Zeitschrift für Sozialismus und Frieden                                                                                        7/03

Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik e.V.

Spendenempfehlung: 1,60 E                                                                                                                    

 

Zum

Opportunismus

in der kommunistischen

und sozialistischen Bewegung Italiens

 

Von den Anfängen bis in die Gegenwart

 

Erfahrungen

für deutsche Kommunisten und Sozialisten

 

Von

Gerhard Feldbauer

 

  Redaktionsnotiz

  Vorwort

1. Die sozialistische Bewegung

  1. 1. Von Livorno nach Rimini

  1.2. Geburtswehen - Mazzini und Bakunin

  1.3. Die Gründung der Sozialistischen Partei

  1.4. Der Einfluss des Katholizismus

  1.5. Die Reformisten

  1.6.  Gramsci und die Neue Ordnung

  1.7. Sozialisten im antifaschistischen Widerstand

  1.8. Übergang zur  Klassenzusammenarbeit

  1.9. Alternativen revolutionärer Sozialisten

Die kommunistische Bewegung

  2.1. Togliattis Wende von Salerno

  2.2. USA-Allianz mit den Faschisten

  2.3 Die Nachkriegsstrategie der IKP

  2.4. Verhängnisvoller Einfluss des XX. KPdSU-Parteitages

  2.5. Der Historische Kompromiss

  2.6. Widerstand an der Basis

  2.7. IKP-Partner Aldo Moro

  2.8. Ergebnis: reaktionäre Wende

  2.9. IKP mutiert zur Sozialdemokratie

  2.10. Rifondazione Comunista - die neue KP

  2.11. Reformismus begünstigt faschistische Gefahr

  2.12. Linksdemokraten vor Scherbenhaufen

  2.13. Werden die alten Fehler wiederholt?

3. Deutsche Kommunisten und Sozialisten nach der Niederlage von 1989/90

  3.1. Die PDS, ein Sprössling des Revisionismus

  3.2. Opportunistische Erscheinungen in der DKP

  3.3. Zum 16. Parteitag der DKP

  3.4. Grundsätze für Bündnisse

  Ausgewählte Literatur


 

Redaktionsnotiz

Wir freuen uns, hiermit zwei (in der Webausgabe in einem Heft) Sonderhefte von Gerhard Feldbauer vorlegen zu können. Es geht um die Situation in Italien – aber nicht nur um sie: Es ist unserem Autor wichtig, aus der Geschichte und aus dem Beispiel zu lernen. Deshalb hat er sich die Mühe gemacht, die vorliegende Arbeit zu verfassen.

Wir hoffen auf anregende Lektüre, gute Diskussionen in den Basisgruppen – und interessante Zuschriften an uns.

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                                                                                                                     Redaktion Offensiv, Hannover

 

 

Vorwort

Der beim Übergang ins imperialistische Stadium des Kapitalismus in der Arbeiter-bewegung entstehende Opportunismus führte zur Aufgabe des Klassenstandpunktes und des Klassenkampfes in den sozialdemokratischen Parteien, zur Anpassung an die Politik der Bourgeoisie und der Unterordnung der Arbeiterklasse und ihrer Interessen unter diese. [1] Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges gingen die Parteien der Zweiten Internationale, ausgenommen die Bolschewiki und mit Einschränkungen die italienischen Sozialisten, offen ins Lager ihrer Bourgeoisie über und wurden nach dem Krieg zu einer Stütze - in Deutschland zu der entscheidenden[2] - bei der Niederschlagung der Revolution, der Abschirmung des Einflusses der Oktoberrevolution und der Wiederherstellung der erschütterten Macht des Imperialismus, der die rechten sozialdemokratischen Führungen von nun an in seinen Herrschaftsmechanismus einbezog. Als Antwort auf den Zusammenbruch der Zweiten Internationale entstand die kommunistische Weltbewegung.

Nach dem zweiten Weltkrieg schränkte das Entstehen neuer sozialistischer Staaten, die gewachsene Kampfkraft der Arbeiterbewegung in den Ländern des Kapitals und der stürmische Aufschwung der nationalen Befreiungsbewegung die politisch-geografische Sphäre des Imperialismus weiter ein. In einer regierungsoffiziellen amerikanischen Studie dieser Zeit hieß es: „Die Integrität und Lebenskraft unseres Systems ist in größerer Gefahr als zu jedem anderen Zeitpunkt unserer Geschichte.“ Die späteren antisozialistischen Strategien, die den nunmehr auch in den kommunistischen Parteien entstehenden Revisionismus einbezogen, nahmen ihren Ausgangspunkt bereits in der Zeit der Anti-Hitlerkoalition, welche die Alliierten als „bloßes Not- und Zweckbündnis“ betrachteten. Schon innerhalb ihrer Zusammenarbeit mit der UdSSR verloren sie „die primär antisozialistischen  Interessen des englischen bzw. amerikanischen Imperialismus nie aus dem Auge.“[3] Die USA und Großbritannien verbündeten sich dort, wo ihre Armeen einrückten, mit der inneren Reaktion und scheuten auch nicht vor der blutigen Unterdrückung der revolutionären Bewegung zurück. In Griechenland gingen die britischen Truppen, unerstützt von den USA, gegen die von den Kommunisten geführten antifaschistischen Kräfte vor, welche die Hauptlast im Kampf gegen die faschistischen Okkupanten getragen hatten.

In dieser Situation fand der Revisionismus „seinen Nährboden nicht nur in der sozialdemokratischen ‚bürgerlichen’ sondern auch in der kommunistischen Arbeiter-bewegung, die regierenden kommunistischen Parteien eingeschlossen.“[4] In neuen Erscheinungsformen (moderner Revisionismus) wurde  er nicht nur zu einer entscheidenden, sondern  in der mit dem XX. Parteitag der KPdSU einsetzenden  Entwicklung zu der überhaupt  entscheidenden Kraft, die es dem Imperialismus ermöglichte, dem Sozialismus 1989/90 die bis dahin in der Geschichte schwerste Niederlage zu bereiten. Dem Zusammenbruch der II. Internationale vergleichbar ging eine Mehrheit der in den sozialistischen Staaten Europas bis dahin an der Macht befindlichen  kommunistischen und Arbeiterparteien unter dem Einfluss ihrer revisionistischen Strömungen in dieser Situation zum Verrat an der kommunistischen Bewegung und in der Folgezeit auf sozialdemokratische Positionen über, wechselten Teile  auch offen ins bürgerliche Parteienlager. Die Niederlage des Sozialismus in Europa ist jedoch nicht nur eine dieser Parteien an der Macht, sondern der gesamten internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung. Die Ursachen dieser Niederlage  zu analysieren, die Lehren daraus zu ziehen, die Kräfte für einen neuen sozialistischen Anlauf zu formieren erfordert,  das entscheidende Kettenglied - den Opportunismus und besonders seine rechten Erscheinungsformen, den Revisionismus und Reformismus, zu erfassen und den Kampf gegen ihn entschieden zu führen.

Der kurze Abriss über die italienische Arbeiterbewegung will zu einer notwendigen umfassenderen Untersuchung der Folgen der von der KPdSU ausgehenden revisionistischen Entwicklung in der kommunistischen Weltbewegung am Beispiel der IKP beitragen. Keine andere KP im westlichen Lager hat sich angesichts der Niederlage des Sozialismus  in Europa derart von ihrer kommunistischen Vergangenheit losgesagt und ist völlig auf Positionen der Sozialdemokratie der Neuzeit übergegangen wie die IKP. Mit der Losung von der „Heimkehr zur Sozialdemokratie“ schlossen sich die Initiatoren dieser Mutation der von den „Siegern der Geschichte“ kreierten These an, die kommunistische Bewegung sei ein „Irrweg“ gewesen.

Ausgehend von dem Prinzip, internationale Erfahrungen für die eigene Arbeit zu nutzen, wird im 3. Kapitel auf einige Aspekte des Wirkens des Opportunismus in der deutschen kommunistischen Bewegung nach der Niederlage von 1989/90 eingegangen.[5] Die Schrift versteht sich als eine theoretische Abhandlung.

1. Die sozialistische Bewegung

1. 1. Von Livorno nach Rimini

Die italienische Stadt Rimini an der Adriaküste erlangte 1991 traurige Berühmtheit. Sie ging als italienisches Bad Godesberg in die Geschichte der Arbeiterbewegung ein. Am 31. Januar begann dort der 20. Parteitag der Italienischen Kommunistischen Partei. Zehn Tage vorher, am 21. Januar, war die einst von Antonio Gramsci,[6] Palmiro Togliatti[7] und weiteren revolutionären Sozialisten in Livorno gegründete Partei 70 Jahre alt geworden. Der Kongress, der am 3. Februar zu Ende ging, wurde ihr letzter. Eine revisionistische Zweidrittel-Mehrheit beschloss, die IKP in eine Demokratische Partei der Linken (Partito Democratico della Sinistra) umzutaufen. Faktisch handelte es sich um eine Auflösung. Die Prozedur der Umbenennung wurde vor allem aus juristischen Gründen gewählt, um den Organisatoren einer bereits angekündigten KP-Neugründung die Nachfolgerechte auf das beträchtliche Parteivermögen und die Parteiinsignien Hammer und Sichel zu verwehren.

Der Untergang der IKP ist  nicht, wie gern behauptet, ein Ergebnis der Niederlage des Sozialismus, sondern (wie im Kapitel 2.9 nachgewiesen wird) Folge der opportunistischen  Politik, die seit Mitte der 50er Jahre  von der Führung der KPdSU ausgehend auf die anderer kommunistischer Parteien übergriff. In seinem Buch „Wider den Revisionismus“ schrieb Kurt Gossweiler: „Der Ausgang des zweiten Weltkrieges hat nicht nur die Möglichkeiten für weitere Erfolge des revolutionären Weltprozesses gewaltig erweitert; er hat zugleich Bedingungen geschaffen, die sich in unerwarteter Weise als neue Einfallstore für das Eindringen bürgerlicher Ideologie - vor allem in Gestalt des ,modernen Revisionismus’ - in die  kommunistische Bewegung, sogar und gerade in deren führende Parteien, erweisen sollten.“[8] Wie Gossweiler darlegt, beginnt diese verhängnisvolle Entwicklung mit dem von Chruschtschow eingeschlagenen abenteuerlichen, subjektivistischen und von Wunschdenken geprägtem Kurs, der in der Außenpolitik zur Verfälschung der Politik der friedlichen Koexistenz und zur katastrophalen Unterschätzung  der Hauptmacht des unverändert aggressiven und auf eine Chance zur Niederschlagung des Sozialismus lauernden Imperialismus führte. Unter Chruschtschow beginnt der Weg, der, wenn auch nach seiner Absetzung als Parteichef noch mit Einschnitten, zwei Jahrzehnte später den Verräter Gorbatschow an die Spitze der KPdSU bringt, den Mann, der den Weg des offenen Verrats und der Auslieferung der UdSSR und ihrer Verbündeten an den Klassenfeind beschreitet.[9] Bezeichnend ist, was Willy Brandt 1985 nach einer Begegnung mit Gorbatschow in Moskau sagte: „Ich habe in meinem Leben schon viel gesehen, aber noch nie einen Antikommunisten an der Spitze des Kreml.“[10]

Der in der KPdSU um sich greifende Revisionismus wirkte sich nicht nur in verhängnisvoller Weise in den kommunistischen Parteien an der Macht aus, sondern ebenso in denen der Länder des Kapitals. Ein Beispiel dafür ist  in den 70er Jahren das Entstehen des sogenannten Eurokommunismus, zu dessen führenden Protagonisten die IKP unter Enrico Berlinguer[11] aufstieg.

Was machte die IKP, die nach dem Zweiten Weltkrieg die zahlenmäßig stärkste und politisch einflussreichste KP der kapitalistischen Industriestaaten verkörperte, in besonderer Weise anfällig für revisionistische Versuchungen? Ein Blick in die Geschichte der IKP zeigt, dass für die Politik und Strategie der Partei an sich charakteristische positive Faktoren auch negative Aspekte hervorbrachten. Das betrifft insbesondere das Verhältnis zur ISP und die Wertung der antifaschistischen Einheitsregierung von 1944 bis 1947. Lange Zeit überdeckte diesen Prozess jener der italienischen Arbeiterbewegung innewohnende, in ihrer Entstehung wurzelnde kämpferische Geist, der zu den Grundlagen ihres entscheidenden Beitrages zum siegreichen Widerstand gegen Mussolini und die deutsche Besatzung gehörte.[12]   

1.2. Geburtswehen - Mazzini und Bakunin                 

Die italienische Arbeiterbewegung formierte sich seit Anfang der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts in einem komplizierten Prozess der Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Ideologie, darunter revisionistischen Erscheinungen. Das war für alle Länder im Entstehungsstadium der Arbeiterbewegung  in dieser Zeit mehr oder weniger charakteristisch, zeigte jedoch in Italien einige spezifische Züge. Dazu zählt  zunächst der unterschiedliche Einfluss der beiden Führer der nationalen Einigungsbewegung und der bürgerlichen Revolution von 1848/49 Giuseppe Mazzini und Giuseppe Garibaldi, deren Anhänger in beträchtlicher Zahl zur Arbeiterbewegung stießen bzw. mit ihr sympathisierten.[13] Während Garibaldi Marx’ Inauguraladresse, die zur einigenden Plattform der bestehenden Strömungen in der internationalen Arbeiterbewegung wurde, als „Sonne der Zukunft“ begrüßte und der Kommune öffentlich seine Sympathie bekundete, [14] lehnte Mazzini die 1864 von Marx und Engels gegründete Internationale Arbeiterassoziation ebenso wie die Kommune ab und trat stattdessen in der Arbeiterbewegung für die Klassenzusammenarbeit mit der Bourgeoisie ein. Ausdrücklich akzeptierte er „die bürgerliche Demokratie, die den Arbeitern politische Rechte anbietet, um die sozialen Privilegien der mittleren und oberen Klassen aufrechtzuerhalten“. Gegen den „gott- und vaterlandslosen“ Generalrat der IAA führte er einen unerbittlichen politischen Feldzug.[15] 

Großen Einfluss auf die frühe italienische Arbeiterbewegung übte der russische Revolutionär und spätere Anarchist Michail Bakunin aus, der aufgrund seiner Teilnahme an Brennpunkten der bürgerlichen Revolutionen 1848/49 in Europa - er war unter anderem militärischer Leiter des Dresdener Aufstandes im Mai 1849  - großes Ansehen genoss. Als ihm nach sechsjähriger Haft in Petersburg und anschließender Verbannung nach Sibirien  1861 die Flucht gelang, begab er sich nach  London, wo er Marx kennen lernte und zu ihm  freundschaftliche Beziehungen unterhielt. Als Bakunin  sich entschied, nach Italien zu gehen, bat Marx ihn, dort die IAA zu vertreten. In Italien, wo er sich von 1864 bis 1867 aufhielt, begann Bakunin sich zum führenden Anarchisten zu entwickeln. Bis 1870 arbeitete er seine anarchistische Konzeption aus, die er in den Werken „Staatlichkeit und Anarchie“ und „Gott und der Staat“ zusammenfasste.[16] Mit der Losung von der Zerstörung „jeglicher politischer Macht“ wandte er sich gegen die Errichtung der Diktatur des Proletariats. Als entscheidende revolutionäre Kräfte betrachtete Bakunin die bäuerlichen Massen und das Lumpenproletariat. Diesen Standpunkt verfocht er in der Internationale und versuchte, deren Führung zu erringen. Zur Durchsetzung ihrer Linie schufen die Bakunisten innerhalb der IAA eine geheime Organisation „Allianz der sozialistischen Demokratie“. Nachdem die Bakunisten sich weigerten, einem Beschlusses des Generalrates zu deren  Auflösung nachzukommen, schloss der Haager Kongress 1872 Bakunin und seine Parteigänger wegen statutenwidriger Fraktionstätigkeit aus der Internationale aus.

Trotzdem blieb der Bakunismus noch längere Zeit die politisch und organisatorisch vorherrschende Strömung in der italienischen Arbeiterbewegung.  Die 1874 bestehenden 129 Organisationen mit über 26.000 Mitgliedern  bildeten eine der stärksten Vertretungen der Internationale. In ihr wie auch in Spanien beherrschten die Anhänger Bakunins „eine Zeit lang tatsächlich die Arbeiterbewegung“, schrieb Engels, was die Verbreitung des Marxismus außerordentlich erschwerte.[17] Erst als 1874 und 1877 zwei Aufstandsversuche der Anarchisten scheiterten, begann der Einfluss der Bakunisten zurückzugehen. Dass Bakunin in seinen letzten Lebensjahren mehrfach Gedanken äußerte, die seinen früheren  anarchistischen Gedanken über Aufstand und Revolution um jeden Preis zuwider liefen, und er selbst seine ablehnende Haltung zu Marx´ Theorie der Partei und der Spontaneität in Frage stellte, wurde zu dieser Zeit in Italien nicht bekannt.[18] Ungeachtet der negativen Seiten des Einflusses Bakunins  hat Franz Mehring ihn nach seinem Tod am 1. Juli 1876 als Revolutionär und Anarchisten gewürdigt, der für die Arbeiterklasse „so tapfer gekämpft und so schwer gelitten hat“ und geschrieben, „bei all seinen Fehlern und Schwächen wird ihm die Geschichte einen Ehrenplatz unter den Vorkämpfern des internationalen Proletariats sichern.“[19] 

Auch nach der vorherrschenden Durchsetzung des Marxismus in der italienischen Arbeiterbewegung blieb eine beträchtliche anarchistische Strömung bestehen, aus der neben negativen politisch-ideologischen Aspekten auch eine kämpferische Komponente resultierte, wie sie sich vor dem ersten Weltkrieg am Beispiel der anarcho-syndikalistischen Fraktion in der ISP zeigte. Anarchisten bezogen in nicht wenigen Fragen antiimperialistische und vor allem Antikriegs- sowie nach der Errichtung der Mussolini- Diktatur antifaschistische Positionen. Es ist eine Haltung, die auch in den Kämpfen nach 1945, darunter in der 68er Bewegung sichtbar wird und sich zuletzt in der Teilnahme von Anarchisten an den Anti-Globalisierungs-Aktionen in Genua zeigt.

1.3. Die Gründung der Sozialistischen Partei

Auf die Auseinandersetzung mit dem Bakunismus wie mit dem Reformismus nahm Friedrich Engels, der seit 1871 die Funktion des Korrespondierenden Sekretärs des Generalrates für Italien wahrnahm, persönlich Einfluss. Einbezogen wurden nunmehr auch die vorher vernachlässigten, industriell fortgeschrittenen Regionen des Nordens, die Lombardei und Piemont. 1892 schlossen sich auf dem Sozialistenkongress in Genua  die verschiedenen norditalienischen Organisationen zur einheitlichen Partei der Italienischen Arbeiter zusammen, die  1893 den Namen Italienische Sozialistische Partei annahm. Die italienischen Sozialisten waren in Italien die ersten, die eine gesamtnationale Partei schufen. Eine bedeutende Rolle spielten bei ihrer Gründung Filippo Turati  [20] und Antonio Labriola. [21]  

Das Parteiprogramm der ISP, das die Inbesitznahme der Produktionsmittel (Arbeitsmittel) durch die Arbeiter als Voraussetzung ihrer Befreiung forderte, trug grundsätzlich marxistischen Charakter. Turati ignorierte jedoch die Kritik von Marx am Gothaer Programm der deutschen Sozialdemokratie, was dazu führte, dass der Weg zur politischen Machtergreifung ausgeklammert wurde. Eine weitere Gefahrenquelle bildete das völlige Fehlen der Bündnisfrage. Unter der „herrschenden Klasse“ wurde nur die Bourgeoisie verstanden; die Latifundisten  mit keinem Wort erwähnt. Es gab ebenso keine spezifischen Hinweise auf die unterdrückten Klassen und Schichten auf dem Lande. Engels hielt fest, dass die während der „nationalen Emanzipation“ zur Macht gekommene Bourgeoisie ihren Sieg nicht vollendete und die „Reste der Feudalität“ nicht vernichtete. Er sprach vom „arbeitenden Volk“, zählte dazu ausdrücklich „Bauern, Handwerker, Land- und Industriearbeiter“ und betonte, sie stünden  „unter schwerem Druck, einerseits infolge überalterter Missstände, Hinterlassenschaften nicht nur der Feudalzeit, sondern sogar noch der Antike (mezzadria, die Latifundien des Südens, wo das Vieh den Menschen verdrängt), andererseits infolge des raffgierigsten Steuersystems, das jemals ein Bourgeoisiesystem erdacht hat.“[22] Die Fragen blieben bis Anfang der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts Jahre ungelöst. Erst Antonio Gramsci gab in seiner Konzeption zur Lösung „der süditalienischen Frage“ darauf eine Antwort.[23]

Die Schwächen des Programms führten dazu, dass sich in der Partei ein linker revolutionärer Flügel und ein reformistischer herausbildeten. Auf dem Parteitag 1900 gelang es den Reformisten unter Turati, mehrheitlich die Parteiführung zu besetzen.  Nachdem von 1904 bis 1908 die Anarcho-Syndikalisten die Mehrheit im Parteivorstand innehatten, gelangten danach wieder die Reformisten an die Spitze. Die anarcho-syndikalistische Strömung fühlte sich jedoch dem linken Flügel zugehörig. Nach Gramsci „bildete sie den instinktiven, elementaren, primitiven, aber gesunden Ausdruck des Widerstandes der Arbeiter gegen den Block mit der Bourgeoisie und für den Block mit den Bauern, in erster Linie mit den Bauern des Südens“.[24] Sie forderte den Generalstreik als politische Kampfform, verabsolutierte indessen seine Anwendung und verlangte, die Produktionsmittel den Gewerkschaften zu übergeben. Obwohl zur Partei gehörend, lehnte sie sowohl deren Funktion als Führer des Proletariats als auch dessen politische Machtergreifung ab. Der Ausschluss der Anarcho-Syndikalisten auf dem Parteitag 1908 in Florenz war unter den Linken umstritten.

1.4. Der Einfluss des Katholizismus

Neben dem verhängnisvollen Einfluss, den Mussolini während seiner langjährigen Arbeit als führender Funktionär in der ISP ausübte,[25] sind Gewicht und Wirken des Katholizismus in der italienischen Arbeiterbewegung zu sehen. Weitaus stärker als in anderen Ländern stand - und steht noch heute - der italienischen Arbeiterbewegung in Gestalt seiner Zentrale, des Vatikanstaates, direkt ein gefährlicher und hervorragend organisierter politischer Gegner gegenüber. Zielstrebig schuf die katholische Kirche gegen die Sozialistische Partei und ihre Gewerkschaften ihre eigene Bewegung, deren Grundlage christliche Gewerkschaften bildeten.[26] 1878 sicherte Papst Leo XIII. dem  bürgerlichen Staat die Unterstützung der Kirche „zugunsten der durch die aufrührerischen und unmoralischen Doktrinen - den Marxismus - gefährdeten sozialen und politischen Ordnung“ zu. Die 1891 erlassene Enzyklika „Rerum Novarum“, welche die Grundlage der katholischen Soziallehre bildete, wandte sich gegen „jede Form des Sozialismus“, den sie als „Pest“ brandmarkte, und forderte: „Wenn die Massen sich von üblen Doktrinen hinreißen lassen, darf der Staat nicht zögern, mit starker Hand zuzufassen“. Ignazio Silone[27] charakterisierte die Enzyklika als „konterrevolutionäre Waffe im Schoße der Massen“.  40 Jahre später - Mussolini war 1922 mit aktiver Hilfe des Vatikans an die Macht gebracht worden - bekräftigt Pius XI. die notwendige „schonungslose Unterdrückung“ der Kommunisten und erklärte unzweideutig: „Die Rettung (vor ihnen) liegt im Faschismus“.[28] Paul II. nahm 1991 den 100. Jahrestag von „Rerum Novarum“ zum Anlass, die Enzyklika „Centesimus Annus“ zu erlassen, in der er  „Rerum Novarum“ als Voraussetzung für den „Zusammenbruch der Ideologie und der Regime des realen Sozialismus“ feierte und  für alle Zeiten „an jede Form des Sozialismus“ eine Absage erteilte.[29]

Trotz dieses starken gegnerischen politisch-ideologischen Einflusses gelang es den revolutionären Sozialisten, ihre Positionen in der Arbeiterbewegung zunehmend zu stärken. Anfang des 20. Jahrhunderts rund 250.000 Mitglieder zählend, stieg die ISP 1906 zur drittstärksten Arbeiterpartei Europas auf. Bauernaufstände 1894 auf Sizilien und Barrikadenkämpfe in Mailand 1898 vermittelten lehrreiche Erfahrungen und stärkten die Kampfkraft. Nach der Erkämpfung des Streikrechts 1900 wuchsen Arbeits-niederlegungen von Jahr zu Jahr an.  Wichtigstes politisches Ergebnis war 1906 die Bildung des Allgemeinen Italienischen Gewerkschaftsbundes (Confederazione Generale del Lavoro).

1.5. Die Reformisten

Das Wachsen der ISP zu einer Massenpartei mit einem beträchtlichen hauptamtlichen Parteiapparat und der Einzug ins bürgerliche Parlament mit einer steigenden Zahl von Abgeordneten nebst Mitarbeiterstäben, die an ihren Posten mit Diäten und vielseitigen Vergünstigungen hingen, schufen einen günstigen Nährboden für die Ausbreitung des Reformismus. Turati trat für  Zusammenarbeit mit der liberalen Bourgeoisie ein und unterhielt Kontakte zu Ministerpräsident Giovanni Giolitti, der durch Reformen und Zugeständnisse an die Arbeiterbewegung (Transformismus) nach britischem, deutschem und französischem Beispiel eine schmale Oberschicht der Arbeiterklasse zu korrumpieren und reformistisch zu festigen suchte, um die ISP in den Parlamentarismus und das kapitalistische Herrschaftssystem einzubinden.

Während Turati einen gemäßigten Reformismus für geraten hielt, stieg  Leonida Bissolati zu dessen  exponiertestem Vertreter auf. Er orientierte sich an Eduard Bernstein und Karl Kautzky, trat offen für eine Revision des Marxismus ein und bekannte sich zur Solidarität mit dem bürgerlichen Staat „mit intelligenter und moderner Bourgeoisie“. 1911 unterstützte er mit  einer Minderheit im Parteivorstand die Aggression gegen die Türkei zur kolonialen Eroberung der Kyrenaika und Tripolitaniens. Die zu dieser Zeit reformistische Mehrheit der ISP-Führung trat zwar gegen den Krieg auf, riet jedoch von einem Generalstreik ab und sprach sich lediglich für einen „würdigen Protest“ aus.

Der Parteitag 1912 in Reggio Emilia schloss die reformistische Gruppe unter Bissolati aus der ISP aus, die daraufhin mit ihm  und Ivanhoe Bonomi [30]an der Spitze die Reformistische Sozialistische Partei (Partito Socialista Riformista) gründeten. Während des Ersten Weltkrieges gingen die Rechtsreformisten, nachdem sie zunächst für die Neutralität eingetreten waren, 1915 auf sozialchauvinistische Positionen über und unterstützten unter der demagogischen Losung des Kampfes „der demokratischen Staaten“ gegen die „autoritären Staaten“ den Kriegseintritt Italiens auf Seiten der Entente. Bissolati trat als Minister ohne Portefeuille in die Regierung ein. Turati und seine Anhänger lehnten es ab, ihnen zu folgen, und blieben als so genannte gemäßigte Reformisten in der ISP. Als im Oktober/November 1917 deutsch-österreichische Truppen am Monte Grappa und am Piave die italienische Front durchbrachen und die dort stehenden 700.000 kriegsmüden Soldaten flohen, bezogen Turati und eine Anzahl „gemäßigte Reformisten“, ebenfalls sozialchauvinistische Positionen und riefen zur Vaterlandsverteidigung auf. Der politisch-militärische Zusammenbruch Deutschlands und Österreichs rettete Italien vor weiteren Desastern. Als Wien am 4. November 1918 bei Padua vor der Entente kapitulierte, gehörte Rom zu den Siegern und forderte  seine Kriegsbeute. Turati trat gegen den Beschluss des ISP-Vorstandes in die italienische Regierungskommission zur Vorbereitung eines imperialistischen Friedens ein.[31]

Mit dem Ausschluss der offenen Reformisten stärkten die Linken in der ISP ihre Position, was es ihnen 1914 als einziger westeuropäischer Sektion der II. Internationale ermöglichte, Antikriegspositionen zu beziehen, welche die Partei während des ganzen Krieges gegen die Versuche der Reformisten beibehielt. Nachhaltig spiegelten die machtvollen antimilitaristischen Arbeiteraktionen wenige Wochen vor Kriegsausbruch im Juni 1914 die Haltung der Linken wider. In ihrem Verlauf riefen die ISP und die CGdL zum Generalstreik auf, kam es in Rom, Turin, Mailand, Genua, Florenz und Ancona zu Barrikadenkämpfen, proklamierten die Aufständischen in der Romagna und den Marken die Republik. Bei der Niederschlagung der Erhebung durch über 100.000 Soldaten gab es zahlreiche Tote und Verletzte.

Die linke Fraktion dominierte zunächst auch noch nach Kriegsende und in der Anfangsphase der revolutionären Nachkriegskämpfe die Partei. Dass in dieser Zeit noch ein  die Arbeiterbewegung beherrschenden Reformismus fehlte, war in Italien vor allem darauf zurückzuführen, dass sich, bedingt durch die relativ spät einsetzende kapitalistische Entwicklung, noch keine beispielsweise mit Deutschland vergleichbare Arbeiteraristokratie herausgebildet hatte.

1.6.  Gramsci und die Neue Ordnung

In dieser Phase gründete Antonio Gramsci zusammen mit Palmiro Togliatti,  Umberto Terracini[32] und Angelo Tasca[33] die Zeitschrift Ordine Nuovo, deren erste Ausgabe am 1. Mai 1919 erschien. Es gelang, neben proletarischen Autoren  hervorragende Intellektuelle zur Mitarbeit zu gewinnen, was vor allem ein Verdienst Gramscis und Tascas war. In Ordine Nuovo schrieben Arbeiterkorrespondenten und Dichter, pazifistische Intellektuelle der Weltliteratur wie Romain Rolland, Henri Barbusse, Walt Whitman und Maxim Gorki. Neben kommunistischen Intellektuellen publizierte beispielsweise  der brillante liberale Kulturkritiker Piero Gobetti in der Neue Ordnung.

Die Zeitschrift, die sich gleichzeitig als Organisation der revolutionären Linken verstand, wollte ursprünglich  in der ISP den Reformismus überwinden und die Partei auf einer revolutionären Linie  einigen. Sie bekannte sich zur Oktoberrevolution, zur Errichtung einer proletarischen Staatsmacht  und zur im März 1919 gegründeten Kommunistischen Internationale, verbunden mit der Forderung an die ISP, ihr beizutreten. Die Ordinuovisten definierten sich als Kommunisten und ihr Ziel einer sozialistischen Ordnung als kommunistische Gesellschaft.

Im Mittelpunkt des politisch-organisatorischen Wirkens der Ordine Nuovo stand die norditalienische Bewegung der Fabrikräte mit der Arbeitermetropole Turin, Sitz des FIAT-Konzerns, als Zentrum. Einen Erfolg erreichten die Ordinuovisten auf dem ISP-Parteitag  im Oktober 1919 im roten Bologna, auf dem ihre Forderungen weit gehend in das Parteiprogramm aufgenommen wurden. Lenin wertete die Ergebnisse als einen „glänzenden Sieg des Kommunismus“, warnte jedoch vor Illusionen: „Die offenen und verkappten Opportunisten,[34] die in der italienischen Partei unter den Parlamentariern so zahlreich sind, werden zweifellos die Beschlüsse des Parteitages von Bologna zu umgehen und zu durchkreuzen versuchen. Der Kampf gegen diese Strömung ist noch längst nicht beendet.“[35] 

Die Warnung bestätigte sich als einen Monat nach dem Parteitag  Wahlen, und zwar nach dem Verhältnisrecht, stattfanden. Die ISP verdreifachte ihre Stimmen mit 32,4 Prozent gegenüber den letzten Wahlen von 1913  und belegte in der Abgeordnetenkammer mit 156 Mandaten den ersten Platz. Die Mehrheit der gewählten Parlamentarier stellten die Reformisten und Zentristen, deren  These vom „friedlichen Hineinwachsen in den Sozialismus“ einen unerwarteten Auftrieb erhielt. Die Wahlen markierten den Beginn der mehrheitlichen Beherrschung der ISP durch die Reformisten.

Die Ordinuovisten versuchten nun, die Zentristen, die in Bologna in der Mehrheit mit den Linken gemeinsame Positionen bezogen hatten, auf ihre Seite zu ziehen. Gramsci erarbeitete ein „Programm für die Erneuerung der Sozialistischen Partei“, das am 8. Mai 1920 in der Ordine Nuovo erschien. Darin stellte er als Ziel, die ISP in eine „Partei des revolutionären Proletariats“, die für „die Zukunft einer kommunistischen Gesellschaft“ eintritt, umzuwandeln. Den Kern der Forderungen bildete der Bruch mit dem Opportunismus.[36] 

Im Klima der verschärften Auseinandersetzungen der Ordinuovisten mit den Reformisten und Zentristen trat vom 15. bis 21. Januar in der norditalienischen Hafenstadt Livorno der 17. Parteitag der Sozialisten zusammen. Auf ihm vertraten die Zentristen 98.028 Mitglieder, Ordine Nuovo 58.783 und die Reformisten 14.695. Die Ordinuovisten suchten eine Übereinkunft mit den Zentristen zur Durchsetzung des Programms von Bologna. Giacinto Menotti Serrati,[37] der sich vor dem Parteitag für „die Trennung von den Opportunisten“ ausgesprochen hatte, konnte sich nicht durchsetzen. Mit dem Argument, die Einheit der Partei zu wahren, lehnten die Zentristen den Ausschluss der Reformisten ab. Daraufhin verließen die Linken am Morgen des 21. Januar geschlossen das Tagungsgebäude im Goldini-Theater und gründeten im Sankt Markus-Theater die Kommunistische Partei.[38] Zum Generalsekretär wählte der Gründungskongress Amadeo Bordiga.[39] Zu den 15 Mitgliedern des Zentralkomitees gehörten Gramsci, Tasca und Terracini. Unmittelbar nach dem Parteitag schlossen sich 35.000 der insgesamt 41.000 Jungsozialisten der IKP an.[40]

Gramsci ist oft nachgesagt worden, er habe die Trennung von den Reformisten als einen großen Fehler gesehen. Das entstellt seine Haltung. Tatsächlich sah er im Misslingen der Herstellung einer revolutionären Kampfpartei auf kommunistischen Grundlagen „den größten Triumph der Reaktion“.[41] Feststehen dürfte, dass es ohne die Gründung der IKP nicht möglich gewesen wäre, eine revolutionäre nationale Strategie der Arbeiterklasse als die entscheidende Grundlage des Kampfes, der zum Sturz Mussolinis und zur Niederlage des Faschismus führte, zu erarbeiten.

1.7. Sozialisten im antifaschistischen Widerstand 

Nachdem Mussolini im Oktober 1922 an die Macht gekommen war, zählten antifaschistische Positionen als ein entscheidendes Kriterium der Haltung der Arbeiterparteien. Solche Standpunkte bezogen, wenngleich bei weitem nicht mit der Klarheit, wie sie vor allem dank der Arbeit von Gramsci und Togliatti in der IKP erarbeitet wurden, auch die Sozialisten und selbst die Einheitssozialisten. Das zeigte sich im Auftreten ihres Generalsekretärs, Giacomo Matteotti, der nach der betrügerischen Scheinwahl vom April 1924, mit der sich Mussolini eine erdrückende Parlamentsmehrheit verschaffte, in der Abgeordnetenkammer mutig die faschistischen Manipulationen und den blutigen Terror entlarvte und daraufhin auf Befehl Mussolinis ermordet wurde.  Sein unerschrockenes  Auftreten stärkte das Ansehen der Sozialisten und förderte das  antifaschistische Zusammengehen.

Das Beispiel verdeutlicht, dass in Italien zwischen Kommunisten und Sozialisten ein Verhältnis bestand, das sich positiv von dem zwischen den beiden Arbeiterparteien in Deutschland unterschied. Eine objektive Basis dafür bildete das bereits angeführte Fehlen einer Arbeiteraristokratie. Entscheidend für das gemeinsame Handeln von Kommunisten und Sozialisten war ferner, dass Gramsci sich frühzeitig gegen das Linkssektierertum wandte, was nicht zuletzt dazu führte, dass die IKP sich nie die Sozialfaschismusthese der Komintern zu Eigen machte und die Sozialdemokratie als Teil der Arbeiterbewegung anerkannte.[42] Ergebnis dieser Politik war, dass die ISP 1934 das von der IKP vorgeschlagene Aktionseinheitsabkommen - übrigens gegen die Haltung der Sozialistischen Internationale - unterzeichnete. Es wurde 1937 auf antiimperialistischen Positionen erweitert.

Die Politik der Aktionseinheit Führte jedoch auch dazu,  dass im Gegensatz zur Auseinandersetzung mit dem Linkssektierertum, in der IKP, von einer Debatte nach der Gründung abgesehen, eine solche  mit dem Revisionismus und seinen reformistischen Erscheinungen keine wesentliche Rolle spielte.[43] Hier ist jedoch auch zu sehen, dass die Partei seit dem Machtantritt des Faschismus im Oktober 1922, obwohl sie erst 1926 offiziell verboten wurde, bereits unter den Bedingungen der faktischen Illegalität arbeiten musste. Abgesehen davon, dass sich die IKP als erstes der Analyse des Faschismus widmete, schien für eine Auseinandersetzung mit den Sozialisten auch kein grundsätzlicher Anlass zu bestehen, denn diese bezogen in vielen Fragen gemeinsam mit der IKP antifaschistische und auch antiimperialistische Positionen. Innerhalb der ISP spielte man sogar mit dem Gedanken, sich wieder mit der IKP zu vereinigen, was jedoch an der ablehnenden Haltung Pietro Nennis scheiterte.[44]

Die Aktionseinheit ermöglichte es während der Resistenza,[45] das von Gramsci konzipierte breite, nationale, antifaschistische Bündnis herzustellen, was ohne die Aktionseinheit  unvorstellbar gewesen wäre. Die IKP handelte, auch wenn sie das nicht in den Vordergrund stellte, als führende Kraft der Arbeiterklasse und wirkte auch grundsätzlich auf das Entstehen des nationalen Bündnisses ein. Nach der IKP galt die ISP als die führende Kraft des nach dem Sturz Mussolinis gebildeten Nationalen Befreiungskomitees. Beide Parteien gehörten seit April 1944 der nationalen antifaschistischen Einheitsregierung an.

1.8. Übergang zur  Klassenzusammenarbeit

Am Verhältnis IKP-ISP änderte sich zunächst auch nach Kriegsende nichts, als die Rechtskräfte in der DC, unterstützt von den USA, die kapitalistische Restauration durchsetzten. Das Aktionseinheitsabkommen zwischen IKP und ISP bestand noch bis Mitte der 50er Jahre. 

Vor Beginn des bewaffneten Aufstandes im April 1945 schlug  Palmiro Togliatti Pietro Nenni eine Vereinigung beider Arbeiterparteien vor. Togliatti betonte, der „Aufbau eines demokratischen und fortschrittlichen Italiens“ erfordere, dass „die Arbeiterklasse all ihre Kräfte vereint“, um den reaktionären und konservativen Kräften „den festen und untrennbaren Block der Arbeiterklasse“ entgegenzustellen. Die Vereinigungsaktivitäten kamen jedoch nicht voran. Sie beschränkten sich dann auf die Erneuerung des Aktionseinheitsabkommens im Oktober 1946, in dem der Aufbau eines „antimonopolistischen Italien“ und dazu das einheitliche Handeln auf Regierungs-, Parlaments- und kommunaler Ebene sowie die Stärkung der Einheit der Gewerkschaften und der Massenorganisationen vereinbart wurden. [46]Die Einheit scheiterte an der Ablehnung des rechten ISP-Flügels, der sich bereits unmittelbar nach Kriegsende  herauszubilden begann. Als dieser sich gegenüber den noch vorherrschenden linken Kräften nicht durchsetzen konnte, spaltete er sich unter Giuseppe Saragat im Januar 1947 von der ISP ab und bildete die ISDP.[47] Die Sozialdemokraten bezogen von Anfang an scharfe antikommunistische Positionen, unterstützten den proamerikanischen Kurs De Gasperis, in dessen Regierung sie nach der Vertreibung der IKP und der ISP im Juni 1947 eintraten und im April 1949 für den  Beitritt zur NATO stimmten.  

 Auf den Rechtskurs in der ISP wirkte sich der Druck der SI aus, welche die Partei im Mai 1949 ausschloss. Ausdrücklich war gefordert worden, die  Zusammenarbeit mit den Kommunisten und insbesondere das Aktionseinheitsabkommen zu beenden. Trotzdem trat die ISP auf nachdrückliche Forderung ihrer Basis zu den ersten Parlamentswahlen 1948  zusammen mit der IKP auf einer gemeinsamen Liste an, die 31 Prozent erreichte.[48] 

Eine  entscheidende soziale Grundlage für den in der ISP einsetzenden Kurs hin zu einer Klassenzusammenarbeit mit der Bourgeoisie bildete die mit dem Machtantritt des Faschismus 1922 unterbrochene Herausbildung einer Schicht der Arbeiteraristokratie. Die stärksten Konzerne hatten ihre Kriegsgewinne in modernste Industrieanlagen investiert, die eine hoch intensive Ausbeutung der Arbeitskraft ermöglichten. Einen Teil der erreichten Höchstprofite nutzten führende Unternehmen wie FIAT, Olivetti, Montecatini, aber auch staatliche Gesellschaften wie ENI und IRI, um einen Teil der Arbeiter zu korrumpieren. Es entstand der so genannte Paternalismus, das Leitbild der Ergebenheit und Treue des Arbeiters zum Unternehmen, die entsprechend belohnt wurden. Dazu gehörte ein ganzes System von Zuschlägen für treue Dienstjahre, überdurchschnittlich hohe Arbeitsleistungen und lückenlose Anwesenheit (was hieß, nicht an Streiks teilzunehmen), die Vergabe von unter der üblichen Miete liegenden Werkswohnungen, Plätze in Betriebskindergärten und billiges Kantinenessen, lange Zeit teilweise kostenlos. In den Verhandlungen  über höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zeigten sich die Unternehmer nachgiebig. Die von den Reformisten  ausgegebenen Theorien von der möglichen Kontrolle der Unternehmer erhielten Auftrieb. Die Kampfbereitschaft der Arbeiter ging zeitweilig spürbar zurück. Die Zahl der Streikstunden sank von 44,9 Millionen in den Jahren 1953-1955 auf 34,5 Millionen 1956-1958. Bei FIAT gab es bis 1962 überhaupt keine Streiks.[49]

Bei den Parlamentswahlen 1953 sackte die führende Regierungspartei Democrazia Cristiana (DC) von 48,5 Prozent (1948) auf 40,1 ab und verfügte über keine Regierungsmehrheit mehr. Sie signalisierte den Sozialisten nunmehr eine Wiederaufnahme in die Regierung. Neben der Aufgabe des  antikapitalistischen Kurses verlangte die DC das Aktionseinheitsabkommen zu kündigen und den 1949 erfolgten NATO-Beitritt anzuerkennen. Nenni griff das Angebot  bereits  auf dem 31. Parteitag im März 1955 auf und empfahl, sich „gegenüber den Katholiken zu öffnen“.  Vier Wochen später antwortete Staatspräsident Giovanni Gronchi vor dem Parlament, in dem er verbrämt erklärte, „die arbeitenden Massen (...) effektiv an der politischen Leitung des Landes zu beteiligen“.[50] Im Oktober 1956 nahm die ISP den XX. Parteitag der KPdSU und die Rede Chruschtschows zum Personenkult um Stalin und das militärische Eingreifen der UdSSR in Ungarn zum Anlass, das Aktionseinheitsabkommen zu kündigen. Der 33. Parteitag im Januar 1959 billigte die Rechtswende. Die Delegierten bestätigten Nenni, den viele an der Basis noch immer für einen Linken hielten, an der Parteispitze, was es ermöglichte, die mehrheitlich rechte Ausrichtung zu kaschieren.[51].

Aufgrund des massiven Drucks der USA, die eine Regierungsbeteiligung der Sozialisten ablehnten, kam es im Juli 1960 zunächst nur zur Tolerierung der DC-geführten Regierung durch Stimmenthaltung. Das Reform-Programm sah die Verstaatlichung der gesamten Energieversorgung, Maßnahmen der Industrialisierung des Südens, garantierte Mindestlöhne und Verbesserungen im Gesundheitswesen vor. Als Gegenleistung verzichtete die ISP auf ein gesellschaftliches Eigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln und billigte die NATO-Mitgliedschaft Italiens. Außer der Verstaatlichung des Energiesektors zur ENEL, die zu einer lukrativen Korruptionsquelle von DC und ISP wurde, fielen später alle übrigen Programmpunkte unter den Tisch.[52] Im Dezember 1963 trat die ISP dann das erste Mal wieder in die Regierung ein. [53] 

Der Regierungseintritt stärkte den reformistischen Kurs. Ausdruck war die Vereinigung mit den Sozialdemokraten unter dem alten Parteinamen PSU mit Nenni an der Spitze, die allerdings nur knapp drei Jahre währte. Als die PSU bei den Wahlen 1968 mit nur 14,5 Prozent gegenüber 19,9 fünf Jahre vorher (13,8 ISP und 6,1 PSDI) eine schwere Niederlage erlitt, kehrte die ISP 1969 zu ihrer Eigenständigkeit zurück.[54] Nenni trat als Parteichef ab. Nachfolger wurde Francesco De Martini.

Unter Bettino Craxi, der sich im Juli 1976 mit der „Midas-Verschwörung“ [55] an die Parteispitze putschte, verlor die ISP in den folgenden Jahren zusehends ihren Charakter als sozialistische Partei und verkam zu einer rein kleinbürgerlichen Partei, die 1992 im Korruptionssumpf unterging. Es ist kaum glaubhaft, aber belegte Tatsache, dass die Putschloge P2 in den 80er Jahren plante, den ISP-Chef an die Spitze eines Regimes faschistischen Typs zu bringen.[56] Craxi selbst hat noch 1996 ein durchgehend positives Bekenntnis zu Mussolini abgelegt, der für ihn „auch ein Progressiver bis zum Ende seines Lebens“ war.[57] In den Mittelpunkt seiner „neuer Reformismus“ genannten Politik stellte Craxi Schlagworte wie Regierbarkeit, Kompetenz, Effizienz und Modernisierung. Das Parteiprogramm von 1978  bekannte  sich zum kapitalistischen System.[58] 

1.9. Alternativen revolutionärer Sozialisten 

Es hat nicht an Versuchen linker Sozialisten gefehlt, der revisionistischen Entartung und Verbürgerlichung der ISP entgegenzutreten. Frühzeitig versuchten sie, der unter Nenni bereits Mitte der 50er Jahre einsetzenden Rechtsentwicklung mit linken Alternativen zu begegnen. Nach dem im Dezember 1963 erfolgten Eintritt der ISP in die DC-geführte Regierung verließen linke Sozialisten und bekannte Antifaschisten mit Lelio Basso[59] und  Emilio Lusso[60]  an der Spitze, die bereits die Kündigung des Aktionseinheitsabkommens mit der IKP abgelehnt hatten, aus Protest die ISP und gaben im Januar 1964 die Gründung der Italienischen Sozialistischen Partei der Proletarischen Einheit (PSIUP) bekannt. Als sie im Dezember 1964 zu ihrem ersten Kongress zusammentrat, zählte sie bereits mehr als 150.000 Mitglieder. Die linken Sozialisten wählten mit PSIUP den Parteinamen, den die ISP in der Zeit des antifaschistischen Widerstandes bis 1947 geführt hatte. „Proletarische Einheit“ sollte das im antifaschistischen Widerstand geborene einheitliche Handeln der Arbeiter  ausdrücken. Der Gründungskongress verurteilte die Teilnahme der ISP an der bürgerlichen Regierung und die damit verbundene Aufgabe grundsätzlicher sozialistischer und internationalistischer Ziele, bekannte sich zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung, wandte sich gegen den sich abzeichnenden Zusammenschluss mit der Sozialdemokratie, forderte die Wiederherstellung der Aktionseinheit mit der IKP und warnte vor der aggressiven und neokolonialistischen Politik des USA-Imperialismus, der sich zum Krieg gegen Vietnam anschickte. Die PSIUP betonte „die Einheit des Kampfes der gesamten Arbeiterbewegung, von den linken Sozialisten bis zur IKP“ als Grundlage der Fortsetzung „der kämpferischen und internationalistischen Traditionen des italienischen Sozialismus“. Der Gründungs-kongress wählte Alcide Malagugini zum Vorsitzenden und Tullio Vecchietti zum Sekretär.[61] 

Eine Mehrheit der PSIUP orientierte sich an der IKP und trat ihr 1972 bei. Einigen ihrer führenden Vertreter waren dazu Posten in der IKP-Führung zugestanden worden, so Dario Valori im Politbüro. Andere Mitglieder der PSIUP gingen diesen Schritt nicht und entschieden sich für  eine neue Parteigründung, die Partei der proletarischen Einheit für den Kommunismus (PdUP). Der IKP beizutreten lehnte dieser Teil der PSIUP wegen der  gegen Ende der 60er Jahre auch bei ihr sich  bereits abzeichnenden reformistischen Tendenzen ab. Auf Unverständnis und Protest war gestoßen, dass die IKP bei der Präsidentenwahl im Dezember 1964 für Saragat gestimmt und damit seine Wahl ermöglicht hatte. Damit habe die IKP, so Stimmen in der PSIUP, dem von den ISP-Rechten angestrebten Zusammenschluss mit den Sozialdemokraten Vorschub geleistet. Die IKP machte geltend, dass dadurch zum ersten Mal die Wahl eines DC-Bewerbers (des Rechten Giovanni Leone) verhindert und mit Saragat nicht nur der sozialdemokratische Parteivorsitzende, sondern auch ein angesehener Antifaschist Staatschef geworden sei, was die antifaschistischen Grundlagen der Republik gestärkt habe. Intern verlautete, mit Saragat sei das „kleinere Übel“ gewählt worden. Gleichzeitig wertete der 9. IKP-Parteitag im Januar 1966 die PSIUP-Gründung als Entstehen „einer neuen einheitlichen sozialistischen Klassenkraft“, die „den kämpferischen sozialistischen Traditionen und den aktuellen Erfordernissen“ entspreche. Die IKP sprach sich für eine enge Zusammenarbeit mit der PSIUP als Beitrag für „die Einheit der Arbeiterbewegung in ihrer Vielfalt“ aus.[62] Das entsprach der von Anfang an verfolgten Linie, die PSIUP für einen Beitritt zur IKP zu gewinnen.

Ein wesentlicher Anlass für den Beitritt eines Teils der PSIUP zur IKP war, dass die Partei keine stabile Wählerbasis fand. Die 4,4 Prozent, die sie bei den Parlamentswahlen 1968 erreichte, resultierten fast ausschließlich aus Stimmen, die sie den Sozialisten nach deren Vereinigung mit den Sozialdemokraten entzog. 14,5 Prozent gegenüber 13,8 (sozialistischen) und 6,1 (sozialdemokratischen) 1963 belegten das recht eindeutig. 1972 erzielten die wieder getrennt antretenden ISP und ISDP 9,6 bzw. 5,1 Prozent, während die PSIUP nur auf 1,2 Prozent kam.

Durch die Bildung der PSIUP kam unterdessen die angestrebte Einheit nicht zustande, im Gegenteil: Die Linke zersplitterte sich eher noch mehr. Die studentische Protestbewegung 1968 brachte in Italien wie in den USA, Japan und anderen westeuropäischen Ländern als auch einer Reihe Entwicklungsländern eine radikale Linke hervor. 1969 folgte in Italien der heiße Herbst der Arbeiterbewegung. Die militärische Intervention der UdSSR in der CSSR 1968 stieß, im Unterschied zu Ungarn 1956, auch in der IKP-Führung weit gehend auf Ablehnung. Es wurden nur die Arbeiterproteste und die Kritik an Fehlern der Parteiführung gesehen, die im Rahmen der internationalen Klassenauseinandersetzung zwischen Imperialismus und Sozialismus wurzelnde konterrevolutionäre Komponente dagegen nicht erkannt. Im Gegensatz zur Haltung der IKP hielt sich die PSIUP mit Kritik zurück, wenngleich sie die Intervention auch nicht begrüßte.

Im Dezember 1969 begann mit dem Attentat der faschistischen Ordine Nuovo[63] in der Schalterhalle der Mailänder Landwirtschaftsbank auf der Piazza Fontana (16 Tote und fast 100 Verletzte) die von CIA und Gladio mit den römischen Geheimdiensten und Faschisten inszenierte blutige Spannungsstrategie, die den linken Vormarsch stoppen und einem Putsch zur Installierung eines Regimes nach dem Vorbild der griechischen Obristen (später nach dem Pinochets) den Weg bereiten sollte.[64]

Kern der Spannungsstrategie war, Anarchisten und Autonome für faschistische Anschläge verantwortlich zu machen und die IKP als Drahtzieher hinzustellen. In großer Zahl schleusten die CIA und ihre italienischen Partnerdienste Agenten in linksradikale Organisationen, besonders in die Roten Brigaden ein, die „linke Anschläge“ inszenierten und den bewaffneten Kampf der 70er Jahre anheizten. Jahrelang wurden unschuldige Anarchisten als Attentäter eingesperrt und verfolgt. In der ersten Reihe des Kampfes zur ihrer Verteidigung und zur Entlarvung der von den Faschisten und ihren Hintermännern ausgehenden Gefahr stand die autonome Organisation Lotta Continua, die gut 20.000 Mitglieder zählte und eine gleichnamige Tageszeitung herausgab.[65] Aus Lotta Continua ging 1976 die Democrazia Proletaria hervor, die sich im gleichen Jahr an den Parlamentswahlen beteiligte und immerhin 1,5 Prozent der Stimmen erzielte.[66] 

Auf einem Kongress Anfang Juli 1974 löste sich Manifèsto [67]als Vereinigung auf, um sich zwei Wochen später mit der PdUP  zu vereinigen.[68] Neben der bereits in der PSIUP hervorgehobenen proletarischen Einheit betonte die PdUP  im Parteinamen das Bekenntnis zum Kommunismus, auf den sich eine neue Gesellschaft beziehen müsse.[69] Der Kongress lehnte entschieden die von der IKP 1973 offiziell eingeleitete Politik der Zusammenarbeit mit der DC als führender Partei des Kapitals (Historischer Kompromiss) ab und forderte die IKP auf, diese zu beenden und klare  Klassenkampfpositionen  zu beziehen. Im Sinne von Gramsci betonte der Parteitag, die Ablehnung der Klassenzusammenarbeit bedeute nicht, auf ein Zusammenwirken mit den katholischen Massen zu verzichten, sondern sie für den gemeinsamen Kampf zu gewinnen. Im Kampf gegen die faschistische Gefahr wurde dem Historischen Kompromiss auch auf Regierungsebene eine linke Alternative entgegengesetzt, auch hier unter Einbeziehung katholischer Schichten.[70] Eine bestimmte Resonanz auf diese Bündnisabsichten gab es, als sich die linkskatholische Organisation Movimento politico dei Lavoratori der PdUP anschloss.

Die PdUP löste sich 1984 auf. Die Mehrheit ihrer Mitglieder trat der IKP bei, in der Berlinguer  1979 das Scheitern des Historischen Kompromisses eingestanden und die Rückkehr zu einer linken Regierungsalternative eingeschlagen hatte. Schon 1983 hatte die IKP zu den Parlamentswahlen mehreren PdUP-Vertretern auf sicheren Listenplätzen den Einzug ins Parlament ermöglicht. Die PdUP konnte ihr erklärtes Ziel, eine auf die proletarische Einheit begründete kommunistische Partei zur Verwirklichung einer  linken Alternative, nicht realisieren. Sie hat sich jedoch der Sozialdemokratisierung der IKP entgegengestellt und dazu beigetragen, diesen Prozess zu verzögern.  Darüber hinaus, und das zählt kaum weniger, hat die PdUP, trotz Fehlern und Irrungen, die Ideale des Kommunismus hochgehalten und auf der revolutionären Perspektive beharrt. Als die sozialdemokratische Mehrheit in der IKP im Januar 1991 diese Ziele mit ihrer „Heimkehr zur Sozialdemokratie“ preisgab, gehörten nicht wenige aus den Reihen der PdUP zu denen, welche die verbliebenen Kommunisten im Dezember 1991 in der neuen KP Rifondazione Comunista zusammenschlossen.

Die kommunistische Bewegung (1. Teil)

2.1. Togliattis Wende von Salerno

Der Spürsinn für die Realitäten des Kräfteverhältnisses   ließ  führende Kreise der italienischen Bourgeoisie bereits 1943 erkennen, dass der Krieg verloren war, was sie veranlasste, zusammen mit dem König und Militärs, unterstützt vom Vatikan, sich Mussolinis zu entledigen und ihn auf dem Cran Sasso zu inhaftieren, mit Hitlerdeutschland zu brechen und auf die Seite der Antihitlerkoalition überzutreten. Auf diese Entscheidung wirkte   die Furcht ein, dass faschistische Regime werde sonst von der antifaschistischen Volksbewegung mit Kommunisten und Sozialisten an der Spitze gestürzt.

Die  Palastrevolte bewerkstelligte am 26. Juli die  Mehrheit des faschistischen Großrates.  Den Organisatoren ging es  keineswegs um die Beseitigung des  faschistischen Regimes, sondern, wie die amerikanische Zeitschrift Life schrieb, darum, „sich von Mussolini und den Deutschfreundlichen zu befreien, das System aber zu erhalten“.[71]  Dem entsprach, dass Viktor Emanuel III. Marschall Pietro Badoglio, den Schlächter von Abessinien,[72] als den für diese Linie der Machterhaltung geeigneten Repräsentanten als Regierungschef einsetzte. Seiner Regierung gehörten ausschließlich Militärs, Vertreter des faschistischen Staatsapparates und der Justiz an.

Auf den Sturz des Duce reagierte Hitlerdeutschland am 8. September mit der Okkupation Nord- und Mittelitaliens, der Entwaffnung der italienischen Armee und der Errichtung des Marionettenregimes der Repùbblica Sociale Italiana (RSI)[73] unter dem aus der Haft befreiten Mussolini. Das bestehende Komitee der antifaschistischen Strömungen konstituierte sich zum Comitato di Liberazione Nazionale (CLN) und rief zum bewaffneten Widerstand auf. Erste Partisaneneinheiten entstanden, die sich binnen weniger Monate zu einer kampfstarken Partisanenarmee formierten.

Kommunisten und Sozialisten standen vor der Frage, ob man in eine aus dem faschistischen Großrat hervorgegangene, vom König als einem Träger der Mussolini-Diktatur eingesetzte und von einem mit Kriegsverbrechen belasteten Marschall geleitete Regierung eintreten konnte. Togliatti antwortete mit Ja. Nach einer von ihm vorgelegten Konzeption   traten  im April 1944 in Salerno[74] die antifaschistischen Oppositionsparteien (Kommunisten, Sozialisten, die kleinbürgerliche Aktionspartei (PdA),[75] die großbürgerlichen Christdemokraten und Liberalen[76]) in das Kabinett Badoglio ein, das in dieser Zusammensetzung den Charakter einer „Regierung der nationalen Einheit“  nnahm und zu einem  Bekenntnis zum Antifaschismus veranlasst wurde.   

Wie bereits dargelegt hatte wesentliche Grundlagen für diese Konzeption Antonio Gramsci in der Auseinandersetzung mit dem Linkssektierertum der Führungsgruppe um Amadeo Bordiga erarbeitet. In seiner Schrift „Die süditalienische Frage“ schrieb er 1926: „Das Proletariat kann in dem Maße  zur führenden und herrschenden Klasse werden, wie es ihm gelingt, die Mehrheit der werktätigen Bevölkerung gegen den Kapitalismus und den bürgerlichen Staat zu mobilisieren, und dies bedeutet (...) unter den realen in Italien bestehenden Klassenverhältnissen, in dem Maße, wie es ihm gelingt, die Zustimmung der breiten bäuerlichen Massen zu erlangen.“ Er verwies auf die besondere Verknüpfung der Frage des Südens mit der  des Vatikans, das heißt, der Beachtung des katholischen Einflusses auf den „sozialen Gesichtspunkt“ bei ihrer Lösung.[77]

In seiner Faschismus-Analyse verband Gramsci den Kampf für den Sozialismus mit der Verteidigung bzw. der Eroberung der Demokratie. Er ging davon aus, dass die Frage der proletarischen Revolution zur Zeit nicht auf der Tagesordnung stand, die Arbeiterklasse ihre politische Hegemonie auf der Grundlage der Freiwilligkeit und Überzeugung erringen und die  Eigenständigkeit der Bündnispartner, einschließlich der Tatsache, dass sie eigene politische Ziele verfolgen, respektieren müsse. Er sprach vom „Historischen Block“, unter dem er ein System von Bündnissen der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft, den Mittelschichten und der Intelligenz verstand, in dem er dem Zusammengehen mit den katholischen Volksmassen einen breiten Stellenwert beimaß. Er betonte - was oft übersehen wird - ,[78] beim „Historischen Block“ müsse es sich um einen „ausgeglichenen Kompromiss“ handeln, bei dem  die „Opfer und Kompromisse“ der Kommunistischen Partei „nicht das Wesentliche“, nämlich „di  „entscheidende Rolle (...),  die ökonomischen Aktivitäten der führenden Kraft“ betreffen können“, worunter Gramsci eindeutig die strategische Orientierung auf die Beseitigung der kapitalistischen Ökonomie und die Herstellung einer sozialistischen verstand.[79] In der Konzeption der „Wende von Salerno“ ging Togliatti keine derartigen Kompromisse ein.

Togliatti hatte zunächst Schwierigkeiten, seine Konzeption durchzusetzen. Sie stieß auf Widerspruch nicht nur in der IKP, sondern auch bei Sozialisten und Aktionisten, die ein Bündnis mit der Monarchie, die Mussolini nicht nur mit zur Macht verholfen, sondern auch über 20 Jahre zu den Trägern der faschistischen Diktatur gehörte hatte, ablehnten. Ihre Zustimmung zu Togliattis Konzeption banden diese Kreise schließlich an die Bedingung des sofortigen Rücktritts des Königs, der einen Verzicht auf die Monarchie und die Anerkennung der Republik einschließen sollte.  [80]

Luigi Longo,[81] in der Partisanenarmee stellvertretender Befehlshaber, unterstützte Toglatti in dem er einschätzte: „Wir haben Badoglio als antideutsche Kraft anerkannt, aber  daraus keine politischen und organisatorischen Schlussfolgerungen gezogen. (...) Darüber hinaus haben wir ihn nur nach dem beurteilt, was er politisch und gesellschaftlich repräsentiert, nicht aber überlegt, was er an mobilisierenden Kräften vertritt (auch wenn sie noch nicht mobilisiert sind). Wir haben nur die politischen Unannehmlichkeiten einer Zusammenarbeit mit Badoglio gesehen, nicht aber die Schwäche eines nationalen Befreiungskrieges ohne die von ihm kontrollierten und beeinflussten Kräfte.“ Gleichzeitig hielt Longo auch den Weg für „eine radikale Lösung unter Ausschluss Badoglios“ offen, die dann nach dem Einmarsch der Alliierten in Rom durchgesetzt wurde.

Longo erreichte, dass die Partisanenkommandeure Togliatti unterstützen, was ausschlaggebend für die mehrheitliche Zustimmung der Vertreter der antifaschistischen Parteien im CLN in den besetzten Gebieten war. Diese Kräfte kämpften zusammen mit monarchistischen Soldaten und Offizieren und verstanden, dass man die Beseitigung der Monarchie und die Anerkennung der Republik nicht in den Mittelpunkt stellen konnte, sondern  die gemeinsame Front gegen  die deutschen Okkupanten und ihre Vasallen der Salò-Republik. In dem die IKP die Staatsform zunächst offen ließ, betonte sie gleichzeitig ihren grundsätzlich antifaschistischen Standpunkt, nach dem die Nachkriegsordnung „die Liquidierung all dessen beinhalten“ müsse, „was an reaktionären und faschistischen Kräften verbleibt“, und ließ auch keine Zweifel an ihren perspektivischen sozialistischen Zielen aufkommen.[82]

Der zweite Schritt der „Wende von Salerno“ erfolgte nach der Einnahme der Hauptstadt durch die Alliierten am 4. Juni. Einer Forderung des CLN entsprechend musste der König abdanken. Als neuer Kompromiss wurde, auch das wiederum auf Initiative der IKP, die Ernennung von Kronprinz Umberto zum Statthalter vereinbart und die Entscheidung über die Staatsfrage durch ein Referendum nach Kriegsende vertagt. Gleichzeitig zwang das CLN Badoglio zum Rücktritt und berief den Liberalen Ivanhoe Bonomi[83] zum Ministerpräsidenten. Mit der  Ernennung durch das CLN wurden diese Rechte des Königs, darunter auch die generelle Funktion des Staatsoberhaupts dem Statthalter verwehrt. Die Alliierten akzeptierten diese auch in der Zukunft  geübte Praxis. Sie stimmten ebenso der Entscheidung der Regierung Bonomi zu, das CLN in Norditalien in den noch besetzten Gebieten als Organ mit Regierungsvollmachten einzusetzen. Außerdem wurden  am 7. Dezember 1944 mit dem  „Römischen Protokoll“ offizielle Beziehungen zwischen der Partisanenarmee und dem Anglo-amerikanischen Kommando hergestellt.   Die Durchsetzung der Konzeption Togliattis führte insgesamt dazu, dass die IKP zur mehrheitlich anerkannten führenden Kraft der Resistenza und ihres Führungsorgans, des CLN wurde. [84]

Mit der „Wende von Salerno“ entstand de facto Gramscis Blòco stòrico, fast in größeren Dimensionen, als sein theoretischer Begründer gedacht hatte. Wenn die IKP in der Nachkriegsentwicklung versuchte, in ihrer Bündnispolitik gegen die faschistische Gefahr vom Jahr 1944 auszugehen, ist jedoch die historisch konkrete Situation zu sehen. In Salerno entstand eine Allianz, die sich in erster Linie gegen die deutschen Okkupanten richtete, für welche die Faschisten der Salò-Republik nur noch Erfüllungsgehilfen waren. Die Stoßrichtung gegen Hitlerdeutschland ermöglichte es, großbourgeoise Kreise und die Monarchie in das nationale Bündnis einzubeziehen und erleichterte es vielen Soldaten und Offizieren der Mussoliniarmee, die nach dem Sturz Mussolinis wieder dem Oberbefehl des Königs unterstellt worden war, sich der Resistenza anzuschließen. Als dieses Ziel mit dem Sieg über den Faschismus wegfiel, verlor das Bündnis seinen wesentlichen Inhalt und brach auseinander.

Schließlich ist bei der Durchsetzung der  „Wende von Salerno“ der Einfluss der IKP in der Partisanenarmee zu sehen. In den befreiten Gebieten, darunter zeitweise zwei Partisanenrepubliken, übten  die örtlichen CLN überwiegend mit  Kommunisten und Sozialisten an der Spitze die Macht aus und leiteten antifaschistisch-demokratische Umgestaltungen ein. Die Partisanenarmee wuchs bis zum Ende des Kriegs auf 256.000 reguläre Kämpfer an. Die IKP stellte mit ihren Garibaldi-Brigaden davon 155.000 und brachte mit 42.000 von insgesamt 70.000 Gefallenen auch die meisten Opfer. Mit den Kampfhandlungen, die sie in der Endphase des Krieges in ganz Norditalien führte, bewies sie ihre Fähigkeit zum Handeln als eine reguläre Armee, welche die Hauptkraft der Resistenza bildete.[85]

2.2. USA-Allianz mit den Faschisten

Die IKP ging aus der Resistenza als die politisch einflussreichste Kraft hervor, was sich vor allem aus ihrer Rolle im bewaffneten Kampf ergab. Mit etwa zwei Millionen Mitgliedern war sie auch die zahlenmäßig stärkste Partei. Sie stellte keine sozialistischen Forderungen als aktuelle Aufgabe, verlangte jedoch eine antifaschistisch-demokratische Umwälzung, die das Eigentum des Großkapitals und der Großagrarier durch Nationalisierungen und eine Agrarreform beschneiden sollte.[86] Die führenden Kapitalkreise und das Königshaus lehnten diese von der ISP und der PdA unterstützten Forderungen entschieden ab. Es begann die Umgruppierung der Klassenkräfte. Aus einem Teil der Verbündeten im antifaschistischen Kampf - vor allem großbürgerliche Kreise und Monarchisten - wurden in der neuen Etappe Gegner. Die Führung der DC, der nunmehr führenden Partei der Großbourgeoisie, und die Liberalen forderten bereits im Mai 1945 von der Besatzungsmacht, die Entwaffnung der Partisanenarmee, um den örtlichen und regionalen CLN, die in Norditalien die faktischen Machtorgane bildeten, ihre entscheidende  Stütze zu nehmen. Die Klassenauseinandersetzungen spitzten sich zu, als bei den Stadt- und Gemeinderatswahlen im März 1946 [87] die DC zwar etwa 50 Prozent erreichte, IKP und ISP auf aber auf 40 kamen. Die restlichen etwa zehn Prozent entfielen vor allem auf die Liberalen und die faschistische Sammlungsbewegung Uòmo Qualunque (Jedermann), die unter den Augen der Besatzungsmacht bereits im August 1945 an die Öffentlichkeit getreten war.[88]  Die DC verfügte in 2.534 Kommunen und IKP und ISP in 2.289 über eine Mehrheit. In 28 von 93 der Provinzhauptstädte stellte die IKP oder die ISP den Bürgermeister, darunter in Genua, Turin, Bologna und Florenz.

Im Referendum über die Staatsform, in dem es darum ging, die Monarchie als einen Träger der faschistischen Diktatur von 1922 bis 1943 zu beseitigen, errang die Resistenza am 2. Juni mit 12.717.923 Stimmen für die Republik ( 54,3 Prozent) noch einmal einen großen Sieg. Immerhin sprachen sich 10.719.284 (45,7 Prozent) für die Monarchie aus, darunter zahlreiche Anhänger der DC. Bei den gleichzeitig stattfindenden Wahlen zur Konstituante erreichten die DC 35,2, die ISP 20,7 und die IKP 18,9 Prozent. Die PdA kam nur auf 1,5 Prozent. Uòmo-Qualunque erzielte 5,3. Die restlichen Stimmen entfielen auf zehn verschiedene, kleinere Parteien.

Im Ergebnis der Resistenza ergab sich die Möglichkeit einer linken Regierung mit IKP und ISP an der Spitze. Um das zu verhindern, verbündeten sich die USA, die ihre Besatzungstruppen im Lande stehen hatten, mit den italienischen Rechtskräften zu einer reaktionären Allianz, die der Vatikan aktiv unterstützte. In dieses Bündnis wurden die Faschisten einbezogen, die sich so als Bewegung weitgehend intakt über ihre Niederlage hinweg retten und unter den Bedingungen des republikanisch-parlamentarischen Systems sofort wieder aktiv werden konnten.[89] In dem in Paris am 10. Februar 1947 geschlossenen Friedensvertrag lehnten die  USA für Italien die von der UdSSR geforderte Klausel ab, jemals wieder faschistische Organisationen zu erlauben und Kriegsverbrechen nicht ungesühnt zu lassen.[90] 

Im Vorfeld des Kalten Krieges ging es den USA darum, sich Italien als ihre Einflusssphäre und Südflanke der künftigen NATO zu sichern. Die US-Militärregierung beseitigte die in Norditalien durchgesetzten antifaschistisch-demokratischen Errungen-schaften und unterstützte die Restauration der angeschlagenen Herrschaft des Kapitals. Im Dezember 1946 half Washington Alcide De Gasperi,[91] den DC-Rechten mit einem antifaschistischen Image, an die Spitze der Regierung, wo er den gewünschten antikommunistischen Kurs einschlug. Nachdem im Januar 1947 die Rechtssozialisten unter Saragat sich von der ISP abgespalten hatten und im März die Truman-Doktrin verkündet worden war, wurden im Mai die Kommunisten und Sozialisten aus der Regierung vertrieben. Ihre Ausschaltung aus dem Kabinett hatten die USA als Bedingung für die Gewährung ihrer Auslandshilfe gestellt.[92] Im Juni 1947 stimmte die Regierung dem Marshallplan zu. Im April 1949 folgte die Teilnahme an der NATO-Gründung und im Januar 1950 der erste Vertrag über Militärstützpunkte für die USA.

Ein schwerer Schlag gegen die Arbeiter- und demokratische Bewegung erfolgte im September 1949 durch die  Spaltung  der Einheitsgewerkschaft Confederazione Generale Italiana del Lavoro (CGIL), die  zur Bildung der Unione Italiana Lavoratori (UIL) und der Confederazione Italiana dei Sindacati Liberi (CISL) führte. Wie der Corriere della Sera 1975 enthüllte, war die Spaltung der CGIL, wie vorher die Abspaltung der Saragat-Fraktion von  der ISP, vor allem das Werk der CIA.[93]  Die UIL entwickelte sich zu einer katholisch beeinflussten Organisation, die CISL dominierten die Sozialdemokraten und später vor allem die Sozialisten. Die CGIL blieb jedoch mit über vier Millionen Mitgliedern mit Abstand die nicht nur zahlenmäßig stärkste, sondern auch politisch einflussreichste Gewerkschaft. Sie stand der IKP, so lange diese existierte, nahe.

Im Bündnis mit den Kräften der inneren Reaktion verhinderten die USA eine Säuberung des Staatsapparates, des politischen Lebens und der Wirtschaft von Faschisten. Der staatliche Verwaltungsapparat blieb größtenteils in den Händen entweder direkt faschistischer oder profaschistischer Kräfte. Im militärischem Bereich ordnete die Militärregierung die Auflösung der Partisanenarmee an. Für den Aufbau der bewaffneten Kräfte der Republik (Armee, Polizei, Geheimdienste) wurden überwiegend  faschistische Offiziere verwendet sowie solche, die sich dem Restaurationskurs der reaktionären Kräfte unterordneten.[94]

Weit gehend unangetastet wechselte der faschistische Justizapparat in den Dienst der Republik. Bereits im Juni 1945 löste die Militärregierung das „Hohe Kommissariat zur Verfolgung von Regimeverbrechen“ auf. Die meisten der aktiven Faschisten, die in der eingeleiteten - aber bald abgebrochenen - Phase der Entfaschisierung vor Gericht gestellt worden waren, wurden freigesprochen bzw. die Urteile aufgehoben oder die Betroffenen amnestiert. Das betraf den Großteil von 11.800 führenden Faschisten, die von „mit ihrer Ideologie eng verbundenen Richtern, vor allem Berufungsrichtern, freigelassen wurden. Darunter befand sich fast der gesamte Stab der Salò-Republik. Ihren vorläufigen Abschluss fand die Etappe der Reorganisation des Faschismus mit der offiziellen Wiedergründung der Mussolini-Partei am 26. Dezember 1946 in Rom durch führende Faschisten mit dem Staatssekretär des Duce, Giorgio Almirante, an der Spitze. Der führende Rassenideologe hatte noch kurz vor Kriegsschluss einen „Genickschusserlass gegen Partisanen“ unterzeichnet. Die Gründer tauften die Partei auf den Namen Movimento Sociale Italiano,[95] was eine Beziehung zur Repùbblica Sociale Italiano und - durch das M in der Abkürzung MSI - zum Namen Mussolinis verkörpern sollte.[96] Zu ihren Grundlagen nahm die Sozialbewegung das faschistische Parteiprogramm von 1919 und die als „Manifest von Verona“ bekannte Erklärung Mussolinis anlässlich der Ausrufung der RSI. Zum Nationalsekretär wurde Almirante und zum Parteivorsitzenden der als Kriegsverbrecher verurteilte aber begnadigte Fürst Valerio Borghese gewählt. Mit der MSI entstand die verbotene Mussolinipartei wieder, was gegen eine Übergangsbestimmung der Verfassungsgebenden Versammlung verstieß, die lautete: „Wer die aufgelöste faschistische Partei in irgendeiner Form, sei es als Partei, Bewegung oder paramilitärische Organisation, wieder gründet und militärische oder paramilitärische Gewalt als Mittel für den politischen Kampf anwendet sowie die Ziele der aufgelösten faschistischen Partei verfolgt, wird mit Gefängnis von zwei bis 20 Jahren bestraft.[97] In den 60er Jahren zählte die MSI  rund 300.000 Mitglieder und verfügte über 4.335 Sektionen (Basisorganisationen). Nach ihrem Zusammenschluss mit der Monarchistischen Partei 1972 stieg ihre Mitgliederzahl auf 400.000.[98] 

Unangetastet blieb auch die ökonomische Macht des Großkapitals, die 20jährige  Basis des Faschismus. Dank des Eingreifens der USA wurden alle Versuche, sie einzuschränken, verhindert. Ein Beispiel war die Sabotage einer antifaschistisch-demokratischen Finanzpolitik und der Währungsreform, mit denen die Konzerne zusätzlich besteuert, die Regime- und Kriegsgewinnler finanzpolitisch verfolgt, spekulative Gewinne konfisziert, damit eine inflationäre Entwicklung gestoppt und die Lasten des Wiederaufbaus primär auf die besitzenden Klassen verteilt werden sollten. Die US-Militärbehörden brachten faschistische Industrielle vor der Strafverfolgung durch das CLN in Sicherheit.[99] Die Militärregierung löste die vom CLN in Norditalien eingesetzten Fabrikräte auf. Die abgesetzten Direktoren bzw. die Unternehmer kehrten auf ihre Posten zurück.

2.3 Die Nachkriegsstrategie der IKP

In dieser Situation, in der die von den USA angeführte Allianz mit den inneren Kräften der Reaktion zu einer Wiederherstellung der angeschlagenen Machtpositionen des Imperialismus führte, stellte die IKP keine sozialistischen Ziele als aktuelle Aufgabe. Entsprechende Ansprüche ihres linksradikalen Flügels, der sich vor allem auf die Garibaldi-Brigaden der Partisanenarmee stützte, wies sie zurück.[100] Unter Togliatti verfolgte die IKP in ihrer Nachkriegsstrategie zunächst dennoch revolutionäre Ziele. Eine andere Frage ist, welche Fehler ihr dabei unterliefen. Die Partei ging von Gramscis These des „Stellungskrieges“ aus, die dieser im Unterschied zum „Bewegungskrieg“ als der Periode des Kampfes um die politische Macht entworfen hatte. In diesem Rahmen orientierte sie sich zusammen mit den Sozialisten und den Aktionisten, unterstützt aber auch von linken Kräften der DC-Basis, auf eine antifaschistisch-demokratische Umwälzung hin, die das Eigentum des Großkapitals und der Großagrarier durch Nationalisierungen und eine Agrarreform beschneiden sollte. Der 5. Parteitag im Januar 1946 forderte als Voraussetzung einer Industrie- und Agrarreform, „jene Gruppen aus der Leitung des Wirtschaftslebens auszuschließen, die uns schon einmal, als sie den Faschismus aus der Wiege hoben, zum Ruin führten und noch heute unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung hemmen.“[101] Der 7. Parteitag im April 1951 verlangte, die Macht der Monopole einzuschränken, die Großen unter ihnen zu nationalisieren, eine grundlegende Agrarreform durchzuführen und eine Regierung einzusetzen, die bereit und imstande ist, diese Forderungen zu verwirklichen.[102] 

In diesem Prozess sollten die subjektiven Bedingungen für eine sozialistische Entwicklung heranreifen, was hieß, die Mehrheit der Bevölkerung dafür zu gewinnen. Für revolutionäre Veränderungen setzte die Parteiführung auf den parlamentarischen Weg, in diesem Rahmen auf die weiter bestehende Aktionseinheit mit den Sozialisten und - im engen Zusammenwirken mit der Aktionspartei - auf die Fortsetzung des Bündnisses vor allem mit der DC. Um die DC-Führung für ihre Linie zu gewinnen, machte sie weit reichende, in der Partei oft heftige umstrittene Zugeständnisse. Togliatti, seit Juni 1945 Justizminister, stimmte der Auflösung des „Hohen Kommissariats zur Verfolgung der Regimeverbrecher“ und einer so genannten Amnestie der „nationalen Versöhnung“ zu, die zu einer Revision der bereits ergangenen über 10.000 Urteile führte. Der Erlass sah vor, die Faschisten, die „wichtige öffentliche, politische oder militärische Führungsfunktionen“ innegehabt hatten, von der Amnestie auszuschließen. Nach den Prozessakten jener Jahre, schrieb der kommunistische Jurist und Verfolgte des Faschismus, Alberto Malagugino, „hat jedoch kein Faschist je wichtige politische oder öffentliche Funktionen innegehabt, selbst die Minister der Repùbblica Sociale nicht“.[103] Zu den Freigelassenen gehörte beispielsweise der Chef der berüchtigten Decima Maas, der zur Partisanenbekämpfung eingesetzten 10. italienischen Torpedoboot-Flottille, Fürst Valerio Borghese, der wegen wenigstens 800-fachen Mordes verurteilt worden war.[104] Zu beträchtlichen Teilen übernahm die Republik auch die faschistische Gesetzgebung.[105] 

Die Partei fand sich damit ab, der Verfassungsgebenden Versammlung keine gesetzgebende Gewalt zu übertragen und diese bei der Regierung zu belassen. Sie beugte sich einer entsprechenden Forderung der DC, die gedroht hatte, andernfalls das Referendum über die Staatsform zu verschieben, was die Chancen verringert hätte, die Monarchie zu beseitigen. Deren Sturz aber setzte die IKP voraus, um den Herrschaftsmechanismus des Großkapitals in antifaschistisch-demokratischem Sinne zu verändern. Dabei ging sie  davon aus, zusammen mit ISP und PdA die Mehrheit in der Verfassungsgebenden Versammlung zu erringen, was fehlschlug. Als De Gasperi IKP und ISP dann im Mai 1947 aus der Regierung ausschloss, konnte die DC mit ihren Verbündeten bei der Gesetzgebung schalten und walten, wie sie wollte.

In der Konstituante stimmte die IKP für die Sanktionierung der unter dem Mussoliniregime geschlossenen Lateranverträge in der Verfassung, was nicht zuletzt bedeutete, ein Bündnis von Staat und Kirche zu begünstigen und die Positionen des Klerus und der rechten DC-Fraktion zu stärken.[106] Das war nicht nur für die Basis der Partei eine schwer verständliche Entscheidung. Das Konkordat hatte 1929 zum Konsens der Massen für den Faschismus beigetragen. Dass sich damals außer der Monarchie auch der Papst an die Seite des Duce stellte, hatte der faschistischen Diktatur den Anschein der Rechtmäßigkeit und gegenüber den Katholiken obendrein den Charakter einer von Gott gewollten Ordnung verliehen. Die Anerkennung der Verträge bedeutete, den antifaschistischen Widerstand im Nachhinein herabzusetzen, und gab der Opposition gegen antifaschistisch-demokratische Veränderungen Auftrieb. Togliatti begründete das Votum der Partei damit, dass das Land „den religiösen Frieden“ brauche. Es war jedoch bekannt, dass die IKP-Führung auch in dieser Frage einer Erpressung der DC nachgegeben hatte. De Gasperi hatte auch in diesem Fall gedroht, bei einer Ablehnung der IKP, deren Stimmen für die Annahme gebraucht wurden, ein neues Referendum über die Republik einzuberufen.[107]

Bereits in diesem Zurückweichen zeigten sich rechtsopportunistische Tendenzen. Luigi Longo, seit 1946 Stellvertreter Togliattis und nach seinem Tod sein Nachfolger, warnte vor zu weit gehenden Kompromissen sowie der Überschätzung der parlamentarischen Möglichkeiten und forderte, die außerparlamentarische Kraft der Arbeiterbewegung und die Mobilisierungsfähigkeit der Partei nicht zu vernachlässigen. Auf dem 12. Parteitag 1969 bezeichnete er es als entscheidend, „die Perspektive unseres Weges zum Sozialismus klar im Auge zu behalten“ und den parlamentarischen Weg als eine, aber nicht die einzige Möglichkeit zu sehen.[108]

2.4. Verhängnisvoller Einfluss des XX. KPdSU-Parteitages

Der Weg der IKP nach 1945 ist im Klima des Kalten Krieges und der Blockkonfrontation zu sehen. Revolutionär-demokratische Veränderungen als eine erste Etappe des Ausbrechens aus dem kapitalistischen System schienen in dieser Periode schwer vorstellbar, waren aber, wie die Ansätze der Aprilrevolution 1974 in Portugal zeigten, nicht von vornherein unmöglich. Eine revolutionäre Strategie musste gegen die von den USA betriebene Politik des Roll back des Sozialismus und gegen ihr Weltherrschaftsstreben, von dem eine permanente Kriegsgefahr ausging, Stellung beziehen. In diesem Zusammenhang sind die unter Chruschtschow nach dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 einsetzenden revisionistischen Erscheinungen, die zum Konflikt mit der KP Chinas führten und entscheidend die Deformierungen und Fehlentwicklungen der sozialistischen Staaten in Osteuropa bedingten, zu sehen.[109] Ohne einige  positive Aspekte des XX. Parteitages zu übersehen, beginnt mit ihm ein Prozess, welcher Gorbatschow die Möglichkeit des Weges an die Macht ebnete. Dessen Ziel bestand - wie er nach der Niederlage des Sozialismus 1989/90 offen eingestand, schon lange bevor er 1985 KPdSU-Generalsekretär wurde - darin, auf sozialdemokratischen Positionen die sozialistischen Gesellschaftsordnungen zu liquidieren und eine kapitalistische Restauration durchzusetzen.[110] 

Die von Togliatti herbeigeführte „Wende von Salerno“ bildete eine entscheidende Grundlage des Beitrages der von der IKP geführten Resistenza als eines Bestandteils der Antihitlerkoalition zum Sieg über den Faschismus, welcher der Arbeiterbewegung einen großen Aufschwung eröffnete. Die negativen Aspekte bestanden in der Illusion, das Bündnis mit Kreisen der Großbourgeoisie auch für antifaschistisch-demokratische und ihrem sozialen Inhalt nach antiimperialistische Umwandlungen fortsetzen zu können. Diese Illusion entstand jedoch nicht nur bei der IKP. Der Ausgang des Zweiten Weltkrieges, der insgesamt die Möglichkeiten für das weitere Voranschreiten des revolutionären Weltprozesses erweiterte, schuf zugleich Bedingungen, die der bürgerlichen Ideologie - vor allem in Gestalt neuer Erscheinungsformen des Revisionismus, auch „moderner Revisionismus“ genannt - Wege des Eindringens nunmehr in die kommunistischen Parteien an der Macht einschließlich der KPdSU eröffneten. Gossweiler schreibt, die Antihitlerkoalition habe „in Teilen der Bewegung Illusionen über den Imperialismus genährt; nur der deutsche, italienische und japanische Imperialismus seien ‚böse’ Imperialismen, die imperialistischen Bundesgenossen dagegen repräsentierten einen ‚guten’ Imperialismus, von dem keine Gefahr für den Sozialismus mehr ausginge.“[111]

Deformierungen und Fehlentwicklungen, wie sie von der UdSSR ausgingen, wirkten ebenso wie die Ereignisse in Jugoslawien, Ungarn, Polen und der CSSR tief auf die IKP ein. Hervorzuheben sind besonders die seit den 70er Jahren in der UdSSR und danach in anderen sozialistischen Staaten Europas, darunter in der DDR, sich breit machenden Tendenzen der „Rangerhöhung der Politik der friedlichen Koexistenz“ und der Aushöhlung „dieser Politik als Form des Klassenkampfes“. Die IKP nahm mit ihrem  Historischen Kompromiss für sich nicht nur in Anspruch, diese Koexistenz gegenüber den USA und der NATO selbst zu praktizieren, sondern sie auch auf die Innenpolitik zu übertragen. Die  KPdSU und andere Parteien der kommunistischen Bewegung, darunter die SED, wichen einer offenen Auseinandersetzung mit dem Eurokommunismus und den Erscheinungen der Sozialdemokratisierung der IKP aus.[112] Dabei hätte man vorgewarnt sein müssen. War es doch bezeichnenderweise der Theoretiker des Roll back des Sozialismus durch die Strategie der „Umarmung“, der langjährige Sicherheitsberater im Weißen Haus, Zbigniew Brzezinski, der sich bereits 1976 dafür aussprach, Kontakte zu Berlinguer aufzunehmen.[113]

Togliattis Reaktion auf den XX. Parteitag war widersprüchlich. Der Stratege der „Wende von Salerno“ begrüßte die aufgezeigten Möglichkeiten friedlicher Koexistenz zwischen den Systemen mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung, ebenso die eines  friedlichen, parlamentarischen Weges zum Sozialismus. Durch jahrzehntelange Arbeit als führender Komintern-Funktionär geprägt, bekannte Togliatti sich zwar grundsätzlich zur Vorhutrolle der KPdSU in der revolutionären Weltbewegung, setzte aber gleichzeitig kritische Akzente, indem er sich zu Fragen des Nationalismus und Provinzialismus als auch der Missachtung nationaler und historischer Besonderheiten äußerte, was sich eindeutig gegen die Praxis der sowjetischen Partei richtete. Er sprach von einer „bürokratischen Degenerierung der sowjetischen Gesellschaft“ und wandte sich dagegen, die Ursache der Deformierungen in der KPdSU nur im Personenkult um Stalin zu sehen.[114] Kaum eine Rolle spielte dagegen, dass die von Chruschtschow eingeschlagene Linie von Subjektivismus und Wunschdenken geprägt wurde: so in der Verkündung des Aufbaus der Grundlagen des Kommunismus bis 1980, des Überholens der höchstentwickelten kapitalistischen Staaten in der Pro-Kopf-Produktion und insgesamt in dem abenteuerlichen Kurs, sich an der konsumorientierten Wertvorstellung des Kapitalismus zu orientieren und die Auseinandersetzung mit ihm auf dem Feld der Warenproduktion, auf dem dieser eine entscheidende Überlegenheit besaß, zu suchen.[115] 

Während Togliatti sich zur Teilnahme an einem Vorbereitungstreffen auf eine neue kommunistische Weltkonferenz (die erst 1969 zustande kam)  im August 1964 in Moskau aufhielt, legte er seinen Standpunkt zu vielen Problemen, zu denen es unterschiedliche Auffassungen gab, in einem Memorandum nieder, das er Chruschtschow übergeben wollte. Darin trat er für „die Einheit aller sozialistischen Kräfte in einer gemeinsamen Aktion gegen die reaktionären Gruppen des Imperialismus, auch über ideologische Divergenzen hinweg“ ein, und betonte, dass es unvorstellbar sei, dass „aus dieser Einheit China und die chinesischen Kommunisten ausgeschlossen werden können“. Er plädierte dafür, dass „die Einheit in der Verschiedenheit und völligen Selbstständigkeit der einzelnen Länder hergestellt und erhalten werden muss.“ Togliatti verstarb, noch bevor er Chruschtschow traf, am 21. August 1964 während eines Aufenthalts auf der Krim. Seine Thesen gingen als Memorandum von Jalta in die Geschichte ein und gelten als sein politisches Testament.

Der  langjährige führende Theoretiker der IKP Giuseppe Chiarante schrieb, dass „1956 eine Wende einsetzte“, von der man nicht habe absehen können „wohin sie führt“. Togliatti habe sich dazu öffentlich nicht grundsätzlich geäußert.[116] Ungeachtet dessen  muss zu einer Wertung Togliattis aus linker Sicht ohne Zweifel gehören, dass sein Wirken in dieser Etappe darauf gerichtet war, den Krisenerscheinungen in der kommunistischen Weltbewegung entgegenzutreten, um sie aufzuhalten und Deformierungen und Fehlentwicklungen zu korrigieren. Unter diesem Gesichtspunkt dürfte vieles, was er dazu zu Strategie, Theorie und Politik äußerte, zum positiven Erbe der internationalen Arbeiter- und kommunistischen Weltbewegung gehören und für ihren gegenwärtigen Kampf wertvolle Erfahrungen und Anregungen vermitteln.[117]

Die IKP und eine Zeit lang (etwa bis Anfang  der 50er Jahre) auch die ISP, traten, wie ihr Auftreten gegen den Beitritt zur NATO und danach für den Austritt verdeutlichte, dem Vorherrschaftsstreben der USA entgegen.[118] Aspekte dieser Haltung zeigten sich auch bei linken DC-Kreisen, an ihrer Spitze der damalige Staatssekretär im Außenministerium, Aldo Moro. Zu ihnen gehörte ferner der führende Wirtschaftsmanager der DC Enrico Mattei. [119]

In der IKP-Führung nährten diese antiamerikanischen Aspekte die nie aufgegebene Hoffnung der Neuauflage einer „Wende von Salerno“. Aus der Frontstellung großbürgerlicher Kreise gegen die Einmischungspolitik der USA schienen sich gemeinsame Anknüpfungspunkte zu ergeben. Hinzu kam, dass die DC bei den ersten Wahlen nach dem NATO-Beitritt 1953 die Quittung für ihren pro-atlantischen Kurs erhielt. Sie verlor über acht Prozent der Wähler und sank auf 40,1 Prozent ab.

Unter dem Gesichtspunkt der antiamerikanischen Haltung einflussreicher DC-Kreise mit Moro und Mattei an der Spitze kann die Bündniskonzeption der IKP nicht von vornherein und grundsätzlich als illusorisch abgetan werden. Schließlich gab es nicht nur in Italien, sondern ebenso in Westeuropa, besonders im Frankreich De Gaulles, die Hoffnung, das Vormachtstreben der USA könnte verhindert oder zumindest eingeschränkt werden. Als das scheiterte, musste die IKP stets eines bewaffneten amerikanischen Eingreifens gewärtig sein, wie die Ereignisse in Griechenland zeigten. Wie schmal der Grat der möglichen Entscheidungen oft war, verdeutlichten das am 14. Juli 1948 auf Togliatti verübte Attentat und die damit verfolgten Ziele.  

Der Mordanschlag, dessen Fäden, wie sich später herausstellte, in Washington gezogen worden waren, sollte die Partei und ihre Anhänger zum bewaffneten Aufstand provozieren, um sie „per Blutbad“ liquidieren und als entscheidendes Hindernis der zu dieser Zeit vor sich gehenden kapitalistischen Restauration ausschalten zu können. Fast schien die Rechnung aufzugehen. Ohne dass es seitens der Partei einen Aufruf gab, begann ein Generalstreik, wie ihn das Land bis dahin nicht gesehen hatte. Nicht nur Mitglieder und Sympathisanten der IKP, sondern auch viele andere Kräfte der Resistenza, darunter auch der linken DC-Basis, drängten zum Aufstand. Partisanen holten ihre Waffen aus den Verstecken und traten den gegen die Streikenden und Demonstranten vorgehenden Armee- und Polizeieinheiten entgegen. In Genua stoppten sie Panzerwagen und nahmen ihre Besatzungen gefangen. In Hunderten von Städten und Gemeinden übernahmen Streikleitungen die Macht. Bei FIAT in Turin besetzten die Arbeiter die Fabrik und nahmen den Direktor Valetta, einen verhassten Wirtschaftsführer aus der faschistischen Zeit, sowie über ein Dutzend Mitglieder der Konzernleitung fest.

Bei den bewaffneten Zusammenstößen gab es 20 Tote und über 600 Verletzte. 92.000 Personen, in erster Linie Arbeiter, wurden festgenommen, über 70.000 von ihnen später vor Gericht gestellt und die meisten verurteilt. Die IKP-Leitung rief am zweiten Tag dazu auf, den Generalstreik zu beenden. Es gelang der Parteiführung, ihre Basis vom Aufstand abzuhalten, vor dem der schwer verletzte Togliatti, bevor er operiert wurde, eindringlich gewarnt hatte .[120]

Eine bewaffnete Erhebung hätte nur in einen blutigen Bürgerkrieg übergehen und mit einem Eingreifen der USA-Truppen zu einer reaktionären Wende führen können. Eine physische Abrechnung mit der IKP wäre die Folge gewesen. Die faschistische Entwicklung hätte einen unausweichlich stärkeren Auftrieb erhalten.[121] Nach dem Attentat waren  vor allem die IKP und ihre Anhänger einer massiven Verfolgung ausgesetzt. Bis Mitte 1950 gab es bei Auseinandersetzungen mit Großagrariern, Faschisten und Zusammenstößen mit der Polizei 62 Tote, darunter 48 Kommunisten. 3.126 Personen, wurden verletzt, davon waren 2.367 Kommunisten. Von 92.169 Verhafteten waren 73.780 Kommunisten. 19.306 Menschen wurden unter fadenscheinigen politischen Vorwänden verurteilt, unter ihnen 15.429 Kommunisten.[122] Die Furcht der Parteiführung, ihre von den Traditionen des Partisanenkampfes stark geprägte Basis könnte vor allem angesichts der wachsenden faschistischen Gefahr erneut zu bewaffnetem Widerstand provoziert werden, wirkte in der weiteren Entwicklung wie ein Trauma.

2.5. Der Historische Kompromiss

Die Konzeption des Historischen Kompromisses wurde nicht erst, wie manchmal behauptet,  nach dem Putsch Pinochets  entworfen, sondern  bereits auf dem 13. Parteitag der IKP im März 1972. [123] Ursprünglicher Anlass der Neuorientierung war, dass die DC wiederum über keine Mehrheit verfügte, das von Giulio Andreotti[124] gebildete Kabinett nicht die Zustimmung des Parlaments erhielt und der Staatspräsident vorzeitige Neuwahlen ausschrieb. Bereits auf der ZK-Tagung im November 1971 hatte Berlinguer, sich für eine „Regierung der demokratischen Wende“ ausgesprochen, die der „Überwindung der Klassenschranken“ dienen und zur „vollen Demokratie“ und zum „Zugang der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten zur Leitung des Staates“ führen sollte.[125] Die IKP bot der DC als ersten Schritt an, bei Beibehaltung „des Unterschieds zwischen Mehrheit und Opposition“ an Mehrheiten „zur Lösung der einzelnen Probleme“ teil zu nehmen.[126]  

Auf dem 13. Parteitag präzisierte Berlinguer dann, die „demokratische Wende“ durch die Zusammenarbeit der drei großen „politischen Volkskräfte“, Kommunisten, Sozialisten und Christdemokraten herbeizuführen. Gleichzeitig gab die Partei ihre Anti-NATO-Haltung auf. Diese könne nicht mehr nur „auf die einfache Stellungnahme für oder gegen den Militärpakt“ reduziert werden.[127] Nach dem Parteitag begann die öffentliche Diskussion über eine Regierungsbeteiligung. Im Februar 1973 erklärte das ZK, den  Beitritt zur EG zu unterstützen. Gleichzeitig suchte die IKP eine verstärkte Zusammenarbeit mit den sozialistischen bzw. sozialdemokratischen Parteien Westeuropas, darunter besonders mit der SPD. Gegenüber der CGIL wurde der Wandel seitens der westeuropäischen Sozialdemokratien im Sommer 1974 durch die Aufnahme in den Europäischen Gewerkschaftsbund honoriert. [128]

Nach dem Sturz Allendes gebrauchte Berlinguer erstmals den Begriff des Historischen Kompromisses. „Selbst wenn die Linksparteien und Linkskräfte 51 Prozent der Stimmen und Sitze im Parlament erringen könnten (...), wäre es völlig illusorisch, anzunehmen, dass allein diese Tatsache den Fortbestand einer Regierung der Linksparteien und Linkskräfte garantieren würde.“ Eine „demokratische Erneuerung“ könne sich nur vollziehen, wenn sich die Regierung und das Parlament auf eine breite Mehrheit stützten, die stark genug sei, das Land vor jedem reaktionärem Abenteuer zu schützen.  Berlinguer  schlug der DC einen Compromesso stòrico und die Zusammenarbeit auf Regierungsebene vor. [129] Als die IKP 1976 bei  den Wahlen 34,4 Prozent erreichte, trat der Kompromiss in sein konkretes Stadium. Den offiziellen Vorschlag unterbreitete Berlinguer, um den Symbolcharakter hervor zu heben, in Salerno.[130] 

Für die Verhandlungen befand sich die IKP in einer starken Position. Als zweitstärkste Fraktion belegte sie in der Abgeordnetenkammer 227 Sitze und stellte den Präsidenten, im Senat den Stellvertreter. Sieben Kommunisten leiteten Parlamentsausschüsse. In den Regionen beteiligte sich die Partei an fast  der Hälfte der Regierungen. In allen Großstädten von Mailand über Rom bis nach Neapel stellte sie die Mehrheit in den Stadtparlamenten und regierte mit den Sozialisten zusammen. In 1.362 von 8.068 Städten stellte sie den Bürgermeister und in 929 von 2.754 Provinzen den Regierungspräsidenten. Die Vertretung der IKP und der ISP auf der Ebene von den Gemeinden bis zu den Landesparlamenten entsprach 52,8 Prozent der Wähler.[131] 

Mit dem Eintritt in die bürgerliche Regierung konnte einem Erfordernis zur Abwehr der faschistischen Gefahr entsprochen werden. Jedoch fehlten konkrete Vereinbarungen, wie der Gefahr Einhalt geboten werden sollte. Es hätte  beispielsweise darum gehen müssen, das  in der Verfassung festgeschriebenen Verbot der Wiedergründung der Mussolini-Partei in Gestalt der MSI durch zu setzen, den Staatsapparat, besonders Armee und Geheimdienste, von faschistischen Elementen zu säubern, ein Verbot der von der MSI offen betriebenen faschistischen Propaganda, darunter Aufrufe zum Sturz der verfassungsmäßigen Ordnung,[132] zu erlassen. Nichts davon geschah jedoch.  

Durch den Wahlerfolg erhielt die sozialdemokratische Strömung, die sich in der Nachkriegsentwicklung zunächst nur in Ansätzen herausgebildet, aber bereits in den sechziger Jahren an Gewicht gewonnen hatte, Auftrieb und gewann bestimmenden Einfluss auf die Gestaltung des Historischen Kompromisses. Sie beherrschte vor allem den mächtigen parlamentarischen Apparat, der wiederum eng mit der Parteiführung verknüpft war.[133] Ihre politisch-ideologische Grundlage bildete der so genannte Eurokommunismus.[134] Während Spaniens PCE unter dem späteren Sozialdemokraten Santiago Carillo kaum über Deklarationen hinauskam und die PCF unter Georges Marchais zunehmend wieder auf Distanz ging, wurde die IKP unter Berlinguer zu seinem Protagonisten .

Die Reformen-Vorhaben sahen eine Förderung der Privatindustrie bzw. Repriva-tisierungen, die Behebung des Nord-Südgefälles durch Belebung der Landwirtschaft und Investitionen im Süden sowie die Steigerung der Produktivität vor. Das Steuersystem sollte reformiert werden. Es wurde, wie schon so oft, die Schaffung neuer Arbeitsplätze vor allem für Jugendliche versprochen, was der  Förderung des sozialen Konsums dienen sollte. In den meisten Fragen, handelte es sich um verbale Bekundungen, die erst durch die Regierung bzw. das Parlament hätten beschlossen und verwirklicht werden müssen, wozu es nie kam. Von den antimonopolistischen Forderungen des 7. Parteitages war nicht einmal mehr in Ansätzen die Rede. Interessen der Arbeiter wurden nicht berücksichtigt. Eine  Garantie für die bereits zu dieser Zeit den Angriffen des Verbandes der Großindustriellen Confindustria ausgesetzte Scala mobile[135] fehlte. Ebenso spielte die Mitbestimmung der Gewerkschaften in den Betrieben, vor allem in den staatlichen  Unternehmen, generell keine Rolle. Es fehlten auch Maßnahmen zur Beseitigung der vor allem von der DC und der ISP praktizierten Korruption und persönlichen Bereicherung in den staatlichen Konzernen, eine Preiskontrolle im Lebensmittelbereich, Verbesserungen auf sozialen Gebieten, besonders im Gesundheitswesen oder in der Bildung. Die IKP stellte keine Forderungen, die Lebensbedingungen der arbeitenden Menschen zu verbessern, sondern fand sich  im Gegenteil bereit, rigide Sparmaßnahmen der Regierung mitzutragen und mäßigend auf den Widerstand der Gewerkschaften dagegen einzuwirken.

Die IKP beugte sich dem Druck der DC-Rechten mit Ministerpräsident Andreotti an der Spitze und gab für die in Aussicht gestellte Aufnahme in die  Regierung und die   Zusage, die erwähnten Reformen durchzuführen, was nie eingehalten wurde, fundamentale kommunistische Positionen auf und machte schwerwiegende politische und sozialökonomische Zugeständnisse. Sie befand sich hier nicht, wie behauptet, in Übereinstimmung mit Gramscis These vom Historischen Block und Togliattis Konzeption der „Wende von Salerno“, sondern im eindeutigen Widerspruch dazu.[136] 

Neben berechtigter Kritik an sozialistischen Deformierungen und dem unter Chruschtschow begonnenen Voluntarismus in der UdSSR sowie an der Führerrolle der KPdSU beteiligte die IKP sich an der bürgerlichen Propaganda gegen die Sowjetunion. Sie proklamierte auf der Grundlage der Anerkennung der „Spielregeln der bürgerlichen Demokratie“ und ihrer Integration in deren Parteiensystem einen eigenen „Weg zum Sozialismus“, übernahm das bourgeoise Staatsmodell, für das sie lediglich eine „demokratische Transformation“ forderte und anerkannte die kapitalistische Markt-wirtschaft.[137] Den Gipfel des Revisionismus erklomm sie, als Berlinguer erklärte, nicht nur die Bündnisverpflichtungen Italiens zu respektieren, sondern obendrein bekundete, die NATO eigne sich unter bestimmten Voraussetzungen als „Schutzschild“ eines italienischen Weges zum Sozialismus. [138] 

Nachdem Aldo Moro den Vorsitz der DC übernommen hatte, begann nach den Wahlen 1976 die Umsetzung der reformistischen Konzeption in die Praxis. Die IKP half der DC über die schwere Regierungskrise hinweg, indem sie deren Kabinett im Parlament durch Stimmenthaltung stützte. „Wir sind nicht mehr in der Opposition, aber noch nicht in der Regierung“, kommentierte Berlinguer. Nach schwierigen Gesprächen, in die der als brillanter Redner bekannte Moro, ohne  Zweifel sein außergewöhnliches Geschick als Verhandlungsführer einbrachte, kam im Januar 1978 das Regierungsabkommen zu Stande. Die Gespräche fanden geheim und zwischen den Parteichefs statt. Den von Berlinguer gewünschten Bezug auf das „Modell einer sozialistischen Gesellschaft“ lehnte Moro ab, da er Widerstand in seiner Partei befürchtete. Berlinguer war zunächst gegen  Andreotti als Regierungschef, lenkte aber auf Drängen Moros, der hoffte, damit die Amerikaner zu beruhigen, ein. Moro hatte große Schwierigkeiten, im Parteirat der DC eine Mehrheit für das Abkommen zu erhalten. Andreotti war als Ministerpräsident in die Verhandlungen nicht einbezogen und unternahm auch keinerlei Schritte, das Abkommen zu verwirklichen. Nach der Entführung und Ermordung Moros fehlte damit seitens der DC die Garantieperson.[139] Am 16. März stellte sich die Regierung Andreotti zur Vertrauensabstimmung im Parlament. Noch vor der Eröffnung der Sitzung wurde Moro entführt. Andreotti wurde ohne Debatte mit den Stimmen der IKP das Vertrauen ausgesprochen. Obwohl noch nicht im Kabinett vertreten, erhielt sie ein Mitspracherecht in der Regierungspolitik. Für einen späteren Zeitpunkt war der direkte Eintritt in die Regierung vorgesehen.[140]

Konnte man in der Konzeption eines breiten antifaschistischen Regierungsbündnisses einen akzeptablen Ansatz zur Bekämpfung der faschistischen Gefahr sehen, wurde dieser durch die Untersetzung mit einer völlig reformistischen Politik und schließlich durch die Unterstützung einer Regierung mit Andreotti an der Spitze jeder Realität beraubt. Andreotti brachte nicht nur das Regierungsabkommen zum Scheitern, sondern lieferte auch den von den RB entführten Moro dem sicheren Tod aus. Sicher hat es eine gewisse Berechtigung, zu fragen, ob der Historische Kompromiss anders verlaufen wäre, wenn Moro ihn seitens der DC hätte weiter gestalten können. Der Mord wurde aber eben deshalb inszeniert, um die Regierungszusammenarbeit zu verhindern. Das bestätigte die DC-Politikerin Tina Anselmi, eine Anhängerin  Moros und in der Regierung Andreotti Ministerin für Gesundheitswesen, als sie erklärte: „Aldo Moro aus dem politischen Leben zu eliminieren hieß, den wichtigsten Bezugspunkt dieser Zeit auszuschalten. Danach war nichts mehr wie früher.“[141]

Die IKP wurde, indem sie Andreottis Linie, Moro dem sicheren Tod auszuliefern, mitmachte, zum Komplizen dieses Komplott. Nur Luigi Longo ging in einem Leitartikel in der Unita am 25. April, dem Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, verhalten auf Distanz zu dieser Haltung, wenn er  die DC-Herrschaft kritisierte und unter anderem schrieb, dass in der Nachkriegsentwicklung „ein Machtsystem geschaffen wurde, das auf der fast absoluten Identifizierung zwischen Partei der Mehrheit, Regierung und Staatsapparat beruht, und auf  Grund dessen sich die Schäden herausbildeten, die der heutigen äußerst schweren Krise zu Grunde liegen.“ Longo betonte, es sei wichtig, nicht dieses „Machtsystem zu verteidigen“, sondern das Erbe der Resistenza, zu dem er den von der MSI bedrohten republikanischen Staat, seine Einrichtungen und die Verfassung zählte. Wenn er feststellte, dass nur dieses unveräußerliche Erbe Ausgangspunkt „für jedwede Form der Erneuerung der Gesellschaft“ sein könne, kritisierte er ebenso den Inhalt des von Berlinguer eingegangenen Historischen Kompromisses.[142] Auch Moro hat Berlinguer in seinen Aufzeichnungen im Gefängnis der RB offen angeklagt, dass er ihn, „der als einziger Verständnis zwischen Christdemokraten und Kommunisten realisiert hat, (...) dem Tod ausliefert“.[143]

2.6. Widerstand an der Basis

Die Klassenzusammenarbeit mit der DC wurde von der mehrheitlich opportunistischen Strömung in der IKP-Führung gegen heftige Proteste nicht nur der Parteibasis, sondern auch von Teilen der Führung, des Parteiapparates und darüber hinaus der Linken überhaupt durchgesetzt. Widerstand gegen die in der Partei Fuß fassenden reformistischen Tendenzen regte sich bereits Mitte der 60er Jahre. Er erhielt Auftrieb durch die 68er Bewegung. Nach den faschistischen Anschlägen am 12. Dezember 1969 in Mailand grenzte die IKP-Führung sich von ihrem radikalen Flügel ab, ging auf Distanz zu den anarchistischen und autonomen Gruppen und ließ es an einer klaren Solidarität mit den des Anschlags beschuldigten und unschuldig eingesperrten und angeklagten Anarchisten fehlen.

Im heißen Herbst 1969, der den 68er Studentenunruhen folgte, wuchsen die Kämpfe um höhere Löhne, die 40-Stunden-Woche, um soziale Reformen und gewerkschaftliche Rechte wieder an. In Arbeitsniederlegungen und einem Generalstreik wurden  Lohnerhöhungen und in den meisten Industriezweigen die 40-Stunden-Woche erreicht. In diesen Jahren wurde der Artikel 18 des Arbeitsstatuts über den Kündigungsschutz erkämpft, den die profaschistische Regierung Berlusconi gegenwärtig beseitigen will.[144] Eine breite Arbeiter- und demokratische Bewegung brachte organisatorische Formen der Basisdemokratie hervor, zu der nicht nur Fabrikräte gehörten, sondern Mieter- und Arbeitslosenvereinigungen, Bewegungen von Juristen, Ärzten, Journalisten oder Polizisten, die bereit waren, die Forderung nach einer „demokratischen Wende“ zu unterstützen. Die  IKP nutzte diese Kampfkraft jedoch nicht für ihre  Strategie, sondern versuchte im Gegenteil „die Dynamik der großen Massenbewegung zu bremsen“. Aufschlussreich ist, wie der Anhänger des Eurokommunismus, der Spanier Fernando Claudin, sich kritisch zum Historischen Kompromiss äußerte und einen Erfolg bezweifelte. „Die zunehmenden Wahlerfolgte der PCI und ihre fortschreitende ,Besetzung’ von Machtpositionen im politischen System waren nicht begleitet vom Aufbau eines sozialen Blocks, der von seinem Bewusstseinsgrad, von seiner inneren Gliederung und der Qualität seines Programms her in der Lage gewesen wäre, die harten Prüfungen zu bestehen, die auf ihn zukommen.“[145]

Im November 1969 schloss das ZK die unter dem Namen Manifesto entstandene Opposition  aus der Partei aus. Insgesamt wurden etwa 10.000 Mitglieder ausgeschlossen oder verließen die Partei. Unter ihnen die legendären Linken Luigi Pintor und Rossana Rossanda, die anschließend die Zeitung Manifesto gründeten.[146]

Dass die Partei sich vom linksextremen Terror von Gruppen wie der RB distanzierte, war verständlich. Nicht aber, dass linksradikale Organisationen, die den sogenannten bewaffneten Kampf führten, mit faschistischen Terroristen auf eine Stufe gestellt wurden.[147] Dazu zählte beispielsweise die einflussreiche Lòtta Continua, die sich am Maoismus orientierte. 1969 aus der 68er Bewegung in Turin entstanden, zählte sie zirka 20.000 Mitglieder, gab eine gleichnamige 14tägige Zeitschrift (1972 bis 1982 Tageszeitung) heraus, leistete aktiven Widerstand gegen die faschistische Gefahr und unterstützte den Basiskampf der Gewerkschaften. Lotta Continua lehnte den Historischen Kompromiss ab. Eine Strömung trat für den bewaffneten Kampf ein, im Wesentlichen agierte die Organisation jedoch gewaltlos.[148] Nachdem sie sich 1976 aufgelöst hatte, gründete ein Teil ihrer Mitglieder die Democrazia Proletaria, die sich als legal anerkannte Partei im gleichen Jahr an den Parlamentswahlen beteiligte und 1,5 Prozent erzielte.[149] Neben der außerparlamentarischen Linken lehnte auch die PdUP den Historischen Kompromiss ab und trat für eine linke Regierungsalternative ein.

An der Basis der IKP, aber auch in der Führung und im Parteiapparat wuchs der Unmut gegen die Zugeständnisse an die „Austeritätspolitik“ der Regierung.[150] Longo kritisierte auf der ZK-Tagung im Oktober 1976, die Entscheidungen „von oben“ zu  treffen. Man verliert „den Kontakt mit der Basis“; die „Partei wird geschwächt“. Es werde gefragt, ob die von den Arbeitern verlangten „Opfer“ tatsächlich zu den erwarteten Reformen führen oder nur zur Stärkung des Monopolkapitalismus und seiner Diener, der Christdemokraten.[151] Im Februar/März 1977 kam es in Norditalien, besonders im roten Bologna, zu anhaltenden Protesten der Studenten gegen den reformistischen Kurs.[152]

Auf dem danach Mitte März tagenden Zentralkomitee[153] erklärte ZK-Mitglied Borgnas, an der Basis gebe es „ernste Zweifel“, dass der Historische Kompromiss eine Alternative darstelle. Es bestehe der Eindruck, dass die Partei eher zur „Verteidigung des bestehenden politischen Rahmens“ neige als zur „Schaffung von Voraussetzungen für seine Überwindung“. Politbüromitglied Gian Carlo Pajetta, einer der bedeutendsten IKP-Führer, sprach „von Gefahren und Schwierigkeiten“, die Regierung Andreotti sei „unangemessen für die Bedürfnisse des Landes“. Er forderte, die Arbeiterbewegung  „in eine bewusste und einheitliche Schlacht“ zu führen. ZK-Mitglied Luporini sprach von der Klassenzusammenarbeit mit der DC. Die Kommunisten würden nicht „als Träger einer neuen Gesellschaft gesehen, sondern als ,Mitverwalter’ der bestehenden.“ ZK-Mitglied Lubertini warnte vor „einer historischen Niederlage“, einem „gesellschaftlichen Umschwung nach rechts“. Eine Wende sei nur möglich, wenn für den politischen Fortschritt Massenkämpfe geführt würden. Politbüromitglied Armando Cossuta fragte, ob die IKP überhaupt noch „eine Kampfpartei“ sei? Giorgio Napolitano, führender Exponent der sozialdemokratischen Strömung, ignorierte in seinem Schlusswort die Kritik und verlangte, so schnell wie möglich das System der Stimmenthaltung im Parlament aufzugeben und die Zusammenarbeit mit der DC zu vertiefen, auch wenn das noch nicht zum direkten Eintritt in die Regierung führe.[154]

 

2.7. IKP-Partner Aldo Moro

Aldo Moro ist als führender Repräsentant des linken DC-Flügels mit seiner Regierungszusammenarbeit zunächst mit Sozialisten, später mit Kommunisten zweifelsohne der bekannteste bürgerliche Reformer der Nachkriegszeit.  Der aus einer ländlichen Pädagogenfamilie stammende Professor für Strafrecht gehörte in der Democrazia Cristiana zu den führenden Köpfen der in der Resistenza entstandenen „Initiativa Democratica“, die  nach der Niederlage des Faschismus für eine gesellschaftliche Erneuerung auf christdemokratischen Grundlagen eintrat. Diese DC-Linken lehnten den proamerikanischen und konservativen von De Gasperi betriebenen antikommunistischen Kurs der kapitalistischen Restauration ab und traten für die Fortsetzung des in der Resistenza entstandenen antifaschistischen Regierungsbündnisses mit Kommunisten und Sozialisten ein.  

Die ökonomische Basis von Reformen sah Moro in einem starken staatlichen Sektor, vor allem im Energiebereich, an dessen Spitze sein Parteifreund, der Chemieunternehmer  und Präsident der Energiegesellschaft ENI, Enrico Mattei, stand. Leute wie Moro und Mattei traten der von den USA verfolgten Politik entgegen, die NATO als ihr Instrument zur wirtschaftlichen und politischen Unterwerfung der Mitgliedsländer unter ihre Vorherrschaft zu nutzen. Mattei, in der Resistenza Kommandant einer Partisanenbrigade, plädierte bereits 1955 dafür, „die Lösung der kommunistischen Frage in Italien über kraftvolle soziale und ökonomische Reformen herbeizuführen“.[155] Wie später Moro wurde er deshalb in Washington als „Kommunistenfreund“ diffamiert und fiel 1962 einem Attentat der CIA zum Opfer.[156] Reformpläne, wie sie Moro oder Mattei verfolgten, basierten auf der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und dienten objektiv dem  Ziel, den Reformismus in der Arbeiterbewegung zu stärken und eine moderne Arbeiter-aristokratie heranzubilden.

Moro reifte frühzeitig zu einem fähigen Politiker mit Realitätssinn für die Probleme des eigenen Landes als auch internationaler Fragen heran. 1946 in die Verfassungsgebende Versammlung gewählt, gehörte ununterbrochen der Abgeordnetenkammer an, wurde   1948 Staatssekretär, danach mehrmals Außenminister und Chef anderer Kabinettsressorts, war fünfmal Regierungschef und galt für die 1979 anstehenden Präsidentenwahlen als aussichtsreichster Kandidat. Wegen seines Widerstandes gegen den NATO-Beitritt schloss ihn De Gasperi 1949 aus dem Kabinett aus. Viele Politiker hielten seine Karriere für beendet. Als die DC bei den Wahlen 1953 als Folge des pro-atlantischen Kurses von 48,5 Prozent  auf 40,1 absackte, musste De Gasperi abdankten während Moro in die Politik zurückkehrte. Als Premier nahm er 1963 die Sozialisten wieder in das Kabinett auf. Nachdem die Stimmen der IKP 1976 auf 34,4 Prozent anstiegen, bezog er als DC-Vorsitzender die Kommunisten in die Regierungs-zusammenarbeit ein. 

Zusammen mit Berlinguer ging es Moro darum, den Faschisten, die für Italien offen ein „Modell Pinochet“ propagierten, Einhalt zu gebieten. Er trat der Unterordnung Italiens unter die Vorherrschaft der USA sowie der  Blockkonfrontation entgegen und setzte sich für internationale Entspannung ein. In La Repubblica wies er Forderungen seiner Partei,  die IKP als politischen Faktor auszuschalten, zurück. Er plädierte im Interesse einer stabilen Regierungszusammenarbeit mit einer „reformierten“ KP dafür, die IKP sollte „ihre ideologische  Herkunft nicht zu sehr verleugnen“, womit er nachgerade vor ihrer zu starken Sozialdemokratisierung warnte.[157] Moro hätte für die IKP, wenn sie auf ihrer eurokommunistischen Grundlage gegenüber den DC-Rechten nicht  schwerwiegende Zugeständnisse eingegangen wäre, ein  Partner nicht nur für die Durchsetzung von Reformen im Rahmen der bürgerlichen Ordnung, sondern auch für darüber hinaus gehende, an den Sozialismus heranführende, werden können. Dafür spricht  vor allem sein Memoriale, das er vor seinem Tod niederschrieb und das als sein politisches Testament gilt. In seiner Anklage  gegen das mit Giulio Andreotti an der Spitze etablierte  antidemokratische Regime und seine proamerikanische Politik zeigen sich antiimperialistische Aspekte. Die Erinnerungen sind gleichzeitig ein Dokument menschlicher Größe und Standhaftigkeit. Moro erkannte, dass er sich in den Händen seiner Washingtoner Feinde befand, welche die RB als ihr Werkzeug benutzten. Er hielt dem physischen und psychischen Druck stand und bekannte sich mutig zu seiner Zusammenarbeit mit den Kommunisten, obwohl ihn ein Widerruf möglicherweise das Leben  gerettet hätte. [158] 

2.8. Ergebnis: reaktionäre Wende

Genau in dem Augenblick, da Moro und Berlinguer ihren Historischen Kompromiss verwirklichen wollten, wurde das in Washington seit langem geplante Komplott gegen den DC-Vorsitzenden eingeleitet. An seiner Inszenierung und Ausführung wirkten Politiker wie USA-Außenminister Kissinger, der italienische Ministerpräsident Andreotti, die CIA und die NATO-Geheimtruppe Gladio mit italienischen Geheimdienst- und Armee-Kreisen in Komplizenschaft mit den Faschisten des Landes. Als Werkzeug dazu ließen sich die von Polizei und Geheimdienst-Agenten unterwanderten und entsprechend manipulierten linksextremen RB missbrauchen. Am 16. März 1978, dem Tag der Amtseinführung der Kompromiss-Regierung, entführte ein BR-Kommando, flankiert von wenigstens einem hochqualifizierten Militärspezialisten Moro und ermordete ihn 55 Tage später am 9. Mai.[159]

Andreotti lehnte von den Entführern geforderte Verhandlungen - bis dahin immer geführt und auch danach wieder gängige Praxis[160] - ab und lieferte seinen Partei-Vorsitzenden dem sicheren Tod aus. Um in der Regierungsmehrheit verbleiben zu können, schloss sich die IKP dieser Linie an und überließ ihren Bündnispartner seinem Schicksal.[161] Die IKP ordnete sich auch in den folgenden Monaten dem  rechten Kurs Andreottis unter. Mit ihren Stimmen verabschiedete das Parlament fünf Tage nach dem Anschlag Notstandsgesetze, die weit über die erforderlichen Befugnisse hinaus gingen. Sie erlaubten Polizeiverhöre ohne Anwalt, längere Festnahmezeiten ohne Haftprüfungs-termine, Telefonüberwachung ohne richterliche Verfügung. Sie erweiterten und verschärften die umstrittenen Repressivmaßnahmen, die Innenminister Francesco Cossiga seit seinem Amtsantritt 1976 bereits erlassen hatte: Einführung des Paragraphen über „terroristische Vereinigungen“ in das Strafrecht, Hochsicherheitstrakte nach dem Vorbild von Stammheim und Anhebung der Höchstdauer der Untersuchungshaft. Generell schränkten die Notstands-Gesetze und -verordnungen die Bürgerrechte ein und übertrugen den bewaffneten Organen und der Justiz weitreichende Vollmachten, die auch gegen oppositionelle Kräfte ohne Unterschied angewendet werden konnten, was auch in bedenklicher Weise erfolgte. In Rom wurden an einem Tag 287 Personen festgenommen, darunter Mitglieder der IKP und der ISP, von denen später 245 wieder freigelassen werden mussten. Im Rahmen der Fahndung nach den Attentätern übernahm  die Armee Polizeifunktionen zur „Sicherung der öffentlichen Ordnung“. Allein in der Hauptstadt wurden dazu Kräfte in Stärke einer Division eingesetzt.

Die Notstandsgesetze richteten sich, solange die RB den Organisatoren des Komplotts nützlich waren, kaum gegen diese, sondern vorwiegend gegen die außerparlamentarische Linke. Die Verhaftung von Rotbrigadisten setzte erst 1979 ein, nachdem sie ihre Rolle im wesentlichen ausgespielt hatten und der Historische Kompromiss zum Scheitern gebracht worden war. Mit aller Wucht schlug der Repressionsapparat gegen linke und als linksradikal apostrophierte Intellektuelle zu. Der Jagd auf sie fielen ganze Universitätsfakultäten zum Opfer. In Padua befand sich darunter fast der gesamte Lehrkörper für politische Wissenschaften, in Mailand der Direktor der Katholischen Universität, Maro Borromeo.  Professor Antonio Negri, wurde angeklagt, Chef der RB zu sein und die Entführung Moros organisiert zu haben. Tausende Linksradikale, viele von ihnen ohne sich eines Vergehens strafbar gemacht zu haben, wurden in die Gefängnisse geworfen, zirka 100.000 Personen von den polizeilichen Ermittlungen erfasst, rund 40.000 angeklagt, etwa 15.000 verurteilt.

Trotz allen Entgegenkommens seitens der IKP sabotierte Ministerpräsident  Andreotti systematisch das  Regierungsabkommen. An der IKP-Basis verstärkte sich der Druck auf die Parteiführung, die rechte Regierungskoalition zu verlassen.  Im Januar 1979 kam die IKP  der Forderung nach. Der Historische Kompromiss war, wie Berlinguer auf dem 15. Parteitag im März/April 1979 eingestehen musste, gescheitert.[162] Es gab keinerlei soziale oder ökonomische Reformen. Statt einer Zurückdrängung der faschistischen und rechten Gefahr kam es zu einer Verschiebung der Regierungsachse nach rechts. In der DC erhielten rechte und mit den Faschisten paktierende Kräfte den bestimmenden Einfluss auf die Politik. Bezeichnend dafür war, dass der zur Führung der P2 gehörende Silvio Berluconi in dieser Zeit mit Hilfe der Bankiers der Putschloge sein marktbeherrschendes privates Fernsehimperium aufbauen konnte, das zum entscheidenden Instrument auf seinem Weg zum Premier der ersten 1994 und der zweiten 2001 gebildeten profaschistischen Regierung wurde.[163] 

Der politische Einfluss der IKP ging spürbar zurück. In den folgenden Jahren verließen etwa ein Drittel ihrer 2,2 Millionen Mitglieder die Partei. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen 1979 war ihre Stimmenzahl zum ersten Mal seit Kriegsende rückläufig. Sie verlor gegenüber 1976 mit einem Schlag fast vier Prozent ihrer Wähler, bis 1987 rund acht. Der Einfluss der Gewerkschaften wurde merklich zurückgedrängt, sie    auf Sozialpaktlinie gebracht. Die Massenkämpfe der Arbeiter ebbten ab. Höhepunkt der Rückschläge war die Beseitigung der Scala mobile. Die Gewerkschaften nahmen die Liquidierung dieser herausragenden sozialen Errungenschaften ohne Widerstand hin.

Berlinguer suchte während der Praktizierung des Historischen Kompromisses,  wie die PRC-Zeitung Liberazione schrieb, den Ausgleich zwischen dem linken und rechten Flügel der Partei, war ein „Mann der Vermittlung“, ein „Zentrist“.[164] Während die Reformisten zu dieser Zeit bereits an die Umwandlung in eine sozialdemokratische  Partei  dachten, setzte Berlinguer unter eurokommunistischen Vorzeichen auf den Erhalt der revolutionären Potenzen und ihre Nutzung in der Regierungs-Zusammenarbeit mit der DC. Wenn  die Basis der Partei sich in den siebziger Jahren zunehmend  dem reformistischen Kurs unterordnete, geschah das im Vertrauen darauf, dass  Berlinguer  sich auf diese kämpferischen Positionen stütze. Nach der anhaltenden Sabotage der Reformvereinbarungen durch die Regierung Andreotti setzte Berlinguer gegen die Reformisten, die dennoch in der  Regierungskoalition verbleiben wollten, den Austritt und die Rückkehr zu einer linken Regierungsalternative durch. Man kann sicher einschätzen, dass er den von Achille Occhetto und Massimo D´Alema, [165] eingeschlagenen Weg der Umwandlung der IKP in eine sozialdemokratische Partei und der Aufgabe nicht nur der kommunistischen, sondern aller sozialistischen Traditionen nicht gegangen wäre und die Partei  in einen derartigen Niedergang geführt hätte.

Wie Giorgio Galli in seiner „Storia del PCI“ schreibt, litt Berlinguer schwer unter der Niederlage, für die er sich persönlich verantwortlich fühlte, was sich auch in seinem sich verschlechternden Gesundheitszustand ausdrückte. Wenn er seine wiederholt geäußerten Rücktrittsabsichten nicht verwirklichte, dann vor allem deshalb, weil kein befähigter Nachfolger zur Stelle war. Nach seinem Tod  am 11. Juni 1984, dem ein Herzinfarkt während er  auf einer Kundgebung in Padua sprach voraus ging,[166] verfügte die Partei über keinen Nachfolger von seinem Format. Die von ihm in bestimmtem Maße gezügelte sozialdemokratische Strömung bekam freie Hand. Bereits auf dem 17. Parteitag 1986  in Florenz leitete sein Nachfolger Alessandro Natta die „reformistische Wende“ ein, die 1991 zur Umwandlung der IKP in die sozialdemokratische Linkspartei führte.[167]

2.9. IKP mutiert zur Sozialdemokratie

In der bürgerlichen Geschichtsschreibung hält sich hartnäckig die Legende, das Ende der IKP sei eine Folge der sozialistischen Niederlage in Europa gewesen. Als angeblicher Beweis wird eine Erklärung des letzten Generalsekretärs, Achille Occhetto, anschließend Sekretär der PDS, angeführt, der drei Tage nach dem Fall der Berliner Mauer offiziell die „Heimkehr zur Sozialdemokratie“ ankündigte. Neben den  weit in die Geschichte der IKP zurückreichenden Wurzeln dieses Werdeganges widerlegen auch die Ereignisse der 80er Jahre diesen Geschichtsrevisionismus. Dass die sozialistische Niederlage den Zerfallsprozess der IKP beschleunigte, wird damit nicht negiert.

Die revisionistische Fraktion stieß nach dem Tod Berlinguers  in der Parteiführung auf keinen nennenswerten Widerstand mehr. In der von der IKP dominierten, fast fünf Millionen Mitglieder zählenden CGIL[168] schwächte der unter dem Einfluss der Partei um sich greifende Reformismus die Kampfkraft und ließ, wie in der Parteibasis, den Widerstand gegen den sozialdemokratischen Kurs erlahmen.

Der Weg für die Revisionisten wurde dann schlagartig frei, als Gorbatschow 1985 das Amt des Generalsekretärs der KPdSU antrat. Sie setzten sich endgültig als die Partei allein beherrschende Fraktion durch. Auf dem  Kongress 1986 in Florenz schlug Natta den Sozialisten vor, sich mit den Kommunisten zu einer neuen linken Partei zu vereinigen. Der korrupte ISP-Chef Craxi, der seine Partei 1992 in den Untergang trieb, lehnte jedoch ab. Der sozialdemokratische Kurs verstärkte sich, als Achille Occhetto im Juni  1988  an die Spitze der IKP trat.[169] Italien erlebte das Phänomen, dass seine KP, die besonders seit den 70er Jahren ihre Unabhängigkeit von Moskau betont, jegliche Führerrolle oder Übernahme sowjetischer Erfahrungen abgelehnt und 1982 gegenüber der KPdSU auch offiziell den „strappo“ (Bruch) verkündet hatte, plötzlich „moskauhörig“ wurde und sich völlig am Kurs Gorbatschows orientierte. Unmittelbar nach seiner Wahl kündigte Occhetto den für März 1989 einberufenen Kongress als „Parteitag der Wende“ an.[170] Dessen Leitfigur war dann Gorbatschow, auf den sich Occhetto bereits in seiner Eröffnungsrede zehnmal als Hoffnungsträger berief. Die auf Video übermittelte Rede des KPdSU-Generalsekretärs wurde von der sozial-demokratischen Strömung, welche die Mehrheit der Delegierten stellte, stürmisch gefeiert. In seinen Beschlüssen erklärte der Kongress einen „riformismo forte“ (tiefgreifenden Reformismus) zur „Leitlinie der Partei“. Occhetto erhielt bei seiner Wiederwahl nur zwei Gegenstimmen. Selbst die kommunistische Strömung, die im neuen Zentralkomitee acht Sitze belegte, stimmte für ihn. Der ISP schlug Occhetto vor, die DC-Regierung zu verlassen und mit der IKP eine Reformkoalition zu bilden. Craxi lehnte allerdings postwendend ab.[171]

Im Dezember 1989 präzisierte Occhetto, wie der „Bruch mit der Vergangenheit“ vor sich gehen sollte. In der „Unita“ wandte er sich gegen die „Front des Nein“, welche die „konstituierende Phase einer neuen Formation“, wie die Umwandlung  genannt wurde, nicht mitmachen wollte und für eine „Erneuerung“ eintrat. „Eine Erneuerung der IKP reicht nicht mehr aus“, entgegnete Occhetto. Gleichzeitig versuchte er zu beruhigen. Es gehe nicht „um die Selbstauflösung der IKP, sondern um die Konstruktion einer neuen, demokratischen, politischen Formation des Volkes - reformerisch, offen für progressive laizistische und katholische Komponenten, Interpretin der neuen Fragen aus der Welt der Arbeit und der Kultur als auch aus den Bewegungen der Jugend und der Frauen, aus der Umweltbewegung, dem Pazifismus und der Bewegung für Gewaltlosigkeit“. Occhetto versicherte, die Kommunisten würden „mit ihrem ideellen, organisatorischen und politischen Erbe Initiatoren dieser neuen Formation sein“.[172] Georgio Napolitano, als langjähriges Politbüromitglied seit den 60er Jahren aktiver Verfechter des reformis-tischen Kurses, sprach zwei Wochen später offen aus, dass  es darum ging,  einer „Regierungsübernahme den Weg zu ebnen“.[173]

Die weiteren Schritte bewiesen, welche Vorleistungen man dazu erbringen wollte. Im Auftrag Occhettos arbeitete der Wirtschaftswissenschaftler Michele Salvati, der niemals der IKP angehört hatte, das „programmatische Manifest“ der neuen Partei aus. Er hielt engen Kontakt zur SPD,  orientierte sich an deren Godesberger Programm und  schrieb u. a. Leitsätze wie die folgenden nieder: „Die Kapitalisten und die Unternehmer erfüllen eine Aufgabe von öffentlichem Nutzen“ und „das Privateigentum an Produktionsmitteln spielt im Kontext des Wettbewerbs eine fundamentale Rolle von allgemeinem Interesse“.[174] In nicht wenigen Punkten übertraf der Kongress in Rimini dann noch Bad Godesberg. So auch als er selbst auf die Vokabeln „sozialistisch“ oder „sozialdemokratisch“ in dem neuen Parteinamen verzichtete und die neue „Formation“ sich schlicht Demokratische Partei der Linken taufte. Salvati betonte ausdrücklich die Orientierung am Godesberger Programm, das „in den vergangenen 30 Jahren sehr gut standgehalten“ habe. Occhetto selbst schrieb Willy Brandt als damaligem Vorsitzenden der SI einen Brief, in dem er die Bedeutung der „Erfahrungen der Sozialdemokratie“, die „trotz Begrenzungen und Schwierigkeiten von substanziellen Errungenschaften an Wohlstand und Kultur gekennzeichnet“ seien, für die Umwandlung der IKP hervorhob. ISP-Chef Craxi zitierte die lobenden Ausführungen süffisant in seinem Bericht an den 46. Parteitag im Juni 1991.[175]

Dem Widerstand der Basis - vor dem Parteitag in Rimini hatten sich etwa ein Drittel der Delegierten gegen die Umwandlung in eine linke Volkspartei ausgesprochen - begegnete die Occhetto-Gruppe mit aus der Geschichte bekannten demagogischen Beschwich-tigungen. Sie gab die Losung von der „Wahrung der Einheit der Partei“ aus, um so  eine Trennung der kommunistischen Strömung (Occhetto sprach von Abspaltung) von der Partei und eine Neu- bzw. Wiedergründung der KP durch diese zu verhindern. Die Kommunisten würden, versprach Occhetto, in der künftigen Partei in „würdiger Parität“ respektiert. [176] Doch etwa zehn Prozent der zu dieser Zeit noch etwa 1,7 Millionen Mitglieder zählenden IKP kehrten der PDS in Rimini den Rücken. Die meisten stießen später zur PRC. Bei der PDS schrieben sich zunächst etwa 650.000 Mitglieder ein.

2.10. Rifondazione Comunista - die neue KP

Nachdem der Parteitag seine Arbeit beendet hatte, beschlossen rund 90 Delegierte noch am selben Abend, eine kommunistische Neugründung vorzubereiten. Bereits eine Woche später versammelten sich etwa 6.000 Kommunisten und gründeten zunächst eine gleichnamige Sammlungsbewegung. Die Abgeordneten der früheren IKP, die der Rifondazione-Bewegung beitraten, bildeten im Parlament eine eigene kommunistische Gruppe. Zur Vorbereitung der Neugründung wurde die Zeitung Liberazione herausgegeben. Ab Oktober 1991 zunächst Wochenzeitung, erscheint  sie seit Mai 1994 als Tageszeitung, die eine Auflage von täglich etwa 40.000 verkauften Exemplaren angibt, an Wochenenden 100.000 und oft auch mehr.

Am 12. Dezember traten  in Rom 1.300 in 113 Organisationen gewählte Delegierte, die über 100.000 Mitglieder der Sammlungsbewegung vertraten, zum ersten Kongress zusammen, der die Bildung der Partei der Kommunistischen Neugründung beschloss. Zusammen mit einer Mehrheit aus der früheren IKP stieß zur Neugründung ein Großteil der Mitglieder der zuvor aufgelösten Democrazia Proletaria, darunter viele Jugendliche. Die DP brachte in die PRC eine Wählerbasis ein, die 1983 und 1987 noch 1,5 Prozent betragen hatte. Das trug dazu bei, dass die PRC bei den Parlamentswahlen 1992 auf Anhieb mit über 2,2 Millionen Stimmen 5,6 Prozent erreichte und in Senat und Abgeordnetenkammer 55 Sitze belegte. Außerdem beteiligten sich noch andere frühere APO-Linke an der PRC-Gründung, darunter Mitglieder der einstigen PdUP.[177] Die Zeitung Manifesto solidarisierte sich mit der KP-Neugründung, eine Herausgabe als Blatt der PRC kam dagegen nicht zustande. Obwohl sowohl Manifesto als auch Liberazione sich auch weiterhin gegenseitig ihrer Solidarität versicherten, war neben bestimmten politisch-ideologischen Unterschieden ein gewisses Konkurrenz-Verhältnis nicht zu übersehen.

Es waren vor allem die aus der DP kommenden Linken, die eine KP-Wiedergründung im Sinne einer Fortsetzung der IKP ablehnten und eine Neugründung forderten, um so den Bruch mit dem Reformismus zu dokumentieren. Die PRC interpretiert ihren Parteinamen[178] dementsprechend als Neugründung und gleichzeitig als Wiedergründung einer von den kommunistischen Idealen geleiteten Partei, von der Gramsci ausging. Der Gründungskongress bekannte sich in Statut und Programmatik  zu den kommunistischen Ideen und zu ihrer Bewahrung in einer „realen Bewegung“ sowie zur Überwindung der kapitalistischen und des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. Als Symbol wurde die rote Fahne mit Hammer und Sichel gewählt,  als Hymnen die Internationale und das legendäre Partisanenlied Bandiera Rossa.

Auseinandersetzungen über die Besetzung der Spitzenfunktionen führten zu einer Vertagung des Gründungsparteitages, der am 18. Januar 1992 seine Arbeit fortsetzte und Sergio Garavini zum Sekretär und das frühere Politbüromitglied der IKP, Armando Cossutta, zum Vorsitzenden wählte. wählte.[179] Im Januar 1994 wurde Garavini von Fausto Bertinotti, einem langjährigen führenden Funktionär der CGIL-Gewerkschaft, abgelöst. Bertinotti, der nicht der IKP angehört hatte, war zunächst der PDS beigetreten. Als diese linke Alternativen ablehnte, darunter ein Zusammengehen mit der PRC gegen die faschistische Gefahr (die 1994 zur ersten Berlusconi-Regierung mit Faschisten und Rassisten führte), verließ er die Partei und schloss sich der PRC an.

Die PDS versuchte immer wieder, die PRC zur Aufgabe ihrer organisatorischen Selbstständigkeit und zum Eintritt in die Linkspartei als politische Strömung zu bewegen. 1995 gelang es, mit dem abgelösten Garavini an der Spitze vor allem unter Parlamentariern eine Dissidentengruppe zu formieren, welche diese Forderung in der PRC offen erhob. Als die Reformisten sowohl an der Basis als auch in der Führung keinen Widerhall fanden, traten sie aus der PRC aus. Ihre 16 Parlamentarier schlossen sich der PDS an. Die Formierung einer eigenständigen „kommunistischen Gruppe“ misslang.

Schwerer wog  der Schaden, den eine vom Parteivorsitzenden Armando Cossutta angeführte reformistische, ebenfalls vorwiegend aus Parlamentariern bestehende Gruppierung mit ihrer Abspaltung im Oktober 1998 anrichtete. Anlass war die Beendigung der parlamentarischen Unterstützung, welche die PRC mit ihren auf acht Prozent gestiegenen Stimmen der seit 1996 regierenden Linken Mitte gewährt hatte, die über keine Mehrheit verfügte. Rifondazione kündigte die Parlamentskoalition auf, weil das Kabinett unter  Roman Prodi die Regierungsvereinbarungen mit der PRC brach, einen Rechtskurs einschlug und einen forcierten Sozialabbau betrieb. Nachdem die Cossutta-Fraktion mit ihrer Forderung, die Parlamentskoalition nicht nur fortzusetzen, sondern direkt in die Regierung einzutreten, auf der Tagung des Politischen Komitees[180] nicht durchkam, verließ sie die PRC und gründete die Partei der Kommunisten Italiens (PdCI). Die PDS, die nach dem Rücktritt Prodis mit Massimo D’Alema den Premier stellte, belohnte die PdCI mit zwei Ministerämtern. Der Opportunismus der Cossutta-Gruppe gipfelte anschließend in der Teilnahme an der NATO-Aggression gegen Jugoslawien. Die PRC, die zu dieser Zeit 130.000 Mitglieder zählte, verlor bei dieser Abspaltung davon etwa ein Fünftel. [181]

Nach der Abspaltung wurden in der PRC erneut Stimmen laut, die eine tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Revisionismus forderten, die bei und nach der PRC-Gründung nicht erfolgte. Die Abspaltung der Cossutta-Fraktion zeigte, dass der Revisionismus, der zum Untergang der IKP geführt hatte, auch in der neuen KP nicht überwunden worden war und deshalb weiter wucherte.[182] Diesen Forderungen entsprachen in bestimmter Weise die Ausführungen Bertinottis am 21. Januar 2001 anlässlich des 80. Jahrestages der Gründung der IKP. Die faktische Auflösung der IKP und Gründung der PDS hatten „verheerende Auswirkungen“ nicht nur für die Arbeiterbewegung und für die Linke, sondern für das gesamte Land, schätzte er ein. Die Linkspartei habe nicht, wie es in Rimini demagogisch versprochen worden sei, „das Erbe der IKP zur Entwicklung einer starken reformerischen sozialdemokratischen Partei“ genutzt, sondern einen für die Arbeiterbewegung verhängnisvollen Weg eingeschlagen. „Eine sozialdemokratische Kultur“ existiere heute nicht mehr. Die Linkspartei  verfüge über keine antikapitalistische Theorie, ohne die von einer Umwandlung der Gesellschaft keine Rede sein könne. Der PRC-Sekretär zog eine schonungslose Bilanz der katastrophalen Auswirkungen der Politik „der reformistischen Zerstörer der IKP“. Er sprach von der „Zerschlagung der Partei“, die blitzartige Auswirkungen auf die ganze um die IKP gescharte Welt gehabt habe. Darunter fielen die einst kampfstarken Gewerkschaften, die linken Kommunal-verwaltungen und die verschiedensten sozialen Vereinigungen - ein breites politisches Spektrum. Bertinotti äußerte sich zur Verantwortung der Kommunisten in der Gesellschaft und der Welt für das Voranbringen eines revolutionären Prozesses zur Überwindung des Kapitalismus, zur Rolle der heterogenen Linken des Landes und dem Platz seiner Partei in der Bewegung. Die Realität erfordere, im gesamten langen revolutionären Prozess von der Existenz sowohl einer kommunistischen Kraft als auch anderer linker Kräfte auszugehen. Eindeutig an die Adresse der DS[183] richtete sich Bertinotti, wenn er erklärte, die PRC könne im linken Pluralismus leben, wenn es für sie möglich sei, darin unabhängig zu agieren, wenn es gegenseitige Anerkennung der Standpunkte[184] und der Organisationsformen gebe. Bertinottis Ausführungen erinnerten  an Gramsci, wenn er erklärte: „Die kommunistische Kraft muss von ihrem Platz innerhalb einer pluralistisch unterteilten Linken ausgehen, in der sie sich der Herausforderung der Hegemonie stellt und in der sie ein System der Beziehungen entwickelt und verstärkt.“ Er wies auf die Erfahrungen der IKP in der Nachkriegsentwicklung hin, in der diese initiativ- und einflussreich in den Gewerkschaften und den Genossenschaften wirkte, Kulturhäuser ins Leben rief, eine aktive Basisarbeit betrieb, ein Massenblatt herausgab, die sozialen Konflikte anführte, ständig der kapitalistischen Gesellschaft kritisch gegenübertrat und die Perspektive des revolutionären Kampfes in der Gegenwart transparent machte.[185] 

Vor den Parlamentswahlen im Mai 2001 lehnte die PRC den Eintritt in eine Koalition der Linken Mitte ab, da diese eine programmatische Vereinbarung darüber verweigerte, nicht bereit war, ihren Rechtskurs zu beenden noch den rigorosen Sozialabbau einzustellen, und nach einem Wahlsieg den Eintritt in eine Regierung forderte.

Die PRC konnte auf sich allein gestellt nur auf der Parteienliste, auf der 25 Prozent gewählt werden, antreten.[186] Es ist war bemerkenswertes Ergebnis, dass es ihr unter diesen Bedingungen und in einem Klima massivster antikommunistischer Hetze sowie des Rechtskurses der Linken Mitte gelang, die in Italien geltende Vier Prozent-Hürde zu überwinden und mit etwas über fünf Prozent ihre Vertretung in Senat und Abgeord-netenkammer zu sichern.[187] Das Ergebnis zeigte gleichzeitig, dass es die PRC in den vorangegangenen  Jahren verstanden hatte, sich eine bestimmte  Basis vor allem unter der Jugend zu sichern und als Vertreterin der Interessen der Arbeiter und ärmsten Schichten anerkannt zu werden. Sie stellt sich, wie die größten antiimperialistischen Protestaktionen gegen den G8-Gipfel in Genua und der Widerstand gegen die faschistischen Ausschreitungen der Berlusconi-Polizei im Juli 2001 und zuletzt das Europäische Sozialforum in Florenz im November 2002 und vor allem aber die Massenaktionen zur Verteidigung der Arbeiterrechte zeigten, an die Spitze der sozialen und politischen Auseinandersetzungen der Gegenwart. Sie bewährte sich nach den Ereignissen vom 11. September 2001 in New York und Washington ebenso als mobilisierende Kraft gegen die von den USA entfesselte weltweite Kriegs- und Expansionspolitik, wovon erneut landesweit Massenaktionen mit Millionen Teilnehmern gegen den Krieg und die Okkupation des Irak zeugten. Als ihr entscheidendes Ziel verkündete sie, gegen die rechtsextreme Berlusconi-Regierung eine entschiedene Opposition mit einer alternativen Linken an der Spitze zu formieren.[188]

2.11. Reformismus begünstigt faschistische Gefahr

Die Sozialdemokratisierung der IKP, welche die Spaltung der Arbeiterbewegung vertiefte und ihre Kampfkraft schwächte, gab der faschistischen und rassistischen Gefahr einen ungeahnten Auftrieb. In verhängnisvoller Weise trug dazu vor allem das Paktieren von Vertretern der PDS/ DS-Führung mit den AN-Faschisten bei. Als die MSI sich im Januar 1995 offiziell in Alleanza Nazionale (AN) umtaufte, nahm an dem Kongress eine Delegation der PDS teil, der mit Ugo Pecchioli, einst Kommandant der 77. Garibaldi-Brigade, einer der angesehensten Partisanenkommandeure angehörte. In Vorfeld der MSI-Umwandlung gewährte die PDS-Zeitung Unita der Nummer zwei der Bewegung, dem Altfaschisten Pino Rauti, ein Interview, in dem dieser die Verbrechen der Mussolinifaschisten unter dem Okkupationsregime Hitlerdeutschlands  in der Repubblica Sociale Italiano verherrlichen und sie „als bleibende Werte (...) als ein kulturelles und programmatisches Vorratslager, aus dem wir schöpfen“ bezeichnen konnte.[189] Gegenseitiger Delegationsaustausch gehörte seitdem zur gängigen Praxis von Partei-beziehungen zwischen Linksdemokraten und AN-Faschisten. Über die von der AN geforderte so genannte Verfassungsreform, die einer Präsidialherrschaft den Weg ebnen soll, führte die Linkspartei mit der AN Konsultationen. 1997 nahm der Linksdemokrat und damalige Präsident der Abgeordnetenkammer, Luciano Violante, an einem Volksfest der AN teil und bezeugte in einer Geschichtsdebatte denjenigen, die von 1943 bis 1945  in der RSI an der Seite Hitlerdeutschlands standen, seinen Respekt. Wiederholt mit stürmischem Beifall belohnt, sprach der hochrangige Parlamentarier sich ganz im Sinne der von AN-Chef Gianfranco Fini[190] erhobenen Forderungen für eine Gleichbehandlung von Faschismus und Antifaschismus und dafür aus, „das Kapitel des Faschismus abzuschließen“, um ein „einheitliches Geschichtsbild“ zu gestalten. Die Liberazione wies diesen  Geschichtsrevisionismus zurück und betonte, dass eine derart „politisch indifferente Geschichtsschreibung“ nicht akzeptiert werden könne, da Geschichte „niemals neutral“ sei, weil dem der Klassenkonflikt entgegenstehe.[191] .

Nachdem die PRC im Oktober 1998 der Regierung der linken Mitte ihre parlamentarische Unterstützung entzogen hatte, sicherte D’Alema, der Prodi an der Spitze der Regierung ablöste, sich  eine neue Mehrheit durch das Bündnis mit einer Parlamentariergruppe des ultrarechten früheren Staatspräsidenten Francesco Cossiga, aus den Zeiten der Spannungsstrategie als ein Hauptverantwortlicher der Verbrechen der Gladio-Truppe und Wegbereiter der Regierungszusammenarbeit mit den Faschisten bekannt.[192]  Im Mai 1999 stimmte die DS bei der Wahl des Staatspräsidenten für den von der Forzapartei[193] und den AN-Faschisten vorgeschlagenen konservativen Kandidaten Carlo Azeglio Ciampi. Der frühere Gouverneur der Banca d´Italia (Staatsbank) war zuletzt als Haushalts- und Finanzminister durch einen rigorosen Sozialabbau bekannt geworden. Vor allem aber wurde mit ihm ein Mann gewählt, der den von Berlusconi verfolgten Plänen zur Errichtung eines Präsidialregimes aufgeschlossen gegenübersteht. 1998 hatte der Präsidentschaftsbewerber die in der EU vorgebrachten Vorwürfe eines sozialistischen Ministers aus Belgien, in Italien säßen Faschisten im Parlament und die Regierung sei „faschistenfreundlich eingestellt“, zurückgewiesen und erklärt, dass „im italienischen Parlament keine oder höchstens völlig gezähmte Faschisten säßen“.[194] Kein Wunder, dass Ciampi nach dem erneuten Wahlsieg 2001 der extremen Rechten der Berufung der AN-Faschisten und der Lega-Rassisten in die Berlusconi-Regierung keinerlei Widerstand entgegensetzte. Im Gegenteil, in einem Augenblick, da Berlusconi/Fini zum Angriff auf die Verfassung ansetzten, rief Ciampi zur „nationalen Einheit“ mit ihnen auf. [195] Einen ähnlichen Appell erließ er erneut am 25. April 2003 zum 58. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus.[196]

Mit Ciampis Wahl traten die Linksdemokraten offen gegen die Wiederwahl Oscar Luigi Scalfaros auf, der sich mehrfach gegen eine Präsidialherrschaft und die damit verbundene Einschränkung der legislativen Rechte ausgesprochen hatte. Während der NATO-Aggression gegen Jugoslawien hatte er demonstrativ Skopje besucht, sich von den völkerrechtswidrigen Luftangriffen distanziert und eine Verhandlungslösung befürwortet.

Kontakte pflegte die DS auch zur rassistischen Lega Nord. Zu  den Regionalwahlen 2000  wollte sie sogar mit ihr Wahlbündnisse einzugehen. Im Parlament lehnte die von der DS angeführte Mehrheit der Mitte-Links-Koalition im Januar 1998 den Antrag der Mailänder Staatsanwaltschaft ab, die Immunität des in die Bestechungsaffären Berlusconis in Höhe von mehreren Dutzend Millionen Euro verwickelten Fininvest-Anwalts und Ex-Verteidigungsministers in dessen Kabinett von 1994, Cesare Previti, aufzuheben. Es wird angenommen, dass  die Korruptionsfälle in die Zeit der Putschistenloge P2 zurückreichen, zu deren Mitgliedern wie Berlusconi auch Previtti gehörte. Die P2 finanzierte, wie die renommierten Publizisten Giovanni Ruggeri und Mario Guarino nachwiesen, den Aufbau der Holding Berlusconis, besonders seines privaten Fernsehimperiums.[197]  

Fausto Bertinotti schätzte ein: „Wäre die IKP am Leben geblieben, hätte es in der Politik der folgenden Jahre nicht so zersetzende und verwüstende Augenblicke gegeben, nicht derartige Erscheinungen der Auflösung und geradezu der Zerstörung des gesamten zivilen Zusammenlebens“. Nach dem 13. Mai 2001 bezeichnete der PRC-Sekretär das Wahlergebnis der linken Mitte, für das die DS die Hauptverantwortung trage, als eine „strategische Niederlage“, deren entscheidende Ursache ihr Rechtskurs sei.[198]

2.12. Linksdemokraten vor Scherbenhaufen  

Elf  Jahre nach ihrer Mutation, im November 2002, standen die Linksdemokraten auf ihrem Parteitag in der Adriahafenstadt Pesara vor dem Scherbenhaufen ihrer „Heimkehr zur Sozialdemokratie“.[199] In Rimini hatten sich die Heimkehrer noch auf Gramsci berufen und an den progressiven Traditionen der italienischen Sozialisten anknüpfen wollen. Stattdessen warf die opportunistische Führung in dem vergangenen Jahrzehnt alles, was noch an kämpferischem sozialistischem Erbe existierte, über Bord. Zu ihren Vorbildern erkor sie Schröder, Blair und selbst Clinton. Als neue Vereinigungspartner hofierte sie die Zentrumsparteien, mit denen sie sich zu einer liberalen Partei der Mitte zusammenschließen wollte. 

Als im Dezember 1994 die erste Regierung Berlusconi im Ergebnis machtvoller Kampfaktionen der Arbeiter gestürzt wurde, bekannte sich PDS-Sekretär D’Alema zur typisch sozialdemokratischen Rolle eines Retters des Kapitals in Krisenzeiten. Berlusconi  hätte seinen Sturz verhindern können, wenn er mit der Opposition zusammengewirkt und sich besonders „auf ihre prinzipielle Kraft (womit selbstredend die PDS gemeint war) ... gestützt hätte“. Das Mehrheitswahlrecht reiche nicht aus, „die Regierbarkeit zu garantieren“, belehrte er den Forzachef. Mehrheit und Opposition müssten sich gegenseitig anerkennen. [200]

Einen beschämenden Höhepunkt erlebte die Klassenzusammenarbeit mit dem Kapital auf dem Parteitag im Januar 2001, den die DS-Führung in die traditionsreiche Industrie- und Arbeitermetropole nach Turin, dem Sitz des FIAT-Konzerns, einberufen hatte. Genossen der Basis waren fassungslos, als sie während der Eröffnungszeremonie auf den Monitoren im Kongressgebäude ihren Sekretär Walter Veltroni und Massimo D’Alema, zu dieser Zeit noch Premier, auf der Tribüne nacheinander mit Gianni Agnelli, dem Besitzer des mächtigen FIAT-Imperiums, als Ehrengast in herzlicher Umarmung sahen.  Die DS-Führung wollte FIAT Dankbarkeit und Zuverlässigkeit in einem demonstrieren. Denn Agnelli hatte zu den 96er Wahlen offiziell eine Regierungskoalition mit den neuen Sozialdemokraten bevorzugt. Der für seinen politischen Pragmatismus bekannte FIAT-Besitzer, der bereits zu Berlinguers Zeiten dessen Historischen Kompromiss mit Moro toleriert hatte, war der Meinung gewesen, dass die Linksdemokraten den Widerstand der Arbeiter gegen den rigorosen Sozialabbau am besten abblocken könnten. Auf Agnelli war allerdings kein Verlass. Als es vor den Wahlen im Mai 2001 darum ging, einen Sieg der Berlusconi-Koalition zu verhindern, schlug er sich auf die Seite seines Klassen-kompagnons, was neben der Unterstützung durch den Vatikan einen entscheidenden Ausschlag dafür gab, dass eine profaschistische Regierung erneut die Interessen-vertretung des Kapitals übernehmen konnte. [201]

Nur etwa 300.000 frühere Kommunisten gehörten  in Pesara noch in der DS an, bei der 650 000  Mitglieder eingeschrieben waren.[202] Das Wählerpotential, das in  der IKP Mitte der 70er Jahre über 34 Prozent betrug, auf dem Weg des Reformismus bis zur Umwandlung bereits auf 26,6 Prozent schrumpfte, hatte die DS bei den Wahlen 2001 auf 16 Prozent heruntergewirtschaftet. Eine deutlichere Absage konnte  es von der Wählerbasis aus kaum geben. 

Rechtspolitik und Sozialabbau, welche die DS-Führung während ihrer Regierungszeit von 1996-2001 betrieb und die Teilnahme an der NATO-Aggression gegen Jugoslawien bildeten die Eckpfeiler des politischen Niederganges, der zur Wahlniederlage führte. Danach an der Basis und bei einigen führenden Funktionären, unter ihnen Achille Occhetto, einsetzende  Kritik und die Forderung, den Rechtskurs zu  beenden, fanden an der Parteispitze kein Gehör. Obwohl unter den Parteien der linken Mitte stärkste Parlamentsfraktion, verzichtete sie darauf den Oppositionsführer zu stellen und überließ diese entscheidende Position dem Zentrumsmann Francesco Ruttelli.[203] Den von der PRC vorgeschlagenen Dialog zur Herstellung eines alternativen linken Bündnisses lehnten sie  ab. Von den machtvollen  Kampfaktionen der Anti-Global-Bewegung in Genua und danach, so auch dem ESF in Florenz, hielt die DS-Führung sich fern und beteiligte sich auch nicht an den Aktivitäten, diese verschiedenartigen Kräfte zu weiteren antiimperia-listischen Aktionen zusammenzuführen.

Vor diesem Hintergrund kam es in Pesara zu heftigen Auseinandersetzungen, die eine gespaltene Partei zeigten, die mit einer linken Ausrichtung nichts mehr gemein hat, wie mehrere Diskussionsredner betonten. Eine Einschätzung der faschistischen Züge der Regierung, die offen während der blutigen Polizeiorgien in Genua zum Ausdruck kamen, blieb ebenso aus wie eine Beratung des Vorgehens gegen den Demokratie- und Sozialabbau, oder eine klare Absage an den von Berlusconi offen unterstützten weltweit eingeleiteten Aggressionskurs der Bush-Administration. Unter dem Slogan von einer „Reformlinken“ im Rahmen eines „europäischen Sozialismus“ kreierte D´Alema eine Neuauflage seiner alten Idee von der Schaffung einer „Europäischen Sozialdemokratie“, für die Schröders SPD und Blairs Labourparty Pate stehen sollen.

Die Parteilinke kritisierte zwar diesen Zustand, sprach sich für eine entschiedene Opposition, für ein Zusammengehen mit der Anti-Globalisierungs-Bewegung aus und zeigte sich skeptisch gegenüber dem „Modell einer europäischen Sozialdemokratie“,  war jedoch nicht in der Lage, einen konzeptionellen Ausweg aufzuzeigen. Vor allem fehlte es ihr an Geschlossenheit, um  ihrer Kritik Nachdruck zu verleihen. Große Hoffnungen hatte die Parteilinke auf Giovanni Berlinguer, den Bruder  Enrico Berlinguers, gesetzt. Die Erwartungen  der Basis, er werde ihr Einfluss auf die Führung verschaffen  und eine „Wende nach links“ einleiten, wurden jedoch enttäuscht. Berlinguer  warnte vor Spaltungen und wandte sich gegen Forderungen nach einer organisatorischen Formierung der Linken im Rahmen der Partei. Als er bei der Wahl des Sekretärs gegen den Favoriten der Führung Piero Fassino antrat, stimmten nur 34,1 Prozent der Delegierten für ihn, während dieser auf 61,8 kam. Als Vorsitzender wurde der zum äußersten rechten Flügel zählende D´Alema, der die Partei mit straffer Hand dirigiert, mit knapp 64 Prozent im Amt bestätigt.

2.13. Werden die alten Fehler wiederholt?

Gegen den Demokratie- und Sozialabbau der profaschistischen Regierung Berlusconi formiert sich  seit Beginn 2002 zunehmend ein von den Arbeitern getragener Widerstand, mit dem sich Wissenschaftler der verschiedensten Disziplinen, Juristen, Schriftsteller und Künstler, Schüler und Studenten, Lehrer der allgemeinbildenden und Hochschulen solidarisieren. Einen nachhaltigen Anstoß gab der Autor und Theaterregisseur, Nobelpreisträger Dario Fo, der im Januar 2002 in einem stark beachteten Vortrag vor dem College International de Philosophie in Paris vor einer „Etablierung des Faschismus“ warnte“ und an die Lehren der Resistenza erinnernd zur antifaschistischen Aktionseinheit mahnte.[204] Die Liberazione  appellierte, eine Neuauflage der „Strategie der P2“, zu deren Mitgliedern  Berlusconi gehörte, und der „faschistischen Massaker“ der Spannungsstrategie nicht zu unterschätzen und dieser Gefahr entschlossen entgegenzutreten.[205] Umberto Eco sieht im Regierungskurs Berlusconis ein Erbe des „übelsten Faschismus“ des Landes. Er und international bekannte Schriftsteller wie Andrea Camilleri, Vincenzo Consolo und Antonio Tabucchi protestierten öffentlich gegen Berlusconi. Rund 200 bekannte Intellektuelle unterschrieben einen von Gian Maria Anselmi und Alberto Asor Rosa initiierten Appell zur Verteidigung der grundlegenden demokratischen Freiheiten und des zivilen Lebens.[206] Der Verfassung verpflichtete Juristen wehren sich gegen ihre Unterordnung unter die Exekutive und weisen   die  antikommunistische Hetze, mit der sie  als „rote Richter, welche die Regierung stürzen wollen“ diffamiert werden, entschieden zurück. Der für sein antifaschistisches Enga-gement bekannte Mailänder Generalstaatsanwalt Gerard D´Ambrosio appellierte, den verfassungsfeindlichen Machenschaften Berlusconis entgegenzutreten, sonst werde „die Demokratie im Dunkel der Nacht versinken“.   

Nach einer Drei-Millionen-Demonstration am 26. März 2002 in Rom waren zwei Generalstreiks im März und Oktober eine unüberhörbare Kampfansage. Das rückte vor allem deshalb landesweit in den Blickpunkt, weil im Dezember 1994 durch einen Generalstreik die erste Berlusconi-Regierung zu Fall gebracht worden war. Mit rund 60.000 Teilnehmern und annähernd einer Million Demonstranten erreichte der Widerstand mit dem Europäischen Sozialforum im November 2002 in Florenz einen neuen Höhepunkt. Das Forum zeigte  die reale Möglichkeit, einen breite Volksschichten erfassenden Widerstand gegen die vom Imperialismus  ausgehende Kriegsgefahr und die Verteidigung der wie noch nie in der Nachkriegsgeschichte bedrohten sozialen Errungenschaften und bürgerlich-demokratischen Freiheiten in europäischen ja weltweiten Dimensionen zu organisieren. In Italien stellte das ESF eine empfindliche Niederlage für Berlusconi dar, da dessen erneute Versuche, das Forum im Vorfeld zu kriminalisieren, es mit terroristischen Erscheinungen vom Typ Al Quaida oder sogenannter neuer „Roter Brigaden“ auf eine Stufe zu stellen und es so zu verhindern, scheiterten. [207] Auf Massendemonstrationen in ganz Italien mit Hunderttausenden Teilnehmern ertönte am 25. April 2003, dem 58. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, wie bereits im Vorjahr unüberhörbar das alte Partisanenlied „Bella Ciao“ als Symbol eines  neuen antifaschistischen Widerstandes.

Das Potential, die Berlusconi-Regierung wie 1994 zu Fall zu bringen, ist folglich vorhanden. Auf der Tagesordnung stehen die Fragen nach der Führung und Organisation des Kampfes. Berlusconis rechtsextreme Politik zu stoppen, wird vor allem davon abhängen, ob es gelingt, ein gemeinsames Handeln von Kommunisten und Links-demokraten auf der Grundlage einer klaren Haltung zur Verteidigung der demokratischen und Arbeiterrechte sowie des entschiedenen Kampfes gegen Rassismus und schleichende Faschisierung zu Stande zu bringen. Die einzige Kraft, die dazu ausgehend von den Interessen der Arbeiterklasse die Richtung des Kampfes weisen kann, ist die PCR. Sie setzte dazu  auf ihrem 5. Parteitag im  April 2002 richtige  Akzente. Sie appellierte an die DS, eine Allianz von Kommunisten und Linksdemokraten zu bilden, um auf dieser Grundlage eine neue Aktionseinheit einer „pluralistischen alternativen Linken“ herzustellen, um so schließlich zu einem erneuerten Mitte-Links-Bündnis mit einer klaren Opposition gegen Berlusconi zu kommen.[208] Bei den Provinz-, Städte- und Gemeindewahlen kam es  darauf hin im Mai vielerorts zu Wahlabsprachen zwischen der PRC und den anderen Oppositionsparteien, was  ermöglichte, der Berlusconi-Koalition eine empfindliche Niederlage beizubringen.  

Zum Parteitag der PRC sind jedoch auch die widersprüchlichen Tendenzen einiger seiner Beschlüsse und die eingegangenen Kompromisse zu sehen, die angesichts einer Bilanz erfolgreichen Kampfes geradezu paradox anmuten. Die Partei  steht in den antiimperialistischen Klassenauseinandersetzungen gegen den rechtsextremen Regierungskurs und bei der Formierung des Widerstandes dagegen als Initiator der meisten Kampfaktionen in der ersten Reihe. Beim überwiegenden Teil der Hunderttausende  aktive Anhänger zählenden Anti-Globalisierungsbewegung ist sie als Partner mit hoher Kompetenz und großem Einfluss in der Gesellschaft anerkannt. Ihre enorme Mobilisierungskraft zeigte sich bei den Generalstreiks, die in erster Linie das Verdienst ihrer Basisarbeit - vor allem auch in den Gewerkschaften - waren. Sie ist so gesehen auf gutem Weg, die Spitze der Massenbewegung zu übernehmen. Das erfordert bekanntlich auf der Grundlage der Lehren unserer Klassiker  und der Erfahrungen solch hervorragender italienischer Revolutionäre wie Antonio Gramsci, Palmiro Togliatti und Luigi Longo der Arbeiterklasse das für den revolutionären Kampf erforderliche sozialistische Bewusstsein zu vermitteln. Anders ausgedrückt, die Einheit zwischen Theorie und Bewegung herzustellen. Das schließt ein, sich ständig mit der bürgerlichen Ideologie auseinander zu setzen.

Genau hier hat die PRC nun in entscheidenden Punkten revisionistischem Einfluss nachgegeben, was sich in  der Substanz darin zeigt, dass nicht nur Lenin, sondern auch Marx und selbst Gramsci  nur noch im historischen Kontext und unter bestimmten Gesichtspunkten erwähnt wurden. Darunter fällt die Leninsche Imperialismus-Analyse, die als „unangemessen zur Interpretation der Herrschaftsform des neuen Kapitalismus“ gesehen wird. Besonders der Verzicht  auf die führende Rolle der Partei und damit die Negierung der Bedeutung Gramcis als Theoretiker der Hegemonie der Arbeiterklasse stieß auf den erbitterten Widerstand dieser als „Wende nach links“ ausgegebenen Rechtsschwenkung. Hinzu kam die Übernahme des bürgerlichen Terminus „Stalinismus“, mit dem das sozialistische Gesellschaftsmodell in der UdSSR etikettiert wird.

Ohne diese „Öffnung“, so die Argumente der Revisionisten, wäre es der PRC nicht möglich, in der „Bewegung“ (worunter die Globalisierungsgegner, auch „Bewegung der Bewegungen“ genannt, verstanden werden) anerkannt  und in ihr aktiv zu sein. Die Führerrolle wird der „Bewegung“ zugeschrieben, in der die PRC „Gleiche unter Gleichen“ sein will. Auch Aktionseinheit und  Mitte-Links-Bündniss erforderten diesen Schritt. Dass der revisionistische Einbruch auch in anderen theoretischen Fragen zu Verwässerung und Verschwommenheit führt, kann hier nur am Rande erwähnt werden. So wird es für möglich gehalten, dass aus der „Bewegung“ eine neue Arbeiterbewegung hervorgehen könne, an anderer Stelle aber eingeräumt, dass sie „keine ausgesprochen antikapitalistische Bewegung ist oder noch nicht ist, es aber werden kann“. Negiert wird im Prinzip  der Grundwiderspruch von Arbeit und Kapital, was zur Einschätzung einer „unipolaren Welt“ führt. Von der besonderen Empfänglichkeit dieser heterogenen Bewegung für den Einfluss der bürgerlichen Ideologie war keine Rede.[209]

Diesen Kurs vertrat auch die trotzkistische sogenannte Minderheitsgruppe, die sich nach der PRC-Gründung unter dem Mitglied des Politischen Komittes  Livio Maitan formierte. Die Gruppe ist Mitglied der IV. Internationale, Maitan, Mitglied ihrer Leitung. Die revisionistischen Zugeständnisse wertete er in der Zeitung der trotzkistischen Internationale Interprekorr  als „Linksschwenk“. Im Politischen Komitee belegte die Gruppe in der Vergangenheit zwischen 13 und 15 Prozent der Sitze. [210]

Am Beispiel des opportunistischen Einbruchs auf dem 5. PRC-Parteitag wird ein weiteres mal deutlich, zu welch verhängnisvollen Folgen eine fehlende Auseinandersetzung mit den Revisionismus in der Regel führt. Die im Dezember 1991 nach der Umwandlung der IKP in eine Partei sozialdemokratischen Typs (die heutige DS) entstandene PRC sollte eine Neugründung und ein Bruch mit dem Opportunismus sein. Aber die Auseinandersetzung darüber wurde verschleppt. Zwei reformistische Abspaltungen hätten Warnung sein müssen. Die Furcht vor einer neuen Spaltung, welche die Partei zur „Ohmacht“ verurteilt hätte (Bertinotti) bewirkte jetzt, dass die revisionistiche Strömung sich in wichtigen Fragen durchsetzen konnte.

Die Leninistische Strömung, zu welcher der international bekannte Marxist Domenico Losurdo gehört, hat  „strategischen Dissens“ angekündigt. Bei ihren Anträgen erreichte sie zwischen 27 und 40 Prozent.  Sie gibt das Monatsbulletin Aginform heraus und will in der Tradition Gramscis als Sammelpunkt eine kommunistische Zeitung schaffen.[211] Auch die von Anhängern der Leninistischen Strömung herausgegebene Rivista Comunista Ernesto[212] setzt sich mit dem Revisionismus in der PRC auseinander. Dass es gelang, die Umbenennung der PRC und die Beseitigung des Parteisymbols mit Hammer und Sichel zu verhindern, stellt zweifelsohne einen Erfolg der leninistischen Strömung dar.  Des weiteren, dass in den „Politischen Thesen“ des Parteitages festgeschriebene  Bekenntnis zur „kommunistischen  Identität“. Dass die Frage „der Umwandlung“ für „offen“ erklärt wurde, kann als ein Ausdruck, dass die Revisionisten ihre Ziele nur teilweise durchsetzen konnten, gesehen werden. Auch wenn sich darin wie in anderen Fragen, so der Bekräftigung der Kontinuität des Kampfes der Partei, Kompromisscharakter und Zweideutigkeit ausdrücken, kann das eine Grundlage bilden, den revisionistischen Einfluss aufzuhalten, zurückzudrängen und schließlich zu überwinden. Dabei setzt der linke Flügel der PRC auch auf das revolutionäre Aktionsprogramm dessen Verwirklichung ermöglichen könnte, zu den Lehren der Klassiker zurückehren.

In dem Aktionsprogramm steht auf internationaler Ebene der Widerstand gegen die von Bush und den USA angeführte Kriegs- und Expansionspolitik im Vordergrund. Weitere Eckpunkte sind Antikapitalismus, das Betonen des revolutionären Charakters gesellschaftlicher Umwandlungsprozesse und der Rolle des Klassenkampfes, ein Bekenntnis zur sozialistischen Perspektive und zur internationalen Solidarität mit den Befreiungskämpfen in der Dritten Welt, darunter dem Kampf des palästinensischen Volkes. Die PRC erklärt als ihr wichtigstes Ziel, „kommunistische Massenpartei“ zu werden.

Widersprüchlich ist die Haltung Bertinottis, der von Kennern der deutschen Arbeiterbewegung gern mit August Bebel verglichen wird. Er soll gegen die Umbenennung der Partei und die Beseitigung der Parteisymbole aufgetreten sein, weiter gehende Kompromisse hin zu revisionistischen Positionen abgelehnt, die sozialistische Perspektive auf Klassenkampfpositionen vertreten und das Bekenntnis zur „kommunistischen Identität“ durchgesetzt haben, zu der er betonte, „eine große Idee stirbt nicht“.[213] Er wurde mit 87 Prozent als Sekretär wiedergewählt.       

Angesichts des von den Arbeitern ausgehenden wachsenden Widerstandes gegen die rechtsextreme Berlusconi-Regierung setzen liberale Kapitalkreise um den FIAT-Clan erneut auf eine Klassenzusammenarbeit mit den Linksdemokraten.

Die Agnellis[214] gehen dabei von folgenden Gesichtspunkten aus: Sie hoffen, ihr Imperium, den noch immer größten Industrie- und Rüstungskonzern des Landes, besser aus der Auto-Krise herausführen  zu können,[215] durch eine Erneuerung der Zusammenarbeit mit der DS-Führung und der linken Mitte eine neue Aktionseinheit zu verhindern und schließlich im Konkurrenzkampf mit Berlusconi die eigene Position zu stärken und wieder die Führerschaft im Unternehmerlager zu übernehmen oder zumindest daran entscheidend beteiligt zu werden. [216] 

Die DS steht vor der Aufgabe, sorgfältig abzuwägen, ob und wie bestimmte Widersprüche zwischen den verschiedenen Gruppen der Großbourgeoisie für den Kampf gegen Berlusconi genutzt werden können. Keinesfalls kann es darum gehen, sich vor den Karren des Agnelli-Clans spannen zu lassen und, wie es nach dem Wahlsieg von 1996 der Fall war, die auf den auf den Reformismus setzende Expansionspolitik des Kriegsproduzenten FIAT mit zu machen und den Sozialabbau des liberalen Flügels der Großbourgeoisie mit zu tragen. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch die eingetretenen Rückschläge zu sehen. Das Projekt einer neuen Aktionseinheit mit den Linksdemokraten und einer Erneuerung der linken Mitte stagniert, weil die Partner der PRC  den Einflüsterungen der liberalen Kapitalkreise erlagen, sich nicht mit den Kommunisten einzulassen, wofür ihnen bei den Wahlen 2006 entsprechende Protektion versprochen wird. Die  DS-Führung  sprach sich danach gegen den zweiten Generalstreik aus, beteiligte   sich auch nicht am ESF in Florenz. Die oppositionellen Zentrumsparteien, an ihrer Spitze die Demokraten Roman Prodis, warten auf die  Rückkehr ihres Parteichefs aus Brüssel, um mit ihm, der 1996 die profaschistische Koalition  geschlagen hat, als Premiers-Kandidat erneut in den Wahlkampf zu ziehen. Im Schlepptau der Linksdemokraten kapitulierten die DS- bzw. katholisch beeinflussten Gewerkschaften CISL und UIL, sabotierten die einheitliche Kampffront der Gewerkschaften und schlossen mit Berlusconi einen „Pakt für Italien“ getauften neuen Sozialpakt, in dem sie sich zu Verhandlungen  über eine „Reform des Arbeitsmarktes“ bereit erklärten.[217] Gegen den opportunistischen Kurs ihrer Führung nahmen jedoch über 80 Prozent der zusammen etwa drei Millionen Mitglieder zählenden CISL und UIL am Generalstreik teil.

An der DS-Basis regt sich Widerstand gegen den Aktionseinheitsfeindlichen   Kurs der Parteiführung, verbunden mit Rücktrittsforderungen an DS-Chef Pier Fassino. Die Parteiopposition führt der bisherige CGIL-Sekretär Sergio Cofferati an, der als der „ neue Mann“ an der DS-Spitze gesehen wird.[218] Noch ist der Ausgang offen. Das Anwachsen des Widerstands zeigt jedoch, dass die Pläne der profaschistischen Regierung zum Scheitern gebracht und  schließlich wie bereits 1994 ihr Sturz möglich ist, wenn Lehren aus der Vergangenheit gezogen, Aktionseinheit und einheitliches Handeln der Mitte-Links-Opposition zu Stande gebracht werden.

3. Deutsche Kommunisten und Sozialisten nach der Niederlage von 1989/90[219]

3.1. Die PDS, ein Sprössling des Revisionismus

Obwohl die opportunistischen Erscheinungen in der SED nicht jene erschreckenden Ausmaße wie in der KPdSU angenommen hatten, liegen in ihrem Umsichgreifen auch in der DDR wesentliche Wurzeln für theoretische Deformationen und daraus folgende Irrwege in der politischen Praxis, für bürgerliche Entartung, die geradezu naive Unterschätzung der Möglichkeiten des Klassengegners und den Verlust der Verbindung zu den Volksmassen (um nur einige der gravierendsten Defekte zu benennen), die in der Stunde des Existenzkampfes 1989/90 zur Handlungsunfähigkeit der Partei und zum Fehlen intakter revolutionärer Kader führten. Es wurde das zugelassen, wovor Lenin seit dem Erscheinen von „Was tun“ im Jahre 1902 immer wieder gewarnt hatte: Ein „Mittelding“ zwischen bürgerlicher und sozialistischer Ideologie, das es nicht gibt, so wie es „niemals eine außerhalb der Klassen und über den Klassen stehende Ideologie geben kann“. Bis hin zur Anerkennung eines „friedensfähigen Imperialismus“ und der Bejahung des „Vorrangs von allgemeinen Menschheitsproblemen gegenüber Klassenfragen“ wurde eine Herabminderung der sozialistischen Ideologie zugelassen und Lenins Hinweis missachtet, dass „jedes Abschwenken von ihr zugleich eine Stärkung der bürgerlichen Ideologie“ bedeutet.[220] In dieser Situation konnte die kleinbürgerlich-populistische Gruppierung mit Gregor Gysi an der Spitze im Herbst 1989 durch einen Parteiputsch die Führung der SED an sich  reißen, was zu einem maßgeblichen Faktor des leichten Sieges der zunächst „friedliche Revolution“ gepriesenen Konterrevolution wurde. Nach einem Besuch bei Gorbatschow in Moskau führte den zum PDS-Chef gekürten Gysi  die nächste Auslandsreise  nach Rom, wo er im Januar 1990 mit dem Noch-IKP-Generalsekretär Achille Occhetto zusammentraf, um dessen Erfahrungen  bei der Vorbereitung der   „Heimkehr zur Sozialdemokratie“ für die Umwandlung der SED in eine gleich geartete Partei  zu studieren. Gysi traf auch mit ISP-Chef Bettino Craxi, der bereits 1978 in seiner Partei die Anerkennung des kapitalistischen Systems durchgesetzt hatte, zu einem Gedankenaustausch zusammen. [221] Gegen Craxi liefen bereits zu dieser Zeit staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, die ab 1994 wegen Korruption, Hehlerei, Bestechung, illegaler Parteifinanzierung, Führung schwarzer Konten und diverser andere schwerwiegender Vergehen zu seiner Verurteilung zu 26 Jahren Gefängnis führten.[222]

Die italienischen Linksdemokraten blieben das große Leitbild der PDS, wenn sie deren rasanter Entwicklung zu einer sozialliberalen Partei der Mitte, von der sicher der kommende Sonderparteitag ein weiteres Zeugnis ablegen wird, auch noch  hinterher hinkt. Der Ex-Kommunist und PDS-Vize Wolfgang Gehrcke forderte bereits 1999 eine „Parteireform“, um die PDS ganz nach italienischem Vorbild in eine „Neue Linke“ umzugestalten. Gehrcke plädierte für eine Regierungsbeteiligung der PDS und versprach Unterstützung der Linie Schröders beim „Umbau der Verfügungsverhältnisse“ und der „Neulegitimierung des Sozialstaates“, die geradlinig in die heutige Agenda 2010 des Kanzlers mündete.[223] Mit ihrem revisionistischen Kurs hat die PDS im Herbst 2002 ihre parlamentarische Vertretung im Bundestag verspielt. Die in der PDS bestehende Kommunistische Plattform konnte diesen Prozess der Sozialdemokratisierung der Partei verlangsamen aber letzten Endes nicht aufhalten. Zur Problematik der KPF schätzte Frank Flegel ein: „Die Absicht, die Gesamtpartei vor dem völligen reformistischen Absturz zu bewahren, ist sicherlich ehrenhaft und nachvollziehbar. Man darf jedoch nie außer Acht lassen, dass man als antikapitalistische Fraktion in einer solchen Partei dabei ständig in Gefahr ist, eine revisionistische und reformistische Partei, die im Ernstfall immer umfallen und ihr eigenes Programm, ihre Wähler und ihre Mitglieder verraten wird, mit der Weihe der unbeugsamen Systemopposition zu umgeben, dass man also ständig in Gefahr ist, das linke Feigeblatt für rechte Politik zu spielen.“[224] Die KPF steht somit vor der Frage, ihr weiteres Vorgehen, zugespitzt, ihr Verbleiben in der PDS, zu überprüfen und über ihren weiteren Weg und vor allem darüber zu entscheiden, welchen Beitrag sie zum Zusammenwirken kommunistischer und sozialistischer Kräfte auf marxistischen Positionen leisten will.[225]

3.2. Opportunistische Erscheinungen in der DKP

Bleibt zu fragen, wie die DKP sich mit opportunistischen Erscheinungen auseinandersetzt und der Aufgabe gerecht wird, die 40jährige Existenz der DDR zu werten, sie in den Geschichtsprozess einzuordnen, die Ursachen ihrer Niederlage zu analysieren, ihre Erfahrungen darzulegen, um auf dieser Grundlage die Kräfte für einen neuen sozialistischen Anlauf zu formieren.

Die DKP betrat 12 Jahre nach dem 1956 widerrechtlich ausgesprochenen Verbot der KPD durch das Bundesverfassungsgericht als legale kommunistische Partei die politische Bühne. Trotz aller Rückschläge und Konflikte, denen sie ausgesetzt war, hat sie seitdem Wichtiges geleistet und große Zeiten, aber auch die gemeinsame Niederlage aller deutschen Kommunisten 1989/90 erlebt. An ihrer Spitze standen im Laufe der Jahre verdienstvolle Arbeiterführer wie der Ehrenvorsitzende Max Reimann, Kurt Bachmann und Herbert Mies. Die Zerschlagung der DDR warf auch die DKP weit zurück. Bereits vorher wurde sie durch den revisionistischen Einfluss Gorbatschows und dessen Widerhall bei Teilen der Parteiführung und der Mitglieder erheblich geschwächt, zahlenmäßig dezimiert und verlor neben ihrer materiellen Basis (Apparat, Tageszeitung, Verlage, Druckerein, Gebäude usw.) fast ihr gesamtes theoretisches Potential (Frankfurter Institut u. a.).[226] Mit nur einer Stimme Mehrheit wurde auf dem Bonner  Parteitag 1990 die  von Gysi initierte und der revisionistischen Gehrcke-Gruppierung betriebene Auflösung der DKP verhindert. Bereits vorher vorhandene subjektive Führungsschwächen traten unter dem wachsenden enormen imperialistischen Druck in den folgenden Jahren noch stärker hervor. Wenn Gossweiler schreibt, dass in Situationen zugespitzter Klassenkonfrontation versucht wird, notwendigen Auseinandersetzungen auszuweichen, was in aller Regel mit Niederlagen bezahlt werden muss, dann dürfte das ziemlich exakt viele der von einer knappen Mehrheit der DKP-Führung bezogenen Positionen treffen.[227] Charakteristisch ist, dass die DKP seit 1978 - außer den Thesen zur programmatischen Orientierung vom Januar 1993 - kein aktualisiertes Parteiprogramm zustande gebracht hat. In den letzten Jahren wurde mehr und mehr sichtbar, dass rechte Kräfte in der Führung Einfluss erlangten und in wichtigen Fragen die Politik bestimmen. Die von diesen Genossen in bestimmten Fragen vertretenen revisionistischen Positionen konnten auf dem 16. Parteitag im November/Dezember 2002 vorerst aufgehalten und teilweise zurückgewiesen werden.

Für diesen Kongress hatten der Vorsitzende der DKP, Heinz Stehr, und seine Stellvertreterin Nina Hager[228] einen Programmentwurf vorgelegt.[229] Es ist ein in wichtigen Punkten kämpferisches Aktionsprogramm. Es prangert den Demokratie- und Sozialabbau und die Kriegspolitik des deutschen Imperialismus an, befasst sich mit neuen Ausbeutungsmechanismen des Kapitals, spricht sich für eine Aktionseinheit der Arbeiterklasse aus, bekundet antiimperialistische Solidarität mit den Befreiungs-bewegungen und der Völker für ihre Unabhängigkeit,[230] orientiert auf Frauen, Jugend sowie  für antifaschistische, Antkriegs- und demokratische Bündnisse zu gewinnende Schichten, und bekennt sich verbal zu einer sozialistischen Perspektive der Gesellschaft. Dennoch zeigen sich, wenn man von den Grundsätzen des wissenschaftlichen Sozialismus ausgehend die Maßstäbe eines kommunistischen Parteiprogramms anlegt, bedenkliche revisionistische Ansichten. Hier kann nur auf einige  wesentlichste Aspekte eingegangen: [231]

Nach den Vorstellungen von Stehr und Hager geht es der DKP nicht mehr darum, den von Marx, Engels und Lenin ausgearbeiteten bzw. weiterentwickelten wissenschaftlichen Sozialismus gegen seine bürgerlichen Feinde zu verteidigen, ihre Ideologie zu bekämpfen, sondern die Partei soll „den Wettstreit mit anderen politischen Kräften (welchen?) um die besten politischen Ideen und Initiativen“ führen.[232] Da werden exakt die Lehren aus der letzten Etappe der SED (etwa ab 1985) negiert und eine wesentliche Ursache der Niederlage missachtet, die sich daraus ergab, dass die KP der DDR sich auf den „Wettstreit der Ideologien“ einließ, womit den „Reformern“ de facto das Feld überlassen wurde. Ganz nebenbei werden im Entwurf von Stehr/Hager dann Marx, Engels und Lenin in eine Reihe neben „andere marxistische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“ gestellt. Die von ihnen vollbrachte Leistung, die Erarbeitung der wissenschaftlichen Weltanschauung der Arbeiterklasse, wird darauf reduziert, dass von ihnen „deren Fundamente im Wesentlichen ... erarbeitet wurden.“ Damit  wird auch die bereits vorher von gewissen Genossen praktizierte Ablehnung des Begriffs des Leninismus bekräftigt. Bei dieser „Aufweichung der Begriffe“, wie Hans Heinz Holz es nennt, geht es um prinzipielle Inhalte. „Dieter Itzerott schreibt: „Er ist eine Epochekategorie, und es gibt durchaus einen wesentlichen Unterschied zu der gegenwärtig in der Partei gebräuchlichen Formulierung. Lenin ist nicht ein marxistischer Theoretiker unter anderen. Er hat mit seinem Gesamtwerk den Marxismus weiterentwickelt und in die Praxis umgesetzt. Seine meisterhafte Analyse des Imperialismus, die durch ihn erarbeiteten theoretischen Grundlagen der Strategie und Taktik der kommunistischen Bewegung unter neuen Bedingungen, seine Arbeiten zum Charakter einer kommunistischen Partei in dieser Epoche sowie seine geniale Rolle in der Oktoberrevolution und beim Aufbau des Sozialismus berechtigen uns dazu, vom Leninismus zu sprechen. Das ist keineswegs eine Herabminderung der Leistungen anderer hervorragender Köpfe des Marxismus.“[233] 

Der „künftige Sozialismus“ soll laut Stehr/Hager „in der Zusammenarbeit unterschiedlicher gesellschaftlicher Kräfte (erneute Frage, welcher?) geformt werden. Die Arbeiterklasse muss und wird dabei die entscheidende Kraft sein“. Mit der etwas verschwommenen Formulierung wird - wie schon beim „Wettstreit ... um die besten politischen Ideen“ ein Bekenntnis zur führenden Rolle der Partei negiert. Einen, wie Norbert Pauligk schrieb, zumindest Teilabschied vom wissenschaftlichen Sozialismus gibt es auch bei den „Überlegungen über eine mögliche gesellschaftliche Alternative“. Die Klassiker haben die historische Notwendigkeit des Sozialismus bewiesen und ihn nicht als eine „mögliche Alternative“ gesehen. Zum Staat im Sozialismus heißt es, „an die Stelle des kapitalistischen Staates bzw. supranationaler Strukturen tritt eine neue Form staatlicher Organisation, wobei heute offen ist, wie diese aussehen wird.“ Damit wird die Staatstheorie von Marx und Lenin ad acta gelegt. Der kapitalistische Staat soll nicht durch die Herrschaft der Arbeiterklasse ersetzt werden, sondern durch eine unbekannte „neue Form“. In diesem Kontext ist auch die nebelhafte Formulierung zu sehen, die  in Rechnung stellt, dass die Monopolbourgeoisie, wenn sie ihre Macht bedroht sieht, zu Faschismus und Bürgerkrieg greift, es daran anschließend aber heißt: „Im harten Kampf muss ihr unvermeidlicher Widerstand überwunden und ein solches Übergewicht der zum Sozialismus strebenden Kräfte erreicht werden, das es ermöglicht, die Reaktion an der Anwendung blutiger konterrevolutionärer Gewalt zu hindern und den für das arbeitende Volk günstigsten Weg zum Sozialismus durchzusetzen.“ Die Frage wie bleibt unbeantwortet.

Norbert Pauligk fragte zu Recht, ob das  Dokument nicht „eine zu große Scheu vor der proletarischen Revolution und kleinbürgerliche Angst vor der Übernahme der Avantgarderolle im Klassenkampf offenbart, die natürlich niemanden automatisch zufällt, sondern in der Tat täglich neu errungen und verteidigt werden“ müsse. „Keimt hier der parlamentarische Weg über ‚Mehrheiten’ zum  Sozialismus neu auf? Die sozialistische Revolution ist eine weltgeschichtliche Veränderung, die bei aller historischen Gesetzmäßigkeit nicht dem Selbstlauf überlassen bleiben darf. Auch wenn die kommunistische Partei keinen Führungsanspruch a priori besitzt, darf sie die Arbeiterklasse nicht dem ‚freien Spiel der Kräfte’ ausliefern. Denn nur sie verfügt mit dem wissenschaftlichen Sozialismus über einen verlässlichen Kompass.“  Und der Kampf um die führende Rolle der Partei beginnt damit, dass sie vom Marxismus-Leninismus ausgehend die strategische Orientierung für den Kampf und das Ziel in den jeweiligen Etappen aufzeigt.

Vergeblich sucht man in dem Dokument auch eine marxistische Wertung der Oktoberrevolution, mit der die neue Epoche begann. Die sozialistische Revolution befreite anfangs 240 Millionen Menschen vom Joch der kapitalistischen Ausbeutung. Mit dem Sieg volksdemokratischer Umwälzungen in Ost- und Südosteuropa, mit dem Triumph der Revolutionen in China und anderen asiatischen Ländern  sowie in Kuba siegten 1,5 Milliarden Menschen über das imperialistische Joch der Unterdrückung. Dieser von der Oktoberrevolution eingeleitete gigantische revolutionäre Weltprozess wird in wenigen Zeilen als ein gegebenes „Signal“ abgehandelt.

Seit 1989/90 lehnten gewisse Genossen in der DKP die für die Annexion der DDR und die Zerschlagung ihres Gesellschaftssystems durch den Imperialismus zutreffende Definition als Konterrevolution ab. Die Benutzung des Terminus im Programmentwurf erweckt den Anschein, dass dieser Standpunkt nun stillschweigend aufgegeben wird. Es bleibt abzuwarten, ob das ohnehin rein formale Bekenntnis so bleibt. Denn eine theoretische Wertung der Vorgänge steht weiterhin aus. Das hängt auch damit zusammen, dass man sich in diesem Kontext selbstkritisch mit den eigenen zunächst erfolgten Fehleinschätzungen der konterrevolutionären Vorgänge als „friedliche Revolution“ und ihrer Ziele von einem angeblich „besseren Sozialismus“ befassen müsste. Im Programmentwurf wurde denn auch weiter negiert, dass nicht nur ein Teil der SED-Mitgliedschaft, vor allem Angehörige der Parteiintelligenz, auf revisionistische Positionen überging, sondern auch Teile der DKP-Führung dem opportunistischen Kurs Gorbatschows vom Neuen Denken, dem Vorrang allgemeiner Menschheitsinteressen  vor den Klasseninteressen u. a., lebhaft begrüßten. Darunter fällt, dass bis heute eine Einschätzung der Rolle des Verrats Gorbatschows, Jelzins, Schewardnadses, Jakowlews u. a., der in der Preisgabe des Kernstücks der sozialistischen Gemeinschaft und der Zerschlagung der Sowjetunion als der militärisch, politisch und ökonomisch stärksten Macht dieses Weltsystems gipfelte, was 400 Millionen Menschen dem Imperialismus auslieferte, und seine Einordnung in den Komplex der Konterrevolution fehlt.

Die Einschätzung der DDR wird in dem Programmentwurf über weite Strecken von der bürgerlichen Ideologie und ihrer Propaganda bestimmt. Im Vordergrund steht, was die Revolution nicht erreicht hat, werden Fehler, Irrtümer, Unfähigkeit der Führung, d. h. subjektive Schwächen ins Feld geführt, ohne die objektiven Bedingungen zu berücksichtigen. Die von der Redaktion Offensiv, unterstützt vom RotFuchs, im November 1999 in Berlin durchgeführte Konferenz „Über das revolutionäre Erbe der DDR“ boykotierte der DKP-Vorstand.  Die von den Veranstaltern vorgelegte, bis dahin umfassendste Analyse über die 40jährige Existenz der DDR, ihre herausragende Rolle in der weltgeschichtlichen Auseinandersetzung mit dem Imperialismus und die Bedeutung ihrer Ergebnisse, Lehren und Erfahrungen sowie der Ursachen der Niederlage, darunter das Wirken des von der KPdSU ausgehenden Revisionismus, negierten Parteivorstand und Unsere Zeit.[234] 

Eine politische Instinktlosigkeit ohnegleichen leistete man sich in der Zentrale in Essen bereits mit der „Erklärung der DKP zu den 50. Jahrestagen der Gründung der BRD und der DDR“. Dass hier der chronologischen Reihenfolge entsprechend die bereits im Mai 1949 vom bis dahin einheitlichen Nationalstaat abgespaltene BRD vor der als Antwort darauf erfolgten Gründung der DDR genannt wurde, war noch das geringste Übel. Aus verständlichen Platzgründen hier in Kürze das wichtigste zum opportunistischen Pferdefuß, der sich im zweiten Teil über die DDR unverhüllt zeigte. Dort kam man doch tatsächlich mit der Vermischung sozialistischer und kapitalistischer Wesenzüge auf den „Dritten Weg“  zu sprechen. Da war von Fehlern der  „beiden deutschen Teilstaaten“, die Rede, und davon, dass bei der Annexion „die Bewahrung der besten Elemente beider Systeme versäumt“ worden sei. Als ob der deutsche Imperialismus jemals über auch nur ein gutes geschweige denn ein bestes Element verfügt hätte. Was dem Kapital in den antifaschistischen, sozialen und politischen Klassenkämpfen abgerungen wurde, sind Errungenschaften der Arbeiter und des Volkes und keine „besten Elemente“ des imperialistischen Systems. Zwar war dann einmal von „Zusammenbruch und Zerschlagung“ die Rede, aber an keiner Stelle wurde der in der marxistischen Terminologie für solche Prozesse übliche und adäquate Begriff der Konterrevolution gebraucht. Von der Vermengung der Klassenunterschiede in beiden deutschen Staaten (für Stehr/Hager Teilstaaten) über ein Zugestehen von gesellschaftlicher Solidarität an das imperialistische System der BRD bis Reduzierung der DDR auf das Hinterlassen „einer  Spur“ war das Dokument voll von Entstellungen der historischen Realität. Dieser „Spurensatz“ verdeutlichte das Fehlen des Bekenntnisses zur DDR - und zwar ohne Wenn und Aber, was konkrete, berechtigte und beweisfähige Kritik nicht ausschließt, sondern gerade zu zur Bedingung hat - als dem Besten, das es jemals auf deutschem Boden gegeben hat. Dazu  haben sich die Genossinnen und Genossen aus KPD und DKP im Westen stets mutig bekannt, haben dafür Verfolgung auf sich genommen und Verhöhnung ertragen. Dieses vom Marx´schen Bekenntnis zur Pariser Kommune ausgehende gleiche zur DDR verweigert die DKP-Führung trotz anhaltender  Kritik im Parteivorstand und Bezirksvorständen sowie der Basis bis heute. Darin kommt in besonderer Weise das opportunistische Zurückweichen rechter Kräfte vor dem Druck des Klassengegners und der Übergang auf revisionistische Positionen zum Ausdruck.

In recht euphorischer Weise sehen Stehr/Hager in ihrem Programmentwurf die Demokratie in einer künftigen sozialistischen Gesellschaft. Auf der Grundlage einer „tatsächlichen Volksherrschaft“ sollen „gleiche Freiheiten und Rechte für alle Menschen (also auch für den Klassenfeind?), umfassende Möglichkeiten für jeden Einzelnen, seine Vorstellungen und Wünsche in die Gestaltung der Gesellschaft einzubringen“, garantiert werden. Zwar wird dann verbal eingeschränkt, dass werde „eine Frage der gesellschaftlichen Durchsetzungsmöglichkeiten sein und bleiben“, einen Hinweis darauf, dass eine Diktatur der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten die gestürzte Ausbeuter-klasse niederhalten muss, fehlt. Damit wird in verantwortungsloser Weise eine gefährliche Illusion erweckt, beim nächsten Mal werde alles „völlig demokratisch“ zugehen und auf jede Diktatur verzichtet.

Das regt an zu fragen, wie bestimmte Genossen in der DKP-Führung andererseits die innerparteiliche Demokratie handhaben? Werden da „allen“ Mitgliedern und Sympathisanten „gleiche Rechte“ gewährt? Nehmen wir das im Statut festgeschriebene Recht auf Kritik. Kritische Geister können ein Lied davon singen, dass entsprechende Leserbriefe überwiegend im Papierkorb der UZ landen. Eine zeitlang brachte  beispielsweise die Zeitschrift der DKP Brandenburg, Der Rote Brandenburger, solche nicht veröffentlichten Leserbriefe in der Spalte „Dem Papierkorb der UZ entrissen“. Es erwies sich als ein hoffnungsloses Unterfangen, denn in der Hoffnungsstraße in Essen ignorierten die Genossen, die das Sagen haben, das hartnäckig.

Als während der NATO-Aggression gegen Jugoslawien die KP Frankreichs als Mitglied des von dem Sozialisten Jospin angeführten Kriegskabinetts diese Politik mitmachte, fehlte in der UZ von Anfang an eine entschiedene Auseinandersetzung mit diesen sozialchauvinistischen Positionen. Zum skandalösen Eklat kam es auf dem Pressefest der UZ 1999. Auf einem Forum „wie verhindert man Kriege - wie macht man Frieden“, verteidigte der  KPF-Vertreter Dr. Alain Rouy nach scharfer Kritik an der Haltung seiner Partei in der Aggressionfrage vollinhaltlich deren Position. Aus dem Forum heraus wurde die Kritik verstärkt und von Rouy eine Stellungnahme zum Verbleib der KPF-Minister im Kriegskabinett verlangt. Der bekam unerwartet Hilfe von der DKP-Leitung  auf der Tribüne. Man forderte Höflichkeit gegenüber dem Gast, den man nicht für die Haltung seiner Partei (die dieser sich zu eigen machte und verteidigte) verantwortlich machen könne und man überhaupt   der KPF nicht vorschreiben könne, welche Politik sie zu verfolgen, welche Haltung sie zu beziehen habe. Damit wurde die Auseinandersetzung über die sozialchauvinistischen Erscheinungen in der KPF regelrecht abgewürgt. Es war zu befürchten, dass Teilnehmer des Forums, die sich orientieren wollten, es mit der Meinung verließen, derartige Erscheinungen des Sozialchauvinismus müsse man eben zur Kenntnis nehmen, oder auch tolerieren. Eine Auseinandersetzung stehe nicht an. Wir können natürlich der KPF oder anderen Parteien nicht vorschreiben, welche Position sie zu beziehen haben. Aber wir haben nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, uns mit jedweden Erscheinungen des Opportunismus auch in anderen kommunistischen Parteien prinzipiell auseinander zu setzen und dazu eine klare Position zu beziehen. Wer das ablehnt, sagt sich auch hier von Marx, Engels und Lenin los. [235]

Noch dicker kam es zur Unterdrückung von Kritik an revisionistischen Positionen im Ergebnis der von der DKP im Juni 2002 ausgerichteten internationalen Konferenz zur Globalisierungsthematik in Berlin. Das vom Einlader vergebene Auftaktreferat hielt Senator Luigi Malabarba, der innerhalb der PRC zu den Wortführern der revisio-nistischen Strömung gehört. Einen ganzseitigen Auszug aus seiner Rede setzte die UZ unter die wertende Schlagzeile „ein ehrgeiziges und notwendiges Ziel: Neue Arbeiterbewegung in Europa“.[236] Malabarba ging noch über die revisionistischen Positionen, die auf dem PRC-Parteitag im April 2002 sichtbar geworden waren,[237] hinaus, als er ausführte, die „Bewegung der Völker“,[238] deren Vorboten die „zapatistische Erfahrung“ in Mexiko und die Frauenkonferenz in Peking 1995 gewesen seien,  schüfe die Basis für eine Antwort „von links“ auf die kapitalistische  Globalisierung. Sie (!) hätte dem gemeinsamen Gegner „ein Antlitz und ein Namen gegeben“ und brächte sich als „Integrationskraft aller (!) sozialen Subjektivität und Gedankenströmungen“ ein. Das sei umso notwendiger, als die Krise des realen Sozialismus „auch die kulturelle Verdrängung großer Teile des analytischen Instrumentariums des Marxismus ermöglicht“ habe.[239]

Wer - außer Opportunisten, Revisionisten - und anderen modernen Bernsteinianern - will denn das analytische Instrumentarium des Marxismus, das völlig intakt ist, aus dem Verkehr gezogen sehen? Der Klassengegner hat nicht erst seit der „Krise“, sondern seit eh und je versucht, es zu verdrängen. In dem von der UZ breit wiedergegebenen Referat des Italieners kamen marxistische Termini wie Klassenkampf, Partei, Imperialismus usw. nicht vor. Es ging  einzig und allein um die Stärkung und Ausdehnung der „pazifistischen, umweltorientierten Antiglobalisierungsbewegung“. Dazu müsse man, “das politische Tempo beschleunigen, um den Abstand zwischen diesem Anliegen und dessen konkreter Umsetzung zu überwinden.“

Den Genossen der DKP, ihren Sympathisanten und den Lesern der UZ wurden derart unbrauchbare und unsinnige Versatzstücke aus dem ideologischen Atelier eines Reformisten, dessen Positionen die marxistisch-Leninistische Strömung in der PRC entschieden zurückweist[240] (was in der UZ tunlichst verschwiegen wurde), kommentarlos zugemutet. Das veranlasste den Autor, bis dahin Berichterstatter der UZ über  Italien, in einem Leserbrief unter der Überschrift „Ein revisionistisches Konzept“ dazulegen, dass  Malabarbas Statement auf der Konferenz ein sehr verzerrtes Bild  der tatsächlichen Lage in der PRC vermittelte. „Es ist schon mehr als erstaunlich, dass er darauf verzichtete, die wertvollen Erfahrungen seiner Partei im gegenwärtigen antiimperialistischen und antifaschistischen Kampf darzulegen und statt dessen die Beratung dazu missbrauchte, seine opportunistische Konzeption zur sogenannten ‚Erschaffung einer neuen Arbeiter-bewegung’ und eines ‚einheitlichen und pluralen Subjekts in Europa’ darzulegen“, hieß es zusammenfassend.[241]

Unter der Überschrift „Kein Platz für so was“ wies der Pressesprecher des Parteivorstandes, Lothar Geisler, als, wie es hieß, „geschäftsführender Redakteur“ die Kritik, die mit dem (unbewiesenen) Stigma „Vorsicht Revisionist“ versehen worden sei, kategorisch zurück. Wie schon in früheren Fällen wurde das mit dem sogenannten Prinzip der „Gastgeberhöflichkeit“ begründet. „Es gehörte bisher nicht und wird auch in Zukunft nicht zur Streitkultur der DKP und ihrer Zeitung gehören, internationale Gäste so zu behandeln“, hieß es. [242]

Der Autor übermittelte an Gen. Stehr und auszugsweise in einem Leserbrief an die  UZ seinen Protest gegen solche Art Unterdrückung der Kritik von Journalisten in dem es u. a. hieß: „Ich kenne keine Beschlüsse internationaler kommunistischer Beratungen, die Kritik an der Haltung teilnehmender  Parteien untersagen. Auch in der Berliner Erklärung ist davon nichts zu finden. Sie enthält bei Kompromisscharakter auch kaum etwas von der in der UZ wiedergegebenen Position Malabarbas. Auch diesbezügliche Beschlüsse der DKP sind mir nicht bekannt. Das würde auch kommunistischen Grundsätzen zur Kritik widersprechen. Gen. Geisler  versucht, Journalisten die freie Meinungsäußerung zu verbieten. Eine  intensivere internationale Zusammenarbeit kann nicht durch  kritikloses Hinnehmen revisionistischer Standpunkte erreicht werden“. Der Leserbrief wurde nicht veröffentlicht. Genosse Stehr lehnte den Vorschlag, auf einer gemeinsamen Veranstaltung der DKP-Gruppe und der Regionalgruppe des RotFuchs-Vereins in Leipzig mit dem Autor diese Fragen zu erörtern, ab.

Im annektierten Osten Deutschlands nahm die DKP zunächst davon Abstand, frühere SED-Mitglieder für sich zu gewinnen. Sie verzichtete auch auf die mögliche Variante, sich an der  Initiative der  KPD-Gründung zu beteiligen. Dabei spielte sicher eine Rolle, dass die Kräfte für die innerparteiliche Auseinandersetzung und Selbstbehauptung im Westen gebraucht wurden. Auch kann hier in Rechnung gestellt werden, dass man  nicht damit rechnete, dass die revisionistische Gruppe um Gysi die SED derart rasch auf vorherrschende revisionistische Positionen führen würde, man später hoffte, die Kommunistische Plattform in der PDS werde eine starke kommunistische Strömung zum Leben erwecken, marxistische Positionen in der Partei behaupten und den Übergang auf sozialdemokratische Positionen verhindern oder zumindest einzuschränken. Auf dieser Basis hätten ein Zusammengehen von DKP und PDS und eine Orientierung auf eine Aktionseinheit möglich werden können. In dem Maße wie sich das als illusorisch erwies, begannen 1992/93  Ostberliner Genossen einen Ostberliner Bezirksverband aufzubauen, der sich 1995 mit dem aus der SEW hervorgegangenen Westberliner Verband vereinigte.  Ostberliner Genossen halfen auch, Regionalgruppen  in  anderen ostdeutschen Ländern aufzubauen.  Das zahlenmäßig kleine aber  marxistisch-leninistische Positionen beziehende,   aus der SED kommende Potenzial geriet frühzeitig in Konflikt mit den  revisionistischen Tendenzen in der DKP-Führung, besonders der Ablehnung des Bekenntnisses zur DDR, Ignorierung des Erfahrungsschatzes der aus der SED kommenden Genossen, fehlender Wahrnehmung ostdeutscher Interessen (11 Forderungen)[243] und der Unterdrückung von  Kritik. Lothar Geisler, mehrere Jahre UZ-Chefredakteur, bis zum 15. Parteitag Vorstandsmitglied und danach trotz Abwahl von Heinz Stehr zum Pressesprecher ernannt, ließ keine Gelegenheit aus, kundzutun, dass die DDR für ihn „ein fremder Staat, nicht meine Heimat“, sondern „immer Ausland“ war. In einem UZ-Magazin  ging er tatsächlich von dem vom Klassengegner besetzten Begriff der Landsmanschaften aus und diffamierte, ostdeutsche  Kommunisten erweckten in ihrem „öffentlichen Auftreten den Anschein einer sozialistischen Landsmanschaft für Traditionspflege und Gedenkveranstaltungen“. Der Genosse genierte sich nicht, im nächsten Satz „Fingerspitzengefühl, Verständnis für den anderen“ und „eine solidarische Streitkultur“ einzufordern (!).[244]

Eine Veranstaltung des Ostberliner Bezirksverbandes „Kommunisten zwischen Ost-seestrand und Erzgebirge“ 1995 auf dem Pressefest der UZ, zu deren Rednern hochrangige Funktionäre aus der DDR, darunter der frühere Verteidigungsminister, Heinz Kessler, gehörten, wurde in der Berichterstattung der Zeitung  regelrecht ignoriert. Der Vorschlag, zur Stärkung der DKP und ihrer Zeitung in Ostdeutschland  ein Berliner Korrespondenten-Büro der UZ einzurichten und einen ostdeutschen Journalisten in die Redaktion der Zeitung zu delegieren, wurde abgelehnt.[245] Eine UZ-Leserversammlung in Berlin zu veranstalten, erhielt ebenfalls keine Zustimmung.[246] Bis heute ist weiterhin kein aus der DDR kommender Journalist in der Redaktion vertreten. Die DKP ist auch die einzige erwähnenswerte  Partei der Bundesrepublik, die ihre Zentrale bis heute nicht nach der Metropole Berlin verlegt hat. Das alles führte dazu, dass die DKP bis heute auf dem früheren Gebiet der DDR kaum Fuß fassen konnte. Von ihren derzeit 4.700 Mitgliedern kommen nur einige Hundert aus dem Osten, obwohl dort heute wahrscheinlich das größte Potenzial nicht parteigebundener Sozialisten und Kommunisten existiert, darunter auch ansprechbare Genossinnen und Genossen, die von der PDS enttäuscht sind und nach einer neuen politischen Heimat suchen. Damit ist die DKP, in der zwischen  Hamburg und München Tausende mutige und erfahrene Klassenkämpfer organisiert sind,  immer noch keine gesamtdeutsche Partei, sondern eine „Westpartei“, was nicht als eine negative Aussage über die Genossen in Westdeutschland zu verstehen ist. Als 1996 auf der zweiten Beratung ostdeutscher DKP-Mitglieder darauf gedrängt wurde, bei einem eindeutigen Bekenntnis zur DDR in der Partei die zwei unterschiedlichen Erfahrungsströme (aus dem Sozialismus im Osten und dem Kapitalismus im Westen) zu einer daraus resultierenden „neuen Legierung deutscher Kommunisten“ zusammen-zuführen, blockte man in Essen ab.

Um Lücken in der Berichterstattung der UZ auszufüllen, Erfahrungen der DDR darzulegen, marxistische und leninistische Positionen zu verteidigen, sich mit opportunistischen Erscheinungen auseinander zu setzen und zu Fragen der Entwicklung einer revolutionären Strategie beizutragen gründete die DKP-Gruppe Berlin Nordost die politisch-theoretische Monatsschrift RotFuchs, dessen erste Nummer im Februar 1998 erschien. Von Anfang an wurde massiver Druck führender Genossen der DKP und der UZ ausgeübt, den RotFuchs aus der Partei zu verdrängen. In der UZ wurde er ignoriert und - von einigen abwertenden Bemerkungen abgesehen - totgeschwiegen. Auf der ersten Leserkonferenz forderte der als Gast eingeladene UZ-Redakteur Wolfgang Teuber die über 100 Teilnehmer auf, sich vom RotFuchs zu distanzieren. Heinz Stehr verlangte wiederholt, das Blatt solle aus der DKP verschwinden, denn seine Linie stimme nicht mit der DKP überein. Die Kampagne gipfelte in der einem politischen Suizid gleichenden Forderung des DKP-Vorsitzenden, die Genossen des RotFuchs sollten die DKP verlassen, was die Partei im Osten in der Folge fast zehn Prozent ihrer Mitglieder kostete. Als sich die Anzeichen mehrten, die Zeitschrift auszuschalten, trennte sich die Redaktion  im Juni 2001 von der DKP und gründete zur Sicherung  der Zeitschrift den gleichnamigen parteiunabhängigen Förderverein, dessen Leitung Mitglieder von DKP, KPD und PDS sowie parteipolitisch nicht organisierte Genossinnen und Genossen angehören. Der Verein gibt den RotFuchs seitdem als Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland (im Umfang von 32 Seiten) heraus. Der Verein agiert nicht als Partei. Er und seine Zeitschrift treten für die „Einheit aller, die man für sozialistische Ziele gewinnen und Zusammenschließen kann“ ein. Er will in diesem Rahmen Impulse geben für die Aktionseinheit von Kommunisten, Sozialisten sowie linken Sozial-demokraten und progressiven Christen.[247] In der kurzen Zeit seines Bestehens sind dem Verein über 500 Mitglieder beigetreten. [248] Bisher haben sich sieben Regionalgruppen gebildet, darunter eine sehr aktive  in Hamburg.

3.3. Zum 16. Parteitag der DKP

Gegen den Programmentwurf von Stehr/Hager gab es starken Widerstand an der Basis, aber auch in Bezirksvorständen und im Parteivorstand selbst. Der Philosoph Prof. Hans Heinz Holz, einer der bedeutendsten Theoretiker, über den die zeitgenössische kommunistische Bewegung verfügt,[249] und der DKP-Bezirksvorsitzende von Ruhr-westfalen, Patrik Köbele, legten in der Programmdebatte einen vom Marxismus-Leninismus ausgehenden Verbesserungsvorschlag vor, der eine präzise Imperialismus-Analyse enthält, die Macht- und Eigentumsfrage, die Rolle der Arbeiterklasse und deren Bündnispolitik, die Vorhutrolle der Kommunisten und des sozialistischen Staates von den Grundfragen des wissenschaftlichen Sozialismus ausgehend beantwortet.[250] Einige Grundgedanken aus dem Dokument, zu dem die Verfasser festhalten, dass es noch „genug Mängel (enthält), die in weiterer Diskussion zu beheben sind“: Im Sozialismus-Teil des Papiers finden sich die Träger beider großer Erfahrungsströme der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung wieder: jene Genossinnen und Genossen, die vier Jahrzehnte nach dem Maß ihres Könnens und ihrer materiellen Möglichkeiten die neue Gesellschaft aufgebaut und deren Staat gestaltet haben, und jene mutigen Klassenkämpfer im Westen, die immer dem herrschenden Gesellschaftssystem die Stirn boten und oft genug - wie Robert Steigerwald, Jupp Angenfort, Rosi und Karl Stiffel, Ewald Stiefvater, Wille Gerns und viele andere - dem  Imperialismus auch in Adenauers Gefängnissen widerstanden. Holz/Köbele bekennen sich ohne Wenn und Aber zur Oktoberrevolution als dem „welthistorischem Ereignis, das die Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus einleitete“, halten fest, dass die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder den Beweis erbrachten, dass der Aufbau des Sozialismus möglich ist, dass die Niederlage in Europa „innere und äußere, ökonomische und politische, objektive und subjektive Ursachen“ hatte. Defizite, die sich beim Aufbau des Sozialismus gezeigt hätten, seien vor allem „den  besonderen Entstehungs- und Entwicklungsbedingungen geschuldet“, heißt es. Die Verfasser weisen Klassen-versöhnung, wie sie der Stehr/Hager-Entwurf durchzieht, klar zurück und charakterisieren die Ereignisse von 1989/90 als „vor allem und in erster Linie eine Konterrevolution“ Zu den Kernsätzen des Papiers gehört schließlich die unverzichtbare Feststellung, dass die DDR, die neue historische Epoche verkörperte und „ungeachtet ihrer Mängel die größte Errungenschaft des Kampfes der deutschen Arbeiterklasse gewesen“ ist.

Holz/Köbele betonten, dass es sich bei ihrem Papier um einen Verbesserungsvorschlag handele und dass nun am Text Genossinnen und Genossen gemeinsam feilen müssten. „Für das Maß an begrifflicher Genauigkeit hat uns Marx in der ‚Kritik des Gothaer Programms’ ein Musterbeispiel gegeben“, schrieben sie. Es gehe darum, “die Grundlagen unseres kommunistischen Geschichtsverständnisses und unserer wissenschaftlichen Weltanschauung nicht preiszugeben.“ [251]

Der Verbesserungsvorschlag und das starke Echo, das er bereits im Vorfeld des Parteitages fand, zwangen Heinz Stehr, seine ursprüngliche Absicht, den Vorstandsentwurf zur einzigen Arbeitsgrundlage vorzulegen und beschließen zu lassen, aufzugeben und bereits vor dem Kongress zu erklären, keiner der beiden Entwürfe werde zur Entscheidung gestellt. Bestrebungen der Parteispitze, eine inhaltliche Debatte auf dem Parteitag zu verhindern, lehnte die Mehrheit der Delegierten ab.[252] Fast alle dazu das Wort ergreifenden Redner stellten den Verbesserungsvorschlag in den Mittelpunkt. Hans Heinz Holz, Patrik Köbele und Günter Scalkiewicz (Berlin) erhielten viel Zustimmung. Eine zum Abschluss des Parteitages vorgelegte inhaltlich wie politisch dürftige „Handlungsorientierung 2003/04“ lehnten die Delegierten ab und verwiesen sie zur Überarbeitung an den Parteivorstand zurück. Damit konnten die von marxistischen und  leninistischen Positionen ausgehenden Kräfte vorerst einen Erfolg verbuchen, der sich auch darin zeigt, dass eine von Brandenburg vorgeschlagene Resolution mit der Forderung nach sofortiger Beendigung der politischen Strafverfolgung von DDR-Bürgern verabschiedet wurde. Die kritische  Haltung vieler Delegierter kam auch bei der Wahl der Leitungsgremien darin zum Ausdruck, dass Heinz Stehr bei seiner Wiederwahl 25 Gegenstimmen erhielt, seine Stellvertreterin Nina Hager 32. Im Herbst 2003 will der Vorstand einen neuen Programmentwurf vorlegen. Eine neue Kommission wurde dazu nicht berufen, den neuen Entwurf soll  das Sekretariat des Parteivorstandes ausarbeiten.

Zum Zustand der Partei ist jedoch auch folgendes festzuhalten: Mit der Einberufung des Parteitages nach Düsseldorf verzichtete der Vorstand ein weiteres Mal darauf, in einem der Zentren Ostdeutschlands bzw. in Berlin zu tagen. Vor dem Kongress strich der Parteivorstand fast alle ostdeutschen Bewerber von der Kandidatenliste für die Wahl des neuen Leitungsgremiums. Wenn er in eine dortige DKP-Gruppe gehe, habe er stets das Gefühl, „in einer ganz anderen Partei zu sein“, hatte Heinz Stehr vor der geheimen Abstimmung seinen Einfluss geltend gemacht.[253] Das Ungleichgewicht zum Nachteil der ostdeutschen Genossen wurde auch auf dem Parteitag nicht behoben. Gegen einen Antrag, deren  Zahl im Vorstand um drei zu erweitern, den  mehrere Delegierte aus dem Westen unterstützten, erhob Stehr mit mehreren Vorstandsmitgliedern persönlich Einspruch. Er wurde darauf hin knapp abgelehnt. Die ostdeutschen Kandidaten Brigitte Müller, langjähriges Vorstandsmitglied und Landesvorsitzende von Brandenburg, Karl-Heinz Reinhard (Leipzig), Iris Rudolph (Berlin Nordost) und Jürgen Ebenhöh (Neubrandenburg) wurden nicht gewählt.

In Düsseldorf meldeten sich viele Genossinnen und Genossen, die marxistisch-leninistische Standpunkte vertreten, unüberhörbar zu Wort. Sie forderten, die Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch der Kommunisten aus allen Bezirken der Bundesrepublik zu entwickeln, nicht zuletzt, um in diesem Zusammenwirken ein revolutionäres Parteiprogramm zu erarbeiten, ohne das die Kampfkraft der DKP nicht gestärkt werden kann. Holz/Köbele schreiben: „Nach der Niederlage von 1989 und der Veränderung der weltpolitischen Situation braucht es genaue Analysen. Niemand kann sagen, dass er allein das Ganze richtig sehe. Wir alle müssen bereit sein, voneinander zu lernen. Und wir haben allen Grund entschlossen zu sein, die Grundlagen unseres kommunistischen Geschichtsverständnisses und unserer wissenschaftlichen Weltan-schauung nicht preiszugeben.“

3.4. Grundsätze für Bündnisse     

Zur Aufgabe marxistisch-leninistischer Grundsätze wird oft argumentiert, man müsse im Interesse breiter Bündnisse gegen Faschismus und Reaktion als auch im Kampf gegen die imperialistische Kriegspolitik, derzeit vor allem gegen die in der Außen- und Militärpolitik mit faschistischen Methoden geführten Aggressionen des USA- Imperialismus zur Durchsetzung seiner Weltherrschaft, diese Fragen und die Interessen der Arbeiterklasse zurückstellen. Das würde nichts anderes bedeuten, als die von der KPdSU ausgehenden und in den 80er Jahren  sich auch in der SED ausbreitenden und in der DKP Fuß fassenden revisionistischen Positionen vom „Vorrang der allgemeinen Menschheitsprobleme gegenüber Klassenfragen“ erneut einzunehmen, was zwangsläufig zur bereits erwähnten Herabminderung der sozialistischen Ideologie führt und nur die bürgerliche Ideologie stärkt.[254] Das bedeutet keinesfalls, Kompromisse abzulehnen oder auf den Kampf für Reformen[255] zu verzichten, die in Bündnisfragen immer eine entscheidende Rolle spielen. Lenin beschäftigte sich fasst ständig mit zulässigen  und nicht zulässigen Kompromissen der unterschiedlichsten Art.[256] „Kompromisse ,prinzipiell’ abzulehnen, jedwede Zulässigkeit von Kompromissen, welcherart sie auch seien, schlechthin zu verneinen, ist eine Kinderei, die man schwerlich ernst nehmen kann“. Kategorisch schloss Lenin jedoch Kompromisse aus, „in denen Opportunismus und Verrat ihren Ausdruck finden“, bejahte gleichzeitig, dass „Anhänger der proletarischen Revolution Kompromisse oder Abkommen mit Kapitalisten schließen“. Dabei komme es darauf an, „durch alle Kompromisse hindurch die revolutionäre Taktik und Organisation, dass revolutionäre Bewusstsein, die Entschlossenheit, Erfahrenheit der Arbeiterklasse und ihres organisierten Vortrupps, der kommunistischen Partei, zu bewahren, zu festigen, zu stählen, weiterzuentwickeln.“[257]

Von Gramsci wird gern in den Vordergrund gestellt, verabsolutiert oder auch regelrecht verfälscht, was er zur breiten antifaschistischen Bündnispolitik sagte. Der große italienische Theoretiker ging jedoch grundsätzlich von Lenin aus. In seiner Faschismus-Analyse verband er den Kampf für den Sozialismus mit der Verteidigung bzw. der Eroberung der Demokratie. Er betonte, dass die Frage der proletarischen Revolution zur Zeit nicht auf der Tagesordnung stand, die Arbeiterklasse ihre politische Hegemonie auf der Grundlage der Freiwilligkeit und Überzeugung erringen und die Eigenständigkeit der Bündnispartner, einschließlich der Tatsache, dass sie eigene politische Ziele verfolgen, respektieren müsse. Gramsci sprach vom „Historischen Block“, unter dem er ein System von Bündnissen  der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft, den Mittelschichten und der Intelligenz verstand, in dem er dem Zusammengehen mit den katholischen Volksmassen einen breiten Stellenwert beimaß. Er betonte - was oft übersehen oder von Opportunisten auch einfach ausgeklammert wird - beim „Historischen Block“ müsse es sich um einen „ausgeglichenen Kompromiss“ handeln, bei dem die „Opfer und Kompromisse“ der Kommunistischen Partei „nicht das Wesentliche“, nämlich „die „entscheidende Rolle (...), die ökonomischen Aktivitäten der führenden Kraft“ betreffen können“, worunter Gramsci eindeutig die strategische Orientierung auf die Beseitigung der kapitalistischen Ökonomie und die Herstellung einer sozialistischen verstand.[258] Auch Togliatti ging in der Konzeption der „Wende von Salerno“ keine derartigen Kompromisse ein.[259]

An solche Grundsätze erinnerten in der DKP 1995 Willi Gerns und Robert Steigerwald  als sie schrieben, dass bei einer Einstellung auf das Wirken der kapitalistischen Bedingungen auf längere Zeit, weil die Voraussetzungen für einen baldigen Übergang zum Sozialismus nicht gegeben sind, es notwendig ist, „darüber nachzudenken, wie unter den Verhältnissen des Kapitalismus eine solche Politik entwickelt werden kann, die von der Verteidigung der nächsten Interessen aus an weitergehende Aufgaben, an die Erkenntnis der Notwendigkeit des Sozialismus und an den Kampf um den Sozialismus heranführt.“ Im Grunde gehe es strategisch um das, was Lenin „eine  Politik der Übergänge, des Heranführens an den Sozialismus“ genannt habe.[260]   

                                                                                   Gerhard Feldbauer, Poppenhausen

 

 

Ausgewählte Literatur

 

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[1]  Lenin , Bd. 21, S. 142 ff. Alle Angaben beziehen sich auf die DDR-Ausgabe

[2]  Treffend  hat das Sebastian Haffner in seiner Schrift „Der Verrat“ nachgewiesen. Verlag 1900, Berlin 1993.

[3]  Wagenknecht, Sahra: Antisozialistische Strategien im Zeitalter der Systemauseinandersetzung. Bonn 1995, S. 13 ff.

[4]  Gossweiler 1997, S. 322

[5]  Dabei beschränke ich mich auf einige Aspekte der Entwicklung in der SED, später PDS und der DKP

[6] Gramsci,   seit 1913 Mitglied der ISP, zur Führung des  linken Flügels gehörend, 1914 Organisator des Antikriegsaufstandes in Turin. 1922/23 Vertreter der IKP im EKKI. Arbeitete maßgeblich die antifaschistische  nationale Strategie der IKP aus,  die der Parteitag von Lyon 1926 bestätigte und ihn zum Generalsekretär wählte. Trotz Immunität als Parlamentsabgeordneter im gleichen Jahr verhaftet und vom faschistischen Sondertribunal zu 20 Jahren Kerker verurteilt. Im Zuchthaus weiter konspirativ aktiv  theoretisch tätig (Gefängnishefte). 1937 nach internationalen Protesten todkrank entlassen, verstarb am 27. April des gleichen Jahres an den Folgen der Kerkerhaft.

[7] Togliatti,  seit Gramscis Verhaftung als Generalsekretär amtierend, nach dessen Tod bestätigt. Seit 1934 an der Seite Dimitroffs zweiter Mann an der Spitze der Komintern. Arbeitete mit Gramsci die nationale Strategie der IKP aus und setzte sie in die Praxis um, konzipierte die „Wende von Salerno“ (Regierung der nationalen Einheit). Mitglied dieser Regierung; von 1944 bis zur Vertreibung der IKP und ISP 1947 aus der Regierung. Schloss  umstrittene Kompromisse (Amnestie für hohe Funktionsträger des Faschismus, Anerkennung des von Mussolini geschlossenen Konkordats in der Verfassung). Bei faschistischem Attentat im Juli 1948 schwer verletzt. Billigte nach Teilnahme am XX. Parteitag der KPdSU die unter Chruschtschow einsetzenden revisionistischen Tendenzen in der Außenpolitik (Überschätzung der Möglichkeiten  der Politik der friedlichen Koexistenz), sprach sich aber für eine kritische Auseinandersetzung mit der „bürokratischen Degeneration der sowjetischen Gesellschaft“ und gegen den Führungsanspruch der KPdSU aus. In seinem  Memorandum legte er unmittelbar vor seinem Tod Gedanken zur „Einheit der kommunistischen Bewegung (...) unter Respektierung der Vielfalt“ dar.

 

[8] Gossweiler 1997, S. 323. Mit seinem Werk „Wider den Revsionismus“  hat der herausragende DDR-Wissenschaftler Großes zur Erforschung der Rolle des Revsionismus als entscheidender Ursache der Niederlage des Sozialismus in Europa geleistet. In seinem neuesten Werk „Die Taubenfuß-Chronik oder Die  Chruschtschowiade 1953 bis 1964, Bd. I 1953-1957“, München 2002,  setzt er seine Forschungen zum verhängnisvollen Wirken des Revisionismus fort und liefert Antworten auf die Frage, “Wie konnte es zur Niederlage kommen?“, gibt Argumente und regt zum  weiteren Durchdachdenken  der Probleme an

[9]  Gossweiler 1997, S. 249 ff.; RotFuchs  - Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland, 52/2002.   

[10]  Zit. in Humanité, Paris, 10. Okt. 1992

[11]  Berlinguer,  ab 1943 Mitglied der IKP, führender Jugendfunktionär, 1949-1956 Präsident des Weltbundes der demokratischen Jugend. Seit 1962 Mitglied des Politbüros und Sekretariats des ZK, 1972 Generalsekretär.  Verstarb  1984 nach einem Herzinfarkt.

[12]  Zum  Thema Arbeiterbewegung, ihre Parteien und Organisationen siehe  Feldbauer 2002, bes. S. 84 bis 142.

[13]  Zu den Unterschieden in Italien im Vergleich mit Deutschland siehe   jW-Serie des Autors,  24./25. und 29. Juli 1999

[14] Als der Krieg Preußens gegen Frankreich 1870 nach Sedan in einen Eroberungsfeldzug umschlug, kämpfte Garibaldi auf Seiten der Französischen Republik und befehligte ein Armeekorps. Das  ihm angebotene Kommando über die Truppen der Pariser Kommune lehnte er jedoch ab.  Hibbert,   S. 345 f.

[15] MEW, Bd. 17, S. 390 ff.    Alle Angaben beziehen sich auf die DDR-Ausgabe

[16] Karin-Kramer-Verlag, Berlin 1995 und 1999

[17] MEW, Bd. 19, S. 122

[18] Grawitz, Madeleine: Bakunin, Hamburg 1998, S. 477 ff.; s. a. Feldbauer Zum 125 Todestag Bakunins,  jW, 30. Juni 2001

[19] Werke, Bd. 3, Berlin (DDR) 1960, S. 508

[20] Turati,  Sohn eines hohen Beamten monarchistischer Gesinnung, verheiratet mit der russischen Emigrantin Anna Kuliscioff (Rosenstein), trat für die  Zusammenarbeit mit der liberalen Bourgeoisie, 1919  für einen Übergang zum Sozialismus durch Reformen ein. Wegen Kollaboration mit der Monarchie zur „Begrenzung der faschistischen Gefahr“   wurde er 1920 aus der ISP ausgeschlossen und trat zu den Einheitssozialisten Giacomo Matteottis über. Nach Errichtung der offenen faschistischen Diktatur 1926 Flucht nach Frankreich, Mitbegründer der Concentrazione Antifascista, vollzog er 1930   mit  Pietro Nenni  die Wiedervereinigung von ISP und Einheitssozialisten. 

[21] Labriola, Hochschullehrer und Publizist,  leistete einen herausragenden Beitrag zur  Verbreitung  des Marxismus in Italien und der Gründung  der ISP, trat gegen den Bakunismus und die Revision des Marxismus auf, übersetzte u. a. das Kommunistische  Manifest ins Italienische. Trotz langer aktiver Mitarbeit trat er der ISP nicht bei.

 

 

 

 

 

 

[22] MEW, Bd. 22, S. 439 ff.

[23] Gramsci 1955

[24] Stübler, S. 79

[25]  Mussolini war  von 1900 bis 1914 Mitglied der ISP, führte zeitweilig den syndikalistischen Flügel an, vertrat Positionen der Klassenzusammenarbeit mit der Bourgeoisie, wurde 1912 zum Chefredakteur der Parteizeitung Avanti berufen, nach Übergang auf chauvinistische Positionen 1914 aus der ISP ausgeschlossen..

[26]  1919 kam die Volkspartei  (PPI) hinzu, die der Priester Don Luigi Sturzo gründete, um dem politischen Katholizismus eine Verankerung im Parteiensystem zu verschaffen und sowohl unter der katholischen Arbeiterbewegung als auch in kleinbürgerlichen Schichten ein Gegengewicht zur anwachsenden ISP zu bilden.  1942/43 nahm  die PPI den Namen Democrazia Cristiana ( DC) an. Nach dem Zusammenbruch der DC 1993 Neukonstituierung unter dem alten Namen Volkspartei.  .

[27] Silone, stammte aus einer   Großgrundbesitzerfamilie, wurde aus Empörung über die brutale Behandlung der Landarbeiter mit 15 Jahren Sozialist. Unterstützte 1921 auf dem Kongress der Jungsozialisten deren Beitritt zur IKP. Mitglied des ZK und des Politbüros der IKP, Delegierter auf VIII. KI-Kongress. 1929 nach Auseinandersetzungen mit Togliatti aus der Partei ausgeschlossen.  In den 30er Jahren Beginn schriftstellerischer Tätigkeit, aktiv in der Resistenza, Beitritt zur ISP,  Mitglied der Verfassungsgebenden Versammlung. In den 50er Jahren Rückzug aus der Politik, nur noch schriftstellerische Arbeit. Bekanntestes Werk „Wein und Brot“, Deutsch bei Kiepenheuer & Witsch, Köln 1974.

[28] Silone, S. 241 ff.

[29] ND, 10./11. Aug. 1991

[30]  Bonomi trat später zu den Liberalen über, wurde im Juni 1944  vom Befreiungskomitee zum Ministerpräsidenten der antifaschistischen Einheitsregierung berufen

[31] I Giorni, S. 282 ff.

[32] Terracini, als  Sozialist aktive antimilitaristische Arbeit, Delegierter zum III. KI-Kongress, von einem Sondertribunal 1926 zu 20 Jahren Kerker verurteilt, aktiv in der Resistenza, 1947 Präsident der Verfassungsgebenden Versammlung. Bis zu seinem Tod Mitglied des Senats.

[33] Tasca,  nahm 1922 am IV. Kongress der Komintern teil,  danach Mitglied des Sekretariats des ZK der IKP, auf  dem VI. KI-Kongress in deren Sekretariat berufen. 1929 mit  Begründung  der Fraktionsbildung (Tasca-Gruppe)  als   Anhänger Bucharins aus  der IKP ausgeschlossen. Befasste sich danach in Frankreich mit  Faschismusforschung und schrieb das bedeutende Werk  „Aufstieg des Faschismus in Italien“. Er blieb, wie Silone im Vorwort dazu schrieb, „ein Sozialist der alten Garde“ und hat sich nie zu Denunziationen gegenüber der IKP oder der kommunistischen Bewegung hergegeben.

 

[34] Unter den verkappten Opportunisten verstand Lenin die Zentristen, die in der Auseinandersetzung eine „unbestimmte Haltung“ einnahmen und zwischen den revolutionären Linken und den Reformisten lavierten.

[35] Lenin, Bd. 30, S. 75

[36] Ders., Bd. 31, S. 196

[37] Serrati korrigierte später seine Haltung, wurde  Führer der Terzinternationalisten, welche die ISP an die KI annähern wollten, brach 1924 mit den Reformisten und trat der IKP bei, die ihn in ihr Zentralkomitee  berief.

[38]  Die Partei nannte sich Kommunistische Partei Italiens, Sektion der KI. Nach Auflösung der Komintern führte sie ab 1943 den Namen Italienische Kommunistische Partei (IKP), den der Autor durchgehend verwendet.

[39]  Bordiga,  ab 1910 Mitglied der ISP, verteidigte den Marxismus gegen die Reformisten, bezog 1914 Antikriegspositionen. Seit 1919 führender Vertreter der  Kommunisten in der ISP, 1921 Mitbegründer der IKP, bis 1926 Generalsekretär. Vertrat sektiererische Haltung,  u. a. gegen Teilnahme der IKP an Wahlen und Formen des parlamentarischen Kampfes, deswegen 1931 auf dem illegalen Parteitag in Köln aus der IKP ausgeschlossen. 

[40] Togliatti 1967, S. 165

[41] Ebenda,  S. 183

[42]  Hier ist jedoch auch die Wechselwirkung  beider Seiten zu sehen.  Hatte doch die ISP im August 1922 mit Mussolini einen „Versöhnungspakt“ geschlossen, der die antifaschistische Abwehrkraft der Arbeiter entscheidend schwächte. Allerdings korrigierte die ISP ihre Haltung, lehnte den von Mussolini angebotenen Eintritt in seine nach dem Marsch auf Rom gebildete Regierung ab und stimmte mit den Kommunisten gegen dessen Kabinett. Siehe Feldbauer 2002, S. 20 ff.  Bezüglich der Auswirkung  der Sozialfaschismusthese in der deutschen Arbeiterbewegung sei auf Gossweiler verwiesen, der sich mit Recht gegen die einseitige Schuldzuweisung an die KPD wendet und die schwere Mitverantwortung der rechten SPD-Führer am Entsehen dieser falschen These belegt.  Historisch wahr ist, dass die Führung der SPD „seit der Existenz des Mussolini-Regimes (...) die Kommunisten als Faschisten, nämlich als ‚Linksfaschisten’ beschimpfte, also lange bevor es bei den Kommunisten das Wort von den ‚Sozialfaschisten’ gab“. Gossweiler 1997,  S. 214 ff.

[43] Gallli,Giorgio, S. 75 ff.

[44] Nenni war  bis 1919 Mitglied der Republikanischen Partei, trat  1915 gegen den Kriegseintritt  Italiens auf.  1921 Eintritt in die ISP. Zunächst Chefredakteur des Avanti, später Jahrzehnte in Spitzenpositionen, darunter als Generalsekretär. Unterzeichnete 1934 gegen die Linie der SI mit Luigi Longo das Aktionseinheitsabkommen. In Spanien Politkommissar  der XII. Internationalen Garibaldi-Brigade. Von 1945 bis zum Ausschluss von ISP und  IKP aus der Regierung Vizepremier. 1963 bis 1968  Vizepremier der linken Zentrumsregierung. Ab 1970 Senator auf Lebenszeit.

[45]  Die  Resistenza  bildet die nach der Okkupation Nord und Mittelitaliens durch die Hitlerwehrmacht im September 1943 beginnende Etappe des bewaffneten Befreiungskampfes

[46] Longo/Secchia, S. 340 ff.

[47] Italienische Sozialdemokratische Partei (Partito Socialista Democratico Italiano). Nannte sich bis 1952 Partito Socialista dei Lavoratori Italiani, betrieb  antikommunistische proamerikanische Politik, blieb ohne Basis in der Arbeiterbewegung und eine rein kleinbürgerliche Partei. Verschwand nach dem Zusammenbruch des alten Parteiensystems 1992 von der Bildfläche.     Saragat hatte  mehrfach Ministerämter inne, war 1954/55 stellvertretender Ministerpräsident, 1964-1971 Staatspräsident. 

 

[48] Berücksichtigt man die 7,1 Prozent, auf welche die Sozialdemokraten  kamen,  waren das  1,5 Prozent  weniger als 1946 zur Verfassungsgebenden Versammlung,  was in dem besonders vom Vatikan angeführten antikommunistischen Kreuzzug, in dem Sozialisten und Kommunisten massenweise exkommuniziert wurden, noch immer ein gutes Ergebnis war.

[49] Sablowski,  S. 113 ff.;  Galli, Giancarlo, S. 122 ff.; Stübler, S. 227 ff.

[50] Alf; S. 165

[51] 33´ Congresso PSI,  S. 468 ff.

[52] Sablowski, S. 80 ff.; Intini, S. 73 ff. 

[53] 35´ Congresso PSI,  S. 584 ff.

[54] Die Stimmenverluste ergaben sich  vor allem daraus, dass die linken Sozialisten 1966 die ISP verlassen und die Sozialistische Partei der Proletarischen Einheit (PSIUP) gegründet hatten, die auf 4,2 Prozent kam.

[55] Der von Craxi  inszenierte Coup wurde  so genannt nach dem luxuriösen Hotel Midas in Rom, in dem die ZK-Tagung  stattfand

[56]  Craxi wurde 1992/93 nach der Aufdeckung der Korruptionsskandale zu insgesamt 26 Jahren Gefängnis verurteilt und floh nach Tunesien, wo er im Januar 2000 verstarb. Während des Prozesses kamen auch seine Kontakte zur faschistischen Putschloge P2 zur Sprache, siehe Ruggeri/Guarini, S. 58 ff.

[57] Spiegel, Hamburg,  Nr. 52/ 1996

[58] Intini, S. 114 ff.

 

[59] Basso, 1943 Mitbegründer der Proletarischen Einheitsbewegung (MUP) in der ISP, langjähriges Mitglied der ISP-Führung,  Opponent der Kündigung des Aktionseinheitsabkommens mit der IKP,  des Regierungseintritts und  des Zusammenschlusses mit der ISDP, 1964 Mitbegründer der PSIUP.

[60] Lusso, seit 1919 in der Arbeiterbewegung aktiv, trat für Aktionseinheit zwischen Sozialisten und Kommunisten sowie für antifaschistische Einheitsfront ein. Nach Verbannung Flucht nach Frankreich, dort 1929 Mitbegründer der Giustizia e Libertà, später  der Aktionspartei, aktive Teilnahme an der Resistenza, in Parri-Regierung Staatssekretär, Mitglied der Verfassungsgebenden Versammlung. Nach Auflösung der PdA 1947 Eintritt in die ISP, 1964 Mitbegründer der PSIUP.

[61] PSIUP, 1´ Congresso,  S. 551 ff.

[62] PCI. Attraverso i congressi,  S. 293 f.

[63]  Die von Pino Rauti, der Nr. 2 der faschistischen Bewegung, gegründete nach SS-Vorbild aufgebaute Terrororganisation führte, um sich einen linken Anstrich zu geben, den Namen der Organisation und Zeitung Gramscis, des Vorläufers der IKP.

[64]  Ausführlich Feldbauer, 1996, S. 57 bis 139

[65] Wenzel, Gisela: Klassenkämpfe und Repression in Italien. Hamburg 1973;  passim

[66] Die DP existierte bis 1991 und gehörte zu den Mitbegründern der neuen KP Rifondazione Comunista.

[67]  Zu Manifesto siehe Kapitel  2.6.

[68] Congresso del Manifèsto, passim

[69] Abgekürzt nur PdUP.

[70] 1´ Congresso  del PdUP, Florenz; passim

[71]  Life,  New, York,  14. Dez. 1943

[72]  Während des Feldzuges zur   Eroberung Abessiniens   ließ Badoglio als Oberbefehlshaber der Kolonialarmee beim Vormarsch auf Addis Abeba 1936 das  Giftgas Yperit einsetzen, das Zehntausende äthiopische Soldaten tötete.

[73]  Nach ihrem Sitz in Salò am Gardasee  Salò-Republik  genannt.

[74]  Salerno, Sitz der Badoglio-Regierung

[75] Partei der Aktion (PdA). 1943 mit Emilio Lusso und  Ferrucio Parri  an der Spitze entstanden. Siehe  Anhang  Parteien, Organisationen, Personen bei Feldbauer 2002, S. 193 ff.

[76] Partito Liberale Italiano (PLI), vor dem Machtantritt des Faschismus 1922 führende bürgerliche Regierungspartei, begünstigte  die faschistische Machtergreifung, trat in Mussolinis Regierung ein. Als Teilnehmer an der Resistenza wendete sich die PLI nach Kriegsende gegen eine antifaschistisch-demokratische Umgestaltung, trat dafür ein, die vorfaschistischen Zustände wiederherzustellen, und unterstützte den Kurs der Restauration der kapitalistischen Machtverhältnisse. Begünstigte die faschistische Nachkriegs-Bewegung und die Beteiligung der MSI an Regierungen. Mit Zusammenbruch des alten Parteiensystems 1992/93 verschwand die PLI  von der politischen Bühne

[77]  Gramsci 1955,  S. 8

[78]  Auch beim Historischen Kompromiss  nicht berücksichtigt.

[79]  Grasmci,  1975, S. 1551. In Gramscis Formulierungen ist zu sehen, dass  ihm im Gefängnis  eine „Systematisierung der Gedanken unmöglich“  war,  er sich nur in    Vergleichen, Fragmenten und Aphorismen äußern konnte. S. a. Holz, Hans Heinz: Das  historische Subjekt und der kollektive Wille,  Weißenseer Blätter ( WBL) Berlin,  4/2002. 

[80]  Togliatti  1977, S. 12 ff. ; Di Nolfo, S. 89 ff.

[81] Longo,  Mitbegründer der IKP. Teilnahmer am IV. und VI. KI-Kongress, seit 1933 Mitglied des EKKI, seit 1927 Mitglied des Politbüros. Bereitete Aktionseinheitsabkommen mit ISP vor, unterzeichnete es 1934 mit Nenni. In Spanien  Generalinspekteur aller Inter-Brigaden. Seit 1946 stellvertretender Generalsekretär, seit 1965 Generalsekretär, ab 1972 Vorsitzender der IKP.

 

[82]  la Nostra Lotta, Nr. 5/6,  März 1944

[83]  Bonomi, 1912  Mitbegründer der  Reformistischen Sozialistischen Partei, siehe Kapitel  1.5

[84]  Secchia/Frassati, S. 860 ff.; Battaglia/Garittano, S. 243 ff.

[85] Secchia/Frassati, passim

[86] Ricostruiere,     passim; ausführlich Koppel, S. 94 ff.

[87]  Sie fanden in   5.722   von insgesamt 7.294 Städten und Gemeinden statt.

[88]  Uòmo Qualunque war bereits  im Dezember 1944 von dem reaktionären Bühnenautor der Salò-Republik Gugliemo Giannini als angeblich  vom Faschismus unabhängige  Organisation und Zeitung gegründet worden.

[89]  Feldbauer 2002, bes. S. 67 ff.

[90] ND. 9./10. Febr. 2002

[91] De Gasperi,  seit 1926  Führer der Volkspartei, später der  DC, Teilnehmer  am  antifaschistischen Widerstand, mehrjährige Kerkerhaft. 1945-1953 Ministerpräsident, Bruch der antifaschistischen Regierungskoalition durch Vertreibung der IKP und ISP aus dem Kabinett. Setzte kapitalistische Restauration und Beitritt zur NATO durch. Trat nach Wahlniederlage der DC 1953 als Regierungschef zurück.

[92] Alf, S. 84

[93]  Mailand,  8. März  1975

[94]  Italia , S. 335 ff.

[95]  Italienische Sozialbewegung. Es  wird, wie bei anderen Parteinamen auch, durchgängig der deutsche Artikel benutzt

[96] La Rivòlta ideale, Rom,  Dezember 1946

[97]  Barbieri, S. 24 f. ; Costituzione Italiana, Turin 1975, S. 101

[98] Ausführlicher zur MSI-Gründung und ihrem weiteren Werdegang Feldbauer 1996, S. 31 ff.

[99]   Ferrera, S. 124 f.

[100] Togliatti 1972, S. 59

[101]  Ders.  1977, S. 252

[102] VII´ Congresso del PCI,  S. 13 ff.

[103] Italia, S. 427

[104] Canossa, S. 142 ff. 

[105] Darunter fiel der Paragraf 113 des faschistischen Gesetzes über die öffentliche Ordnung aus dem Jahre 1931, der noch  heute  in Kraft ist und  Grundlage des Einsatzes der Berlusconi-Polizei und ihrer blutigen faschistischen  Ausschreitungen gegen die Proteste während des G8-Gipfels im Juli 2001 in Genua war

[106] Beyme, Klaus: Das politische System Italiens, Stuttgart 1970; S. 133 f.

[107] Rinascita, Rom; Nr. 4/ 1947, S. 76 ff.

[108] Storia del PCI,  S. 108 ff., 320 ff.

[109] Gossweiler 2002, passim

[110]  Brown, passim. Das Buch  des Oxford-Professors und Direktors des Rußland- und Osteuropa-Zentrums des St. Anthony´s College liefert aufschlussreiche Informationen über den Werdegang dieses Renegaten der Neuzeit. S. a.  Held,  passim; ferner UZ 8.  Sept. 2000

[111] Gossweiler 1997, S. 323.

[112] Ein Beispiel dafür ist die Publikation von Hella Kaeselitz; in der die reformistischen Erscheinungen in der IKP verharmlost und teilweise gar nicht erwähnt werden.

[113] International Herald Tribune, 5.Nov. 1976

[114] Togliatti 1962, S. 101 ff.

[115] Gossweiler 1997, passim

[116] Chiarante, S. 78 ff. Der Autor  leitete als Mitglied der IKP-Führung  viele  Jahre  die theoretischen Zeitschriften „Rinascita“ und  Critica marxista“, trat 1991 der PDS auf kritischen Positionen bei.

[117] Vgl. Neubert  in MBl 1/1998

[118] Nenni 1954, bes. S. 78 ff.

[119]  Zu Moro und Mattei siehe . Kapitel 2.7., ferner Feldbauer 2000,  bes. S. 14 bis 40

[120] Caprara, passim

[121] Unità, Rom, 28. Sept. 1948; Liberazione, Rom, 28. Sept. 1998

[122] Die Kommunistische Partei Italiens,  S.148

[123]  Auf dem Parteitag löste Berlinguer Longo als Generalsekretär ab. Für den schwerkranken Longo wurde das Amt des Parteivorsitzenden geschaffen.

[124] Andreotti, führender Vertreter der rechten DC-Fraktion und der engen Zusammenarbeit mit den USA. 1947 Staatssekretär, mehrfach Minister, siebenmal Ministerpräsident, Senator auf Lebenszeit. Brachte als Regierungschef 1978 das Regierungsabkommen mit der IKP zu Fall, lehnte nach der Entführung des DC-Vorsitzenden Moro durch die Roten Brigaden Verhandlungen mit diesen ab und lieferte den Politiker so dem angedrohten Tod aus. Nach der Aufdeckung der geheimen NATO-Truppe der verfassungswidrigen Zusammenarbeit mit dieser und der Verwicklung in Staatsstreichpläne, der Anstiftung zum Mord und der Mitgliedschaft in der Mafia beschuldigt, im November 2002 in einem Berufungsverfahren zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt.

[125]  Daraus ergibt sich, dass die IKP bereits    zwei Jahre vor dem Putsch Pinochets die Regierungszusammenarbeit mit der DC ansteuerte, dieses Ziel mit dem Sturz Allendes allenfalls ein zusätzliches Motiv erhielt.

[126]  Unita, 12. Nov. 1971, die Rede ist enthalten in: Berlinguer,  S. 75 ff.

[127]  Unita, 14. März 1972

[128]   Ebenda,    22. Nov. 1972; Timmermann, S.  77 f.

[129]    Rinascita, 28. Sept., 5. u. 12. Okt. 1973;  Chiarante, S. 136 ff.   

[130]  Liberazione, 11. Juni 1999:  In Salerno hatte  Togliatti die Konzeption der „Wende von Salerno“ vorgelegt  

[131]  Almanacco PCI, Rom 1976, S. 30

[132]    Seit dem Putsch Pinochets propagierte die MSI offen eine „chilenische Lösung“ für Italien.

[133]  Liberazione, 11. Juni 1999

[134]  Diese revisionistische Strömung entstand seit Anfang der siebziger  Jahre in  einigen KPs der westlichen Länder (vor allem Italiens, Spaniens, Frankreichs, der Linkspartei Kommunisten Schwedens).

[135]  Gleitende Lohnscala, mit der die Löhne automatisch an die Inflationsrate angepasst werden mussten.

[136]  Siehe Kapitel  1.6 und 2.1.

[137] Chiarante, S. 121 ff. Leonhard, S. 205 ff.; Galli, Giorgio, S. 258 ff.

[138]  Corriere della Sera, 15. Juni 1976; Galli, Giorgio,  S. 266 f.; La Rocca, S. 132 f.

[139]   Moro, S. 3738 ff.; La Rocca, 143 ff. 

[140]  Galli, Giorgio,  S. 269 ff.

[141]  Zitiert in Raith, Werner: In höherem Auftrag. Der kalkulierte Mord an Aldo Moro.. Berlin 1984, S. 190. Anselmi leitete später die Parlamentskommission zur Untersuchung der P2, darunter ihrer Rolle bei der Entführung und Ermordung  Moros. Auch sie ordnete sich während der Entführung Moros jedoch dem Kurs Andreottis unter.

[142]  Vgl. für eine komplexe Abhandlung des Themas Feldbauer 2000., passsim

[143]    Biscione, S. 139

[144]  Sacchi, Giuseppe: Alle Radici dell Articolo 18. Beilage zu Ernesto, Cremona, 2/ 2003

 Claudin, Fernando,  Zukunft des Eurokommunismus, Berlin 1978,  S. 107. Claudin war während des spanischen Bürgerkrieges Vorsitzender des Jugendverbandes der KP, in der Emigration lange Jahre Stellvertreter Santiago Carrillos. Wegen revisionistischer Positionen 1964 aus dem Politbüro und 1965 aus der KP  ausgeschlossen.  

[146] I Giorni, S. 663. Die Zeitung Manifesto besteht noch heute

[147]  De Cesare, Corrado, Il Compagno Massimo D´Alema, Mailand 1998, S. 29 ff.

[148] Wenzel,   passim

[149] Die DP existierte bis 1991 und gehörte zu den Mitbegründern der neuen KP Rifondazione Comunista.   

[150]   Umfangreiche Beweise dafür liefert Edoardo Novelli mit seiner Arbeit „C´era una Volta il PCI“.  Rom 2000, bes. S. 162 ff.

[151]  Unita, 21. Okt. 1976

[152]  Ebenda, 14. März 1977

[153]   Der erkrankte Berlinguer konnte an der Sitzung nicht teilnehmen

[154]  Unita,  16./17. März 1977

[155] Panorama, Mailand 2. Dez. 1990

[156] Ausführlich Flugschrift MBl 14 des Autors „Aldo Moro  und das Bündnis  von Christdemokraten und Kommunisten   im Italien der 70er Jahre“, Essen 2003

 

[157]   La Repubblica, 14. Okt. 1878, siehe auch Europaarchiv, 22/1979. Der geniale Stratege Moro ging zweifelsohne davon aus, dass es neben zwei sozialdemokratischen Parteien (ISP und  ISDP) nicht noch einer solchen dritten bedurfte und die IKP ihr „eurokommunistisches Profil“ wahren sollte.

[158]  Biscione, passim

[159]  Flamigni 1993, S. 41. Neue Beweise dazu legte la Liberazione  in einem Beitrag „Der Oberst des SISMI (Militärischer Geheimdienst) in der  Via Fani“  (Ort der Entführung Moros) am 14.  Mai 2002 vor. In einer weiteren, am 12. März 2003 veröffentlichten Recherche „Der Fall Moro - die Aufdeckung der Wahrheit“ wurde u. a. die Beteiligung von Gladio am  Komplott gegen Moro nachgewiesen.  Zum Fall Moro siehe Feldbauer 2000, passim.

[160]  So verhandelten  nach der Entführung des  stellvertretenden  Oberbefehlshaber der NATO-Landstreikräfte Südeuropa General James Lee Dozier 1981 durch die RB  die Geheimdienste und bereiteten inzwischen zur Befreiung  eine  Militäraktion vor, an der die Mafia mitwirkte. Flamigni 1993, S. 313

[161]  Unita,   25.  April 1978;  Fassanella/Sestrieri, passim

[162]  Unita, 31. März  bis 3. April 1979

[163] Flamigni, 1996, passim; Losano, S. 70 ff.; Ruggeri/Guarino, S. 58 ff.

[164]  Liberazione,  11. Juni 1999

[165]  Unter Occhetto, seit 1988 Generalsekretär, erfolgte die Umwandlung der IKP in die Partei der Demokratischen Linken (PDS), deren  Sekretär er bis 1996 war.  Massimo D´Alema wude Occhettos  Nachfolger. Ausführlich  Feldbauer 2002, S. 113 ff.

[166]  Berlinguer wurde nach dem Herrzinfarkt zunächst in sein Hotel und erst später  in eine Spezialklinik zu einer Gehirnoperation gebracht.. In der IKP wurden mehrfach Stimmen laut,  das habe seinen  Tod  begünstigt.

[167] Galli, Giorgio, S. 303 f..

[168]  CISL und UIL kamen zusammen kaum auf drei Millionen Mitglieder

[169]  Natta trat offiziell nach einem Herzinfarkt zurück. Als wesentlicher politischer Grund wurde jedoch die neue Wahlniederlage der IKP gesehen, die 1987  erneut fast drei Prozent verlor und auf 26,6 Prozent absank. Siehe Galli, Giorgio, S. 308

[170]  Unita,  14. Juni 1988

[171] Repùbblica, 23. März 1989

[172] Unità,  10. und 24. Dez. 1989;  Fasanella/Martini, S. 146 ff.

[173] Unità, 8. Jan. 1990; D’Alema, S. 7

[174] Panorama, 24. März 1991; Ciofi, S. 80 ff.

[175] Documenti del 46´ Congresso del PSI, Relazione indrottiva, Rom 1992;  S. 43. Galli, Giorgio, S. 311 ff.

[176]  Süddeutsche Zeitung, München, 25. Juli 1990

[177]   Parteiarchiv der PRC

[178]  Rifondazione, von rifondere, neu begründen, umschmelzen, umarbeiten, umgestalten. 

[179] Parteiarchiv der PRC

[180]   Dem früheren Zentralkomitee entsprechend

[181] Ausführliche dazu  jW-Serie des Autors 29. und 30. Okt. 1998

[182]   Auch aus der früheren  DP und der  PdUP waren beispielsweise widersprüchliche und einer marxistisch-leninistischen Orientierung zu wider laufende Positionen eingebracht worden. In der DP war  zwar der revisionistische Kurs der KPdSU, aber   generell auch das Sozialismusmodell der UdSSR und der osteuropäischen Staaten abgelehnt worden.

[183]  Die PDS hatte  1999 nochmals ihren Parteinamen in Democratici di Sinistra (Linksdemokraten) geändert

[184]  Das konnte allerdings nichts anderes als die Anerkennung der revisionistischen Standpunkte  der DS bedeuten.

[185] Liberazione (Sonderausgabe), 21. Jan. 2001

[186] Nach dem von Berlusconi 1993 durchgepeitschten reaktionären Wahlrecht werden 75 Prozent der Parlamentarier direkt gewählt, was zur Folge hat, dass Kandidaten hier meist nur über Koalitionen durchgebracht werden können.

[187] Liberazione, 15. bis 17. Mai 2001

[188] Zur weiteren Entwicklung der PRC siehe   Kapitel  2.13

[189]  Unita, 18. Mai 1994; zur Umwandlung der MSI in AN siehe Feldbauer 1996, S. 176 ff.

[190] Fini,  Jahrgang 1952, seit Dezember 1987 fast ununterbrochen  an der Spitze der MSI. Kein Altfaschist, aber durch die Schule der Mussolini-Nachfolgepartei gegangen, Leiter ihrer Parteijugend, die eine herausragende Rolle im Terrorapparat der Bewegung spielte. Almirante wählte ihn persönlich zu seinem Nachfolger aus. Wandelte die MSI, um ihr ein demokratisches Aushängeschild zu verschaffen,   1994/95  formell in die AN um. Vor den Wahlen 1994 Eintritt in die Koalition Berlusconis; nach deren Wahlsieg (AN 13,4 Prozent) erstmals nach 1945 Aufnahme der Faschisten in eine Regierung. Zu den Wahlen 2001 erneut Koalition mit Berlusconis Forza Italia und der rassistischen Lega Nord. Nach deren Wahlsieg wiederum Eintritt in Regierung, Fini als Vizepremier. Januar 2002 Delegierung als Regierungsvertreter in den Reformkonvent der EU.   Erhebt Anspruch auf Amt des Regierungschefs oder des   Staatspräsidenten.

[191] Liberazione, 25. Juni 1997, Feldbauer 2002, S. 136 ff. 

[192]  Martini/Locatelli, S. 117 ff.

[193]   Von Berlusconi 1993 mit Managern seiner Fininvest-Holding an der Spitze formierte Partei Forza Italia, so benannt nach dem Schlachtruf des Berlusconieigenen Fußballklubs AC Miland.. Zu ihrem faschistoiden Charakter siehe Losano, passim

[194] Le Monde diplomatique, Paris ; Okt. 2001

[195] Liberazione, 18. Okt. 2001; Costituzione, S. X ff.

[196]  Zwar setzte er mit der postumen Auszeichnung während der Resistenza gefallener Partisanen   und  Gemeinden mit herausragenden Verdiensten  antifaschistische Akzente,  rief aber gleichzeitig zu „Toleranz und gegenseitigem Respekt“ und damit zur Zusammenarbeit von Regierung und Opposition auf, um „die anstehenden Probleme gemeinsam zu lösen“. Repubblica,  26. April 2003;  Liberazione, 26. April, 2. Mai 2003; ND,  2. Mai 2003

[197]  Ruggeri/Guarino, passim; Inzwischen mussten die Imunitätsverordnungen gelockert und Previti angeklagt werden. Ende April 2003 verurteilte ein Mailänder Gericht ihn wegen der Bestechung römischer Richter zu elf Jahren Gefängnis.  Repubblica,  30. April 2003

[198] Liberazione, 21. Jan. und 15. Mai 2001

[199]  Ebenda,  17. bis 21. Nov. 2001

[200]  D´ Alema, S. 7

[201]  Der im Januar 2003 verstorbene Gianni Agnelli  visierte bereits seit Anfang 2002 nach Auseinandersetzungen  mit Berlusconi einen erneuten Wechsel auf die Seite der linken Mitte an. Siehe Beitrag des Autors in jW 10. März 2003; ferner Kapitel 2.13

[202]  1994 hatte die Partei einmal 850.000 Mitglieder angegeben.

[203]  Rutelli, früherer  Grünenpolitiker, gehört seit Gründung der Demokratischen Partei durch Roman Prodi 1999  deren Führung an

[204]  Le Monde,  Paris, 11. Jan. 2002

[205]  Liberazione, 19., 23., 28. Mai 2002

[206]  Ebenda,  13. April 2002

[207] RotFuchs ,  Dez.  2002

[208] Da das Aktionseinheitsprojekt von  der DS-Führung ignoriert  wird, untersetzte es  Bertinotti nach dem ESF in Florenz durch  den Vorschlag einer „Neukonstrukturierung der Linken“ in Gestalt der PRC, der PdCI,  der linken Basismehrheit der DS und weiterer sozialer Gruppierungen der Anti-Globalisierungs-Bewegung.  Bertinotti denkt dabei auch an einen gemeinsamen Antritt zur nächsten Parlamentswahl, wenn er davon spricht, diese Linke könnte 15 bis 20 Prozent Stimmen erreichen. RotFuchs,  60/2003

[209]  Liberazione, 5. bis 8. April;  RotFuchs, 52, 55/ 2002

[210]  Eine von ihr auf dem 5. Parteitag eingebrachte Resolution erhielt 13,7 Prozent der Stimmen. Zur Einschätzung ihrer Linie auf dem Kongress siehe Maitan in Interprekorr, Basel, 368/2002. Zu den Kernsätzen ihrer trotzkistischen Ideologie gehört die These vom „Stalinismus“ und seine Gleichsetzung mit der sozialistischen Gesellschaftsordnung in der UdSSR. Vor einer Pauschalisierung ihrer Haltung muss man sich jedoch hüten und positive Ansatzpunkte nicht übersehen. So konnte zum Beispiel Bertinotti 1998 die Aufkündigung der parlamentarischen Koalition mit der linken Mitte nur mit den Stimmen  der Trotzkisten im Politischen Komitee durchsetzen.

[211]  Aginform, Foglio di Corrispondenza comunista, Rom, Nr. 24/2002 und folgende Ausgaben.

[212]   Kommunistische Zeitschrift Ernesto,  Cremona, erscheint monatlich. In ihr schreiben auch Vertreter der linken DS-Strömung, die für eine neue Aktionseinheit eintreten.

[213]  2000 erschien von Bertinotti in Mailand  unter dem Titel „Le Idee che non muoiono“ (Ideen, die nicht sterben)  ein  entsprechendes Buch

[214]  An der Spitze des FIAT-Imperiums steht nach dem Tod Giovanni Agnellis im Januar 2003 dessen Bruder Umberto.

[215]  Zur FIAT-Krise siehe Beitrag des Autors in jW 10. März 2003

[216]  Anlass für einen Positionswechsel der Agnellis gaben die Versuche Berlusconis, den alten Industrieadel um den FIAT-Clan auszuschalten und sich die alleinige Führung des Kapitals zu sichern, was  erstmals  im Januar 2002 mit dem Rücktritt des parteilosen Außenministers  Renato Ruggiero, eines Mannes der Agnellis, sichtbar wurde. Ruggerio reagierte damit auf die Weigerung Berlusconis, einen Beitrag zu dem A400M  Großraumtransporter der künftigen EU-Streitmacht zu leisten, um FIAT-Aviazione das Geschäft zu vermasseln. Den Hintergrund bildet, dass Berlusconi selbst ins Rüstungsgeschäft einsteigen will.. Die FAZ  veranlasste das am 4. Juni 2002  Berlusconi zu warnen, keinen  „ Zweispalt im Unternehmerlager“ zu provozieren.

[217]   Interview des Autors mit dem Vorsitzenden des Politischen Komitees der PRC, Stefano Zuccherini,  UZ  16. Aug. 2002 

[218]  Cofferati spielt auch mit dem Gedanken, eine eigene linke Partei zu gründen, die Zulauf von der DS-Basis, aus den  Gewerkschaften, besonders der  CGIL,  den Globalisierungsgegnern, der PdCI und auch der reformistischen Kräfte in der PRC erhalten könnte. Sie würde die PRC schwächen und möglicherweise bei den nächsten Wahlen ihre Vertretung im Parlament gefährden. Sie dazu Penelope, passim

[219]  Es handelt sich hier um keine umfassende Analyse, sondern um die gedrängte Darlegung wesentlicher Aspekte.

[220]  Lenin, Bd. 5, S. 396

[221]  Gysi, Gregor: Ein Blick zurück, ein Schritt nach vorn. Hamburg 2001, S. 42 f.

[222]   In einem der insgesamt sechs Verfahren wurde er angeklagt, 600 Millionen Dollar der Bestechungsgelder auf geheimen Konten im Ausland angelegt zu haben.

[223]   ND, 22. Jan. 1999

[224]  Frank Flegel in Offensiv, 1/2002

[225]  Unter diesem Gesichtspunkt war offensichtlich bereits ein Beitrag im RotFuchs 29/2000 unter der Überschrift „Neue 20-Prozent-Partei?“ zu sehen

[226]  Von vielen Berichten in der UZ  sei ein Interview mit dem damaligen Präsidiumsmitglied Ingrid Schuster angeführt, in dem in der Überschrift gefragt wurde: „Bringt ‚starker Reformismus’ Italiens Kommunisten voran? Ohne Distanz wurde darin in wesentlichen Fragen die Meinung des IKP-Generalsekretärs Occhetto zu den Zielen der im Gang befindlichen Umwandlung der IKP in eine sozialdemokratische Partei wiedergegeben. Ausgabe vom 7. April 1989

[227]  Gossweiler 1997, S. 322

[228]  Tocher des verstorbenen  früheren Mitglieds des Politbüros der SED Kurt Hager

[229]  Sein voller Titel lautet „Erste Grundlagen zur Diskussion und Erarbeitung eines Programmentwurfs“: DKP-Informationen Extra, 16./17. Febr. 2002

[230] Hier ist besonders die leidenschaftliche  internationalistische Solidarität mit Kuba hervorzuheben

[231]  Ausführlich dazu die  Analyse, die Norbert Pauligk zu dem Programmentwurf in RotFuchs 54, 55 u. 57/2002 vorgelegt hat.

[232]  Hier wird, wie bereits erwähnt,  völlig ein wesentlicher Faktor, der zur Mutation der SED, später PDS, zu einer Partei sozialdemokratischen Typs führte, negiert. Das Zulassen eines Mitteldings zwischen bürgerlicher und sozialistischer Ideologie, das es nicht gibt.     Lenin, Bd. 5, S. 396. .  

[233]  Dieter Itzerott in RotFuchs  30/ 2000

[234]  Siehe Konferenzmaterialien „Auferstanden aus Ruinen“; Hg. Frank Flegel, Offensiv, Hannover, Jan. 2000, passim

[235]  Siehe dazu ausführlichen Beitrag des Autors in Roter Brandenburger 11-12/1999. Eine Reaktion aus dem DKP-Vorstand oder der UZ dazu gab es nicht.

[236]  UZ, 12. Juni 2002

[237] Siehe Kapitel 2.13

[238]  Gemeint ist die zweifellos bedeutsame und unterstützenswerte, zugleich aber klassenheterogene und ideologieindifferente Widerstandsfront gegen  G7, Weltbank, IWF usw., die zum Maßstab aller Dinge erhoben wird.

[239]  Ausführlich setzte  sich der  RotFuchs 55/2002 mit dieser in der UZ wiedergegebenen „Neuauflage von Bernstein“ auseinander.

[240] Siehe Kapitel 2.13

[241] UZ,  2. Aug. 2002

[242] Ebenda, 16. Aug. 2002

[243]  Die 11 Forderungen wurden sogar als „spalterischer“ Vorstoß durch einen PV-Beschluss zurückgewiesen. In einem vom 16. Parteitag verabschiedeten „Ostpapier“ wurden jetzt auf Grund der massiven Kritik an der Ablehnung  stillschweigend manche  der 11 Forderungen übernommen.

[244]  Ausführlich dazu Beitrag des Autors in RotFuchs 24/2000

[245]  Das sollte ohne jede finanzielle Belastung für die UZ-Redaktion erfolgen

[246]  Inzwischen veranstaltet der RotFuchs Leserversammlungen mit über 200 Teilnehmern, wie die zweite derartige Veranstaltung im   Februar 2003 in  Berlin  zeigte.  RotFuchs 61/2003

[247]   Hier sei als Beispiel auf das Wirken des evang.-luth. Theologen Peter Franz verwiesen, der öfter im RotFuchs publiziert. Zuletzt  63/2003

[248]   Ausführlich zum  Verein und seiner Entwicklung  siehe „Der RotFuchs stellt sich vor“; Satzung des  „RotFuchs“-Fördervereins e. V.; Referat Klaus Steingers auf der 2. Leserkonferenz im Februar 2002 in Berlin. Alle Dokumente bei Armin Neumann, Versand und Vertrieb des RotFuchs. Ferner RotFuchs 46/2002 und. 64/2003

[249]  Holz hatte Professuren an den  Universitäten von Marburg und im Niederländischen Gronningen inne,  lebt heute in der Schweiz.

[250] Auszüge in RotFuchs 57/2002. Der Vorschlag von Holz/Köbele, der nicht als DKP-Informationsmaterial angeboten wurde, konnte bei Patrick Köbele angefordert werden.

[251] Holz/Köbele in RotFuchs 58/2002

[252]   Zum 16. Parteitag siehe  DKP-Informationen 1/2003,  RotFuchs  59/2002, Offensiv 1/2003

[253] RotFuchs, 59/2002

[254]  Nochmals die bereits zitierten Hinwreise Lenins in , Bd. 5, S. 396

[255]  Selbstredend geht es hier nicht um den gegenwärtig  für die Zerschlagung des „Sozialstaates“ missbrauchten Begriff von „Reformen“:

[256]  Davon zeugen zahlreiche   Beiträge in 25 Werken der  40bändigen  DDR-Ausgabe.  Siehe  Registerband  „Kompromisse in der  Politik“,  S. 337; „Blocks und Abkommen“ , S. 99 f.

[257]  Bd. 30, S. 485;  31, S. 22

[258]  Grasmci 1975, S. 1551.  S. a. Holz, Hans Heinz: Das historische Subjekt und der kollektive Wille,  Weißenseer Blätter ( WBL) Berlin,  4/2002. 

[259]  Siehe Kapitel 2.1.

[260] MBl,  5/1995, S. 30