Zeitschrift für Sozialismus und Frieden 7/03
Herausgeber: Verein zur Förderung
demokratischer Publizistik e.V.
Spendenempfehlung:
1,60 E
Zum
Opportunismus
in der kommunistischen
und sozialistischen Bewegung Italiens
Von den Anfängen bis in die Gegenwart
Erfahrungen
für deutsche Kommunisten und
Sozialisten
Von
Gerhard Feldbauer
1. Die sozialistische Bewegung
1.2. Geburtswehen - Mazzini und Bakunin
1.3. Die Gründung der Sozialistischen Partei
1.4. Der Einfluss des Katholizismus
1.6. Gramsci und die Neue Ordnung
1.7. Sozialisten im antifaschistischen Widerstand
1.8. Übergang zur Klassenzusammenarbeit
1.9. Alternativen revolutionärer Sozialisten
Die kommunistische Bewegung
2.1. Togliattis Wende von Salerno
2.2. USA-Allianz mit den Faschisten
2.3 Die Nachkriegsstrategie der IKP
2.4. Verhängnisvoller Einfluss des XX. KPdSU-Parteitages
2.5. Der Historische Kompromiss
2.8. Ergebnis: reaktionäre Wende
2.9. IKP mutiert zur Sozialdemokratie
2.10. Rifondazione Comunista - die neue KP
2.11. Reformismus begünstigt faschistische Gefahr
2.12. Linksdemokraten vor Scherbenhaufen
2.13. Werden die alten Fehler wiederholt?
3. Deutsche Kommunisten und Sozialisten nach der Niederlage von 1989/90
3.1. Die PDS, ein Sprössling des Revisionismus
3.2. Opportunistische Erscheinungen in der DKP
3.3. Zum 16. Parteitag der DKP
Wir freuen uns, hiermit zwei (in der Webausgabe in einem Heft) Sonderhefte von Gerhard Feldbauer vorlegen zu können. Es geht um die Situation in Italien – aber nicht nur um sie: Es ist unserem Autor wichtig, aus der Geschichte und aus dem Beispiel zu lernen. Deshalb hat er sich die Mühe gemacht, die vorliegende Arbeit zu verfassen.
Wir hoffen auf anregende Lektüre, gute Diskussionen in den Basisgruppen – und interessante Zuschriften an uns.
Zeitungmachen kostet Geld. „Offen-siv“ erscheint auf Spendenbasis, die juristische Trägerschaft der Herausgabe hat ein dafür gegründeter Verein übernommen. Wir leben aber ausschließlich von den Spenden unserer Leserinnen und Leser.
Spendenkonto Offensiv: Konto Frank Flegel, 30 90 180 146 bei der Stadtsparkasse Hannover, BLZ 250 501 80, Kennwort „Spende Offensiv“.
Redaktion Offensiv, Hannover
Der beim Übergang ins imperialistische
Stadium des Kapitalismus in der Arbeiter-bewegung entstehende Opportunismus führte
zur Aufgabe des Klassenstandpunktes und des Klassenkampfes in den
sozialdemokratischen Parteien, zur Anpassung an die Politik der Bourgeoisie und
der Unterordnung der Arbeiterklasse und ihrer Interessen unter diese. [1] Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges gingen die
Parteien der Zweiten Internationale, ausgenommen die Bolschewiki und mit
Einschränkungen die italienischen Sozialisten, offen ins Lager ihrer
Bourgeoisie über und wurden nach dem Krieg zu einer Stütze - in Deutschland zu
der entscheidenden[2] - bei der Niederschlagung der Revolution, der
Abschirmung des Einflusses der Oktoberrevolution und der Wiederherstellung der
erschütterten Macht des Imperialismus, der die rechten sozialdemokratischen
Führungen von nun an in seinen Herrschaftsmechanismus einbezog. Als Antwort auf
den Zusammenbruch der Zweiten Internationale entstand die kommunistische
Weltbewegung.
Nach dem zweiten Weltkrieg schränkte das
Entstehen neuer sozialistischer Staaten, die gewachsene Kampfkraft der
Arbeiterbewegung in den Ländern des Kapitals und der stürmische Aufschwung der
nationalen Befreiungsbewegung die politisch-geografische Sphäre des
Imperialismus weiter ein. In einer regierungsoffiziellen amerikanischen Studie
dieser Zeit hieß es: „Die Integrität und Lebenskraft unseres Systems ist in
größerer Gefahr als zu jedem anderen Zeitpunkt unserer Geschichte.“ Die
späteren antisozialistischen Strategien, die den nunmehr auch in den
kommunistischen Parteien entstehenden Revisionismus einbezogen, nahmen ihren
Ausgangspunkt bereits in der Zeit der Anti-Hitlerkoalition, welche die
Alliierten als „bloßes Not- und Zweckbündnis“ betrachteten. Schon innerhalb
ihrer Zusammenarbeit mit der UdSSR verloren sie „die primär
antisozialistischen Interessen des
englischen bzw. amerikanischen Imperialismus nie aus dem Auge.“[3] Die USA und Großbritannien verbündeten sich
dort, wo ihre Armeen einrückten, mit der inneren Reaktion und scheuten auch
nicht vor der blutigen Unterdrückung der revolutionären Bewegung zurück. In
Griechenland gingen die britischen Truppen, unerstützt von den USA, gegen die
von den Kommunisten geführten antifaschistischen Kräfte vor, welche die
Hauptlast im Kampf gegen die faschistischen Okkupanten getragen hatten.
In dieser Situation fand der Revisionismus
„seinen Nährboden nicht nur in der sozialdemokratischen ‚bürgerlichen’ sondern
auch in der kommunistischen Arbeiter-bewegung, die regierenden kommunistischen
Parteien eingeschlossen.“[4] In neuen Erscheinungsformen (moderner
Revisionismus) wurde er nicht nur zu
einer entscheidenden, sondern in der mit
dem XX. Parteitag der KPdSU einsetzenden
Entwicklung zu der überhaupt
entscheidenden Kraft, die es dem Imperialismus ermöglichte, dem
Sozialismus 1989/90 die bis dahin in der Geschichte schwerste Niederlage zu
bereiten. Dem Zusammenbruch der II. Internationale vergleichbar ging eine
Mehrheit der in den sozialistischen Staaten Europas bis dahin an der Macht
befindlichen kommunistischen und
Arbeiterparteien unter dem Einfluss ihrer revisionistischen Strömungen in
dieser Situation zum Verrat an der kommunistischen Bewegung und in der
Folgezeit auf sozialdemokratische Positionen über, wechselten Teile auch offen ins bürgerliche Parteienlager. Die
Niederlage des Sozialismus in Europa ist jedoch nicht nur eine dieser Parteien
an der Macht, sondern der gesamten internationalen kommunistischen und
Arbeiterbewegung. Die Ursachen dieser Niederlage zu analysieren, die Lehren daraus zu ziehen,
die Kräfte für einen neuen sozialistischen Anlauf zu formieren erfordert, das entscheidende Kettenglied - den
Opportunismus und besonders seine rechten Erscheinungsformen, den Revisionismus
und Reformismus, zu erfassen und den Kampf gegen ihn entschieden zu führen.
Der kurze Abriss über die italienische
Arbeiterbewegung will zu einer notwendigen umfassenderen Untersuchung der
Folgen der von der KPdSU ausgehenden revisionistischen Entwicklung in der
kommunistischen Weltbewegung am Beispiel der IKP beitragen. Keine andere KP im
westlichen Lager hat sich angesichts der Niederlage des Sozialismus in Europa derart von ihrer kommunistischen
Vergangenheit losgesagt und ist völlig auf Positionen der Sozialdemokratie der
Neuzeit übergegangen wie die IKP. Mit der Losung von der „Heimkehr zur
Sozialdemokratie“ schlossen sich die Initiatoren dieser Mutation der von den
„Siegern der Geschichte“ kreierten These an, die kommunistische Bewegung sei
ein „Irrweg“ gewesen.
Ausgehend von dem Prinzip, internationale
Erfahrungen für die eigene Arbeit zu nutzen, wird im 3. Kapitel auf einige
Aspekte des Wirkens des Opportunismus in der deutschen kommunistischen Bewegung
nach der Niederlage von 1989/90 eingegangen.[5] Die Schrift versteht sich als eine theoretische
Abhandlung.
Die italienische Stadt Rimini an der Adriaküste
erlangte 1991 traurige Berühmtheit. Sie ging als italienisches Bad Godesberg in
die Geschichte der Arbeiterbewegung ein. Am 31. Januar begann dort der 20.
Parteitag der Italienischen Kommunistischen Partei. Zehn Tage vorher, am 21.
Januar, war die einst von Antonio Gramsci,[6] Palmiro Togliatti[7] und weiteren revolutionären Sozialisten in Livorno
gegründete Partei 70 Jahre alt geworden. Der
Kongress, der am 3. Februar zu Ende ging, wurde ihr letzter. Eine
revisionistische Zweidrittel-Mehrheit beschloss, die IKP in eine Demokratische
Partei der Linken (Partito Democratico della Sinistra) umzutaufen. Faktisch
handelte es sich um eine Auflösung. Die Prozedur der Umbenennung wurde vor
allem aus juristischen Gründen gewählt, um den Organisatoren einer bereits angekündigten
KP-Neugründung die Nachfolgerechte auf das beträchtliche Parteivermögen und die
Parteiinsignien Hammer und Sichel zu verwehren.
Der Untergang der IKP ist nicht, wie gern behauptet, ein Ergebnis der
Niederlage des Sozialismus, sondern (wie im Kapitel 2.9 nachgewiesen wird)
Folge der opportunistischen Politik, die
seit Mitte der 50er Jahre von der
Führung der KPdSU ausgehend auf die anderer kommunistischer Parteien übergriff.
In seinem Buch „Wider den Revisionismus“ schrieb Kurt Gossweiler: „Der Ausgang
des zweiten Weltkrieges hat nicht nur die Möglichkeiten für weitere Erfolge des
revolutionären Weltprozesses gewaltig erweitert; er hat zugleich Bedingungen
geschaffen, die sich in unerwarteter Weise als neue Einfallstore für das
Eindringen bürgerlicher Ideologie - vor allem in Gestalt des ,modernen
Revisionismus’ - in die kommunistische
Bewegung, sogar und gerade in deren führende Parteien, erweisen sollten.“[8] Wie Gossweiler darlegt, beginnt diese
verhängnisvolle Entwicklung mit dem von Chruschtschow eingeschlagenen
abenteuerlichen, subjektivistischen und von Wunschdenken geprägtem Kurs, der in
der Außenpolitik zur Verfälschung der Politik der friedlichen Koexistenz und
zur katastrophalen Unterschätzung der
Hauptmacht des unverändert aggressiven und auf eine Chance zur Niederschlagung
des Sozialismus lauernden Imperialismus führte. Unter Chruschtschow beginnt der
Weg, der, wenn auch nach seiner Absetzung als Parteichef noch mit Einschnitten,
zwei Jahrzehnte später den Verräter Gorbatschow an die Spitze der KPdSU bringt,
den Mann, der den Weg des offenen Verrats und der Auslieferung der UdSSR und
ihrer Verbündeten an den Klassenfeind beschreitet.[9] Bezeichnend ist, was Willy Brandt 1985 nach einer
Begegnung mit Gorbatschow in Moskau sagte: „Ich habe in meinem Leben schon viel
gesehen, aber noch nie einen Antikommunisten an der Spitze des Kreml.“[10]
Der in der KPdSU um sich greifende
Revisionismus wirkte sich nicht nur in verhängnisvoller Weise in den
kommunistischen Parteien an der Macht aus, sondern ebenso in denen der Länder
des Kapitals. Ein Beispiel dafür ist in
den 70er Jahren das Entstehen des sogenannten Eurokommunismus, zu dessen
führenden Protagonisten die IKP unter Enrico Berlinguer[11] aufstieg.
Was machte die IKP, die nach dem Zweiten
Weltkrieg die zahlenmäßig stärkste und politisch einflussreichste KP der
kapitalistischen Industriestaaten verkörperte, in besonderer Weise anfällig für
revisionistische Versuchungen? Ein Blick in die Geschichte der IKP zeigt, dass
für die Politik und Strategie der Partei an sich charakteristische positive
Faktoren auch negative Aspekte hervorbrachten. Das betrifft insbesondere das
Verhältnis zur ISP und die Wertung der antifaschistischen Einheitsregierung von
1944 bis 1947. Lange Zeit überdeckte diesen Prozess jener der italienischen
Arbeiterbewegung innewohnende, in ihrer Entstehung wurzelnde kämpferische
Geist, der zu den Grundlagen ihres entscheidenden Beitrages zum siegreichen
Widerstand gegen Mussolini und die deutsche Besatzung gehörte.[12]
Die italienische Arbeiterbewegung formierte
sich seit Anfang der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts in einem komplizierten
Prozess der Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Ideologie, darunter
revisionistischen Erscheinungen. Das war für alle Länder im Entstehungsstadium
der Arbeiterbewegung in dieser Zeit mehr
oder weniger charakteristisch, zeigte jedoch in Italien einige spezifische
Züge. Dazu zählt zunächst der
unterschiedliche Einfluss der beiden Führer der nationalen Einigungsbewegung
und der bürgerlichen Revolution von 1848/49 Giuseppe Mazzini und Giuseppe
Garibaldi, deren Anhänger in beträchtlicher Zahl zur Arbeiterbewegung stießen
bzw. mit ihr sympathisierten.[13] Während Garibaldi Marx’ Inauguraladresse, die zur
einigenden Plattform der bestehenden Strömungen in der internationalen
Arbeiterbewegung wurde, als „Sonne der Zukunft“ begrüßte und der Kommune
öffentlich seine Sympathie bekundete, [14] lehnte Mazzini die 1864 von Marx und Engels
gegründete Internationale Arbeiterassoziation ebenso wie die Kommune ab und
trat stattdessen in der Arbeiterbewegung für die Klassenzusammenarbeit mit der
Bourgeoisie ein. Ausdrücklich akzeptierte er „die bürgerliche
Demokratie, die den Arbeitern politische Rechte anbietet, um die sozialen
Privilegien der mittleren und oberen Klassen aufrechtzuerhalten“. Gegen den
„gott- und vaterlandslosen“ Generalrat der IAA führte er einen unerbittlichen
politischen Feldzug.[15]
Großen Einfluss auf die frühe italienische
Arbeiterbewegung übte der russische Revolutionär und spätere Anarchist Michail
Bakunin aus, der aufgrund seiner Teilnahme an Brennpunkten der bürgerlichen
Revolutionen 1848/49 in Europa - er war unter anderem militärischer Leiter des
Dresdener Aufstandes im Mai 1849 - großes Ansehen
genoss. Als ihm nach sechsjähriger Haft in Petersburg und anschließender
Verbannung nach Sibirien 1861 die Flucht
gelang, begab er sich nach London, wo er
Marx kennen lernte und zu ihm
freundschaftliche Beziehungen unterhielt. Als Bakunin sich entschied, nach Italien zu gehen, bat
Marx ihn, dort die IAA zu vertreten. In Italien, wo er sich von 1864 bis 1867
aufhielt, begann Bakunin sich zum führenden Anarchisten zu entwickeln. Bis 1870
arbeitete er seine anarchistische Konzeption aus, die er in den Werken
„Staatlichkeit und Anarchie“ und „Gott und der Staat“ zusammenfasste.[16] Mit der Losung von der Zerstörung „jeglicher
politischer Macht“ wandte er sich gegen die Errichtung der Diktatur des
Proletariats. Als entscheidende revolutionäre Kräfte betrachtete Bakunin die
bäuerlichen Massen und das Lumpenproletariat. Diesen Standpunkt verfocht er in
der Internationale und versuchte, deren Führung zu erringen. Zur Durchsetzung
ihrer Linie schufen die Bakunisten innerhalb der IAA eine geheime Organisation
„Allianz der sozialistischen Demokratie“. Nachdem die Bakunisten sich
weigerten, einem Beschlusses des Generalrates zu deren Auflösung nachzukommen, schloss der Haager
Kongress 1872 Bakunin und seine Parteigänger wegen statutenwidriger
Fraktionstätigkeit aus der Internationale aus.
Trotzdem blieb der Bakunismus noch längere
Zeit die politisch und organisatorisch vorherrschende Strömung in der
italienischen Arbeiterbewegung. Die 1874
bestehenden 129 Organisationen mit über 26.000 Mitgliedern bildeten eine der stärksten Vertretungen der
Internationale. In ihr wie auch in Spanien beherrschten die Anhänger Bakunins
„eine Zeit lang tatsächlich die Arbeiterbewegung“, schrieb Engels, was die
Verbreitung des Marxismus außerordentlich erschwerte.[17] Erst als 1874 und 1877 zwei Aufstandsversuche
der Anarchisten scheiterten, begann der Einfluss der Bakunisten zurückzugehen.
Dass Bakunin in seinen letzten Lebensjahren mehrfach Gedanken äußerte, die
seinen früheren anarchistischen Gedanken
über Aufstand und Revolution um jeden Preis zuwider liefen, und er selbst seine
ablehnende Haltung zu Marx´ Theorie der Partei und der Spontaneität in Frage
stellte, wurde zu dieser Zeit in Italien nicht bekannt.[18] Ungeachtet der negativen Seiten des Einflusses
Bakunins hat Franz Mehring ihn nach
seinem Tod am 1. Juli 1876 als Revolutionär und Anarchisten gewürdigt, der für
die Arbeiterklasse „so tapfer gekämpft und so schwer gelitten hat“ und
geschrieben, „bei all seinen Fehlern und Schwächen wird ihm die Geschichte
einen Ehrenplatz unter den Vorkämpfern des internationalen Proletariats
sichern.“[19]
Auch nach der vorherrschenden Durchsetzung
des Marxismus in der italienischen Arbeiterbewegung blieb eine beträchtliche
anarchistische Strömung bestehen, aus der neben negativen politisch-ideologischen
Aspekten auch eine kämpferische Komponente resultierte, wie sie sich vor dem
ersten Weltkrieg am Beispiel der anarcho-syndikalistischen Fraktion in der ISP
zeigte. Anarchisten bezogen in nicht wenigen Fragen antiimperialistische und
vor allem Antikriegs- sowie nach der Errichtung der Mussolini- Diktatur
antifaschistische Positionen. Es ist eine Haltung, die auch in den Kämpfen nach
1945, darunter in der 68er Bewegung sichtbar wird und sich zuletzt in der
Teilnahme von Anarchisten an den Anti-Globalisierungs-Aktionen in Genua zeigt.
Auf die Auseinandersetzung mit dem Bakunismus
wie mit dem Reformismus nahm Friedrich Engels, der seit 1871 die Funktion des
Korrespondierenden Sekretärs des Generalrates für Italien wahrnahm, persönlich
Einfluss. Einbezogen wurden nunmehr auch die vorher vernachlässigten,
industriell fortgeschrittenen Regionen des Nordens, die Lombardei und Piemont.
1892 schlossen sich auf dem Sozialistenkongress in Genua die verschiedenen norditalienischen
Organisationen zur einheitlichen Partei der Italienischen Arbeiter zusammen,
die 1893 den Namen Italienische
Sozialistische Partei annahm. Die italienischen Sozialisten waren in Italien
die ersten, die eine gesamtnationale Partei schufen. Eine bedeutende Rolle
spielten bei ihrer Gründung Filippo Turati [20] und Antonio Labriola. [21]
Das Parteiprogramm der ISP, das die
Inbesitznahme der Produktionsmittel (Arbeitsmittel) durch die Arbeiter als
Voraussetzung ihrer Befreiung forderte, trug grundsätzlich marxistischen
Charakter. Turati ignorierte jedoch die Kritik von Marx am Gothaer Programm der
deutschen Sozialdemokratie, was dazu führte, dass der Weg zur politischen
Machtergreifung ausgeklammert wurde. Eine weitere Gefahrenquelle bildete das völlige
Fehlen der Bündnisfrage. Unter der „herrschenden Klasse“ wurde nur die
Bourgeoisie verstanden; die Latifundisten
mit keinem Wort erwähnt. Es gab ebenso keine spezifischen Hinweise auf
die unterdrückten Klassen und Schichten auf dem Lande. Engels hielt fest, dass
die während der „nationalen Emanzipation“ zur Macht gekommene Bourgeoisie ihren
Sieg nicht vollendete und die „Reste der Feudalität“ nicht vernichtete. Er
sprach vom „arbeitenden Volk“, zählte dazu ausdrücklich „Bauern, Handwerker,
Land- und Industriearbeiter“ und betonte, sie stünden „unter schwerem Druck, einerseits infolge
überalterter Missstände, Hinterlassenschaften nicht nur der Feudalzeit, sondern
sogar noch der Antike (mezzadria, die Latifundien des Südens, wo das Vieh den
Menschen verdrängt), andererseits infolge des raffgierigsten Steuersystems, das
jemals ein Bourgeoisiesystem erdacht hat.“[22] Die Fragen blieben bis Anfang der 20er Jahre
des 19. Jahrhunderts Jahre ungelöst. Erst Antonio Gramsci gab in seiner
Konzeption zur Lösung „der süditalienischen Frage“ darauf eine Antwort.[23]
Die Schwächen des Programms führten dazu,
dass sich in der Partei ein linker revolutionärer Flügel und ein
reformistischer herausbildeten. Auf dem Parteitag 1900 gelang es den
Reformisten unter Turati, mehrheitlich die Parteiführung zu besetzen. Nachdem von 1904 bis 1908 die
Anarcho-Syndikalisten die Mehrheit im Parteivorstand innehatten, gelangten
danach wieder die Reformisten an die Spitze. Die anarcho-syndikalistische
Strömung fühlte sich jedoch dem linken Flügel zugehörig. Nach Gramsci „bildete
sie den instinktiven, elementaren, primitiven, aber gesunden Ausdruck des
Widerstandes der Arbeiter gegen den Block mit der Bourgeoisie und für den Block
mit den Bauern, in erster Linie mit den Bauern des Südens“.[24] Sie forderte den Generalstreik als politische
Kampfform, verabsolutierte indessen seine Anwendung und verlangte, die
Produktionsmittel den Gewerkschaften zu übergeben. Obwohl zur Partei gehörend,
lehnte sie sowohl deren Funktion als Führer des Proletariats als auch dessen
politische Machtergreifung ab. Der Ausschluss der Anarcho-Syndikalisten auf dem
Parteitag 1908 in Florenz war unter den Linken umstritten.
Neben dem verhängnisvollen Einfluss, den
Mussolini während seiner langjährigen Arbeit als führender Funktionär in der
ISP ausübte,[25] sind Gewicht und Wirken des Katholizismus in
der italienischen Arbeiterbewegung zu sehen. Weitaus stärker als in anderen
Ländern stand - und steht noch heute - der italienischen Arbeiterbewegung in
Gestalt seiner Zentrale, des Vatikanstaates, direkt ein gefährlicher und
hervorragend organisierter politischer Gegner gegenüber. Zielstrebig schuf die
katholische Kirche gegen die Sozialistische Partei und ihre Gewerkschaften ihre
eigene Bewegung, deren Grundlage christliche Gewerkschaften bildeten.[26] 1878 sicherte Papst Leo XIII. dem bürgerlichen Staat die Unterstützung der
Kirche „zugunsten der durch die aufrührerischen und unmoralischen Doktrinen -
den Marxismus - gefährdeten sozialen und politischen Ordnung“ zu. Die 1891
erlassene Enzyklika „Rerum Novarum“, welche die Grundlage der katholischen
Soziallehre bildete, wandte sich gegen „jede Form des Sozialismus“, den sie als
„Pest“ brandmarkte, und forderte: „Wenn die Massen sich von üblen Doktrinen
hinreißen lassen, darf der Staat nicht zögern, mit starker Hand zuzufassen“.
Ignazio Silone[27] charakterisierte die Enzyklika als
„konterrevolutionäre Waffe im Schoße der Massen“. 40 Jahre später - Mussolini war 1922 mit
aktiver Hilfe des Vatikans an die Macht gebracht worden - bekräftigt Pius XI.
die notwendige „schonungslose Unterdrückung“ der Kommunisten und erklärte
unzweideutig: „Die Rettung (vor ihnen) liegt im Faschismus“.[28] Paul II. nahm 1991 den 100. Jahrestag von
„Rerum Novarum“ zum Anlass, die Enzyklika „Centesimus Annus“ zu erlassen, in
der er „Rerum Novarum“ als Voraussetzung
für den „Zusammenbruch der Ideologie und der Regime des realen Sozialismus“
feierte und für alle Zeiten „an jede
Form des Sozialismus“ eine Absage erteilte.[29]
Trotz dieses starken gegnerischen
politisch-ideologischen Einflusses gelang es den revolutionären Sozialisten,
ihre Positionen in der Arbeiterbewegung zunehmend zu stärken. Anfang des 20.
Jahrhunderts rund 250.000 Mitglieder zählend, stieg die ISP 1906 zur drittstärksten
Arbeiterpartei Europas auf. Bauernaufstände 1894 auf Sizilien und
Barrikadenkämpfe in Mailand 1898 vermittelten lehrreiche Erfahrungen und
stärkten die Kampfkraft. Nach der Erkämpfung des Streikrechts 1900 wuchsen
Arbeits-niederlegungen von Jahr zu Jahr an.
Wichtigstes politisches Ergebnis war 1906 die Bildung des Allgemeinen
Italienischen Gewerkschaftsbundes (Confederazione Generale del Lavoro).
Das Wachsen der ISP zu einer Massenpartei mit
einem beträchtlichen hauptamtlichen Parteiapparat und der Einzug ins
bürgerliche Parlament mit einer steigenden Zahl von Abgeordneten nebst
Mitarbeiterstäben, die an ihren Posten mit Diäten und vielseitigen
Vergünstigungen hingen, schufen einen günstigen Nährboden für die Ausbreitung
des Reformismus. Turati trat für
Zusammenarbeit mit der liberalen Bourgeoisie ein und unterhielt Kontakte
zu Ministerpräsident Giovanni Giolitti, der durch Reformen und Zugeständnisse
an die Arbeiterbewegung (Transformismus) nach britischem, deutschem und
französischem Beispiel eine schmale Oberschicht der Arbeiterklasse zu
korrumpieren und reformistisch zu festigen suchte, um die ISP in den
Parlamentarismus und das kapitalistische Herrschaftssystem einzubinden.
Während Turati einen gemäßigten Reformismus
für geraten hielt, stieg Leonida
Bissolati zu dessen exponiertestem
Vertreter auf. Er orientierte sich an Eduard Bernstein und Karl Kautzky, trat
offen für eine Revision des Marxismus ein und bekannte sich zur Solidarität mit
dem bürgerlichen Staat „mit intelligenter und moderner Bourgeoisie“. 1911
unterstützte er mit einer Minderheit im
Parteivorstand die Aggression gegen die Türkei zur kolonialen Eroberung der
Kyrenaika und Tripolitaniens. Die zu dieser Zeit reformistische Mehrheit der
ISP-Führung trat zwar gegen den Krieg auf, riet jedoch von einem Generalstreik
ab und sprach sich lediglich für einen „würdigen Protest“ aus.
Der Parteitag 1912 in Reggio Emilia schloss
die reformistische Gruppe unter Bissolati aus der ISP aus, die daraufhin mit
ihm und Ivanhoe Bonomi [30]an der Spitze die
Reformistische Sozialistische Partei (Partito Socialista Riformista) gründeten.
Während des Ersten Weltkrieges gingen die Rechtsreformisten, nachdem sie
zunächst für die Neutralität eingetreten waren, 1915 auf sozialchauvinistische
Positionen über und unterstützten unter der demagogischen Losung des Kampfes
„der demokratischen Staaten“ gegen die „autoritären Staaten“ den Kriegseintritt
Italiens auf Seiten der Entente. Bissolati trat als Minister ohne Portefeuille
in die Regierung ein. Turati und seine Anhänger lehnten es ab, ihnen zu folgen,
und blieben als so genannte gemäßigte Reformisten in der ISP. Als im
Oktober/November 1917 deutsch-österreichische Truppen am Monte Grappa und am
Piave die italienische Front durchbrachen und die dort stehenden 700.000
kriegsmüden Soldaten flohen, bezogen Turati und eine Anzahl „gemäßigte
Reformisten“, ebenfalls sozialchauvinistische Positionen und riefen zur
Vaterlandsverteidigung auf. Der politisch-militärische Zusammenbruch
Deutschlands und Österreichs rettete Italien vor weiteren Desastern. Als Wien
am 4. November 1918 bei Padua vor der Entente kapitulierte, gehörte Rom zu den
Siegern und forderte seine Kriegsbeute.
Turati trat gegen den Beschluss des ISP-Vorstandes in die italienische Regierungskommission
zur Vorbereitung eines imperialistischen Friedens ein.[31]
Mit dem Ausschluss der offenen Reformisten
stärkten die Linken in der ISP ihre Position, was es ihnen 1914 als einziger
westeuropäischer Sektion der II. Internationale ermöglichte, Antikriegspositionen
zu beziehen, welche die Partei während des ganzen Krieges gegen die Versuche
der Reformisten beibehielt. Nachhaltig spiegelten die machtvollen
antimilitaristischen Arbeiteraktionen wenige Wochen vor Kriegsausbruch im Juni
1914 die Haltung der Linken wider. In ihrem Verlauf riefen die ISP und die CGdL
zum Generalstreik auf, kam es in Rom, Turin, Mailand, Genua, Florenz und Ancona
zu Barrikadenkämpfen, proklamierten die Aufständischen in der Romagna und den
Marken die Republik. Bei der Niederschlagung der Erhebung durch über 100.000
Soldaten gab es zahlreiche Tote und Verletzte.
Die linke Fraktion dominierte zunächst auch
noch nach Kriegsende und in der Anfangsphase der revolutionären
Nachkriegskämpfe die Partei. Dass
in dieser Zeit noch ein die
Arbeiterbewegung beherrschenden Reformismus fehlte, war in Italien vor allem
darauf zurückzuführen, dass sich, bedingt durch die relativ spät einsetzende
kapitalistische Entwicklung, noch keine beispielsweise mit Deutschland
vergleichbare Arbeiteraristokratie herausgebildet hatte.
In dieser Phase gründete Antonio Gramsci zusammen mit Palmiro
Togliatti, Umberto
Terracini[32] und Angelo Tasca[33] die Zeitschrift Ordine Nuovo, deren erste
Ausgabe am 1. Mai 1919 erschien. Es gelang, neben proletarischen Autoren hervorragende Intellektuelle zur Mitarbeit zu
gewinnen, was vor allem ein Verdienst Gramscis und Tascas war. In Ordine
Nuovo schrieben Arbeiterkorrespondenten und Dichter, pazifistische
Intellektuelle der Weltliteratur wie Romain Rolland, Henri Barbusse, Walt
Whitman und Maxim Gorki. Neben kommunistischen Intellektuellen publizierte
beispielsweise der brillante liberale
Kulturkritiker Piero Gobetti in der Neue Ordnung.
Die Zeitschrift, die sich gleichzeitig als
Organisation der revolutionären Linken verstand, wollte ursprünglich in der ISP den Reformismus überwinden und die
Partei auf einer revolutionären Linie
einigen. Sie bekannte sich zur Oktoberrevolution, zur Errichtung einer
proletarischen Staatsmacht und zur im
März 1919 gegründeten Kommunistischen Internationale, verbunden mit der
Forderung an die ISP, ihr beizutreten. Die Ordinuovisten definierten sich als
Kommunisten und ihr Ziel einer sozialistischen Ordnung als kommunistische
Gesellschaft.
Im Mittelpunkt des
politisch-organisatorischen Wirkens der Ordine Nuovo stand die
norditalienische Bewegung der Fabrikräte mit der Arbeitermetropole Turin, Sitz
des FIAT-Konzerns, als Zentrum. Einen Erfolg erreichten die Ordinuovisten auf
dem ISP-Parteitag im Oktober 1919 im
roten Bologna, auf dem ihre Forderungen weit gehend in das Parteiprogramm
aufgenommen wurden. Lenin wertete die Ergebnisse als einen „glänzenden Sieg des
Kommunismus“, warnte jedoch vor Illusionen: „Die offenen und verkappten
Opportunisten,[34] die in der italienischen Partei unter den
Parlamentariern so zahlreich sind, werden zweifellos die Beschlüsse des
Parteitages von Bologna zu umgehen und zu durchkreuzen versuchen. Der Kampf
gegen diese Strömung ist noch längst nicht beendet.“[35]
Die Warnung bestätigte sich als einen Monat
nach dem Parteitag Wahlen, und zwar nach
dem Verhältnisrecht, stattfanden. Die ISP verdreifachte ihre Stimmen mit 32,4
Prozent gegenüber den letzten Wahlen von 1913
und belegte in der Abgeordnetenkammer mit 156 Mandaten den ersten Platz.
Die Mehrheit der gewählten Parlamentarier stellten die Reformisten und
Zentristen, deren These vom „friedlichen
Hineinwachsen in den Sozialismus“ einen unerwarteten Auftrieb erhielt. Die
Wahlen markierten den Beginn der mehrheitlichen Beherrschung der ISP durch die
Reformisten.
Die Ordinuovisten versuchten nun, die
Zentristen, die in Bologna in der Mehrheit mit den Linken gemeinsame Positionen
bezogen hatten, auf ihre Seite zu ziehen. Gramsci erarbeitete ein „Programm für
die Erneuerung der Sozialistischen Partei“, das am 8. Mai 1920 in der Ordine
Nuovo erschien. Darin stellte er als Ziel, die ISP in eine „Partei des
revolutionären Proletariats“, die für „die Zukunft einer kommunistischen
Gesellschaft“ eintritt, umzuwandeln. Den Kern der Forderungen bildete der Bruch
mit dem Opportunismus.[36]
Im Klima der verschärften
Auseinandersetzungen der Ordinuovisten mit den Reformisten und Zentristen trat
vom 15. bis 21. Januar in der norditalienischen Hafenstadt Livorno der 17.
Parteitag der Sozialisten zusammen. Auf ihm vertraten die Zentristen 98.028
Mitglieder, Ordine Nuovo 58.783 und die Reformisten 14.695. Die Ordinuovisten
suchten eine Übereinkunft mit den Zentristen zur Durchsetzung des Programms von
Bologna. Giacinto Menotti Serrati,[37] der sich vor dem Parteitag für „die Trennung
von den Opportunisten“ ausgesprochen hatte, konnte sich nicht durchsetzen. Mit
dem Argument, die Einheit der Partei zu wahren, lehnten die Zentristen den
Ausschluss der Reformisten ab. Daraufhin verließen die Linken am Morgen des 21.
Januar geschlossen das Tagungsgebäude im Goldini-Theater und gründeten im Sankt
Markus-Theater die Kommunistische Partei.[38] Zum Generalsekretär wählte der Gründungskongress
Amadeo Bordiga.[39] Zu den 15 Mitgliedern des Zentralkomitees gehörten
Gramsci, Tasca und Terracini. Unmittelbar nach dem Parteitag schlossen sich
35.000 der insgesamt 41.000 Jungsozialisten der IKP an.[40]
Gramsci ist oft nachgesagt worden, er habe
die Trennung von den Reformisten als einen großen Fehler gesehen. Das entstellt
seine Haltung. Tatsächlich sah er im Misslingen der Herstellung einer
revolutionären Kampfpartei auf kommunistischen Grundlagen „den größten Triumph
der Reaktion“.[41] Feststehen dürfte, dass es ohne die Gründung der IKP
nicht möglich gewesen wäre, eine revolutionäre nationale Strategie der
Arbeiterklasse als die entscheidende Grundlage des Kampfes, der zum Sturz
Mussolinis und zur Niederlage des Faschismus führte, zu erarbeiten.
Nachdem Mussolini im Oktober 1922 an die
Macht gekommen war, zählten antifaschistische Positionen als ein entscheidendes
Kriterium der Haltung der Arbeiterparteien. Solche Standpunkte bezogen,
wenngleich bei weitem nicht mit der Klarheit, wie sie vor allem dank der Arbeit
von Gramsci und Togliatti in der IKP erarbeitet wurden, auch die Sozialisten
und selbst die Einheitssozialisten. Das zeigte sich im Auftreten ihres Generalsekretärs,
Giacomo Matteotti, der nach der betrügerischen Scheinwahl vom April 1924, mit
der sich Mussolini eine erdrückende Parlamentsmehrheit verschaffte, in der
Abgeordnetenkammer mutig die faschistischen Manipulationen und den blutigen
Terror entlarvte und daraufhin auf Befehl Mussolinis ermordet wurde. Sein unerschrockenes Auftreten stärkte das Ansehen der Sozialisten
und förderte das antifaschistische
Zusammengehen.
Das Beispiel verdeutlicht, dass in Italien
zwischen Kommunisten und Sozialisten ein Verhältnis bestand, das sich positiv
von dem zwischen den beiden Arbeiterparteien in Deutschland unterschied. Eine
objektive Basis dafür bildete das bereits angeführte Fehlen einer
Arbeiteraristokratie. Entscheidend für das gemeinsame Handeln von Kommunisten
und Sozialisten war ferner, dass Gramsci sich frühzeitig gegen das
Linkssektierertum wandte, was nicht zuletzt dazu führte, dass die IKP sich nie
die Sozialfaschismusthese der Komintern zu Eigen machte und die
Sozialdemokratie als Teil der Arbeiterbewegung anerkannte.[42] Ergebnis dieser Politik war, dass die ISP 1934 das
von der IKP vorgeschlagene Aktionseinheitsabkommen - übrigens gegen die Haltung
der Sozialistischen Internationale - unterzeichnete. Es wurde 1937 auf
antiimperialistischen Positionen erweitert.
Die Politik der Aktionseinheit Führte jedoch
auch dazu, dass im Gegensatz zur
Auseinandersetzung mit dem Linkssektierertum, in der IKP, von einer Debatte
nach der Gründung abgesehen, eine solche
mit dem Revisionismus und seinen reformistischen Erscheinungen keine
wesentliche Rolle spielte.[43] Hier ist jedoch auch zu sehen, dass die Partei seit
dem Machtantritt des Faschismus im Oktober 1922, obwohl sie erst 1926 offiziell
verboten wurde, bereits unter den Bedingungen der faktischen Illegalität
arbeiten musste. Abgesehen davon, dass sich die IKP als erstes der Analyse des
Faschismus widmete, schien für eine Auseinandersetzung mit den Sozialisten auch
kein grundsätzlicher Anlass zu bestehen, denn diese bezogen in vielen Fragen
gemeinsam mit der IKP antifaschistische und auch antiimperialistische
Positionen. Innerhalb der ISP spielte man sogar mit dem Gedanken, sich wieder
mit der IKP zu vereinigen, was jedoch an der ablehnenden Haltung Pietro Nennis
scheiterte.[44]
Die Aktionseinheit ermöglichte es während der
Resistenza,[45] das von Gramsci konzipierte breite, nationale,
antifaschistische Bündnis herzustellen, was ohne die Aktionseinheit unvorstellbar gewesen wäre. Die IKP handelte,
auch wenn sie das nicht in den Vordergrund stellte, als führende Kraft der
Arbeiterklasse und wirkte auch grundsätzlich auf das Entstehen des nationalen
Bündnisses ein. Nach der IKP galt die ISP als die führende Kraft des nach dem
Sturz Mussolinis gebildeten Nationalen Befreiungskomitees. Beide Parteien
gehörten seit April 1944 der nationalen antifaschistischen Einheitsregierung
an.
Am Verhältnis IKP-ISP änderte sich zunächst
auch nach Kriegsende nichts, als die Rechtskräfte in der DC, unterstützt von
den USA, die kapitalistische Restauration durchsetzten. Das
Aktionseinheitsabkommen zwischen IKP und ISP bestand noch bis Mitte der 50er
Jahre.
Vor Beginn des bewaffneten Aufstandes im
April 1945 schlug Palmiro Togliatti
Pietro Nenni eine Vereinigung beider Arbeiterparteien vor. Togliatti betonte,
der „Aufbau eines demokratischen und fortschrittlichen Italiens“ erfordere,
dass „die Arbeiterklasse all ihre Kräfte vereint“, um den reaktionären und
konservativen Kräften „den festen und untrennbaren Block der Arbeiterklasse“
entgegenzustellen. Die Vereinigungsaktivitäten kamen jedoch nicht voran. Sie
beschränkten sich dann auf die Erneuerung des Aktionseinheitsabkommens im
Oktober 1946, in dem der Aufbau eines „antimonopolistischen Italien“ und dazu
das einheitliche Handeln auf Regierungs-, Parlaments- und kommunaler Ebene
sowie die Stärkung der Einheit der Gewerkschaften und der Massenorganisationen
vereinbart wurden. [46]Die Einheit scheiterte an
der Ablehnung des rechten ISP-Flügels, der sich bereits unmittelbar nach
Kriegsende herauszubilden begann. Als
dieser sich gegenüber den noch vorherrschenden linken Kräften nicht durchsetzen
konnte, spaltete er sich unter Giuseppe Saragat im Januar 1947 von der ISP ab
und bildete die ISDP.[47] Die Sozialdemokraten bezogen von Anfang an
scharfe antikommunistische Positionen, unterstützten den proamerikanischen Kurs
De Gasperis, in dessen Regierung sie nach der Vertreibung der IKP und der ISP
im Juni 1947 eintraten und im April 1949 für den Beitritt zur NATO stimmten.
Auf den Rechtskurs in der
ISP wirkte sich der Druck der SI aus, welche die Partei im Mai 1949 ausschloss.
Ausdrücklich war gefordert worden, die
Zusammenarbeit mit den Kommunisten und insbesondere das
Aktionseinheitsabkommen zu beenden. Trotzdem trat die ISP auf nachdrückliche
Forderung ihrer Basis zu den ersten Parlamentswahlen 1948 zusammen mit der IKP auf einer gemeinsamen
Liste an, die 31 Prozent erreichte.[48]
Eine
entscheidende soziale Grundlage für den in der ISP einsetzenden Kurs hin
zu einer Klassenzusammenarbeit mit der Bourgeoisie bildete die mit dem
Machtantritt des Faschismus 1922 unterbrochene Herausbildung einer Schicht der
Arbeiteraristokratie. Die stärksten Konzerne hatten ihre Kriegsgewinne in
modernste Industrieanlagen investiert, die eine hoch intensive Ausbeutung der
Arbeitskraft ermöglichten. Einen Teil der erreichten Höchstprofite nutzten
führende Unternehmen wie FIAT, Olivetti, Montecatini, aber auch staatliche
Gesellschaften wie ENI und IRI, um einen Teil der Arbeiter zu korrumpieren. Es
entstand der so genannte Paternalismus, das Leitbild der Ergebenheit und Treue
des Arbeiters zum Unternehmen, die entsprechend belohnt wurden. Dazu gehörte
ein ganzes System von Zuschlägen für treue Dienstjahre, überdurchschnittlich
hohe Arbeitsleistungen und lückenlose Anwesenheit (was hieß, nicht an Streiks
teilzunehmen), die Vergabe von unter der üblichen Miete liegenden
Werkswohnungen, Plätze in Betriebskindergärten und billiges Kantinenessen,
lange Zeit teilweise kostenlos. In den Verhandlungen über höhere Löhne und bessere
Arbeitsbedingungen zeigten sich die Unternehmer nachgiebig. Die von den
Reformisten ausgegebenen Theorien von
der möglichen Kontrolle der Unternehmer erhielten Auftrieb. Die
Kampfbereitschaft der Arbeiter ging zeitweilig spürbar zurück. Die Zahl der
Streikstunden sank von 44,9 Millionen in den Jahren 1953-1955 auf 34,5
Millionen 1956-1958. Bei FIAT gab es bis 1962 überhaupt keine Streiks.[49]
Bei den Parlamentswahlen 1953 sackte die
führende Regierungspartei Democrazia Cristiana (DC) von 48,5 Prozent (1948) auf
40,1 ab und verfügte über keine Regierungsmehrheit mehr. Sie signalisierte den
Sozialisten nunmehr eine Wiederaufnahme in die Regierung. Neben der Aufgabe
des antikapitalistischen Kurses
verlangte die DC das Aktionseinheitsabkommen zu kündigen und den 1949 erfolgten
NATO-Beitritt anzuerkennen. Nenni griff das Angebot bereits
auf dem 31. Parteitag im März 1955 auf und empfahl, sich „gegenüber den
Katholiken zu öffnen“. Vier Wochen
später antwortete Staatspräsident Giovanni Gronchi vor dem Parlament, in dem er
verbrämt erklärte, „die arbeitenden Massen (...) effektiv an der politischen
Leitung des Landes zu beteiligen“.[50] Im Oktober 1956 nahm die ISP den XX. Parteitag
der KPdSU und die Rede Chruschtschows zum Personenkult um Stalin und das
militärische Eingreifen der UdSSR in Ungarn zum Anlass, das
Aktionseinheitsabkommen zu kündigen. Der 33. Parteitag im Januar 1959 billigte
die Rechtswende. Die Delegierten bestätigten Nenni, den viele an der Basis noch
immer für einen Linken hielten, an der Parteispitze, was es ermöglichte, die
mehrheitlich rechte Ausrichtung zu kaschieren.[51].
Aufgrund des massiven Drucks der USA, die
eine Regierungsbeteiligung der Sozialisten ablehnten, kam es im Juli 1960
zunächst nur zur Tolerierung der DC-geführten Regierung durch Stimmenthaltung.
Das Reform-Programm sah die Verstaatlichung der gesamten Energieversorgung,
Maßnahmen der Industrialisierung des Südens, garantierte Mindestlöhne und
Verbesserungen im Gesundheitswesen vor. Als Gegenleistung verzichtete die ISP
auf ein gesellschaftliches Eigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln und
billigte die NATO-Mitgliedschaft Italiens. Außer der Verstaatlichung des
Energiesektors zur ENEL, die zu einer lukrativen Korruptionsquelle von DC und
ISP wurde, fielen später alle übrigen Programmpunkte unter den Tisch.[52] Im Dezember 1963 trat die ISP dann das erste Mal
wieder in die Regierung ein. [53]
Der Regierungseintritt stärkte den
reformistischen Kurs. Ausdruck war die Vereinigung mit den Sozialdemokraten
unter dem alten Parteinamen PSU mit Nenni an der Spitze, die allerdings nur
knapp drei Jahre währte. Als die PSU bei den Wahlen 1968 mit nur 14,5 Prozent
gegenüber 19,9 fünf Jahre vorher (13,8 ISP und 6,1 PSDI) eine schwere
Niederlage erlitt, kehrte die ISP 1969 zu ihrer Eigenständigkeit zurück.[54] Nenni trat als Parteichef ab. Nachfolger wurde
Francesco De Martini.
Unter Bettino Craxi, der sich im Juli 1976
mit der „Midas-Verschwörung“ [55] an die Parteispitze putschte, verlor die ISP in den
folgenden Jahren zusehends ihren Charakter als sozialistische Partei und verkam
zu einer rein kleinbürgerlichen Partei, die 1992 im Korruptionssumpf unterging.
Es ist kaum glaubhaft, aber belegte Tatsache, dass die Putschloge P2 in den
80er Jahren plante, den ISP-Chef an die Spitze eines Regimes faschistischen
Typs zu bringen.[56] Craxi selbst hat noch 1996 ein durchgehend
positives Bekenntnis zu Mussolini abgelegt, der für ihn „auch ein Progressiver
bis zum Ende seines Lebens“ war.[57] In den Mittelpunkt seiner „neuer Reformismus“
genannten Politik stellte Craxi Schlagworte wie Regierbarkeit, Kompetenz,
Effizienz und Modernisierung. Das Parteiprogramm von 1978 bekannte
sich zum kapitalistischen System.[58]
Es hat nicht an Versuchen linker Sozialisten
gefehlt, der revisionistischen Entartung und Verbürgerlichung der ISP
entgegenzutreten. Frühzeitig versuchten sie, der unter Nenni bereits Mitte der
50er Jahre einsetzenden Rechtsentwicklung mit linken Alternativen zu begegnen.
Nach dem im Dezember 1963 erfolgten Eintritt der ISP in die DC-geführte
Regierung verließen linke Sozialisten und bekannte Antifaschisten mit Lelio
Basso[59] und
Emilio Lusso[60] an der
Spitze, die bereits die Kündigung des Aktionseinheitsabkommens mit der IKP
abgelehnt hatten, aus Protest die ISP und gaben im Januar 1964 die Gründung der
Italienischen Sozialistischen Partei der Proletarischen Einheit (PSIUP)
bekannt. Als sie im Dezember 1964 zu ihrem ersten Kongress zusammentrat, zählte
sie bereits mehr als 150.000 Mitglieder. Die linken Sozialisten wählten mit
PSIUP den Parteinamen, den die ISP in der Zeit des antifaschistischen
Widerstandes bis 1947 geführt hatte. „Proletarische Einheit“ sollte das im
antifaschistischen Widerstand geborene einheitliche Handeln der Arbeiter ausdrücken. Der Gründungskongress verurteilte
die Teilnahme der ISP an der bürgerlichen Regierung und die damit verbundene
Aufgabe grundsätzlicher sozialistischer und internationalistischer Ziele,
bekannte sich zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung, wandte sich gegen
den sich abzeichnenden Zusammenschluss mit der Sozialdemokratie, forderte die
Wiederherstellung der Aktionseinheit mit der IKP und warnte vor der aggressiven
und neokolonialistischen Politik des USA-Imperialismus, der sich zum Krieg
gegen Vietnam anschickte. Die PSIUP betonte „die Einheit des Kampfes der
gesamten Arbeiterbewegung, von den linken Sozialisten bis zur IKP“ als
Grundlage der Fortsetzung „der kämpferischen und internationalistischen
Traditionen des italienischen Sozialismus“. Der Gründungs-kongress wählte
Alcide Malagugini zum Vorsitzenden und Tullio Vecchietti zum Sekretär.[61]
Eine Mehrheit der PSIUP orientierte sich an
der IKP und trat ihr 1972 bei. Einigen ihrer führenden Vertreter waren dazu
Posten in der IKP-Führung zugestanden worden, so Dario Valori im Politbüro.
Andere Mitglieder der PSIUP gingen diesen Schritt nicht und entschieden sich
für eine neue Parteigründung, die Partei
der proletarischen Einheit für den Kommunismus (PdUP). Der IKP beizutreten
lehnte dieser Teil der PSIUP wegen der
gegen Ende der 60er Jahre auch bei ihr sich bereits abzeichnenden reformistischen
Tendenzen ab. Auf Unverständnis und Protest war gestoßen, dass die IKP bei der
Präsidentenwahl im Dezember 1964 für Saragat gestimmt und damit seine Wahl
ermöglicht hatte. Damit habe die IKP, so Stimmen in der PSIUP, dem von den
ISP-Rechten angestrebten Zusammenschluss mit den Sozialdemokraten Vorschub geleistet.
Die IKP machte geltend, dass dadurch zum ersten Mal die Wahl eines DC-Bewerbers
(des Rechten Giovanni Leone) verhindert und mit Saragat nicht nur der
sozialdemokratische Parteivorsitzende, sondern auch ein angesehener
Antifaschist Staatschef geworden sei, was die antifaschistischen Grundlagen der
Republik gestärkt habe. Intern verlautete, mit Saragat sei das „kleinere Übel“
gewählt worden. Gleichzeitig wertete der 9. IKP-Parteitag im Januar 1966 die
PSIUP-Gründung als Entstehen „einer neuen einheitlichen sozialistischen
Klassenkraft“, die „den kämpferischen sozialistischen Traditionen und den
aktuellen Erfordernissen“ entspreche. Die IKP sprach sich für eine enge
Zusammenarbeit mit der PSIUP als Beitrag für „die Einheit der Arbeiterbewegung
in ihrer Vielfalt“ aus.[62] Das entsprach der von Anfang an verfolgten
Linie, die PSIUP für einen Beitritt zur IKP zu gewinnen.
Ein wesentlicher Anlass für den Beitritt
eines Teils der PSIUP zur IKP war, dass die Partei keine stabile Wählerbasis
fand. Die 4,4 Prozent, die sie bei den Parlamentswahlen 1968 erreichte,
resultierten fast ausschließlich aus Stimmen, die sie den Sozialisten nach
deren Vereinigung mit den Sozialdemokraten entzog. 14,5 Prozent gegenüber 13,8
(sozialistischen) und 6,1 (sozialdemokratischen) 1963 belegten das recht
eindeutig. 1972 erzielten die wieder getrennt antretenden ISP und ISDP 9,6 bzw.
5,1 Prozent, während die PSIUP nur auf 1,2 Prozent kam.
Durch die Bildung der PSIUP kam unterdessen
die angestrebte Einheit nicht zustande, im Gegenteil: Die Linke zersplitterte
sich eher noch mehr. Die studentische Protestbewegung 1968 brachte in Italien
wie in den USA, Japan und anderen westeuropäischen Ländern als auch einer Reihe
Entwicklungsländern eine radikale Linke hervor. 1969 folgte in Italien der heiße
Herbst der Arbeiterbewegung. Die militärische Intervention der UdSSR in der
CSSR 1968 stieß, im Unterschied zu Ungarn 1956, auch in der IKP-Führung weit
gehend auf Ablehnung. Es wurden nur die Arbeiterproteste und die Kritik an
Fehlern der Parteiführung gesehen, die im Rahmen der internationalen
Klassenauseinandersetzung zwischen Imperialismus und Sozialismus wurzelnde
konterrevolutionäre Komponente dagegen nicht erkannt. Im Gegensatz zur Haltung
der IKP hielt sich die PSIUP mit Kritik zurück, wenngleich sie die Intervention
auch nicht begrüßte.
Im Dezember 1969 begann mit dem Attentat der
faschistischen Ordine Nuovo[63] in der Schalterhalle der Mailänder
Landwirtschaftsbank auf der Piazza Fontana (16 Tote und fast 100 Verletzte) die
von CIA und Gladio mit den römischen Geheimdiensten und Faschisten inszenierte
blutige Spannungsstrategie, die den linken Vormarsch stoppen und einem Putsch
zur Installierung eines Regimes nach dem Vorbild der griechischen Obristen
(später nach dem Pinochets) den Weg bereiten sollte.[64]
Kern der Spannungsstrategie war, Anarchisten
und Autonome für faschistische Anschläge verantwortlich zu machen und die IKP
als Drahtzieher hinzustellen. In großer Zahl schleusten die CIA und ihre
italienischen Partnerdienste Agenten in linksradikale Organisationen, besonders
in die Roten Brigaden ein, die „linke Anschläge“ inszenierten und den
bewaffneten Kampf der 70er Jahre anheizten. Jahrelang wurden unschuldige
Anarchisten als Attentäter eingesperrt und verfolgt. In der ersten Reihe des
Kampfes zur ihrer Verteidigung und zur Entlarvung der von den Faschisten und
ihren Hintermännern ausgehenden Gefahr stand die autonome Organisation Lotta
Continua, die gut 20.000 Mitglieder zählte und eine gleichnamige Tageszeitung
herausgab.[65] Aus Lotta Continua ging 1976 die Democrazia
Proletaria hervor, die sich im gleichen Jahr an den Parlamentswahlen beteiligte
und immerhin 1,5 Prozent der Stimmen erzielte.[66]
Auf einem Kongress Anfang Juli 1974 löste
sich Manifèsto [67]als Vereinigung auf, um sich
zwei Wochen später mit der PdUP zu
vereinigen.[68] Neben der bereits in der PSIUP hervorgehobenen
proletarischen Einheit betonte die PdUP
im Parteinamen das Bekenntnis zum Kommunismus, auf den sich eine neue
Gesellschaft beziehen müsse.[69] Der Kongress lehnte entschieden die von der
IKP 1973 offiziell eingeleitete Politik der Zusammenarbeit mit der DC als
führender Partei des Kapitals (Historischer Kompromiss) ab und forderte die IKP
auf, diese zu beenden und klare
Klassenkampfpositionen zu
beziehen. Im Sinne von Gramsci betonte der Parteitag, die Ablehnung der
Klassenzusammenarbeit bedeute nicht, auf ein Zusammenwirken mit den
katholischen Massen zu verzichten, sondern sie für den gemeinsamen Kampf zu
gewinnen. Im Kampf gegen die faschistische Gefahr wurde dem Historischen Kompromiss
auch auf Regierungsebene eine linke Alternative entgegengesetzt, auch hier
unter Einbeziehung katholischer Schichten.[70] Eine bestimmte Resonanz auf diese
Bündnisabsichten gab es, als sich die linkskatholische Organisation Movimento
politico dei Lavoratori der PdUP anschloss.
Die PdUP löste sich 1984 auf. Die Mehrheit
ihrer Mitglieder trat der IKP bei, in der Berlinguer 1979 das Scheitern des Historischen
Kompromisses eingestanden und die Rückkehr zu einer linken
Regierungsalternative eingeschlagen hatte. Schon 1983 hatte die IKP zu den
Parlamentswahlen mehreren PdUP-Vertretern auf sicheren Listenplätzen den Einzug
ins Parlament ermöglicht. Die PdUP konnte ihr erklärtes Ziel, eine auf die
proletarische Einheit begründete kommunistische Partei zur Verwirklichung
einer linken Alternative, nicht
realisieren. Sie hat sich jedoch der Sozialdemokratisierung der IKP
entgegengestellt und dazu beigetragen, diesen Prozess zu verzögern. Darüber hinaus, und das zählt kaum weniger,
hat die PdUP, trotz Fehlern und Irrungen, die Ideale des Kommunismus
hochgehalten und auf der revolutionären Perspektive beharrt. Als die
sozialdemokratische Mehrheit in der IKP im Januar 1991 diese Ziele mit ihrer
„Heimkehr zur Sozialdemokratie“ preisgab, gehörten nicht wenige aus den Reihen
der PdUP zu denen, welche die verbliebenen Kommunisten im Dezember 1991 in der
neuen KP Rifondazione Comunista zusammenschlossen.
Der Spürsinn für die Realitäten des Kräfteverhältnisses ließ
führende Kreise der italienischen Bourgeoisie bereits 1943 erkennen,
dass der Krieg verloren war, was sie veranlasste, zusammen mit dem König und
Militärs, unterstützt vom Vatikan, sich Mussolinis zu entledigen und ihn auf
dem Cran Sasso zu inhaftieren, mit Hitlerdeutschland zu brechen und auf die
Seite der Antihitlerkoalition überzutreten. Auf diese Entscheidung wirkte die Furcht ein, dass faschistische Regime
werde sonst von der antifaschistischen Volksbewegung mit Kommunisten und Sozialisten
an der Spitze gestürzt.
Die
Palastrevolte bewerkstelligte am 26. Juli die Mehrheit des faschistischen Großrates. Den Organisatoren ging es keineswegs um die Beseitigung des faschistischen Regimes, sondern, wie die
amerikanische Zeitschrift Life schrieb, darum, „sich von Mussolini und
den Deutschfreundlichen zu befreien, das System aber zu erhalten“.[71] Dem entsprach, dass Viktor Emanuel III.
Marschall Pietro Badoglio, den Schlächter von Abessinien,[72] als den für diese Linie der Machterhaltung geeigneten
Repräsentanten als Regierungschef einsetzte. Seiner Regierung gehörten
ausschließlich Militärs, Vertreter des faschistischen Staatsapparates und der
Justiz an.
Auf den Sturz des Duce reagierte
Hitlerdeutschland am 8. September mit der Okkupation Nord- und Mittelitaliens,
der Entwaffnung der italienischen Armee und der Errichtung des
Marionettenregimes der Repùbblica Sociale Italiana (RSI)[73] unter dem aus der Haft befreiten Mussolini.
Das bestehende Komitee der antifaschistischen Strömungen konstituierte sich zum
Comitato di Liberazione Nazionale (CLN) und rief zum bewaffneten Widerstand
auf. Erste Partisaneneinheiten entstanden, die sich binnen weniger Monate zu
einer kampfstarken Partisanenarmee formierten.
Kommunisten und Sozialisten standen vor der
Frage, ob man in eine aus dem faschistischen Großrat hervorgegangene, vom König
als einem Träger der Mussolini-Diktatur eingesetzte und von einem mit
Kriegsverbrechen belasteten Marschall geleitete Regierung eintreten konnte.
Togliatti antwortete mit Ja. Nach einer von ihm vorgelegten Konzeption traten
im April 1944 in Salerno[74] die antifaschistischen Oppositionsparteien
(Kommunisten, Sozialisten, die kleinbürgerliche Aktionspartei (PdA),[75] die großbürgerlichen Christdemokraten und
Liberalen[76]) in das Kabinett Badoglio
ein, das in dieser Zusammensetzung den Charakter einer „Regierung der
nationalen Einheit“ nnahm und zu
einem Bekenntnis zum Antifaschismus
veranlasst wurde.
Wie bereits dargelegt hatte wesentliche
Grundlagen für diese Konzeption Antonio Gramsci in der Auseinandersetzung mit
dem Linkssektierertum der Führungsgruppe um Amadeo Bordiga erarbeitet. In
seiner Schrift „Die süditalienische Frage“ schrieb er 1926: „Das Proletariat
kann in dem Maße zur führenden und
herrschenden Klasse werden, wie es ihm gelingt, die Mehrheit der werktätigen
Bevölkerung gegen den Kapitalismus und den bürgerlichen Staat zu mobilisieren,
und dies bedeutet (...) unter den realen in Italien bestehenden
Klassenverhältnissen, in dem Maße, wie es ihm gelingt, die Zustimmung der
breiten bäuerlichen Massen zu erlangen.“ Er verwies auf die besondere
Verknüpfung der Frage des Südens mit der
des Vatikans, das heißt, der Beachtung des katholischen Einflusses auf
den „sozialen Gesichtspunkt“ bei ihrer Lösung.[77]
In seiner Faschismus-Analyse verband Gramsci
den Kampf für den Sozialismus mit der Verteidigung bzw. der Eroberung der
Demokratie. Er ging davon aus, dass die Frage der proletarischen Revolution zur
Zeit nicht auf der Tagesordnung stand, die Arbeiterklasse ihre politische
Hegemonie auf der Grundlage der Freiwilligkeit und Überzeugung erringen und
die Eigenständigkeit der Bündnispartner,
einschließlich der Tatsache, dass sie eigene politische Ziele verfolgen,
respektieren müsse. Er sprach vom „Historischen Block“, unter dem er ein System
von Bündnissen der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft, den Mittelschichten und
der Intelligenz verstand, in dem er dem Zusammengehen mit den katholischen
Volksmassen einen breiten Stellenwert beimaß. Er betonte - was oft übersehen
wird - ,[78] beim „Historischen Block“ müsse es sich um
einen „ausgeglichenen Kompromiss“ handeln, bei dem die „Opfer und Kompromisse“ der
Kommunistischen Partei „nicht das Wesentliche“, nämlich „di „entscheidende Rolle (...), die ökonomischen Aktivitäten der führenden
Kraft“ betreffen können“, worunter Gramsci eindeutig die strategische
Orientierung auf die Beseitigung der kapitalistischen Ökonomie und die
Herstellung einer sozialistischen verstand.[79] In der Konzeption der „Wende von Salerno“ ging
Togliatti keine derartigen Kompromisse ein.
Togliatti hatte zunächst Schwierigkeiten,
seine Konzeption durchzusetzen. Sie stieß auf Widerspruch nicht nur in der IKP,
sondern auch bei Sozialisten und Aktionisten, die ein Bündnis mit der
Monarchie, die Mussolini nicht nur mit zur Macht verholfen, sondern auch über
20 Jahre zu den Trägern der faschistischen Diktatur gehörte hatte, ablehnten.
Ihre Zustimmung zu Togliattis Konzeption banden diese Kreise schließlich an die
Bedingung des sofortigen Rücktritts des Königs, der einen Verzicht auf die
Monarchie und die Anerkennung der Republik einschließen sollte. [80]
Luigi Longo,[81] in der Partisanenarmee stellvertretender
Befehlshaber, unterstützte Toglatti in dem er einschätzte: „Wir haben Badoglio
als antideutsche Kraft anerkannt, aber
daraus keine politischen und organisatorischen Schlussfolgerungen
gezogen. (...) Darüber hinaus haben wir ihn nur nach dem beurteilt, was er
politisch und gesellschaftlich repräsentiert, nicht aber überlegt, was er an
mobilisierenden Kräften vertritt (auch wenn sie noch nicht mobilisiert sind).
Wir haben nur die politischen Unannehmlichkeiten einer Zusammenarbeit mit
Badoglio gesehen, nicht aber die Schwäche eines nationalen Befreiungskrieges
ohne die von ihm kontrollierten und beeinflussten Kräfte.“ Gleichzeitig hielt
Longo auch den Weg für „eine radikale Lösung unter Ausschluss Badoglios“ offen,
die dann nach dem Einmarsch der Alliierten in Rom durchgesetzt wurde.
Longo erreichte, dass die
Partisanenkommandeure Togliatti unterstützen, was ausschlaggebend für die
mehrheitliche Zustimmung der Vertreter der antifaschistischen Parteien im CLN
in den besetzten Gebieten war. Diese Kräfte kämpften zusammen mit
monarchistischen Soldaten und Offizieren und verstanden, dass man die
Beseitigung der Monarchie und die Anerkennung der Republik nicht in den
Mittelpunkt stellen konnte, sondern die
gemeinsame Front gegen die deutschen
Okkupanten und ihre Vasallen der Salò-Republik. In dem die IKP die Staatsform
zunächst offen ließ, betonte sie gleichzeitig ihren grundsätzlich
antifaschistischen Standpunkt, nach dem die Nachkriegsordnung „die Liquidierung
all dessen beinhalten“ müsse, „was an reaktionären und faschistischen Kräften
verbleibt“, und ließ auch keine Zweifel an ihren perspektivischen
sozialistischen Zielen aufkommen.[82]
Der zweite Schritt der „Wende von Salerno“
erfolgte nach der Einnahme der Hauptstadt durch die Alliierten am 4. Juni.
Einer Forderung des CLN entsprechend musste der König abdanken. Als neuer
Kompromiss wurde, auch das wiederum auf Initiative der IKP, die Ernennung von
Kronprinz Umberto zum Statthalter vereinbart und die Entscheidung über die
Staatsfrage durch ein Referendum nach Kriegsende vertagt. Gleichzeitig zwang
das CLN Badoglio zum Rücktritt und berief den Liberalen Ivanhoe Bonomi[83] zum Ministerpräsidenten. Mit der Ernennung durch das CLN wurden diese Rechte
des Königs, darunter auch die generelle Funktion des Staatsoberhaupts dem
Statthalter verwehrt. Die Alliierten akzeptierten diese auch in der Zukunft geübte Praxis. Sie stimmten ebenso der
Entscheidung der Regierung Bonomi zu, das CLN in Norditalien in den noch
besetzten Gebieten als Organ mit Regierungsvollmachten einzusetzen. Außerdem
wurden am 7. Dezember 1944 mit dem „Römischen Protokoll“ offizielle Beziehungen
zwischen der Partisanenarmee und dem Anglo-amerikanischen Kommando hergestellt.
Die Durchsetzung der Konzeption Togliattis
führte insgesamt dazu, dass die IKP zur mehrheitlich anerkannten führenden
Kraft der Resistenza und ihres Führungsorgans, des CLN wurde. [84]
Mit der „Wende von Salerno“ entstand de facto
Gramscis Blòco stòrico, fast in größeren Dimensionen, als sein theoretischer
Begründer gedacht hatte. Wenn die IKP in der Nachkriegsentwicklung versuchte,
in ihrer Bündnispolitik gegen die faschistische Gefahr vom Jahr 1944
auszugehen, ist jedoch die historisch konkrete Situation zu sehen. In Salerno
entstand eine Allianz, die sich in erster Linie gegen die deutschen Okkupanten
richtete, für welche die Faschisten der Salò-Republik nur noch
Erfüllungsgehilfen waren. Die Stoßrichtung gegen Hitlerdeutschland ermöglichte
es, großbourgeoise Kreise und die Monarchie in das nationale Bündnis
einzubeziehen und erleichterte es vielen Soldaten und Offizieren der
Mussoliniarmee, die nach dem Sturz Mussolinis wieder dem Oberbefehl des Königs
unterstellt worden war, sich der Resistenza anzuschließen. Als dieses Ziel mit
dem Sieg über den Faschismus wegfiel, verlor das Bündnis seinen wesentlichen
Inhalt und brach auseinander.
Schließlich ist bei der Durchsetzung der „Wende von Salerno“ der Einfluss der IKP in
der Partisanenarmee zu sehen. In den befreiten Gebieten, darunter zeitweise
zwei Partisanenrepubliken, übten die
örtlichen CLN überwiegend mit Kommunisten
und Sozialisten an der Spitze die Macht aus und leiteten antifaschistisch-demokratische
Umgestaltungen ein. Die Partisanenarmee wuchs bis zum Ende des Kriegs auf
256.000 reguläre Kämpfer an. Die IKP stellte mit ihren Garibaldi-Brigaden davon
155.000 und brachte mit 42.000 von insgesamt 70.000 Gefallenen auch die meisten
Opfer. Mit den Kampfhandlungen, die sie in der Endphase des Krieges in ganz
Norditalien führte, bewies sie ihre Fähigkeit zum Handeln als eine reguläre
Armee, welche die Hauptkraft der Resistenza bildete.[85]
Die IKP ging aus der Resistenza als die
politisch einflussreichste Kraft hervor, was sich vor allem aus ihrer Rolle im
bewaffneten Kampf ergab. Mit etwa zwei Millionen Mitgliedern war sie auch die
zahlenmäßig stärkste Partei. Sie stellte keine sozialistischen Forderungen als
aktuelle Aufgabe, verlangte jedoch eine antifaschistisch-demokratische
Umwälzung, die das Eigentum des Großkapitals und der Großagrarier durch
Nationalisierungen und eine Agrarreform beschneiden sollte.[86] Die führenden Kapitalkreise und das Königshaus
lehnten diese von der ISP und der PdA unterstützten Forderungen entschieden ab.
Es begann die Umgruppierung der Klassenkräfte. Aus einem Teil der Verbündeten
im antifaschistischen Kampf - vor allem großbürgerliche Kreise und Monarchisten
- wurden in der neuen Etappe Gegner. Die Führung der DC, der nunmehr führenden
Partei der Großbourgeoisie, und die Liberalen forderten bereits im Mai 1945 von
der Besatzungsmacht, die Entwaffnung der Partisanenarmee, um den örtlichen und
regionalen CLN, die in Norditalien die faktischen Machtorgane bildeten, ihre
entscheidende Stütze zu nehmen. Die
Klassenauseinandersetzungen spitzten sich zu, als bei den Stadt- und
Gemeinderatswahlen im März 1946 [87] die DC zwar etwa 50 Prozent erreichte, IKP und
ISP auf aber auf 40 kamen. Die restlichen etwa zehn Prozent entfielen vor allem
auf die Liberalen und die faschistische Sammlungsbewegung Uòmo Qualunque
(Jedermann), die unter den Augen der Besatzungsmacht bereits im August 1945 an
die Öffentlichkeit getreten war.[88] Die DC
verfügte in 2.534 Kommunen und IKP und ISP in 2.289 über eine Mehrheit. In 28
von 93 der Provinzhauptstädte stellte die IKP oder die ISP den Bürgermeister,
darunter in Genua, Turin, Bologna und Florenz.
Im Referendum über die Staatsform, in dem es
darum ging, die Monarchie als einen Träger der faschistischen Diktatur von 1922
bis 1943 zu beseitigen, errang die Resistenza am 2. Juni mit 12.717.923 Stimmen
für die Republik ( 54,3 Prozent) noch einmal einen großen Sieg. Immerhin
sprachen sich 10.719.284 (45,7 Prozent) für die Monarchie aus, darunter
zahlreiche Anhänger der DC. Bei den gleichzeitig stattfindenden Wahlen zur
Konstituante erreichten die DC 35,2, die ISP 20,7 und die IKP 18,9 Prozent. Die
PdA kam nur auf 1,5 Prozent. Uòmo-Qualunque erzielte 5,3. Die restlichen Stimmen
entfielen auf zehn verschiedene, kleinere Parteien.
Im Ergebnis der Resistenza ergab sich die
Möglichkeit einer linken Regierung mit IKP und ISP an der Spitze. Um das zu
verhindern, verbündeten sich die USA, die ihre Besatzungstruppen im Lande stehen
hatten, mit den italienischen Rechtskräften zu einer reaktionären Allianz, die
der Vatikan aktiv unterstützte. In dieses Bündnis wurden die Faschisten einbezogen,
die sich so als Bewegung weitgehend intakt über ihre Niederlage hinweg retten
und unter den Bedingungen des republikanisch-parlamentarischen Systems sofort
wieder aktiv werden konnten.[89] In dem in Paris am 10. Februar 1947
geschlossenen Friedensvertrag lehnten die
USA für Italien die von der UdSSR geforderte Klausel ab, jemals wieder
faschistische Organisationen zu erlauben und Kriegsverbrechen nicht ungesühnt
zu lassen.[90]
Im Vorfeld des Kalten Krieges ging es den USA
darum, sich Italien als ihre Einflusssphäre und Südflanke der künftigen NATO zu
sichern. Die US-Militärregierung beseitigte die in Norditalien durchgesetzten
antifaschistisch-demokratischen Errungen-schaften und unterstützte die
Restauration der angeschlagenen Herrschaft des Kapitals. Im Dezember 1946 half
Washington Alcide De Gasperi,[91] den DC-Rechten mit einem antifaschistischen
Image, an die Spitze der Regierung,
wo er den gewünschten antikommunistischen Kurs einschlug. Nachdem im Januar
1947 die Rechtssozialisten unter Saragat sich von der ISP abgespalten hatten
und im März die Truman-Doktrin verkündet worden war, wurden im Mai die
Kommunisten und Sozialisten aus der Regierung vertrieben. Ihre Ausschaltung aus
dem Kabinett hatten die USA als Bedingung für die Gewährung ihrer Auslandshilfe
gestellt.[92] Im Juni 1947 stimmte die Regierung dem
Marshallplan zu. Im April 1949 folgte die Teilnahme an der NATO-Gründung und im
Januar 1950 der erste Vertrag über Militärstützpunkte für die USA.
Ein schwerer Schlag gegen die Arbeiter- und
demokratische Bewegung erfolgte im September 1949 durch die Spaltung
der Einheitsgewerkschaft Confederazione Generale Italiana del Lavoro
(CGIL), die zur Bildung der Unione
Italiana Lavoratori (UIL) und der Confederazione Italiana dei Sindacati Liberi
(CISL) führte. Wie der Corriere della Sera 1975 enthüllte, war die
Spaltung der CGIL, wie vorher die Abspaltung der Saragat-Fraktion von der ISP, vor allem das Werk der CIA.[93] Die UIL entwickelte sich zu
einer katholisch beeinflussten Organisation, die CISL dominierten die
Sozialdemokraten und später vor allem die Sozialisten. Die CGIL blieb jedoch
mit über vier Millionen Mitgliedern mit Abstand die nicht nur zahlenmäßig
stärkste, sondern auch politisch einflussreichste Gewerkschaft. Sie stand der
IKP, so lange diese existierte, nahe.
Im Bündnis mit den Kräften der inneren
Reaktion verhinderten die USA eine Säuberung des Staatsapparates, des
politischen Lebens und der Wirtschaft von Faschisten. Der staatliche
Verwaltungsapparat blieb größtenteils in den Händen entweder direkt
faschistischer oder profaschistischer Kräfte. Im militärischem Bereich ordnete
die Militärregierung die Auflösung der Partisanenarmee an. Für den Aufbau der
bewaffneten Kräfte der Republik (Armee, Polizei, Geheimdienste) wurden
überwiegend faschistische Offiziere
verwendet sowie solche, die sich dem Restaurationskurs der reaktionären Kräfte
unterordneten.[94]
Weit gehend unangetastet wechselte der
faschistische Justizapparat in den Dienst der Republik. Bereits im Juni 1945
löste die Militärregierung das „Hohe Kommissariat zur Verfolgung von
Regimeverbrechen“ auf. Die meisten der aktiven Faschisten, die in der
eingeleiteten - aber bald abgebrochenen - Phase der Entfaschisierung vor
Gericht gestellt worden waren, wurden freigesprochen bzw. die Urteile
aufgehoben oder die Betroffenen amnestiert. Das betraf den Großteil von 11.800
führenden Faschisten, die von „mit ihrer Ideologie eng verbundenen Richtern,
vor allem Berufungsrichtern, freigelassen wurden. Darunter befand sich fast der
gesamte Stab der Salò-Republik. Ihren vorläufigen Abschluss fand die Etappe der
Reorganisation des Faschismus mit der offiziellen Wiedergründung der
Mussolini-Partei am 26. Dezember 1946 in Rom durch führende Faschisten mit dem
Staatssekretär des Duce, Giorgio Almirante, an der Spitze. Der führende
Rassenideologe hatte noch kurz vor Kriegsschluss einen „Genickschusserlass gegen
Partisanen“ unterzeichnet. Die Gründer tauften die Partei auf den Namen
Movimento Sociale Italiano,[95] was eine Beziehung zur Repùbblica Sociale
Italiano und - durch das M in der Abkürzung MSI - zum Namen Mussolinis
verkörpern sollte.[96] Zu ihren Grundlagen nahm die Sozialbewegung
das faschistische Parteiprogramm von 1919 und die als „Manifest von Verona“
bekannte Erklärung Mussolinis anlässlich der Ausrufung der RSI. Zum Nationalsekretär wurde
Almirante und zum Parteivorsitzenden der als Kriegsverbrecher verurteilte aber
begnadigte Fürst Valerio Borghese gewählt. Mit der MSI entstand die verbotene
Mussolinipartei wieder, was gegen eine Übergangsbestimmung der
Verfassungsgebenden Versammlung verstieß, die lautete: „Wer die aufgelöste
faschistische Partei in irgendeiner Form, sei es als Partei, Bewegung oder
paramilitärische Organisation, wieder gründet und militärische oder
paramilitärische Gewalt als Mittel für den politischen Kampf anwendet sowie die
Ziele der aufgelösten faschistischen Partei verfolgt, wird mit Gefängnis von
zwei bis 20 Jahren bestraft.[97] In den 60er Jahren zählte die MSI rund 300.000 Mitglieder und verfügte über
4.335 Sektionen (Basisorganisationen). Nach ihrem Zusammenschluss mit der
Monarchistischen Partei 1972 stieg ihre Mitgliederzahl auf 400.000.[98]
Unangetastet blieb auch die ökonomische Macht
des Großkapitals, die 20jährige Basis
des Faschismus. Dank des Eingreifens der USA wurden alle Versuche, sie
einzuschränken, verhindert. Ein Beispiel war die Sabotage einer
antifaschistisch-demokratischen Finanzpolitik und der Währungsreform, mit denen
die Konzerne zusätzlich besteuert, die Regime- und Kriegsgewinnler
finanzpolitisch verfolgt, spekulative Gewinne konfisziert, damit eine
inflationäre Entwicklung gestoppt und die Lasten des Wiederaufbaus primär auf
die besitzenden Klassen verteilt werden sollten. Die US-Militärbehörden
brachten faschistische Industrielle vor der Strafverfolgung durch das CLN in
Sicherheit.[99] Die Militärregierung löste die vom CLN in
Norditalien eingesetzten Fabrikräte auf. Die abgesetzten Direktoren bzw. die
Unternehmer kehrten auf ihre Posten zurück.
In dieser Situation, in der die von den USA
angeführte Allianz mit den inneren Kräften der Reaktion zu einer
Wiederherstellung der angeschlagenen Machtpositionen des Imperialismus führte,
stellte die IKP keine sozialistischen Ziele als aktuelle Aufgabe. Entsprechende
Ansprüche ihres linksradikalen Flügels, der sich vor allem auf die
Garibaldi-Brigaden der Partisanenarmee stützte, wies sie zurück.[100] Unter Togliatti verfolgte die IKP in ihrer
Nachkriegsstrategie zunächst dennoch revolutionäre Ziele. Eine andere Frage
ist, welche Fehler ihr dabei unterliefen. Die Partei ging von Gramscis These
des „Stellungskrieges“ aus, die dieser im Unterschied zum „Bewegungskrieg“ als
der Periode des Kampfes um die politische Macht entworfen hatte. In diesem
Rahmen orientierte sie sich zusammen mit den Sozialisten und den Aktionisten,
unterstützt aber auch von linken Kräften der DC-Basis, auf eine antifaschistisch-demokratische
Umwälzung hin, die das Eigentum des Großkapitals und der Großagrarier durch
Nationalisierungen und eine Agrarreform beschneiden sollte. Der 5. Parteitag im
Januar 1946 forderte als Voraussetzung einer Industrie- und Agrarreform, „jene
Gruppen aus der Leitung des Wirtschaftslebens auszuschließen, die uns schon
einmal, als sie den Faschismus aus der Wiege hoben, zum Ruin führten und noch
heute unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung hemmen.“[101] Der 7. Parteitag im April 1951 verlangte, die
Macht der Monopole einzuschränken, die Großen unter ihnen zu nationalisieren,
eine grundlegende Agrarreform durchzuführen und eine Regierung einzusetzen, die
bereit und imstande ist, diese Forderungen zu verwirklichen.[102]
In diesem Prozess sollten die subjektiven
Bedingungen für eine sozialistische Entwicklung heranreifen, was hieß, die
Mehrheit der Bevölkerung dafür zu gewinnen. Für revolutionäre Veränderungen
setzte die Parteiführung auf den parlamentarischen Weg, in diesem Rahmen auf
die weiter bestehende Aktionseinheit mit den Sozialisten und - im engen
Zusammenwirken mit der Aktionspartei - auf die Fortsetzung des Bündnisses vor
allem mit der DC. Um die DC-Führung für ihre Linie zu gewinnen, machte sie weit
reichende, in der Partei oft heftige umstrittene Zugeständnisse. Togliatti,
seit Juni 1945 Justizminister, stimmte der Auflösung des „Hohen Kommissariats
zur Verfolgung der Regimeverbrecher“ und einer so genannten Amnestie der
„nationalen Versöhnung“ zu, die zu einer Revision der bereits ergangenen über
10.000 Urteile führte. Der Erlass sah vor, die Faschisten, die „wichtige
öffentliche, politische oder militärische Führungsfunktionen“ innegehabt
hatten, von der Amnestie auszuschließen. Nach den Prozessakten jener Jahre,
schrieb der kommunistische Jurist und Verfolgte des Faschismus, Alberto
Malagugino, „hat jedoch kein Faschist je wichtige politische oder öffentliche
Funktionen innegehabt, selbst die Minister der Repùbblica Sociale nicht“.[103] Zu den Freigelassenen gehörte beispielsweise
der Chef der berüchtigten Decima Maas, der zur Partisanenbekämpfung
eingesetzten 10. italienischen Torpedoboot-Flottille, Fürst Valerio Borghese,
der wegen wenigstens 800-fachen Mordes verurteilt worden war.[104] Zu beträchtlichen Teilen übernahm die Republik
auch die faschistische Gesetzgebung.[105]
Die Partei fand sich damit ab, der
Verfassungsgebenden Versammlung keine gesetzgebende Gewalt zu übertragen und
diese bei der Regierung zu belassen. Sie beugte sich einer entsprechenden
Forderung der DC, die gedroht hatte, andernfalls das Referendum über die
Staatsform zu verschieben, was die Chancen verringert hätte, die Monarchie zu
beseitigen. Deren Sturz aber setzte die IKP voraus, um den
Herrschaftsmechanismus des Großkapitals in antifaschistisch-demokratischem
Sinne zu verändern. Dabei ging sie davon
aus, zusammen mit ISP und PdA die Mehrheit in der Verfassungsgebenden
Versammlung zu erringen, was fehlschlug. Als De Gasperi IKP und ISP dann im Mai
1947 aus der Regierung ausschloss, konnte die DC mit ihren Verbündeten bei der
Gesetzgebung schalten und walten, wie sie wollte.
In der Konstituante stimmte die IKP für die
Sanktionierung der unter dem Mussoliniregime geschlossenen Lateranverträge in
der Verfassung, was nicht zuletzt bedeutete, ein Bündnis von Staat und Kirche
zu begünstigen und die Positionen des Klerus und der rechten DC-Fraktion zu
stärken.[106] Das war nicht nur für die Basis der Partei
eine schwer verständliche Entscheidung. Das Konkordat hatte 1929 zum Konsens
der Massen für den Faschismus beigetragen. Dass sich damals außer der Monarchie
auch der Papst an die Seite des Duce stellte, hatte der faschistischen Diktatur
den Anschein der Rechtmäßigkeit und gegenüber den Katholiken obendrein den
Charakter einer von Gott gewollten Ordnung verliehen. Die Anerkennung der
Verträge bedeutete, den antifaschistischen Widerstand im Nachhinein
herabzusetzen, und gab der Opposition gegen antifaschistisch-demokratische
Veränderungen Auftrieb. Togliatti begründete das Votum der Partei damit, dass
das Land „den religiösen Frieden“ brauche. Es war jedoch bekannt, dass die
IKP-Führung auch in dieser Frage einer Erpressung der DC nachgegeben hatte. De
Gasperi hatte auch in diesem Fall gedroht, bei einer Ablehnung der IKP, deren
Stimmen für die Annahme gebraucht wurden, ein neues Referendum über die
Republik einzuberufen.[107]
Bereits in diesem Zurückweichen zeigten sich
rechtsopportunistische Tendenzen. Luigi Longo, seit 1946 Stellvertreter
Togliattis und nach seinem Tod sein Nachfolger, warnte vor zu weit gehenden
Kompromissen sowie der Überschätzung der parlamentarischen Möglichkeiten und
forderte, die außerparlamentarische Kraft der Arbeiterbewegung und die
Mobilisierungsfähigkeit der Partei nicht zu vernachlässigen. Auf dem 12.
Parteitag 1969 bezeichnete er es als entscheidend, „die Perspektive unseres
Weges zum Sozialismus klar im Auge zu behalten“ und den parlamentarischen Weg
als eine, aber nicht die einzige Möglichkeit zu sehen.[108]
Der Weg der IKP nach 1945 ist im Klima des
Kalten Krieges und der Blockkonfrontation zu sehen. Revolutionär-demokratische
Veränderungen als eine erste Etappe des Ausbrechens aus dem kapitalistischen
System schienen in dieser Periode schwer vorstellbar, waren aber, wie die
Ansätze der Aprilrevolution 1974 in Portugal zeigten, nicht von vornherein
unmöglich. Eine revolutionäre Strategie musste gegen die von den USA betriebene
Politik des Roll back des Sozialismus und gegen ihr Weltherrschaftsstreben, von
dem eine permanente Kriegsgefahr ausging, Stellung beziehen. In diesem
Zusammenhang sind die unter Chruschtschow nach dem XX. Parteitag der KPdSU 1956
einsetzenden revisionistischen Erscheinungen, die zum Konflikt mit der KP
Chinas führten und entscheidend die Deformierungen und Fehlentwicklungen der
sozialistischen Staaten in Osteuropa bedingten, zu sehen.[109] Ohne einige
positive Aspekte des XX. Parteitages zu übersehen, beginnt mit ihm ein
Prozess, welcher Gorbatschow die Möglichkeit des Weges an die Macht ebnete.
Dessen Ziel bestand - wie er nach der Niederlage des Sozialismus 1989/90 offen
eingestand, schon lange bevor er 1985 KPdSU-Generalsekretär wurde - darin, auf
sozialdemokratischen Positionen die sozialistischen Gesellschaftsordnungen zu
liquidieren und eine kapitalistische Restauration durchzusetzen.[110]
Die von Togliatti herbeigeführte „Wende von
Salerno“ bildete eine entscheidende Grundlage des Beitrages der von der IKP
geführten Resistenza als eines Bestandteils der Antihitlerkoalition zum Sieg
über den Faschismus, welcher der Arbeiterbewegung einen großen Aufschwung
eröffnete. Die negativen Aspekte bestanden in der Illusion, das Bündnis mit
Kreisen der Großbourgeoisie auch für antifaschistisch-demokratische und ihrem
sozialen Inhalt nach antiimperialistische Umwandlungen fortsetzen zu können. Diese Illusion entstand
jedoch nicht nur bei der IKP. Der Ausgang des Zweiten Weltkrieges, der
insgesamt die Möglichkeiten für das weitere Voranschreiten des revolutionären
Weltprozesses erweiterte, schuf zugleich Bedingungen, die der bürgerlichen Ideologie
- vor allem in Gestalt neuer Erscheinungsformen des Revisionismus, auch
„moderner Revisionismus“ genannt - Wege des Eindringens nunmehr in die
kommunistischen Parteien an der Macht einschließlich der KPdSU eröffneten.
Gossweiler schreibt, die Antihitlerkoalition habe „in Teilen der Bewegung
Illusionen über den Imperialismus genährt; nur der deutsche, italienische und
japanische Imperialismus seien ‚böse’ Imperialismen, die imperialistischen
Bundesgenossen dagegen repräsentierten einen ‚guten’ Imperialismus, von dem
keine Gefahr für den Sozialismus mehr ausginge.“[111]
Deformierungen und Fehlentwicklungen, wie sie
von der UdSSR ausgingen, wirkten ebenso wie die Ereignisse in Jugoslawien,
Ungarn, Polen und der CSSR tief auf die IKP ein. Hervorzuheben sind besonders
die seit den 70er Jahren in der UdSSR und danach in anderen sozialistischen
Staaten Europas, darunter in der DDR, sich breit machenden Tendenzen der
„Rangerhöhung der Politik der friedlichen Koexistenz“ und der Aushöhlung
„dieser Politik als Form des Klassenkampfes“. Die IKP nahm mit ihrem Historischen Kompromiss für sich nicht nur in
Anspruch, diese Koexistenz gegenüber den USA und der NATO selbst zu
praktizieren, sondern sie auch auf die Innenpolitik zu übertragen. Die KPdSU und andere Parteien der kommunistischen
Bewegung, darunter die SED, wichen einer offenen Auseinandersetzung mit dem
Eurokommunismus und den Erscheinungen der Sozialdemokratisierung der IKP aus.[112] Dabei hätte man vorgewarnt sein müssen. War es
doch bezeichnenderweise der Theoretiker des Roll back des Sozialismus durch die
Strategie der „Umarmung“, der langjährige Sicherheitsberater im Weißen Haus,
Zbigniew Brzezinski, der sich bereits 1976 dafür aussprach, Kontakte zu
Berlinguer aufzunehmen.[113]
Togliattis Reaktion auf den XX. Parteitag war
widersprüchlich. Der Stratege der „Wende von Salerno“ begrüßte die aufgezeigten
Möglichkeiten friedlicher Koexistenz zwischen den Systemen mit
unterschiedlicher Gesellschaftsordnung, ebenso die eines friedlichen, parlamentarischen Weges zum Sozialismus.
Durch jahrzehntelange Arbeit als führender Komintern-Funktionär geprägt,
bekannte Togliatti sich zwar grundsätzlich zur Vorhutrolle der KPdSU in der
revolutionären Weltbewegung, setzte aber gleichzeitig kritische Akzente, indem
er sich zu Fragen des Nationalismus und Provinzialismus als auch der
Missachtung nationaler und historischer Besonderheiten äußerte, was sich
eindeutig gegen die Praxis der sowjetischen Partei richtete. Er sprach von
einer „bürokratischen Degenerierung der sowjetischen Gesellschaft“ und wandte
sich dagegen, die Ursache der Deformierungen in der KPdSU nur im Personenkult
um Stalin zu sehen.[114] Kaum eine Rolle spielte dagegen, dass die von
Chruschtschow eingeschlagene Linie von Subjektivismus und Wunschdenken geprägt
wurde: so in der Verkündung des Aufbaus der Grundlagen des Kommunismus bis
1980, des Überholens der höchstentwickelten kapitalistischen Staaten in der
Pro-Kopf-Produktion und insgesamt in dem abenteuerlichen Kurs, sich an der
konsumorientierten Wertvorstellung des Kapitalismus zu orientieren und die
Auseinandersetzung mit ihm auf dem Feld der Warenproduktion, auf dem dieser
eine entscheidende Überlegenheit besaß, zu suchen.[115]
Während Togliatti sich zur Teilnahme an einem
Vorbereitungstreffen auf eine neue kommunistische Weltkonferenz (die erst 1969
zustande kam) im August 1964 in Moskau
aufhielt, legte er seinen Standpunkt zu vielen Problemen, zu denen es
unterschiedliche Auffassungen gab, in einem Memorandum nieder, das er Chruschtschow
übergeben wollte. Darin trat er für „die Einheit aller sozialistischen Kräfte
in einer gemeinsamen Aktion gegen die reaktionären Gruppen des Imperialismus,
auch über ideologische Divergenzen hinweg“ ein, und betonte, dass es
unvorstellbar sei, dass „aus dieser Einheit China und die chinesischen
Kommunisten ausgeschlossen werden können“. Er plädierte dafür, dass „die
Einheit in der Verschiedenheit und völligen Selbstständigkeit der einzelnen
Länder hergestellt und erhalten werden muss.“ Togliatti verstarb, noch bevor er
Chruschtschow traf, am 21. August 1964 während eines Aufenthalts auf der Krim.
Seine Thesen gingen als Memorandum von Jalta in die Geschichte ein und gelten
als sein politisches Testament.
Der
langjährige führende Theoretiker der IKP Giuseppe Chiarante schrieb,
dass „1956 eine Wende einsetzte“, von der man nicht habe absehen können „wohin
sie führt“. Togliatti habe sich dazu öffentlich nicht grundsätzlich geäußert.[116] Ungeachtet dessen muss zu einer Wertung Togliattis aus linker
Sicht ohne Zweifel gehören, dass sein Wirken in dieser Etappe darauf gerichtet
war, den Krisenerscheinungen in der kommunistischen Weltbewegung
entgegenzutreten, um sie aufzuhalten und Deformierungen und Fehlentwicklungen
zu korrigieren. Unter diesem Gesichtspunkt dürfte vieles, was er dazu zu Strategie,
Theorie und Politik äußerte, zum positiven Erbe der internationalen Arbeiter-
und kommunistischen Weltbewegung gehören und für ihren gegenwärtigen Kampf
wertvolle Erfahrungen und Anregungen vermitteln.[117]
Die IKP und eine Zeit lang (etwa bis
Anfang der 50er Jahre) auch die ISP,
traten, wie ihr Auftreten gegen den Beitritt zur NATO und danach für den
Austritt verdeutlichte, dem Vorherrschaftsstreben der USA entgegen.[118] Aspekte dieser Haltung zeigten sich auch bei
linken DC-Kreisen, an ihrer Spitze der damalige Staatssekretär im
Außenministerium, Aldo Moro. Zu ihnen gehörte ferner der führende
Wirtschaftsmanager der DC Enrico Mattei. [119]
In der IKP-Führung nährten diese
antiamerikanischen Aspekte die nie aufgegebene Hoffnung der Neuauflage einer
„Wende von Salerno“. Aus der Frontstellung großbürgerlicher Kreise gegen die
Einmischungspolitik der USA schienen sich gemeinsame Anknüpfungspunkte zu
ergeben. Hinzu kam, dass die DC bei den ersten Wahlen nach dem NATO-Beitritt
1953 die Quittung für ihren pro-atlantischen Kurs erhielt. Sie verlor über acht
Prozent der Wähler und sank auf 40,1 Prozent ab.
Unter dem Gesichtspunkt der
antiamerikanischen Haltung einflussreicher DC-Kreise mit Moro und Mattei an der
Spitze kann die Bündniskonzeption der IKP nicht von vornherein und
grundsätzlich als illusorisch abgetan werden. Schließlich gab es nicht nur in
Italien, sondern ebenso in Westeuropa, besonders im Frankreich De Gaulles, die
Hoffnung, das Vormachtstreben der USA könnte verhindert oder zumindest
eingeschränkt werden. Als das scheiterte, musste die IKP stets eines
bewaffneten amerikanischen Eingreifens gewärtig sein, wie die Ereignisse in
Griechenland zeigten. Wie schmal der Grat der möglichen Entscheidungen oft war,
verdeutlichten das am 14. Juli 1948 auf Togliatti verübte Attentat und die
damit verfolgten Ziele.
Der Mordanschlag, dessen Fäden, wie sich
später herausstellte, in Washington gezogen worden waren, sollte die Partei und
ihre Anhänger zum bewaffneten Aufstand provozieren, um sie „per Blutbad“
liquidieren und als entscheidendes Hindernis der zu dieser Zeit vor sich
gehenden kapitalistischen Restauration ausschalten zu können. Fast schien die
Rechnung aufzugehen. Ohne dass es seitens der Partei einen Aufruf gab, begann
ein Generalstreik, wie ihn das Land bis dahin nicht gesehen hatte. Nicht nur
Mitglieder und Sympathisanten der IKP, sondern auch viele andere Kräfte der
Resistenza, darunter auch der linken DC-Basis, drängten zum Aufstand.
Partisanen holten ihre Waffen aus den Verstecken und traten den gegen die
Streikenden und Demonstranten vorgehenden Armee- und Polizeieinheiten entgegen.
In Genua stoppten sie Panzerwagen und nahmen ihre Besatzungen gefangen. In
Hunderten von Städten und Gemeinden übernahmen Streikleitungen die Macht. Bei
FIAT in Turin besetzten die Arbeiter die Fabrik und nahmen den Direktor
Valetta, einen verhassten Wirtschaftsführer aus der faschistischen Zeit, sowie
über ein Dutzend Mitglieder der Konzernleitung fest.
Bei den bewaffneten Zusammenstößen gab es 20
Tote und über 600 Verletzte. 92.000 Personen, in erster Linie Arbeiter, wurden
festgenommen, über 70.000 von ihnen später vor Gericht gestellt und die meisten
verurteilt. Die IKP-Leitung rief am zweiten Tag dazu auf, den Generalstreik zu
beenden. Es gelang der Parteiführung, ihre Basis vom Aufstand abzuhalten, vor
dem der schwer verletzte Togliatti, bevor er operiert wurde, eindringlich
gewarnt hatte .[120]
Eine bewaffnete Erhebung hätte nur in einen
blutigen Bürgerkrieg übergehen und mit einem Eingreifen der USA-Truppen zu
einer reaktionären Wende führen können. Eine physische Abrechnung mit der IKP
wäre die Folge gewesen. Die faschistische Entwicklung hätte einen
unausweichlich stärkeren Auftrieb erhalten.[121] Nach dem Attentat waren vor allem die IKP und ihre Anhänger einer
massiven Verfolgung ausgesetzt. Bis Mitte 1950 gab es bei Auseinandersetzungen
mit Großagrariern, Faschisten und Zusammenstößen mit der Polizei 62 Tote,
darunter 48 Kommunisten. 3.126 Personen, wurden verletzt, davon waren 2.367
Kommunisten. Von 92.169 Verhafteten waren 73.780 Kommunisten. 19.306 Menschen
wurden unter fadenscheinigen politischen Vorwänden verurteilt, unter ihnen
15.429 Kommunisten.[122] Die Furcht der Parteiführung, ihre von den
Traditionen des Partisanenkampfes stark geprägte Basis könnte vor allem angesichts
der wachsenden faschistischen Gefahr erneut zu bewaffnetem Widerstand
provoziert werden, wirkte in der weiteren Entwicklung wie ein Trauma.
Die Konzeption des Historischen Kompromisses
wurde nicht erst, wie manchmal behauptet,
nach dem Putsch Pinochets entworfen, sondern bereits auf dem 13. Parteitag der IKP im März
1972. [123] Ursprünglicher Anlass der Neuorientierung war,
dass die DC wiederum über keine Mehrheit verfügte, das von Giulio Andreotti[124] gebildete Kabinett nicht die Zustimmung des
Parlaments erhielt und der Staatspräsident vorzeitige Neuwahlen ausschrieb.
Bereits auf der ZK-Tagung im November 1971 hatte Berlinguer, sich für eine
„Regierung der demokratischen Wende“ ausgesprochen, die der „Überwindung der Klassenschranken“
dienen und zur „vollen Demokratie“ und zum „Zugang der Arbeiterklasse und ihrer
Verbündeten zur Leitung des Staates“ führen sollte.[125] Die IKP bot der DC als ersten Schritt an, bei
Beibehaltung „des Unterschieds zwischen Mehrheit und Opposition“ an Mehrheiten
„zur Lösung der einzelnen Probleme“ teil zu nehmen.[126]
Auf dem 13. Parteitag präzisierte Berlinguer
dann, die „demokratische Wende“ durch die Zusammenarbeit der drei großen
„politischen Volkskräfte“, Kommunisten, Sozialisten und Christdemokraten
herbeizuführen. Gleichzeitig gab die Partei ihre Anti-NATO-Haltung auf. Diese
könne nicht mehr nur „auf die einfache Stellungnahme für oder gegen den
Militärpakt“ reduziert werden.[127] Nach dem Parteitag begann die öffentliche
Diskussion über eine Regierungsbeteiligung. Im Februar 1973 erklärte das
ZK, den Beitritt zur EG zu unterstützen.
Gleichzeitig suchte die IKP eine verstärkte Zusammenarbeit mit den
sozialistischen bzw. sozialdemokratischen Parteien Westeuropas, darunter besonders
mit der SPD. Gegenüber der CGIL wurde der Wandel seitens der westeuropäischen
Sozialdemokratien im Sommer 1974 durch die Aufnahme in den Europäischen
Gewerkschaftsbund honoriert. [128]
Nach dem Sturz Allendes gebrauchte Berlinguer
erstmals den Begriff des Historischen Kompromisses. „Selbst wenn die
Linksparteien und Linkskräfte 51 Prozent der Stimmen und Sitze im Parlament
erringen könnten (...), wäre es völlig illusorisch, anzunehmen, dass allein
diese Tatsache den Fortbestand einer Regierung der Linksparteien und Linkskräfte
garantieren würde.“ Eine „demokratische Erneuerung“ könne sich nur vollziehen,
wenn sich die Regierung und das Parlament auf eine breite Mehrheit stützten,
die stark genug sei, das Land vor jedem reaktionärem Abenteuer zu schützen. Berlinguer
schlug der DC einen Compromesso stòrico und die Zusammenarbeit auf
Regierungsebene vor. [129] Als die IKP 1976 bei den Wahlen 34,4 Prozent erreichte, trat der
Kompromiss in sein konkretes Stadium. Den offiziellen Vorschlag unterbreitete
Berlinguer, um den Symbolcharakter hervor zu heben, in Salerno.[130]
Für die Verhandlungen befand sich die IKP in
einer starken Position. Als zweitstärkste Fraktion belegte sie in der
Abgeordnetenkammer 227 Sitze und stellte den Präsidenten, im Senat den
Stellvertreter. Sieben Kommunisten leiteten Parlamentsausschüsse. In den
Regionen beteiligte sich die Partei an fast
der Hälfte der Regierungen. In allen Großstädten von Mailand über Rom
bis nach Neapel stellte sie die Mehrheit in den Stadtparlamenten und regierte
mit den Sozialisten zusammen. In 1.362 von 8.068 Städten stellte sie den
Bürgermeister und in 929 von 2.754 Provinzen den Regierungspräsidenten. Die
Vertretung der IKP und der ISP auf der Ebene von den Gemeinden bis zu den
Landesparlamenten entsprach 52,8 Prozent der Wähler.[131]
Mit dem Eintritt in die bürgerliche Regierung
konnte einem Erfordernis zur Abwehr der faschistischen Gefahr entsprochen
werden. Jedoch fehlten konkrete Vereinbarungen, wie der Gefahr Einhalt geboten
werden sollte. Es hätte beispielsweise
darum gehen müssen, das in der
Verfassung festgeschriebenen Verbot der Wiedergründung der Mussolini-Partei in
Gestalt der MSI durch zu setzen, den Staatsapparat, besonders Armee und
Geheimdienste, von faschistischen Elementen zu säubern, ein Verbot der von der
MSI offen betriebenen faschistischen Propaganda, darunter Aufrufe zum Sturz der
verfassungsmäßigen Ordnung,[132] zu erlassen. Nichts davon geschah jedoch.
Durch den Wahlerfolg erhielt die
sozialdemokratische Strömung, die sich in der Nachkriegsentwicklung zunächst
nur in Ansätzen herausgebildet, aber bereits in den sechziger Jahren an Gewicht
gewonnen hatte, Auftrieb und gewann bestimmenden Einfluss auf die Gestaltung
des Historischen Kompromisses. Sie beherrschte vor allem den mächtigen
parlamentarischen Apparat, der wiederum eng mit der Parteiführung verknüpft
war.[133] Ihre politisch-ideologische Grundlage bildete
der so genannte Eurokommunismus.[134] Während Spaniens PCE unter dem späteren
Sozialdemokraten Santiago Carillo kaum über Deklarationen hinauskam und die PCF
unter Georges Marchais zunehmend wieder auf Distanz ging, wurde die IKP unter
Berlinguer zu seinem Protagonisten .
Die Reformen-Vorhaben sahen eine Förderung
der Privatindustrie bzw. Repriva-tisierungen, die Behebung des Nord-Südgefälles
durch Belebung der Landwirtschaft und Investitionen im Süden sowie die
Steigerung der Produktivität vor. Das Steuersystem sollte reformiert werden. Es
wurde, wie schon so oft, die Schaffung neuer Arbeitsplätze vor allem für
Jugendliche versprochen, was der
Förderung des sozialen Konsums dienen sollte. In den meisten Fragen,
handelte es sich um verbale Bekundungen, die erst durch die Regierung bzw. das
Parlament hätten beschlossen und verwirklicht werden müssen, wozu es nie kam.
Von den antimonopolistischen Forderungen des 7. Parteitages war nicht einmal
mehr in Ansätzen die Rede. Interessen der Arbeiter wurden nicht berücksichtigt.
Eine Garantie für die bereits zu dieser
Zeit den Angriffen des Verbandes der Großindustriellen Confindustria ausgesetzte
Scala mobile[135] fehlte. Ebenso spielte die Mitbestimmung der
Gewerkschaften in den Betrieben, vor allem in den staatlichen Unternehmen, generell keine Rolle. Es fehlten
auch Maßnahmen zur Beseitigung der vor allem von der DC und der ISP praktizierten
Korruption und persönlichen Bereicherung in den staatlichen Konzernen, eine
Preiskontrolle im Lebensmittelbereich, Verbesserungen auf sozialen Gebieten,
besonders im Gesundheitswesen oder in der Bildung. Die IKP stellte keine
Forderungen, die Lebensbedingungen der arbeitenden Menschen zu verbessern,
sondern fand sich im Gegenteil bereit,
rigide Sparmaßnahmen der Regierung mitzutragen und mäßigend auf den Widerstand
der Gewerkschaften dagegen einzuwirken.
Die IKP beugte sich dem Druck der DC-Rechten
mit Ministerpräsident Andreotti an der Spitze und gab für die in Aussicht
gestellte Aufnahme in die Regierung und
die Zusage, die erwähnten Reformen
durchzuführen, was nie eingehalten wurde, fundamentale kommunistische
Positionen auf und machte schwerwiegende politische und sozialökonomische Zugeständnisse. Sie befand sich hier nicht,
wie behauptet, in Übereinstimmung mit Gramscis These vom Historischen Block und
Togliattis Konzeption der „Wende von Salerno“, sondern im eindeutigen
Widerspruch dazu.[136]
Neben berechtigter Kritik an sozialistischen Deformierungen
und dem unter Chruschtschow begonnenen Voluntarismus in der UdSSR sowie an der
Führerrolle der KPdSU beteiligte die IKP sich an der bürgerlichen Propaganda
gegen die Sowjetunion. Sie proklamierte auf der Grundlage der Anerkennung der
„Spielregeln der bürgerlichen Demokratie“ und ihrer Integration in deren
Parteiensystem einen eigenen „Weg zum Sozialismus“, übernahm das bourgeoise
Staatsmodell, für das sie lediglich eine „demokratische Transformation“
forderte und anerkannte die kapitalistische Markt-wirtschaft.[137] Den Gipfel des Revisionismus erklomm sie, als
Berlinguer erklärte, nicht nur die Bündnisverpflichtungen Italiens zu
respektieren, sondern obendrein bekundete, die NATO eigne sich unter bestimmten
Voraussetzungen als „Schutzschild“ eines italienischen Weges zum Sozialismus. [138]
Nachdem Aldo Moro den Vorsitz der DC
übernommen hatte, begann nach den Wahlen 1976 die Umsetzung der reformistischen
Konzeption in die Praxis. Die IKP half der DC über die schwere Regierungskrise
hinweg, indem sie deren Kabinett im Parlament durch Stimmenthaltung stützte.
„Wir sind nicht mehr in der Opposition, aber noch nicht in der Regierung“,
kommentierte Berlinguer. Nach schwierigen Gesprächen, in die der als brillanter
Redner bekannte Moro, ohne Zweifel sein
außergewöhnliches Geschick als Verhandlungsführer einbrachte, kam im Januar
1978 das Regierungsabkommen zu Stande. Die Gespräche fanden geheim und zwischen
den Parteichefs statt. Den von Berlinguer gewünschten Bezug auf das „Modell
einer sozialistischen Gesellschaft“ lehnte Moro ab, da er Widerstand in seiner
Partei befürchtete. Berlinguer war zunächst gegen Andreotti als Regierungschef, lenkte aber auf
Drängen Moros, der hoffte, damit die Amerikaner zu beruhigen, ein. Moro hatte
große Schwierigkeiten, im Parteirat der DC eine Mehrheit für das Abkommen zu
erhalten. Andreotti war als Ministerpräsident in die Verhandlungen nicht
einbezogen und unternahm auch keinerlei Schritte, das Abkommen zu
verwirklichen. Nach der Entführung und Ermordung Moros fehlte damit seitens der
DC die Garantieperson.[139] Am 16. März stellte sich die Regierung
Andreotti zur Vertrauensabstimmung im Parlament. Noch vor der Eröffnung der
Sitzung wurde Moro entführt. Andreotti wurde ohne Debatte mit den Stimmen der
IKP das Vertrauen ausgesprochen. Obwohl noch nicht im Kabinett vertreten,
erhielt sie ein Mitspracherecht in der Regierungspolitik. Für einen späteren
Zeitpunkt war der direkte Eintritt in die Regierung vorgesehen.[140]
Konnte man in der Konzeption eines breiten
antifaschistischen Regierungsbündnisses einen akzeptablen Ansatz zur Bekämpfung
der faschistischen Gefahr sehen, wurde dieser durch die Untersetzung mit einer
völlig reformistischen Politik und schließlich durch die Unterstützung einer
Regierung mit Andreotti an der Spitze jeder Realität beraubt. Andreotti brachte
nicht nur das Regierungsabkommen zum Scheitern, sondern lieferte auch den von
den RB entführten Moro dem sicheren Tod aus. Sicher hat es eine gewisse
Berechtigung, zu fragen, ob der Historische Kompromiss anders verlaufen wäre,
wenn Moro ihn seitens der DC hätte weiter gestalten können. Der Mord wurde aber
eben deshalb inszeniert, um die Regierungszusammenarbeit zu verhindern. Das
bestätigte die DC-Politikerin Tina Anselmi, eine Anhängerin Moros und in der Regierung Andreotti
Ministerin für Gesundheitswesen, als sie erklärte: „Aldo Moro aus dem
politischen Leben zu eliminieren hieß, den wichtigsten Bezugspunkt dieser Zeit
auszuschalten. Danach war nichts mehr wie früher.“[141]
Die IKP wurde, indem sie Andreottis Linie,
Moro dem sicheren Tod auszuliefern, mitmachte, zum Komplizen dieses Komplott.
Nur Luigi Longo ging in einem Leitartikel in der Unita am 25. April, dem
Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, verhalten auf Distanz zu dieser
Haltung, wenn er die DC-Herrschaft kritisierte
und unter anderem schrieb, dass in der Nachkriegsentwicklung „ein Machtsystem
geschaffen wurde, das auf der fast absoluten Identifizierung zwischen Partei
der Mehrheit, Regierung und Staatsapparat beruht, und auf Grund dessen sich die Schäden herausbildeten,
die der heutigen äußerst schweren Krise zu Grunde liegen.“ Longo betonte, es
sei wichtig, nicht dieses „Machtsystem zu verteidigen“, sondern das Erbe der
Resistenza, zu dem er den von der MSI bedrohten republikanischen Staat, seine
Einrichtungen und die Verfassung zählte. Wenn er feststellte, dass nur dieses
unveräußerliche Erbe Ausgangspunkt „für jedwede Form der Erneuerung der
Gesellschaft“ sein könne, kritisierte er ebenso den Inhalt des von Berlinguer
eingegangenen Historischen Kompromisses.[142] Auch Moro hat Berlinguer in seinen
Aufzeichnungen im Gefängnis der RB offen angeklagt, dass er ihn, „der als
einziger Verständnis zwischen Christdemokraten und Kommunisten realisiert hat,
(...) dem Tod ausliefert“.[143]
Die Klassenzusammenarbeit mit der DC wurde
von der mehrheitlich opportunistischen Strömung in der IKP-Führung gegen
heftige Proteste nicht nur der Parteibasis, sondern auch von Teilen der
Führung, des Parteiapparates und darüber hinaus der Linken überhaupt durchgesetzt.
Widerstand gegen die in der Partei Fuß fassenden reformistischen Tendenzen
regte sich bereits Mitte der 60er Jahre. Er erhielt Auftrieb durch die 68er
Bewegung. Nach den faschistischen Anschlägen am 12. Dezember 1969 in Mailand
grenzte die IKP-Führung sich von ihrem radikalen Flügel ab, ging auf Distanz zu
den anarchistischen und autonomen Gruppen und ließ es an einer klaren
Solidarität mit den des Anschlags beschuldigten und unschuldig eingesperrten
und angeklagten Anarchisten fehlen.
Im heißen Herbst 1969, der den 68er
Studentenunruhen folgte, wuchsen die Kämpfe um höhere Löhne, die
40-Stunden-Woche, um soziale Reformen und gewerkschaftliche Rechte wieder an.
In Arbeitsniederlegungen und einem Generalstreik wurden Lohnerhöhungen und in den meisten
Industriezweigen die 40-Stunden-Woche erreicht. In diesen Jahren wurde der
Artikel 18 des Arbeitsstatuts über den Kündigungsschutz erkämpft, den die
profaschistische Regierung Berlusconi gegenwärtig beseitigen will.[144] Eine breite Arbeiter- und demokratische
Bewegung brachte organisatorische Formen der Basisdemokratie hervor, zu der
nicht nur Fabrikräte gehörten, sondern Mieter- und Arbeitslosenvereinigungen,
Bewegungen von Juristen, Ärzten, Journalisten oder Polizisten, die bereit
waren, die Forderung nach einer „demokratischen Wende“ zu unterstützen.
Die IKP nutzte diese Kampfkraft jedoch
nicht für ihre Strategie, sondern
versuchte im Gegenteil „die Dynamik der großen Massenbewegung zu bremsen“.
Aufschlussreich ist, wie der Anhänger des Eurokommunismus, der Spanier Fernando
Claudin, sich kritisch zum Historischen Kompromiss äußerte und einen Erfolg
bezweifelte. „Die zunehmenden Wahlerfolgte der PCI und ihre fortschreitende
,Besetzung’ von Machtpositionen im politischen System waren nicht begleitet vom
Aufbau eines sozialen Blocks, der von seinem Bewusstseinsgrad, von seiner
inneren Gliederung und der Qualität seines Programms her in der Lage gewesen
wäre, die harten Prüfungen zu bestehen, die auf ihn zukommen.“[145]
Im November 1969 schloss das ZK die unter dem
Namen Manifesto entstandene Opposition
aus der Partei aus. Insgesamt wurden etwa 10.000 Mitglieder
ausgeschlossen oder verließen die Partei. Unter ihnen die legendären Linken
Luigi Pintor und Rossana Rossanda, die anschließend die Zeitung Manifesto
gründeten.[146]
Dass die Partei sich vom linksextremen Terror
von Gruppen wie der RB distanzierte, war verständlich. Nicht aber, dass
linksradikale Organisationen, die den sogenannten bewaffneten Kampf führten,
mit faschistischen Terroristen auf eine Stufe gestellt wurden.[147] Dazu zählte beispielsweise die einflussreiche
Lòtta Continua, die sich am Maoismus orientierte. 1969 aus der 68er Bewegung in Turin entstanden, zählte sie zirka 20.000
Mitglieder, gab eine gleichnamige 14tägige Zeitschrift (1972 bis 1982 Tageszeitung)
heraus, leistete aktiven Widerstand gegen die faschistische Gefahr und
unterstützte den Basiskampf der Gewerkschaften. Lotta Continua lehnte den
Historischen Kompromiss ab. Eine Strömung trat für den bewaffneten Kampf ein,
im Wesentlichen agierte die Organisation jedoch gewaltlos.[148] Nachdem
sie sich 1976 aufgelöst hatte, gründete ein Teil ihrer Mitglieder die
Democrazia Proletaria, die sich als legal anerkannte Partei im gleichen
Jahr an den Parlamentswahlen beteiligte und 1,5 Prozent erzielte.[149] Neben
der außerparlamentarischen Linken lehnte auch die PdUP den Historischen
Kompromiss ab und trat für eine linke Regierungsalternative ein.
An der Basis der IKP, aber auch in der
Führung und im Parteiapparat wuchs der Unmut gegen die Zugeständnisse an die „Austeritätspolitik“
der Regierung.[150] Longo kritisierte auf der ZK-Tagung im Oktober
1976, die Entscheidungen „von oben“ zu
treffen. Man verliert „den Kontakt mit der Basis“; die „Partei wird
geschwächt“. Es werde gefragt, ob die von den Arbeitern verlangten „Opfer“
tatsächlich zu den erwarteten Reformen führen oder nur zur Stärkung des
Monopolkapitalismus und seiner Diener, der Christdemokraten.[151] Im Februar/März 1977 kam es in Norditalien,
besonders im roten Bologna, zu anhaltenden Protesten der Studenten gegen den
reformistischen Kurs.[152]
Auf dem danach Mitte März tagenden Zentralkomitee[153] erklärte ZK-Mitglied Borgnas, an der Basis gebe es „ernste Zweifel“, dass der Historische Kompromiss eine Alternative darstelle. Es bestehe der Eindruck, dass die Partei eher zur „Verteidigung des bestehenden politischen Rahmens“ neige als zur „Schaffung von Voraussetzungen für seine Überwindung“. Politbüromitglied Gian Carlo Pajetta, einer der bedeutendsten IKP-Führer, sprach „von Gefahren und Schwierigkeiten“, die Regierung Andreotti sei „unangemessen für die Bedürfnisse des Landes“. Er forderte, die Arbeiterbewegung „in eine bewusste und einheitliche Schlacht“ zu führen. ZK-Mitglied Luporini sprach von der Klassenzusammenarbeit mit der DC. Die Kommunisten würden nicht „als Träger einer neuen Gesellschaft gesehen, sondern als ,Mitverwalter’ der bestehenden.“ ZK-Mitglied Lubertini warnte vor „einer historischen Niederlage“, einem „gesellschaftlichen Umschwung nach rechts“. Eine Wende sei nur möglich, wenn für den politischen Fortschritt Massenkämpfe geführt würden. Politbüromitglied Armando Cossuta fragte, ob die IKP überhaupt noch „eine Kampfpartei“ sei? Giorgio Napolitano, führender Exponent der sozialdemokratischen Strömung, ignorierte in seinem Schlusswort die Kritik und verlangte, so schnell wie möglich das System der Stimmenthaltung im Parlament aufzugeben und die Zusammenarbeit mit der DC zu vertiefen, auch wenn das noch nicht zum direkten Eintritt in die Regierung führe.[154]
Aldo Moro ist als führender Repräsentant des
linken DC-Flügels mit seiner Regierungszusammenarbeit zunächst mit Sozialisten,
später mit Kommunisten zweifelsohne der bekannteste bürgerliche Reformer der
Nachkriegszeit. Der aus einer ländlichen
Pädagogenfamilie stammende Professor für Strafrecht gehörte in der Democrazia
Cristiana zu den führenden Köpfen der in der Resistenza entstandenen
„Initiativa Democratica“, die nach der
Niederlage des Faschismus für eine gesellschaftliche Erneuerung auf
christdemokratischen Grundlagen eintrat. Diese DC-Linken lehnten den proamerikanischen
und konservativen von De Gasperi betriebenen antikommunistischen Kurs der
kapitalistischen Restauration ab und traten für die Fortsetzung des in der
Resistenza entstandenen antifaschistischen Regierungsbündnisses mit Kommunisten
und Sozialisten ein.
Die ökonomische Basis von Reformen sah Moro
in einem starken staatlichen Sektor, vor allem im Energiebereich, an dessen
Spitze sein Parteifreund, der Chemieunternehmer
und Präsident der Energiegesellschaft ENI, Enrico Mattei, stand. Leute
wie Moro und Mattei traten der von den USA verfolgten Politik entgegen, die
NATO als ihr Instrument zur wirtschaftlichen und politischen Unterwerfung der
Mitgliedsländer unter ihre Vorherrschaft zu nutzen. Mattei, in der Resistenza
Kommandant einer Partisanenbrigade, plädierte bereits 1955 dafür, „die Lösung
der kommunistischen Frage in Italien über kraftvolle soziale und ökonomische
Reformen herbeizuführen“.[155] Wie später Moro wurde er deshalb in Washington
als „Kommunistenfreund“ diffamiert und fiel 1962 einem Attentat der CIA zum
Opfer.[156] Reformpläne, wie sie Moro oder Mattei
verfolgten, basierten auf der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und dienten
objektiv dem Ziel, den Reformismus in
der Arbeiterbewegung zu stärken und eine moderne Arbeiter-aristokratie heranzubilden.
Moro reifte frühzeitig zu einem fähigen Politiker mit Realitätssinn für die Probleme des eigenen Landes als auch internationaler Fragen heran. 1946 in die Verfassungsgebende Versammlung gewählt, gehörte ununterbrochen der Abgeordnetenkammer an, wurde 1948 Staatssekretär, danach mehrmals Außenminister und Chef anderer Kabinettsressorts, war fünfmal Regierungschef und galt für die 1979 anstehenden Präsidentenwahlen als aussichtsreichster Kandidat. Wegen seines Widerstandes gegen den NATO-Beitritt schloss ihn De Gasperi 1949 aus dem Kabinett aus. Viele Politiker hielten seine Karriere für beendet. Als die DC bei den Wahlen 1953 als Folge des pro-atlantischen Kurses von 48,5 Prozent auf 40,1 absackte, musste De Gasperi abdankten während Moro in die Politik zurückkehrte. Als Premier nahm er 1963 die Sozialisten wieder in das Kabinett auf. Nachdem die Stimmen der IKP 1976 auf 34,4 Prozent anstiegen, bezog er als DC-Vorsitzender die Kommunisten in die Regierungs-zusammenarbeit ein.
Zusammen mit Berlinguer ging es Moro darum,
den Faschisten, die für Italien offen ein „Modell Pinochet“ propagierten,
Einhalt zu gebieten. Er trat der Unterordnung Italiens unter die Vorherrschaft
der USA sowie der Blockkonfrontation
entgegen und setzte sich für internationale Entspannung ein. In La
Repubblica wies er Forderungen seiner Partei, die IKP als politischen Faktor auszuschalten,
zurück. Er plädierte im Interesse einer stabilen Regierungszusammenarbeit mit
einer „reformierten“ KP dafür, die IKP sollte „ihre ideologische Herkunft nicht zu sehr verleugnen“, womit er
nachgerade vor ihrer zu starken Sozialdemokratisierung warnte.[157] Moro hätte für die IKP, wenn sie auf ihrer
eurokommunistischen Grundlage gegenüber den DC-Rechten nicht schwerwiegende Zugeständnisse eingegangen
wäre, ein Partner nicht nur für die
Durchsetzung von Reformen im Rahmen der bürgerlichen Ordnung, sondern auch für
darüber hinaus gehende, an den Sozialismus heranführende, werden können. Dafür
spricht vor allem sein Memoriale, das er
vor seinem Tod niederschrieb und das als sein politisches Testament gilt. In
seiner Anklage gegen das mit Giulio
Andreotti an der Spitze etablierte
antidemokratische Regime und seine proamerikanische Politik zeigen sich
antiimperialistische Aspekte. Die Erinnerungen sind gleichzeitig ein Dokument
menschlicher Größe und Standhaftigkeit. Moro erkannte, dass er sich in den
Händen seiner Washingtoner Feinde befand, welche die RB als ihr Werkzeug
benutzten. Er hielt dem physischen und psychischen Druck stand und bekannte
sich mutig zu seiner Zusammenarbeit mit den Kommunisten, obwohl ihn ein
Widerruf möglicherweise das Leben
gerettet hätte. [158]
Genau in dem Augenblick, da Moro und
Berlinguer ihren Historischen Kompromiss verwirklichen wollten, wurde das in
Washington seit langem geplante Komplott gegen den DC-Vorsitzenden eingeleitet.
An seiner Inszenierung und Ausführung wirkten Politiker wie USA-Außenminister
Kissinger, der italienische Ministerpräsident Andreotti, die CIA und die
NATO-Geheimtruppe Gladio mit italienischen Geheimdienst- und Armee-Kreisen in
Komplizenschaft mit den Faschisten des Landes. Als Werkzeug dazu ließen sich
die von Polizei und Geheimdienst-Agenten unterwanderten und entsprechend
manipulierten linksextremen RB missbrauchen. Am 16. März 1978, dem Tag der
Amtseinführung der Kompromiss-Regierung, entführte ein BR-Kommando, flankiert
von wenigstens einem hochqualifizierten Militärspezialisten Moro und ermordete
ihn 55 Tage später am 9. Mai.[159]
Andreotti lehnte von den Entführern
geforderte Verhandlungen - bis dahin immer geführt und auch danach wieder
gängige Praxis[160] - ab und lieferte seinen Partei-Vorsitzenden
dem sicheren Tod aus. Um in der Regierungsmehrheit verbleiben zu können,
schloss sich die IKP dieser Linie an und überließ ihren Bündnispartner seinem Schicksal.[161] Die IKP ordnete sich auch in den folgenden
Monaten dem rechten Kurs Andreottis
unter. Mit ihren Stimmen verabschiedete das Parlament fünf Tage nach dem
Anschlag Notstandsgesetze, die weit über die erforderlichen Befugnisse hinaus
gingen. Sie erlaubten Polizeiverhöre ohne Anwalt, längere Festnahmezeiten ohne
Haftprüfungs-termine, Telefonüberwachung ohne richterliche Verfügung. Sie
erweiterten und verschärften die umstrittenen Repressivmaßnahmen, die
Innenminister Francesco Cossiga seit seinem Amtsantritt 1976 bereits erlassen
hatte: Einführung des Paragraphen über „terroristische Vereinigungen“ in das
Strafrecht, Hochsicherheitstrakte nach dem Vorbild von Stammheim und Anhebung
der Höchstdauer der Untersuchungshaft. Generell schränkten die Notstands-Gesetze
und -verordnungen die Bürgerrechte ein und übertrugen den bewaffneten Organen
und der Justiz weitreichende Vollmachten, die auch gegen oppositionelle Kräfte
ohne Unterschied angewendet werden konnten, was auch in bedenklicher Weise
erfolgte. In Rom wurden an einem Tag 287 Personen festgenommen, darunter
Mitglieder der IKP und der ISP, von denen später 245 wieder freigelassen werden
mussten. Im Rahmen der Fahndung nach den Attentätern übernahm die Armee Polizeifunktionen zur „Sicherung
der öffentlichen Ordnung“. Allein in der Hauptstadt wurden dazu Kräfte in
Stärke einer Division eingesetzt.
Die Notstandsgesetze richteten sich, solange
die RB den Organisatoren des Komplotts nützlich waren, kaum gegen diese,
sondern vorwiegend gegen die außerparlamentarische Linke. Die Verhaftung von
Rotbrigadisten setzte erst 1979 ein, nachdem sie ihre Rolle im wesentlichen
ausgespielt hatten und der Historische Kompromiss zum Scheitern gebracht worden
war. Mit aller Wucht schlug der
Repressionsapparat gegen linke und als linksradikal apostrophierte
Intellektuelle zu. Der Jagd auf sie fielen ganze Universitätsfakultäten zum
Opfer. In Padua befand sich darunter fast der gesamte Lehrkörper für politische
Wissenschaften, in Mailand der Direktor der Katholischen Universität, Maro
Borromeo. Professor Antonio Negri, wurde
angeklagt, Chef der RB zu sein und die Entführung Moros organisiert zu haben.
Tausende Linksradikale, viele von ihnen ohne sich eines Vergehens strafbar
gemacht zu haben, wurden in die Gefängnisse geworfen, zirka 100.000 Personen
von den polizeilichen Ermittlungen erfasst, rund 40.000 angeklagt, etwa 15.000
verurteilt.
Trotz allen Entgegenkommens seitens der IKP
sabotierte Ministerpräsident Andreotti
systematisch das Regierungsabkommen. An
der IKP-Basis verstärkte sich der Druck auf die Parteiführung, die rechte
Regierungskoalition zu verlassen. Im
Januar 1979 kam die IKP der Forderung
nach. Der Historische Kompromiss war, wie Berlinguer auf dem 15. Parteitag im
März/April 1979 eingestehen musste, gescheitert.[162] Es gab keinerlei soziale oder ökonomische
Reformen. Statt einer Zurückdrängung der faschistischen und rechten Gefahr kam
es zu einer Verschiebung der Regierungsachse nach rechts. In der DC erhielten
rechte und mit den Faschisten paktierende Kräfte den bestimmenden Einfluss auf
die Politik. Bezeichnend dafür war, dass der zur Führung der P2 gehörende
Silvio Berluconi in dieser Zeit mit Hilfe der Bankiers der Putschloge sein
marktbeherrschendes privates Fernsehimperium aufbauen konnte, das zum entscheidenden
Instrument auf seinem Weg zum Premier der ersten 1994 und der zweiten 2001
gebildeten profaschistischen Regierung wurde.[163]
Der politische Einfluss der IKP ging spürbar zurück. In den folgenden Jahren verließen etwa ein Drittel ihrer 2,2 Millionen Mitglieder die Partei. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen 1979 war ihre Stimmenzahl zum ersten Mal seit Kriegsende rückläufig. Sie verlor gegenüber 1976 mit einem Schlag fast vier Prozent ihrer Wähler, bis 1987 rund acht. Der Einfluss der Gewerkschaften wurde merklich zurückgedrängt, sie auf Sozialpaktlinie gebracht. Die Massenkämpfe der Arbeiter ebbten ab. Höhepunkt der Rückschläge war die Beseitigung der Scala mobile. Die Gewerkschaften nahmen die Liquidierung dieser herausragenden sozialen Errungenschaften ohne Widerstand hin.
Berlinguer suchte während der Praktizierung
des Historischen Kompromisses, wie die
PRC-Zeitung Liberazione schrieb, den Ausgleich zwischen dem linken und
rechten Flügel der Partei, war ein „Mann der Vermittlung“, ein „Zentrist“.[164] Während die Reformisten zu dieser Zeit bereits
an die Umwandlung in eine sozialdemokratische
Partei dachten, setzte Berlinguer
unter eurokommunistischen Vorzeichen auf den Erhalt der revolutionären Potenzen
und ihre Nutzung in der Regierungs-Zusammenarbeit mit der DC. Wenn die Basis der Partei sich in den siebziger
Jahren zunehmend dem reformistischen
Kurs unterordnete, geschah das im Vertrauen darauf, dass Berlinguer
sich auf diese kämpferischen Positionen stütze. Nach der anhaltenden
Sabotage der Reformvereinbarungen durch die Regierung Andreotti setzte
Berlinguer gegen die Reformisten, die dennoch in der Regierungskoalition verbleiben wollten, den
Austritt und die Rückkehr zu einer linken Regierungsalternative durch. Man kann
sicher einschätzen, dass er den von Achille Occhetto und Massimo D´Alema, [165] eingeschlagenen Weg der Umwandlung der IKP in
eine sozialdemokratische Partei und der Aufgabe nicht nur der kommunistischen,
sondern aller sozialistischen Traditionen nicht gegangen wäre und die Partei in einen derartigen Niedergang geführt hätte.
Wie Giorgio Galli in seiner „Storia del PCI“
schreibt, litt Berlinguer schwer unter der Niederlage, für die er sich
persönlich verantwortlich fühlte, was sich auch in seinem sich
verschlechternden Gesundheitszustand ausdrückte. Wenn er seine wiederholt
geäußerten Rücktrittsabsichten nicht verwirklichte, dann vor allem deshalb,
weil kein befähigter Nachfolger zur Stelle war. Nach seinem Tod am 11. Juni 1984, dem ein Herzinfarkt während
er auf einer Kundgebung in Padua sprach
voraus ging,[166] verfügte die Partei über keinen Nachfolger von
seinem Format. Die von ihm in bestimmtem Maße gezügelte sozialdemokratische
Strömung bekam freie Hand. Bereits auf dem 17. Parteitag 1986 in Florenz leitete sein Nachfolger Alessandro
Natta die „reformistische Wende“ ein, die 1991 zur Umwandlung der IKP in die
sozialdemokratische Linkspartei führte.[167]
In der bürgerlichen Geschichtsschreibung hält
sich hartnäckig die Legende, das Ende der IKP sei eine Folge der
sozialistischen Niederlage in Europa gewesen. Als angeblicher Beweis wird eine
Erklärung des letzten Generalsekretärs, Achille Occhetto, anschließend Sekretär
der PDS, angeführt, der drei Tage nach dem Fall der Berliner Mauer offiziell
die „Heimkehr zur Sozialdemokratie“ ankündigte. Neben den weit in die Geschichte der IKP
zurückreichenden Wurzeln dieses Werdeganges widerlegen auch die Ereignisse der
80er Jahre diesen Geschichtsrevisionismus. Dass die sozialistische Niederlage
den Zerfallsprozess der IKP beschleunigte, wird damit nicht negiert.
Die revisionistische Fraktion stieß nach dem
Tod Berlinguers in der Parteiführung auf
keinen nennenswerten Widerstand mehr. In der von der IKP dominierten, fast fünf
Millionen Mitglieder zählenden CGIL[168] schwächte der unter dem Einfluss der Partei um
sich greifende Reformismus die Kampfkraft und ließ, wie in der Parteibasis, den
Widerstand gegen den sozialdemokratischen Kurs erlahmen.
Der Weg für die Revisionisten wurde dann
schlagartig frei, als Gorbatschow 1985 das Amt des Generalsekretärs der KPdSU
antrat. Sie setzten sich endgültig als die Partei allein beherrschende Fraktion
durch. Auf dem Kongress 1986 in Florenz
schlug Natta den Sozialisten vor, sich mit den Kommunisten zu einer neuen linken
Partei zu vereinigen. Der korrupte ISP-Chef Craxi, der seine Partei 1992 in den
Untergang trieb, lehnte jedoch ab. Der sozialdemokratische Kurs verstärkte
sich, als Achille Occhetto im Juni 1988 an die Spitze der IKP trat.[169] Italien erlebte das Phänomen, dass seine KP,
die besonders seit den 70er Jahren ihre Unabhängigkeit von Moskau betont,
jegliche Führerrolle oder Übernahme sowjetischer Erfahrungen abgelehnt und 1982
gegenüber der KPdSU auch offiziell den „strappo“ (Bruch) verkündet hatte, plötzlich
„moskauhörig“ wurde und sich völlig am Kurs Gorbatschows orientierte.
Unmittelbar nach seiner Wahl kündigte Occhetto den für März 1989 einberufenen
Kongress als „Parteitag der Wende“ an.[170] Dessen Leitfigur war dann Gorbatschow, auf den
sich Occhetto bereits in seiner Eröffnungsrede zehnmal als Hoffnungsträger
berief. Die auf Video übermittelte Rede des KPdSU-Generalsekretärs wurde von
der sozial-demokratischen Strömung, welche die Mehrheit der Delegierten
stellte, stürmisch gefeiert. In seinen Beschlüssen erklärte der Kongress einen
„riformismo forte“ (tiefgreifenden Reformismus) zur „Leitlinie der Partei“.
Occhetto erhielt bei seiner Wiederwahl nur zwei Gegenstimmen. Selbst die
kommunistische Strömung, die im neuen Zentralkomitee acht Sitze belegte, stimmte
für ihn. Der ISP schlug Occhetto vor, die DC-Regierung zu verlassen und mit der
IKP eine Reformkoalition zu bilden. Craxi lehnte allerdings postwendend ab.[171]
Im Dezember 1989 präzisierte Occhetto, wie
der „Bruch mit der Vergangenheit“ vor sich gehen sollte. In der „Unita“ wandte
er sich gegen die „Front des Nein“, welche die „konstituierende Phase einer
neuen Formation“, wie die Umwandlung
genannt wurde, nicht mitmachen wollte und für eine „Erneuerung“ eintrat.
„Eine Erneuerung der IKP reicht nicht mehr aus“, entgegnete Occhetto.
Gleichzeitig versuchte er zu beruhigen. Es gehe nicht „um die Selbstauflösung
der IKP, sondern um die Konstruktion einer neuen, demokratischen, politischen
Formation des Volkes - reformerisch, offen für progressive laizistische und
katholische Komponenten, Interpretin der neuen Fragen aus der Welt der Arbeit
und der Kultur als auch aus den Bewegungen der Jugend und der Frauen, aus der
Umweltbewegung, dem Pazifismus und der Bewegung für Gewaltlosigkeit“. Occhetto
versicherte, die Kommunisten würden „mit ihrem ideellen, organisatorischen und
politischen Erbe Initiatoren dieser neuen Formation sein“.[172] Georgio Napolitano, als langjähriges
Politbüromitglied seit den 60er Jahren aktiver Verfechter des reformis-tischen
Kurses, sprach zwei Wochen später offen aus, dass es darum ging, einer „Regierungsübernahme den Weg zu ebnen“.[173]
Die weiteren Schritte bewiesen, welche
Vorleistungen man dazu erbringen wollte. Im Auftrag Occhettos arbeitete der
Wirtschaftswissenschaftler Michele Salvati, der niemals der IKP angehört hatte,
das „programmatische Manifest“ der neuen Partei aus. Er hielt engen Kontakt zur
SPD, orientierte sich an deren
Godesberger Programm und schrieb u. a.
Leitsätze wie die folgenden nieder: „Die Kapitalisten und die Unternehmer
erfüllen eine Aufgabe von öffentlichem Nutzen“ und „das Privateigentum an
Produktionsmitteln spielt im Kontext des Wettbewerbs eine fundamentale Rolle
von allgemeinem Interesse“.[174] In nicht wenigen Punkten übertraf der Kongress
in Rimini dann noch Bad Godesberg. So auch als er selbst auf die Vokabeln
„sozialistisch“ oder „sozialdemokratisch“ in dem neuen Parteinamen verzichtete
und die neue „Formation“ sich schlicht Demokratische Partei der Linken taufte.
Salvati betonte ausdrücklich die Orientierung am Godesberger Programm, das „in
den vergangenen 30 Jahren sehr gut standgehalten“ habe. Occhetto selbst schrieb
Willy Brandt als damaligem Vorsitzenden der SI einen Brief, in dem er die
Bedeutung der „Erfahrungen der Sozialdemokratie“, die „trotz Begrenzungen und
Schwierigkeiten von substanziellen Errungenschaften an Wohlstand und Kultur
gekennzeichnet“ seien, für die Umwandlung der IKP hervorhob. ISP-Chef Craxi
zitierte die lobenden Ausführungen süffisant in seinem Bericht an den 46.
Parteitag im Juni 1991.[175]
Dem Widerstand der Basis - vor dem Parteitag
in Rimini hatten sich etwa ein Drittel der Delegierten gegen die Umwandlung in
eine linke Volkspartei ausgesprochen - begegnete die Occhetto-Gruppe mit aus
der Geschichte bekannten demagogischen Beschwich-tigungen. Sie gab die Losung
von der „Wahrung der Einheit der Partei“ aus, um so eine Trennung der kommunistischen Strömung
(Occhetto sprach von Abspaltung) von der Partei und eine Neu- bzw.
Wiedergründung der KP durch diese zu verhindern. Die Kommunisten würden,
versprach Occhetto, in der künftigen Partei in „würdiger Parität“ respektiert. [176] Doch etwa zehn Prozent der zu dieser Zeit noch
etwa 1,7 Millionen Mitglieder zählenden IKP kehrten der PDS in Rimini den
Rücken. Die meisten stießen später zur PRC. Bei der PDS schrieben sich zunächst
etwa 650.000 Mitglieder ein.
Nachdem der Parteitag seine Arbeit beendet
hatte, beschlossen rund 90 Delegierte noch am selben Abend, eine kommunistische
Neugründung vorzubereiten. Bereits eine Woche später versammelten sich etwa
6.000 Kommunisten und gründeten zunächst eine gleichnamige
Sammlungsbewegung. Die Abgeordneten der früheren IKP, die der
Rifondazione-Bewegung beitraten, bildeten im Parlament eine eigene
kommunistische Gruppe. Zur Vorbereitung der Neugründung wurde die Zeitung Liberazione
herausgegeben. Ab Oktober 1991 zunächst Wochenzeitung, erscheint sie seit Mai 1994 als Tageszeitung, die eine
Auflage von täglich etwa 40.000 verkauften Exemplaren angibt, an Wochenenden
100.000 und oft auch mehr.
Am 12. Dezember traten in Rom 1.300 in 113 Organisationen gewählte
Delegierte, die über 100.000 Mitglieder der Sammlungsbewegung vertraten, zum
ersten Kongress zusammen, der die Bildung der Partei der Kommunistischen
Neugründung beschloss. Zusammen mit einer Mehrheit aus der früheren IKP stieß
zur Neugründung ein Großteil der Mitglieder der zuvor aufgelösten Democrazia
Proletaria, darunter viele Jugendliche. Die DP brachte in die PRC eine
Wählerbasis ein, die 1983 und 1987 noch 1,5 Prozent betragen hatte. Das trug
dazu bei, dass die PRC bei den Parlamentswahlen 1992 auf Anhieb mit über 2,2
Millionen Stimmen 5,6 Prozent erreichte und in Senat und Abgeordnetenkammer 55
Sitze belegte. Außerdem beteiligten sich noch andere frühere APO-Linke an der
PRC-Gründung, darunter Mitglieder der einstigen PdUP.[177] Die Zeitung Manifesto solidarisierte
sich mit der KP-Neugründung, eine Herausgabe als Blatt der PRC kam dagegen
nicht zustande. Obwohl sowohl Manifesto als auch Liberazione sich
auch weiterhin gegenseitig ihrer Solidarität versicherten, war neben bestimmten
politisch-ideologischen Unterschieden ein gewisses Konkurrenz-Verhältnis nicht
zu übersehen.
Es waren vor allem die aus der DP kommenden
Linken, die eine KP-Wiedergründung im Sinne einer Fortsetzung der IKP ablehnten
und eine Neugründung forderten, um so den Bruch mit dem Reformismus zu
dokumentieren. Die PRC interpretiert ihren Parteinamen[178] dementsprechend als Neugründung und
gleichzeitig als Wiedergründung einer von den kommunistischen Idealen
geleiteten Partei, von der Gramsci ausging. Der Gründungskongress bekannte sich
in Statut und Programmatik zu den
kommunistischen Ideen und zu ihrer Bewahrung in einer „realen Bewegung“ sowie
zur Überwindung der kapitalistischen und des Aufbaus einer sozialistischen
Gesellschaftsordnung. Als Symbol wurde die rote Fahne mit Hammer und Sichel
gewählt, als Hymnen die Internationale
und das legendäre Partisanenlied Bandiera Rossa.
Auseinandersetzungen über die Besetzung der
Spitzenfunktionen führten zu einer Vertagung des Gründungsparteitages, der am
18. Januar 1992 seine Arbeit fortsetzte und Sergio Garavini zum Sekretär und
das frühere Politbüromitglied der IKP, Armando Cossutta, zum Vorsitzenden
wählte. wählte.[179] Im Januar 1994 wurde Garavini von Fausto
Bertinotti, einem langjährigen führenden Funktionär der CGIL-Gewerkschaft,
abgelöst. Bertinotti, der nicht der IKP angehört hatte, war zunächst der PDS
beigetreten. Als diese linke Alternativen ablehnte, darunter ein Zusammengehen
mit der PRC gegen die faschistische Gefahr (die 1994 zur ersten
Berlusconi-Regierung mit Faschisten und Rassisten führte), verließ er die
Partei und schloss sich der PRC an.
Die PDS versuchte immer wieder, die PRC zur
Aufgabe ihrer organisatorischen Selbstständigkeit und zum Eintritt in die
Linkspartei als politische Strömung zu bewegen. 1995 gelang es, mit dem
abgelösten Garavini an der Spitze vor allem unter Parlamentariern eine
Dissidentengruppe zu formieren, welche diese Forderung in der PRC offen erhob.
Als die Reformisten sowohl an der Basis als auch in der Führung keinen
Widerhall fanden, traten sie aus der PRC aus. Ihre 16 Parlamentarier schlossen
sich der PDS an. Die Formierung einer eigenständigen „kommunistischen Gruppe“
misslang.
Schwerer wog
der Schaden, den eine vom Parteivorsitzenden Armando Cossutta angeführte
reformistische, ebenfalls vorwiegend aus Parlamentariern bestehende Gruppierung
mit ihrer Abspaltung im Oktober 1998 anrichtete. Anlass war die Beendigung der
parlamentarischen Unterstützung, welche die PRC mit ihren auf acht Prozent
gestiegenen Stimmen der seit 1996 regierenden Linken Mitte gewährt hatte, die
über keine Mehrheit verfügte. Rifondazione kündigte die Parlamentskoalition
auf, weil das Kabinett unter Roman Prodi
die Regierungsvereinbarungen mit der PRC brach, einen Rechtskurs einschlug und
einen forcierten Sozialabbau betrieb. Nachdem die Cossutta-Fraktion mit ihrer
Forderung, die Parlamentskoalition nicht nur fortzusetzen, sondern direkt in
die Regierung einzutreten, auf der Tagung des Politischen Komitees[180] nicht durchkam, verließ sie die PRC und
gründete die Partei der Kommunisten Italiens (PdCI). Die PDS, die nach dem
Rücktritt Prodis mit Massimo D’Alema den Premier stellte, belohnte die PdCI mit
zwei Ministerämtern. Der Opportunismus der Cossutta-Gruppe gipfelte
anschließend in der Teilnahme an der NATO-Aggression gegen Jugoslawien. Die
PRC, die zu dieser Zeit 130.000 Mitglieder zählte, verlor bei dieser Abspaltung
davon etwa ein Fünftel. [181]
Nach der Abspaltung wurden in der PRC erneut
Stimmen laut, die eine tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Revisionismus
forderten, die bei und nach der PRC-Gründung nicht erfolgte. Die Abspaltung der
Cossutta-Fraktion zeigte, dass der Revisionismus, der zum Untergang der IKP
geführt hatte, auch in der neuen KP nicht überwunden worden war und deshalb
weiter wucherte.[182] Diesen Forderungen entsprachen in bestimmter
Weise die Ausführungen Bertinottis am 21. Januar 2001 anlässlich des 80.
Jahrestages der Gründung der IKP. Die faktische Auflösung der IKP und Gründung
der PDS hatten „verheerende Auswirkungen“ nicht nur für die Arbeiterbewegung
und für die Linke, sondern für das gesamte Land, schätzte er ein. Die
Linkspartei habe nicht, wie es in Rimini demagogisch versprochen worden sei,
„das Erbe der IKP zur Entwicklung einer starken reformerischen
sozialdemokratischen Partei“ genutzt, sondern einen für die Arbeiterbewegung
verhängnisvollen Weg eingeschlagen. „Eine sozialdemokratische Kultur“ existiere
heute nicht mehr. Die Linkspartei
verfüge über keine antikapitalistische Theorie, ohne die von einer
Umwandlung der Gesellschaft keine Rede sein könne. Der PRC-Sekretär zog eine
schonungslose Bilanz der katastrophalen Auswirkungen der Politik „der
reformistischen Zerstörer der IKP“. Er sprach von der „Zerschlagung der
Partei“, die blitzartige Auswirkungen auf die ganze um die IKP gescharte Welt
gehabt habe. Darunter fielen die einst kampfstarken Gewerkschaften, die linken
Kommunal-verwaltungen und die verschiedensten sozialen Vereinigungen - ein
breites politisches Spektrum. Bertinotti äußerte sich zur Verantwortung der
Kommunisten in der Gesellschaft und der Welt für das Voranbringen eines
revolutionären Prozesses zur Überwindung des Kapitalismus, zur Rolle der
heterogenen Linken des Landes und dem Platz seiner Partei in der Bewegung. Die
Realität erfordere, im gesamten langen revolutionären Prozess von der Existenz
sowohl einer kommunistischen Kraft als auch anderer linker Kräfte auszugehen.
Eindeutig an die Adresse der DS[183] richtete sich Bertinotti, wenn er erklärte, die
PRC könne im linken Pluralismus leben, wenn es für sie möglich sei, darin
unabhängig zu agieren, wenn es gegenseitige Anerkennung der Standpunkte[184] und der Organisationsformen gebe. Bertinottis
Ausführungen erinnerten an Gramsci, wenn
er erklärte: „Die kommunistische Kraft muss von ihrem Platz innerhalb einer
pluralistisch unterteilten Linken ausgehen, in der sie sich der Herausforderung
der Hegemonie stellt und in der sie ein System der Beziehungen entwickelt und
verstärkt.“ Er wies auf die Erfahrungen der IKP in der Nachkriegsentwicklung
hin, in der diese initiativ- und einflussreich in den Gewerkschaften und den
Genossenschaften wirkte, Kulturhäuser ins Leben rief, eine aktive Basisarbeit
betrieb, ein Massenblatt herausgab, die sozialen Konflikte anführte, ständig
der kapitalistischen Gesellschaft kritisch gegenübertrat und die Perspektive
des revolutionären Kampfes in der Gegenwart transparent machte.[185]
Vor den Parlamentswahlen im Mai 2001 lehnte die PRC den Eintritt in eine Koalition der Linken Mitte ab, da diese eine programmatische Vereinbarung darüber verweigerte, nicht bereit war, ihren Rechtskurs zu beenden noch den rigorosen Sozialabbau einzustellen, und nach einem Wahlsieg den Eintritt in eine Regierung forderte.
Die PRC konnte auf sich allein gestellt nur
auf der Parteienliste, auf der 25 Prozent gewählt werden, antreten.[186] Es ist war bemerkenswertes Ergebnis, dass es
ihr unter diesen Bedingungen und in einem Klima massivster antikommunistischer
Hetze sowie des Rechtskurses der Linken Mitte gelang, die in Italien geltende
Vier Prozent-Hürde zu überwinden und mit etwas über fünf Prozent ihre
Vertretung in Senat und Abgeord-netenkammer zu sichern.[187] Das Ergebnis zeigte gleichzeitig, dass es die
PRC in den vorangegangenen Jahren
verstanden hatte, sich eine bestimmte
Basis vor allem unter der Jugend zu sichern und als Vertreterin der
Interessen der Arbeiter und ärmsten Schichten anerkannt zu werden. Sie stellt
sich, wie die größten antiimperialistischen Protestaktionen gegen den G8-Gipfel
in Genua und der Widerstand gegen die faschistischen Ausschreitungen der
Berlusconi-Polizei im Juli 2001 und zuletzt das Europäische Sozialforum in
Florenz im November 2002 und vor allem aber die Massenaktionen zur Verteidigung
der Arbeiterrechte zeigten, an die Spitze der sozialen und politischen
Auseinandersetzungen der Gegenwart. Sie bewährte sich nach den Ereignissen vom
11. September 2001 in New York und Washington ebenso als mobilisierende Kraft
gegen die von den USA entfesselte weltweite Kriegs- und Expansionspolitik,
wovon erneut landesweit Massenaktionen mit Millionen Teilnehmern gegen den
Krieg und die Okkupation des Irak zeugten. Als ihr entscheidendes Ziel
verkündete sie, gegen die rechtsextreme Berlusconi-Regierung eine entschiedene
Opposition mit einer alternativen Linken an der Spitze zu formieren.[188]
Die Sozialdemokratisierung der IKP, welche
die Spaltung der Arbeiterbewegung vertiefte und ihre Kampfkraft schwächte, gab
der faschistischen und rassistischen Gefahr einen ungeahnten Auftrieb. In
verhängnisvoller Weise trug dazu vor allem das Paktieren von Vertretern der
PDS/ DS-Führung mit den AN-Faschisten bei. Als die MSI sich im Januar 1995
offiziell in Alleanza Nazionale (AN) umtaufte, nahm an dem Kongress eine
Delegation der PDS teil, der mit Ugo Pecchioli, einst Kommandant der 77.
Garibaldi-Brigade, einer der angesehensten Partisanenkommandeure angehörte. In
Vorfeld der MSI-Umwandlung gewährte die PDS-Zeitung Unita der Nummer
zwei der Bewegung, dem Altfaschisten Pino Rauti, ein Interview, in dem
dieser die Verbrechen der Mussolinifaschisten unter dem Okkupationsregime
Hitlerdeutschlands in der Repubblica
Sociale Italiano verherrlichen und sie „als bleibende Werte (...) als ein
kulturelles und programmatisches Vorratslager, aus dem wir schöpfen“ bezeichnen
konnte.[189] Gegenseitiger Delegationsaustausch gehörte
seitdem zur gängigen Praxis von Partei-beziehungen zwischen Linksdemokraten und
AN-Faschisten. Über die von der AN geforderte so genannte Verfassungsreform,
die einer Präsidialherrschaft den Weg ebnen soll, führte die Linkspartei mit
der AN Konsultationen. 1997 nahm der Linksdemokrat und damalige Präsident der
Abgeordnetenkammer, Luciano Violante, an einem Volksfest der AN teil und
bezeugte in einer Geschichtsdebatte denjenigen, die von 1943 bis 1945 in der RSI an der Seite Hitlerdeutschlands
standen, seinen Respekt. Wiederholt mit stürmischem Beifall belohnt, sprach der
hochrangige Parlamentarier sich ganz im Sinne der von AN-Chef Gianfranco Fini[190] erhobenen Forderungen für eine
Gleichbehandlung von Faschismus und Antifaschismus und dafür aus, „das Kapitel
des Faschismus abzuschließen“, um ein „einheitliches Geschichtsbild“ zu
gestalten. Die Liberazione wies diesen
Geschichtsrevisionismus zurück und betonte, dass eine derart „politisch
indifferente Geschichtsschreibung“ nicht akzeptiert werden könne, da Geschichte
„niemals neutral“ sei, weil dem der Klassenkonflikt entgegenstehe.[191] .
Nachdem die PRC im Oktober 1998 der Regierung
der linken Mitte ihre parlamentarische Unterstützung entzogen hatte, sicherte
D’Alema, der Prodi an der Spitze der Regierung ablöste, sich eine neue Mehrheit durch das Bündnis mit
einer Parlamentariergruppe des ultrarechten früheren Staatspräsidenten
Francesco Cossiga, aus den Zeiten der Spannungsstrategie als ein
Hauptverantwortlicher der Verbrechen der Gladio-Truppe und Wegbereiter der
Regierungszusammenarbeit mit den Faschisten bekannt.[192] Im Mai
1999 stimmte die DS bei der Wahl des Staatspräsidenten für den von der
Forzapartei[193] und den AN-Faschisten vorgeschlagenen
konservativen Kandidaten Carlo Azeglio Ciampi. Der frühere Gouverneur der Banca
d´Italia (Staatsbank) war zuletzt als Haushalts- und Finanzminister durch einen
rigorosen Sozialabbau bekannt geworden. Vor allem aber wurde mit ihm ein Mann
gewählt, der den von Berlusconi verfolgten Plänen zur Errichtung eines
Präsidialregimes aufgeschlossen gegenübersteht. 1998 hatte der
Präsidentschaftsbewerber die in der EU vorgebrachten Vorwürfe eines
sozialistischen Ministers aus Belgien, in Italien säßen Faschisten im Parlament
und die Regierung sei „faschistenfreundlich eingestellt“, zurückgewiesen und
erklärt, dass „im italienischen Parlament keine oder höchstens völlig gezähmte
Faschisten säßen“.[194] Kein Wunder, dass Ciampi nach dem erneuten
Wahlsieg 2001 der extremen Rechten der Berufung der AN-Faschisten und der
Lega-Rassisten in die Berlusconi-Regierung keinerlei Widerstand entgegensetzte.
Im Gegenteil, in einem Augenblick, da Berlusconi/Fini zum Angriff auf die
Verfassung ansetzten, rief Ciampi zur „nationalen Einheit“ mit ihnen auf. [195] Einen ähnlichen Appell erließ er erneut am 25.
April 2003 zum 58. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus.[196]
Mit Ciampis Wahl traten die Linksdemokraten offen gegen die Wiederwahl Oscar Luigi Scalfaros auf, der sich mehrfach gegen eine Präsidialherrschaft und die damit verbundene Einschränkung der legislativen Rechte ausgesprochen hatte. Während der NATO-Aggression gegen Jugoslawien hatte er demonstrativ Skopje besucht, sich von den völkerrechtswidrigen Luftangriffen distanziert und eine Verhandlungslösung befürwortet.
Kontakte pflegte die DS auch zur
rassistischen Lega Nord. Zu den
Regionalwahlen 2000 wollte sie sogar mit
ihr Wahlbündnisse einzugehen. Im Parlament lehnte die von der DS angeführte
Mehrheit der Mitte-Links-Koalition im Januar 1998 den Antrag der Mailänder
Staatsanwaltschaft ab, die Immunität des in die Bestechungsaffären Berlusconis
in Höhe von mehreren Dutzend Millionen Euro verwickelten Fininvest-Anwalts und
Ex-Verteidigungsministers in dessen Kabinett von 1994, Cesare Previti,
aufzuheben. Es wird angenommen, dass die
Korruptionsfälle in die Zeit der Putschistenloge P2 zurückreichen, zu deren
Mitgliedern wie Berlusconi auch Previtti gehörte. Die P2 finanzierte, wie die
renommierten Publizisten Giovanni Ruggeri und Mario Guarino nachwiesen, den
Aufbau der Holding Berlusconis, besonders seines privaten Fernsehimperiums.[197]
Fausto Bertinotti schätzte ein: „Wäre die IKP
am Leben geblieben, hätte es in der Politik der folgenden Jahre nicht so zersetzende und verwüstende Augenblicke
gegeben, nicht derartige Erscheinungen der Auflösung und geradezu der
Zerstörung des gesamten zivilen Zusammenlebens“. Nach dem 13. Mai 2001
bezeichnete der PRC-Sekretär das Wahlergebnis der linken Mitte, für das die DS
die Hauptverantwortung trage, als eine „strategische Niederlage“, deren
entscheidende Ursache ihr Rechtskurs sei.[198]
Elf
Jahre nach ihrer Mutation, im November 2002, standen die Linksdemokraten
auf ihrem Parteitag in der Adriahafenstadt Pesara vor dem Scherbenhaufen ihrer
„Heimkehr zur Sozialdemokratie“.[199] In Rimini hatten sich die Heimkehrer noch auf
Gramsci berufen und an den progressiven Traditionen der italienischen
Sozialisten anknüpfen wollen. Stattdessen warf die opportunistische Führung in
dem vergangenen Jahrzehnt alles, was noch an kämpferischem sozialistischem Erbe
existierte, über Bord. Zu ihren Vorbildern erkor sie Schröder, Blair und selbst
Clinton. Als neue Vereinigungspartner hofierte sie die Zentrumsparteien, mit
denen sie sich zu einer liberalen Partei der Mitte zusammenschließen
wollte.
Als im Dezember 1994 die erste Regierung
Berlusconi im Ergebnis machtvoller Kampfaktionen der Arbeiter gestürzt wurde,
bekannte sich PDS-Sekretär D’Alema zur typisch sozialdemokratischen Rolle eines
Retters des Kapitals in Krisenzeiten. Berlusconi hätte seinen Sturz verhindern können, wenn er
mit der Opposition zusammengewirkt und sich besonders „auf ihre prinzipielle
Kraft (womit selbstredend die PDS gemeint war) ... gestützt hätte“. Das
Mehrheitswahlrecht reiche nicht aus, „die Regierbarkeit zu garantieren“,
belehrte er den Forzachef. Mehrheit und Opposition müssten sich gegenseitig
anerkennen. [200]
Einen beschämenden Höhepunkt erlebte die
Klassenzusammenarbeit mit dem Kapital auf dem Parteitag im Januar 2001, den die
DS-Führung in die traditionsreiche Industrie- und Arbeitermetropole nach Turin,
dem Sitz des FIAT-Konzerns, einberufen hatte. Genossen der Basis waren
fassungslos, als sie während der Eröffnungszeremonie auf den Monitoren im
Kongressgebäude ihren Sekretär Walter Veltroni und Massimo D’Alema, zu dieser
Zeit noch Premier, auf der Tribüne nacheinander mit Gianni Agnelli, dem
Besitzer des mächtigen FIAT-Imperiums, als Ehrengast in herzlicher Umarmung sahen. Die DS-Führung wollte FIAT Dankbarkeit und
Zuverlässigkeit in einem demonstrieren. Denn Agnelli hatte zu den 96er Wahlen
offiziell eine Regierungskoalition mit den neuen Sozialdemokraten bevorzugt.
Der für seinen politischen Pragmatismus bekannte FIAT-Besitzer, der bereits zu
Berlinguers Zeiten dessen Historischen Kompromiss mit Moro toleriert hatte, war
der Meinung gewesen, dass die Linksdemokraten den Widerstand der Arbeiter gegen
den rigorosen Sozialabbau am besten abblocken könnten. Auf Agnelli war allerdings
kein Verlass. Als es vor den Wahlen im Mai 2001 darum ging, einen Sieg der
Berlusconi-Koalition zu verhindern, schlug er sich auf die Seite seines
Klassen-kompagnons, was neben der Unterstützung durch den Vatikan einen
entscheidenden Ausschlag dafür gab, dass eine profaschistische Regierung erneut
die Interessen-vertretung des Kapitals übernehmen konnte. [201]
Nur etwa 300.000 frühere Kommunisten
gehörten in Pesara noch in der DS an,
bei der 650 000 Mitglieder
eingeschrieben waren.[202] Das Wählerpotential, das in der IKP Mitte der 70er Jahre über 34 Prozent
betrug, auf dem Weg des Reformismus bis zur Umwandlung bereits auf 26,6 Prozent
schrumpfte, hatte die DS bei den Wahlen 2001 auf 16 Prozent heruntergewirtschaftet.
Eine deutlichere Absage konnte es von
der Wählerbasis aus kaum geben.
Rechtspolitik und Sozialabbau, welche die
DS-Führung während ihrer Regierungszeit von 1996-2001 betrieb und die Teilnahme
an der NATO-Aggression gegen Jugoslawien bildeten die Eckpfeiler des
politischen Niederganges, der zur Wahlniederlage führte. Danach an der Basis
und bei einigen führenden Funktionären, unter ihnen Achille Occhetto,
einsetzende Kritik und die Forderung,
den Rechtskurs zu beenden, fanden an der
Parteispitze kein Gehör. Obwohl unter den Parteien der linken Mitte stärkste
Parlamentsfraktion, verzichtete sie darauf den Oppositionsführer zu stellen und
überließ diese entscheidende Position dem Zentrumsmann Francesco Ruttelli.[203] Den von der PRC vorgeschlagenen Dialog zur
Herstellung eines alternativen linken Bündnisses lehnten sie ab. Von den machtvollen Kampfaktionen der Anti-Global-Bewegung in
Genua und danach, so auch dem ESF in Florenz, hielt die DS-Führung sich fern
und beteiligte sich auch nicht an den Aktivitäten, diese verschiedenartigen
Kräfte zu weiteren antiimperia-listischen Aktionen zusammenzuführen.
Vor diesem Hintergrund kam es in Pesara zu heftigen Auseinandersetzungen, die eine gespaltene Partei zeigten, die mit einer linken Ausrichtung nichts mehr gemein hat, wie mehrere Diskussionsredner betonten. Eine Einschätzung der faschistischen Züge der Regierung, die offen während der blutigen Polizeiorgien in Genua zum Ausdruck kamen, blieb ebenso aus wie eine Beratung des Vorgehens gegen den Demokratie- und Sozialabbau, oder eine klare Absage an den von Berlusconi offen unterstützten weltweit eingeleiteten Aggressionskurs der Bush-Administration. Unter dem Slogan von einer „Reformlinken“ im Rahmen eines „europäischen Sozialismus“ kreierte D´Alema eine Neuauflage seiner alten Idee von der Schaffung einer „Europäischen Sozialdemokratie“, für die Schröders SPD und Blairs Labourparty Pate stehen sollen.
Die Parteilinke kritisierte zwar diesen
Zustand, sprach sich für eine entschiedene Opposition, für ein Zusammengehen
mit der Anti-Globalisierungs-Bewegung aus und zeigte sich skeptisch gegenüber
dem „Modell einer europäischen Sozialdemokratie“, war jedoch nicht in der Lage, einen
konzeptionellen Ausweg aufzuzeigen. Vor allem fehlte es ihr an Geschlossenheit,
um ihrer Kritik Nachdruck zu verleihen. Große
Hoffnungen hatte die Parteilinke auf Giovanni Berlinguer, den Bruder Enrico Berlinguers, gesetzt. Die
Erwartungen der Basis, er werde ihr
Einfluss auf die Führung verschaffen und
eine „Wende nach links“ einleiten, wurden jedoch enttäuscht. Berlinguer warnte vor Spaltungen und wandte sich gegen
Forderungen nach einer organisatorischen Formierung der Linken im Rahmen der
Partei. Als er bei der Wahl des Sekretärs gegen den Favoriten der Führung Piero
Fassino antrat, stimmten nur 34,1 Prozent der Delegierten für ihn, während
dieser auf 61,8 kam. Als Vorsitzender wurde der zum äußersten rechten Flügel
zählende D´Alema, der die Partei mit straffer Hand dirigiert, mit knapp 64
Prozent im Amt bestätigt.
Gegen den Demokratie- und Sozialabbau der
profaschistischen Regierung Berlusconi formiert sich seit Beginn 2002 zunehmend ein von den
Arbeitern getragener Widerstand, mit dem sich Wissenschaftler der
verschiedensten Disziplinen, Juristen, Schriftsteller und Künstler, Schüler und
Studenten, Lehrer der allgemeinbildenden und Hochschulen solidarisieren. Einen
nachhaltigen Anstoß gab der Autor und Theaterregisseur, Nobelpreisträger Dario
Fo, der im Januar 2002 in einem stark beachteten Vortrag vor dem College
International de Philosophie in Paris vor einer „Etablierung des Faschismus“
warnte“ und an die Lehren der Resistenza erinnernd zur antifaschistischen
Aktionseinheit mahnte.[204] Die Liberazione appellierte, eine Neuauflage der „Strategie
der P2“, zu deren Mitgliedern Berlusconi
gehörte, und der „faschistischen Massaker“ der Spannungsstrategie nicht zu
unterschätzen und dieser Gefahr entschlossen entgegenzutreten.[205] Umberto Eco sieht im Regierungskurs
Berlusconis ein Erbe des „übelsten Faschismus“ des Landes. Er und international
bekannte Schriftsteller wie Andrea Camilleri, Vincenzo Consolo und Antonio
Tabucchi protestierten öffentlich gegen Berlusconi. Rund 200 bekannte
Intellektuelle unterschrieben einen von Gian Maria Anselmi und Alberto Asor
Rosa initiierten Appell zur Verteidigung der grundlegenden demokratischen
Freiheiten und des zivilen Lebens.[206] Der Verfassung verpflichtete Juristen wehren
sich gegen ihre Unterordnung unter die Exekutive und weisen die
antikommunistische Hetze, mit der sie
als „rote Richter, welche die Regierung stürzen wollen“ diffamiert
werden, entschieden zurück. Der für sein antifaschistisches Enga-gement
bekannte Mailänder Generalstaatsanwalt Gerard D´Ambrosio appellierte, den
verfassungsfeindlichen Machenschaften Berlusconis entgegenzutreten, sonst werde
„die Demokratie im Dunkel der Nacht versinken“.
Nach einer Drei-Millionen-Demonstration am
26. März 2002 in Rom waren zwei Generalstreiks im März und Oktober eine
unüberhörbare Kampfansage. Das rückte vor allem deshalb landesweit in den
Blickpunkt, weil im Dezember 1994 durch einen Generalstreik die erste
Berlusconi-Regierung zu Fall gebracht worden war. Mit rund 60.000 Teilnehmern
und annähernd einer Million Demonstranten erreichte der Widerstand mit dem
Europäischen Sozialforum im November 2002 in Florenz einen neuen Höhepunkt. Das
Forum zeigte die reale Möglichkeit,
einen breite Volksschichten erfassenden Widerstand gegen die vom
Imperialismus ausgehende Kriegsgefahr
und die Verteidigung der wie noch nie in der Nachkriegsgeschichte bedrohten
sozialen Errungenschaften und bürgerlich-demokratischen Freiheiten in
europäischen ja weltweiten Dimensionen zu organisieren. In Italien stellte das
ESF eine empfindliche Niederlage für Berlusconi dar, da dessen erneute
Versuche, das Forum im Vorfeld zu kriminalisieren, es mit terroristischen
Erscheinungen vom Typ Al Quaida oder sogenannter neuer „Roter Brigaden“ auf
eine Stufe zu stellen und es so zu verhindern, scheiterten. [207] Auf Massendemonstrationen in ganz Italien mit
Hunderttausenden Teilnehmern ertönte am 25. April 2003, dem 58. Jahrestag der
Befreiung vom Faschismus, wie bereits im Vorjahr unüberhörbar das alte
Partisanenlied „Bella Ciao“ als Symbol eines
neuen antifaschistischen Widerstandes.
Das Potential, die Berlusconi-Regierung wie 1994
zu Fall zu bringen, ist folglich vorhanden. Auf der Tagesordnung stehen die
Fragen nach der Führung und Organisation des Kampfes. Berlusconis rechtsextreme
Politik zu stoppen, wird vor allem davon abhängen, ob es gelingt, ein
gemeinsames Handeln von Kommunisten und Links-demokraten auf der Grundlage
einer klaren Haltung zur Verteidigung der demokratischen und Arbeiterrechte
sowie des entschiedenen Kampfes gegen Rassismus und schleichende Faschisierung
zu Stande zu bringen. Die einzige Kraft, die dazu ausgehend von den Interessen
der Arbeiterklasse die Richtung des Kampfes weisen kann, ist die PCR. Sie
setzte dazu auf ihrem 5. Parteitag
im April 2002 richtige Akzente. Sie appellierte an die DS, eine
Allianz von Kommunisten und Linksdemokraten zu bilden, um auf dieser Grundlage
eine neue Aktionseinheit einer „pluralistischen alternativen Linken“
herzustellen, um so schließlich zu einem erneuerten Mitte-Links-Bündnis mit
einer klaren Opposition gegen Berlusconi zu kommen.[208] Bei den Provinz-, Städte- und Gemeindewahlen
kam es darauf hin im Mai vielerorts zu
Wahlabsprachen zwischen der PRC und den anderen Oppositionsparteien, was ermöglichte, der Berlusconi-Koalition eine
empfindliche Niederlage beizubringen.
Zum Parteitag der PRC sind jedoch auch die widersprüchlichen
Tendenzen einiger seiner Beschlüsse und die eingegangenen Kompromisse zu sehen,
die angesichts einer Bilanz erfolgreichen Kampfes geradezu paradox anmuten. Die
Partei steht in den antiimperialistischen
Klassenauseinandersetzungen gegen den rechtsextremen Regierungskurs und bei der
Formierung des Widerstandes dagegen als Initiator der meisten Kampfaktionen in
der ersten Reihe. Beim überwiegenden Teil der Hunderttausende aktive Anhänger zählenden Anti-Globalisierungsbewegung
ist sie als Partner mit hoher Kompetenz und großem Einfluss in der Gesellschaft
anerkannt. Ihre enorme Mobilisierungskraft zeigte sich bei den Generalstreiks,
die in erster Linie das Verdienst ihrer Basisarbeit - vor allem auch in den
Gewerkschaften - waren. Sie ist so gesehen auf gutem Weg, die Spitze der
Massenbewegung zu übernehmen. Das erfordert bekanntlich auf der Grundlage der
Lehren unserer Klassiker und der
Erfahrungen solch hervorragender italienischer Revolutionäre wie Antonio
Gramsci, Palmiro Togliatti und Luigi Longo der Arbeiterklasse das für den
revolutionären Kampf erforderliche sozialistische Bewusstsein zu vermitteln.
Anders ausgedrückt, die Einheit zwischen Theorie und Bewegung herzustellen. Das
schließt ein, sich ständig mit der bürgerlichen Ideologie auseinander zu
setzen.
Genau hier hat die PRC nun in entscheidenden
Punkten revisionistischem Einfluss nachgegeben, was sich in der Substanz darin zeigt, dass nicht nur
Lenin, sondern auch Marx und selbst Gramsci
nur noch im historischen Kontext und unter bestimmten Gesichtspunkten
erwähnt wurden. Darunter fällt die Leninsche Imperialismus-Analyse, die als
„unangemessen zur Interpretation der Herrschaftsform des neuen Kapitalismus“
gesehen wird. Besonders der Verzicht auf
die führende Rolle der Partei und damit die Negierung der Bedeutung Gramcis als
Theoretiker der Hegemonie der Arbeiterklasse stieß auf den erbitterten
Widerstand dieser als „Wende nach links“ ausgegebenen Rechtsschwenkung. Hinzu
kam die Übernahme des bürgerlichen Terminus „Stalinismus“, mit dem das
sozialistische Gesellschaftsmodell in der UdSSR etikettiert wird.
Ohne diese „Öffnung“, so die Argumente der
Revisionisten, wäre es der PRC nicht möglich, in der „Bewegung“ (worunter die
Globalisierungsgegner, auch „Bewegung der Bewegungen“ genannt, verstanden
werden) anerkannt und in ihr aktiv zu
sein. Die Führerrolle wird der „Bewegung“ zugeschrieben, in der die PRC
„Gleiche unter Gleichen“ sein will. Auch Aktionseinheit und Mitte-Links-Bündniss erforderten diesen
Schritt. Dass der revisionistische Einbruch auch in anderen theoretischen
Fragen zu Verwässerung und Verschwommenheit führt, kann hier nur am Rande
erwähnt werden. So wird es für möglich gehalten, dass aus der „Bewegung“ eine
neue Arbeiterbewegung hervorgehen könne, an anderer Stelle aber eingeräumt,
dass sie „keine ausgesprochen antikapitalistische Bewegung ist oder noch nicht
ist, es aber werden kann“. Negiert wird im Prinzip der Grundwiderspruch von Arbeit und Kapital,
was zur Einschätzung einer „unipolaren Welt“ führt. Von der besonderen
Empfänglichkeit dieser heterogenen Bewegung für den Einfluss der bürgerlichen
Ideologie war keine Rede.[209]
Diesen Kurs vertrat auch die trotzkistische
sogenannte Minderheitsgruppe, die sich nach der PRC-Gründung unter dem Mitglied
des Politischen Komittes Livio Maitan
formierte. Die Gruppe ist Mitglied der IV. Internationale, Maitan, Mitglied
ihrer Leitung. Die revisionistischen Zugeständnisse wertete er in der Zeitung
der trotzkistischen Internationale Interprekorr als „Linksschwenk“. Im Politischen
Komitee belegte die Gruppe in der Vergangenheit zwischen 13 und 15 Prozent der
Sitze. [210]
Am Beispiel des opportunistischen Einbruchs
auf dem 5. PRC-Parteitag wird ein weiteres mal deutlich, zu welch
verhängnisvollen Folgen eine fehlende Auseinandersetzung mit den Revisionismus
in der Regel führt. Die im Dezember 1991 nach der Umwandlung der IKP in eine
Partei sozialdemokratischen Typs (die heutige DS) entstandene PRC sollte eine
Neugründung und ein Bruch mit dem Opportunismus sein. Aber die Auseinandersetzung
darüber wurde verschleppt. Zwei reformistische Abspaltungen hätten Warnung sein
müssen. Die Furcht vor einer neuen Spaltung, welche die Partei zur „Ohmacht“
verurteilt hätte (Bertinotti) bewirkte jetzt, dass die revisionistiche Strömung
sich in wichtigen Fragen durchsetzen konnte.
Die Leninistische Strömung, zu welcher der
international bekannte Marxist Domenico Losurdo gehört, hat „strategischen Dissens“ angekündigt. Bei
ihren Anträgen erreichte sie zwischen 27 und 40 Prozent. Sie
gibt das Monatsbulletin Aginform heraus und will in der Tradition
Gramscis als Sammelpunkt eine kommunistische Zeitung schaffen.[211] Auch die von Anhängern der Leninistischen
Strömung herausgegebene Rivista Comunista Ernesto[212] setzt sich mit dem Revisionismus in der PRC
auseinander. Dass es gelang, die Umbenennung der PRC und die Beseitigung des
Parteisymbols mit Hammer und Sichel zu verhindern, stellt zweifelsohne einen
Erfolg der leninistischen Strömung dar.
Des weiteren, dass in den „Politischen Thesen“ des Parteitages festgeschriebene Bekenntnis zur „kommunistischen Identität“. Dass die Frage „der Umwandlung“
für „offen“ erklärt wurde, kann als ein Ausdruck, dass die Revisionisten ihre
Ziele nur teilweise durchsetzen konnten, gesehen werden. Auch wenn sich darin
wie in anderen Fragen, so der Bekräftigung der Kontinuität des Kampfes der
Partei, Kompromisscharakter und Zweideutigkeit ausdrücken, kann das eine
Grundlage bilden, den revisionistischen Einfluss aufzuhalten, zurückzudrängen
und schließlich zu überwinden. Dabei setzt der linke Flügel der PRC auch auf
das revolutionäre Aktionsprogramm dessen Verwirklichung ermöglichen könnte, zu
den Lehren der Klassiker zurückehren.
In dem Aktionsprogramm steht auf
internationaler Ebene der Widerstand gegen die von Bush und den USA angeführte
Kriegs- und Expansionspolitik im Vordergrund. Weitere Eckpunkte sind
Antikapitalismus, das Betonen des revolutionären Charakters gesellschaftlicher
Umwandlungsprozesse und der Rolle des Klassenkampfes, ein Bekenntnis zur
sozialistischen Perspektive und zur internationalen Solidarität mit den
Befreiungskämpfen in der Dritten Welt, darunter dem Kampf des palästinensischen
Volkes. Die PRC erklärt als ihr wichtigstes Ziel, „kommunistische Massenpartei“
zu werden.
Widersprüchlich ist die Haltung Bertinottis,
der von Kennern der deutschen Arbeiterbewegung gern mit August Bebel verglichen
wird. Er soll gegen die Umbenennung der Partei und die Beseitigung der
Parteisymbole aufgetreten sein, weiter gehende Kompromisse hin zu
revisionistischen Positionen abgelehnt, die sozialistische Perspektive auf
Klassenkampfpositionen vertreten und das Bekenntnis zur „kommunistischen
Identität“ durchgesetzt haben, zu der er betonte, „eine große Idee stirbt
nicht“.[213] Er wurde mit 87 Prozent als Sekretär
wiedergewählt.
Angesichts des von den Arbeitern ausgehenden wachsenden Widerstandes gegen die rechtsextreme Berlusconi-Regierung setzen liberale Kapitalkreise um den FIAT-Clan erneut auf eine Klassenzusammenarbeit mit den Linksdemokraten.
Die Agnellis[214] gehen dabei von folgenden Gesichtspunkten aus:
Sie hoffen, ihr Imperium, den noch immer größten Industrie- und Rüstungskonzern
des Landes, besser aus der Auto-Krise herausführen zu können,[215] durch eine Erneuerung der Zusammenarbeit mit
der DS-Führung und der linken Mitte eine neue Aktionseinheit zu verhindern und
schließlich im Konkurrenzkampf mit Berlusconi die eigene Position zu stärken
und wieder die Führerschaft im Unternehmerlager zu übernehmen oder zumindest
daran entscheidend beteiligt zu werden. [216]
Die DS steht vor der Aufgabe, sorgfältig
abzuwägen, ob und wie bestimmte Widersprüche zwischen den verschiedenen Gruppen
der Großbourgeoisie für den Kampf gegen Berlusconi genutzt werden können.
Keinesfalls kann es darum gehen, sich vor den Karren des Agnelli-Clans spannen
zu lassen und, wie es nach dem Wahlsieg von 1996 der Fall war, die auf den auf
den Reformismus setzende Expansionspolitik des Kriegsproduzenten FIAT mit zu
machen und den Sozialabbau des liberalen Flügels der Großbourgeoisie mit zu
tragen. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch die eingetretenen Rückschläge zu
sehen. Das Projekt einer neuen Aktionseinheit mit den Linksdemokraten und einer
Erneuerung der linken Mitte stagniert, weil die Partner der PRC den Einflüsterungen der liberalen
Kapitalkreise erlagen, sich nicht mit den Kommunisten einzulassen, wofür ihnen
bei den Wahlen 2006 entsprechende Protektion versprochen wird. Die DS-Führung
sprach sich danach gegen den zweiten Generalstreik aus, beteiligte sich auch nicht am ESF in Florenz. Die
oppositionellen Zentrumsparteien, an ihrer Spitze die Demokraten Roman Prodis,
warten auf die Rückkehr ihres
Parteichefs aus Brüssel, um mit ihm, der 1996 die profaschistische
Koalition geschlagen hat, als
Premiers-Kandidat erneut in den Wahlkampf zu ziehen. Im Schlepptau der
Linksdemokraten kapitulierten die DS- bzw. katholisch beeinflussten
Gewerkschaften CISL und UIL, sabotierten die einheitliche Kampffront der
Gewerkschaften und schlossen mit Berlusconi einen „Pakt für Italien“ getauften
neuen Sozialpakt, in dem sie sich zu Verhandlungen über eine „Reform des Arbeitsmarktes“ bereit
erklärten.[217] Gegen den opportunistischen Kurs ihrer Führung
nahmen jedoch über 80 Prozent der zusammen etwa drei Millionen Mitglieder
zählenden CISL und UIL am Generalstreik teil.
An der DS-Basis regt sich Widerstand gegen
den Aktionseinheitsfeindlichen Kurs der
Parteiführung, verbunden mit Rücktrittsforderungen an DS-Chef Pier Fassino. Die
Parteiopposition führt der bisherige CGIL-Sekretär Sergio Cofferati an, der als
der „ neue Mann“ an der DS-Spitze gesehen wird.[218] Noch ist der Ausgang offen. Das Anwachsen des
Widerstands zeigt jedoch, dass die Pläne der profaschistischen Regierung zum
Scheitern gebracht und schließlich wie
bereits 1994 ihr Sturz möglich ist, wenn Lehren aus der Vergangenheit gezogen,
Aktionseinheit und einheitliches Handeln der Mitte-Links-Opposition zu Stande
gebracht werden.
Obwohl die opportunistischen Erscheinungen in
der SED nicht jene erschreckenden Ausmaße wie in der KPdSU angenommen hatten,
liegen in ihrem Umsichgreifen auch in der DDR wesentliche Wurzeln für
theoretische Deformationen und daraus folgende Irrwege in der politischen Praxis,
für bürgerliche Entartung, die geradezu naive Unterschätzung der Möglichkeiten
des Klassengegners und den Verlust der Verbindung zu den Volksmassen (um nur
einige der gravierendsten Defekte zu benennen), die in der Stunde des
Existenzkampfes 1989/90 zur Handlungsunfähigkeit der Partei und zum Fehlen
intakter revolutionärer Kader führten. Es wurde das zugelassen, wovor Lenin
seit dem Erscheinen von „Was tun“ im Jahre 1902 immer wieder gewarnt hatte: Ein
„Mittelding“ zwischen bürgerlicher und sozialistischer Ideologie, das es nicht
gibt, so wie es „niemals eine außerhalb der Klassen und über den Klassen
stehende Ideologie geben kann“. Bis hin zur Anerkennung eines „friedensfähigen
Imperialismus“ und der Bejahung des „Vorrangs von allgemeinen Menschheitsproblemen
gegenüber Klassenfragen“ wurde eine Herabminderung der sozialistischen
Ideologie zugelassen und Lenins Hinweis missachtet, dass „jedes Abschwenken von
ihr zugleich eine Stärkung der bürgerlichen Ideologie“ bedeutet.[220] In dieser Situation konnte die kleinbürgerlich-populistische
Gruppierung mit Gregor Gysi an der Spitze im Herbst 1989 durch einen
Parteiputsch die Führung der SED an sich
reißen, was zu einem maßgeblichen Faktor des leichten Sieges der
zunächst „friedliche Revolution“ gepriesenen Konterrevolution wurde. Nach einem
Besuch bei Gorbatschow in Moskau führte den zum PDS-Chef gekürten Gysi die nächste Auslandsreise nach Rom, wo er im Januar 1990 mit dem
Noch-IKP-Generalsekretär Achille Occhetto zusammentraf, um dessen
Erfahrungen bei der Vorbereitung
der „Heimkehr zur Sozialdemokratie“ für
die Umwandlung der SED in eine gleich geartete Partei zu studieren. Gysi traf auch mit ISP-Chef
Bettino Craxi, der bereits 1978 in seiner Partei die Anerkennung des
kapitalistischen Systems durchgesetzt hatte, zu einem Gedankenaustausch
zusammen. [221] Gegen Craxi liefen bereits zu dieser Zeit
staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, die ab 1994 wegen Korruption, Hehlerei,
Bestechung, illegaler Parteifinanzierung, Führung schwarzer Konten und diverser
andere schwerwiegender Vergehen zu seiner Verurteilung zu 26 Jahren Gefängnis
führten.[222]
Die italienischen Linksdemokraten blieben das
große Leitbild der PDS, wenn sie deren rasanter Entwicklung zu einer
sozialliberalen Partei der Mitte, von der sicher der kommende Sonderparteitag
ein weiteres Zeugnis ablegen wird, auch noch
hinterher hinkt. Der Ex-Kommunist und PDS-Vize Wolfgang Gehrcke forderte
bereits 1999 eine „Parteireform“, um die PDS ganz nach italienischem Vorbild in
eine „Neue Linke“ umzugestalten. Gehrcke plädierte für eine
Regierungsbeteiligung der PDS und versprach Unterstützung der Linie Schröders
beim „Umbau der Verfügungsverhältnisse“ und der „Neulegitimierung des
Sozialstaates“, die geradlinig in die heutige Agenda 2010 des Kanzlers mündete.[223] Mit ihrem revisionistischen Kurs hat die PDS
im Herbst 2002 ihre parlamentarische Vertretung im Bundestag verspielt. Die in
der PDS bestehende Kommunistische Plattform konnte diesen Prozess der
Sozialdemokratisierung der Partei verlangsamen aber letzten Endes nicht
aufhalten. Zur Problematik der KPF schätzte Frank Flegel ein: „Die Absicht, die
Gesamtpartei vor dem völligen reformistischen Absturz zu bewahren, ist
sicherlich ehrenhaft und nachvollziehbar. Man darf jedoch nie außer Acht
lassen, dass man als antikapitalistische Fraktion in einer solchen Partei dabei
ständig in Gefahr ist, eine revisionistische und reformistische Partei, die im
Ernstfall immer umfallen und ihr eigenes Programm, ihre Wähler und ihre
Mitglieder verraten wird, mit der Weihe der unbeugsamen Systemopposition zu
umgeben, dass man also ständig in Gefahr ist, das linke Feigeblatt für rechte
Politik zu spielen.“[224] Die KPF steht somit vor der Frage, ihr
weiteres Vorgehen, zugespitzt, ihr Verbleiben in der PDS, zu überprüfen und
über ihren weiteren Weg und vor allem darüber zu entscheiden, welchen Beitrag
sie zum Zusammenwirken kommunistischer und sozialistischer Kräfte auf
marxistischen Positionen leisten will.[225]
Bleibt zu fragen, wie die DKP sich mit opportunistischen
Erscheinungen auseinandersetzt und der Aufgabe gerecht wird, die 40jährige
Existenz der DDR zu werten, sie in den Geschichtsprozess einzuordnen, die
Ursachen ihrer Niederlage zu analysieren, ihre Erfahrungen darzulegen, um auf
dieser Grundlage die Kräfte für einen neuen sozialistischen Anlauf zu
formieren.
Die DKP betrat 12 Jahre nach dem 1956
widerrechtlich ausgesprochenen Verbot der KPD durch das
Bundesverfassungsgericht als legale kommunistische Partei die politische Bühne.
Trotz aller Rückschläge und Konflikte, denen sie ausgesetzt war, hat sie
seitdem Wichtiges geleistet und große Zeiten, aber auch die gemeinsame
Niederlage aller deutschen Kommunisten 1989/90 erlebt. An ihrer Spitze standen
im Laufe der Jahre verdienstvolle Arbeiterführer wie der Ehrenvorsitzende Max
Reimann, Kurt Bachmann und Herbert Mies. Die Zerschlagung der DDR
warf auch die DKP weit zurück. Bereits vorher wurde sie durch den
revisionistischen Einfluss Gorbatschows und dessen Widerhall bei Teilen der
Parteiführung und der Mitglieder erheblich geschwächt, zahlenmäßig dezimiert
und verlor neben ihrer materiellen Basis (Apparat, Tageszeitung, Verlage,
Druckerein, Gebäude usw.) fast ihr gesamtes theoretisches Potential
(Frankfurter Institut u. a.).[226] Mit nur einer Stimme Mehrheit wurde auf dem
Bonner Parteitag 1990 die von Gysi initierte und der revisionistischen
Gehrcke-Gruppierung betriebene Auflösung der DKP verhindert. Bereits vorher vorhandene
subjektive Führungsschwächen traten unter dem wachsenden enormen imperialistischen
Druck in den folgenden Jahren noch stärker hervor. Wenn Gossweiler schreibt,
dass in Situationen zugespitzter Klassenkonfrontation versucht wird,
notwendigen Auseinandersetzungen auszuweichen, was in aller Regel mit
Niederlagen bezahlt werden muss, dann dürfte das ziemlich exakt viele der von
einer knappen Mehrheit der DKP-Führung bezogenen Positionen treffen.[227] Charakteristisch ist, dass die DKP seit 1978 -
außer den Thesen zur programmatischen Orientierung vom Januar 1993 - kein
aktualisiertes Parteiprogramm zustande gebracht hat. In den letzten Jahren
wurde mehr und mehr sichtbar, dass rechte Kräfte in der Führung Einfluss
erlangten und in wichtigen Fragen die Politik bestimmen. Die von diesen
Genossen in bestimmten Fragen vertretenen revisionistischen Positionen konnten
auf dem 16. Parteitag im November/Dezember 2002 vorerst aufgehalten und
teilweise zurückgewiesen werden.
Für diesen Kongress hatten der Vorsitzende
der DKP, Heinz Stehr, und seine Stellvertreterin Nina Hager[228] einen Programmentwurf vorgelegt.[229] Es ist ein in wichtigen Punkten kämpferisches
Aktionsprogramm. Es prangert den Demokratie- und Sozialabbau und die
Kriegspolitik des deutschen Imperialismus an, befasst sich mit neuen
Ausbeutungsmechanismen des Kapitals, spricht sich für eine Aktionseinheit der
Arbeiterklasse aus, bekundet antiimperialistische Solidarität mit den
Befreiungs-bewegungen und der Völker für ihre Unabhängigkeit,[230] orientiert auf Frauen, Jugend sowie für antifaschistische, Antkriegs- und
demokratische Bündnisse zu gewinnende Schichten, und bekennt sich verbal zu
einer sozialistischen Perspektive der Gesellschaft. Dennoch zeigen sich, wenn
man von den Grundsätzen des wissenschaftlichen Sozialismus ausgehend die
Maßstäbe eines kommunistischen Parteiprogramms anlegt, bedenkliche
revisionistische Ansichten. Hier kann nur auf einige wesentlichste Aspekte eingegangen: [231]
Nach den Vorstellungen von Stehr und Hager
geht es der DKP nicht mehr darum, den von Marx, Engels und Lenin
ausgearbeiteten bzw. weiterentwickelten wissenschaftlichen Sozialismus gegen
seine bürgerlichen Feinde zu verteidigen, ihre Ideologie zu bekämpfen, sondern
die Partei soll „den Wettstreit mit anderen politischen Kräften (welchen?) um
die besten politischen Ideen und Initiativen“ führen.[232] Da werden exakt die Lehren aus der letzten
Etappe der SED (etwa ab 1985) negiert und eine wesentliche Ursache der
Niederlage missachtet, die sich daraus ergab, dass die KP der DDR sich auf den
„Wettstreit der Ideologien“ einließ, womit den „Reformern“ de facto das Feld überlassen
wurde. Ganz nebenbei werden im Entwurf von Stehr/Hager dann Marx, Engels und
Lenin in eine Reihe neben „andere marxistische Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler“ gestellt. Die von ihnen vollbrachte Leistung, die Erarbeitung
der wissenschaftlichen Weltanschauung der Arbeiterklasse, wird darauf
reduziert, dass von ihnen „deren Fundamente im Wesentlichen ... erarbeitet
wurden.“ Damit wird auch die bereits
vorher von gewissen Genossen praktizierte Ablehnung des Begriffs des Leninismus
bekräftigt. Bei dieser „Aufweichung der Begriffe“, wie Hans Heinz Holz es
nennt, geht es um prinzipielle Inhalte. „Dieter Itzerott schreibt: „Er ist eine
Epochekategorie, und es gibt durchaus einen wesentlichen Unterschied zu der
gegenwärtig in der Partei gebräuchlichen Formulierung. Lenin ist nicht ein
marxistischer Theoretiker unter anderen. Er hat mit seinem Gesamtwerk den
Marxismus weiterentwickelt und in die Praxis umgesetzt. Seine meisterhafte
Analyse des Imperialismus, die durch ihn erarbeiteten theoretischen Grundlagen
der Strategie und Taktik der kommunistischen Bewegung unter neuen Bedingungen,
seine Arbeiten zum Charakter einer kommunistischen Partei in dieser Epoche
sowie seine geniale Rolle in der Oktoberrevolution und beim Aufbau des
Sozialismus berechtigen uns dazu, vom Leninismus zu sprechen. Das ist
keineswegs eine Herabminderung der Leistungen anderer hervorragender Köpfe des
Marxismus.“[233]
Der „künftige Sozialismus“ soll laut
Stehr/Hager „in der Zusammenarbeit unterschiedlicher gesellschaftlicher Kräfte
(erneute Frage, welcher?) geformt werden. Die Arbeiterklasse muss und wird
dabei die entscheidende Kraft sein“. Mit der etwas verschwommenen Formulierung
wird - wie schon beim „Wettstreit ... um die besten politischen Ideen“ ein
Bekenntnis zur führenden Rolle der Partei negiert. Einen, wie Norbert Pauligk
schrieb, zumindest Teilabschied vom wissenschaftlichen Sozialismus gibt es auch
bei den „Überlegungen über eine mögliche gesellschaftliche Alternative“. Die
Klassiker haben die historische Notwendigkeit des Sozialismus bewiesen und ihn
nicht als eine „mögliche Alternative“ gesehen. Zum Staat im Sozialismus heißt
es, „an die Stelle des kapitalistischen Staates bzw. supranationaler Strukturen
tritt eine neue Form staatlicher Organisation, wobei heute offen ist, wie diese
aussehen wird.“ Damit wird die Staatstheorie von Marx und Lenin ad acta gelegt.
Der kapitalistische Staat soll nicht durch die Herrschaft der Arbeiterklasse
ersetzt werden, sondern durch eine unbekannte „neue Form“. In diesem Kontext
ist auch die nebelhafte Formulierung zu sehen, die in Rechnung stellt, dass die
Monopolbourgeoisie, wenn sie ihre Macht bedroht sieht, zu Faschismus und
Bürgerkrieg greift, es daran anschließend aber heißt: „Im harten Kampf muss ihr
unvermeidlicher Widerstand überwunden und ein solches Übergewicht der zum
Sozialismus strebenden Kräfte erreicht werden, das es ermöglicht, die Reaktion
an der Anwendung blutiger konterrevolutionärer Gewalt zu hindern und den für
das arbeitende Volk günstigsten Weg zum Sozialismus durchzusetzen.“ Die Frage
wie bleibt unbeantwortet.
Norbert Pauligk fragte zu Recht, ob das Dokument nicht „eine zu große Scheu vor der
proletarischen Revolution und kleinbürgerliche Angst vor der Übernahme der
Avantgarderolle im Klassenkampf offenbart, die natürlich niemanden automatisch
zufällt, sondern in der Tat täglich neu errungen und verteidigt werden“ müsse.
„Keimt hier der parlamentarische Weg über ‚Mehrheiten’ zum Sozialismus neu auf? Die sozialistische
Revolution ist eine weltgeschichtliche Veränderung, die bei aller historischen
Gesetzmäßigkeit nicht dem Selbstlauf überlassen bleiben darf. Auch wenn die
kommunistische Partei keinen Führungsanspruch a priori besitzt, darf sie die
Arbeiterklasse nicht dem ‚freien Spiel der Kräfte’ ausliefern. Denn nur sie
verfügt mit dem wissenschaftlichen Sozialismus über einen verlässlichen
Kompass.“ Und der Kampf um die führende Rolle der Partei
beginnt damit, dass sie vom Marxismus-Leninismus ausgehend die strategische
Orientierung für den Kampf und das Ziel in den jeweiligen Etappen aufzeigt.
Vergeblich sucht man in dem Dokument auch
eine marxistische Wertung der Oktoberrevolution, mit der die neue Epoche
begann. Die sozialistische Revolution befreite anfangs 240 Millionen Menschen
vom Joch der kapitalistischen Ausbeutung. Mit dem Sieg volksdemokratischer
Umwälzungen in Ost- und Südosteuropa, mit dem Triumph der Revolutionen in China
und anderen asiatischen Ländern sowie in
Kuba siegten 1,5 Milliarden Menschen über das imperialistische Joch der
Unterdrückung. Dieser von der Oktoberrevolution eingeleitete gigantische
revolutionäre Weltprozess wird in wenigen Zeilen als ein gegebenes „Signal“
abgehandelt.
Seit 1989/90 lehnten gewisse Genossen in der
DKP die für die Annexion der DDR und die Zerschlagung ihres Gesellschaftssystems
durch den Imperialismus zutreffende Definition als Konterrevolution ab. Die
Benutzung des Terminus im Programmentwurf erweckt den Anschein, dass dieser
Standpunkt nun stillschweigend aufgegeben wird. Es bleibt abzuwarten, ob das
ohnehin rein formale Bekenntnis so bleibt. Denn eine theoretische Wertung der
Vorgänge steht weiterhin aus. Das hängt auch damit zusammen, dass man sich in
diesem Kontext selbstkritisch mit den eigenen zunächst erfolgten
Fehleinschätzungen der konterrevolutionären Vorgänge als „friedliche
Revolution“ und ihrer Ziele von einem angeblich „besseren Sozialismus“ befassen
müsste. Im Programmentwurf wurde denn auch weiter negiert, dass nicht nur ein
Teil der SED-Mitgliedschaft, vor allem Angehörige der Parteiintelligenz, auf
revisionistische Positionen überging, sondern auch Teile der DKP-Führung dem
opportunistischen Kurs Gorbatschows vom Neuen Denken, dem Vorrang allgemeiner
Menschheitsinteressen vor den
Klasseninteressen u. a., lebhaft begrüßten. Darunter fällt, dass bis heute eine
Einschätzung der Rolle des Verrats Gorbatschows, Jelzins, Schewardnadses,
Jakowlews u. a., der in der Preisgabe des Kernstücks der sozialistischen
Gemeinschaft und der Zerschlagung der Sowjetunion als der militärisch,
politisch und ökonomisch stärksten Macht dieses Weltsystems gipfelte, was 400
Millionen Menschen dem Imperialismus auslieferte, und seine Einordnung in den
Komplex der Konterrevolution fehlt.
Die Einschätzung der DDR wird in dem
Programmentwurf über weite Strecken von der bürgerlichen Ideologie und ihrer
Propaganda bestimmt. Im Vordergrund steht, was die Revolution nicht erreicht
hat, werden Fehler, Irrtümer, Unfähigkeit der Führung, d. h. subjektive
Schwächen ins Feld geführt, ohne die objektiven Bedingungen zu berücksichtigen.
Die von der Redaktion Offensiv, unterstützt vom RotFuchs, im
November 1999 in Berlin durchgeführte Konferenz „Über das revolutionäre Erbe
der DDR“ boykotierte der DKP-Vorstand.
Die von den Veranstaltern vorgelegte, bis dahin umfassendste Analyse
über die 40jährige Existenz der DDR, ihre herausragende Rolle in der
weltgeschichtlichen Auseinandersetzung mit dem Imperialismus und die Bedeutung
ihrer Ergebnisse, Lehren und Erfahrungen sowie der Ursachen der Niederlage,
darunter das Wirken des von der KPdSU ausgehenden Revisionismus, negierten
Parteivorstand und Unsere Zeit.[234]
Eine politische Instinktlosigkeit
ohnegleichen leistete man sich in der Zentrale in Essen bereits mit der
„Erklärung der DKP zu den 50. Jahrestagen der Gründung der BRD und der DDR“.
Dass hier der chronologischen Reihenfolge entsprechend die bereits im Mai 1949
vom bis dahin einheitlichen Nationalstaat abgespaltene BRD vor der als Antwort
darauf erfolgten Gründung der DDR genannt wurde, war noch das geringste Übel.
Aus verständlichen Platzgründen hier in Kürze das wichtigste zum
opportunistischen Pferdefuß, der sich im zweiten Teil über die DDR unverhüllt
zeigte. Dort kam man doch tatsächlich mit der Vermischung sozialistischer und
kapitalistischer Wesenzüge auf den „Dritten Weg“ zu sprechen. Da war von Fehlern der „beiden deutschen Teilstaaten“, die Rede, und
davon, dass bei der Annexion „die Bewahrung der besten Elemente beider Systeme
versäumt“ worden sei. Als ob der deutsche Imperialismus jemals über auch nur
ein gutes geschweige denn ein bestes Element verfügt hätte. Was dem Kapital in
den antifaschistischen, sozialen und politischen Klassenkämpfen abgerungen
wurde, sind Errungenschaften der Arbeiter und des Volkes und keine „besten
Elemente“ des imperialistischen Systems. Zwar war dann einmal von
„Zusammenbruch und Zerschlagung“ die Rede, aber an keiner Stelle wurde der in
der marxistischen Terminologie für solche Prozesse übliche und adäquate Begriff
der Konterrevolution gebraucht. Von der Vermengung der Klassenunterschiede in
beiden deutschen Staaten (für Stehr/Hager Teilstaaten) über ein Zugestehen von
gesellschaftlicher Solidarität an das imperialistische System der BRD bis
Reduzierung der DDR auf das Hinterlassen „einer
Spur“ war das Dokument voll von Entstellungen der historischen Realität.
Dieser „Spurensatz“ verdeutlichte das Fehlen des Bekenntnisses zur DDR - und
zwar ohne Wenn und Aber, was konkrete, berechtigte und beweisfähige Kritik
nicht ausschließt, sondern gerade zu zur Bedingung hat - als dem Besten, das es
jemals auf deutschem Boden gegeben hat. Dazu
haben sich die Genossinnen und Genossen aus KPD und DKP im Westen stets
mutig bekannt, haben dafür Verfolgung auf sich genommen und Verhöhnung
ertragen. Dieses vom Marx´schen
Bekenntnis zur Pariser Kommune ausgehende gleiche zur DDR verweigert die
DKP-Führung trotz anhaltender Kritik im
Parteivorstand und Bezirksvorständen sowie der Basis bis heute. Darin kommt in
besonderer Weise das opportunistische Zurückweichen rechter Kräfte vor dem
Druck des Klassengegners und der Übergang auf revisionistische Positionen zum
Ausdruck.
In recht euphorischer Weise sehen Stehr/Hager
in ihrem Programmentwurf die Demokratie in einer künftigen sozialistischen
Gesellschaft. Auf der Grundlage einer „tatsächlichen Volksherrschaft“ sollen
„gleiche Freiheiten und Rechte für alle Menschen (also auch für den
Klassenfeind?), umfassende Möglichkeiten für jeden Einzelnen, seine
Vorstellungen und Wünsche in die Gestaltung der Gesellschaft einzubringen“,
garantiert werden. Zwar wird dann verbal eingeschränkt, dass werde „eine Frage
der gesellschaftlichen Durchsetzungsmöglichkeiten sein und bleiben“, einen
Hinweis darauf, dass eine Diktatur der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten die
gestürzte Ausbeuter-klasse niederhalten muss, fehlt. Damit wird in verantwortungsloser
Weise eine gefährliche Illusion erweckt, beim nächsten Mal werde alles „völlig
demokratisch“ zugehen und auf jede Diktatur verzichtet.
Das regt an zu fragen, wie bestimmte Genossen
in der DKP-Führung andererseits die innerparteiliche Demokratie handhaben?
Werden da „allen“ Mitgliedern und Sympathisanten „gleiche Rechte“ gewährt?
Nehmen wir das im Statut festgeschriebene Recht auf Kritik. Kritische Geister
können ein Lied davon singen, dass entsprechende Leserbriefe überwiegend im
Papierkorb der UZ landen. Eine zeitlang brachte beispielsweise die Zeitschrift der DKP
Brandenburg, Der Rote Brandenburger, solche nicht veröffentlichten
Leserbriefe in der Spalte „Dem Papierkorb der UZ entrissen“. Es erwies
sich als ein hoffnungsloses Unterfangen, denn in der Hoffnungsstraße in Essen
ignorierten die Genossen, die das Sagen haben, das hartnäckig.
Als während der NATO-Aggression gegen
Jugoslawien die KP Frankreichs als Mitglied des von dem Sozialisten Jospin
angeführten Kriegskabinetts diese Politik mitmachte, fehlte in der UZ von
Anfang an eine entschiedene Auseinandersetzung mit diesen
sozialchauvinistischen Positionen. Zum skandalösen Eklat kam es auf dem
Pressefest der UZ 1999. Auf einem Forum „wie verhindert man Kriege - wie
macht man Frieden“, verteidigte der
KPF-Vertreter Dr. Alain Rouy nach scharfer Kritik an der Haltung seiner
Partei in der Aggressionfrage vollinhaltlich deren Position. Aus dem Forum
heraus wurde die Kritik verstärkt und von Rouy eine Stellungnahme zum Verbleib
der KPF-Minister im Kriegskabinett verlangt. Der bekam unerwartet Hilfe von der
DKP-Leitung auf der Tribüne. Man
forderte Höflichkeit gegenüber dem Gast, den man nicht für die Haltung seiner
Partei (die dieser sich zu eigen machte und verteidigte) verantwortlich machen
könne und man überhaupt der KPF nicht
vorschreiben könne, welche Politik sie zu verfolgen, welche Haltung sie zu
beziehen habe. Damit wurde die Auseinandersetzung über die
sozialchauvinistischen Erscheinungen in der KPF regelrecht abgewürgt. Es war zu
befürchten, dass Teilnehmer des Forums, die sich orientieren wollten, es mit
der Meinung verließen, derartige Erscheinungen des Sozialchauvinismus müsse man
eben zur Kenntnis nehmen, oder auch tolerieren. Eine Auseinandersetzung stehe
nicht an. Wir können natürlich der KPF oder anderen Parteien nicht
vorschreiben, welche Position sie zu beziehen haben. Aber wir haben nicht nur
das Recht, sondern die Pflicht, uns mit jedweden Erscheinungen des
Opportunismus auch in anderen kommunistischen Parteien prinzipiell auseinander
zu setzen und dazu eine klare Position zu beziehen. Wer das ablehnt, sagt sich
auch hier von Marx, Engels und Lenin los. [235]
Noch dicker kam es zur Unterdrückung von
Kritik an revisionistischen Positionen im Ergebnis der von der DKP im Juni 2002
ausgerichteten internationalen Konferenz zur Globalisierungsthematik in Berlin.
Das vom Einlader vergebene Auftaktreferat hielt Senator Luigi Malabarba, der
innerhalb der PRC zu den Wortführern der revisio-nistischen Strömung gehört.
Einen ganzseitigen Auszug aus seiner Rede setzte die UZ unter die
wertende Schlagzeile „ein ehrgeiziges und notwendiges Ziel: Neue
Arbeiterbewegung in Europa“.[236] Malabarba ging noch über die revisionistischen
Positionen, die auf dem PRC-Parteitag im April 2002 sichtbar geworden waren,[237] hinaus, als er ausführte, die „Bewegung der
Völker“,[238] deren Vorboten die „zapatistische Erfahrung“
in Mexiko und die Frauenkonferenz in Peking 1995 gewesen seien, schüfe die Basis für eine Antwort „von links“
auf die kapitalistische Globalisierung.
Sie (!) hätte dem gemeinsamen Gegner „ein Antlitz und ein Namen gegeben“ und
brächte sich als „Integrationskraft aller (!) sozialen Subjektivität und
Gedankenströmungen“ ein. Das sei umso notwendiger, als die Krise des realen
Sozialismus „auch die kulturelle Verdrängung großer Teile des analytischen
Instrumentariums des Marxismus ermöglicht“ habe.[239]
Wer - außer Opportunisten, Revisionisten -
und anderen modernen Bernsteinianern - will denn das analytische
Instrumentarium des Marxismus, das völlig intakt ist, aus dem Verkehr gezogen
sehen? Der Klassengegner hat nicht erst seit der „Krise“, sondern seit eh und
je versucht, es zu verdrängen. In dem von der UZ breit wiedergegebenen
Referat des Italieners kamen marxistische Termini wie Klassenkampf, Partei,
Imperialismus usw. nicht vor. Es ging
einzig und allein um die Stärkung und Ausdehnung der „pazifistischen,
umweltorientierten Antiglobalisierungsbewegung“. Dazu müsse man, “das
politische Tempo beschleunigen, um den Abstand zwischen diesem Anliegen und
dessen konkreter Umsetzung zu überwinden.“
Den Genossen der DKP, ihren Sympathisanten
und den Lesern der UZ wurden derart unbrauchbare und unsinnige
Versatzstücke aus dem ideologischen Atelier eines Reformisten, dessen
Positionen die marxistisch-Leninistische Strömung in der PRC entschieden
zurückweist[240] (was in der UZ tunlichst verschwiegen
wurde), kommentarlos zugemutet. Das veranlasste den Autor, bis dahin
Berichterstatter der UZ über
Italien, in einem Leserbrief unter der Überschrift „Ein
revisionistisches Konzept“ dazulegen, dass
Malabarbas Statement auf der Konferenz ein sehr verzerrtes Bild der tatsächlichen Lage in der PRC
vermittelte. „Es ist schon mehr als erstaunlich, dass er darauf verzichtete,
die wertvollen Erfahrungen seiner Partei im gegenwärtigen antiimperialistischen
und antifaschistischen Kampf darzulegen und statt dessen die Beratung dazu
missbrauchte, seine opportunistische Konzeption zur sogenannten ‚Erschaffung
einer neuen Arbeiter-bewegung’ und eines ‚einheitlichen und pluralen Subjekts in
Europa’ darzulegen“, hieß es zusammenfassend.[241]
Unter der Überschrift „Kein Platz für so was“
wies der Pressesprecher des Parteivorstandes, Lothar Geisler, als, wie es hieß,
„geschäftsführender Redakteur“ die Kritik, die mit dem (unbewiesenen) Stigma
„Vorsicht Revisionist“ versehen worden sei, kategorisch zurück. Wie schon in
früheren Fällen wurde das mit dem sogenannten Prinzip der
„Gastgeberhöflichkeit“ begründet. „Es gehörte bisher nicht und wird auch in
Zukunft nicht zur Streitkultur der DKP und ihrer Zeitung gehören,
internationale Gäste so zu behandeln“, hieß es. [242]
Der Autor übermittelte an Gen. Stehr und
auszugsweise in einem Leserbrief an die UZ seinen Protest gegen solche Art
Unterdrückung der Kritik von Journalisten in dem es u. a. hieß: „Ich
kenne keine Beschlüsse internationaler kommunistischer Beratungen, die Kritik
an der Haltung teilnehmender Parteien
untersagen. Auch in der Berliner Erklärung ist davon nichts zu finden. Sie
enthält bei Kompromisscharakter auch kaum etwas von der in der UZ wiedergegebenen
Position Malabarbas. Auch diesbezügliche Beschlüsse der DKP sind mir nicht
bekannt. Das würde auch kommunistischen Grundsätzen zur Kritik widersprechen.
Gen. Geisler versucht, Journalisten die
freie Meinungsäußerung zu verbieten. Eine
intensivere internationale Zusammenarbeit kann nicht durch kritikloses Hinnehmen revisionistischer
Standpunkte erreicht werden“. Der Leserbrief wurde nicht veröffentlicht.
Genosse Stehr lehnte den Vorschlag, auf einer gemeinsamen Veranstaltung der
DKP-Gruppe und der Regionalgruppe des RotFuchs-Vereins in Leipzig mit dem Autor
diese Fragen zu erörtern, ab.
Im annektierten Osten Deutschlands nahm die
DKP zunächst davon Abstand, frühere SED-Mitglieder für sich zu gewinnen. Sie
verzichtete auch auf die mögliche Variante, sich an der Initiative der KPD-Gründung zu beteiligen. Dabei spielte
sicher eine Rolle, dass die Kräfte für die innerparteiliche Auseinandersetzung
und Selbstbehauptung im Westen gebraucht wurden. Auch kann hier in Rechnung
gestellt werden, dass man nicht damit
rechnete, dass die revisionistische Gruppe um Gysi die SED derart rasch auf
vorherrschende revisionistische Positionen führen würde, man später hoffte, die
Kommunistische Plattform in der PDS werde eine starke kommunistische Strömung
zum Leben erwecken, marxistische Positionen in der Partei behaupten und den
Übergang auf sozialdemokratische Positionen verhindern oder zumindest
einzuschränken. Auf dieser Basis hätten ein Zusammengehen von DKP und PDS und
eine Orientierung auf eine Aktionseinheit möglich werden können. In dem Maße
wie sich das als illusorisch erwies, begannen 1992/93 Ostberliner Genossen einen Ostberliner
Bezirksverband aufzubauen, der sich 1995 mit dem aus der SEW hervorgegangenen
Westberliner Verband vereinigte.
Ostberliner Genossen halfen auch, Regionalgruppen in
anderen ostdeutschen Ländern aufzubauen.
Das zahlenmäßig kleine aber
marxistisch-leninistische Positionen beziehende, aus der SED kommende Potenzial geriet
frühzeitig in Konflikt mit den
revisionistischen Tendenzen in der DKP-Führung, besonders der Ablehnung
des Bekenntnisses zur DDR, Ignorierung des Erfahrungsschatzes der aus der SED
kommenden Genossen, fehlender Wahrnehmung ostdeutscher Interessen (11
Forderungen)[243] und der Unterdrückung von Kritik. Lothar Geisler, mehrere Jahre UZ-Chefredakteur,
bis zum 15. Parteitag Vorstandsmitglied und danach trotz Abwahl von Heinz Stehr
zum Pressesprecher ernannt, ließ keine Gelegenheit aus, kundzutun, dass die DDR
für ihn „ein fremder Staat, nicht meine Heimat“, sondern „immer Ausland“ war.
In einem UZ-Magazin ging er
tatsächlich von dem vom Klassengegner besetzten Begriff der Landsmanschaften
aus und diffamierte, ostdeutsche
Kommunisten erweckten in ihrem „öffentlichen Auftreten den Anschein
einer sozialistischen Landsmanschaft für Traditionspflege und
Gedenkveranstaltungen“. Der Genosse genierte sich nicht, im nächsten Satz
„Fingerspitzengefühl, Verständnis für den anderen“ und „eine solidarische
Streitkultur“ einzufordern (!).[244]
Eine Veranstaltung des Ostberliner Bezirksverbandes
„Kommunisten zwischen Ost-seestrand und Erzgebirge“ 1995 auf dem Pressefest der
UZ, zu deren Rednern hochrangige Funktionäre aus der DDR, darunter der
frühere Verteidigungsminister, Heinz Kessler, gehörten, wurde in der
Berichterstattung der Zeitung regelrecht
ignoriert. Der Vorschlag, zur Stärkung der DKP und ihrer Zeitung in
Ostdeutschland ein Berliner
Korrespondenten-Büro der UZ einzurichten und einen ostdeutschen
Journalisten in die Redaktion der Zeitung zu delegieren, wurde abgelehnt.[245] Eine UZ-Leserversammlung in Berlin zu
veranstalten, erhielt ebenfalls keine Zustimmung.[246] Bis heute ist weiterhin kein aus der DDR
kommender Journalist in der Redaktion vertreten. Die DKP ist auch die einzige
erwähnenswerte Partei der
Bundesrepublik, die ihre Zentrale bis heute nicht nach der Metropole Berlin
verlegt hat. Das alles führte dazu, dass die DKP bis heute auf dem früheren
Gebiet der DDR kaum Fuß fassen konnte. Von ihren derzeit 4.700 Mitgliedern
kommen nur einige Hundert aus dem Osten, obwohl dort heute wahrscheinlich das
größte Potenzial nicht parteigebundener Sozialisten und Kommunisten existiert,
darunter auch ansprechbare Genossinnen und Genossen, die von der PDS enttäuscht
sind und nach einer neuen politischen Heimat suchen. Damit ist die DKP, in der
zwischen Hamburg und München Tausende
mutige und erfahrene Klassenkämpfer organisiert sind, immer noch keine gesamtdeutsche Partei,
sondern eine „Westpartei“, was nicht als eine negative Aussage über die
Genossen in Westdeutschland zu verstehen ist. Als 1996 auf der zweiten Beratung
ostdeutscher DKP-Mitglieder darauf gedrängt wurde, bei einem eindeutigen
Bekenntnis zur DDR in der Partei die zwei unterschiedlichen Erfahrungsströme
(aus dem Sozialismus im Osten und dem Kapitalismus im Westen) zu einer daraus
resultierenden „neuen Legierung deutscher Kommunisten“ zusammen-zuführen,
blockte man in Essen ab.
Um Lücken in der Berichterstattung der UZ auszufüllen,
Erfahrungen der DDR darzulegen, marxistische und leninistische Positionen zu
verteidigen, sich mit opportunistischen Erscheinungen auseinander zu setzen und
zu Fragen der Entwicklung einer revolutionären Strategie beizutragen gründete
die DKP-Gruppe Berlin Nordost die politisch-theoretische Monatsschrift RotFuchs,
dessen erste Nummer im Februar 1998 erschien. Von Anfang an wurde massiver
Druck führender Genossen der DKP und der UZ ausgeübt, den RotFuchs
aus der Partei zu verdrängen. In der UZ wurde er ignoriert und - von
einigen abwertenden Bemerkungen abgesehen - totgeschwiegen. Auf der ersten
Leserkonferenz forderte der als Gast eingeladene UZ-Redakteur Wolfgang
Teuber die über 100 Teilnehmer auf, sich vom RotFuchs zu distanzieren.
Heinz Stehr verlangte wiederholt, das Blatt solle aus der DKP verschwinden,
denn seine Linie stimme nicht mit der DKP überein. Die Kampagne gipfelte in der
einem politischen Suizid gleichenden Forderung des DKP-Vorsitzenden, die
Genossen des RotFuchs sollten die DKP verlassen, was die Partei im Osten
in der Folge fast zehn Prozent ihrer Mitglieder kostete. Als sich die Anzeichen
mehrten, die Zeitschrift auszuschalten, trennte sich die Redaktion im Juni 2001 von der DKP und gründete zur
Sicherung der Zeitschrift den
gleichnamigen parteiunabhängigen Förderverein, dessen Leitung Mitglieder von
DKP, KPD und PDS sowie parteipolitisch nicht organisierte Genossinnen und
Genossen angehören. Der Verein gibt den RotFuchs seitdem als Tribüne
für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland (im Umfang von
32 Seiten) heraus. Der Verein agiert nicht als Partei. Er und seine Zeitschrift
treten für die „Einheit aller, die man für sozialistische Ziele gewinnen und
Zusammenschließen kann“ ein. Er will in diesem Rahmen Impulse geben für die
Aktionseinheit von Kommunisten, Sozialisten sowie linken Sozial-demokraten und
progressiven Christen.[247] In der kurzen Zeit seines Bestehens sind dem
Verein über 500 Mitglieder beigetreten. [248] Bisher haben sich sieben Regionalgruppen
gebildet, darunter eine sehr aktive in
Hamburg.
Gegen den Programmentwurf von Stehr/Hager gab
es starken Widerstand an der Basis, aber auch in Bezirksvorständen und im
Parteivorstand selbst. Der Philosoph Prof. Hans Heinz Holz, einer der
bedeutendsten Theoretiker, über den die zeitgenössische kommunistische Bewegung
verfügt,[249] und der DKP-Bezirksvorsitzende von
Ruhr-westfalen, Patrik Köbele, legten in der Programmdebatte einen vom
Marxismus-Leninismus ausgehenden Verbesserungsvorschlag vor, der eine präzise
Imperialismus-Analyse enthält, die Macht- und Eigentumsfrage, die Rolle der
Arbeiterklasse und deren Bündnispolitik, die Vorhutrolle der Kommunisten und
des sozialistischen Staates von den Grundfragen des wissenschaftlichen
Sozialismus ausgehend beantwortet.[250] Einige Grundgedanken aus dem Dokument, zu dem
die Verfasser festhalten, dass es noch „genug Mängel (enthält), die in weiterer
Diskussion zu beheben sind“: Im Sozialismus-Teil des Papiers finden sich die
Träger beider großer Erfahrungsströme der revolutionären deutschen
Arbeiterbewegung wieder: jene Genossinnen und Genossen, die vier Jahrzehnte
nach dem Maß ihres Könnens und ihrer materiellen Möglichkeiten die neue
Gesellschaft aufgebaut und deren Staat gestaltet haben, und jene mutigen
Klassenkämpfer im Westen, die immer dem herrschenden Gesellschaftssystem die
Stirn boten und oft genug - wie Robert Steigerwald, Jupp Angenfort, Rosi und
Karl Stiffel, Ewald Stiefvater, Wille Gerns und viele andere - dem Imperialismus auch in Adenauers Gefängnissen
widerstanden. Holz/Köbele bekennen sich ohne Wenn und Aber zur
Oktoberrevolution als dem „welthistorischem Ereignis, das die Epoche des
Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus einleitete“, halten fest, dass die
Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder den Beweis erbrachten, dass
der Aufbau des Sozialismus möglich ist, dass die Niederlage in Europa „innere
und äußere, ökonomische und politische, objektive und subjektive Ursachen“
hatte. Defizite, die sich beim Aufbau des Sozialismus gezeigt hätten, seien vor
allem „den besonderen Entstehungs- und
Entwicklungsbedingungen geschuldet“, heißt es. Die Verfasser weisen
Klassen-versöhnung, wie sie der Stehr/Hager-Entwurf durchzieht, klar zurück und
charakterisieren die Ereignisse von 1989/90 als „vor allem und in erster Linie
eine Konterrevolution“ Zu den Kernsätzen des Papiers gehört schließlich die
unverzichtbare Feststellung, dass die DDR, die neue historische Epoche
verkörperte und „ungeachtet ihrer Mängel die größte Errungenschaft des Kampfes
der deutschen Arbeiterklasse gewesen“ ist.
Holz/Köbele betonten, dass es sich bei ihrem
Papier um einen Verbesserungsvorschlag handele und dass nun am Text Genossinnen
und Genossen gemeinsam feilen müssten. „Für das Maß an begrifflicher
Genauigkeit hat uns Marx in der ‚Kritik des Gothaer Programms’ ein
Musterbeispiel gegeben“, schrieben sie. Es gehe darum, “die Grundlagen unseres
kommunistischen Geschichtsverständnisses und unserer wissenschaftlichen
Weltanschauung nicht preiszugeben.“ [251]
Der Verbesserungsvorschlag und das starke
Echo, das er bereits im Vorfeld des Parteitages fand, zwangen Heinz Stehr, seine
ursprüngliche Absicht, den Vorstandsentwurf zur einzigen Arbeitsgrundlage
vorzulegen und beschließen zu lassen, aufzugeben und bereits vor dem Kongress
zu erklären, keiner der beiden Entwürfe werde zur Entscheidung gestellt.
Bestrebungen der Parteispitze, eine inhaltliche Debatte auf dem Parteitag zu
verhindern, lehnte die Mehrheit der Delegierten ab.[252] Fast alle dazu das Wort ergreifenden Redner
stellten den Verbesserungsvorschlag in den Mittelpunkt. Hans Heinz Holz, Patrik
Köbele und Günter Scalkiewicz (Berlin) erhielten viel Zustimmung. Eine zum
Abschluss des Parteitages vorgelegte inhaltlich wie politisch dürftige
„Handlungsorientierung 2003/04“ lehnten die Delegierten ab und verwiesen sie
zur Überarbeitung an den Parteivorstand zurück. Damit konnten die von
marxistischen und leninistischen
Positionen ausgehenden Kräfte vorerst einen Erfolg verbuchen, der sich auch
darin zeigt, dass eine von Brandenburg vorgeschlagene Resolution mit der
Forderung nach sofortiger Beendigung der politischen Strafverfolgung von
DDR-Bürgern verabschiedet wurde. Die kritische
Haltung vieler Delegierter kam auch bei der Wahl der Leitungsgremien
darin zum Ausdruck, dass Heinz Stehr bei seiner Wiederwahl 25 Gegenstimmen
erhielt, seine Stellvertreterin Nina Hager 32. Im Herbst 2003 will der
Vorstand einen neuen Programmentwurf vorlegen. Eine neue Kommission wurde dazu
nicht berufen, den neuen Entwurf soll
das Sekretariat des Parteivorstandes ausarbeiten.
Zum Zustand der Partei ist jedoch auch
folgendes festzuhalten: Mit der Einberufung des Parteitages nach Düsseldorf
verzichtete der Vorstand ein weiteres Mal darauf, in einem der Zentren
Ostdeutschlands bzw. in Berlin zu tagen. Vor dem Kongress strich der
Parteivorstand fast alle ostdeutschen Bewerber von der Kandidatenliste für die
Wahl des neuen Leitungsgremiums. Wenn er in eine dortige DKP-Gruppe gehe, habe
er stets das Gefühl, „in einer ganz anderen Partei zu sein“, hatte Heinz Stehr
vor der geheimen Abstimmung seinen Einfluss geltend gemacht.[253] Das Ungleichgewicht zum Nachteil der
ostdeutschen Genossen wurde auch auf dem Parteitag nicht behoben. Gegen einen
Antrag, deren Zahl im Vorstand um drei
zu erweitern, den mehrere Delegierte aus
dem Westen unterstützten, erhob Stehr mit mehreren Vorstandsmitgliedern
persönlich Einspruch. Er wurde darauf hin knapp abgelehnt. Die ostdeutschen
Kandidaten Brigitte Müller, langjähriges Vorstandsmitglied und
Landesvorsitzende von Brandenburg, Karl-Heinz Reinhard (Leipzig), Iris Rudolph
(Berlin Nordost) und Jürgen Ebenhöh (Neubrandenburg) wurden nicht gewählt.
In Düsseldorf meldeten sich viele Genossinnen
und Genossen, die marxistisch-leninistische Standpunkte vertreten, unüberhörbar
zu Wort. Sie forderten, die Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch der
Kommunisten aus allen Bezirken der Bundesrepublik zu entwickeln, nicht zuletzt,
um in diesem Zusammenwirken ein revolutionäres Parteiprogramm zu erarbeiten,
ohne das die Kampfkraft der DKP nicht gestärkt werden kann. Holz/Köbele
schreiben: „Nach der Niederlage von 1989 und der Veränderung der
weltpolitischen Situation braucht es genaue Analysen. Niemand kann sagen, dass
er allein das Ganze richtig sehe. Wir alle müssen bereit sein, voneinander zu
lernen. Und wir haben allen Grund entschlossen zu sein, die Grundlagen unseres
kommunistischen Geschichtsverständnisses und unserer wissenschaftlichen
Weltan-schauung nicht preiszugeben.“
Zur Aufgabe marxistisch-leninistischer
Grundsätze wird oft argumentiert, man müsse im Interesse breiter Bündnisse
gegen Faschismus und Reaktion als auch im Kampf gegen die imperialistische
Kriegspolitik, derzeit vor allem gegen die in der Außen- und Militärpolitik mit
faschistischen Methoden geführten Aggressionen des USA- Imperialismus zur
Durchsetzung seiner Weltherrschaft, diese Fragen und die Interessen der
Arbeiterklasse zurückstellen. Das würde nichts anderes bedeuten, als die von
der KPdSU ausgehenden und in den 80er Jahren
sich auch in der SED ausbreitenden und in der DKP Fuß fassenden
revisionistischen Positionen vom „Vorrang der allgemeinen Menschheitsprobleme
gegenüber Klassenfragen“ erneut einzunehmen, was zwangsläufig zur bereits
erwähnten Herabminderung der sozialistischen Ideologie führt und nur die
bürgerliche Ideologie stärkt.[254] Das bedeutet keinesfalls, Kompromisse abzulehnen
oder auf den Kampf für Reformen[255] zu verzichten, die in Bündnisfragen immer eine
entscheidende Rolle spielen. Lenin beschäftigte sich fasst ständig mit
zulässigen und nicht zulässigen
Kompromissen der unterschiedlichsten Art.[256] „Kompromisse ,prinzipiell’ abzulehnen, jedwede
Zulässigkeit von Kompromissen, welcherart sie auch seien, schlechthin zu
verneinen, ist eine Kinderei, die man schwerlich ernst nehmen kann“.
Kategorisch schloss Lenin jedoch Kompromisse aus, „in denen Opportunismus und
Verrat ihren Ausdruck finden“, bejahte gleichzeitig, dass „Anhänger der
proletarischen Revolution Kompromisse oder Abkommen mit Kapitalisten
schließen“. Dabei komme es darauf an, „durch alle Kompromisse hindurch die
revolutionäre Taktik und Organisation, dass revolutionäre Bewusstsein, die
Entschlossenheit, Erfahrenheit der Arbeiterklasse und ihres organisierten
Vortrupps, der kommunistischen Partei, zu bewahren, zu festigen, zu stählen,
weiterzuentwickeln.“[257]
Von Gramsci wird gern in den Vordergrund
gestellt, verabsolutiert oder auch regelrecht verfälscht, was er zur breiten
antifaschistischen Bündnispolitik sagte. Der große italienische Theoretiker
ging jedoch grundsätzlich von Lenin aus. In seiner Faschismus-Analyse verband
er den Kampf für den Sozialismus mit der Verteidigung bzw. der Eroberung der
Demokratie. Er betonte, dass die Frage der proletarischen Revolution zur Zeit
nicht auf der Tagesordnung stand, die Arbeiterklasse ihre politische Hegemonie
auf der Grundlage der Freiwilligkeit und Überzeugung erringen und die
Eigenständigkeit der Bündnispartner, einschließlich der Tatsache, dass sie
eigene politische Ziele verfolgen, respektieren müsse. Gramsci sprach vom
„Historischen Block“, unter dem er ein System von Bündnissen der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft, den
Mittelschichten und der Intelligenz verstand, in dem er dem Zusammengehen mit
den katholischen Volksmassen einen breiten Stellenwert beimaß. Er betonte - was
oft übersehen oder von Opportunisten auch einfach ausgeklammert wird - beim
„Historischen Block“ müsse es sich um einen „ausgeglichenen Kompromiss“
handeln, bei dem die „Opfer und Kompromisse“ der Kommunistischen Partei „nicht
das Wesentliche“, nämlich „die „entscheidende Rolle (...), die ökonomischen
Aktivitäten der führenden Kraft“ betreffen können“, worunter Gramsci eindeutig
die strategische Orientierung auf die Beseitigung der kapitalistischen Ökonomie
und die Herstellung einer sozialistischen verstand.[258] Auch Togliatti ging in der Konzeption der
„Wende von Salerno“ keine derartigen Kompromisse ein.[259]
An solche Grundsätze erinnerten in der DKP
1995 Willi Gerns und Robert Steigerwald
als sie schrieben, dass bei einer Einstellung auf das Wirken der
kapitalistischen Bedingungen auf längere Zeit, weil die Voraussetzungen für
einen baldigen Übergang zum Sozialismus nicht gegeben sind, es notwendig ist,
„darüber nachzudenken, wie unter den Verhältnissen des Kapitalismus eine solche
Politik entwickelt werden kann, die von der Verteidigung der nächsten
Interessen aus an weitergehende Aufgaben, an die Erkenntnis der Notwendigkeit
des Sozialismus und an den Kampf um den Sozialismus heranführt.“ Im Grunde gehe
es strategisch um das, was Lenin „eine
Politik der Übergänge, des Heranführens an den Sozialismus“ genannt
habe.[260]
Gerhard
Feldbauer, Poppenhausen
Alf, Sophie G.. Leitfaden Italien. Vom
antifaschistischen Kampf zum Historischen Kompromiss. Berlin
1977.
Barbieri,
Daniele: Agenda nera. Trent´anni di Neofascismo in Italia. Rom 1976.
Bakunin, Michael: Barikadenwetter und „Revolutionshimmel.
Ausgewählte Schriften, Bd. 2, Berlin 1995.
Ders.: Staatlichkeit und Anarchie. Bd. 4,
Berlin 1999.
Ders.: Gott und der Staat. Reinbek 1969.
Battaglia,
Roberto; Garritano, Giuseppe: Der italienische Widerstandskampf 1943-1945. Berlin (DDR) 1970.
Berlinguer, Enrico: Für eine demokratische
Wende. Ausgewählte Reden und Schriften 1969 - 1974. Berlin
(DDR) 1975.
Biscione,
Franscesco (Hg.): Il Memoriale di Aldo Moro, Rom 1993.
Brown, Archie: Der Gorbatschow-Faktor. Wandel
einer Weltmacht.
Canosa,
Romano: Storia dell´eppurazione in Italia. Mailand 1999.
Caprara,
Massimo: L`Attentato a Togliatti. Padova 1978.
Chiarante,
Giusppe: Da Togliatti a D´Alema. Rom 1997.
Ciofi, Paolo: Passaggo a sinistra. Il PDS tra
Occhetto a D´Alema. Messina 1995.
Claudin, Fernando: Zukunft des
Eurokommunismus. Berlin 1978.
D´Alema,
Massimo: Progettare il Futuro. Mailand 1996.
Fassanella,
Giovanni; Martini, Daniela: D´Alema. La prima Biographia del Segretario del
PDS. Mailand 1995.
Fasanella,
Giovanni; Sestieri, Claudio: Segreto di Staato. La Verità da Gladio al Caso
Moro. Turin
2000.
Feldbauer, Gerhard. Von Mussolini bis Fini.
Die extreme Rechte in Italien. Berlin 1996.
Ders.: Agenten, Terror, Staatskomplott. Der
Mord an Aldo Moro, Rote Brigaden und CIA. Köln 2000.
Ders.: Marsch auf Rom. Faschismus und Antifaschismus in
Italien. Köln 2002
Ders.: Berlusconi ein neuer Mussolini? 2.
Auflage. Essen 2003.
Ders.: Aldo Moro und die Zusammenarbeit von
Christdemokraten und Kommunisten im Italien der 70er Jahre. Essen 2003
Ferrera,
Marcella e Maurizio: Cronache di vita Italiana 1944-1958. Rom 1960.
Flamigni,
Sergio: La Tela del Ragno (Das Spinnennetz), Mailand, 1993
Ders.:
Trame atlantiche. Storia della Logia massonica segreta P2. Mailand 1996.
Galli,
Giancarlo: Gli Agnelli. Mailand 1997.
Galli,
Giorgio: Storia del PCI. Mailand 1993.
Germanetto, Giovanni; Robotti, Paolo :
Dreißig Jahre Kampf der italienischen Kommunisten. 1921-1951. Berlin (DDR)
1955.
Gossweiler, Kurt: Wider den Revisionismus.
Berlin 1997.
Ders.: Die Taubenfuss-Chronik oder Die
Chrutschowiade 1953 bis 1964. Bd. I 1953bis 1957. München 2002.
Gramsci, Antonio: Die süditalienische Frage.
Berlin (DDR) 1955.
Ders.: Briefe aus dem Kerker. Berlin (DDR) 1956.
Ders.:
Quaderni del Carcere (Gefängnishefte) Edizione crirtica, Turin 1975
Held, Karl (Hg.): Von der Reform des „realen
Sozialismus“ zur Zerstörung der Sowjetunion. Das Lebenswerk des Michael
Gorbatschow. München 1992.
Hippert, Christopher: Der gerechte Rebell.
Der Weg des Giuseppe Garibaldi. Tübingen 1970.
Intini,
Ugo: Craxi. Una Storia socialista. Rom 2000.
Kaeselitz,
Hella. Kommunistische
Parteien in den Hauptländern des Kapitals. Berlin (DDR) 1982.
Koppel, Helga: PCI. Die Entwicklung der
italienischen KP zur Massenpartei. Berlin 1976.
La
Rocca, Felice: L´Eredità perduta. Aldo Moro e la crisi italiana. Catanzaro
2001.
Leonhard,
Wolfgang: Eurokommunismus. München 1978.
Locatelli,
Gofredo; Martini, Daniele: Duce addio. La Biographia di Gianfranco Fini. Mailand
1994.
Longo,
Luigi; Secchia Pietro: Der Kampf des italienischen Volkes für seine nationale
Befreiung. 1943-1945.
Berlin (DDR) 1959.
Losano, Mario G.: Sonne in der Tasche.
Italienische Politik. München 1995.
Lusso, Emilio: Marsch auf Rom und Umgebung.
Wien, Zürich 1991.
Mehring, Franz: Karl Marx. Geschichte seines
Lebens. Schriften, Bd. 3. Berlin (DDR) 1960
Moro,
Aldo: Scritti e Discorsi. Rom 1990.
Murgia,
Pier Giuseppe: Ritorneremo! Storia e Cronaca del Fascismo dopo la Resistenza.
Mailand 1976.
Nenni,
Pietro: Dal Patto atlantico alla Politica di Distenzione. Rom 1954.
Novelli,
Edoardo.: C´era una volta il PCI. Rom
2000.
Penelope,
Nunzia: L´ultimo Leader. Biografia di Sergio Cofferati, Rom 2002.
Ruggeri,
Giovanni; Guarino, Mario: Berlusconi. Showmaster der Macht. Berlin 1994.
Sablowski, Thomas: Italien nach dem
Fordismus. Münster 1965.
Secchia,
Pietro; Frassati; Filippo: Storia della Resistenza. Rom 1965.
Silone, Ignazio: Der Faschismus.
Frankfurt/Main 1984 (Reprint der Erstausgabe von 1934). Göttingen 1992.
Stübler, Dietmar: Geschichte Italiens. Berlin
(DDR) 1987.
Tasca, Angelo: Glauben, gehorchen, kämpfen.
Der Aufstieg des Faschismus in Italien. Wien, o. J.
Timmermann, Heinz (Hrsg.): Eurokommunismus.
Fakten, Analysen, Interviews. Frankfurt/Main 1978.
Togliatti,
Palmiro: Probblemi del Movimento operaio internazionale, Rom 1962.
Ders.: Reden und Schriften. Eine Auswahl. Frankfurt/Main 1967.
Ders.:
La via italiana al Socialismo. Rom 1972.
Ders.: Lektionen über den Faschismus.
Frankfurt/Main 1973.
Ders.: Ausgewählte Reden und Aufsätze. Berlin
(DDR) 1977
Wenzel, Gisela: Klassenkämpfe und Repression
in Italien. Hamburg 1973
Dokumente (nach
Erscheinungsjahr)
Ricostruiere,
Resoconto del Congresso economico del PCI. Rom 1948.
Die Kommunistische Partei Italiens. Berlin (DDR) 1952.
VII´
Congresso del PCI, Rom 1954
Partito
Socialista Italiano. 33´ Congresso nazionale. Rom 1959.
La
Formazione del Gruppo dirigente del PCI. Rom 1962.
Fascismo
e Antifascismo 1936-1948. 2 Bände. Mailand 1962.
Partito
Socialista Italiano. 35´ Congresso nazionale. Rom 1964.
PSIUP.
1´ Congresso nazionale. Rom 1966.
PSIUP.
2´ Congresso nazionale. Rom 1969.
Problemi
di Storia del Partito Comunista Italiano. Rom 1971.
Manifesto.
Congresso nazionale. Documenti n. 1. Rom 1974.
Costituzione
italiana. Turin 1975.
PdUP.
1´ Congresso nazionale. Florenz 1974. Italiea 1945-1975. Fascismo.
Antifascismo. Resistenza.
Rinovamento.
Mailand 1975.
Storia
del PCI attraverso i Congressi. Rom 1977.
I
Giorni della Storia d´Italia. 1815-1996. Novara 1997.
Storia
del Sindacato in Italia. Hg. Conquiste
del lavoro. Ohne
Orts- und Jahresangabe.
[1] Lenin , Bd.
21, S. 142 ff. Alle Angaben beziehen sich auf die DDR-Ausgabe
[2] Treffend hat das Sebastian Haffner in seiner Schrift
„Der Verrat“ nachgewiesen. Verlag 1900, Berlin 1993.
[3] Wagenknecht,
Sahra: Antisozialistische Strategien im Zeitalter der Systemauseinandersetzung.
Bonn 1995, S. 13 ff.
[4] Gossweiler
1997, S. 322
[5] Dabei
beschränke ich mich auf einige Aspekte der Entwicklung in der SED, später PDS
und der DKP
[6] Gramsci,
seit 1913 Mitglied der ISP, zur Führung des linken Flügels gehörend, 1914 Organisator des
Antikriegsaufstandes in Turin. 1922/23 Vertreter der IKP im EKKI. Arbeitete
maßgeblich die antifaschistische
nationale Strategie der IKP aus,
die der Parteitag von Lyon 1926 bestätigte und ihn zum Generalsekretär
wählte. Trotz Immunität als Parlamentsabgeordneter im gleichen Jahr verhaftet
und vom faschistischen Sondertribunal zu 20 Jahren Kerker verurteilt. Im
Zuchthaus weiter konspirativ aktiv
theoretisch tätig (Gefängnishefte). 1937 nach internationalen Protesten
todkrank entlassen, verstarb am 27. April des gleichen Jahres an den Folgen der
Kerkerhaft.
[7] Togliatti, seit Gramscis Verhaftung als Generalsekretär
amtierend, nach dessen Tod bestätigt. Seit 1934 an der Seite Dimitroffs zweiter
Mann an der Spitze der Komintern. Arbeitete mit Gramsci die nationale Strategie
der IKP aus und setzte sie in die Praxis um, konzipierte die „Wende von
Salerno“ (Regierung der nationalen Einheit). Mitglied dieser Regierung; von
1944 bis zur Vertreibung der IKP und ISP 1947 aus der Regierung. Schloss umstrittene Kompromisse (Amnestie für hohe
Funktionsträger des Faschismus, Anerkennung des von Mussolini geschlossenen
Konkordats in der Verfassung). Bei faschistischem Attentat im Juli 1948 schwer
verletzt. Billigte nach Teilnahme am XX. Parteitag der KPdSU die unter
Chruschtschow einsetzenden revisionistischen Tendenzen in der Außenpolitik
(Überschätzung der Möglichkeiten der
Politik der friedlichen Koexistenz), sprach sich aber für eine kritische
Auseinandersetzung mit der „bürokratischen Degeneration der sowjetischen
Gesellschaft“ und gegen den Führungsanspruch der KPdSU aus. In seinem Memorandum legte er unmittelbar vor seinem
Tod Gedanken zur „Einheit der kommunistischen Bewegung (...) unter Respektierung
der Vielfalt“ dar.
[8] Gossweiler
1997, S. 323. Mit seinem Werk „Wider den Revsionismus“ hat der herausragende DDR-Wissenschaftler
Großes zur Erforschung der Rolle des Revsionismus als entscheidender Ursache
der Niederlage des Sozialismus in Europa geleistet. In seinem neuesten Werk
„Die Taubenfuß-Chronik oder Die
Chruschtschowiade 1953 bis 1964, Bd. I 1953-1957“, München 2002, setzt er seine Forschungen zum
verhängnisvollen Wirken des Revisionismus fort und liefert Antworten auf die
Frage, “Wie konnte es zur Niederlage kommen?“, gibt Argumente und regt zum weiteren Durchdachdenken der Probleme an
[9] Gossweiler
1997, S. 249 ff.; RotFuchs - Tribüne
für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland, 52/2002.
[10] Zit. in Humanité, Paris, 10. Okt. 1992
[11]
Berlinguer, ab 1943 Mitglied der IKP, führender
Jugendfunktionär, 1949-1956 Präsident des Weltbundes der demokratischen Jugend.
Seit 1962 Mitglied des Politbüros und Sekretariats des ZK, 1972
Generalsekretär. Verstarb 1984 nach einem Herzinfarkt.
[12] Zum Thema Arbeiterbewegung, ihre Parteien und
Organisationen siehe Feldbauer 2002,
bes. S. 84 bis 142.
[13] Zu den
Unterschieden in Italien im Vergleich mit Deutschland siehe jW-Serie des Autors, 24./25. und 29. Juli 1999
[14] Als der Krieg Preußens gegen Frankreich 1870
nach Sedan in einen Eroberungsfeldzug umschlug, kämpfte Garibaldi auf Seiten
der Französischen Republik und befehligte ein Armeekorps. Das ihm angebotene Kommando über die Truppen der
Pariser Kommune lehnte er jedoch ab. Hibbert, S.
345 f.
[15] MEW, Bd. 17, S.
390 ff. Alle
Angaben beziehen sich auf die DDR-Ausgabe
[16] Karin-Kramer-Verlag, Berlin 1995 und 1999
[17] MEW, Bd. 19, S. 122
[18] Grawitz,
Madeleine: Bakunin, Hamburg 1998, S. 477 ff.; s. a. Feldbauer Zum 125 Todestag
Bakunins, jW, 30. Juni 2001
[19] Werke, Bd. 3,
Berlin (DDR) 1960, S. 508
[20] Turati, Sohn eines hohen Beamten monarchistischer
Gesinnung, verheiratet mit der russischen Emigrantin Anna Kuliscioff
(Rosenstein), trat für die
Zusammenarbeit mit der liberalen Bourgeoisie, 1919 für einen Übergang zum Sozialismus
durch Reformen ein. Wegen Kollaboration mit der Monarchie zur „Begrenzung der
faschistischen Gefahr“ wurde er 1920
aus der ISP ausgeschlossen und trat zu den Einheitssozialisten Giacomo
Matteottis über. Nach Errichtung der offenen faschistischen Diktatur
1926 Flucht nach Frankreich, Mitbegründer der Concentrazione Antifascista,
vollzog er 1930 mit Pietro Nenni
die Wiedervereinigung von ISP und Einheitssozialisten.
[21] Labriola, Hochschullehrer und Publizist, leistete einen herausragenden Beitrag zur Verbreitung des Marxismus in Italien und der Gründung der ISP, trat gegen den Bakunismus und die Revision des Marxismus auf, übersetzte u. a. das Kommunistische Manifest ins Italienische. Trotz langer aktiver Mitarbeit trat er der ISP nicht bei.
[22] MEW, Bd. 22, S. 439 ff.
[23] Gramsci 1955
[24] Stübler, S. 79
[25] Mussolini
war von 1900 bis 1914 Mitglied der ISP,
führte zeitweilig den syndikalistischen Flügel an, vertrat Positionen der
Klassenzusammenarbeit mit der Bourgeoisie, wurde 1912 zum Chefredakteur der
Parteizeitung Avanti berufen, nach Übergang auf chauvinistische
Positionen 1914 aus der ISP ausgeschlossen..
[26] 1919 kam die
Volkspartei (PPI) hinzu, die der
Priester Don Luigi Sturzo gründete, um dem politischen Katholizismus eine
Verankerung im Parteiensystem zu verschaffen und sowohl unter der katholischen
Arbeiterbewegung als auch in kleinbürgerlichen Schichten ein Gegengewicht zur
anwachsenden ISP zu bilden. 1942/43 nahm die PPI den Namen Democrazia Cristiana ( DC)
an. Nach dem Zusammenbruch der DC 1993 Neukonstituierung unter dem alten Namen
Volkspartei. .
[27] Silone, stammte
aus einer Großgrundbesitzerfamilie,
wurde aus Empörung über die brutale Behandlung der Landarbeiter mit 15 Jahren
Sozialist. Unterstützte 1921 auf dem Kongress der Jungsozialisten deren
Beitritt zur IKP. Mitglied des ZK und des Politbüros der IKP, Delegierter auf
VIII. KI-Kongress. 1929 nach Auseinandersetzungen mit Togliatti aus der Partei
ausgeschlossen. In den 30er Jahren
Beginn schriftstellerischer Tätigkeit, aktiv in der Resistenza, Beitritt zur
ISP, Mitglied der Verfassungsgebenden
Versammlung. In den 50er Jahren Rückzug aus der Politik, nur noch
schriftstellerische Arbeit. Bekanntestes Werk „Wein und Brot“, Deutsch bei
Kiepenheuer & Witsch, Köln 1974.
[28] Silone, S. 241 ff.
[29] ND,
10./11. Aug. 1991
[30] Bonomi trat
später zu den Liberalen über, wurde im Juni 1944 vom Befreiungskomitee zum Ministerpräsidenten
der antifaschistischen Einheitsregierung berufen
[31] I Giorni, S. 282 ff.
[32] Terracini,
als Sozialist aktive antimilitaristische
Arbeit, Delegierter zum III. KI-Kongress, von einem Sondertribunal 1926 zu 20
Jahren Kerker verurteilt, aktiv in der Resistenza, 1947 Präsident der
Verfassungsgebenden Versammlung. Bis zu seinem Tod Mitglied des Senats.
[33] Tasca, nahm 1922 am IV. Kongress der Komintern
teil, danach Mitglied des Sekretariats
des ZK der IKP, auf dem VI. KI-Kongress
in deren Sekretariat berufen. 1929 mit
Begründung der Fraktionsbildung
(Tasca-Gruppe) als Anhänger Bucharins aus der IKP ausgeschlossen. Befasste sich danach
in Frankreich mit Faschismusforschung
und schrieb das bedeutende Werk
„Aufstieg des Faschismus in Italien“. Er blieb, wie Silone im Vorwort
dazu schrieb, „ein Sozialist der alten Garde“ und hat sich nie zu
Denunziationen gegenüber der IKP oder der kommunistischen Bewegung hergegeben.
[34] Unter den
verkappten Opportunisten verstand Lenin die Zentristen, die in der
Auseinandersetzung eine „unbestimmte Haltung“ einnahmen und zwischen den
revolutionären Linken und den Reformisten lavierten.
[35] Lenin, Bd. 30, S. 75
[36] Ders., Bd. 31,
S. 196
[37] Serrati
korrigierte später seine Haltung, wurde
Führer der Terzinternationalisten, welche die ISP an die KI annähern
wollten, brach 1924 mit den Reformisten und trat der IKP bei, die ihn in ihr
Zentralkomitee berief.
[38] Die Partei
nannte sich Kommunistische Partei Italiens, Sektion der KI. Nach Auflösung der
Komintern führte sie ab 1943 den Namen Italienische Kommunistische Partei
(IKP), den der Autor durchgehend verwendet.
[39] Bordiga,
ab 1910 Mitglied der ISP, verteidigte den Marxismus gegen die
Reformisten, bezog 1914 Antikriegspositionen. Seit 1919 führender Vertreter
der Kommunisten in der ISP, 1921
Mitbegründer der IKP, bis 1926 Generalsekretär. Vertrat sektiererische
Haltung, u. a. gegen Teilnahme der IKP
an Wahlen und Formen des parlamentarischen Kampfes, deswegen 1931 auf dem
illegalen Parteitag in Köln aus der IKP ausgeschlossen.
[40] Togliatti 1967, S. 165
[41] Ebenda,
S. 183
[42] Hier ist
jedoch auch die Wechselwirkung beider
Seiten zu sehen. Hatte doch die ISP im
August 1922 mit Mussolini einen „Versöhnungspakt“ geschlossen, der die
antifaschistische Abwehrkraft der Arbeiter entscheidend schwächte. Allerdings
korrigierte die ISP ihre Haltung, lehnte den von Mussolini angebotenen Eintritt
in seine nach dem Marsch auf Rom gebildete Regierung ab und stimmte mit den
Kommunisten gegen dessen Kabinett. Siehe Feldbauer 2002, S. 20 ff. Bezüglich der Auswirkung der Sozialfaschismusthese in der deutschen
Arbeiterbewegung sei auf Gossweiler verwiesen, der sich mit Recht gegen die
einseitige Schuldzuweisung an die KPD wendet und die schwere Mitverantwortung
der rechten SPD-Führer am Entsehen dieser falschen These belegt. Historisch wahr ist, dass die Führung der SPD
„seit der Existenz des Mussolini-Regimes (...) die Kommunisten als Faschisten,
nämlich als ‚Linksfaschisten’ beschimpfte, also lange bevor es bei den
Kommunisten das Wort von den ‚Sozialfaschisten’ gab“. Gossweiler 1997, S. 214 ff.
[43] Gallli,Giorgio, S. 75 ff.
[44] Nenni war bis 1919 Mitglied der Republikanischen Partei,
trat 1915 gegen den Kriegseintritt Italiens auf.
1921 Eintritt in die ISP. Zunächst Chefredakteur des Avanti,
später Jahrzehnte in Spitzenpositionen, darunter als Generalsekretär.
Unterzeichnete 1934 gegen die Linie der SI mit Luigi Longo das
Aktionseinheitsabkommen. In Spanien Politkommissar der XII. Internationalen Garibaldi-Brigade.
Von 1945 bis zum Ausschluss von ISP und
IKP aus der Regierung Vizepremier. 1963 bis 1968 Vizepremier der linken Zentrumsregierung. Ab
1970 Senator auf Lebenszeit.
[45] Die Resistenza
bildet die nach der Okkupation Nord und Mittelitaliens durch die
Hitlerwehrmacht im September 1943 beginnende Etappe des bewaffneten
Befreiungskampfes
[46] Longo/Secchia, S. 340 ff.
[47] Italienische Sozialdemokratische Partei (Partito Socialista Democratico Italiano). Nannte sich bis 1952 Partito Socialista dei Lavoratori
Italiani, betrieb antikommunistische
proamerikanische Politik, blieb ohne Basis in der Arbeiterbewegung und eine
rein kleinbürgerliche Partei. Verschwand nach dem Zusammenbruch des alten
Parteiensystems 1992 von der Bildfläche.
Saragat hatte mehrfach Ministerämter inne, war 1954/55
stellvertretender Ministerpräsident, 1964-1971 Staatspräsident.
[48] Berücksichtigt
man die 7,1 Prozent, auf welche die Sozialdemokraten kamen,
waren das 1,5 Prozent weniger als 1946 zur Verfassungsgebenden Versammlung, was in dem besonders vom Vatikan angeführten
antikommunistischen Kreuzzug, in dem Sozialisten und Kommunisten massenweise
exkommuniziert wurden, noch immer ein gutes Ergebnis war.
[49] Sablowski,
S. 113 ff.; Galli, Giancarlo, S.
122 ff.; Stübler, S. 227 ff.
[50] Alf; S. 165
[51] 33´ Congresso PSI, S. 468 ff.
[52] Sablowski, S. 80 ff.; Intini, S. 73 ff.
[53] 35´ Congresso PSI, S. 584 ff.
[54] Die Stimmenverluste
ergaben sich vor allem daraus, dass die
linken Sozialisten 1966 die ISP verlassen und die Sozialistische Partei der
Proletarischen Einheit (PSIUP) gegründet hatten, die auf 4,2 Prozent kam.
[55] Der von Craxi
inszenierte Coup wurde so genannt
nach dem luxuriösen Hotel Midas in Rom, in dem die ZK-Tagung stattfand
[56] Craxi wurde
1992/93 nach der Aufdeckung der Korruptionsskandale zu insgesamt 26 Jahren
Gefängnis verurteilt und floh nach Tunesien, wo er im Januar 2000 verstarb.
Während des Prozesses kamen auch seine Kontakte zur faschistischen Putschloge
P2 zur Sprache, siehe Ruggeri/Guarini, S. 58 ff.
[57] Spiegel,
Hamburg, Nr. 52/ 1996
[58] Intini, S. 114 ff.
[59] Basso, 1943
Mitbegründer der Proletarischen Einheitsbewegung (MUP) in der ISP, langjähriges
Mitglied der ISP-Führung, Opponent der
Kündigung des Aktionseinheitsabkommens mit der IKP, des Regierungseintritts und des Zusammenschlusses mit der ISDP, 1964
Mitbegründer der PSIUP.
[60] Lusso, seit 1919 in der Arbeiterbewegung aktiv, trat für Aktionseinheit zwischen Sozialisten und Kommunisten sowie für antifaschistische Einheitsfront ein. Nach Verbannung Flucht nach Frankreich, dort 1929 Mitbegründer der Giustizia e Libertà, später der Aktionspartei, aktive Teilnahme an der Resistenza, in Parri-Regierung Staatssekretär, Mitglied der Verfassungsgebenden Versammlung. Nach Auflösung der PdA 1947 Eintritt in die ISP, 1964 Mitbegründer der PSIUP.
[61] PSIUP, 1´ Congresso, S. 551 ff.
[62] PCI. Attraverso i congressi, S. 293 f.
[63] Die von Pino
Rauti, der Nr. 2 der faschistischen Bewegung, gegründete nach SS-Vorbild
aufgebaute Terrororganisation führte, um sich einen linken Anstrich zu geben,
den Namen der Organisation und Zeitung Gramscis, des Vorläufers der IKP.
[64] Ausführlich
Feldbauer, 1996, S. 57 bis 139
[65] Wenzel, Gisela:
Klassenkämpfe und Repression in Italien. Hamburg 1973; passim
[66] Die DP
existierte bis 1991 und gehörte zu den Mitbegründern der neuen KP Rifondazione
Comunista.
[67] Zu Manifesto
siehe Kapitel 2.6.
[68] Congresso del Manifèsto, passim
[69] Abgekürzt nur
PdUP.
[70] 1´ Congresso
del PdUP, Florenz; passim
[71] Life,
New,
[72] Während des
Feldzuges zur Eroberung
Abessiniens ließ Badoglio als
Oberbefehlshaber der Kolonialarmee beim Vormarsch auf Addis Abeba 1936 das Giftgas Yperit einsetzen, das Zehntausende
äthiopische Soldaten tötete.
[73] Nach ihrem
Sitz in Salò am Gardasee
Salò-Republik genannt.
[74] Salerno, Sitz
der Badoglio-Regierung
[75] Partei der
Aktion (PdA). 1943 mit Emilio Lusso und
Ferrucio Parri an der Spitze
entstanden. Siehe Anhang Parteien, Organisationen, Personen bei
Feldbauer 2002, S. 193 ff.
[76] Partito Liberale Italiano (PLI), vor dem Machtantritt des Faschismus 1922 führende bürgerliche
Regierungspartei, begünstigte die
faschistische Machtergreifung, trat in Mussolinis Regierung ein. Als Teilnehmer
an der Resistenza wendete sich die PLI nach Kriegsende gegen eine
antifaschistisch-demokratische Umgestaltung, trat dafür ein, die
vorfaschistischen Zustände wiederherzustellen, und unterstützte den Kurs der
Restauration der kapitalistischen Machtverhältnisse. Begünstigte die
faschistische Nachkriegs-Bewegung und die Beteiligung der MSI an Regierungen.
Mit Zusammenbruch des alten Parteiensystems 1992/93 verschwand die PLI von der politischen Bühne
[77] Gramsci
1955, S. 8
[78] Auch beim
Historischen Kompromiss nicht
berücksichtigt.
[79] Grasmci, 1975, S. 1551. In Gramscis Formulierungen ist
zu sehen, dass ihm im Gefängnis eine „Systematisierung der Gedanken
unmöglich“ war, er sich nur in Vergleichen, Fragmenten und Aphorismen
äußern konnte. S. a. Holz, Hans Heinz: Das
historische Subjekt und der kollektive Wille, Weißenseer Blätter ( WBL)
Berlin, 4/2002.
[80] Togliatti
1977, S. 12 ff. ; Di Nolfo, S. 89 ff.
[81] Longo, Mitbegründer der IKP. Teilnahmer am IV. und
VI. KI-Kongress, seit 1933 Mitglied des EKKI, seit 1927 Mitglied des
Politbüros. Bereitete Aktionseinheitsabkommen mit ISP vor, unterzeichnete es
1934 mit Nenni. In Spanien
Generalinspekteur aller Inter-Brigaden. Seit 1946 stellvertretender
Generalsekretär, seit 1965 Generalsekretär, ab 1972 Vorsitzender der IKP.
[82] la Nostra Lotta, Nr. 5/6, März 1944
[83] Bonomi,
1912 Mitbegründer der Reformistischen Sozialistischen Partei, siehe
Kapitel 1.5
[84] Secchia/Frassati, S. 860 ff.;
Battaglia/Garittano, S. 243 ff.
[85] Secchia/Frassati, passim
[86] Ricostruiere, passim; ausführlich Koppel, S. 94 ff.
[87] Sie fanden
in 5.722 von insgesamt 7.294 Städten und Gemeinden
statt.
[88] Uòmo Qualunque
war bereits im Dezember 1944 von dem
reaktionären Bühnenautor der Salò-Republik Gugliemo Giannini als angeblich vom Faschismus unabhängige Organisation und Zeitung gegründet worden.
[89] Feldbauer
2002, bes. S. 67 ff.
[90] ND.
9./10. Febr. 2002
[91] De Gasperi,
seit 1926 Führer der
Volkspartei, später der DC,
Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, mehrjährige
Kerkerhaft. 1945-1953 Ministerpräsident, Bruch der antifaschistischen
Regierungskoalition durch Vertreibung der IKP und ISP aus dem Kabinett. Setzte
kapitalistische Restauration und Beitritt zur NATO durch. Trat nach Wahlniederlage
der DC 1953 als Regierungschef zurück.
[92] Alf, S. 84
[93] Mailand,
8. März 1975
[94] Italia , S.
335 ff.
[95] Italienische
Sozialbewegung. Es wird, wie bei anderen
Parteinamen auch, durchgängig der deutsche Artikel benutzt
[96] La Rivòlta ideale, Rom, Dezember 1946
[97] Barbieri, S. 24 f. ; Costituzione Italiana,
Turin 1975, S. 101
[98] Ausführlicher
zur MSI-Gründung und ihrem weiteren Werdegang Feldbauer 1996, S. 31 ff.
[99] Ferrera, S. 124 f.
[100] Togliatti 1972, S. 59
[101] Ders.
1977, S. 252
[102] VII´ Congresso del PCI, S. 13 ff.
[103] Italia, S. 427
[104] Canossa, S. 142 ff.
[105] Darunter fiel
der Paragraf 113 des faschistischen Gesetzes über die öffentliche Ordnung aus
dem Jahre 1931, der noch heute in Kraft ist und Grundlage des Einsatzes der
Berlusconi-Polizei und ihrer blutigen faschistischen Ausschreitungen gegen die Proteste während
des G8-Gipfels im Juli 2001 in Genua war
[106] Beyme, Klaus:
Das politische System Italiens, Stuttgart 1970; S. 133 f.
[107] Rinascita, Rom; Nr. 4/ 1947, S. 76 ff.
[108] Storia del PCI, S. 108 ff., 320 ff.
[109] Gossweiler
2002, passim
[110] Brown, passim.
Das Buch des Oxford-Professors und
Direktors des Rußland- und Osteuropa-Zentrums des St. Anthony´s College liefert
aufschlussreiche Informationen über den Werdegang dieses Renegaten der Neuzeit.
S.
a. Held,
passim; ferner UZ 8. Sept. 2000
[111] Gossweiler
1997, S. 323.
[112] Ein Beispiel
dafür ist die Publikation von Hella Kaeselitz; in der die reformistischen
Erscheinungen in der IKP verharmlost und teilweise gar nicht erwähnt werden.
[113] International
Herald Tribune, 5.Nov. 1976
[114] Togliatti 1962,
S. 101 ff.
[115] Gossweiler
1997, passim
[116] Chiarante, S.
78 ff. Der Autor leitete als Mitglied
der IKP-Führung viele Jahre
die theoretischen Zeitschriften „Rinascita“ und „Critica marxista“, trat 1991 der PDS
auf kritischen Positionen bei.
[117] Vgl.
Neubert in MBl 1/1998
[118] Nenni 1954,
bes. S. 78 ff.
[119] Zu
Moro und Mattei siehe . Kapitel 2.7., ferner Feldbauer 2000, bes. S. 14
bis 40
[120] Caprara, passim
[121] Unità, Rom, 28. Sept. 1948; Liberazione, Rom, 28. Sept. 1998
[122] Die
Kommunistische Partei Italiens, S.148
[123] Auf dem
Parteitag löste Berlinguer Longo als Generalsekretär ab. Für den schwerkranken
Longo wurde das Amt des Parteivorsitzenden geschaffen.
[124] Andreotti, führender Vertreter der
rechten DC-Fraktion und der engen Zusammenarbeit mit den USA. 1947
Staatssekretär, mehrfach Minister, siebenmal Ministerpräsident, Senator auf
Lebenszeit. Brachte als Regierungschef 1978 das Regierungsabkommen mit der IKP
zu Fall, lehnte nach der Entführung des DC-Vorsitzenden Moro durch die Roten
Brigaden Verhandlungen mit diesen ab und lieferte den Politiker so dem
angedrohten Tod aus. Nach der Aufdeckung der geheimen NATO-Truppe der
verfassungswidrigen Zusammenarbeit mit dieser und der Verwicklung in
Staatsstreichpläne, der Anstiftung zum Mord und der Mitgliedschaft in der Mafia
beschuldigt, im November 2002 in einem Berufungsverfahren zu 26 Jahren
Gefängnis verurteilt.
[125] Daraus ergibt
sich, dass die IKP bereits zwei Jahre
vor dem Putsch Pinochets die Regierungszusammenarbeit mit der DC ansteuerte,
dieses Ziel mit dem Sturz Allendes allenfalls ein zusätzliches Motiv erhielt.
[126] Unita, 12. Nov. 1971, die Rede ist enthalten in:
Berlinguer, S. 75 ff.
[127] Unita, 14. März 1972
[128] Ebenda, 22. Nov. 1972; Timmermann, S. 77 f.
[129] Rinascita, 28. Sept., 5. u. 12. Okt.
1973; Chiarante, S. 136 ff.
[130] Liberazione,
11. Juni 1999: In Salerno hatte Togliatti die Konzeption der „Wende von
Salerno“ vorgelegt
[131] Almanacco PCI, Rom 1976, S. 30
[132] Seit dem
Putsch Pinochets propagierte die MSI offen eine „chilenische Lösung“ für
Italien.
[133] Liberazione,
11. Juni 1999
[134] Diese
revisionistische Strömung entstand seit Anfang der siebziger Jahre in
einigen KPs der westlichen Länder
(vor allem Italiens, Spaniens, Frankreichs, der Linkspartei Kommunisten
Schwedens).
[135] Gleitende
Lohnscala, mit der die Löhne automatisch an die Inflationsrate angepasst werden
mussten.
[136] Siehe
Kapitel 1.6 und 2.1.
[137] Chiarante, S. 121 ff. Leonhard, S. 205 ff.;
Galli, Giorgio, S. 258 ff.
[138] Corriere della Sera, 15. Juni 1976;
Galli, Giorgio, S. 266 f.; La Rocca, S.
132 f.
[139] Moro, S. 3738 ff.; La Rocca, 143 ff.
[140] Galli, Giorgio, S. 269 ff.
[141] Zitiert in
Raith, Werner: In höherem Auftrag. Der kalkulierte Mord an Aldo Moro.. Berlin
1984, S. 190. Anselmi leitete später die Parlamentskommission zur Untersuchung
der P2, darunter ihrer Rolle bei der Entführung und Ermordung Moros. Auch sie ordnete sich während der
Entführung Moros jedoch dem Kurs Andreottis unter.
[142] Vgl. für eine
komplexe Abhandlung des Themas Feldbauer 2000., passsim
[143] Biscione, S. 139
[144] Sacchi, Giuseppe: Alle Radici dell Articolo
18. Beilage zu Ernesto, Cremona,
2/ 2003
Claudin, Fernando, Zukunft des Eurokommunismus, Berlin
1978, S. 107. Claudin war während des
spanischen Bürgerkrieges Vorsitzender des Jugendverbandes der KP, in der
Emigration lange Jahre Stellvertreter Santiago Carrillos. Wegen
revisionistischer Positionen 1964 aus dem Politbüro und 1965 aus der KP ausgeschlossen.
[146] I Giorni, S. 663. Die Zeitung Manifesto besteht noch heute
[147] De Cesare, Corrado, Il Compagno Massimo
D´Alema, Mailand 1998, S. 29 ff.
[148] Wenzel, passim
[149] Die DP
existierte bis 1991 und gehörte zu den Mitbegründern der neuen KP Rifondazione
Comunista.
[150] Umfangreiche
Beweise dafür liefert Edoardo Novelli mit seiner Arbeit „C´era una Volta il
PCI“. Rom 2000, bes. S. 162 ff.
[151] Unita, 21. Okt. 1976
[152] Ebenda, 14.
März 1977
[153] Der erkrankte
Berlinguer konnte an der Sitzung nicht teilnehmen
[154] Unita,
16./17. März 1977
[155] Panorama, Mailand 2. Dez. 1990
[156] Ausführlich
Flugschrift MBl 14 des Autors „Aldo Moro
und das Bündnis von
Christdemokraten und Kommunisten im
Italien der 70er Jahre“, Essen 2003
[157] La
Repubblica, 14. Okt. 1878, siehe auch Europaarchiv, 22/1979. Der
geniale Stratege Moro ging zweifelsohne davon aus, dass es neben zwei
sozialdemokratischen Parteien (ISP und
ISDP) nicht noch einer solchen dritten bedurfte und die IKP ihr
„eurokommunistisches Profil“ wahren sollte.
[158] Biscione, passim
[159] Flamigni 1993, S. 41. Neue Beweise dazu legte la Liberazione in einem Beitrag „Der Oberst des SISMI (Militärischer
Geheimdienst) in der Via Fani“ (Ort der Entführung Moros) am 14. Mai 2002 vor. In einer weiteren, am 12. März
2003 veröffentlichten Recherche „Der Fall Moro - die Aufdeckung der Wahrheit“
wurde u. a. die Beteiligung von Gladio am
Komplott gegen Moro nachgewiesen.
Zum Fall Moro siehe Feldbauer 2000, passim.
[160] So
verhandelten nach der Entführung
des stellvertretenden Oberbefehlshaber der NATO-Landstreikräfte
Südeuropa General James Lee Dozier 1981 durch die RB die Geheimdienste und bereiteten inzwischen
zur Befreiung eine Militäraktion vor, an der die Mafia
mitwirkte. Flamigni
1993, S. 313
[161] Unita, 25.
April 1978; Fassanella/Sestrieri,
passim
[162] Unita,
31. März bis 3. April 1979
[163] Flamigni, 1996, passim; Losano, S. 70 ff.;
Ruggeri/Guarino, S. 58 ff.
[164] Liberazione, 11. Juni 1999
[165] Unter
Occhetto, seit 1988 Generalsekretär, erfolgte die Umwandlung der IKP in die
Partei der Demokratischen Linken (PDS), deren
Sekretär er bis 1996 war. Massimo D´Alema wude
Occhettos Nachfolger. Ausführlich
Feldbauer 2002, S. 113 ff.
[166] Berlinguer
wurde nach dem Herrzinfarkt zunächst in sein Hotel und erst später in eine Spezialklinik zu einer
Gehirnoperation gebracht.. In der IKP wurden mehrfach Stimmen laut, das habe seinen Tod
begünstigt.
[167] Galli, Giorgio, S. 303 f..
[168] CISL und UIL
kamen zusammen kaum auf drei Millionen Mitglieder
[169] Natta trat
offiziell nach einem Herzinfarkt zurück. Als wesentlicher politischer Grund
wurde jedoch die neue Wahlniederlage der IKP gesehen, die 1987 erneut fast drei Prozent verlor und auf 26,6
Prozent absank. Siehe Galli, Giorgio, S. 308
[170] Unita,
14. Juni 1988
[171] Repùbblica, 23. März 1989
[172] Unità, 10. und 24. Dez. 1989; Fasanella/Martini, S. 146 ff.
[173] Unità, 8. Jan. 1990; D’Alema, S. 7
[174] Panorama, 24. März 1991; Ciofi, S. 80 ff.
[175] Documenti del 46´ Congresso del PSI, Relazione
indrottiva, Rom 1992; S. 43. Galli,
Giorgio, S. 311 ff.
[176] Süddeutsche
Zeitung, München, 25. Juli 1990
[177] Parteiarchiv
der PRC
[178] Rifondazione,
von rifondere, neu begründen, umschmelzen, umarbeiten, umgestalten.
[179] Parteiarchiv
der PRC
[180] Dem früheren
Zentralkomitee entsprechend
[181] Ausführliche
dazu jW-Serie des Autors 29. und 30.
Okt. 1998
[182] Auch aus der
früheren DP und der PdUP waren beispielsweise widersprüchliche
und einer marxistisch-leninistischen Orientierung zu wider laufende Positionen
eingebracht worden. In der DP war zwar
der revisionistische Kurs der KPdSU, aber
generell auch das Sozialismusmodell der UdSSR und der osteuropäischen
Staaten abgelehnt worden.
[183] Die PDS
hatte 1999 nochmals ihren Parteinamen in
Democratici di Sinistra (Linksdemokraten) geändert
[184] Das konnte
allerdings nichts anderes als die Anerkennung der revisionistischen
Standpunkte der DS bedeuten.
[185] Liberazione (Sonderausgabe),
21. Jan. 2001
[186] Nach dem von
Berlusconi 1993 durchgepeitschten reaktionären Wahlrecht werden 75 Prozent der
Parlamentarier direkt gewählt, was zur Folge hat, dass Kandidaten hier meist
nur über Koalitionen durchgebracht werden können.
[187] Liberazione, 15. bis 17. Mai 2001
[188] Zur weiteren
Entwicklung der PRC siehe Kapitel 2.13
[189] Unita, 18. Mai 1994; zur Umwandlung der MSI in AN siehe
Feldbauer 1996, S. 176 ff.
[190] Fini, Jahrgang 1952, seit Dezember
1987 fast ununterbrochen an der Spitze
der MSI. Kein Altfaschist, aber durch die Schule der Mussolini-Nachfolgepartei
gegangen, Leiter ihrer Parteijugend, die eine herausragende Rolle im
Terrorapparat der Bewegung spielte. Almirante wählte ihn persönlich zu seinem
Nachfolger aus. Wandelte die MSI, um ihr ein demokratisches Aushängeschild zu
verschaffen, 1994/95 formell in die AN um. Vor den Wahlen 1994
Eintritt in die Koalition Berlusconis; nach deren Wahlsieg (AN 13,4 Prozent)
erstmals nach 1945 Aufnahme der Faschisten in eine Regierung. Zu den Wahlen
2001 erneut Koalition mit Berlusconis Forza Italia und der rassistischen Lega
Nord. Nach deren Wahlsieg wiederum Eintritt in Regierung, Fini als Vizepremier.
Januar 2002 Delegierung als Regierungsvertreter in den Reformkonvent der
EU. Erhebt Anspruch auf Amt des
Regierungschefs oder des
Staatspräsidenten.
[191] Liberazione, 25. Juni 1997, Feldbauer 2002, S. 136 ff.
[192] Martini/Locatelli, S. 117 ff.
[193] Von
Berlusconi 1993 mit Managern seiner Fininvest-Holding an der Spitze formierte
Partei Forza Italia, so benannt nach dem Schlachtruf des Berlusconieigenen
Fußballklubs AC Miland.. Zu ihrem faschistoiden Charakter siehe Losano, passim
[194] Le Monde diplomatique, Paris ; Okt. 2001
[195] Liberazione, 18. Okt. 2001; Costituzione, S. X ff.
[196] Zwar setzte er
mit der postumen Auszeichnung während der Resistenza gefallener Partisanen und
Gemeinden mit herausragenden Verdiensten
antifaschistische Akzente, rief
aber gleichzeitig zu „Toleranz und gegenseitigem Respekt“ und damit zur
Zusammenarbeit von Regierung und Opposition auf, um „die anstehenden Probleme
gemeinsam zu lösen“. Repubblica, 26. April 2003; Liberazione, 26. April, 2. Mai 2003; ND, 2. Mai 2003
[197]
Ruggeri/Guarino, passim; Inzwischen mussten die Imunitätsverordnungen
gelockert und Previti angeklagt werden. Ende April 2003 verurteilte ein
Mailänder Gericht ihn wegen der Bestechung römischer Richter zu elf Jahren
Gefängnis. Repubblica, 30. April 2003
[198] Liberazione, 21.
Jan. und 15. Mai 2001
[199] Ebenda, 17. bis 21. Nov. 2001
[200] D´ Alema, S. 7
[201] Der im Januar
2003 verstorbene Gianni Agnelli visierte
bereits seit Anfang 2002 nach Auseinandersetzungen mit Berlusconi einen erneuten Wechsel auf die
Seite der linken Mitte an. Siehe Beitrag des Autors in jW 10. März 2003; ferner
Kapitel 2.13
[202] 1994 hatte die
Partei einmal 850.000 Mitglieder angegeben.
[203] Rutelli,
früherer Grünenpolitiker, gehört seit
Gründung der Demokratischen Partei durch Roman Prodi 1999 deren Führung an
[204] Le Monde, Paris, 11. Jan. 2002
[205] Liberazione, 19., 23., 28. Mai 2002
[206] Ebenda, 13. April 2002
[207] RotFuchs
, Dez.
2002
[208] Da das
Aktionseinheitsprojekt von der
DS-Führung ignoriert wird, untersetzte
es Bertinotti nach dem ESF in Florenz
durch den Vorschlag einer
„Neukonstrukturierung der Linken“ in Gestalt der PRC, der PdCI, der linken Basismehrheit der DS und weiterer
sozialer Gruppierungen der Anti-Globalisierungs-Bewegung. Bertinotti
denkt dabei auch an einen gemeinsamen Antritt zur nächsten Parlamentswahl, wenn
er davon spricht, diese Linke könnte 15 bis 20 Prozent Stimmen erreichen. RotFuchs,
60/2003
[209] Liberazione, 5. bis 8. April;
RotFuchs, 52, 55/ 2002
[210] Eine von ihr
auf dem 5. Parteitag eingebrachte Resolution erhielt 13,7 Prozent der Stimmen.
Zur Einschätzung ihrer Linie auf dem Kongress siehe Maitan in Interprekorr, Basel,
368/2002. Zu den Kernsätzen ihrer trotzkistischen Ideologie gehört die These
vom „Stalinismus“ und seine Gleichsetzung mit der sozialistischen
Gesellschaftsordnung in der UdSSR. Vor einer Pauschalisierung ihrer Haltung
muss man sich jedoch hüten und positive Ansatzpunkte nicht übersehen. So konnte
zum Beispiel Bertinotti 1998 die Aufkündigung der parlamentarischen Koalition
mit der linken Mitte nur mit den Stimmen
der Trotzkisten im Politischen Komitee durchsetzen.
[211] Aginform, Foglio di Corrispondenza
comunista, Rom, Nr. 24/2002 und folgende Ausgaben.
[212] Kommunistische
Zeitschrift Ernesto, Cremona,
erscheint monatlich. In ihr schreiben auch Vertreter der linken DS-Strömung,
die für eine neue Aktionseinheit eintreten.
[213] 2000 erschien
von Bertinotti in Mailand unter dem
Titel „Le Idee che non muoiono“ (Ideen, die nicht sterben) ein
entsprechendes Buch
[214] An der Spitze
des FIAT-Imperiums steht nach dem Tod Giovanni Agnellis im Januar 2003 dessen
Bruder Umberto.
[215] Zur FIAT-Krise
siehe Beitrag des Autors in jW 10. März 2003
[216] Anlass für einen Positionswechsel der Agnellis gaben die Versuche Berlusconis, den alten Industrieadel um den FIAT-Clan auszuschalten und sich die alleinige Führung des Kapitals zu sichern, was erstmals im Januar 2002 mit dem Rücktritt des parteilosen Außenministers Renato Ruggiero, eines Mannes der Agnellis, sichtbar wurde. Ruggerio reagierte damit auf die Weigerung Berlusconis, einen Beitrag zu dem A400M Großraumtransporter der künftigen EU-Streitmacht zu leisten, um FIAT-Aviazione das Geschäft zu vermasseln. Den Hintergrund bildet, dass Berlusconi selbst ins Rüstungsgeschäft einsteigen will.. Die FAZ veranlasste das am 4. Juni 2002 Berlusconi zu warnen, keinen „ Zweispalt im Unternehmerlager“ zu provozieren.
[217] Interview des
Autors mit dem Vorsitzenden des Politischen Komitees der PRC, Stefano
Zuccherini, UZ 16. Aug. 2002
[218] Cofferati
spielt auch mit dem Gedanken, eine eigene linke Partei zu gründen, die Zulauf
von der DS-Basis, aus den
Gewerkschaften, besonders der
CGIL, den Globalisierungsgegnern,
der PdCI und auch der reformistischen Kräfte in der PRC erhalten könnte. Sie
würde die PRC schwächen und möglicherweise bei den nächsten Wahlen ihre
Vertretung im Parlament gefährden. Sie dazu Penelope, passim
[219] Es handelt
sich hier um keine umfassende Analyse, sondern um die gedrängte Darlegung
wesentlicher Aspekte.
[220] Lenin, Bd. 5,
S. 396
[221] Gysi, Gregor:
Ein Blick zurück, ein Schritt nach vorn. Hamburg 2001, S. 42 f.
[222] In einem der
insgesamt sechs Verfahren wurde er angeklagt, 600 Millionen Dollar der
Bestechungsgelder auf geheimen Konten im Ausland angelegt zu haben.
[223] ND, 22. Jan. 1999
[224] Frank Flegel
in Offensiv, 1/2002
[225] Unter diesem
Gesichtspunkt war offensichtlich bereits ein Beitrag im RotFuchs 29/2000
unter der Überschrift „Neue 20-Prozent-Partei?“ zu sehen
[226] Von vielen
Berichten in der UZ sei ein
Interview mit dem damaligen Präsidiumsmitglied Ingrid Schuster angeführt, in
dem in der Überschrift gefragt wurde: „Bringt ‚starker Reformismus’ Italiens
Kommunisten voran? Ohne Distanz wurde darin in wesentlichen Fragen die Meinung
des IKP-Generalsekretärs Occhetto zu den Zielen der im Gang befindlichen
Umwandlung der IKP in eine sozialdemokratische Partei wiedergegeben. Ausgabe
vom 7. April 1989
[227] Gossweiler
1997, S. 322
[228] Tocher des
verstorbenen früheren Mitglieds des
Politbüros der SED Kurt Hager
[229] Sein voller
Titel lautet „Erste Grundlagen zur Diskussion und Erarbeitung eines
Programmentwurfs“: DKP-Informationen Extra, 16./17. Febr. 2002
[230] Hier ist
besonders die leidenschaftliche
internationalistische Solidarität mit Kuba hervorzuheben
[231] Ausführlich
dazu die Analyse, die Norbert Pauligk zu
dem Programmentwurf in RotFuchs 54, 55 u. 57/2002 vorgelegt hat.
[232] Hier wird, wie
bereits erwähnt, völlig ein wesentlicher
Faktor, der zur Mutation der SED, später PDS, zu einer Partei
sozialdemokratischen Typs führte, negiert. Das Zulassen eines Mitteldings
zwischen bürgerlicher und sozialistischer Ideologie, das es nicht gibt. Lenin, Bd. 5, S. 396. .
[233] Dieter
Itzerott in RotFuchs 30/ 2000
[234] Siehe
Konferenzmaterialien „Auferstanden aus Ruinen“; Hg. Frank Flegel, Offensiv,
Hannover, Jan. 2000, passim
[235] Siehe dazu
ausführlichen Beitrag des Autors in Roter Brandenburger 11-12/1999. Eine
Reaktion aus dem DKP-Vorstand oder der UZ dazu gab es nicht.
[236] UZ, 12.
Juni 2002
[237] Siehe Kapitel
2.13
[238] Gemeint ist
die zweifellos bedeutsame und unterstützenswerte, zugleich aber
klassenheterogene und ideologieindifferente Widerstandsfront gegen G7, Weltbank, IWF usw., die zum Maßstab aller
Dinge erhoben wird.
[239] Ausführlich
setzte sich der RotFuchs 55/2002 mit dieser in der UZ wiedergegebenen
„Neuauflage von Bernstein“ auseinander.
[240] Siehe Kapitel
2.13
[241] UZ, 2. Aug. 2002
[242] Ebenda, 16.
Aug. 2002
[243] Die 11
Forderungen wurden sogar als „spalterischer“ Vorstoß durch einen PV-Beschluss
zurückgewiesen. In einem vom 16. Parteitag verabschiedeten „Ostpapier“ wurden
jetzt auf Grund der massiven Kritik an der Ablehnung stillschweigend manche der 11 Forderungen übernommen.
[244] Ausführlich
dazu Beitrag des Autors in RotFuchs 24/2000
[245] Das sollte
ohne jede finanzielle Belastung für die UZ-Redaktion erfolgen
[246] Inzwischen
veranstaltet der RotFuchs Leserversammlungen mit über 200 Teilnehmern, wie die
zweite derartige Veranstaltung im
Februar 2003 in Berlin zeigte.
RotFuchs 61/2003
[247] Hier sei als
Beispiel auf das Wirken des evang.-luth. Theologen Peter Franz verwiesen, der
öfter im RotFuchs publiziert. Zuletzt
63/2003
[248] Ausführlich
zum Verein und seiner Entwicklung siehe „Der RotFuchs stellt sich vor“;
Satzung des „RotFuchs“-Fördervereins e.
V.; Referat Klaus Steingers auf der 2. Leserkonferenz im Februar 2002 in
Berlin. Alle Dokumente bei Armin Neumann, Versand und Vertrieb des RotFuchs.
Ferner RotFuchs 46/2002 und. 64/2003
[249] Holz hatte
Professuren an den Universitäten von
Marburg und im Niederländischen Gronningen inne, lebt heute in der Schweiz.
[250] Auszüge in RotFuchs
57/2002. Der Vorschlag von Holz/Köbele, der nicht als DKP-Informationsmaterial
angeboten wurde, konnte bei Patrick Köbele angefordert werden.
[251] Holz/Köbele in RotFuchs
58/2002
[252] Zum 16.
Parteitag siehe DKP-Informationen
1/2003, RotFuchs 59/2002, Offensiv 1/2003
[253] RotFuchs,
59/2002
[254] Nochmals die
bereits zitierten Hinwreise Lenins in , Bd. 5, S. 396
[255] Selbstredend
geht es hier nicht um den gegenwärtig
für die Zerschlagung des „Sozialstaates“ missbrauchten Begriff von
„Reformen“:
[256] Davon zeugen
zahlreiche Beiträge in 25 Werken
der 40bändigen DDR-Ausgabe.
Siehe Registerband „Kompromisse in der Politik“,
S. 337; „Blocks und Abkommen“ , S. 99 f.
[257] Bd. 30, S. 485; 31, S. 22
[258] Grasmci 1975, S. 1551. S. a.
Holz, Hans Heinz: Das historische Subjekt und der kollektive Wille, Weißenseer Blätter ( WBL) Berlin, 4/2002.
[259] Siehe Kapitel
2.1.
[260] MBl, 5/1995, S. 30