden Regierenden in Washington verbarg, zeigte sich schon zwei Jahre später, als Präsident Bush der Ältere zum ersten USA-Krieg gegen den Irak rüstete.

Im „Neuen Deutschland" vom 10. September 1990 war unter der Überschrift: „USA und Sowjetunion fordern gemeinsam bedingungslosen Rückzug Iraks aus Kuwait. Dringlichkeits-Gipfel in Helsinki brachte weitgehende Einigkeit der Großmächte in der Golfkrise" zu lesen: „Große Einigkeit demonstrierten gestern abend die Präsidenten der USA und der Sowjetunion, George Bush und Michail Gorbatschow auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Helsinki....Die beiden Präsidenten stimmten auch darin überein, dass sie an der von der UNO initiierten Isolation Iraks festhalten wollen. „Nur die vollständige Verwirklichung der Resolution des UN-Sicherheitsrates ist akzeptabel."...Die USA und die UdSSR seien bereit, „im Rahmen der Vereinten Nationen zusätzliche Maßnahmen zu erwägen", falls sich die bisher schon getroffenen Festlegungen für die Beendigung des Konflikts als unzureichend erweisen sollten." Bush und Gorbatschow ... kamen zu der übereinstimmenden Auffassung, dass die irakische Aggression nicht toleriert werden dürfe.... Bush würdigte die gute Kooperation mit der Sowjetunion innerhalb der UNO und kündigte an, er werde dem amerikanischen Kongress die ökonomische Zusammenarbeit mit der Sowjetunion empfehlen. „Wir wollen den Erfolg der Perestroika", sagte er." Die USA konnten also ihren ersten Krieg gegen den Irak mit der Billigung des Sicherheitsrates beginnen, weil Gorbatschow von vornherein deutlich gemacht hatte, dass von Seiten der Sowjetunion kein Widerstand im Sicherheitsrat zu erwarten sein würde. Leider hat damals auch die Volksrepublik China – wenngleich aus anderen Motiven – im Sicherheitsrat von ihrem Veto-Recht keinen Gebrauch gemacht.

Schon damals konnte man erkennen, dass dieser Krieg ein neues Kapitel in der Geschichte der Kriege des USA-Imperialismus einleitete. Jetzt, nachdem der „Kalte Krieg" gegen die Hauptmacht des Sozialismus gewonnen und damit das Haupthindernis zur Errichtung der Weltdomination der USA aus dem Wege geräumt war, setzten die USA eine neue Runde des Kampfes um die Neuverteilung der Erde unter die imperialistischen Mächte auf der Tagesordnung.

Seine erste Etappe hat zum Hauptinhalt die direkte oder indirekte Inbesitznahme der für die Erlangung der Weltdomination ökonomisch und strategisch entscheidenden Regionen der Erde durch die USA. Dazu muss der Kampf in zwei Richtungen geführt werden: Erstens zur Unterwerfung aller Kräfte und Mächte in diesen Regionen, die ihre Unabhängigkeit verteidigen und nicht bereit sind, sich den USA zu unterwerfen. Deshalb nehmen die Kriege, welche die USA für dieses Ziel führen, unvermeidlich den Charakter von Kriegen zur Rekolonialisierung der Länder der betreffenden Regionen an. Mit dem ersten Irak-Krieg von 1990/91 wurde faktisch die Serie solcher Rekolonialisierungskriege eröffnet. Dass auf der Liste der Länder, die folgen sollen, das sozialistische Kuba einen vorderen Platz einnimmt, steht außer Zweifel.

Die zweite Richtung, in der dieser Kampf geführt wird, ist die Verdrängung aller imperialistischen Konkurrenten aus diesen Regionen durch die USA. Das muss unvermeidlich zur Verschärfung der Gegensätze zwischen den USA einerseits, den von ihrer Verdrängung bedrohten Mächten auf der anderen Seite führen. Genau das erlebten wir in diesen Tagen bei den vergeblichen Versuchen der USA, im Sicherheitsrat eine Mehrheit für ihre Kriegsresolution zusammen zu bekommen.

Die Reaktion der Bush-Regierung auf das Scheitern dieser Bemühungen war die Erklärung Bushs: Weil die UNO unserer Kriegslösung nicht zustimmt, hat sie versagt und ist überflüssig. Wir werden den Krieg gegen Saddam also ohne UNO-Zustimmung führen. George Bush stellt damit klar, dass sein Vorbild im Verhältnis zum Völkerrecht kein anderer als Hitler ist: Nichtig ist alles bisherige Völkerrecht, wenn es dem eigenen Expansionsdrang im Wege steht. Gültig ist nur, was die USA als Recht setzen! Noch deutlicher wird das an Bush’s Ultimatum an Saddam: Wenn er nicht binnen 48 Stunden zurücktritt und das Land verlässt, werden die USA ihren Krieg gegen den Irak beginnen. Nimmt er aber das Ultimatum an und verlässt das Land, dann werden die USA den Irak dennoch besetzen! Bush bestätigt damit, was längst alle Spatzen von den Dächern pfeifen: Der Krieg, den er um jeden Preis haben will, geht weder um den Sturz des „Verbrechers Saddam", noch um einen „Regimewechsel zur Demokratisierung" des Irak, es geht um dessen Öl, es geht darum, selbst die Hand auf dieses Öl zu legen und nicht zuzulassen, dass es in die Hände etwa französischer oder deutscher oder anderer fremder Öl-Multis fällt. Die Bush-Doktrin lautet: „Rechtmäßig ist nur eine Regierung, die den USA zu willen ist. Jede andere werden wir, wenn sie nicht freiwillig den Platz räumt, wegbomben!" Natürlich im Namen der Verteidigung der Menschenrechte und des Krieges gegen den Terrorismus!

Mit einem Wort: Bush ist dabei, die Außenpolitik der USA zur faschistischen Kriegspolitik zu machen!

Faschistische Kriegspolitik verlangt aber über kurz oder lang nach faschistischer Innenpolitik. Die entsprechenden Gesetzesvorlagen zur Außerkraftsetzung der in der Verfassung verankerten demokratischen Freiheitsrechte sind in den USA bereits fertiggestellt; einiges davon wurde schon am 18. März dieses Jahres im ZDF-Magazin „Frontal 21" vorgestellt.

Das Amerika des Franklin Roosevelt war ein Amerika, das an der Seite der Sowjetunion mithalf, dem Hitlerfaschismus den Garaus zu machen. Der jetzige unrühmliche Nachfolger Roosevelts ist dabei, die USA in ein Land zu verwandeln, das auf Hitlers Spuren wandelt.

Das beweist erneut: der Mutterboden des Faschismus ist nicht der Nationalcharakter dieses oder jenes Volkes, nein, das war, ist und bleibt der Imperialismus. Der Faschismus ist die Herrschaftsform eines Imperialismus, der sich von der proletarischen Revolution bedroht sieht und/oder der sich anschickt, einen Krieg um die Weltherrschaft zu führen.

Und deshalb steht im Kriegsprogramm des US-Imperialismus als Kapitel II – falls es ihm gelingen sollte, das Kapitel I erfolgreich abzuschließen -, die Vollendung der Herstellung der Weltherrschaft durch die Niederwerfung des bedrohlichsten und gefährlichsten Gegners, der potentiellen Supermacht China. Solange es noch ein unabhängiges oder gar sozialistisches China gibt, ist die Weltdomination des USA-Imperialismus noch keineswegs gesichert, auf lange Sicht sogar seine Herrschaft in Frage gestellt. Deshalb ist der Krieg gegen China längst ein fester, wenn auch erst in weiterer Zukunft, im zweiten Kapitel, in Angriff zu nehmender Programmpunkt.

Deshalb kann man die Kriege des Kapitels I durchaus zu recht auch als Vorbereitungskriege für den Hauptkrieg, den Krieg gegen das Chinesische Riesenreich, ansehen. Auch in dieser Hinsicht liegt die Analogie zum Vorgehen Hitlers nahe. Auch für Hitler dienten die Kriege von 1939 bis Juni 1941 der Vorbereitung des Hauptkrieges, des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion.

In den letzten Wochen nährten angesichts der weltweiten Isolierung der USA und der Verurteilung ihres Kriegskurses durch eine breite Mehrheit der UNO-Mitglieder, mit Frankreich, Deutschland, Russland und China an der Spitze, viele Menschen die Hoffnung, dadurch könnten die Bush-Kriege doch noch verhindert werden. Diese Hoffnungen wurden durch den mörderischen Überfall der USA und Englands auf den Irak brutal niedergemacht. Es erwies sich erneut, dass die Hoffnung, der Frieden könnte dadurch erhalten werden, dass sich die konkurrierenden imperialistischen Mächte gegenseitig blockieren, auf Sand gebaut ist. Diese Gegensätze können nur dann für die Erringung des Friedens ausgenützt werden, wenn die Hauptkraft des Friedenskampfes die Völker sind.

Auch in dieser Frage gilt nach wie vor Stalins Wort: „Der Krieg kann unvermeidlich werden, wenn es den Kriegsbrandstiftern gelingt, die Volksmassen durch Lügen zu umgarnen, sie zu betrügen und sie in einen neuen Weltkrieg hineinzuziehen. (...)

Der Frieden wird erhalten und gefestigt werden, wenn die Völker die Erhaltung des Friedens in ihre Hände nehmen und ihn bis zum äußersten verteidigen"

Kurt Gossweiler, Berlin


Hans Stahl: Es rettet uns kein höh´res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun ...

"Ein indischer Kommunist hat über Stalin geschrieben. Die Arbeit wird jetzt auch in Deutschland verlegt. Würdest du deinen Standpunkt dazu äußern?" Warum? "Weil Stalin im März 1953, also vor 50 Jahren verstarb." Gut, das ist ein Anlass.

Mich erreicht der Vorabdruck. Irritation: Der Titel heißt "Perestrojka". Hol´s der Teufel! Beruhigung beim Lesen. Der Autor, Harpal Brar, hat ja recht. Er geht mit den Revisionisten zu Gericht statt Stalin einen Heiligenschein zu verpassen. Nicht eine Person steht im Vordergrund, sondern es werden Notwendigkeiten im Kampf gegen Imperialismus und für Sozialismus/Kommunismus behandelt. " ... umstritten ist hier nicht die Ehrenhaftigkeit, die Integrität, die Standfestigkeit oder Treue zur marxistisch-leninistischen Wissenschaft einer einzelnen Person sondern die eigentliche Überlegenheit und die historische Unvermeidbarkeit des Sozialismus und Kommunismus stehen zur Diskussion". (H. Brar) Wirklich, es ist absurd: Wer Stalin allein alles Positive zuschreibt wird von denen aufs böseste beschimpft, die derselben Persönlichkeit umgekehrt alles Böse zur Last legen. Und nicht wenige fallen auf dergleichen Idiotie mit ausgewechselten Vorzeichen herein. Erhaben über allem Streit steht jedoch eine Tatsache wie ein unzerstörbarer Fels in der konterrevolutionären Brandung: Generalsekretär wurde Stalin 1922, im Jahr der Gründung der UdSSR. Als er vor 50 Jahren mit seinem Tod diesen Posten verließ, war dieses Land zu einer sozialistischen Weltmacht herangewachsen und international hatte die sozialistische Revolution Siege errungen, die dem nachhaltigen Gewicht der Oktoberrevolution - sieht man zunächst von ihrer Erst- und Einmaligkeit ab - gleich kamen.

Brar bietet zahlreiche Fakten und Gesichtspunkte dafür an, dass rund vier Jahrzehnte nach dem Tod Stalins in Mittel- und Osteuropa wie in der UdSSR keineswegs ein "Stalinismus" kollabierte sondern der ganz gewöhnliche "Revisionismus". Das mag auf den ersten Blick schwer verdaulich sein. Schließlich hatte die Sowjetunion auch nach 1953 Erfolge von historischer Größe. Allein ihre Pionierrolle im Weltraum oder der Rückhalt, den sie den vietnamesischen, kubanischen und anderen Freiheitskämpfern bot, sprechen für sich. Bei näherem Hinschauen allerdings ist unschwer zu erkennen: Die Saat für diese Ernten wurde in den "finstersten Jahren" der UdSSR gelegt. Die Erben ernteten Früchte, ohne ausreichend selbst zu säen und für reichere Ernte zu sorgen. Das gilt nicht allein für die Zeit des Gorbatschowschen Durcheinanders, der als fünfter Nachfolger Stalins den Generalsekretärsposten übernahm.

Mich wundert schon lange, warum die Gorbatschow, Schewardnadse und vielen sonstigen "Erneuerer" nicht längst als recht beweiskräftige "Pro-Stalin-Belege" empfunden werden. Über viele Jahre gaben sie sich als Kommunisten aus, erreichten wichtige Funktionen in Partei und Staat. Fast niemand, mich eingeschlossen, traute ihnen anfangs Hinterhältigkeit und sonstige Gaunerei zu. Könnte es womöglich solche Gorbatschowkies auch schon in den frühen Jahrzehnten der UdSSR und der anderen sozialistischen Länder gegeben haben? Unglaublich wenn heute deren Bezeichnung als "Verräter" abgewiesen wird. Man muss schließlich nur die eigenen Aussagen dieser Leute wahrnehmen, die in totaler Freiheit gemacht wurden, demzufolge nicht unter "stalinistischer Folter". Klar, diese eigenen Bekenntnisse werden kaum zur allgemeinen Kenntnis genommen, weil der kalte und der heiße Krieg unentwegt weitergehen und damit erst recht die psychologische Kriegsführung. Und das, obgleich der Böseste aller Bösen seit 50 Jahren im Sarge liegt.

Oh ja, nun werden die "kommunistischen Geheimarchive" ausgeschlachtet. Den Machtverhältnissen entsprechend dienen alle publizierten "Entdeckungen" allein einer vorgegebenen Sicht. Warum, verflucht, erfährt man nicht, dass es seit 1935, als die Gefahr des faschistischen Überfalls unübersehbar wurde, langen, erbitterten Streit um eine Schicksalsfrage gab: Sollte der Aggression mit einer Offensive begegnet und der faschistische Feind auf dessen Territorium geschlagen werden? Oder war es eher erforderlich, bei hinhaltender Verteidigung zunächst die Hitler-Wehrmacht ins Sowjetland "zu lassen", um so überhaupt erst Voraussetzungen zu deren Vernichtung zu erlangen? Selbstverständlich durften derartige (völlig entgegengesetzte und lebensentscheidende!) Militärkonzeptionen damals nicht publik werden. Doch warum ist heute nicht wahrheitsgetreu zu erfahren, wer im Streit welche Strategie schließlich durchsetzte? Oder: Warum ist so wenig über die tatsächliche Verschärfung des Klassenkampfes in der UdSSR, bis hin zu zahlreichen bewaffneten Konflikten, nach der Annahme der sozialistischen Verfassung 1936 zu hören? Etwa weil die Wirklichkeit der Voraussicht des einseitig beurteilten Volkstribuns entsprach oder weil eben diese Wirklichkeit manchmal auch der folgerichtigsten Theorie einen Streich spielt?

Sicher doch, wer das gerade Schritt für Schritt den 3. Weltkrieg inszenierende monopolkapitalistische System von lauwarmen Plätzen aus als schönste Demokratie und Höhepunkt der Zivilisation anpreist, erhebt sich auch selbstgefällig über die Mühen und Opfer, die der kampfreiche Weg in eine menschenwürdige Ordnung der Gesellschaft mit sich brachte. Seht, wie gut es uns geht, macht es doch einfach wie wir, rufen sie jovial den ausgebeuteten Klassen und Völkern zu, aus deren Not und Tod sie ihren Wohlstand gewinnen. Widerlich! So ist denn durchaus logisch, wenn manche Genossen, "Klarheit in der Stalin-Frage" als Voraussetzung für revolutionäre Haltung ansehen. Nur: Was heißt hier Logik? Dialektik ist gefragt. Haben sich nicht Millionen Kommunisten als standhafte Kämpfer bewährt, obgleich sie weder unsere Theorie der Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte, geschweige denn die tatsächliche Wirkungsweise der Gesetze gesellschaftlicher Entwicklung intus hatten? Hand auf´s Herz: Frage sich jeder, ob er selbst die Themen beherrscht.

Wer ein wenig von wissenschaftlicher Arbeit weiß, kennt das Problem der Reihenfolge. Und wer gar die unverfälschten Auffassungen Stalins kennt, ist über seine "Hauptkettenglieder" informiert, die im Grunde nur Synonym für "notwendige Reihenfolge" sind. Ein solches Hauptkettenglied ist die Auseinandersetzung mit den hinterhältigen Erfindern eines "Stalinismus" mit Sicherheit nicht. Aus Platzgründen sind hier nur Denkanstöße möglich.

Erstens: Kommunisten haben den längeren Atem: Sie sind - bis alle sozial und politisch Unterdrückten frei werden! Also müssen sie sich auch nicht nach jeder Klamotte bücken, die ihnen der Klassengegner in den Weg wirft. Sie dürfen das auch wegen des Kraft- und Zeitverlustes nicht. Hingegen gilt es offensiv den Notwendigkeiten und Gesetzmäßigkeiten des Klassenkampfes entsprechend zu urteilen und zu handeln.

Zweitens: Trotz des Charakters unserer Epoche liegt im Augenblick eben nicht die Gestaltung einer sozialistischen, gar kommunistischen Gesellschaft an, sondern der Kampf gegen die reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals! Leider ist erneut eine riesige theoretische, propagandistische, agitatorische und organisatorische Leistung zu vollbringen, bis die weit über 100 Millionen Kommunisten dieser Erde wenigstens dies verstanden haben! Wie wird die Welt aussehen, welche anderen Klassenkampfbedingungen werden gelten, nachdem der USA-Imperialismus samt seinen diensteifrigen Achsenteilen zumindest gebändigt ist? Gerade die Bush-Politik - so unsägliches Leid sie auch verursacht - schafft dafür reale Aussichten. Zahlreiche Signale sprechen für das Heranreifen der 3. Etappe der sozialistischen Weltrevolution. Wir sollten denen helfen, die aus nationaler, um nicht zu sagen, lokaler Begrenztheit heraus die Zeichen der Zeit verschlafen, uns aber wehren, wenn sie mit sehr hausbackenen "theoretischen" Erkenntnissen andere Genossen beschimpfen. Wer tatsächlich etwas besser weiß, muss den Genossen helfen - das ist kommunistische Art. Denn: Jede neue Lage benötigt die Fortentwicklung unserer Theorie, um in der Praxis bestehen zu können.

Drittens: Für die Aufgaben der Zukunft bedarf es der sachlichen Auswertung der Erfahrungen aller sozialistischen und sozialistisch orientierten Länder im Hinblick auf die Gesetzmäßigkeiten der Übergangsperiode, des Sozialismus und des Kommunismus. Ich teile uneingeschränkt die Auffassung Brars, dass nach den Siegen der Oktoberrevolution, im Bürgerkrieg und über die ausländischen Interventen, ein Verzicht auf die Sowjetmacht undenkbar und demzufolge der Weg in Richtung Sozialismus/Kommunismus unabdingbar waren. Was die Ursachen der späteren Niederlage betrifft, ist in erster Linie der Stand der Arbeitsproduktivität zu beachten. Die entwickelten kapitalistischen Industrieländer wurden darin nicht übertroffen. Schließlich reichte das vorhandene Niveau nicht aus, um die in unserer Zeit herangereiften wissenschaftlichen Zuwächse von elementarer Tragweite materiell zu realisieren - schlichter: Die Industrie vermochte nicht, Entdeckungen, Erfindungen und neue Technologien in notwendigem Umfang nutzbar zu machen. Alle Anstrengungen, aus dem fehlerhaften Kreislauf auszubrechen, brachten nur punktuelle Erfolge. Wer wissenschaftliche Erkenntnisse nicht schnell genug materiell realisieren kann, gerät auch in der Verteidigungsfähigkeit in Rückstand. Und so kamen die "Abteilung II", die Infrastruktur, ja einfachste "Versorgungsfragen" immer wieder zu kurz - mit unzähligen Auswirkungen aller Art.

Brar mag einwenden, es lag an den Revisionisten, dass die USA u.s.w. nicht auch in der Arbeitsproduktivität überholt wurden. Ich will dem nicht widersprechen, kenne ich doch zahlreiche sehr praktische Folgen ihres Wirkens. Und doch reicht es mir als Erklärung angesichts einer keineswegs weniger realen Erfahrung nicht aus: Nach Überwindung der jeweiligen Kriegsfolgen ergab sich die Mehrzahl aller ernstzunehmenden Probleme des "real existierenden Sozialismus" im Wesentlichen aus der Tatsache, dass eine neue Gesellschaft (womöglich bis hin zum Kommunismus) in ununterbrochener

Konfrontation mit einem wirtschaftlich immer und militärtechnisch häufig überlegenen, offensiven internationalen Klassenfeind wachsen musste. Wie lange darf eine Übergangsperiode andauern bis Sozialismus gedeiht und wie lange dieser bevor er zum Kommunismus reift? Bitte sehr: Wie wirken die inneren Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution, dann des Sozialismus - und wie wirken sie unter vorgenannten Umständen? So ließe sich weiter fragen. Die Opportunisten wissen ohnehin nicht, wovon hier die Rede ist - sie haben ihre Chaostheorie und Marx geht ihnen am Hintern vorbei. Ich kann hier nur vor reiner Geistesakrobatik warnen. Die Sachlage will von Marxisten-Leninisten konkret untersucht sein, denn diese Erfahrungen werden eher benötigt, als mancher heute glaubt.

Tatsächlich und da bin ich mit Brar wohl wieder in Übereinstimmung, bestätigen mir alle Erfahrungen in der 41-jährigen DDR-Geschichte das Wirken allgemeiner gesellschaftlicher und speziell ökonomischer Gesetze sowohl in der Übergangsperiode als auch im Sozialismus. Es ist jedoch eindeutig nachweisbar, dass sowohl die gesellschaftlich-strategischen als auch "taktischen" Entscheidungen der Partei- und Staatsführungen weniger von den im inneren wirkenden gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeiten als von den Zwängen der internationalen Klassenauseinandersetzung beeinflusst bis bestimmt waren. Und dies nicht einfach infolge Dummheit oder Bosheit. Im Gegenteil, wo der übermächtige Aspekt der internationalen Klassenauseinandersetzung als zweitrangig behandelt wurde, folgten immer Niederlagen! Alles, vom Tempo der Industrialisierung über die Proportionen der Wirtschaftsbereiche bis hin zur geistig-kulturellen Entwicklung stand unter diesem Einfluss. Währenddessen stellten Opportunisten, Karrieristen und wichtigtuerische Dummköpfe den real existierenden Imperialismus geradezu als von uns erfundenen Pappkameraden dar. Nebenbei: Die Diskrepanz zwischen den Erfordernissen aus den Entwicklungsgesetzen der sozialistischen Gesellschaft einerseits und des internationalen Klassenkampfes (kalte und heiße Kriege) andererseits, machte es den klassenfeindlichen Ideologen relativ leicht, einen "Stalinismus" zu konstruieren und als trojanisches Pferd in die Reihen der Arbeiterklasse wie auch der kommunistisch orientierten Staaten einzuschmuggeln.

Viertens: Aller bevorstehender Aufbruch zu Sozialismus und Kommunismus vollzieht sich gewiss unter ganz anderen Umständen als der in der Sowjetunion, Ost- und Mitteleuropa, China, Kuba, Vietnam u.s.w. Diese Umstände sind bei vorausschauender theoretischer Arbeit zu denken. So mancher wird von der Vielfalt der Wege reichlich überrascht sein. Doch zunächst steht der Kampf mit dem feuerspeienden Drachen bevor. Illusionen im Hinblick auf Fallen und die Härte und die Grausamkeit der nach globaler Herrschaft strebenden Ungeheuer sind angesichts ihrer Macht und pragmatischen Unmoral fehl am Platze und gefährlich. Dennoch will ich am Gedenktag einer historischen Persönlichkeit, eines großen Revolutionsführers zu schreiben wagen: Fröhlich werden die Menschen ans Werk des sozialistischen Aufbaus gehen, wenn die krieglüsternen und heimtückischen Staatsterroristen die Völker nicht mehr bedrohen. Erfüllt von Freude an ehrlicher Arbeit, mag sie schwer oder kompliziert sein, an kameradschaftlichem Wettbewerb der Leistungen: Wer am meisten beiträgt, Not und Leid überall auf unserem Planeten zu besiegen, wer dem Kollektiv, der Gesellschaft am meisten nützlich sein kann. Solidarität wird der allgemein beherzigte moralische Imperativ lauten. Und die Unterschiede der Menschen, der Temperamente, der Vergleich der Ansichten und Erkenntnisse schaffen nicht Gegensätze sondern Neugier und Nähe. Nein - die DDR war so in mancher Hinsicht noch nicht und leider in den letzten Jahren immer weniger. Doch wer sie einigermaßen bewusst erlebt hat, der hat auch die reale Möglichkeit solcher Lebensverhältnisse verspürt. Es wird nicht etwa 100 Jahre lang dauern, bis aus der Möglichkeit weit verbreitete Wirklichkeit erwächst.

Hans Stahl (dankend übernommen aus „Der Rote Brandenburger", Zeitung der DKP Brandenburg)

 


Fragen der Politischen Ökonomie des Sozialismus

Ingeborg Böttcher: „Die Crux (Das Kreuz) mit dem Wertgesetz" (Zum gleichnamigen Artikel von Hermann Jacobs in Offensiv September/Okotober 2002), Teil 1

Vorwort: Ich meine, es ist hinreichend bekannt: Das Wertgesetz gehört zur Warenproduktion und da es im Sozialismus noch lange Warenproduktion gibt, wirkt auch dort das Wertgesetz. Es ist gesellschaftliches Bewegungsgesetz das besagt:

Der Wert einer Ware verhält sich zum Wert jeder anderen Ware wie die zur Produktion der einen notwendige Arbeitszeit zu der für die Produktion der anderen notwendigen Arbeitszeit. Als Werte sind alle Waren nur bestimmte Maße festgeronnener Arbeitszeit. (Karl Marx, Bd.23,S.54, MEW)

Die Waren tauschen sich zu Preisen aus, so daß der Preis die Form ist, in der das Wertgesetz erscheint. In welcher Weise immer die Preise der verschiedenen Waren erst gegeneinander festgesetzt oder geregelt sein mögen, das Wertgesetz beherrscht ihre Bewegung.(1) Marx MEW, Bd. 25, S.186,

Der Austausch oder Verkauf der Waren zu ihrem Wert ist das Rationelle, das natürliche Gesetz ihres Gleichgewichts; von ihm ausgehend, sind die Abweichungen zu erklären, nicht umgekehrt aus den Abweichungen das Gesetz selbst.(2) Marx ebd. S.197.

Warenproduktion ist ein Austauschverhältnis in Folge von Arbeitsteilung und ich bin daher zu der Überzeugung gelangt, daß wegen der immer weiter fortschreitenden Arbeitsteilung in der gesellschaftlichen Produktion, das Wertgesetz auch nach Abschaffung der Warenwirtschaft nicht verschwinden wird.

Richtig ist, daß seine Wirkungsweise und deren Berücksichtigung in der sozialistischen Praxis neu durchdacht und erprobt werden muß. Im Zuge der Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln seit 1917 mußte eine neu geartete Wirtschaft aufgebaut werden, die ohne die brutalen Praktiken kapitalistischer Aneignungsmethoden wie ursprüngliche Akkumulation, Kolonialismus und Neokolonialismus, skrupelloseste Ausbeutung unter der Zielfunktion des Maximalprofits und rücksichtslosen Konkurrenzkampfes, also ohne privatkapitalistische Aneignungsformen, auskommen muß.

Allein darin besteht schon ein wesentlicher Unterschied in der Erreichung höherer Produktivität. Eine sozialistische Wirtschaft muß sich zunächst aus rückständigen Wirtschaftsbedingungen, in der Regel sehr erheblichen Kriegszerstörungen (wie z.B. 1917 und 45) und damit äußerst harten inneren und äußeren Voraussetzungen die schon rein mathematisch gesehen nur langsam auf günstigere Steigungsraten zu bringen sind gegenüber dem gleichzeitig eskalierenden imperialistischen Vormarsch, der die Profite aus vorangegangenen Kriegen oder Krisen allein für sich ausnutzen kann, herausarbeiten.

Arbeitsproduktivität ist nicht eine Sache der Intensität und des Fleißes oder der Faulheit und Dummheit, sondern der materiellen und geistigen Mittel, die erst in langen Durststrecken erwirtschaftet werden. Die Völker, die aus Kriegen und Krisen diesen Schritt in eine sozialistische Orientierung tun, müssen sich der materiellen wie politisch-ideologischen, lange andauernden, im Voraus nicht berechenbaren Zerreißprobe in die sie sich damit gegenüber der herrschenden kapitalistischen Weltordnung begeben, voll bewußt sein.

Die Wenigsten von ihnen waren und sind in der Lage einzuschätzen was es bedeutet über Jahrzehnte im Konkurrenzkampf gegenüber dem seit Jahrhunderten erfahrenen, mit allen Wassern um Profits willen gewaschenen, nach den Gesetzen des Maximalprofits sich durchsetzenden und immer brutaler wehrenden Klassengegners, relativ auf der Stelle zu treten und dafür vor inneren und äußeren ökonomischen, politischen, ideologischen und theoretischen Angriffen und Zweiflern geradestehen zu müssen.

Obgleich die Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus vorliegt, muß zunächst begonnen werden, unter kapitalistischen Mustern zu wirtschaften. Das ist erbittertes Ringen um neue Lösungen und Erkenntnisse und man darf niemals erwarten, daß sich davon etwas von selbst einstellt. Der Weg in die Planwirtschaft mit dem Ziel der Bedürfnisbefriedigung aller kann nur in schrittweisen Veränderungen von bisher Bekanntem in sozial andere Strukturen umgewandelt werden. Das Neuland muß empirisch sondiert werden, wodurch das Erscheinungsbild von Lohnarbeit und Ausbeutung, miserabler Versorgung bis zu Perioden der Not (wie z.B. in Sowjetrußland oder nach Ende des II. Weltkrieges in ganz Osteuropa) nur langsam überwindbar ist.

„In der Betrachtung solcher Umwälzungen muß man stets unterscheiden zwischen der materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen, kurz ideologischen Formen, worin sie die Menschen dieses Konflikts bewußt werden und ihn ausfechten."(3) ME, AW. Bd.II, S.503-504/ Vorwort zur Kritik der politischen Ökonomie)

Unter den Bedingungen der Konkurrenz zwischen den Gesellschaftssystemen, wird gerade das Wertgesetz zum schlimmsten Feind des Sozialismus (man ermittle einmal nur für die DDR die Verrechnungsdifferenz der Mark der DDR gegenüber den Valuten der westlichen Welt, die sich daraus ergebenden Salden der Export/Importbilanzen und multipliziere das durchschnittliche Ergebnis für vierzig Jahre DDR, inclusive 14 Jahre Währungsschwindel aufgrund offener Grenzen), denn die Völker der Erde sind wirtschaftlich verknüpft, weil lebensnotwendige Rohstoffvorkommen ungleich verteilt sind und von den sie jeweils Beherrschenden erpresserisch monopolisiert und verteidigt werden. Dieses Problem kann erst verschwinden, wenn die volkswirtschaftliche Gesamtplanung im Sozialistischen System perfekt und der außenwirtschaftliche Konkurrenzfaktor des Kapitalismus mindestens kalkulierbar, besser aber überhaupt überwunden ist.

„Womit wir es hier zu tun haben, ist eine kommunistische Gesellschaft, nicht wie sie sich auf ihrer eigenen Grundlage entwickelt hat, sondern umgekehrt, wie sie eben aus der kapitalistischen Gesellschaft hervorgeht, also in jeder Beziehung, ökonomisch, sittlich, geistig, noch behaftet ist mit den Muttermalen der alten Gesellschaft, aus deren Schoß sie herkommt. (..) Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andere. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts anderes sein kann, als die revolutionäre Diktatur des Proletariats". (4) ME, AW, Bd. IV, S.387 (K.M. Kritik d. Goth. Prog.)

„Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist und neue, höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind." (3) (Vorwort zur Kritik /dto wie (3) oben)

(Zu empfehlen für diese Lösung, siehe auch: Computer-Sozialismus von Arno Peters, Neues Leben/Berlin, 2000)

Die Anwendung der digitalen Technik für Volkswirtschafts- und Produktionsplanung mußte materiell und theoretisch erst erworben und erschlossen werden und das aus eigener Kraft, da der Vorsprung des Westens auf diesem Gebiet abgeschirmt war. Diesbezügliche Investitionen erfordern anfangs hohe Akkumulationsraten die das Nationaleinkommen schmälern und populärere Investitionen zurückdrängen, was in der DDR in Regierungskreisen zu ernsten Meinungsverschiedenheiten führte. An Beherrschung und Einsatz solcher Technik, zur Bilanzierung und Optimierung volkswirtschaftlicher Gesamtplanung war somit lange nicht zu denken. (nur mit ihr kann aber das Wertgesetz in der Planung schnell genug berücksichtigt und damit in den Griff kommen)

Wegen Unverzichtbarkeit des Außenhandels müssen deshalb im Aufbau des Sozialismus lange Zeit unberechenbare Preisdiktionen verkraftet werden. Mehrere Preisreformen in der DDR während dieser Zeit weisen darauf hin, daß man das spontane Wirken des Wertgesetzes auch damit zu entschärfen suchte. Grundsätzlich bleibt es also auch in der geplanten sozialistischen Warenwirtschaft wichtige Triebkraft der Rationalisierung. Dieses Problem im Wettlauf mit der Zeit kein Kleines, nicht weil das Wertgesetz fehlte, sondern weil man sich vielleicht in den Führungsgremien über die Brisanz seiner Wirkungsweise im Sozialismus bis in letzter Konsequenz nicht im Klaren war, könnte auch u.a. eine der Ursachen des Scheiterns sein.

Gegenwärtig ist die Menschheit weiter denn je vom Ziel des Kommunismus entfernt. Diese und andere Erfahrungen lassen aber auch vermuten, daß in der Frage nach der Niederlage des realen Sozialismus in Europa ein bißchen von der Idee der Weltrevolution plausibel wird. Zwischen den Kulturen der beiden entgegengesetzten Gesellschaftsformationen stehen Abgründe, weshalb die Start- und Übergangsbedingungen zum Kommunismus, jenes überdimensionale physische, materielle und ideelle, politisch ideologische und moralische Kräftepotential, das dafür über mehrere Generationen permanent aufzubringen ist, eine schwierige Hürde darstellt, denn die raffinierte (ökonomisch untersetzte) Gegenideologie und Provokation des Opportunismus von Seiten der noch lange stärkeren imperialistischen Gesellschaft konnte sich immer dann durchsetzen, wenn sich die Situation im sozialistischen Aufbau zu entschärfen und insbesondere die Nachfolgegeneration den Klassenantagonismus und die Dekadenz des Kapitalismus auf die leichte Schulter zu nehmen begann.

(Nicht nur physische, materielle und intellektuelle Potenzen, sondern vor allem ideologische, theoretisch begründete Klarheit und Moral der agierenden Führungen und Massen im Sozialismus, die ein fortschreitendes Ausreifen und kulturelle Qualifizierung der Gesellschaft erfordern sind unverzichtbar, um dem Wolfsgesetz gewachsen zu sein das keine Humanität zuläßt, sondern das Recht des Stärkeren mit allen Mitteln durchsetzt. Da reicht eine dem bürgerlichen Parlamentarismus analoge Demokratie nicht aus, da sie in jedem Falle nicht die Zielrichtung verfolgt, auf die es ankommt. Sozialistische Demokratie muß zielgerichtet von der führenden Partei in Zusammenarbeit mit allen anderen Parteien und Organisationen der werktätigen Masse organisiert werden. (In der DDR gab es das bis zu den siebziger Jahren). Zaungäste sollten vorsichtig sein, vorschnell zu urteilen, sowie mit ungleichem, also opportunistischem (kapitalistischen Denkweisen angepaßtem) Maß zu messen. Nicht nur zu viel, sondern auch zu wenig Konsequenz im Aufbau des Sozialismus können tödlich sein und es läßt sich streiten, welcher Faktor wirklich zur Niederlage geführt hat. Die Erfahrung aus der zurückliegenden Objektivität, wie sich unser Autor ausdrückt, muß uns wieder motivieren, traditionell also marxistisch zu denken. Nur Maßstäbe im Sinne des historischen und dialektischen Materialismus sind sicheres Kriterium der Wahrheit und damit Ausgangsposition auch für die Zukunft)

Mit Inbetriebnahme der ersten Großrechner gegen Ende der sechziger Jahre auch in der DDR und damit der Möglichkeit kurzfristig volkswirtschaftliche Gesamtbilanzen optimieren zu können, zeigten sich schnell Erfolge.

Fast gleichzeitig entstanden aber in Ignorierung marxistischer Grundprinzipien, tragischerweise von der UdSSR ausgehende revisionistische Einflüsse, die Schritt für Schritt auf die Wirtschaftsintegration des Warschauer Vertragssystems sowie die Einheit und Geschlossenheit des revolutionären Weltsystems unheilvoll einwirkten. Revolutionäre politisch moralische wie ökonomische Geradlinigkeit, Preis, Gewinn, Währungskurs und Handelsreglement mittels Valuten, wurden nach dem Gesetz des Stärkeren nun auch wieder innerhalb des Sozialismus zu unberechenbareren Größen die insgesamt (da unkorrigiert geblieben), zum politischen und ökonomischen Dilemma führen mußten.

Das hat unbedingt auch mit dem Wirken des Wertgesetzes etwas zu tun. Aus den eingangs genannten Beiträgen in den WBL ist ersichtlich, daß in der UdSSR in den sechziger Jahren Reformbestrebungen in Richtung Planmethodik, ähnlich wie in der DDR, 1968 abgebrochen wurden. Hier heißt es wörtlich: .."daß die wirklichen Ursachen für das Scheitern (des Sozialismus) ein viertel Jahrhundert weit zurück liegen und von Breshnew und seiner Mannschaft zu verantworten sind." (WBL 3/98, S. 39)

Wo steckt nun der nicht unberechtigte Kummer unseres Autors mit dem Wertgesetz?

1.

Jacobs: „In der Frage des Wertgesetzes scheinen die Meinungen der Wendebefürworter und die ihrer Gegner mal nicht auseinander zu gehen. Es ist dieses Gesetz, von dem die meisten, darunter die, die auch heute noch Kommunisten sind, glauben, sein Fehlen habe dem Sozialismus geschadet. Die Chancen, ernst genommen zu werden, indem man das Gegenteil behauptet – sein Fehlen habe dem Sozialismus einen Schaden erspart -, scheinen gleich Null. In dieser Frage hat man noch die Chance, als erster den Marxismus zu beginnen – wenn es denn so ist -, und zugleich alle anderen Marxisten gegen sich aufzubringen."

Nicht Fehlen, sondern Ignoranz wissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten der marxistischen Weltanschauung, hat geschadet.

Da das Wertgesetz in jeder arbeitsteiligen Produktion, die sich bisher als Warenproduktion zeigte wirkt, und da der Sozialismus Warenwirtschaft ist, muß es in jedem Fall auch hier Berücksichtigung finden, wenn es nutzen und nicht schaden soll. Insbesondere in Außenhandelsbeziehungen mit der kapitalistischen Konkurrenz kann erheblicher Schaden entstehen, weil es im Wertausdruck mit Preisen äquivalenter Waren auf dem Markt konfrontiert, ausgetrickst werden kann, denn Unterschiede der Produktivität oder qualitativer Voraussetzungen stellen sich immer erst hier heraus. Das Wertgesetz erfordert also intensive Marktforschung.

Erst nach Übergang der Klassengesellschaft in die klassenlose Gesellschaft und damit die Bedürfnisorientierte Planwirtschaft muß das Wertgesetz nicht mehr über Preise und Geld wirken, sondern mit Hilfe eines im Planungsalgorythmus rechentechnisch programmierten Äquivalenzfaktors zum Regelungsmechanismus werden, durch den Proportionalität und Effektivität der gesamt gesellschaftlichen Produktion nach Aufkommen und Verwendung bis in die kleinste Bilanz verglichen, gesteuert und optimiert werden können, denn auch hierfür werden Vergleichswert und Gebrauchswert benötigt, wie sonst sollte die allseitige Bedürfnisbefriedigung ökonomisch und individuell ohne Fehlleistungen und Ausschuß, also unnütz verausgabter Arbeit und Ressourcen statt deren permanente Rationalisierung, funktionieren.

So lange der Sozialismus noch unter Bedingungen der Umkreisung vom Kapitalismus, insbesondere Imperialismus existiert, wird er einen bestimmten Sektor der Warenproduktion nicht los, der dem monopolisierten Preisdruck unterliegt und immer diesem Todfeind ausgeliefert sein, bis es gelingt ihn zu überbieten oder zu überwinden.

(Voraussetzung dafür ist allerdings der energische Schritt aus dem ideologischen Keller des Zweifels, der Abweichungen und konfusen Verwirrungen hinsichtlich der wissenschaftlichen Voraussetzungen des historischen und dialektischen Materialismus und des wissenschaftlichen Sozialismus, nach Marx und Engels. Die Menschheit kann weder ohne Kenntnis und Berücksichtigung der Naturgesetze, noch der Gesetze ihres eigenen Lebens zurechtkommen. Warum nimmt letztere bis heute niemand für voll!)

2.

Jacobs: „So lange der Sozialismus allerdings existierte, hat es seitens seiner ökonomischen Wissenschaftler nicht an Erklärungen gemangelt, daß das Wertgesetz auch im Sozialismus wirke – wenn „auch auf völlig neuer Grundlage, mit grundlegend anderem Inhalt. Die Literatur bietet wenig Beispiele – ich würde sogar sagen: gar keine,-, worin dieser neue Inhalt verständlich dargelegt ist. (...) kann sich also darauf berufen, daß der „neue Inhalt des Wertgesetzes" im Sozialismus nicht verstanden wurde."(...)"Denn ganz einig sind wir uns in der Frage, daß im Kommunismus kein Wert und Wertgesetz existieren kann - es wird ja nach Bedarf angeeignet."

Letzterem kann ich nicht zustimmen, ohne wirtschaftliche Rechnungsführung geht m.E. auch im Kommunismus nichts.

Leute, die aber u.a. nicht einmal versucht haben sich in einschlägigen Werken wie: Karl Marx: „Das Kapital", Band I bis III und „Kritik des Gothaer Programmentwurfs", Friedrich Engels: „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft" (insbes. Zweiter Abschnitt, V, Werttheorie) sowie: Dietz Verlag 1969: „Politische Ökonomie des Sozialismus und ihre Anwendung in der DDR", Dietz Verlag 1979: „Lehrbuch für das marxistisch-leninistische Grundlagenstudium politische Ökonomie des Kapitalismus und des Sozialismus",

und Dietz Verlag 1989: Neuausgabe: „Wörterbuch der politischen Ökonomie Sozialismus", zu informieren oder zumindest zurechtzufinden, bzw. wenigstens in ökonomischen Lexika, Wörterbüchern und dem Duden surfen, werden sich nicht wissenschaftlich verständigen können und auch vermutlich nicht ernst genommen werden, schon gar nicht als Marxisten oder Kommunisten.

Unser Autor sieht das anders. Er meint:

„Worüber wir Jahrzehnte redeten und uns stritten, erledigt ein reales Eigentum binnen Tagen, sofort." Was es erledigte, bleibt er schuldig, versucht statt dessen uns vermittels eines „kommunistischen Sozialismus", „Verwirrung" (...) „über die Wirkung des Wertgesetzes im Sozialismus das" als „Übergangsgesellschaft zwischen zwei Polen" wirken soll, aufzuklären. Die Frage: „..ist hier eine Form möglich, in der tatsächlich der Übergang vom einen zum anderen Prinzip erscheint?", hebt er dann aber sofort wieder auf, indem er sagt: „..wir haben es mit einer Übergangsgesellschaft zu tun, deren einer gesellschaftlicher Pol durch das Gesetz des Wertes und deren anderer gesellschaftlicher Pol durch das Gesetz das Gebrauchswertes bestimmt wird; dazwischen liegt eine Übergangsform."

Worin der Unterschied zwischen Übergangsgesellschaft und Übergangsform besteht, erklärt er nicht. Ganz sicher handelt es sich beim Sozialismus um eine Übergangsperiode der Gesellschaft vom Kapitalismus zum Kommunismus, bei der Wirkungsweise des Wertgesetzes um eine Übergangsform in der es modifiziert wird, denn hier müssen ja Privateigentum an Produktionsmitteln, Warenform der Arbeitskraft und Geld als äquivalente Ware im Verlaufe des Überganges zur gesellschaftlichen Aneignung überwunden werden.

Die Definition des „Eigentums", die uns unser Autor dazu anbietet, ist in den genannten Nachschlagewerken präziser formuliert, nämlich als ökonomische Kategorie, die alle grundlegenden gesellschaftlichen Beziehungen und Tätigkeiten der Menschen in deren Reproduktionsprozeß und das Verhältnis zu einander in Bezug auf die gegenständlichen Bedingungen der Produktion und der Produktionsmittel, also ihre Produktionsverhältnisse, ausdrückt. (4) (im Duden daneben individuelles Eigentum, auch persönliche Habe, Hab und Gut, stehen damit im Zusammenhang, jedoch mit dem Unterschied, daß sie im allgemeinen nicht dem Profit dienen).

Das, vorauf es uns in dieser Diskussion ankommt, ist aber

entweder Privateigentum an Produktionsmitteln incl. der hiermit im Zusammenhang stehenden finanziellen Mittel insgesamt, als Privateigentum an Kapital,

oder im Sozialismus als produktiv gewinnbringendes gesellschaftliches Eigentum für immer bessere Bedürfnisbefriedigung durch gesellschaftliche Aneignung und Verteilung unter Bedingungen sozialistischer Warenwirtschaft, also

immer privates oder gesellschaftliches Eigentum an Produktionsmitteln und Warenproduktion (bis auch diese überwunden ist)

Da sich die bisherige Entwicklung der Menschheit seit Überwindung der Urgesellschaft vorerst nach diesen beiden Eigentumsformen unterscheidet, von denen auch die gegenwärtigen Klassen- und Machtverhältnisse bestimmt sind, ist der Widerspruch zwischen privater Arbeit und gesellschaftlicher Aneignung, heute bereits durch den im dekadenten imperialistischen Zerfall befindlichen Kapitalismus, der um keinen Preis abtreten will, zu einer Gefahr für die menschliche Gesellschaft und alles höhere Leben geworden, die nur von der Klasse und ihren natürlichen Bündnispartnern beseitigt werden kann, die die Voraussetzung für deren Weiterbestand durch gesellschaftliche, also nicht private Aneignung mitbringen. Der Weg führt immer über den Sozialismus, als Übergangsgesellschaft von einem zum anderen Pol (wie der Autor formuliert). Zwischen beiden liegt jetzt das Problem der Weltrevolution. Anders wird die klassenlose Gesellschaft (auch Kommunismus genannt) nicht zu haben sein. Was also soll der Leser mit „realem Eigentum, neuem Inhalt der zum Kommunismus hinüber wechselt", anfangen?

„Die historische Aufgabe und Berechtigung des Kapitals ist die Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit. Eben damit schafft es unbewußt die materiellen Bedingungen einer höheren Produktionsform." (5)

Aber, sagt Marx ein paar Seiten weiter über die kapitalistische Produktionsweise,

Ihr (Hervorhebung: I.B. )historischer Beruf ist die rücksichtslose, in geometrischer Progression vorangetriebene Entfaltung der menschlichen Arbeit. Diesem Beruf wird sie untreu, sobald sie der Produktivität hemmend entgegentritt."(6) (In dem Moment nämlich, da ihr Drang nach Profit immer mehr taube Blüten treibt und sie das Verhältnis von lebendiger zu vergegenständlichter Arbeit im Produktionsprozeß gesellschaftlich nicht mehr kompensieren kann)

Sie beweist damit nur aufs neue, daß sie altersschwach wird und sich damit mehr und mehr überlebt".(7) (alle drei Zitate: Karl Marx, Kapital Band III, Dietz Verl.1953, Seiten 288, 291 und 292).

3.

Jacobs: „Für privates Eigentum ist Wertverhältnis ein Sofortverhältnis, für Aufhebung von Eigentum also Volks„eigentum", ein schier ewiger, nicht zu Ende zu bringender Streit. Den Göttern sie Dank, möchte man sagen, daß es die Wende gegeben hat, sie sollte einen Streit des Marxismus, der Kommunisten, zu Ende führen helfen".

„Wertverhältnis als Sofortverhältnis" ist für mich die Kardinalformel des Kapitals: c+v+m. Der kapitalistische Privateigentümer an Produktionsmitteln oder der Aufsichtsrat eines Konzerns im Imperialismus investiert mit der sicheren Voraussicht, daß Mehrwert (m) entsteht, dem als einziger Unsicherheitsfaktor der Markt droht, falls die Konkurrenz besser ist.

Das ist das Wolfsgesetz, das den Mehrwert, der den Profit garantiert, immer größer machen muß durch Investition immer modernerer Technik (c) und die lebendige Arbeit, das variable Kapital (v), immer kleiner. Das heißt im Endeffekt, daß sich das Kapital selbst abschafft, denn nur im Zusammenhang mit lebendiger Arbeit entsteht kostbarer Mehrwert (m)!

Ich meine: Schuld waren nicht die Götter, sondern die Teufel. Sie seien verflucht, denn sie haben damit die Prophezeiung des 1.Buch Mose, Kapitel 11, 1-9. heraufbeschworen. Die Teufel, das sind für mich, die Konsorten von Cäsar bis Bush und deren ideologische Garküchen, durch die von je her Revolutionäre und seit Marx Kommunisten und Sozialisten in Widerstreit gebracht wurden, nach dem Prinzip: (zer-)teile und herrsche.

„Überprüfung der Wendebegrifflichkeit" besagt m.E., daß wir in Europa den Sozialismus als Übergangsperiode, nicht bestanden haben, jedoch ökonomische Probleme nicht in erster Linie in der DDR verursacht worden sind. Außerdem streiten wirkliche Marxisten konstruktiv, denn sie halten sich an ihre wissenschaftliche historisch- und dialektisch begründete materialistische Theorie und Methodik, auf deren Grundlage sie jedes reale Problem rationell klären können, wenn nicht, sind sie eitle Epigonen oder Heuchler, denn das Kriterium der Wahrheit kann immer nur die unbestechliche Praxis sein, die in den mehrfach bewiesenen Axiomen des Marxismus, der die realen Kausalitäten des Lebens in allgemeinster Form, in begrifflicher Prägnanz widerspiegelt, begreifbar wird, nicht aber über subjektive Zweckkonstruktionen.

4.

Jacobs: „Wertgesetz heißt, daß man sich zu der Arbeit die man leistet, als Eigentum verhält."

Weder im Kapitalismus noch im Sozialismus ist jemand Eigentümer seiner Arbeit, falls er sich nicht sein Fahrrad selbst repariert oder Besitzer von Produktionsmitteln ist wie z.B. ein privater Handwerker der selbst arbeitet, denn im kapitalistischen Produktionsverhältnis muß der Arbeiter seine Arbeitskraft, die ebenfalls Ware ist und dem Wertgesetz unterliegt, an den Kapitalisten, den Privateigentümer von Produktionsmitteln verkaufen, um leben zu können.

Der Preis der Ware Arbeitskraft umfaßt nur den Wert der Mittel für ihre Reproduktion. Damit wird der Kapitalist privater Eigentümer der gesamten Arbeit seiner Arbeitskräfte, deren Gebrauchswert darin besteht, Mehrarbeit und somit mehr Wert hervorbringen zu können, als sie selbst wert ist. Im Kapitalismus verkauft also der Arbeiter das Recht auf seine Arbeit und nicht man, sondern der kapitalistische Unternehmer wird durch deren Aneignung deren privater (gesamt)Eigentümer.

Erst im Sozialismus ist Arbeit gesamtgesellschaftliches Eigentum, weil hier der Arbeiter, die Arbeiterin, ihre Arbeitskraft nicht verkaufen, sondern sie für den Preis ihrer Reproduktion, diesmal in die Gesamtgesellschaft einbringen, wofür sie von dem Ertrag ihrer Mehrarbeit jedoch zunehmend mehr zurück erhalten, nämlich soziale Sicherheit, gesundheitliche Betreuung, Bildung insbesondere ihrer Kinder in allen Bildungsstufen und Bereichen, unverbildete humanistische Kultur, umfassende Unterstützung bei der Aufzucht ihrer Nachkommen.

Unter den letzteren Bedingungen wird Wertverhältnis planbar. Darüber streiten Sozialisten nicht, denn hier gibt es nur einen Gesamtarbeiter und nur einen gesellschaftlichen Eigentümer, hier ist Vollbeschäftigung nicht nur möglich, sondern sogar erforderlich und der planmäßig entstehende gesellschaftliche Gewinn wird gesamtgesellschaftlich angeeignet, was allerdings Nivellierung (zwischen Reichtum und Armut) bedeutet, durch sukzessive Abschaffung der Unterschiede von Arm und Reich, durch das kleine Geheimnis der Abschaffung privatkapitalistischer Aneignung. Das schafft noch keinen Reichtum sondern zunächst nur Sicherheiten, aber Notwendigkeiten (Verpflichtungen) für alle.

Der Reichtum wird erst mit den Jahren sichtbar in neuen Wertvorstellungen neuer Lebenskultur in völlig anders motivierter Solidargemeinschaft. Das war und ist vielen bis heute nicht klar.

Die Formel, die jemandem das Recht abspricht, sich im Sozialismus zu seiner Arbeit als Eigentümer verhalten zu können oder zu dürfen, stimmt nicht nur nicht, sondern dieses Eigentümerrecht wird sogar zur Pflicht. Die verbreitete Initiative: meine Hand für mein Produkt in der ehemaligen DDR, ist beredtes Zeugnis dafür.

(Unser Autor verwechselt die Arbeit im sozialistischen Produktionsprozeß mit der eines kapitalistischen Fabrikbesitzers oder Aktienbesitzers im Aufsichtsrat eines Konzerns. Die vergesellschaftete Arbeit ihrer gekauften Arbeitskräfte für die privatkapitalistische Verwertung anzueignen, für den Austausch über das Geld, also wieder in ihre private Hand zurück, zur Akkumulation von mehr privatem Kapital als man vorher hineingesteckt hat, ist schließlich auch Arbeit, echte Privatarbeit. Im Sozialismus, in dem noch Warenproduktion vorherrscht, läuft der Prozeß ähnlich, nur daß der Gewinn aus der Mehrarbeit in den großen gesellschaftlichen Topf fließt, also gesellschaftlich angeeignet und gesellschaftlich als volkswirtschaftliches Gesamteinkommen planmäßig wieder in den Gesamt- Reproduktions- und Aneignungsprozeß eingeht und zwar im Ware/Geld/Austausch bzw. Bargeldlos).

Was hat das mit einem „zweiten verdoppelten Produkt" zu tun? Warum drückt sich unser Autor in diesem Zusammenhang so indifferent aus?

Marx spricht vom Doppelcharakter der Arbeit, durch den die Ware die durch sie entsteht, ebenfalls Doppelcharakter erhält und auch benötigt, denn sie soll ja nützlich und austauschbar sein.

Gleich am Anfang sagten wir mit Marx zum Wertgesetz, daß sich der Wert einer Ware zum Wert einer anderen Ware verhält wie die zur Produktion der einen, notwendigen Arbeitszeit, zu der für die Produktion der anderen, notwendigen Arbeitszeit. Wie die Praxis zeigt, gibt es aber kaum zwei Waren mit gleichem Wert. Die Werte z.B. von einem Paar Schuhen und einem Auto sind unterschiedlich.

Da sich der Wert jeder Ware im Preis ausdrückt, sind es die Preise, durch die die Werte der Waren aneinander gemessen, zum Tauschwert werden. Darin steckt, daß sich die Waren im Prinzip zu ihren Werten austauschen, was aber nur in Gang kommt, wenn diese Waren auch begehrt werden, Gebrauchswert haben und wenn zwischen den Waren ein Medium, ein teilbares Äquivalent vermittelnd wirkt, Geld, mit dessen Hilfe sie zu ihren Preisen kommen und mit dessen Hilfe die kapitalistische Ausbeutung kompatibel wird.

Das alles hat sich nicht irgend jemand ausgedacht, sondern es ist historisch mit der Entwicklung der Arbeit, der Produktivkräfte, der Arbeitsteilungen, der Verselbständigung der einzelnen Warenproduzenten, also der Warenwirtschaft und damit verbundenen Herausbildung der Klassengesellschaft entstanden, die so oder so, in unvermeidlicher gesellschaftlicher Weiterentwicklung wieder überwunden werden, oder sich selbst zerstören, muß. Diese Zusammenhänge wurden von Marx und Engels und ihren wissenschaftlichen Vorgängern nur herausgefunden und nach umfangreichen Studien und Schlußfolgerungen insbes. in der Kritik der politischen Ökonomie des Kapitalismus und dem wissenschaftlichen Sozialismus herausgearbeitet.

Gesellschaftlich notwendige Arbeit ist es also, wodurch Produkte ihren Wert erhalten und mit anderen austauschbar werden. Warum muß dieser Vorgang so verkompliziert werden? Nicht Austausch, aber Distribution, also Verteilung wird es auch in höher entwickelten, durch weitere Arbeitsteilungen gekennzeichneten Gesellschaftsformationen geben.

„Wertgesetz gehört zum Eigentum" behauptet unser Autor. Wenn er aber davon überzeugt ist, muß er auch dazu stehen, das von ihm selbst angeführte Volks- Eigentum, als solches anzuerkennen obgleich im Sozialismus die Aneignung nicht mehr privat, sondern gesellschaftlich erfolgt, (was ein Unterschied ist).

5.

Jacobs: „Was ist aber das ökonomische Recht in einer Gesellschaft, in der die Arbeit als ökonomisches Eigentumsrecht geendet hat ? (...) Das ökonomische Recht wechselt also vom Eigentum an der eigenen Arbeit zum Eigentum an der Gesamtarbeit. (...) Damit ist das wesentliche Merkmal des Eigentums, (...) aufgehoben, das Eigentum ist keines mehr. – und: Volkseigentum unterstellt die Gesamtheit der gesellschaftlichen Arbeitsteilung als ein Eigentum. (...) Pluralität von Eigentum hebt Volkseigentum auf, macht aus Volkseigentum gewöhnliches Eigentum.

Das wichtigste ökonomische Recht nach Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln, ist bei gleichzeitigem Wegfall des Warencharakters der Arbeitskraft die Gewährleistung des Rechts auf Arbeit für alle, womit gleichzeitig durch die damit verbundene Sicherung des Arbeitsentgelts für die Reproduktion der Arbeitskraft aller Arbeitenden und ihrer nächsten Angehörigen, den der bis dahin erreichten Wirtschaftskraft angemessenen Lebensstandard, einschließlich aller gesundheitlichen, sozialen, kulturellen und Bildungsbelange, sicherstellt.

Das damit verbundene Recht auf Mitbestimmung (nicht nur mitreden) beim weiterem Ausbau der sozialistischen Demokratie (sozialistische Demokratie heißt Demokratie durch die Arbeiterklasse) in allen Gesellschaftsbereichen, wurde allerdings im realen Sozialismus weit weniger in Anspruch genommen, als Ersteres.

Angeeignet wird im Sozialismus immer noch oder noch lange über das Geld, im öffentlichen Bereich mit Umlauf von Münzen, Scheinen und Wertpapieren, im wirtschaftlichen Bereich bargeldlos, über Konten und Fonds.

In gesellschaftlicher sozialistisch geplanter Waren- und Marktwirtschaft, die aber noch lange braucht um die Muttermale der vorherigen Gesellschaft zu überwinden besteht eines davon darin, daß die Pflichten in dieser Zeit immer noch der Not gehorchen müssen. (Eines jener Beispiele, von dem eingangs erwähnten: nach kapitalistischen Mustern arbeiten müssen) Die Pflicht wird erst im Kommunismus relevant, (wo sie sich aber hoffentlich in ein erstes Lebensbedürfnis aufgelöst haben wird). Vorher liegt, wie meine Mutter immer mahnend zu sagen pflegte, „der Knüppel beim Hund".

6.

Jacobs: „Das ökonomische Recht wechselt also vom Eigentum an der eigenen Arbeit zum Eigentum an der Gesamtarbeit; es ist mit allen geteiltes Eigentum, keiner ist Nichteigentümer; damit ist das wesentliche Merkmal des Eigentums, der Einschluß dieser weil der Ausschluß jener, aufgehoben, das Eigentum ist keines mehr." (aber).."..Pluralität von Eigentum hebt Volkseigentum auf, macht aus Volkseigentum gewöhnliches Eigentum."

Warum? Im Sozialismus geht es nicht nur um die Ökonomie, sondern vor allem um die Hegemonie, um die Macht. Wenn diese durch den überwiegenden Anteil der Ökonomie gesichert ist, Warum sollen hundert Tausende oder sogar einige Millionen von Verbündeten zu Feinden gemacht werden, wenn man die Bereitschaft der Zusammenarbeit organisieren kann ? Das sozialistische Recht kann unter humanistischen Bedingungen für Privateigentum kleiner Warenproduzenten und für genossenschaftliches Eigentum durchaus solidarisches Übergangsrecht sein, das ist bewiesen.

Die sozialistische Demokratie benötigt ihre Kraft für ideologische Umlernprozesse auf ganz anderen Gebieten, nämlich auf denen, wo die industrielle, landwirtschaftliche und geistige Produktion voranschreitet. Wenn sich kein Eigentum im Sozialismus auf diesem Wege bewährt hat, das kollektive Eigentum in der Landwirtschaft, mit Sicherheit.

Das ökonomische Recht im Sozialismus gehört den Arbeitenden und ein solches ist definiert in der Verfassung .Eine solche Verfassung unterliegt im Wandel vom Kapitalismus zum Sozialismus, nach der Überführung des privatkapitalistischen Eigentums an Produktions- und Umlaufmitteln in Volkseigentum in dessen vertretungsmäßiger Wahrnehmung durch den sozialistischen Staat unter gleichzeitiger Organisation sozialistischer Demokratie durch die führende marxistische Partei in Verbindung mit allen anderen öffentlichen Organisationen, dem Willen des Volkes.

Die wichtigste Verfassung der DDR wurde 1968 durch Volksabstimmung angenommen. (Daß sie 1990 hier nicht durch Volksabstimmung außer Kraft gesetzt wurde, ist ein grober Verstoß gegen Demokratie, welche auch immer!)

Die politisch ideologische Inbesitznahme der jeweiligen etappenmäßigen Veränderungen in einer sich entwickelnden alternativen Gesellschaft ist ein komplizierter Um-lern-prozeß, der von allen in dieser Gesellschaft Lebenden und Arbeitenden, erst ideell und logisch erfaßt und begriffen werden muß, um dann praktisch neue eigene Lebensmaxime bestimmen zu können. Pluralität der Eigentumsverhältnisse muß nicht, aber Pluralität in der Ideologie muß tödlich für eine solche Gesellschaft sein, denn die Politik ist ideologisch bedingt, die Ökonomie politisch. Nicht das Sein allein bestimmt das Bewußtsein, sondern die ideologische Klarheit über dieses Sein. (Für die letztendlich die marxistische Partei verantwortlich ist)

Die Arbeit steht immer im Dienst des gesamtgesellschaftlichen Stoffwechsels und geht wertmäßig in dessen Gesamtergebnis ein (über die Verteilungs- und Aneignungsfrage wurde vorstehend bereits einiges gesagt). Was die Pluralität von Eigentumsformen im Sozialismus betrifft, ist also die sozialistische Gemeinschaft gut beraten, wenn sie unter Berücksichtigung der klassenmäßigen, politischen und ökonomischen Verhältnisse, zunächst Genossenschaften und kleine Handwerksbetriebe zuläßt und sogar fördert, sie über Steuern und Planauflagen in die Gesamtwirtschaft einbezieht. Wenn auch mit diesen Produktionsverhältnissen ein Stück Privatwirtschaft kapitalistischer Prägung noch längere Zeit erhalten bleibt bedeutet das, weil in der Gesellschaft nicht dominant, m.E. keine Gefahr, sondern wesentliche Hilfe für den sozialistischen Aufbau.

(Diese Gruppierungen waren es in der DDR ganz bestimmt nicht, durch die die Konterrevolution begünstigt wurde, denn hier lagen die Vermögensverhältnisse offen, wurden nicht im kapitalistischen Sinne, im Gegensatz zu manchem vermeintlichen Sozialisten, mißbraucht.

7.

Jacobs: „Mit diesem Wechsel von der eigenen zur Gesamtarbeit, ist ein Wechsel in der Beziehung zu den beiden Seiten der Arbeit verbunden. Während das Eigentum an der eigenen Arbeit sich auf die abstrakte (physiologisch gleiche) Seite der Arbeit bezieht, bezieht sich das Eigentum an der Gesamtarbeit auf die konkrete Seite der Arbeit, aber die konkrete Arbeit als die Arbeit aller. Die Gesellschaft fällt mit dem Wechsel von der Warenproduktion zur kommunistischen Produktionsweise nicht in ihre Voraussetzung zurück – in die Aneignung der konkreten Arbeit an Stelle der abstrakten als eigene konkrete Arbeit. Dies ist aus den objektiven Gründen einer Gesellschaft der Arbeitsteilung nicht möglich. Es muß also bei einer gesellschaftlichen Form der Aneignung bleiben."

Mit dem Wechsel hat m.E. nur der bisherige kapitalistische Unternehmer Probleme, der Arbeiter zunächst nicht (leider). Was er zuerst begreift ist das ökonomische Recht auf Arbeit! Es wird noch lange dauern, zu lange, bis sich der Arbeiter im Sozialismus von der Ideologie befreit, ein Lohnarbeiter zu sein. Sein Gefühl, selbst kollektiver Eigentümer der Produktionsmittel und damit der Ergebnisse seiner Arbeit zu sein, drückt sich zunächst gemessen am Schein der kapitalistischen Umwelt die ihm zugänglich ist in weniger pekuniärer Bewegung und weniger Auswahlmöglichkeit im Angebot für den täglichen Bedarf aus.

Natürlich wird sich nach der erfolgreichen Meisterung einer proletarischen Revolution und vollendetem Aufbau des Sozialismus ein Wechsel der Gewichtigkeit der beiden Wertkategorien (abstrakt und konkret) von Arbeit und Ware zum Gebrauchswert hin ergeben. Aber zunächst hat man nach jeder revolutionären Umwälzung Mühe, aus Mangel, Verwirrung und Disproportionen herauszukommen, bis sich das Leben wieder überschaubar konsolidiert, dennoch aber keinerlei Möglichkeit, die Wertfunktion außer Acht zu lassen.

Nach der Erfahrung ist man führungsseitig in der frisch revolutionierten Wirtschaft zunächst nur bemüht, bestehende Defizite durch Tonnenproduktion der wichtigsten (nicht der individuellen, sondern der industriellen) Bedarfsdeckung und auf dieser wirtschaftlichen Strecke möglichst viel Gewinn in Geldausdruck für Importe oder durch Export für Devisen aufzubringen. In Notzeiten geht die Kunst, auch die sozialistische, immer nach Geld (bzw. „Brot"). Umbrüche nach Revolutionszeiten sind noch lange Not- bzw. Mangelzeiten. Klare Köpfe das zu überblicken, haben dann nur Wenige.

Bis zum Eingang in den Kommunismus muß über einen langen steinigen Weg der Trick gefunden werden, das Wertgesetz in die geduldigen Großrechner zu sperren, wo es gut untergebracht ist und Dank Marx und aller früheren und späteren Ökonomen dafür sorgt, daß die Bedürfnisbefriedigung im Kommunismus auch wirklich rationell klappt und die Arbeit so interessant und sauber wird, daß es allen tatsächlich ein Bedürfnis ist, sich mit ihr zu beschäftigen. Das jedoch erscheint zur Zeit mehr denn je allen als Utopie oder Illusion, hat sich doch die Politik der Nichtbewältigung sozialistischer Übergangsperiode aufgrund massiver Abweichungen von der Grundkonzeption des Marxismus und der daraus resultierenden totalen Verwirrung der kommunistischen Weltbewegung, als mehr als Anlaß erwiesen in Streit und Hader zu fallen, gegenwärtig keinerlei Standpunkte anzuerkennen, statt ernsthaft neu sich mit der dafür vorliegenden fundierten theoretischen Grundlage wieder zu befassen, sie sich schöpferisch neu anzueignen und aktiv in den weltweit sich entwickelnden spontanen Bewegungen um deren Verbreitung und Vertiefung zu bemühen. (Nur einige Rufer in der Wüste gibt es zur Zeit).

Statt dessen finden sich am laufenden Band Epigonen, die bewährte Begriffe besetzen, sie mit pseudowissenschaftlichen Irreführungen ausfüllen und damit so überdimensionale Kräfte herausfordern, daß man davor zurückschreckt, sie mit solchem Kraftaufwand wieder zu entschärfen. Die Sache kann gefährlich werden. Die imperialistische Gesellschaft rast in die Selbstzerstörung und die um das goldene Kalb tanzende Menschheit zertrampelt ihre einzig mögliche, bereits im Ansatz erprobte Alternative. Wie soll sie zur Vernunft gebracht werden ?

8.

Jacobs: „Die Aneignung wieder der konkreten Arbeit kann eine höhere gesellschaftliche Form der Aneignung sein, sie muß allerdings auf die Stufe der konkreten Arbeit einer Gesellschaft im gesamten gehoben sein. Den dahinter liegenden Sinn der Wechsel im Verhältnis zu den beiden Seiten der Arbeit, deren beiderseitiges Verhältnis selbst, wie auch der geschichtliche Grad an Entwicklung der Arbeit, worauf die Wechsel im Verhältnis jeweils gestellt sind, zu erkennen ist konstitutiv für die Theorie des Kommunismus. Sie machen aus ihm eine objektive Sache."

Je höher also die gesellschaftlichen Produktivkräfte und die Technik weiterentwickelt werden und dadurch auch die Arbeitsteilung voranschreitet, desto differenzierter wird die Aneignung, aber desto komplizierter und umfangreicher die Anforderungen an die Proportionalität der Produktion und Aufteilung für die Bedarfsdeckung, desto unverzichtbarer m.E. die planungs- und rechentechnische Verarbeitung der Dialektik von abstraktem und konkretem Wert.

Ebenso wie die Wertäquivalente für die Aufteilung des vorhandenen Rohstoff- und Arbeitspotentials, ist auch die Gebrauchswertsystematik für die Distribution vor dem Produktionsprozeß für jede Fertigungsstufe erforderlich, sind auch Wertäquivalent und Gebrauchswertsystematik nach dem Distributionsprozess aus der Rückkopplung der Bedarfsabwicklung zur Bedarfsinformation für die erneute Planung nach jeder Umschlagsperiode, die immer wieder in diesem Zusammenwirken benötigt wird, als dialektische Einheit unverzichtbar.

Das ist die Objektivität, ohne deren Berücksichtigung auch Planwirtschaft im Kommunismus niemals funktionieren kann.

In der privaten Warenproduktion, also unter Konkurrenzbedingungen wo Wert und Preis der Waren bei einzelnen Tauschakten nie übereinstimmen sondern immer voneinander abweichen, weil Angebot und Nachfrage sich ständig verändern, setzt das Wertgesetz (durch den Wert-Preis-Mechanismus) seine ausgleichende Wirkung schließlich insgesamt in der Wirtschaft eines Währungssystems wieder übereinstimmend spontan durch und verwirklicht auf diesem Wege seine Regulierungsfunktion über den Vergleich der jeweils objektiv aufgebrachten gesellschaftlich notwendigen Arbeit für alle Waren auf dem Markt.

Diejenigen Produzenten, die durch die Anwendung fortgeschrittener Technik weniger notwendige Arbeit zur Produktion ihrer Erzeugnisse aufwenden, realisieren zusätzlichen Gewinn. Diejenigen, die zu viel aufwenden, erleiden Verluste, gehen im Kapitalismus bankrott, oder müssen im Sozialismus durch andere gestützt werden. Da bleibt Ärger nicht aus. Hieraus ergibt sich in jedem Fall der objektive Zwang zur Weiterentwicklung der Produktivkräfte. (Diese Funktionsweise ist m.E. auch nach Aufhebung der Warenproduktion nach wie vor ins Kalkül zu ziehen).

Beides mag unter höherer Entwicklung von Wissenschaft und Technik, insbes. unter Abwesenheit von Geld nicht im beschriebenen Sinne wirksam werden, aber wenn vorstehend mehrmals auf Optimierung im Prozeß der Produktionsplanung hingewiesen wurde, sind Restriktionen (Anforderungen) im Planungsalgorithmus gemeint, die bestimmte Bedingungen sichern sollen, z.B. Einsparungen, Umverteilungen, Ressourcensparsamkeit, Umweltschutz etc., wie auch Einsatz und Wirkung modernerer Technik, vor allem richtige Proportionalität, dadurch mehr vergegenständlichte, gegenüber weniger lebendiger Arbeit in den Produktionsprozessen und damit weniger Arbeitspflichten, aber ausreichende Lebensgrundlagen gleichmäßig für alle. Das wird Praxis sein.

Gerade in der bisher höchsten denkbaren Entwicklungsstufe der menschlichen Gesellschaft, in der den Menschen die Grenzen der Kapazitäten und Ressourcen ihres Planeten voll erfassbar werden, sich ihrem Handeln keine anderen unlösbaren Widersprüchlichkeiten mehr als diese in den Weg stellen, wäre es glatter Selbstmord, wollte man dem Gebrauchswertfetischismus Tür und Tor öffnen.

9.

Jacobs: „Wichtig ist, den Wechsel zu erkennen, den das Geld dabei spielt, solange es als Mittel, das angeeignet wird oder über das Aneignung realisiert wird, erhalten bleibt. Der Wechsel ist dann am Geld zu bestimmen." / Fußnote 18: „verständlicher macht man sich den Sachverhalt aber, wenn man vom Geld als dem vermittelten oder als der vermittelnden Form absieht; d.h. wenn man sich den Gegenstand vorstellt, der zur Aneignung gelangt. Dann kristallisieren sich das Geld als der Tauschwert des Wertes und das Produkt als Gebrauchswert heraus und treten sich als Gegensatz gegenüber.) Im ersten ökonomischen Recht, Eigentumsrecht, ist die Ware ihr innerer Gegensatz von Wert und Gebrauchswert die Voraussetzung und verkauft sich die Ware an das Geld, d.h. verkauft sich der Wert in der Ware an seine Erscheinung, den Tauschwert; im zweiten ökonomischen Recht kauft das Geld die Ware, das heißt, ist der Gebrauchswert des Produkts (der „Ware") die Voraussetzung dafür, daß das Geld kauft resp. in den Gebrauchswert wechselt oder sich in ihm aufhebt. Der erste Wechsel, der einer der Ware ist, erfolgt zum Wert oder dient dem Wert, der zweite Wechsel, der einer des Geldes ist (vom Geld ausgeht), erfolgt zum Gebrauchswert oder dient dem Gebrauchswert." (...) „Was hier dargestellt ist, setzt nichts weiter um als den Wechsel von einer Gesellschaft, die Eigentum realisiert zu einer Gesellschaft, die Bedürfnisse realisiert. Es ist nicht möglich, für den Sozialismus diesen Wechsel zu unterstellen, ohne daß er als dieser Wechsel im Verhältnis von Ware und Geld, Geld und Ware erkannt ist."

Mit dieser Schlußfolgerung kann ich mich nicht einverstanden erklären.

Unser Autor konstatiert selbst, daß auch im Sozialismus Eigentum herrscht, Volkseigentum. Demzufolge findet hier kein Wertwechsel statt, sondern ein Wechsel der Aneignungsform ein Übergang von der Wert- und Gebrauchswert mäßig blind wirkenden privatkapitalistischen, zur gesellschaftlichen durch Produktions- und Distributionsplanung gesicherten Aneignung, zuerst noch mit Einschränkungen, beginnend mit dominierendem volkseigenem Sektor, noch ergänzt durch relativ geringe Anteile kleinerer Produktions- und Dienstleistungs- Einheiten in Privateigentum, sowie genossenschaftlichem Eigentum mittleren Umfanges. Erste Schritte in die Planwirtschaft also mit noch beträchtlichen privaten Anteilen.

In den sechziger, Anfang der siebziger Jahre wurden in der DDR noch große Teile der Leichtindustrie, zuvor bereits mit staatlicher Beteiligung, in private Planung eingebunden arbeitend, in Volkseigentum übernommen. Das Geld ist im Sozialismus nicht abgeschafft, sondern als Warenäquivalent nichts als eine Maßeinheit für deren Wert, der aber auch nicht ohne Preis in Geld ausgedrückt werden kann. (Was macht unser Autor mit seiner Theorie, wenn das Geld wirklich einmal abgeschafft ist?) Das ist sicher vorstellbarer bei Produktion nach dem Gebrauchsfetischismus, aber sie würde sinnloser Anarchie gehorchen müssen und die letzen Reserven an Ressourcen, wie auch an Ethik in der menschlichen Gesellschaft zerstören.

Ich denke eher, im Kommunismus, falls die Menschheit ihn erreicht, hat sie ihre spezifischen Wertvorstellungen, zu denen m.E. zweifellos die Achtung der Voraussetzungen des Lebens auf dieser Erde, der sparsamste Umgang damit und ihre ständig sich verbessernde Reproduktion, zählen. Das würde bedeuten, daß der Stoffwechsel der menschlichen Gesellschaft zu keiner Zeit ihrer Entwicklung präziser berechnet und rationalisiert werden müßte, als dann.

Vielleicht kann ein solches Äquivalent für den Wertvergleich von Waren, wie wir es heute in dem in Geld ausgedrückten Preis kennen und handhaben, in der rechnergestützten Planung, (in einer Zeit, wo der Widerspruch von privater Arbeit und gesellschaftlicher Aneignung weggefallen ist) für den Wertvergleich von Erzeugnissen ein selbstverständlicher einfacher Faktor sein, über den sich niemand mehr den Kopf zerbricht.

Man muß sich vom kleinsten bis zum größten, niedrigsten bis zum höchsten Plankomplex vorstellen, daß es immer um Bilanzen von hunderten bis tausenden Kennziffern über Aufkommen und Verwendung bzw. Aufkommen und Bedarf geht, die zu rechnen sind. Das beginnt mit den rohstoffseitigen Grundvoraussetzungen und endet mit der Bedarfsverteilung im letzten kleinen Dorf. Ohne Rechner würden das Wälder von riesigen Papierbergen sein, deren Datenkoordinationen unverzichtbar, aber manuell nicht zu bewältigen wären.

In ihnen sind sämtliche Preisermittlungen festgehalten oder umgesetzt, nämlich alle Aufwände und Kosten für alle Erzeugnisse und am Schluß saldiert, warum sollten die Rechner nicht nach einem ähnlichen Schema programmiert sein, schon mit Rücksicht auf unser Haus Erde. Vorrat, Verbrauch, Reproduktion und demgegenüber andererseits Ausstoß von Schadstoffen und Rückständen, muß nicht nur genauestens unter Kontrolle sein, sondern ständig lebensbejahend reguliert reduziert bzw. reproduziert werden. Niemand braucht zu bezahlen, niemand verdient, aber in den Rechnern muß das alles kompensiert sein. Wissen muß man das, d.h. durch die Rechner, und Computer muß es die Gesellschaft wissen.

Veränderungen, Restriktionen, Einsparungen, rationalisierende Bedingungen, werden über Computer registriert und gemeldet und von Experten in die Programme eingegeben. Ich stelle mir das als ein riesiges weltweites Projekt vor, in dem ständig Menschen damit zu tun haben, die Prozesse zu optimieren. Vieles wird von allein laufen, aber Organisator und Koordinator bleibt der Mensch.

Sicher muß es auch ein Welt-Planungsgremium geben, das die Koordinaten zwischen Bedarf und Belastung durch das Leben auf der Erde überhaupt und deren Möglichkeiten und Gleichgewichte, also die hauptsächlichen Bedingungen bestimmt. Da es auf dieser Erde verschiedene Kulturstufen und- Varianten gibt, könnte ich mir verschiedene getrennte Planungsregionen vorstellen, die mit spezifisch verschiedenen Varianten operieren, aber schließlich miteinander zentral rechentechnisch und kommunikativ vernetzbar sind. Auf Geld, denke ich, kann man da dennoch verzichten.

(Das Geld ist (war) nur Mittler für die Verteilung, das macht der Computer besser. Alle Menschen haben eine Chipkarte, darauf sind Daten wie Alter, Geschlecht und vielleicht Wohnort vermerkt. Sie gibt beim Einkauf zusammen mit der Codenummer des Erworbenen Gegenstandes über Elektronik die Information weiter, nach der die Bedarfsbewegung reguliert werden kann, Wünsche oder Beschwerden können mit der betreffenden Codenummer über Computer weitergegeben werden).

Das Wertgesetz kam mit der Arbeitsteilung, dem Markt, der Ware, dem Geld und dem Preis in die Welt der Klassengesellschaft. Das Geld muß in ihr so lange die Defizite der Produktivkraft d.h. die Differenz von Angebot und Nachfrage wegen fehlender Produktivkraft oder Macken in der Verteilung im Stoffwechsel der Gesellschaft durch sein Wirken über Lohn Preis und Profit überbrücken, bis sie überwunden sind.

In der klassenlosen Gesellschaft werden sie vergessen sein, nur ein Faktor im Rechnerprogramm, der vielleicht WG heißt, wird in der Öffentlichkeit bedeutsam im Gespräch bleiben, als Effektivitätskriterium der Produktion von Erzeugnissen für den universellen Bedarf.

Obgleich heute die Produktivkraft ausreichend wäre, alle Menschen zu versorgen, bildet der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung die Barriere für eine gesunde Weiterentwicklung. Zwischen beiden liegt die Epoche des Kampfes um die gesunde Produktivitätsgestaltung und damit Erreichung der klassenlosen Gesellschaft, den Kommunismus, was nicht im Spaziergang zu bewältigen ist, sondern Kampf um Sein oder nicht Sein bedeutet. Hier geht es um die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln, aber genau das ist die Gretchenfrage.

Unser Autor stellt fest:

„Es ist nicht möglich, für den Sozialismus diesen Wechsel zu unterstellen, (nämlich vom Tauschwert zum Geld und dann vom Geld zum Gebrauchswert.) ohne daß er als dieser Wechsel im Verhältnis von Ware und Geld, Geld und Ware erkannt ist."

Geht es ihm darum, daß das Geld nicht abgeschafft werden kann, wegen Erkenntnisproblemen?

Ich meine, man kann es drehen und wenden wie man will, die Abschaffung des Geldes ist erst möglich wenn die Produktivkraft der Gesellschaft in der Lage ist, ohne Verteilungsprobleme alle wichtigen Bedürfnisse voll befriedigen zu können. Ein solcher Zustand ist gegenwärtig nicht abzusehen, da fast 70% der Menschheit unter der Armutsgrenze leben aber nur der vorgenannte Zustand kann die Menschheit retten. Der Weg dahin führt vom Nichterkennen zum Erkennen. Nur die vermögen sich dahin durchzukämpfen, die aus der Sphäre der bisher Ausgebeuteten kommen oder freiwillig anerkennen.

(Man stelle sich vor, über Nacht könnte in der ganzen Welt enteignet und durchweg eine sozialistische Produktions- und Verteilungsweise eingeführt werden. Da wäre über lange Zeit an Abschaffung von Geld kein Gedanke, denn es würde erst ein grundlegender ökonomischer Strukturwandel erforderlich und weder Erfüllung noch Übererfüllung einfachster Bedürfnisse der Weltbevölkerung könnte problemlos gewährleistet werden, sondern so etwas wie Kriegskommunismus würde notwendig sein. Mit Waffen, Autos, Flugzeugen, Luxusartikeln oder Almosen mit denen bisher die Ärmsten „beglückt" wurden etc., wäre das nicht realisierbar. Im Gegenteil, Waffen etc. müßten sofort sichergestellt bzw. unbrauchbar gemacht werden. Für entstehende Lücken müßte auch unter diesen Bedingungen das Geld noch lange Zeit überbrücken helfen).

10.

Jacobs: „Man könnte auch alles ohne Geld abmachen, denn der Wechsel meint die Ware als den Gebrauchswert, aber wir vergewissern uns ja einer Übergangsform. In diesem Sinne ist schon die Ware, die ihren Wert darstellt, nur eine gesellschaftliche Übergangsform. Denn in der Wertform dient der Gebrauchswert als Träger des Wertes – ohne den Gebrauchswert keine Erscheinung kein sachlicher Besitz des Wertes." (..) „Ohne Geld kein sachlicher Besitz des Gebrauchswertes. Diese Konsequenz ist aber im Kommunismus in Frage gestellt insofern kein absolutes Gleichnis der sozialistischen Übergangsform zur bürgerlichen Übergangsform. Es gibt auch ein Ende der Vermittlung, d.h. einen anderen gesellschaftlichen Zustand, worin der Gegenstand, der in der Aneignung gemeint ist, direkt angeeignet ist."

Das könnte es sein! Unser Autor spricht von: „Objektivität" und „daß die Menschen ihre Geschichte als eine von ihrer Praxis abhängige erleben, (die) keine in diesem Sinne eine subjektive, schlechthin von Menschen erdachte ist." Also weder ein Schlaraffenland, noch eine Zauberinsel oder Paradies.

Direkte Aneignung erfordert m.E. zwei Voraussetzungen:

Dominanz der Weltrevolution, also überwiegend weltweite Vergesellschaftung der Produktion und Verteilung und

Stand der Produktivkraft so hoch, daß die Bedürfnisbefriedigung ohne Austausch über das Geld umfassend und allseitig realisiert werden kann.

11.

Jacobs: „Um die gesellschaftliche Stufe zu bestimmen, in der sich der Übergang von der bürgerlichen zur kommunistischen Produktionsweise vollzieht, um also die sozialistische Phase der Trennung einerseits, von der bürgerlichen Produktion von Waren und der Bindung andererseits an die kommunistische Produktion von Gütern zu bestimmen, ist auf den Unterschied an Trennung/Bindung bezüglich einmal des Wertes ein andermal des Geldes aufmerksam zu machen; wir bestimmen damit eine historische Art und Weise der Geschichte, die sich in einem Übergang befindet." (Frage, was soll das sein: „kommunistischer Sozialismus"?)

Bitte nicht kapitalistische, sozialistische und kommunistische Ökonomie in einen Topf werfen. Es bestehen wesentliche Unterschiede, die heraus- gearbeitet werden müssen. Bitte auch nicht dialektische Entwicklungsprozesse in Kisten und Schachteln packen. Innerhalb der sozialistischen und kommunistischen Produktionsweisen gibt es mehrere Stufen, die aber ineinander übergehen und erkannt werden müssen. Die Menschen, die innerhalb der gesellschaftlichen Entwicklung darin fortschreiten, können das nicht konstruieren, sondern müssen es erfühlen, müssen auf jeden Fortschritt schöpferisch reagieren. Gesellschaftliche Entwicklung ist ein Organismus, genau so wie der des Menschen oder in anderen Bereichen der Natur.

Die erste Etappe zum Sozialismus ist die Expropriation der Expropriateure, die Phase der Überführung der wichtigsten Produktions- und Finanzbereiche bisherigen kapitalistischen Privateigentums in Volkseigentum und der schrittweisen Erarbeitung der Elemente der Produktions- und Wirtschaftsplanung. In dieser Phase sieht alles chaotisch aus, eher verwirrender als vorher. Austausch auf Basis -Ware/Geld/Beziehung- bestehen weiter

Die zweite Etappe ist die sozialistische Aufbauphase, ein harter aber schöner, weil konstruktiver Weg der schrittweisen Vergesellschaftung aller Bereiche und in die Planwirtschaft und Herstellung der Proportionalität der Gesamtwirtschaft. Auch in dieser Phase besteht nach wie vor noch Warenproduktion und dabei unvermeidliche Ware/Geld/Beziehung, die so lange bestehen bleiben müssen, bis die erforderlichen Voraussetzungen für

die dritte Etappe, die hoch qualifizierte Planungstechnologie theoretisch erarbeitet und materiell realisierbar und erprobt, synchron mit der über Computer und Internet gesteuerten Rückkopplung der Bedarfsanalysen, gegeben sind.

Erst dann und wenn völlige bzw. überwiegende Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen, die diese Bedingungen zu stören vermögen, und im Innern des Systems hohe kommunistische Lebenskultur gesichert werden können, wird der Aufbau kommunistischer Wirtschaftsverhältnisse mit der Abschaffung von Waren- und Geldzirkulation durch umfassende Produktions- und Verteilungsplanung in der das Wertgesetz rechentechnisch Berücksichtigung findet und der Bedarf als Zielfunktion im Vordergrund steht, Wirklichkeit werden können.

Ingeborg Böttcher, Altlandsberg (Wird im nächsten Heft fortgesetzt; d.Red.)


Probleme mit der PDS

Werner Roß: Der neue Programmentwurf der PDS – eine ideologische Denk- und politische Handlungsfalle

Der überarbeitete Entwurf des Parteiprogramms ist vom Gehalt her nicht mehr sozialistisch als der auf dem Dresdner Parteitag vorgelegte ursprüngliche. In einigen Passagen ist er (so bei der Charakterisierung des Neoliberalismus) zwar verbalradikaler, ohne jedoch die Systemfrage zu stelle. Diese Verbalakrobatik ist nur auf einen breiten Konsens bedacht und dient dazu, Kritiker einzulullen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass dieser neue Programmentwurf einen weiteren sozialdemokratischen Aufguss darstellt, deren Positionen von den Salonpolitikern der PDS abgesteckt werden. Damit wollen die Parteirechten die Meinungsführerschaft zurückgewinnen, die auf dem Parteitag in Gera in Gefahr geriet. Nach wie vor geht es ihnen lediglich um die Symptombekämpfung der aus dem Kapitalverhältnis resultierenden Widersprüche, wobei sie sich einer reparierenden Handwerkelei bedienen. Mit der systemkonformen Kritik bleibt man brav innerhalb der Grenzen des kapitalistischen Gesellschaftssystems und fungiert als politischer Kleingärtner. Es nimmt deshalb nicht Wunder, dass die Herrschenden so nicht zu erschrecken sind, was sicher auch nicht gewollt sein dürfte. Folgender Befund in zwei Fundamentalpunkten soll diese Einschätzung stützen:

1. Macht- und Staatsfrage

„Sozialismus ist für uns ein notwendiges Ziel", so wird betont, „eine Gesellschaft, in der eine freie Entwicklung der Einzelnen zur Bedingung der freien Entwicklung aller geworden ist." Eine solche Zielsetzung wird dann zur Utopie, wenn hierfür nicht bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Diese wurden bereits von Marx und Engels im Manifest der Kommunistischen Partei benannt, so die Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln und in diesem Zusammenhang, dass die Produktion in den Händen der assoziierten Produzenten konzentriert werden müsse. Ferner: die Abschaffung der Klassen, des Staates und der Konkurrenz.

Von diesen Prämissen wird im Programmentwurf allerdings abstrahiert, so dass dieses Verständnis vom Sozialismus (das übrigens als eine mit dem Zusammenbruch der DDR neu zu begründende Wertung ausgegeben wird) nicht mehr als ein ideologisches Sandkastenspiel ist. Kontextual trifft dieses auch auf die Macht- und die Staatsfrage zu. Kein Wort verliert der Programmentwurf darüber, dass die Erringung der politischen Macht die unerlässliche Bedingung für die Schaffung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung ist. Der Staat wird nicht etwa als Machtinstrument der herrschenden Klasse und somit als Repressionsmechanismus des Kapitals gewertet, sondern man sieht das Ziel in einem entbürokratisierten und von einer selbstbestimmten Zivilgesellschaft (Lieblingsvokabular) geprägten Staat.

In diesem Zusammenhang sind auch die Aussagen über die Grundrechte zu werten, die als ein Moralkatalog angeboten werden. Ihre umfassende Realisierung muss deshalb in Zweifel gezogen werden, weil es im Kapitalismus an den notwendigen politischen, ökonomischen, ökologischen, sozialen, aber auch juristischen Garantien mangelt. So bleiben vor allem die sozialen Grundrechte auf der Strecke. Die Theorie vom libertären Sozialismus (ohne Fundament) feiert fröhliche Urstände.

2. Eigentumsfrage

Die Eigentumsfrage in ihrer Dialektik zur Machtfrage wird mit wohlfeilem Vokabular und mit einem pseudorevolutionären Anstrich garniert. Dabei verbleibt vieles nebulös. Punktuell bedeutet das: „Reale Vergesellschaftung" – so die Ausführung – „setzt demokratische Entscheidungsprozesse auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene voraus." Die Alternative zum kapitalistischen Eigentum wird nicht im allumfassenden Staatseigentum gesehen. Eine Vergesellschaftung soll dann erfolgen, wenn dies von der Mehrheit der Bürger gewünscht wird. Die „emanzipatorischen und solidarischen Interessen" sollen gestärkt werden, um „die Dominanz der Kapitalverwertungsinteressen abzuschwächen und die ihr zugrunde liegenden Macht- und Eigentumsverhältnisse zu verändern" (man fragt sich nur, wie das erfolgen soll?!).

Der bereits im Vorfeld befehdete Programmsatz, dass „Unternehmertum und Gewinninteresse wichtige Bedingungen von Innovation und betriebswirtschaftlicher Effizienz" seien, offenbart rechtssozialdemokratisches Gedankengut. Man hat überhaupt den Eindruck, dass die PDS sich zur Klientelpartei des Mittelstandes und der Kleinunternehmer profiliert. Die Frage nach dem gesellschaftlichen Subjekt wird überhaupt nicht gestellt. Unstreitig ist, dass die politische Macht- und die Eigentumsfrage an den Produktionsmitteln die Kernpunkte einer sozialistischen Programmatik darstellen müssen. Das ist auch deshalb wichtig, weil Programmatik nicht Pragmatik ist, sondern über die tagespolitische Sichtweite hinausgehen muss. Es gilt, Aussagen für radikaldemokratische Reformen zu treffen, für Zwischenetappen einer anzuvisierenden sozialistischen Gesellschaftsordnung und zugleich eine Extrapolation heutiger Vorgänge in die Zukunft vorzunehmen. Die Beziehung von politischer Macht- und Eigentumsfrage als Kardinalpunkte des Gesellschaftsverständnisses haben K. Marx und F. Engels im Manifest der Kommunistischen Partei prägnant umrissen. Schlussfolgend können wir feststellen, dass ohne die Lösung der politischen Machtfrage die Schaffung neuer Eigentumsverhältnisse nicht möglich ist. Andererseits bedarf es zur permanenten Sicherung der politischen Macht der Klasse der Lohn- und Sozialabhängigen – also zur Reproduktion der politischen Machtverhältnisse – eines tragfähigen ökonomischen Fundaments, vor allem der Vergesellschaftung des Eigentums an den entscheidenden Produktionsmitteln. Die Vergesellschaftung des Eigentums ist auch deshalb unabdingbar, weil ohne diese

„In diesem Sinne" – so betonten Marx und Engels im Kommunistischen Manifest – „können die Kommunisten ihre Theorie in dem einen Ausdruck zusammenfassen: Aufhebung des Privateigentums." Gerade deshalb muss die Eigentumsfrage für eine sozialistische Partei oben auf der politischen Bedeutungsskala ihres Programms stehen, ihr antikapitalistisches Profil, ihre Fundamental- und Systemopposition prägen.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass die ideenpolitischen Vorschläge der PDS in ihrem neuen Programmentwurf bar einer sozialistischen Sinngebung sind. Das trifft auch auf die Dialektik von Endziel und praktischer Politik zu (bspw. Was die Leninschen Imperialismustheorie im Rahmen der sog. Globalisierung und der Europäischen Union angeht, aber auch in Bezug auf die Regierungsverantwortung: tolerieren, koalieren, prinzipienloser Einstieg in den Machtapparat mit linkem Identitätsverlust. Dieser Identitätsverlust wird auch in der Haltung zur DDR deutlich.)

Da sich die PDS programmatisch weiter im System bewegt und an der Quadratur des Kreises bastelt, marginalisiert sie sich immer mehr.

Werner Roß, Zwickau

Frank Flegel: Mein Austritt aus der PDS

Nun ist für mich der Punkt erreicht, der PDS den Rücken zu kehren.

Da sind zunächst die Resultate der PDS-Koalitionsregierungen, vor allem natürlich derjenigen mit der SPD in Berlin. Hier ist die PDS nicht die Sachwalterin der „kleinen Leute", nein, sie ist Sachwalterin der Kapitalinteressen, die sie „in die Bevölkerung hinein moderiert" (Gysi). Das heißt, dass die PDS keine fortschrittliche, sondern eine den Widerstand bremsende, also konterrevolutionäre Funktion hat.

Da ist des weiteren die unglaubliche Prinzipienlosigkeit gegenüber „Bündnispartnern" rechts von der Partei. Regionales Beispiel: Christian Schwarzenholz, für die „Grünen" in den niedersächsischen Landtag eingezogen, dann zur PDS übergetreten, fand kurz vor der Bundestagswahl „dogmatische" und „neostalinistische" Tendenzen in der PDS Hannover und ließ öffentlich (in der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung") verlauten, dass er deshalb diesmal SPD wähle. Daraufhin ist er von der niedersächsischen Schiedskommission mit Parteiausschluss belegt worden. Statt dies richtig zu finden, „bedauert" dies der Kreisvorstand der PDS Hannover. Würdeloser geht’s nicht mehr.

Aber für mich ist der wesentliche Grund der Rauschmiss der „Offensiv". Der Genosse Horst Schneider aus Dresden hat im „RotFuchs" März 2003 die interessante Frage aufgeworfen: „Für wen hat die PDS welchen Gebrauchswert?". Für mich als Kommunist und als für die „Offensiv" Verantwortlicher ist die Antwort einfach: die PDS hat für mich keinerlei Gebrauchswert mehr.

Deshalb erkläre ich hiermit meinen Austritt zum 1. Mai 2003.

Frank Flegel, Hannover

Helmut Lucas: Der linke Schwanz der Bourgeoisie wird löchrig

Kommunistische Plattform der PDS Bremen aufgelöst

Da habt ihr den Salat, bin ich versucht zu sagen, aber es ist wohl mehr ein Scherbengericht geworden. Erinnern wir uns an das Jahr 1995. Im Januar erpresste Gregor Gysi den Bundesparteitag der PDS (wohl wissend, dass er das eigentliche Zugpferd der PDS war) mit seiner Drohung, er stünde für den Bundesvorstand der PDS nicht mehr zur Verfügung, wenn Sahra Wagenknecht (damals Bundessprecherin der KPF der PDS) ebenfalls da hinein gewählt würde. Sahra W. wurde trotzdem mit mehr als 30 Prozent der Stimmen gewählt. Ein Achtungserfolg, aber zuwenig für ein Mandat.

Kaum sieben Jahre später machten Gregor G. und Sahra W. Arm in Arm (!) Wahlkampf für die PDS in Berlin. Ein Antikommunist und demokratischer Eiferer versteht sich nach doch recht kurzer Zeit offenbar blendend mit seinen ehemals kommunistischen Feindin? Was ist da passiert?

Fehler hat die Kommunistische Plattform viele produziert. Das ist aber nicht das wirkliche Problem, denn Fehler sind anhand der politischen Praxis ebenso erkennbar wie korrigierbar. Es sind vor allem zwei wesentliche Grundpositionen, die dem Opportunismus und Revisionismus Tür und Tor geöffnet haben.

Erstens ist es die Ablehnung jeder Programmatik. Niemand in der KPF weiß wirklich, woran er/sie sich orientieren soll, vom offiziellen Parteiprogamm der PDS einmal abgesehen, das aber für Kommunisten untauglich ist. Es gibt nicht den geringsten Orientierungsrahmen! Selbst als die Genossen Kallabis, Krusch und Wagner (Marxistisches Forum der PDS) der PDS einen eigenen marxistischen Programmentwurf als Diskussionsbeitrag vorlegten, reagierte die Kommunistische Plattform ablehnend. Man wolle, so der derzeitige Bundessprecher Thomas Hecker, keinen eigenen Programmvorschlag machen. Stattdessen wurde und wird räsoniert, die vorgelegten Programmentwürfe der PDS seinen schlecht, in Teilen reaktionär usw., und vor allem bräuchte man gar kein neues Programm. Da fällt einem unvermittelt die historische Äußerung von Eduard Bernstein ein:

„Die Bewegung ist alles, das Ziel ist nichts!"

Haben wir hier die inhaltlichen Grundlagen behandelt bzw. deren Abwesenheit, kommen wir jetzt zweitens zur Methode. Die nennt sich „kulturvoller Streit"! Praktisch geht das so, dass Kritik immer sehr höflich zu sein hat, die abweichende Meinung also nicht allzu sehr in den Vordergrund zu stellen ist. Als der Fraktionsvorsitzende der PDS, Roland Claus, sich für ein kleines Antikriegsplakat von PDS-Abgeordneten, beim Hauptkriegstreiber George W. Bush entschuldigte, war aber sogar die Führung der KPF „sehr ärgerlich". Na, das freut uns doch! Zusammengefasst heißt das aber: Die Methode entspricht dem Mangel an qualitativem Inhalt!

Die Gesamtproblematik ist so umfassend, dass sie in einem Artikel nur relativ kurz und zusammengefasst dargestellt werden kann. Gehen wir deshalb jetzt gleich mal in die politische Praxis.

 Zur „offensiv"

 Hannover. Da entzog erst ganz kürzlich die KPF der PDS der Zeitschrift „offensiv" die Herausgeberschaft. Bis vor ein paar Jahren galt für uns Bremer die KPF Hannover noch als vorbildlich. Auch hier ist also die Frage zu stellen: Was ist da passiert? Frank Flegel und Anna C. Heinrich gehören beide der KPF Hannover an und erstellen mit kontinuierlichem Erfolg diese Zeitschrift – nur spendenunterstützt und auf eigene Rechnung. Eine großartige Leistung, zumal auch DKP-GenossInnen, deren Meinungsäußerungen von der „UZ" ignoriert oder unterdrückt werden, dort ein offenes Forum finden können.

Die Begründung ist so frappierend und entlarvend, dass wir sie hier noch einmal vollständig zitieren: „Die KPF Hannover kündigt mit sofortiger Wirkung die Herausgeberschaft der „Offensiv", --weil diese nicht der KPF-Diskussionskultur entspricht, --weil es seit längerem keine Kommunikation (trotz zweimaliger Einladung von uns) mit der Redaktion gibt und --weil wir in letzter Zeit verstärkt unsolidarische Artikel gegenüber anderen Linken erkennen mussten. Mit solidarischen Grüßen, Frank Jaeschke" (Unterstreichung von mir, H.L.) Kann man noch deutlicher ausdrücken, dass die KPF keinen Meinungskampf will, sogar versucht, ihn zu unterdrücken? Aber das „kulturvoll" mit solidarischen Grüßen?

Solange die KPF der PDS als Herausgeber fungiert hat, waren die Spenden nicht nur steuerlich absetzbar (quasi als Parteispende), die PDS hat sogar „mit"verdient, da für jeden Euro Parteispende 50 Cent aus der Staatskasse dazufließen. So wichtig ist es der PDS wie der KPF der PDS in Hannover also, die „offensiv" loszuwerden. Sie verzichten sogar auf Geld! Gibt das nicht zu denken?

Inzwischen ist längst ein Trägerverein gegründet worden und die Einzigen, die das Nachsehen haben, heißen PDS und KPF der PDS.

Zu Bremen

 Zum Verständnis der Situation in Bremen sollte man wissen, dass sich das Führungspersonal der PDS seit ihrem Bestehen überwiegend aus ehemaligen DKP-Leuten zusammensetzt, die 1989 plötzlich keine Kommunisten mehr sein wollten! Dazu gehören auch bundespolitisch nicht Unbekannte wie Marina Stahmann, Horst Langhorst, Harald Werner und Dr. Heidie Knaake-Werner, die gerade in Berlin als Sozialsenatorin in erheblichem Maße Sozialleistungen kürzt. Letztere ist vor allem deshalb besonders hervorzuheben, weil sie in Bremen die vehementeste Vertreterin der „Grundsicherung für alle" war, aber kaum in Berlin, sofort die Obdachlosen schikanierte. Ernstzunehmende Kritik – etwa von der KPF Berlin oder der Bundes-KPF – ist bei uns Bremern bislang nicht angekommen.

Das zunehmend massiver werdende Spannungsverhältnis zwischen der KPF Bremen und der Bundesebene hatte seinen ersten großen Höhepunkt im Mai 2001. Da hielt Sahra W. einen Vortrag in Bremen, der bei uns zunächst ebenso viel Irritation wie Entsetzen hervorgebracht hat. Da war von der Wiedereinführung der Vermögenssteuer die Rede, die Tobin-Steuer (Besteuerung von Aktiengewinnen) sollte gefordert werden usw.. Wäre Sahra W. nicht ausdrücklich als Kommunistin der KPF vorgestellt worden, es hätte keine/r gemerkt. Aber es kam noch schlimmer. Zwei junge GenossInnen, die sich erst wenige Tage vorher, der Bremer KPF angeschlossen hatten, haben praktisch sofort „gekündigt"! Die versammelte PDS-Mannschaft war von dem Vortrag übrigens begeistert!

Zur Rolle der Kommunistischen Plattform der PDS

 Schon im vergangenen Jahr fiel die Entscheidung, uns in „einen Marxistischen Zirkel aus Bremen" zu verwandeln. Irgendwann ist die Schmerzgrenze eben überschritten. Wie wichtig das war und welche Rolle die Kommunistische Plattform in der Praxis spielt, wurde uns dann noch einmal klar und deutlich vor Augen geführt.

Im letzten November riefen einige namhafte autonome Gruppen in Bremen zu einer Demonstration gegen „Repression nach außen und Repression nach innen" auf. Der Aufruf hatte revolutionären Charakter und war auch für Kommunisten problemlos zu akzeptieren. Wir haben den Aufruf (übrigens als einzige kommunistische Abteilung) selbstverständlich unterzeichnet. Die PDS hat das Anliegen unterstützt, aber nicht den Inhalt des Aufrufes!

Das kommt wie eine Lappalie daher, ist es aber nicht! Hätten wir als Kommunistische Plattform agiert, hätten wir genau die Alibi-Funktion erfüllt, die uns zugedacht war. Für die PDS ist das doch großartig: Die KPF unterschreibt, die PDS nicht. So kann Letztere sich immer alles ganz wundervoll zurecht legen. Die PDSler haben damit ein Daueralibi. Sie können immer sagen, „die KPF war aber ja (im Auftrag der Partei) dabei" oder „das war ja nur die KPF, die PDS macht so was nicht"!

Dieses Beispiel lässt sich beliebig fortsetzen und anhand der politischen Praxis – nicht nur in Bremen – belegen, deshalb nennen wir es den „Beliebigkeitsfaktor der KPF". Analysiert betrachtet ist das blanker Revisionismus! Ich zitiere deshalb abschließend, aus einem Artikel von Anna C. Heinrich und Frank Flegel (offensiv 1/03, S. 5 f): „Der Revisionismus ist der Tod des Klassenbewusstseins, der Todfeind der Formierung der Arbeiterklasse und der Kommunistischen Partei, er ist der Todfeind der sozialistischen Revolution, des sozialistischen Aufbaus und der Verteidigung des Sozialismus. Auf jedem einzelnen der genannten Felder führt er systematisch zur Verwirrung, verringert er die Kraft, wirkt er desintegrierend und zerstörerisch. Und deshalb gibt es keinen Frieden mit ihm – und auch keine ‚friedliche Koexistenz’".

Helmut Lucas, Ein Marxistischer Zirkel aus Bremen


Resonanz zum Heft über die Oktoberrevolution

Gerald Hoffmann: Nachbemerkungen und Diskussion zu "Voraussetzungen und Ergebnisse der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution" (offen-siv, Heft 2/2003)

Folgende Darlegungen korrigieren zunächst einige Ungenauigkeiten o.g. Arbeit, welche in der Druckfassung aufgrund technischer Probleme unberücksichtigt blieben. Vor allem aber gehe ich auf zwei Reaktionen ein, die mir bezüglich des Heftes zugingen. Insgesamt bin ich über dessen positive Aufnahme erfreut, möchte aber zugleich zeigen, dass kurzfristige Einigkeit unter KommunistInnen schnell wieder verfliegen wird, so lange die Zustimmung nicht auf derselben Grundlage, einer historisch-materialistischen Geschichtsanalyse, beruht.

1. Anmerkungen zur Arbeit

(A) Die Notwendigkeit der Kollektivierung ergebe sich daraus, „dass die Landwirtschaft...nicht ihre eigenen Produktionsmittel erzeugt" (S. 29). Dies ist zwar richtig, aber einseitig. Die Landwirtschaft stellt zwar ihre technischen Produktionsmittel nicht selbst her, wohl aber die organischen Produktionsmittel (Samen usw.) und darüber hinaus große Mengen industrieller Rohstoffe (z.B. Flachs, Baumwolle) – was in Zeiten schnell wachsender Bevölkerung (vgl. S. 34) bedeutsam ist. Aus dem Zusammenhang der ökonomischen Notwendigkeiten – Nahrungsmittel- und Rohstoffbedarf bei gleichzeitiger Unfähigkeit der in ca. 25 Mill. Einzelgehöfte zersplitterten Landwirtschaft zur erweiterten Reproduktion – müssen Kollektivierung und Industrialisierungspolitik erklärt werden.

(B) Der letzte, kursiv gesetzte Teilsatz folgender Aussage (S. 31, Fn. 45) ist falsch.

"Hinzu [zu Lorenz totalitarismustheoretischer Deutung der sowjetischen Strafjustiz] kommt, dass sämtliche politische Gefangene im Rahmen des sowjetischen Rechts gemacht wurden, was zur damaligen Zeit selbst von bürgerlicher Seite nicht angezweifelt wurde."

Natürlich wurde im imperialistischen Lager nicht nur „gezweifelt", sondern seit 1917 unablässig geschrieen gegen die "Willkür- und Terrorherrschaft" des "Kommunismus". Gemeint ist mit obiger Bemerkung, dass bürgerliche Beobachter z.B. der politischen Strafprozesse von 1937/38, obgleich sie auf der entgegengesetzten Klassenposition standen, die Rechtmäßigkeit der Verfahren gegen die innere Konterrevolution bestätigten. Heute hingegen werden die öffentlichen Prozesse dargestellt als "Schauprozesse", öffentliche Willkür- oder Racheakte Stalins. Dies ist jedoch eine nachträgliche Interpretation, welche der Zeit des Niedergangs und Zusammenbruchs des europäischen Sozialismus angehört und immer darauf basiert, dass die in der SU herrschende sozialistische Gesetzlichkeit (d.h. die 1936 eingeführte Verfassung) ignoriert wird.

Folgende Ausführungen zu den Reaktionen sollen noch einmal verdeutlichen, dass die Arbeit keine SU-Geschichte, sondern die theoretische Erfassung sozialökonomisch wesentlicher Gegebenheiten anzielt, unter denen die ökonomischen und Gesetze des Klassenkampfes zur Epochenwende der Oktoberrevolution ihre Wirkung entfalteten.

"Die technisch-ökonomische Rückständigkeit unseres Landes ist keine Erfindung von uns. Diese Rückständigkeit ist Jahrhunderte alt, sie ist als Erbteil der ganzen Geschichte unseres Landes auf uns überkommen. [...] Es wäre töricht, wollten wir uns damit trösten, dass wir, da die Rückständigkeit des Landes nicht von uns erfunden ist...für sie nicht verantwortlich gemacht werden können. [...] Da wir einmal zur Macht gelangt sind und die Aufgabe auf uns genommen haben, das Land auf der Grundlage des Sozialismus umzugestalten, tragen wir für alles die Verantwortung und müssen sie tragen – für das Schlechte sowohl wie für das Gute." (SW 11, 221 – Herv. GH)

Ob eine gegebne Politik den gesellschaftlichen Entwicklungsgesetzmäßigkeiten entspricht, ist generell Kriterium für kommunistische Politik als praktische Umsetzung des Marxismus (im Gegensatz zu bürgerlicher Politik, die hieran notwendig ihre Grenze hat.) Meine Arbeit ist daher erstens um den Nachweis des Zusammenhangs von SU-Politik und den jeweiligen konkreten Entwicklungstendenzen bemüht, und zweitens, dass bei Unkenntnis oder Ignoranz jener Gesetzmäßigkeiten die Politik der SU-Führung unverständlich bleiben muss – was wiederum eine subjektivistische Geschichtsbetrachtung nahe legt.

2. Zu den Reaktionen auf die Arbeit

Robert Steigerwald reagierte als erster, z.T. zitiere ich aus unserem Emailwechsel. Zunächst gratulierte er mir zu der Arbeit und sagte, er stimme ihr "was die 'Generallinie' angeht, zu". Differenzen scheint es nur in Nebenfragen zu geben, daher schickte Steigerwald zur empirischen Unterfütterung meiner Argumentation einige (von ihm in andrem Zusammenhang erarbeitete) "Ausführungen zum Voluntarismus und zur Kollektivierung, auch zur NÖP".

Dieses 5-seitige Manuskript (zitiert als MS) liefert dem Anspruch nach "Material zum Beweis des Voluntarismus und Subjektivismus" (MS, S. 1). Zunächst: verträgt sich das mit der Generallinie, der übergreifenden Argumentation meiner Arbeit, die gerade darauf abzielt, den Vorwürfen zu "Subjektivismus" und "Voluntarismus" Stalins den Boden zu entziehen? Natürlich nicht. Aber prüfen wir die Argumente.

"Zu den Problemen, die zwar nicht zum Zeitpunkt ihres Aufkommens, dafür aber viele Jahre später ihre negativen Auswirkungen zeitigen sollten, gehören die immer wieder zu verzeichnenden voluntaristischen und subjektivistischen Vorgehensweisen. Sie haben einen nicht geringen Anteil daran, dass solche Methoden immer mehr an die Stelle nüchterner [?] Erarbeitung politischer oder strategischer Zielsetzungen [traten] - das bekannteste Beispiel hierfür ist wohl das sog. Programm des XXII. Parteitags [1961!!]. Aber dieser Voluntarismus war früher "geboren" worden." (MS, 1)

Gleiches besagt die Bemerkung Steigerwalds, eine Krankheit (d.h. der Revisionismus) breche nicht sofort aus, sondern habe eine gewisse Inkubationszeit – also das bekannte Argument, die unter und von Stalin verursachten "Entartungen" des Parteiapparates usw. hätten sich erst "später" (z.B. unter Chruschtschow) negativ ausgewirkt. Dazu kommen wir noch. Zunächst trägt Steigerwald zum „Voluntarismus" vor, Stalin verstieß im Juni 1930 mit folgender Forderung gegen die "sehr sorgfältig erarbeiteten Direktiven" (ebd.) des ersten Fünfjahrplanes:

"Das Hauptproblem [in der Industrie] ist die forcierte Entwicklung des Eisenhüttenwesens. Beachten Sie, dass wir die Vorkriegsnorm [1913] der Roheisengewinnung erst im laufenden Jahr, 1929/30 erreicht haben und überholen. Das ist eine große Gefahr für unsere Volkswirtschaft. Um diese Gefahr bannen zu können, müssen wir die forcierte Entwicklung des Eisenhüttenwesens in die Wege leiten. Wir benötigen am Ende des Planjahrfünfts nicht, wie der Fünfjahrplan fordert, 10 Millionen Tonnen Roheisen, sondern 15-17 Millionen Tonnen. Diese Aufgabe müssen wir um jeden Preis bewältigen, wenn wir die Industrialisierung unseres Landes richtig entfalten wollen." (SW 12, 290)

Diese Äußerung entstammt einer Zeit, als die Arbeiterklasse der SU in einem allgemeinem Arbeitsenthusiasmus Gegenpläne aufzustellen begann, um den Fünfjahrplan überzuerfüllen. Der (übrigens nicht von Stalin allein ausgearbeitete) politische Rechenschaftsbericht an den XVI. Parteitag "forderte" daher nichts, was den Notwendigkeiten der industriellen Entwicklung widersprach, sondern orientierte auf eine Übererfüllung des Plans in solchen Wirtschaftszweigen, deren Zurückbleiben eine ernste Gefahr für die gesamte Wirtschaftsentwicklung darstellte. Immerhin ist die Eisenhüttenindustrie "Grundlage der Industrialisierung des Landes" (SW 13, 160). Steigerwald meint nun, das "Erreichte [war] selbst im internationalen Vergleich eine Großtat, es wurde nur durch den voluntaristischen Unsinn herabgewürdigt." (MS, 1) Dann schadete der "Voluntarismus" also dem sozialistischen Aufbau nicht, nur habe Stalin den Aufbau mit "seinen" überhöhten Planzielen "herabgewürdigt"? Die Rechenschaftsberichte und Reden bezeugen das gerade Gegenteil: Stalin würdigte 1932 die Erfüllung des ersten Gesamtfünfjahrplans, wies aber zugleich auf Mängel hin, allem voran auf "das fortdauernde Zurückbleiben der Eisenhüttenindustrie" (SW 13/282).

Wenden wir uns der landwirtschaftlichen Kollektivierung zu, wo dasselbe Problem zu bestehen scheint. Obgleich "es...keinen Zweifel für mich [Gen. Steigerwald] gibt, dass die Kollektivierung nötig war" (Ms, 2), stellt er folgende Äußerung Stalins vom Februar 1928 im Zusammenhang mit der Getreidebeschaffung heraus: "Das Gerede darüber, dass wir angeblich die NÖP aufheben, die Ablieferungspflicht einführen, die Enteignung der Kulaken betreiben usw. ist konterrevolutionäres Geschwätz... Die NÖP ist Grundlage unserer Wirtschaftspolitik und wird für eine lange geschichtliche Periode bleiben" (SW 11, 14)

Somit sei "Voluntarismus" bei Zeitpunkt und Methode der Kollektivierung nachzuweisen, denn diese hätte weder vor dem Einbruch des "russisch-sibirischen" (!) Winters, noch mit "Mitteln politischer Gewalt" (MS, 2) erfolgen dürfen. Es sei 1929/30 "plötzlich" von der Politik der Einschränkung der Kulaken zu ihrer Liquidierung als Klasse übergegangen worden und "warum diese Änderung erfolgte, ist nicht geklärt." (MS, 3) – Versuchen wir also, diese keineswegs nebensächliche Frage zu klären. Obige Aussage Stalins gründete auf der Prämisse, dass die getroffenen außerordentlichen Maßnahmen hinreichen würden um "aus der Krise der Getreidebeschaffung herauszukommen" (SW 11, 15). Ein Zitat vom April 1928 besagt:

"Es wäre töricht [im Zusammenhang mit den außerordentlichen Maßnahmen zur Getreidebeschaffung] von einer ‚Aufhebung’ der NÖP, von einer ‚Rückkehr’ zur Ablieferungspflicht zu sprechen. An eine Aufhebung der NÖP können nur Feinde der Sowjetmacht denken. Für niemanden ist heute die Neue Ökonomische Politik so vorteilhaft wie für die Sowjetmacht." (SW 11, 42; Herv. GH)

Das Wörtchen heute zeigt, dass die Beibehaltung der NÖP eine Frage der konkreten Bedingungen des sozialistischen Aufbaus war. Folgende Aussage vom Dezember 1929 verdeutlicht das:

"Lenin [sagte]...bereits der Einführung der Neuen Ökonomischen Politik, dass sich die NÖP nicht auf den Rückzug beschränkt, dass sie gleichzeitig die Vorbereitung zu einer neuen entschiedenen Offensive gegen die kapitalistischen Elemente in Stadt und Land bedeutet. [...] Wenn wir die NÖP befolgen, so deswegen, weil sie der Sache des Sozialismus dient. Sobald sie aber aufhört, der Sache des Sozialismus zu dienen, werden wir sie zum Teufel schicken." (SW 12, 151; Herv. GH)

Es war also klar, dass die NÖP ab einem bestimmten Punkt den sozialistischen Aufbau untergraben würde, anstatt ihn zu unterstützen. Stalin unterscheidet dabei (vgl. SW 11, 203f) im Anschluss an Lenin scharf zwischen der Möglichkeit der Errichtung des Sozialismus – welche die NÖP in Form der technisch-materiellen Basis herzustellen fähig war – und der Wirklichkeit der Errichtung des Sozialismus – welche unter Verhältnissen der NÖP mit ihren gemischten Eigentumsformen unmöglich war. Dafür war die Enteignung der Großbauern notwendig, um mit der Kollektivierung ihrer Güter auch die Kollektivierungsbewegung unter den Mittelbauern zu beschleunigen. Die freiwillige Kollektivierungsbewegung konnte trotz ihrer Erfolge unter den Klein- und Mittelbauern das eigentliche Problem des ersten Fünfjahrplanes, die Überführung des überwiegenden Teils der Landwirtschaft in sozialistische Eigentumsformen (um die Errichtung der industriellen Basis des Sozialismus zu gewährleisten), nicht lösen. Die Kollektivierung war zudem der entscheidende Schritt, die Getreideversorgung (und Reservenbildung) auf lange Sicht unter Kontrolle zu bekommen und nicht mehr kurzfristig auf administrative Beschaffungsmaßnahmen angewiesen zu sein.

Ich habe in meiner Arbeit (S. 45) angedeutet, dass der gesellschaftliche Entwicklungsprozess im Rahmen der NÖP als Einheit und Kampf zweier Gegensätze (vorwiegend sozialistisches Eigentum in der Industrie, vorwiegend kapitalistisches Eigentum in der Landwirtschaft) betrachtet werden kann. 1929 trieb dieser Prozess auf einen Umschlag von Quantität in Qualität zu: die Möglichkeiten für die Wiederherstellung des Kapitalismus wie auch für die Errichtung des Sozialismus wuchsen mit der NÖP so an, dass die Politik nicht entschied ob ein Umschlag erfolgte, sondern welche Qualität der gesamtgesellschaftliche Entwicklungsprozess nehmen würde. Die zwei entgegengesetzten Richtungen liegen auf der Hand: (A) Um den Sieg des Sozialismus in der SU zu sichern, war die Ablösung der NÖP, d.h. ihre Überleitung in den gesamtsozialistischen Aufbau unabdingbar, da der Getreidemangel 1929 (z.T. aufgrund von Missernten) erneut mit Tendenzen des Kulakentums, ihre Vorräte zwecks Erzielung höherer Preise zurückzuhalten sowie mit dem gewachsenen Versorgungsbedarf der städtischen Bevölkerung zusammentraf. Zugleich hatte die bisherige Kollektivierungsbewegung so gute Erfolge erzielt, dass die Kollektiv- und Sowjetwirtschaften die kulakische Warengetreideproduktion ersetzen konnten, womit es unverantwortlich und falsch gewesen wäre, die Politik der Einschränkung der Kulaken nicht zugunsten ihrer Liquidierung als Klasse abzulösen und so die sozialistische Produktion in Industrie und Landwirtschaft auf eine sozialistische Basis, d.h. die Basis des Gemeineigentums überzuleiten. – (B) Zur Restauration des Kapitalismus hätte 1929 indessen die Fortsetzung der NÖP genügt, denn so wäre das Getreideproblem nicht gelöst, den kulakischen Spekulationen freie Hand gelassen, die Industrialisierung untergraben worden und im Falle einer imperialistischen Invasion kaum genügend militärische Ausrüstung vorhanden gewesen. Steigerwalds Satz, "dass die Bauern Gewinner der Revolution und der NÖP gewesen waren und bei Fortsetzung der NÖP [nach 1929] keinen Grund gehabt hätten, sich gegen die Sowjetmacht zu stellen" (MS, S. 2), muss wohl dahingehend „präzisiert" werden, dass insbesondere die Großbauern (Kulaken) "Gewinner" der NÖP gewesen waren und nur deswegen bei Fortsetzung der NÖP keinen Grund zum Widerstand gegen die Sowjetmacht gehabt hätten, weil diese bei Fortsetzung der NÖP von alleine zugrunde gegangen wäre. Von dieser Seite zeigt sich der objektive Klassencharakter von Forderungen, die NÖP 1929 beizubehalten, egal was deren Vertreter sich subjektiv davon versprechen.

Die Kollektivierungspolitik der SU brachte also auch in dieser Periode eine ökonomische Gesetzmäßigkeit zum Ausdruck: zum Sieg der proletarischen Diktatur ist die Liquidierung der kapitalistischen Basis in der Landwirtschaft unerlässlich. Dies ist zugleich eine Frage von allgemeiner theoretischer Relevanz: Für Kommunisten ist die Notwendigkeit der restlosen Liquidierung des privaten Eigentums an Produktionsmitteln selbstverständlich. Lediglich deren Realisierung ist abhängig von konkret-historischen Umständen. Daher verwundert Steigerwalds Satz: "es gab schon Gründe für den Übergang zu einer verstärkten Kollektivierungsbewegung" (MS, 2).

Es gab schon (etwas zögerlich) Gründe (also nicht einen Hauptgrund?) für den Übergang zu einer verstärkten Kollektivierungsbewegung (Gründe für den Übergang zu einer Verstärkung?) Das sind rein quantitative Bestimmungen, während es sich bei der Kollektivierung ab Sommer 1929 um eine qualitativ neue Stufe im Klassenkampf handelte: an die Stelle der Politik der Einschränkung und Zurückdrängung kulakischer Ausbeutertendenzen trat die Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse.

"Um das Kulakentum als Klasse zu verdrängen, muss man den Widerstand dieser Klasse im offenen Kampf brechen und ihr die Quellen ihrer Existenz und Entwicklung in der Produktion (freie Bodennutzung, Produktionsinstrumente, Pacht, Recht auf Anwendung von Lohnarbeit) usw. entziehen. Das ist eben die Wendung zur Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse." (SW 12, 161)

"Liquidierung des Kulakentums als Klasse" mit "Liquidierung des Kulakentums" gleichzusetzen – das ist natürlich Unsinn, aber eine typische Variante antikommunistischer Ideologie. Der Kommunismus hat die "Liquidierung" sämtlicher Klassen zur historischen Aufgabe; die Kollektivierung war ein entscheidender und notwendiger Schritt dahin. Natürlich ist der Klassenkampf kein Spaß – immerhin nahmen die Bolschewiki mit der Kollektivierung die letzte Bastion des kapitalistischen Privateigentums in der SU (vgl. S. 44, Fn. 65). Dabei ist die Frage der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit politischer Gewalt – Marx/ Engels nannten das "despotische Eingriffe in das Eigentumsrecht und in die bürgerlichen Produktionsverhältnisse" (MEW 4, 481) – immer eine Klassenfrage. Kein Privateigentümer wird jemals den Angriff auf sein Eigentum als rechtmäßig empfinden oder sein "Ein und Alles" widerstandslos in genossenschaftliches Eigentum umwandeln lassen. Hinzu kommt die Gesetzmäßigkeit des Klassenkampfes, dass mit der Größe des Eigentums (besonders wenn es zur Ausbeutung von Arbeitskraft befähigt) Wille und Möglichkeiten wachsen, es zu verteidigen. So setzten die Großbauern der Kollektivierungsbewegung erbitterten Widerstand entgegen und ermunterten die Mittel- und Kleinbauern zur Unterstützung. Das Bündnis der Sowjetmacht mit der Mittelbauernschaft basierte zwar auf deren Versorgung mit Maschinen und Konsumgütern, hing aber zugleich von Ernteerfolgen und etwaigen konterrevolutionären Aktivitäten der Kulaken im Zusammenhang mit den Getreidebeschaffungsmaßnahmen ab. Es konnte also durch Fehler von Sowjetseite gestört werden. Die Parteiführung suchte daher die Auswüchse der Kollektivierung zu unterbinden (vgl. SW 12, 168-200). Das Klassenbündnis wurde nicht absichtlich zerstört, sondern es war gefährdet, so lange die ungesetzliche Ausweitung administrativer Maßnahmen andauerte.

Weiter. Dass im Zuge der Kollektivierung 1,1 Millionen Bauernhöfe "beseitigt" [?!] wurden, obgleich es 1929 bloß noch "600000-700000" Kulakenwirtschaften gegeben habe, beweist laut Steigerwald,

"dass der Stoß nicht nur gegen Kulakenwirtschaften geführt wurde, sondern eine große Masse auch mittelbäuerlicher Betriebe – Betriebe des wichtigsten Verbündeten der Arbeiterklasse und damit die soziale Basis der Staatsmacht [?!] – erfasste" (MS, S. 2; Herv. GH).

Deshalb sei der Widerstand gegen die Kollektivierungsoffensive als "von der sowjetischen und Parteiführung provoziert" zu betrachten (ebd.). Die Kollektivierung der Landwirtschaft bedeutete jedoch eine Zusammenlegung (keineswegs aber Beseitigung) von Gütern zwecks kollektiver Bewirtschaftung, wobei die Verstaatlichung von kulakischen Gütern die zumeist umliegenden Gehöfte der Klein- und Mittelbauern einschloss – und zwar nur dann gegen den Widerstand der Mittelbauern, wenn diese sich mit den Kulaken verbündeten. Daraus (und weil die allgemeine Kollektivierungsbewegung auch während der Offensive gegen die Dorfbourgeoisie anhielt) erklärt sich die gegenüber den kulakischen Gütern höhere Zahl kollektivierter Bauernhöfe. Dabei bestand für Mittelbauern kein Zwang zum Eintritt in Kollektivwirtschaften, so dass jene ihre Gehöfte der Kollektivwirtschaft zur Verfügung stellen konnten (was aufgrund der Möglichkeit maschineller Bewirtschaftung natürlich in ihrem Interesse lag.) Wenn also mittelbäuerliche Betriebe in die Kollektivierungsbewegung einbezogen wurden, so geschah dies im Bündnis der Mittelbauern mit der Sowjetmacht und stärkte die proletarische Klassenbasis auf dem Lande. Sofern sich Mittelbauern aber mit Kulaken zum Widerstand gegen die Kollektivierung zusammenschlossen, schufen sie Bündnisse mit den Feinden der Sowjetmacht. In wessen Interesse lag nun der "Widerstand" gegen die Kollektivierung? Wenn Gen. Steigerwald gemäß seiner Provokations-These schreibt, bei der forcierten Kollektivierung "handelte es sich um die Einleitung eines Bürgerkrieges gegen das Dorf" (MS, S. 2) so übersieht er, dass es innerhalb der Privateigentümer im Dorf verschiedene Schichten gab, die in ihren Interessen von der Kollektivierung unterschiedlich berührt wurden: Wie oben angedeutet, musste sie den Kulaken als "Bürgerkrieg" erscheinen, der ihnen ihr Eigentum raubte. Die Einstellung der Mittelbauern zur Kollektivierung hing hingegen davon ab, wie weit diese erkannten, dass ihre wirklichen Lebensinteressen trotz aller Anlaufschwierigkeiten in der Kolchose „aufgehoben" waren, weil sie als Kollektivbauern der schwankenden – kleinbürgerlichen! – Lage zwischen Dorfbourgeoisie und Arbeiterklasse enthoben waren. Das Klassenbündnis mit den Mittelbauern bedeutete mithin keine Maßnahme zur Aufrechterhaltung, sondern zur tendenziellen Beseitigung der Klassen; es ging der KPdSU weder darum, die Mittelbauern zu hätscheln, noch sie durch Provokation den Kulaken in die Arme zu treiben, sondern vielmehr "ihre individualistische Mentalität umzugestalten" (SW 11, 189), sie für die Parteilinie, für die Sowjet- und Kollektivwirtschaften zu gewinnen und in den Kampf gegen die kapitalistische Basis der Landwirtschaft einzubeziehen.

Laut Steigerwald ist nun die Mittelbauernschaft der „wichtigste Verbündete der Arbeiterklasse und damit die soziale Basis der Staatsmacht" (vgl. oben). Hier begeht er gleich zwei Fehler: Die soziale Basis einer proletarischen Staatsmacht kann unmöglich die Mittelbauernschaft, also das Kleinbürgertum sein. Sollte der Satz bedeuten „...soziale Basis der Staatsmacht auf dem Lande", so waren auch dies nicht die Mittelbauern, sondern die wichtigsten Verbündeten waren die landarmen Kleinbauern und die Dorfarmut, deren Interesse an der Kollektivierung nicht durch das mittelständische Eigentum gebrochen war und so am weitesten mit dem Interesse der Arbeiterklasse an der Kollektivierung übereinstimmte, denn die Kollektivwirtschaft war die eigentliche soziale Basis der Sowjetmacht auf dem Lande.

Schließlich liegt Gen. Steigerwald falsch, wenn er behauptet, der bewaffnete Widerstands seitens kulakischer und Mittelbauern gegen die forcierte Kollektivierung wurde zur Rechtfertigung des fehlerhaften Vorgehens der Partei als verschärfter Klassenkampf "hingestellt" (MS, 2). Stalin bemerkte bereits im Oktober 1928:

"Da bei uns die Kleinproduktion Massencharakter trägt und sogar vorherrscht und da sie, besonders unter den Verhältnissen der NÖP, unausgesetzt und im Massenumfang Kapitalismus und Bourgeoisie erzeugt, ist es klar, dass bei uns die Vorbedingungen bestehen, die eine Wiederherstellung des Kapitalismus möglich machen." (SW 11, 201; Herv. teilw. GH)

Da also mit der Oktoberrevolution die Wurzeln des Kapitalismus noch keineswegs ausgerodet waren, sondern vielmehr – um im Bilde zu bleiben – neue Triebe bildeten und der Kapitalismus im Lande aufgrund der NÖP erstarkte, war die Verstärkung des Klassenkampfes notwendiger Bestandteil der NÖP, denn die Zurückdrängung kapitalistischer Elemente in Industrie und Landwirtschaft verschärfte deren Erbitterung und Widerstand gegenüber der Sowjetmacht bereits vor der Kollektivierung.

Es ist also deutlich, dass Steigerwald (subjektivistisch verfehlte Industrialisierungspolitik – ungerechtfertigter Abbruch der NÖP – Verletzung ökonomischer Gesetze – "überwuchernder Zentralismus" [MS. 3] – Entfremdung der Partei- und Staatsführung von den Werktätigen – "die bekannten repressiven Maßnahmen" [ebd.] usw.) eine den Marxisten von „linken" wie rechten Revisionisten immer wieder "in die Zähne geworfene" Argumentation bemüht, die sich zusammenfasst in eingangs erwähntem Gedanken:

"die Missachtung objektiver Gesetze [muss] zum Voluntarismus und Subjektivismus führen [...] Es ist eine Illusion zu glauben, auf Dauer könne ein Wirtschaftsprozess bei Missachtung seiner eigenen Gesetze gedeihen; der schließliche Kollaps ist darin vielmehr eingeschlossen" (MS, 4 – Herv. GH)

Stalin habe „also" durch „seinen" Voluntarismus den Grund dafür gelegt, dass andere nach ihm den Sozialismus zugrunde richten mussten? Der Marxismus ist kein Fatalismus, sondern besagt, dass in jeder geschichtlichen Situation richtige und falsche Entscheidungen getroffen, der sozialistische Aufbau jederzeit durch richtige oder falsche Politik vorangetrieben oder gehemmt werden kann. Die Voluntarismus-„Theorie" ignoriert, dass Fehler und Übereilungen Erscheinungsformen in einem historisch notwendigen Entwicklungsprozess waren, welcher in seiner Gesamtheit durch individuelle Eigenschaften Stalins gar nicht beeinflusst werden konnte. Wesentliche politische Fehler können in einem sozialistischen Entwicklungsprozess nur derart wirken, dass die gesamtgesellschaftliche Entwicklung den sozialistischen Kurs verlässt und destabilisiert wird, die Wirtschaft stagniert, das Vertrauen der Bevölkerung in die eigne revolutionäre Kraft verloren geht und schließlich der Konterrevolution und kapitalistischen Restauration der Weg geebnet wird. Stalin hat mehrfach darauf hingewiesen, dass eine Befolgung der voluntaristischen Politik des Trotzkismus, wie auch des rechten Opportunismus Frumkin/ Bucharinscher Prägung eine Gefahr für die Diktatur des Proletariats bedeutete. Leider behielt er damit Recht: Die Destabilisierung des sozialistischen Aufbaus unter Chruschtschow und der schließliche Niedergang des Sozialismus unter Gorbatschow gründeten u.a. im Rückgang auf wirtschaftspolitische Konzeptionen, wie sie z.B. die Politiker der rechten Abweichung um 1928-32 vertreten hatten. Sicherlich haben alle Revisionisten edle sozialistische Ideale, sicher war Chruschtschow mit seiner Führungsmannschaft überzeugt, dass das Land einer "Entstalinisierung" bedurfte, um zum Kommunismus zu gelangen. Aber damit hatten sie eine falsche Überzeugung, denn faktisch wurde die SU unter der Flagge des „Kampfes gegen Personenkult" usw. politisch-ökonomisch wie auch ideologisch auf kleinbürgerlich-revisionistischem Kurs in den Abgrund geführt. Erinnern wir uns der Mahnung Lenins in „Worte und Taten":

„Bei uns wird ständig der Fehler gemacht, dass man die Losungen und die Taktik einer bestimmten Partei nach den Motiven und Vorsätzen beurteilt, die diese...selbst deklariert. [–] Es geht nicht um Motive, nicht um Worte, sondern um die objektiven, von ihnen unabhängigen Umstände, die das Schicksal und die Bedeutung der Losungen...bestimmen." (LW 19, 252)

Während Schwierigkeiten in der Aufstiegsphase des Sozialismus in aller Regel offen diskutiert wurden (vgl. Stalins Brief an Maxim Gorki über Selbstkritik; SW 12, 153f), wurden die "Schwierigkeiten" in der langen Degenerationsphase des Sozialismus in ideologischer Selbstfetischisierung zunehmend allein dem "Weltimperialismus" zugeschrieben. Unter der Oberfläche gab es aber im sozialistischen Lager harte Auseinandersetzungen über Fortführung, Aufweichung oder Abbruch bisher als gesichert geltender sozialistischer Politik. Die objektiv falsche Politik des Revisionismus auf Stalin abzuwälzen ist zugleich ein Abwälzen der Verantwortung für die Fehlersuche ab 1956; ein notwendiges Element kommunistischer Selbstkritik ist es daher, diese Prozesse zu untersuchen (vgl. S. 44).

Der einzig wirkliche "Fehler" des Sozialismus besteht – aus bürgerlicher Sicht – darin, dass unter der Stalin-geführten KPdSU in der Sowjetunion (denn dies bewies die Praktikabilität marxistischer Theorie) historisch erstmalig das Privateigentum abgeschafft wurde. Der Revisionismus trägt (auf „marxistischem" Umweg) diese Ansicht der Bourgeoisie vor, wenn er zwar nicht die Abschaffung als solche verwirft, aber „Fehler" in diesem Prozess sucht – wobei seine Alternativen darauf hinauslaufen, dass bei ihrer Umsetzung eben dieser Prozess gescheitert wäre. Die Grenze zwischen revolutionärer und opportunistischer Ideologie verläuft heute wie vor 150 Jahren in der Eigentumsfrage. Je nachdem wie man zu ihr – und zu Fragen des in den Eigentumsverhältnissen gründenden Klassenkampfes – steht, wird auch die Betrachtung der Geschichte des realen Sozialismus eine marxistische oder revisionistische sein. Jegliche aktuelle Politik ist durch den Bezug auf die Geschichte des Realsozialismus bestimmt, dieser daher nach wie vor Hauptfeld im ideologischen Klassenkampf der Gegenwart. Gerade in Bezug auf die Hauptfrage des gesellschaftlichen Klassenkampfes, die Eigentumsfrage „kann die Frage nur so stehen: bürgerliche oder sozialistische Ideologie [–] wie es überhaupt in einer Gesellschaft, die von Klassengegensätzen zerfleischt wird, niemals eine...über den Klassen stehende Ideologie geben kann." (LW 5, 396) Erstaunlich ist daher Steigerwalds Bemerkung bezüglich einer angeblich allgegenwärtig von Stalin ausgeübten ideologischen Kontrolle:

"Wo der Meinungsstreit in das Odium klassenfeindlichen Wirkens gerät, ist Entfaltung von Wissenschaft nicht mehr möglich" (MS. 4)

Das sehen Vertreter einer "neutralen" Wissenschaft und „objektiven" Geschichtsbetrachtung ebenso. Im Marxismus hingegen ist eine Binsenweisheit, dass jeglicher "Meinungsstreit", so lange antagonistische Klassen existieren, im "Odium" des ideologischen Klassenkampfes stattfindet, der von Personen weder erzeugt noch abgeschafft werden kann. Gerade in der Wissenschaft wird der Klassenkampf mit besonderer Schärfe geführt, weil wissenschaftliche Erkenntnisse aufgrund ihrer Objektivität und Allgemeinheit den meisten orientierenden Wert für revolutionäre, auf die Zukunft gerichtete Praxis haben – deswegen bedarf die Arbeiterklasse einer wissenschaftlichen Weltanschauung. Darin liegt die Untrennbarkeit von Objektivität und Klassenfeindlichkeit gegenüber allem Idealismus. Nun ruft Steigerwald aus, "dass wir Materialisten und nicht Idealisten sind" (MS, 3). Natürlich, denn heute wäre das Eingeständnis des Idealismus schlechterdings der Bruch mit dem Marxismus wenn nicht gar mit der Wissenschaft überhaupt. Selbst Sigmund Freud schätzte sich daher als Materialisten ein. Was aber, wenn ein subjektiv überzeugter Materialist objektiv "verfeinerte" idealistische Argumentationen vertritt? Der Inhalt eines Textes ist nicht nach der Selbsteinschätzung des Autors, sondern dessen Selbsteinschätzung vielmehr nach dem Inhalt des Textes zu beurteilen; bei Freud nicht anders als bei Steigerwald. M.E. unterscheidet sich seine Argumentation nicht wesentlich von subjektivistischer Geschichtsbetrachtung, deren Kritik ich in der Broschüre anstrebe. Darin darf der Inhalt eines formalen "Wir stimmen überein!" unter Kommunisten keinesfalls bestehen. Klarheit vor Einheit!

Eine zweite Reaktion erreichte mich von dem jungen Berliner Genossen H. Oehme. Zunächst schätzt er Darstellungsform und Methode meiner Arbeit als "die langgesuchte eines nicht moralisierenden Marxisten". In der Tat: es kommt m.E. darauf an, die für heute praktisch-orientierende Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Ideologie über eine konsequent wissenschaftliche Einschätzung der Geschichte wiederzugewinnen – anstelle einer scholastischen Polemik mittels aus dem Zusammenhang gerissener (NB: hier stecken Voluntarismus und Subjektivismus!) Zitate, Planzahlen, Hungertoter, Arbeitslager, Liquidierungen, "Schauprozessen" usw. auf der einen sowie industriellen Großbauten, Genialität und Weisheit Stalins, Siege der Roten Armee, Bildungsstand der Arbeiterklasse usw. auf der andren Seite. Schönrednerei der Opferzahlen des Klassenkampfes in der SU gehört ebenfalls zum Revisionismus, weil er den Zusammenhang von weltweitem Klassenkampf und sowjetischen Zwangsmaßnahmen ignoriert. Es kommt also nicht darauf zu sagen, es waren ja "nur" so und so viele, denn sie waren eben nicht „Opfer Stalins", sondern – salopp gesagt – Opfer kleinbürgerlicher Ideologie und Disziplinlosigkeit, die ihnen Unterstützung des und Integration in den sozialistischen Aufbau versagte; daher wurde diese Integration erzwungen oder die betreffenden wurden Personen abgeurteilt. Auf die Schwierigkeiten der Disziplinierung des "gesellschaftlichen Gesamtarbeiters" (wie Marx vielleicht gesagt haben würde) habe ich in meiner Arbeit (S. 39-40) hingewiesen. – Obgleich Oehme meine Arbeit als "Schritt hin zu einer synthetischen Erkenntnis über die SU" auffasst, reklamiert er:

"Wieder mal haben wir eine Schrift zur Verständigung untereinander... Doch was die Schrift "Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" leistet, was das Manifest leistet, was andere Schriften des Marxismus leisten und...was Hoffmanns Schrift trotz aller Kürze und Schärfe nicht leistet, ist die voraussetzungslose Darstellung, ist die Unvereinbarung, ist die propagandistische Ausrichtung nicht nur gegen Revisionisten, sondern auch für Nichtsozialisten. Solche Schriften sind möglich, und solche Schriften brauchen wir."

M.E. ist Selbstverständigung jedoch Voraussetzung für eine nach Außen geschlossene und gefestigte wissenschaftliche Auffassung zur Geschichte des sozialistischen Aufstiegs und Niedergangs. Die gegenwärtigen Verzettelungen (etwa dass sich die PDS für die Existenz des realen Sozialismus überhaupt, die DKP immerhin schon "marxistisch" für die "Fehler Stalins" entschuldigt, andere Gruppen wiederum die Existenz des realen Sozialismus in der DDR leugnen usw.), kommen u.a. daher, dass die theoretischen Grundlagen des Marxismus-Leninismus vernachlässigt werden. Jede subjektivistische Geschichtsinterpretation liefert neue „Gründe" für die praktisch-organisatorische Abgrenzung von anderen kommunistischen Gruppen. Der Revisionismus reproduziert so das bürgerliche Konkurrenzprinzip.

Schließlich vermisst Oehme die "Weiterführung bis 1953" an meiner Arbeit. Da sie aber lediglich als universitäre Hausarbeit im Zusammenhang mit der Exilproblematik deutscher Kulturschaffender entstand, kann ich der "Weiterführung" derzeit nicht nachgehen. Allerdings erarbeite ich gegenwärtig eine umfangreichere ideologietheoretische Studie zum modernen Revisionismus, worin hier nur Angedeutetes weiter ausgeführt wird. Jedoch nehme ich gern Oehmes Anregungen auf und stelle seine Einschätzung der SU-Entwicklung bis 1953 dar. Die Hauptthese lautet:

"Stalinismus ist der Landleninismus und der Institutionalisierungsleninismus, also der fortgeschrittene Leninismus, Leninismus von 1924-1953" und wird folgendermaßen begründet:

"a) Landleninismus: Stalinismus ist die Einlösung der Leninschen Agrarfrage. Die eigentliche Bedeutung der Kollektivierung steht bei Hoffmann, in dem Sinne, dass Nichtmarxisten die Wichtigkeit dieser Frage zwar begreifen, nicht aber, welche Schwierigkeiten damit verbunden sind, angefangen vom Kulakenwiderstand bis hin zu den Problemen des Land-Stadt-Deals".

Gemeint ist damit die sog. "Schere" zwischen Stadt und Land, da die Landbevölkerung städtische Industriewaren überzubezahlen hatte, um die notwendigen Investitionssummen für die Industrialisierung aufzubringen. Diese Preispolitik beweist übrigens ein weiteres Mal, dass die KPdSU-Führung die objektiven ökonomischen Gesetzmäßigkeiten (hier das Wertgesetz) weder ignorierte, noch einfach passiv hinnahm, sondern sie bewusst ausnutzte.

[Eine wichtige Errungenschaft war dabei] "die Etablierung der Partei als Massenpartei, als Partei auf dem Lande (Bewegung der 25.000), als mediativer Exekutor einer Landbewegung, die den Widerspruch bewältigen musste, eine kommunistische zu sein, die mitten in mittelalterlichen Verhältnissen ein ursprünglich für spätbürgerliche Gesellschaften aufgestelltes Programm zu erfüllen hatte. Die grandiose Bewältigung von 1000-jährigen Entwicklungsunterschieden [...], wie sich das in der NÖP, in der Kollektivierung (oder zunächst sogar Entkollektivierung, wenn MTS- und Ernährungsbasis noch nicht vorhanden war) der frühen 30er und...anderer bedächtig-revolutionärer Maßnahmen zeigt, ist ein Werk des Landleninismus, der Erfüllung des Marxismus in der Leninschen Anwendung auf die russischen Verhältnisse zu Zeiten Stalins. [...] Der Landleninismus und die Kollektivierung sind...natürlich nicht in starrer Etappe, sondern mit fließendem Übergang, der erste Schritt zur Weltindustrienation. [...] Landleninismus, Lenins Agrar-, Kollektivierungs- und Arbeiter-Bauern-Bündnis-Programm, das ist die vielleicht mühsamste Etappe der SU-Revolution, die quantitativ größte gesellschaftliche Veränderung, während die (nicht vom Lande zu trennende) Hochindustrialisierung die qualitativ bedeutendste darstellt."

Die im sozialistischen Aufbau erreichte qualitativ neue Entwicklungsstufe brachte es mit sich,

dass "der Versuch deutscher Imperialisten, die SU einzunehmen und zu privatisieren, in logischer Folge der SU-Maßnahmen einfach zum Scheitern verurteilt [war], wenn man nur an die Panzerarmeen denken möge, die vom Ural her noch anrollen hätten können; es war also der opferreichste Kampf der SU, aber durch die vorhergehenden Maßnahmen fast ein vorauszusehendes Ereignis, und einst wird es heißen, dass die Imperialisten der Welt [die SU] noch einmal mit kriegerischen Mitteln rekapitalisieren wollten, und dass das zum größten Krieg der Weltgeschichte und zu einer krassen Niederlage zumindest zweier der stärksten Imperialistengruppen geführt hat. Der Landleninismus gewann den 2. Weltkrieg für die SU, weil er im Exempel Grundvoraussetzung für Prod. II [die erweiterte Reproduktion der Produktionsmittel-Industrie] war..."

b) Institutionalisierungsleninismus:

"Institutionalisierungsleninismus war der Stalinismus..., weil die Bürgerkriegswehen und der damit einhergehende anarchische Zustand der SU 1922 nicht mit den letzten Truppen verschwanden, sondern sich durch die ganzen 20er der Prozess der Normalisierung...hinzog. Die Kulaken als Klasse bestanden, die NÖP war Quasi-Kleinkapitalismus, die Partei hatte keinen [richtiger: wenig] Einfluss auf dem Lande..., sie hielt eben nur die maßgeblichen Produktionsstätten in des Proletariats Händen. Man vergegenwärtige sich die Aussprachen Stalins gegen eine 1929 stattfindende arbiträre Exekution von Kulaken durch Muschiks im Donbasz, was die Bauern aber wenig rührte. Institutionalisierung ist dieses 80-Silben-Wort, bei dem wir Westeuropäer an Napoleon und Friedrich den Zweiten denken, die sich ein paar mehr Schreiberlinge zulegten, oder an die Tax und den Zehnt, was ja alles eine Nationenbildung ausmachen mag. Aber wer wollte in den 20ern von bloßer Nationenbildung reden, der Stalinismus leistete wesentlich mehr, eben nicht weniger als die Vereinigung der UdSSR, die planmäßige gesellschaftliche Produktion im größten Staat der Welt, all die Industrialisierungswunder, 5 Jahre nach dem Bürgerkrieg! Das ist nicht die Erfindung der Schreibstube und des Beamtentums. Ich will nicht phrasenhaft wirken, aber das ist ein solches Stück Weltgeschichte, so dass wir Kommunisten uns heute schon Marx‘ Sätze über den Kapitalismus aneignen können: die Kommunisten haben ganz andere Wunder vollbracht als Dampfmaschinen und internationale Kommunikation zu Wasser, Land, Luft errichten, ganz andere Bauwerke als die US-Skylines und bürgerliche Landhäuser. Welch bürgerliche Zeiten konnten ahnen, dass immer noch so tausend mal mehr Produktionskräfte in der wirklich vergesellschafteten statt anarchisch-privaten gesellschaftlichen Arbeit schlummern, als die Kapitalisten es einem täglich einreden... Institutionalisierung meint die Verwirklichung des Zentralismus, hier aber nicht auf der Stufe der frühen bürgerlichen Staaten, sondern mit einem Potential weit darüber hinaus. Wie sehr sich die Verhältnisse stabilisiert haben..., 20 Jahre nach dem Bürgerkrieg den bis dahin kolossalsten Überfall zu überleben und 8 Jahre später schon wieder die Industrienation Nr. 2 zu sein, das muss den Marxisten moralisieren lassen, ihm den Schrecken einjagen, wie gewaltig der Sozialismus die Menschheit vorantreibt. [–] Institutionalisierung... "in voller Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit den Produktivkräften", das ist der Stalinismus."

Oehmes Schlussfolgerung:

"Hieraus ist, wie Hoffmann auch sagt, nicht zu klären, wie die Abkehr vom Leninismus nach 1953 sich in dem doch eigentlich so sicheren Sowjetsystem, [aber] eben nicht der Ein-Mann-Diktatur, vollziehen konnte, sondern vielmehr zeigt sich jetzt erst die große Fähigkeit des Stalinismus, seine Ebenbürtigkeit mit dem Leninismus, die den Bedingungen entsprechenden revolutionären Etappen zu erkennen und mediativ-dialektisch zu beschreiten. [...] Wenn wir den Stalinismus, Hoffmanns Thesen im Kopf, als diese historische Entwicklung in dieser Zeit der SU verstehen, dann sehen wir keinen statischen, sondern den demokratischsten Stalinismus, im Wandel und fähig, alle Probleme zu lösen; und dann können wir schließlich auch sagen, dass ein kluger, ein ursprünglich marxistischer Kurs, meinethalben ein leninistischer oder stalinistischer Kurs die Gesetzmäßigkeit des Untergangs des Kapitalismus eben schon 100 Jahre früher gezeigt haben würde; und schließlich höben sich dann die Kategorien Marxismus, Leninismus, Stalinismus...der historischen Entwicklung des Kommunismus und seiner praktizierenden Vertreter auf, so dass man eben nach 1953 keinen Stalinismus mehr ersehnen müsste, sondern einfach irgendeinen kommunistischen Postenfüller der internationalen Arbeiterbewegung für den Sieg des Kommunismus hätte einsetzen müssen. In diesem Sinne und nicht im bürgerlichen Moralgeheule der Solschenizyn, Curtois und Nolte, gehört die Zeit 1924-53, und natürlich auch ein in ihr wirkender Staatsmann, untrennbar zur Weltgeschichte und zum Weg der Kommunisten zur dreifachen Aufhebung der Weltgeschichte: I) zur Vernichtung des Klassenkampfes – II) zur Bewahrung der nicht zufällig im Klassenkampf entstandenen, doch aber deswegen nicht zwangsläufig nur ihm zukommenden Errungenschaften – III) zur Hochhebung des Menschengeschlechts auf die Stufe der jeweils höchstmöglichen sozialen Gleichheit als erste und letzte Voraussetzung für ihre wirkliche persönliche Entwicklung und Herausbildung der Fähigkeiten der Individuen frei von historisch begründeten Gebrechen, Privilegien und Ständen. [–] Dann wird auch...der Grund für die dezente Art Hoffmanns klar, den Stalinismus in Anführungsstriche zu setzen, was ein gutes Mittel ist, die Borniertheit der Bürger in dieser Frage zu illustrieren."

Diese gedrängte dialektisch-historische Geschichtsskizze stellt m.E. eine sichere Basis für die marxistische Erschließung des bisherigen Sozialismus und eine diesbezügliche Weiterentwicklung unserer Theorie dar.

Wenn Steigerwald bezüglich der Sowjetgeschichte fordert, man müsse "um unserer Zukunft willen den Fragen nach gehen, was wir...beim nächsten Anlauf anders, besser machen sollen" (Weißenseer Blätter 2/2002, S. 43), so müssen wir uns in der kommunistischen Theorie und Praxis zu solchen "Fragen" vom Range z.B. landwirtschaftlicher Kollektivierung erst wieder hinaufarbeiten (was das Bestehen einer proletarischen Diktatur voraussetzt, dies wiederum das Bestehen einer kommunistischen Massenpartei). Momentan ist – was Europa betrifft – der sozialistische Aufbau Geschichte und Fragen des "anders" oder "besser" Machens verlieren sich ohne Beachtung der konkreten Bedingungen dieser Geschichte in ein demoralisierendes Besserwissen.

Materialistisches Herangehen an die Geschichte erfordert mehr als den "Voluntarismus"-Vorwurf an die Phänomene des sozialistischen Aufbaus heranzutragen und diesen dann wiederum aus den Phänomenen "abzuleiten". Ich hoffe und bin übrigens zuversichtlich, dass viele ältere Genossinnen und Genossen sich der materialistischen Geschichtsauffassung besinnen, und viele jüngere es ebenso lernen werden "zum theoretischen Verständnis der ganzen geschichtlichen Bewegung sich [hinaufzuarbeiten]" (MEW 4, 472). So werden die Kommunisten unausweichlich ihre feste ideologische Basis zurückgewinnen, d.h. den Marxismus-Leninismus meistern – und damit verallgemeinerbare Organisations- und Kampfprinzipien haben, um die Arbeiterklasse noch einmal der Bourgeoisie der entgegenzuführen und auszurufen: "Hic Rhodus, hic salta!"

Gerald Hoffmann, Berlin


Aus der Leser/innen-Post

Lieber Herr Flegel, am Treffen Linker Zeitungen und Zeitschriften in Berlin habe ich für die Weißenseer Blätter auch teilgenommen, aber einen anderen und viel positiveren Eindruck gewonnen als Sie:

Mir schien es gut, dass das Bestreben von Geheim, die kommunizierenden Blätter in einem Verband zusammenzuschließen, keinen Anklang fand. Sie brauchen keine Dachorganisation, sondern mehr Verständigung untereinander auf der Grundlage von Kritik und Selbstkritik. Darauf zielte Hans Heinz Holz’ Bitte, verantwortungsvoller zu kritisieren oder zu polemisieren. Sie stand keineswegs (wie Anmerkung 10 suggeriert) in Widerspruch zu Koschmieder, sondern zum Parteienheft von offen-siv, das gerade viele alte Freunde von offen-siv, so auch ich, als Entgleisung betrachten, weil in ihm an einigen Stellen Freunde wie Feinde behandelt wurden. Kritik und Polemik jedoch ist zweierlei. Kritik heißt differenzierende Beurteilung; sie gilt Freunden; Polemik heißt Feindschaft und sollte sich darum nur gegen Feinde richten. Darin waren sich (vielleicht abgesehen von Geheim) erfreulicher Weise alle Gesprächsteilnehmer einig und auch darin, dass nur Eigenständigkeit der Redaktionen Vertrauen begründet, wenn sie konkret gleichermaßen zu imperialistischen Eskapaden (wie z.B. dem Milosevic-Prozeß) Stellung nehmen.

In alter Verbundenheit mit offen-siv hoffe ich, dass es allen Imperialisten offensiv und polemisch, allen aber, die dem Imperialismus widerstehen möchten, solidarisch, selbstkritisch und kritisch begegne.

Hanfried Müller, Berlin

Lieber Frank, vielen herzlichen Dank für die Übersendung der Hefte „Stalin als Theoretiker des Marxismus-Leninismus". Mit sehr großer Aufmerksamkeit und tiefer Überlegung habe ich beide Hefte versucht zu verarbeiten. Zunächst meine ich, dass man in den theoretischen und politischen Gebieten eine Biographie von Stalin schaffen sollte, in der die Stärken und die Schwächen dargestellt, aber auch die Fälschungen von einer Reihe von Leuten entlarvt werden müssten. Ein weiteres Gebiet ist für mich die Überlegung, warum die richtigen Erkenntnisse von Stalin zur Rolle der „Partei neuen Typs" nicht auf der internationalen Ebene und in Europa zu klaren marxistisch-leninistischen Parteien führen. Es gibt in Deutschland die KPD, doch sie findet bei vielen Kommunisten nicht den erforderlichen Zugang. In der BRD gibt es so viele Gruppen, die sich Kommunisten nennen, warum kein Eintritt in die KPD? Was machen die Genossen falsch? Ich denke, lieber Frank, es sollte zu diesen Heften eine breite Diskussion erfolgen. Es genügt wohl kaum, die Genossen und Freunde nur mit der Theorie allein zu lassen, denn Theorie und Praxis sind in Einheit erst etwas, was wirkt.

Vielen Dank an Ulrich Huar für die Hefte! Mit freundlichem Gruß, Günter Bauch, Fraureuth

Hallo Frank Flegel! Ich möchte Dir mitteilen, dass ich keinerlei Interesse mehr an dem offensiv-Blättchen habe. Eure stalinistische Ausrichtung – nachdem Ihr jahrelang der PDS hinterhergelaufen seid – ist mehr als skandalös. Pfui! Sie zeugt von der aktuellen Verruchtheit der deutschen Pseudo-Linken, die sich am liebsten mit Faschisten und anderen schnautzbärtigen Menschenverächtern und ihren Selbstmordbombern solidarisieren, um ihrem Gut-Böse-Denken, genannt Antiimperialismus, zu frönen, anstatt die kapitalistische Verwertungsmaschine anzugreifen. Man kann nur hoffen, dass Ihr mit eurem ignoranten Tun nicht noch mehr Unheil stiftet, als schon angerichtet wurde. Revolutionäre Grüße, Heribert Sommer, Ebersdorf

Lieber Frank, im Namen der Partei der Arbeit Belgiens danke ich herzlich für die Zusendung der Diskette mit den Texten des Dr. Ulrich Huar über die theoretischen Beiträge von J. Stalin zum Marxismus-Leninismus. Diese Texte sind hervorragend, und sie sind sehr wichtig. Ich nehme an, dass wir sie auf unserer Webseite platzieren dürfen. Unsere Webseite über J. Stalin ist auf www.ptb.be/stalin zu finden.

Ich bin froh, dass Ihr weiter macht mit Offensiv! Ich wünsche Euch vielen Erfolg!

Kameradschaftliche Grüße, Gertrude Bongaerts, Brüssel

Lieber Frank, mit Stalins Sieg über die Partei hat die Konterrevolution in der Sowjetunion begonnen. Schicke mir bitte nicht mehr Stalin apologetisierende Sachen zu. Wofern so etwas überhaupt eine Funktion hat, kann es nur dazu beitragen, den Marxismus zu diskreditieren. Die Auseinandersetzung mit dem Revisionismus ist konkret an seinen zeitgenössischen Erscheinungsformen zu führen, etwa in Gestalt der in PDS und DKP virulenten Programmentwürfe. Dabei wäre das kritische Instrumentarium zu schärfen, aber nicht durch bloße Rekapitulationen, dazu noch zweifelhafte und falsche, zu verschließen..

Mit besten Grüßen, auch an Anna, Klaus Herrmann, Uelzen

Sehr geehrtes Redaktionsteam von „offensiv", sehr geehrter Herr Flegel! Angesichts hegemonialer US-Ansprüche in einer monokonzertanten Welt ist die friedvolle Zurückdrängung aller Kriegsdrohungen wie der Hoffnung, durch Kriege in der heute globalen Welt Lösungen politischer Fragen zu finden, dringend geboten. Die Administration der USA geht hier einen höchst gefährlichen weltpolitischen Weg. In dieser Situation ist STALIN aber kein Thema mehr, keine Alternative, allenfalls von abschreckendem Beispiel horribler Diktatoren der 1. Jahrhunderthälfte des 20. Jahrhunderts. Ihn noch in eine Linie mit Marx zu stellen, ist eine Ungeheuerlichkeit ohne Beispiel! Es handelt sich um einen der rücksichtslosesten Machtpolitiker, dem Leben keine Rolle spielte, der Millionen russische Menschen opferte und seine eigenen Mitstreiter (auch eines menschlichen Sozialismus) abschlachten ließ. Hier bedarf es keiner „Theorie" mehr! Ich erwarte, dass Sie mein Abonnement sofort löschen! Ich werde keinerlei Zusendungen von „Offensiv" mehr annehmen. Offensiv ist die weltweite Friedensbewegung, nicht die Glorifizierung von Stalin! Die Exemplare „Stalin als Theoretiker..." gehen an Sie zurück unter „Annahme verweigert".

Trotzdem, mit freundlich Grüßen, Wolfgang Pfaffenberger, Wertingen

Lieber Frank! Ich habe mich über Deine Annonce zu den Heften von Ulrich Huar über Stalin gefreut. Man muss dem Stalin-Verdikt etwas entgegensetzen.

Mit freundlichen Grüßen, Hans Fischer, Berlin

Liebe GenossInnen! Seit 55 Jahren bin ich Mitglied der Kommunistischen Partei, habe Höhen und Tiefen miterlebt, an zehn Parteitagen als Delegierter und an einigen als Berichterstatter teilgenommen. Beim 16. Parteitag in Düsseldorf war ich ebenfalls nur „Beobachter" und bin über Eure Berichterstattung darüber mehr als enttäuscht. Sehr aufmerksam habe ich die zahlreichen Berichte verfolgt und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Zeitung o.ä. einen derart negativen Bericht über den 16. Parteitag veröffentlicht hat. Was Ihr schreibt, entspricht nicht den Tatsachen. Manches mag auf dem Parteitag nicht so gelaufen sein wie in den früheren Jahren – doch das ist für mich kein Grund, die Parteiführung der DKP derart ohne Grund anzugreifen und diese als unmarxistisch hinzustellen. Denn das stimmt in keiner Weise – ich wäre nicht in der DKP, wenn diese ihre Politik nicht auf das Kommunistische Manifest und die Lehren von Marx, Engels und Lenin aufbauen würde.

Natürlich gibt es nach der „Niederlage" von 1990 die verschiedensten Gedanken, wie in Zukunft manches besser gemacht werden muss. Jeder ist aufgerufen, sich einzubringen, um wirklich zu einem Parteiprogramm zu kommen, das von einer überwältigenden Mehrheit der Mitglieder getragen wird. Kritik von außen kann und wird nicht dazu beitragen, ein Programm zu schaffen, das wirklich den derzeitigen Verhältnissen entspricht. Ich selbst unterstütze den Entwurf von Holz/Köbele und glaube auch nicht, dass die Zeit reif ist, schon auf dem 17. Parteitag ein neues DKP-Programm zu verabschieden. Wir haben die DKP 1968 konstituiert und erst auf dem Mannheimer Parteitag 1972 (ich war ordentlicher Delegierter) wurde ein Programm verabschiedet. Alles, was bisher vorliegt, einfach in den Dreck zerren, als unmarxistisch hinstellen, trägt bestimmt nicht dazu bei, die LINKEN in der BRD zu einigen und dadurch zu stärken. Kameradschaftlich, ja solidarisch und menschlich müssen wir miteinander umgehen, wenn wir wirklich etwas erreichen und vorwärts kommen wollen. Euer Beitrag über den 16. DKP-Parteitag hat leider nicht dazu beigetragen.

Als Berichterstatter kann ich nicht beurteilen, nach welchen Gesichtspunkten die Rednerliste geführt wurde. Am Vorabend des Parteitages habe ich lange mit Brigitte Müller diskutiert und auch ich verurteile, dass sie vom Parteivorstand nicht für den neuen PV vorgeschlagen worden ist. Ich weiß aber, dass die Delegierten meines Bezirkes Nordbayern für Brigitte Müller gestimmt haben und das Wahlergebnis für sie zeigt, dass es in der DKP keinen Affront gegen DDR-GenossInnen gibt. Es ehrt auch Brigitte Müller, dass sie weiterhin an der Spitze des DKP-Bezirkes Brandenburg steht und nicht das Handtuch geworfen hat. Das wäre auch unkommunistisch, und ich wünsche ihr persönlich Kraft und Zuversicht für unsere gemeinsame Sache und unsere DKP. Auch mir wurde oft „Unrecht" getan von Funktionären usf. Doch deretwegen bin ich nicht in der Kommunistischen Partei, sondern weil die DKP derzeit die Partei ist, die mit ihren wenigen Kräften alles tut, um kommunistische Politik zu machen und sich bemüht, im Bündnis mit anderen demokratischen Kräften dafür einzutreten, dass die linke Bewegung breiter und geschlossener wird. Dafür seid sicherlich auch Ihr – doch Euer Bericht über den 16. Parteitag der DKP hat dazu nicht beigetragen, weil er eben nicht den wirklichen Gegebenheiten entsprach. Bitte macht es das nächste Mal besser und habt den Mut, meine Zeilen abzudrucken. Mit kommunistischem Gruß, Erich Schreier, Röthenbach

Liebe Genossen! Vielen Dank für Eure Entscheidung, die Offensiv weiter mit wissenswerten und streitbaren Themen als eine wichtige linke Zeitschrift zu vertreiben und natürlich inhaltlich zu gestalten. Ich meine, auch wenn mir nicht alle Themen zusagen oder ich eine gegensätzliche Meinung vertrete, sind sie doch eine wichtige Ergänzung im linken Blätterwald, regen zum Nachdenken und zur Diskussion an.

Insbesondere bedanke ich mich für die ausführliche Beschreibung von Andrea Schön zum Parteitag der DKP. Einiges war mir schon zu Ohren gekommen, um die brisanten Aussagen bspw. von Heinz Stehr jedoch sind etliche Berichterstatter wie die Katze um den heißen Brei geschlichen. Ich meine insbesondere die Punkte, die den Osten bzw. seine Genossen betreffen; aber auch die Entwicklung bezüglich eines Aktionsprogramms, der Programmdebatte und auch Fragen zur Aktionseinheit sind in die Unendlichkeit vertagt worden. Es gehört für den Vorsitzenden einer sich kommunistisch nennenden Partei schon ein ganz schönes Stückchen Borniertheit dazu, wenn er die Meinung vertritt, die Präsenz ostdeutscher Genossen im Parteivorstand hätte nichts gebracht. Ich empfinde auch das Schweigen zu den Vorgängen um den RotFuchs, die Gruppe Nordost und den Verlust vieler fleißiger und aufrechter Genossen als ein Unding.

Ich für meinen Teil habe mich entschieden, nicht, wie Frank richtig bemerkte, eine verlängerte Hunger- und Durststrecke weder in der Programmdiskussion, noch beim Aktionsprogramm, noch zur Aktionseinheit und schon gar nicht bis zur Abwahl dieses Vorstandes in Kauf zu nehmen. Des weiteren möchte ich nicht, dass auch von meinem Beitrag Gehälter von Genossen bezahlt werden, die außer mit Nina Hager nichts mit uns Ostgenossen anfangen können und denen wir permanent im Wege sind, also habe ich meine Konsequenzen gezogen.

Mit kommunistischen Grüßen, Monika Kauf, Berlin

Lieber Frank Flegel, an dieser Stelle mal vielen Dank für Eure Arbeit. Vor allem gefällt mir Eure ständige Mahnung an und Einforderung einer theoretischen Aus- und Weiterbildung der Genossen in PDS und DKP. Wie sollte gute Arbeit geleistet werden „draußen im Lande", wenn der theoretische Untergrund aufgeweicht ist bzw. fast ganz fehlt!

In diesem Sinne beste Grüße aus Nürnberg! Hanne List, Nürnberg

Lieber Frank, ich lese Eure Broschüre seit mehreren Jahren über die DKP-Gruppe Strausberg. Selbst bin ich zur Zeit parteilos, habe aber von 1958-1990 der SED angehört, aus der PDS bin ich 1991 ausgetreten. Einer Partei, die sich für meine politischen Aktivitäten 1953, 1961 usw. beim Klassengegner entschuldigt, kann ich nicht angehören.

Euer „Offensiv" ist prima, es gibt mir Antwort auf viele Fragen, es ist für mich eine Verbindung und Ergänzung zu meiner marxistisch-leninistischen Weltanschauung. Es hat mir auch geholfen eine Antwort zu finden, warum die Konterrevolution in meiner DDR siegen konnte.

Jetzt suche ich eine Antwort, warum die deutschen Linken so zerstritten sind. Ich hoffe, dass Ihr mit zu einer Einheit beitragen könnt. Macht weiter so!

Herzliche Grüße, Edgar Schäfer, Müncheberg

Lieber Genosse Frank Flegel, schöne Grüße aus Polen-Wroclaw von polnischen Kommunisten und Sozialisten. Vielen Dank für die kostenlose und systematische Zusendung der jeweiligen Ausgaben von „Offensiv". Eure Arbeit gibt mir viele Informationen und Kommentare zur Lage der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung. Ich schätze Eure theoretischen Analysen sehr hoch ein. Eure Arbeit bleibt ein wichtiger Faktor in der historischen, theoretischen Erklärung der brennenden Fragen der Arbeiterbewegung und dient objektiv der Annäherung der revolutionären Kräfte.

Ich wünsche Euch viele weitere Erfolge! Zbigniew Wiktor, Wroclaw

Lieber Frank, ich übermittle Dir zur Gründung des Vereins meine herzlichen solidarischen Grüße und wünsche Euch eine erfolgreiche Arbeit, insbesondere bei der weiteren Herausgabe und Gestaltung der kämpferischen revolutionären Zeitschrift „offen-siv".

Mit kommunistischem Gruß, Gerhard Feldbauer, Vorsitzender des „RotFuchs"-Fördervereins

 

 

 

Wir gratulieren Peter Hacks

nachträglich ganz herzlich zum 75. Geburtstag !

 

Es ist ihm zu Ehren eine Festschrift im Eulenspiegel-Verlag erschienen, herausgegeben von André Thiele.

Die Vorbemerkung lautet:

„Jeder Beitrag in diesem Buch wurde geschrieben aus Anlaß des 75. Geburtstages des Dichters und Denkers Peter Hacks.

Dem Genie zum Dank, dem Mann zum Gruß.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind darin übereingekommen, ihr aus dem Verkauf dieser Festschrift erworbenes Honorar zu gleichen Teilen den Zeitschriften RotFuchs, Berlin, und Offensiv, Hannover, zukommen zu lassen."

Mit Beiträgen von Helmut Baierl, Nick Barkow, Alfredo Bauer, Stefan Eggerdinger, Klaus Ensikat, Eberhard Esche, Frank Flegel, Georg Fülberth, Robert Gernhardt, Peter Gosse, Kurt Gossweiler, Egbert Herfurth, Hans Heinz Holz, Hans-Jochen Irmer, Otto W. Johnston, Hermann Kant, Rainer Kirsch, Felix Klopotek, Wolfgang Kohlhaase, Ludo Martens, Jens Mehrle, Thomas Metscher, G. Ruth Mossner, André Müller sen., Dieter Noll, Volker Riedel, Günther Rücker, Arnold Schölzel, Gisela Steinecker, Klaus Steiniger, Armin Stolper, Horst Tomayer, Heidi Urban de Jauregui, Sahra Wagenknecht, Ella Wengerowa, Rayk Wieland.

 

In den Trümmern ohne Gnade; Festschrift für Peter Hacks, Eulenspiegel-Verlag,

ISBN 3-359-01532-0