Zeitschrift für Sozialismus und Frieden                                                                                   9/2004

Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik (e.V.)

Spendenempfehlung: 1,60 E uro

Ausgabe

November-Dezember

2004

 

Schwerpunkt: Der Widerstand im Irak

 

         Redaktionsnotiz

  Redaktion und Geschäftsführung Offensiv: Spendenaufruf für unsere Zeitschrift und unsere Projekte!

 

Sozialismus oder Barbarei?

  Redaktion Schattenblick: Parallel daneben oder der neue Feind 

  Albert Einstein: Warum Sozialismus?

 

Irak - Kräfte des Widerstandes

  Michael Opperskalski: Der Volkswiderstand gegen die imperialistische Besatzung des Irak wächst

Irak – Originaldokumente des Widerstandes

  Alex de la Grange: “Bis zur Befreiung Bagdads ist es nicht mehr weit”

  UNCIR: Manifest der Irakischen Patrioten

  Die Baath-Partei: Eine Arabische Nation – mit einer fortdauernden Mission. Einheit. Freiheit. Sozialismus

  Nationale Befreiungsarmee des Irak

 

Irak - Texte zur Rolle der „Irakischen KP“

  Irakische Kommunistische Partei (Kader):

  Joachim Guilliard: Anmerkungen zum Artikel „Zur aktuellen Lage im Irak“ von Rashid Ghewielib

  Anti-Imperialistische Korrespondenz: IKP - Frontorganisation als Propagandainstrument der Besatzer

 

Irak - Die DKP-Führung und der Widerstand

  Redaktion Offensiv: Kollaborateur der Kollaborateure? Die DKP-Führung und der Irak

  Heinz Stehr, Vorsitzender der DKP:  Zu Aspekten des Internationalismus in unserer Zeit

  Heinz Stehr, Vorsitzender der DKP, zur Haltung der IKP und zu Prinzipien internationaler Beziehungen: „Zur politischen Situation im Irak“2

  Kommentar: junge welt vom 15.11.2004 von Rüdiger Göbel: Kollaboration mit den Kollaborateuren?  Anmerkungen zu einem merkwürdigen Schulterschluss

  UZ-Redaktion: UZ schreibt an „junge welt”

  Gespräch mit Rainer Rupp, junge welt-Interview:  „Damals war ich Aufklärer, heute kläre ich auf“ Über seine damalige Stellung in der NATO, über seine Arbeit als sozialistischer Aufklärer. Und schließlich auch darüber, wo er heute politisch steht

 

Zur Lage in der KPÖ

  Redaktion Offensiv: "Meuterei auf den Knien" zahlt sich nicht aus

  Unterstützungsaufruf:

  Einstimmiger Beschluss der Mitgliederversammlung der KPÖ-BO Ottakring vom 15.11.2004

  Erklärung der Kommunistischen Initiative zur Erneuerung der KPÖ

 

Revolutionäre Partei heute

  Manfred Sohn: Zur Perspektive der revolutionären Partei heute

 

Resonanz

  Hermann Jacobs: Zum Artikel von Kurt Gossweiler (Offensiv Sept-Okt. 04)

  Kurt Gossweiler: Nachtrag zum Jacobs-Artikel in Offensiv 7/04

  Felix Bartels: Leserzuschrift anläßlich "Probleme im Osten" von Ronny Hirsch:

 

Besprechung: Icarus Heft 4 - 2004

  Frank Flegel: Ein lesenswertes Heft!

  Hans Schröter ist tot!


Redaktionsnotiz

In diesem Heft geht es schwerpunktmäßig um den Irak, die dortigen Kämpfe und den Widerstand.

Das hat zwei Gründe. Der erste ist der einfachere: die internationale Solidarität, die wir für selbstverständlich halten. Der zweite ist etwas komplizierter: die Lage in der bundesdeutschen Linken. Und vor allem und besonders herauszuheben ist dabei die Position der DKP-Führung und der UZ-Redaktion, denn für diese besteht der irakische Widerstand gegen den US-Imperialismus aus einer „Allianz von `Ultralinken` und religiös Wahnsinnigen“. Und weiter: „Sie waren und sind Träger einer politischen Auffassung, die während der Zeit des Saddam-Regimes Regierungspolitik war. Sie sind Anhänger und Teil der reaktionären terroristischen Al-Kaida-Bewegung. Es sind schiitische Kräfte, die ein reaktionär-religiöses Gesellschaftskonzept anstreben ähnlich dem im Iran.“ Und die Schlussfolgerung lautet dann :“ Als DKP lehnen wir die Kampagne zur Sammlung von Geld für bewaffnete Aktionen im Irak ab.“ (Die hier wiedergegebenen Zitate findet Ihr weiter unten in den abgedruckten Stellungnahmen von Heinz Stehr bzw. der UZ-Redaktion.)

Nun, schauen wir näher hin! In unserem Schwerpunkt findet Ihr neben einer Einschätzung der unterschiedlichen am Widerstand beteiligten Kräfte Originaldokumente aus dem Irakischen Widerstand, dann Dokumente zur Rolle und zum Charakter der IKP (der Irakischen Kommunisten Partei), der „Bruderpartei“ der DKP, und schließlich eine Dokumentation der Auseinandersetzungen zwischen der DKP-Führung und der „jungen Welt“ um die Haltung zum Irakischen Widerstand. Dies haben wir mit einem Kommentar, der unsere Sichtweise deutlich machen soll, versehen.

Nun zu einem Problem: Es gibt eine unsägliche Diskussion unter Genossinnen und Genossen der DKP über die Frage, ob Kritik nur von „innen“ kommen darf oder auch von „außen“ zulässig sei. Kritik von „außen“ schade nur der Sache, heißt es. Sie bewirke das Gegenteil ihres Zweckes. Deshalb solle man lieber stillschweigen. Die Entwicklung der DKP sei allein Sache ihrer Mitglieder. Deshalb könne Kritik auch nur von „innen“ geübt werden, alles andere sei nicht statthaft.

Man stelle sich einmal vor, so etwas würde geäußert zum Beispiel über die Pädagogik von Schulen oder die Ausbildung an Universitäten, über die Tätigkeit von Ratsfraktionen, über die Veröffentlichungspolitik des Springer-Konzerns oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder über was auch immer! Es stellt sich die Frage: wie kann jemand, der im politischen, also öffentlichen Raum tätig ist, meinen, er dürfe nicht beobachtet, reflektiert und evtl. auch kritisiert werden?! In der DKP aber gibt es diese Auffassung als meinungsbildendes Element, lanciert von der Führung und leider auch aufgenommen und geglaubt von Genossinnen und Genossen der Basis. Deshalb dazu im folgenden einige Bemerkungen unsererseits.

Jede Person, die sich politisch betätigt, nimmt Einfluss auf ihr Umfeld. Warum sollte sie sich sonst auch betätigen? Man diskutiert in Gruppen, verfasst Flugblätter, verteilt sie, versucht Artikel und Leserbriefe in der regionalen Presse unterzubringen, man spricht mit dem Megaphon auf Kundgebungen usw. Und weil das Megaphon nicht von Hannover bis München, Cottbus, Lübeck und Trier zu hören ist, gründet man eine Zeitschrift. Das alles tut man mit dem Hintergedanken, Einfluss zu nehmen auf den Lauf der Dinge. Denn als Kommunist will man die Welt ja verändern, dies sogar ganz grundlegend. In den Reflexionen über diese Veränderung stellt sich natürlich dauernd die Frage, was der Veränderung nutzt und was ihr schadet, denn nur aus der Antwort darauf lässt sich vernünftiges Handeln bestimmen. Wir bekennen: neben der grundsätzlichen Feindschaft gegen die Bourgeoisie und gegen den Imperialismus interessiert uns die Entwicklung der marxistischen Linken, uns interessiert die Entwicklung von Opportunismus und Revisionismus, von Klassenlinien und Kämpfen. Uns interessieren alle Parteien und Gruppen, die sich im Spektrum der Linken aufhalten. Nur wenn wir sie kennen, sie einzuschätzen in der Lage sind, wenn wir um ihre Probleme, ihre Schwächen und ihre Stärken wissen, ist vernünftiges Handeln für die Sache des Sozialismus möglich. Und warum wohl will man vernünftig handeln? Natürlich, weil man Erfolg haben will – und dafür muss man Einfluss nehmen, und zwar stärkend auf alle marxistisch-leninistischen Fortschritte und kritisierend und wenn möglich schwächend auf alle opportunistischen, revisionistischen, sozialdemokratischen Entwicklungen innerhalb der Linken. Denn mit stumpfen Waffen lässt sich schlecht kämpfen.

Deshalb kommt auch die Politik der Führung der DKP auf den Prüfstand. Da können wir leider keine Ausnahme machen, auch wenn sich dies der eine oder andere aus der Führung der DKP sicherlich wünschte.

Und um sonstigen Legendenbildungen vorzubeugen, zum Beispiel auch derjenigen, wir brächten ja nie die Originalstellungnahmen der DKP-Führung (die PDS-Führung behauptete so etwas auch schon öfter), bekräftigen wir hier aufs Neue: Wir drucken jede Kritik. Am liebsten die von den Kritisierten selbst. Wir sind sehr diskussionsfreudig. Widersprecht, wenn Standpunkte, die in der Offensiv vertreten werden, Eure Kritik finden[1]. Aber dies Angebot haben zu unserem Bedauern bisher nur wenige „Offizielle“ angenommen. Man schweigt uns lieber tot.

Und leider hat die Weigerung, von offizieller Seite Stellung zu nehmen zu vorgebrachter Kritik eine die Kritiker diffamierende Funktion, wie ein Leserbrief und die Antwort darauf aus der „jungen Welt“ vom 2. 12. 2004 zeigt: Leserbrief: „Vielen Dank einmal für Eure Irak-.Berichterstattung, auch wenn ich nicht immer mit allem einverstanden bin. Verdienstvoll ist sicher auch die kritische Auseinandersetzung mit der Politik kommunistischer Parteien in Sachen Irak. Doch wäre es nicht endlich an der Zeit, mit einem Vertreter der Irakischen Kommunistischen Partei oder mit dem DKP-Vorstand direkt ein Gespräch zu führen und sie ihre Position in der jW begründen zu lassen? Immer nur draufhauen, bringt ja auch nicht weiter.“ (Erich Steinmaier, Trier, jW 2.12.04) Anmerkung der Redaktion junge Welt: „Junge Welt hatte sich zuletzt am 18. 11 an die IKP-Führung in Bagdad und am 24. 11. an den IKP-Deutschlandvertreter Rashid Ghewielieb gewandt. Antworten auf die Interviewanfragen blieben bis dato aus. Ein mit dem DKP-Vorsitzenden Heinz Stehr am 23. 11 geführtes Gespräch hat dieser kurz vor Druckschluss leider wieder zurückgezogen. Wir bleiben aber dran.“ (jW, 2.12.04)

Die Protagonisten der Kollaboration kneifen, aber nicht auf sie zeigt der Finger, denn ihr Handeln kennt ja keiner, stattdessen kommt die junge Welt in den Verdacht, „immer nur draufzuhauen“, wird belehrt: das „bringt ja auch nicht weiter“ und erhält den Rat, die Kriti-sierten doch auch mal zu Wort kommen zu lassen. ....Ja, wenn sie denn die Traute hätten – und Ihr Schweigen hat ja auch seine guten Seiten für sie, wie man sieht. Ein Stück, so typisch wie viele andere allerorts da, wo Revisionisten ihr Schmierentheater aufführen.

Um unsere Solidarität mit dem Irakischen Widerstand auszudrücken und auch um Druck auszuüben auf diejenigen, die sich in Distanzierung und Ablehnung gefallen, hat unser Herausgebergremium, der Verein zur Förderung demokratischer Publizistik (die Gründungsmitglieder findet Ihr im Impressum), bei seiner jüngsten Vollversammlung am 20. November in Magdeburg einen Aufruf „Solidarität mit dem Irakischen Volk und seinem legitimen Widerstand“ formuliert und einstimmig verabschiedet. Wir bitten Euch, unsere Leserinnen und Leser, ihn genau zu lesen und dann möglichst voller Zustimmung zu unterzeichnen. Sehr gut wäre es, wenn diejenigen, die sich in politischen Gruppen oder Parteiorganisationen bewegen, den Aufruf dort vorstellen könnten, um noch mehr Unterschriften zu gewinnen. Schickt die Unterschriften bitte an uns, die Redaktion „Offensiv“, Frank Flegel, Egerweg 8, 30559 Hannover. Wir danken Euch schon jetzt ganz herzlich!

Neben dem Thema Irak gibt es in diesem Heft einiges zu berichten über Offensiv-Finanzen, wir haben einige andere Hinweise und Berichte, z.B. über die aktuelle „Leitkultur“-Diskussion, über die Situation in der Kommunistischen Partei Österreichs und wir bringen einen Beitrag von Manfred Sohn zur uns alle umtreibenden Frage der Partei. In der Rubrik „Resonanz“ haben wir u.a. einen Nachtrag von Kurt Gossweiler zu seiner Kritik an Hermann Jacobs aus dem September-Oktober-Heft sowie eine Antwort von Hermann Jacobs auf diese Kritik. Und sehr gut hat uns auch Albert Einsteins Antwort auf die Frage: „Warum Sozialismus?“ gefallen, die wir in der Zeitschrift alpha-press, Dez. 04, gefunden haben.

Wir wünschen Euch trotz der misslichen Lage der Welt und der nicht viel besseren Lage der kommunistischen Bewegung alles Gute für das neue Jahr, ein paar geruhsame Feiertage und Kraft, Mut und Optimismus zur Bewältigung der Aufgaben, die im kommenden Jahr vor uns liegen.      Frank Flegel, Hannover


Redaktion und Geschäftsführung Offensiv: Spendenaufruf für unsere Zeitschrift und unsere Projekte!

„Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten“, steht sehr treffend im neuen Heft des „Icarus“ auf Seite 7. Dieser Satz ist so katastrophal wie richtig.

Wir arbeiten daran, dass das anders wird! Und dafür brauchen wir Eure Unterstützung.

Denn entgegen unterschiedlicher Verlautbarungen von Leuten, die uns lieber von der Bildfläche verschwinden sähen, finanziert uns weder der englische noch der israelische Geheimdienst, weder der bundesdeutsche Verfassungsschutz noch arabische Drahtzieher des Terrors. (Das sind die aktuellen Legendenbildungen Richtung: „bezahlte Provokateure“.) Und Stalinistische Trojkas, konspirative Stasi-Seilschaft mit geheimen Konten oder andere blutsäuferische Geld-Orakel stehen uns auch nicht zu Verfügung. (Das sind die aktuellen Legendenbildungen Richtung: „brutale Stalinisten“.)

Allein Ihr, unsere Leserinnen und Leser, seid es, die uns finanzieren. Und deshalb seid auch immer wieder Ihr es, die wir um Spenden bitten müssen. Wir brauchen ein kleines Polster, um übers Jahr zu kommen, erfahrungsgemäß ungefähr 1.500.- €, lieber allerdings etwas mehr, denn die Spendentätigkeit nimmt meistens im Sommer und Frühherbst etwas ab.

Gleichzeitig haben wir uns zwei ehrgeizige Publikationsprojekte vorgenommen. An beiden geht die Arbeit gut voran, wovon wir uns bei unserem außerordentlichen Treffen des Herausgeberkreises am 20. November in Magdeburg überzeugen konnten.

Für das geplante Buch über den Trotzkismus sind die Vorarbeiten zur grundlegenden Analyse schon weit fortgeschritten, ebenso gibt es auch schon einen Überblick über die heutigen Spielarten des Trotzkismus. Wir hoffen, diese Arbeiten im Sommer 2005 herausbringen zu können.

Die Arbeiten am Lehrbuch Politische Ökonomie haben sehr gründlich und energisch begonnen. Neben der Durchsicht und der Aktualisierung haben sich die Genossinnen und Genossen vorgenommen, einen Teil „Theoriegeschichte der politischen Ökonomie des Sozialismus“ aufzunehmen. Gerade diese Arbeit wird die Reflexion über die Probleme der ökonomischen Entwicklung, über die Schwenks der „offiziellen“ Politik und über den Einfluss des Revisionismus bedeutend voranbringen. Hier ist das Jahr 2006 als Erscheinungstermin anvisiert.

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Genossinnen und Genossen! Diese Projekte kosten Geld, und zwar vor allem in der Vor-Finanzierung. Wir gehen davon aus, dass das Buch zum Trotzkismus nach einiger Zeit zu einer ausgeglichenen Bilanz führen kann, dass aber das Lehrbuch Politische Ökonomie sich eher langsam verkaufen wird und daher eine längere Zeitspanne im Minus stehen wird. Wir brauchen also Spenden!

Wir bitten alle, uns finanziell zu unterstützen. Schämt Euch nicht, nur wenige Euros zu überweisen oder zu schicken – jede Summe hilft.

Wir bitten hiermit auch all diejenigen, die in diesem sich dem Ende zuneigenden Jahr noch nichts für die „Offensiv“ gespendet haben, sich noch einen Ruck zu geben und uns zu unterstützen.

Und wir bitten die Gruppen, die „Offensiv“ beziehen, vielleicht einmal an einem Gruppenabend zusätzlich für die „Offensiv“ zu sammeln.

Wir werden dieses Jahr mit einem Minus aus der laufenden Herausgabe der „Offensiv“ abschließen, haben bisher also nichts auf der „hohen Kante“ für unsere Projekte.

Deshalb: Spendet! Mal ehrlich: 5 Euro müsste doch jede/r können... und wenn es bei dem einen oder anderen etwas mehr ist, freuen wir uns natürlich sehr. Denn: es ist dringend!

Spendenkonto:

Konto Frank Flegel, Nr. 30 90 180 146

bei der Sparkasse Hannover, BLZ 250 501 80,

Kennwort „Offensiv“

Auslandüberweisungen:

Konto Frank Flegel

Internationale Kontonummer (IBAN): DE10 2505 0180 0021 8272 49

Bankidentifikation (BIC): SPKHDE2HXXX

(Achtung!!! Die BIC hat sich geändert!)

 

 

Und bitte: Unterzeichnet den Solidaritätsaufruf mit dem irakischen Widerstand am Ende des Heftes und schickt ihn uns zu!

                                                                                                 Redaktion und Geschäftsführung Offensiv


Sozialismus oder Barbarei?

Redaktion Schattenblick: Parallel daneben oder der neue Feind ...

Nach Ansicht von Bayerns Innenminister Günther Beckstein und des SPD-Innenpolitikers Dieter Wiefelspütz könnte es auch in Deutschland zu ähnlichen Gewaltsituationen kommen, wie man sie derzeit in den Niederlanden erlebt. In Großstädten gebe es Gettos und Parallelkulturen, sagte Beckstein in einem Gespräch mit der "Bild am Sonntag". Dies berge Gefahren in sich. "Wir müssen den Dialog der Gutwilligen und die Integration von Ausländern fördern, aber auch massiver als bisher einfordern." Der CSU-Politiker forderte in Deutschland lebende Ausländer unter anderem dazu auf, die deutsche Sprache zu lernen.

Ähnlich äußerte sich auch die stellvertretende CDU-Vorsitzende Annette Schavan. Sie warnte vor Parallelgesellschaften. Um diese zu verhindern, müßten die Imame in deutscher Sprache predigen.

Aus AP-Meldung, Montag 15. November 2004, 20:33 Uhr:

Schavan betonte ebenfalls die Notwendigkeit der Schaffung von Arbeitsplätzen. "Wir müssen Arbeitsplätze erhalten und sorgen, daß neue entstehen." Die Krise in Deutschland sei eine wirtschaftliche Krise. Es gebe auch eine kulturelle Krise, die mit Orientierungslosigkeit verbunden sei.

"Reformdebatte und Wertedebatte gehören zusammen", sagte die Kultusministerin. Für sie gehörten christliche Werte zu einer modernen Politik. Mit Blick auf die Diskussion zur Integration von Ausländern sagte sie: "Es dürfen keine Parallelgesellschaften gebildet werden." Die Kinder von Ausländern müßten frühzeitigdie deutsche Sprache lernen.

Aus ddp - Dienstag 16. November 2004, 05:00 Uhr:

Der deutsche Staat ist nach Schönbohms (Brandenburgs Innenminister) Einschätzung bei Einbürgerungen zu leichtfertig vorgegangen. Über Jahre hätten Menschen einen deutschen Paß bekommen, die nicht wirklich Deutsche werden und nicht zu unserer Gemeinschaft gehören wollten, fügte der Minister hinzu.

"Im Zuwanderungskompromiß haben wir gegen den massiven Widerstand der rot-grünen Multikulti-Träumer höhere Hürden durchgesetzt. Das hilft aber nicht bei der Integration derer, die schon mit deutschem Paß hier in ihrer Parallelgesellschaft leben", sagte Schönbohm der Zeitung. Wenn Prediger öffentlich Freiheit, Toleranz und Gleichberechtigung verachteten und das Grundgesetz schmähten, dann missbrauchten sie ihr Gastrecht und müßten gehen.

Aus ddp - Mittwoch 17. November 2004, 14:45 Uhr:

Zuwanderer müssen nach Ansicht von Sozialministerin Dagmar Ziegler (SPD) noch wirksamer vor Ort integriert werden. Den Ausländern müssten die Türen dazu geöffnet werden, forderte die Ministerin am Mittwoch in Potsdam bei der 7. Landesintegrationskonferenz. Die Tagung wurde von der Friedrich-Ebert-Stiftung Potsdam und dem Fachberatungsdienst Zuwanderung, Integration und Toleranz im Land Brandenburg (FaZIT) veranstaltet.

Ziegler betonte: "Wer zu uns kommt mit anerkanntem Bleiberecht, der muss dann auch voll dabei sein können. Wir brauchen Zuwanderung, und Zuwanderung braucht Integration." Es handele sich bei der Integration um kein Naturgesetz, das von alleine wirke. Wo nicht rechtzeitig und langfristig der Boden für eine Integration bereitet werde, entstünden "Parallelwelten und Enklaven". Das sei schädlich für die Entwicklung der Demokratie.

Aus AP -  Mittwoch 17. November 2004, 14:05 Uhr:

(Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU- Bundestagsfraktion) Koschyk verwies auf einen Antrag mit dem Titel "Politischen Islamismus bekämpfen, verfassungstreue Muslime unterstützen", den seine Fraktion kommende Woche in den Bundestag einbringen werde. In dem Papier, [...], wird beklagt, "dass sich das gesellschaftliche Leben eines Teils der Muslime noch immer in abgegrenzten Parallelgesellschaften abspielt und viele Muslime bis heute nicht in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen sind".

Eine kleine Minderheit politisch motivierter Islamisten verfolge in Deutschland zudem offen das Ziel, eine eigenständige Gemeinschaft mit dem Geltungsvorrang der Scharia zu errichten, wie die Fraktion warnt. Dies bereite den Nährboden für Terrorismus und eine zunehmende Radikalisierung Jugendlicher. Viele Politiker begegneten diesen Fundamentalisten mit falsch verstandener Toleranz und biederten sich an. "Toleranz wird so zu gefährlicher Beliebigkeit", heißt es in dem Papier.

Aus AP - Donnerstag 18. November 2004, 03:40 Uhr:

Bundesinnenminister Otto Schily hat vor muslimischen Parallelgesellschaften in Deutschland gewarnt. Schily sagte der Zeitung "Die Welt" (Donnerstagausgabe), teilweise seien parallelgesellschaftliche Strukturen entstanden, die Anlass zu großer Sorge gäben. "Wenn sich eine Kultur aus dem gesellschaftlichen Gefüge des Gastgeberlandes herauslöst, dann wird es gefährlich. Ich warne vor Multikulti-Seligkeit", wurde der SPD-Politiker zitiert. Die CDU forderte schärfere Bestimmungen für muslimische Geistliche.

Ende der Zitatensammlung.

Planziel Parallelgesellschaft. Der Urfeind wird aus der Taufe gehoben, denn der Sektenbegriff und der Terrorismusentwurf bleiben indessen unzureichend bei der Mühe, ein gesellschaftliches Reinheitsgebot geltender Werte zu schmieden bzw. zu postulieren, ein Reinheitsgebot, das sich zur Verteidigung der herrschenden Verhältnisse ebenso eignet wie zur Abwehr ihrer essentiellen Infragestellung. Es scheint deshalb geradezu zwingend, gleichermaßen eine Kriegserklärung und den kompromißlosen Angriff auf die sogenannte parallele Gesellschaft in all ihren Erscheinungsformen oder Voraussetzungen zu einem Kernanliegen gesellschaftlicher Selbsterhaltung zu erheben. (...)

Redaktion Schattenblick, e-mail: ma-verlag.redakt.schattenblick@gmx.de. (Der Beitrag wurde redaktionell leicht gekürzt; Red. Offensiv)


Albert Einstein: Warum Sozialismus?

Ich bin davon überzeugt, dass es nur einen Weg gibt, dieses Übel (welches: siehe Fußnote)[2] loszuwerden, nämlich den, ein sozialistisches Wirtschaftssystem zu etablieren, begleitet von einem Bildungssystem, das sich an sozialen Zielsetzungen orientiert. In solch einer Wirtschaft gehören die Produktionsmittel der Gesellschaft selbst und ihr Gebrauch wird geplant. Eine Planwirtschaft, die die Produktion auf den Bedarf der Gemeinschaft einstellt, würde die durchzuführende Arbeit unter all denjenigen verteilen, die in der Lage sind zu arbeiten, und sie würde jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind einen Lebensunterhalt garantieren. Die Bildung hätte zum Ziel, dass die Individuen zusätzlich zur Förderung ihrer eigenen angeborenen Fähigkeiten einen Verantwortungssinn für die Mitmenschen entwickeln anstelle der Verherrlichung von Macht und Erfolg in unserer gegenwärtigen Gesellschaft.“

Albert Einstein, aus dem Essay „Why Socialism“, 1949 erstmals veröffentlicht in der Zeitschrift: „Monthly Revue“.


Irak - Kräfte des Widerstandes

Michael Opperskalski: Der Volkswiderstand gegen die imperialistische Besatzung des Irak wächst

Noch immer sind die fürchterlichen Bilder des Angriffes der Besatzungsmächte auf Falludscha frisch, fast täglich berichten die Medien von Anschlägen gegen US-Truppen oder ihre irakischen Marionetten. Die Besatzer müssen inzwischen zugeben, dass sich die Zahl dieser Attacken inzwischen auf über 120 täglich (!) eingependelt hat, die nahezu das gesamte Land überziehen. Selbst wenn man die offiziellen Zahlen des nordamerikanischen Verteidigungsministeriums zugrunde legt, dann wächst die Bilanz an getöteten oder verwundeten Marines dramatisch. Inzwischen gibt es sogar Einschätzungen aus US-Geheimdienstkreisen, dass der Widerstand militärisch nicht mehr zu zerschlagen sei.

Alleine diese Fakten widerlegen alle Behauptungen, dass es sich bei den Widerstandskämpfern um von der Gesellschaft im wesentlich isolierte oder gar ausländische Kräfte handelt. Ohne massive Unterstützung aus allen Kreisen der Bevölkerung wäre es logistisch überhaupt nicht möglich, die Besatzer, die vom konventionellen militärischen Standpunkt aus betrachtet technisch haushoch überlegen sind, in der sich entwickelnden Breite und Intensität anzugreifen. Es handelt sich also, was inzwischen von Kreisen der nordamerikanischen Geheimdienste und des Pentagon zugegeben wird, um einen voll entwickelten Guerillakrieg, der im Irak gegen die von den USA geführten Besatzungstruppen sowie ihre irakischen Marionetten der so genannten „Übergangsregierung“ geführt wird.

Trotzdem oder gerade deshalb intensivieren die USA und ihre Verbündeten den Propagandakrieg gegen den irakischen Volkswiderstand mit dem Ziel, diesen national wie international zu isolieren. Damit ist die organisierte Desinformation über den wachsenden Widerstand des irakischen Volkes ein integraler Bestandteil der völkerrechtwidrigen Besatzungspolitik. Es wird behauptet, bei den Widerstandskämpfern handele es sich ausschließlich um letztlich gesellschaftlich isolierte „Islamisten“ – vor allem von Al-Qaida aus dem Ausland - , Anhänger der gestürzten Regierung Saddam Husseins oder sogar kriminelle Banden. Ihnen allen wird dabei der diskriminierende Stempel „Terroristen“ aufgedrückt. Verbreitet wird diese „Einschätzung“ des Widerstandes vor allem durch die bürgerlichen Medien, aber auch von der so genannten „Irakischen Kommunistischen Partei“. Die Position der PDS oder der DKP-Führung liegen auf der gleichen Linie.

Die Realität im Irak sieht anders aus

Wie die nachfolgend dokumentierten und zusammengestellten Dokumente aus dem irakischen Widerstand belegen, ist dieser vielschichtig strukturiert und speist sich im Wesentlichen aus drei Strömungen:

I. Die arabischen Nationalisten

Hierzu zählen vor allem die Anhänger der Arabischen Sozialistischen Baath-Partei (und zwar sowohl des „irakischen wie auch des syrischen Flügels“[3]), Soldaten der irakischen Volksarmee, der Republikanischen Garde, der Fedajin Saddam oder irakische Nasseristen („Nasseristische Organisation“). Die arabischen Nationalisten operieren, zum Teil regional oder national organisiert, unter wechselnden Organisationsnamen. Konsistent sind jedoch die Baath-Partei sowie die Nasseristen aktiv, veröffentlichen – wie auch nachfolgend dokumentiert – regelmäßig Erklärungen und Einschätzungen der aktuellen Lage im Irak. Die arabischen Nationalisten sind neben den Vertretern des politischen Islam die einflussreichsten Kräfte des Widerstandes. Sie sind militärisch und logistisch von allen Kräften am besten organisiert und ausgerüstet;

II. Die Linke

Die bedeutendste Kraft unter der traditionellen Linken sind verschiedene kommunistische Organisationen und Parteien, die sich von der mit der imperialistischen Besatzung kollaborierenden so genannten „Irakischen Kommunistischen Partei (IKP)“ abgespaltet haben. Zu nennen sind hier u.a. Irakische Kommunistische Partei (Kader), Demokratische Kommunistische Bewegung, Patriotische Demokratische Irakische Kommunistische Strömung. Außerdem gibt es noch einige sich vor allem auf Intellektuelle stützende, sozialistische Gruppen und Organisationen. Die traditionelle Linke ist die schwächste unter den Widerstandskräften des Irak, arbeitet jedoch vor allem mit den arabischen Nationalisten eng zusammen;

III. Der politische Islam

Organisationen und Vertreter des politischen Islam sind im wesentlichen entlang der religiösen Strömungen von Schiiten und Sunniten organisiert. Unter den Sunniten gilt die „Vereinigung Islamischer Gelehrter“ als bedeutendste Organisation. Sie arbeitet eng mit Vertretern der arabischen Nationalisten zusammen und unterstützt deren politische Forderungen, die u.a. im „Manifest der Irakischen Patrioten“ (nachfolgend ebenfalls abgedruckt) vom April 2004 festgehalten werden. Die wichtigste Kraft unter den irakischen Schiiten sind die Anhänger des Predigers Al-Sadr. Sie lehnen die Besatzung konsequent ab, organisieren – wenn auch weniger „professionell“ militärische Operationen gegen die imperialistischen Besatzer, haben jedoch weniger klare und zum Teil widersprüchliche politische Zielsetzungen, vor allem für die Zeit nach der Befreiung des Irak.

Der Widerstand aller Strömungen ist im vor allem lokal und regional, in kleinen Zellen, die sich in jüngster Zeit jedoch auch immer wieder zu größeren Angriffen punktuell zusammengeschlossen haben, organisiert. Auf nationaler Ebene agiert der Widerstand in verschiedenen politischen und/oder militärischen Zusammenschlüssen, die in unterschiedlicher Zusammensetzung verschiedene Strömungen und Organisationen des Widerstandes zusammenschließen. Zu nennen sind hier u.a. die „Nationale Befreiungsarmee des Irak“ (eine jüngste Erklärung wird von uns im folgenden dokumentiert), der „Vereinigte Nationale Rat des Irakischen Widerstandes (UNCIR; seine bereits erwähnte Erklärung vom April 2004 haben wir ebenfalls nachfolgend abgedruckt) oder die „Irakische Patriotische Allianz“ (eine Dachorganisation, die sich bereits vor dem US-Aggressionskrieg gegen den Irak gegründet hatte und ausschließlich aus ehemaligen Oppositionskräften gegen die Regierung Saddam Husseins besteht; diese hatten sich damals von anderen Kräften der Exil-Opposition abgespalten, weil sie nicht bereits waren, den US-Aggressionskrieg zu unterstützen oder gar mit dem Imperialismus direkt zu kollaborieren; zudem lehnten sie die Zusammenarbeit mit offenen CIA-Agenten ab. Wenige Monate vor dem Beginn des Aggressionskrieges gegen den Irak begannen Vertreter der „Irakischen Patriotischen Allianz“ Verhandlungen mit der Regierung in Bagdad mit dem Ziel, sich auf eine Öffnung des politischen Systems zu verständigen. Diese Verhandlungen entwickelten sich bis zum Aggressionskrieg äußerst positiv, wie beide Seiten mehrfach betonten).

Wer an tatsächlichen Informationen für eine realistische Einschätzung des irakischen Widerstandes interessiert ist, der kann an authentische Informationen gelangen.[4] Niemand, der die Propagandamärchen aus den Giftküchen imperialistischer Meinungsmachern verbreitet, kann also behaupten, er hätte es nicht besser wissen können…

                                                                                                                        Michael Opperskalski, Köln


Irak – Originaldokumente des Widerstandes

Alex de la Grange: “Bis zur Befreiung Bagdads ist es nicht mehr weit”[5]

Am Vorabend der so genannten Übergabe der Souveränität an die neue irakische geschäftsführende Regierung am 30. Juni haben ehemalige Generäle Saddam Husseins, die inzwischen der Elite des irakischen Widerstands angehören, ihre geheimen Stellungen vorübergehend verlassen, um ihre Sicht der Ereignisse zu erläutern und über ihre Pläne zu sprechen. Diesen Vertretern der Baath-Partei zufolge steht „die große Schlacht“ im Irak noch bevor.

„Die Amerikaner haben den Krieg vorbereitet, wir haben die Nachkriegszeit vorbereitet. Und die Machtübergabe am 30. Juni wird an unseren Zielen nichts ändern. Diese neue von den Amerikanern ernannte vorläufige Regierung hat in unseren Augen keine Legitimität. Es handelt sich um nichts anderes als Marionetten.“

Warum haben diese ehemaligen Offiziere so lange abgewartet, um aus ihren Verstecken herauszukommen? „Weil wir heute sicher sind, dass wir gewinnen werden.“

Geheimtreff

Palestine Hotel, Dienstag, drei Uhr nachmittags. Eine Woche nach einer förmlichen Bitte verflüchtigt sich die Aussicht auf ein Gespräch mit dem Widerstand. Wir erleben eine Serie von Enttäuschungen - bis ein Mann, den wir nie zuvor gesehen haben, diskret an unseren Tisch kommt. „Wollen Sie immer noch mit Mitgliedern des Widerstands zusammen treffen?“ Er spricht mit meiner Mitarbeiterin, einer arabischen Journalistin, die schon viele Male im Irak gewesen ist. Das Gespräch ist kurz. „Wir treffen uns morgen früh beim Babel Hotel,“ sagt der Mann, bevor er wieder verschwindet. Entgegen alle Erwartungen scheint dieser Kontakt verlässlicher als die bisher versuchten.

Hotel Babel, Mittwoch, neun Uhr morgens. Am Eingang des von ausländischen Söldnern belagerten Internetcafes legt der Mann vom Vortage fest: „Morgen 10 Uhr, Al-Saadoun Straße, vor dem „Palestine“. Kommen Sie ohne Ihren Fahrer.“

Donnerstag Morgen kommen wir per Taxi am Treffpunkt an. Schon haben wir Kontakt. Nach einem kurzen „Salam Aleikum“ setzen wir uns in sein Auto. „Wo fahren wir hin?“ Keine Antwort. Wir fahren über zwei Stunden. In Bagdad sind, selbst wenn der Verkehr nicht durch Militärkontrollpunkte total blockiert ist, Verkehrsstaus immer an der Tagesordnung. In einem Jahr sind über 300.000 Fahrzeuge ins Land geschmuggelt worden. Jeder zweite Wagen hat kein Kennzeichen, und die meisten Fahrer wissen nicht einmal, was ein „Führerschein“ ist.

“Wir sind bald da. Kennen Sie Bagdad?” fragt unser Mann. Die Antwort lautet eindeutig nein.  Um sich in der wimmelnden Stadt auszukennen, müsste man sich frei und zu Fuß bewegen können. Doch bei der um sich greifenden Kriminalität, einer Welle von Entführungen, den 50 bis 60 täglichen Angriffen gegen die Besatzungsstreitkräfte und der wahllosen Reaktion des amerikanischen Militärs gibt es kaum einen Anreiz, zu irgendwelchen Spaziergängen aufzubrechen.

Der Wagen hält in einer Gasse nahe einem Minibus mit abgedunkelten Scheiben. Eine der Türen öffnet sich. Drinnen befinden sich drei Männer und ein Fahrer, der alle Straßen und Häuser ringsum sorgfältig mit den Augen absucht. Wenn auch wir nicht wissen, wem wir gegenüber stehen, so scheinen unsere Gesprächspartner doch sehr gut unterrichtet, mit wem sie es zu tun haben. „Bevor wir uns unterhalten, möchten wir unsererseits keinerlei Zweifel über unsere Identität aufkommen lassen“, erklären sie, während sie einige Papiere aus einem staubigen Plastikbeutel hervorholen: Ausweise, Militärpässe und einige Fotos, auf denen sie in Uniform neben Saddam Hussein zu sehen sind. Es sind zwei Generäle und ein Oberst der aufgelösten irakischen Armee, inzwischen seit vielen Monaten auf der Flucht, gejagt von den Geheimdiensten der Koalition.

„Wir würden gerne einige in den westlichen Medien verbreiteten Informationen richtig stellen. Daher haben wir die Initiative ergriffen, Sie zu treffen.“ Unser Gespräch dauert über drei Stunden.

Zurück zum Fall Bagdads

“Wir wussten, dass, wenn die Vereinigten Staaten sich entschließen würden, den Irak anzugreifen, wir angesichts ihrer technologischen und militärischen Macht keine Chance haben würden. Der Krieg war von vorn herein verloren, daher bereiteten wir die Nachkriegszeit vor. Mit anderen Worten: den Widerstand. Im Gegensatz zu dem, was allgemein verbreitet wird, sind wir nicht desertiert, nachdem die amerikanischen Truppen am 5. April 2003 in das Zentrum von Bagdad vorrückten. Wir kämpften einige Tage für die Ehre des Irak - nicht von Saddam Hussein - dann erhielten wir Befehl, uns zu zerstreuen.“

Bagdad fiel am 9. April, und Saddam und seine Armee waren nirgends zu sehen.

„Wie wir voraus gesehen hatten, fielen die strategischen Zonen schnell unter die Kontrolle der Amerikaner und ihrer Alliierten. Unsererseits wurde es Zeit, unseren Plan auszuführen. Oppositionelle Bewegungen gegen die Besatzung waren bereits organisiert. Unsere Strategie wurde nach dem Fall des Regimes nicht improvisiert.“

Dieser Plan B, der den Amerikanern anscheinend völlig entgangen ist, war nach Aussage dieser Offiziere sorgfältig monatelang, wenn nicht jahrelang vor dem 20. März 2003, dem Beginn der „Operation Irakische Freiheit“, organisiert worden.

Das Ziel war, „den Irak zu befreien und die Koalition zu vertreiben, unsere Souveränität wieder zu erlangen und eine weltliche Demokratie zu errichten, allerdings nicht die von den Amerikanern oktroyierte. Irak ist immer ein fortschrittliches Land gewesen, wir wollen nicht zur Vergangenheit zurückkehren, wir wollen vorwärts gehen. Wir haben sehr fähige Menschen,“ erklären die drei Taktiker. Selbstverständlich gibt es bezüglich des geheimen Netzwerks keine Namen oder genaue Zahlen. „Wir haben Leute in genügender Anzahl. Was uns nicht mangelt, sind Freiwillige.“

Falludscha

Die tödliche Offensive der amerikanischen Truppen in Falludscha im März ist für den Widerstand der Wendepunkt gewesen. Die wahllosen Plünderungen der amerikanischen Soldaten bei den Durchsuchungen (für die es viele Zeugen gibt) und die sexuelle Erniedrigung der Gefangenen, darunter im Abu-Graib-Gefängnis in Bagdad, haben die Wut der meisten Iraker nur noch vergrößert. „Es gibt kein Vertrauen mehr. Es wird schwer sein, es zurück zu gewinnen.“ Nach Ansicht dieser Führer des Widerstands „haben wir den Punkt erreicht, wo es kein Zurück mehr gibt.“

Dies ist genau die Meinung der schiitischen Frau, die wir zwei Tage vorher trafen, einer früheren gegen Saddam im Untergrund aktiven Oppositionellen: „Der größte Fehler der Besatzungstruppen war es, unsere Traditionen und unsere Kultur zu missachten. Sie sind nicht damit zufrieden, unsere Infrastruktur zerbombt zu haben, sie haben versucht, unser Gesellschaftssystem und unsere Würde zu zerstören. Und das können wir nicht zulassen. Die Wunden sind tief, und die Heilung wird lange dauern. Wir leben lieber unter dem Terror von einem der Unseren als unter der Erniedrigung einer ausländischen Besatzung.“

Saddams Generälen zufolge “herrschen ein Jahr nach dem Beginn des Krieges im Lande immer noch Unsicherheit und Anarchie. Wegen ihrer Unfähigkeit, die Lage zu kontrollieren und ihre Versprechen einzuhalten, haben die Amerikaner die Bevölkerung als Ganzes gegen sich aufgebracht. Der Widerstand ist nicht auf ein paar Tausend Aktivisten beschränkt. Fünfundsiebzig Prozent der Bevölkerung unterstützt uns und hilft uns, direkt oder indirekt, indem Nachrichten überbracht und Kämpfer und Waffen versteckt werden. Und dies trotz der Tatsache, dass viele Zivilisten bei Operationen gegen die Koalition und ihre Kollaborateure hineingezogen werden und zu Schaden kommen.“

Wen sehen sie als “Kollaborateure” an? „Jeder Iraker oder Ausländer, der mit der Koalition zusammenarbeitet, ist ein Ziel. Ministerien, Söldner, Übersetzer, Geschäftsleute, Köche oder Dienstmädchen, der Grad der Kollaboration spielt keine Rolle. Einen Vertrag mit den Besatzern zu unterzeichnen bedeutet, seinen Totenschein zu unterzeichnen. Iraker oder nicht, es sind Verräter. Vergessen Sie nicht, dass wir uns im Krieg befinden.“

Die Möglichkeiten der Abschreckung, über die der Widerstand verfügt, hat die Liste der Kandidaten ständig schrumpfen lassen, die für die von der Koalition angebotenen Schlüsselposten in der Regierung zur Verfügung stehen, und dies in einem Land, das durch dreizehn Jahre Embargo und zwei Kriege verwüstet wurde, und wo die Arbeitslosigkeit ein ungeheures Problem ist. Das um sich greifende Chaos ist nicht der einzige Grund, der Menschen von der Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit abhält. Obgleich die Amerikaner sich notgedrungen entschließen mussten, ehemalige Baath-Leute (Polizisten, Geheimdienstler, Militärs und Mitarbeiter der Ölindustrie) wieder einzustellen, gilt dies doch nicht für jeden. Die Mehrzahl der von dem Erlass von Zivilverwalter L. Paul Bremer vom 16. Mai 2003 über die Entbaathifizierung des Irak Betroffenen lebt immer noch im Verborgenen.

Das Netzwerk

Im Wesentlichen aus Baath-Leuten (Sunniten und Schiiten) bestehend, umfasst der Widerstand gegenwärtig „alle Bewegungen des nationalen Kampfes gegen die Besatzung, ohne dass nach konfessionellen, ethnischen oder politischen Gesichtspunkten unterschieden wird. Im Gegensatz zu dem, was Sie sich im Westen vorstellen, findet im Irak kein Bruderkrieg statt. Wir haben eine Einheitsfront gegen den Feind. Von Falludjah bis Ramadi, einschließlich Najaf, Karbala und den schiitischen Vorstädten von Bagdad, sprechen die Kämpfer mit einer einzigen Stimme. Was den jungen schiitischen Führer Muqtada al-Sadr angeht, so tritt er wie wir für die Einheit des Irak als multikonfessionelles und arabisches Land ein. Wir unterstützen ihn in taktischer und logistischer Hinsicht.“

Jede irakische Region hat ihre eigenen Kämpfer und jeder Fraktion steht es frei, über ihre Ziel und ihre Vorgehensweise zu entscheiden. Saddams Generäle bestehen darauf, dass es keine Rivalität zwischen diesen verschiedenen Organisationen gibt, abgesehen davon, wer die meisten Amerikaner unschädlich macht.

Wahl der Waffen

“Die Angriffe sind genau vorbereitet. Sie dürfen nicht länger als 20 Minuten dauern, und wir operieren am liebsten bei Nacht oder sehr früh am Morgen, um das Risiko zu beschränken, irakische Zivilisten zu treffen.“ Sie nehmen unsere nächste Frage vorweg: „Nein, wir haben keine Massenvernichtungswaffen. Andererseits haben wir mehr als 50 Millionen konventionelle Waffen.“ Auf Initiative von Saddam wurde lange vor dem Beginn des Krieges ein regelrechtes Arsenal landesweit versteckt untergebracht. Keine schwere Artillerie, keine Panzer, keine Hubschrauber, aber Katjuschas, Mörser (von den Irakern Haoun genannt), Antipanzerminen, Raketengranatwerfer und andere russische Raketenwerfer, Lenkgeschosse, AK 47 und umfangreiche Reserven an Munition aller Art. Und die Liste ist bei weitem nicht erschöpfend.

Aber die effizienteste Waffe bleiben die Kamikaze. Eine besondere Einheit, die zu 90 Prozent aus Irakern und zu 10 Prozent aus ausländischen Kämpfern besteht, mit mehr als 5000 gründlich ausgebildeten Männern und Frauen. Diese brauchen nicht mehr als einen mündlichen Befehl, um ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug zu steuern.

Was, wenn die Waffenreserve zur Neige geht? „Kein Grund zur Sorge, wir haben schon seit einiger Zeit unsere eigenen Waffen hergestellt.“ Das ist alles, was sie preiszugeben bereit sind.

Verantwortung für Angriffe

“Ja, wir haben letzten März in Falludscha die vier amerikanischen Söldner hingerichtet. Doch die amerikanischen Soldaten warteten vier Stunden, bevor sie die Leichen bargen, obgleich sie das sonst in weniger als 20 Minuten erledigen. Zwei Tage zuvor war eine junge, verheiratete Frau willkürlich verhaftet worden. Für die Bevölkerung brachte dies das Fass zum Überlaufen. Da ließ man die angestaute Wut an den vier Leichen aus. Die Amerikaner haben lebendigen Irakern in Gefangenschaft weitaus Schlimmeres angetan.“

Der Selbstmordangriff vom 22. September 2003, bei dem Akilaal Hashimi, eine Dipomatin und Angehörige des irakischen Regierungsrates umkam, ist ebenfalls vom Widerstand ausgeführt worden, ebenso die Autobombe, welche am 17. Mai diesen Jahres am Eingang zur Grünen Zone (von den Irakern wegen der Zahl der Angriffe des Widerstands die rote Zone genannt) den Präsidenten des irakischen Regierungsrates, Ezzedin Salim, tötete.

Sie sind auch für die Entführung von Ausländern verantwortlich. „Wir sind uns bewusst, dass die Entführung ausländischer Staatsangehöriger unser Image beschädigt, aber versuchen Sie die Situation zu verstehen. Wir sind gezwungen, die Identität von Leute zu kontrollieren, die sich auf unserem Territorium bewegen. Wenn wir den Beweis haben, dass sie humanitäre Helfer oder Journalisten sind, lassen wir sie frei. Wenn sie Spione, Söldner oder Kollaborateure sind, richten wir sie hin. Lassen sie uns in dieser Beziehung eins klar stellen: wir sind nicht für den Tod von Nick Berg, des Amerikaners, der enthauptet wurde, verantwortlich.“

Was den Angriff auf das Hauptquartier der UN in Bagdad am 20. August 2003 angeht: „Wir haben nie einen Befehl zum Angriff auf die UN erlassen und wir hatten große Hochachtung vor dem Brasilianer Sergio Vieira de Mello [dem UN-Sondergesandten, der bei dem Angriff starb], aber es ist nicht unmöglich, dass die Urheber dieses Anschlags aus einer anderen Widerstandsgruppe kamen. Wie wir erläutert haben, kontrollieren wir nicht alles. Und wir dürfen nicht vergessen, dass die UN für die 13 Jahre Embargo verantwortlich sind, die wir ertragen haben.“

Was ist mit dem Angriff gegen das Rote Kreuz in Bagdad am 27. Oktober 2003? „Das hatte nichts mit uns zu tun, wir haben immer große Achtung vor dieser Organisation und den Menschen, die für sie arbeiten, gehabt. Welches Interesse sollten wir daran haben, eine der wenigen Institutionen anzugreifen, die der irakischen Bevölkerung seit Jahren geholfen haben. Wir wissen, dass Leute aus Falludja diesen Angriff für sich beansprucht haben,aber wir können ihnen versichern, dass sie nicht Teil des Widerstands sind. Und wir fügen hinzu: es gibt viele, die aus politischen und wirtschaftlichen Gründen ein Interesse daran haben, uns zu diskreditieren.“

Nach dem 30. Juni

“Die Resolution 1546 vom 8. Juni ist in den Augen vieler Iraker nichts als ein weiteres Gespinst von Lügen. Erstens, weil sie offiziell die Besatzung durch fremde Truppen beendet und gleichzeitig die Anwesenheit einer multilateralen Truppe unter amerikanischem Kommando zulässt, ohne das Datum ihres Abzugs zu bestimmen. Zweitens, weil ein Recht der Iraker, gegen wichtige militärische Operationen Einspruch zu erheben, das von Frankreich, Russland und China gefordert wurde, abgelehnt wurde. Washington hat lediglich einen vagen Begriff von Partnerschaft mit der irakischen Behörde zugestanden, und was im Fall der Nichtübereinstimmung geschieht, bleibt offen. Die Iraker sind nicht dumm. Der Verbleib der amerikanischen Truppen im Irak nach dem 30. Juni und die Mittel, die vom US-Kongress kommen, lassen keinen Zweifel daran, wer das Land in Wirklichkeit regiert.“

Was ist mit einer möglichen Rolle der NATO? „Wenn die NATO interveniert, geschieht das nicht, um unserem Volk zu helfen, sondern um den Amerikanern zu helfen, aus dem Sumpf herauszukommen. Hätte sie unser Wohl im Auge gehabt, hätten sie sich früher gerührt,“ sagen die drei Offiziere und schauen auf ihre Uhren. Es ist spät und wir haben die vorgesehene Zeit weit überschritten.

„Was die amerikanischen Truppen heute nicht erreichen, werden auch NATO-Truppen später nicht erreichen können. Jeder muss wissen: westliche Truppen werden von den Irakern als Besatzer angesehen. George W. Bush und sein treuer Alliierter Tony Blair täten tut daran, darüber nachzudenken. Wenn sie auch eine Schlacht gewonnen haben, so haben sie noch nicht den Krieg gewonnen. Die große Schlacht steht immer noch bevor. Bis zur Befreiung von Bagdad ist es nicht mehr weit.“

                                                                                                                     Asia Times vom 24 Juni 2004


UNCIR: Manifest der Irakischen Patrioten[6]

Politisches Kommunique des irakischen Widerstands, 21. April 2004, Vereinigter Nationaler Rat des Irakischen Widerstands (UNCIR)

Oh, Ihr stolzen Söhne des Irak! Oh, Ihr ehrenhaften Araber! Oh, Ihr Freunde des Friedens weltweit!

In diesen Tagen ist es ein Jahr her, dass der Angriffskrieg unter Führung der USA und Großbritanniens, der von Bush und Blair in Namen des Zionismus gegen den Irak, gegen das Land der zwei Ströme, die Wiege der Zivilisation und den Schauplatz einer ruhmreichen und glänzenden Geschichte, entfesselt wurde. Während inzwischen diesen Räubern und Mördern alle Vorwände zur Rechtfertigung ihrer Aggression und zur Begründung der Besatzung abhanden gekommen sind, scheinen sie angesichts des anwachsenden heldenhaften Widerstands und der mutigen Anschläge mittlerweile den Verstand verloren zu haben. Ihr führendes Personal und ihr Zivilverwalter haben den Irakern nichts anderes zu verkünden, als dass weitere dunkle Tage bevorstehen. Ja, so Gott will, werden für die Invasoren und Aggressoren dunklere Tage kommen. Möge durch die Gnade Gottes, des Allmächtigen, und den Willen unseres Volkes das Jahr 2004 das Jahr der vollständigen Befreiung werden.

Vor zehn Monaten wurde der Nationale Rat des Irakischen Widerstands geboren; er umfasste die Kämpfer der Baath-Partei in den Mujaheddin-Bataillonen, die Männer der bewaffneten Streitkräfte und die Helden des nationalen Sicherheitsapparates sowie mit ihnen, in vollkommener Solidarität, Zehntausende irakischer Patrioten, die die Besatzung und die Erniedrigung nicht hinnehmen. Die edlen Scheichs der Stämme, die religiösen Mujaheddin und zahllose islamische Kräfte haben sich diesem mutigen Widerstand angeschlossen, um einen organisatorischen Rahmen zur Durchführung der Operationen zu bilden und die Programme und Aktionen des Widerstands entsprechend der Entwicklung der militärischen Lage und des politischen Umfelds zu koordinieren. Um die Dinge eindeutig klar zu stellen, verkündet der Vereinigte Nationale Rat des Irakischen Widerstands (UNCIR) den Irakern und allen ehrenhaften Arabern sein politisches Programm. Er appelliert an jene Iraker, die aus Irrtum und schuldhaft in irgendeiner Weise der Besatzung dienen, über ihr Tun nachzudenken, unverzüglich ihre unehrenhafte Haltung zu ändern und in den Schoß des Widerstands zurückzukehren. Möge Gott ihnen vergeben für das, was sie in der Vergangenheit getan haben.

Bei dieser Gelegenheit möchten wir folgende Ziele bekräftigen:

1) Absolute und globale Zurückweisung der Besatzung, ihrer Instrumente, ihrer Agenten und aller sich aus ihr ergebenden Strukturen, Amtstitel und Verräterkomitees, die den Invasoren dienen und das Volk betrügen. Wir appellieren an jeden, einschließlich der Mitglieder des Regierungsrats, sich eines Besseren zu besinnen und von dem Feuer Abstand zu nehmen, das sie bald verschlingen wird, und all seine Entscheidungen und Empfehlung als null und nichtig zu betrachten, weil falsch ist, was auf einer falschen Basis errichtet wurde.

2) Fortsetzung des Widerstands in all seinen bewaffneten Formen und Mobilisierung der Massen in Demonstrationen und Protestkundgebungen, Boykott der Besatzung und all ihrer Strukturen durch alle verfügbaren Mittel, bis der letzte Soldat den Irak verlassen hat. Alles, was dahinter zurückbleibt, ist für uns unannehmbar. Jeder sollte sich gesagt sein lassen, dass diejenigen, die Widerstand leisten und der Pflicht zum Widerstand gegen die Invasoren gehorchen und sie davon jagen, um den Irak zu befreien, auch diejenigen sind, die den Irak zu leiten und aufzubauen fähig sein werden, und dass im Irak kein Platz für Verräter, Räuber und Söldner sein wird.

3) Für die Zeit unmittelbar nach dem Abzug der Invasoren und der Befreiung des Irak rufen wir auf zur Wiederkehr des Staates in all seinen souveränen nationalen Organisationsformen und zur Rückkehr der Armee als einer einigen nationalen Einrichtung, wie sie vor dem 9. April 2003 bestand.

4) Der Nationale Rat wird zum richtigen Zeitpunkt die Bildung einer neuen Übergangsregierung der Nationalen Einheit für zwei Jahre bekannt geben. Die Übergangsregierung wird die Souveränität des Irak ausüben und den Irak repräsentieren. Sie wird die dringende nationale Aufgabe erfüllen, die Wunden zu heilen und jenen in der Bevölkerung zu helfen, die am meisten gelitten haben. Ihr Auftrag wird es sein, die staatlichen Verwaltungsstrukturen und ihre lebensnotwendigen Dienstleistungen wieder aufzubauen, darunter die folgenden nationalen Aufgaben:

a) Organisation von Neuwahlen für einen neuen Nationalrat („the new national council”) innerhalb von zwei Jahren unter Aufsicht der Arabischen Liga und internationaler Beobachter und angesehener internationaler Organisation, die mit demokratischen Prozessen vertraut sind.

b) Schaffung einer Beratenden Versammlung („advisory council”), bestehend aus  150 als weise und ehrenhaft bekannten Mitgliedern, die unter loyalen Irakern ausgewählt werden, die ihre Hände nicht mit den Invasoren beschmutzt haben, die als Rat der Weisen („Council of Wise Men“) angesehen werden und beratend wirken, Meinungen gegenüber der Übergangsregierung zum Ausdruck bringen und mit dem Ministerrat an der Ausarbeitung einer endgültigen Verfassung für das Land teilhaben, welche alle Grundrechte der Bürger des Landes enthalten und so die Einheit des Irak und seine arabische Identität gewährleisten wird. Diese Verfassung wird 18 Monate nach Abzug der Invasoren zur Volksabstimmung durch ein Referendum vorgeschlagen werden. Die Beratende Versammlung und die Übergangsregierung werden unverzüglich handeln, um alle früher erlassenen Notstandsgesetze und Entscheidungen abzuschaffen.

c) Nach Verabschiedung der endgültigen Verfassung tritt die gewählte Versammlung und die Beratende Versammlung zusammen, um den Präsidenten der Republik und den Vizepräsidenten für fünf Jahre zu wählen. Der Name des Präsidenten wird der Bevölkerung zur Entscheidung durch ein allgemeines Referendum vorgelegt, in dem der Kandidat 60% der abgegebenen Stimmen erhalten muss.

d) Herstellung der politischen Freiheiten aufgrund eines besonderen Gesetzes zur Gewährleistung der Freiheit der Gründung von Parteien, Vereinen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, der Freiheit der Herausgabe von Zeitungen und der Herstellung der Pressefreiheit unter Berücksichtigung patriotischer Kriterien, der Politik der persönlichen Eignung und Loyalität als Voraussetzung für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst und der Durchsetzung des Rechtsstaates sowie der Achtung des politischen Systems und der Institutionen.

e) Schaffung eines Hohen Rates für Menschenrechte („High Council for Human Rights“), dem Persönlichkeiten angehören werden, die für ihre Redlichkeit und nationale Loyalität bekannt sind. Dieser Rat wird weitgehende Befugnisse haben, um Ermittlungen anzustellen und jene zur Rechenschaft zu ziehen, die die Menschenrechte der Iraker und ihre Würde nicht respektieren. Der Rat wird seine Berichte und Entschließungen unmittelbar an den Präsidenten der Republik, den Premierminister und die Nationalversammlung richten, um somit im Geiste der Einheit zu handeln und die schlimmen auf konfessioneller Grundlage basierenden Praktiken zu verurteilen und das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz zu wahren.

f) Entwicklung des Autonomiegesetzes für Irakisch-Kurdistan, um die nationalen und kulturellen Rechte des kurdischen Gebiets im Rahmen eines einigen Irak und seiner Souveränität zu gewährleisten. Beratung darüber mit den kurdischen Kräften, die auf der unveränderlichen Grundlage der Flagge, der Souveränität, der auswärtigen Angelegenheiten und der nationalen Sicherheit des Irak stehen im Geiste des Dialogs und der Offenheit.

Abschließend erweist der Vereinigte Nationale Rat des Irakischen Widerstands mit besonderem Stolz den heldenhaften Märtyrern des Irak seinen Ehrengruß und grüßt und ehrt auch die in den Besatzungsgefängnissen eingekerkerten Geiseln und Gefangenen…So Gott will wird der Tag des Sieges kommen, wie Gott verheißen hat, dass Wenige eine Übermacht besiegen werden, wenn Gott es will.

                              Vereinigter Nationalrat der Irakischen Resistance (UNCIR), Politische Abteilung


Die Baath-Partei[7]: Eine Arabische Nation – mit einer fortdauernden Mission. Einheit. Freiheit. Sozialismus

Im Namen Gottes, des Allmächtigen, des Barmherzigen

Arabische Sozialistische Baath Partei*

Eine Arabische Nation – mit einer fortdauernden Mission.

Einheit. Freiheit. Sozialismus

Der Baath-Widerstand konfrontiert die Besatzung und ihre Pläne im besetzten Irak

Noble Iraker! Söhne und Töchter der glorreichen Arabischen Nation! Baath-Genossen und Mudjahedin Widerstandskämpfer!

Auf Basis der Prinzipien des Widerstandes und der Befreiung und auf der Linie des strategischen Programms für den bewaffneten irakischen Widerstands, kämpft die Arabische Sozialistische Baath Partei im Widerstand in der besetzten arabischen Region des Irak. Die Baath Partei hat die Besatzung charakterisiert und sie ist entsprechend dieser Kategorisierung eingetreten und die Art und Weise, wie diese Kategorisierung immer tiefer und schneller auf dem Kurs der objektiven programmatischen Analyse der Partei entwickelt, wird sie vom bewaffneten irakischen Widerstand als politische Anleitung genutzt.

Auf Basis ihrer allgemeinen Direktiven werden strategische und operationelle Ziele gesetzt und die Anstrengungen des Widerstandes werden in Konfrontation mit den Besatzungskräften und ihren Satrapen geführt. Die Aktivitäten des Widerstandes sind ebenso in Übereinstimmung mit dem, was die Partei in ihrem politischen Programm des Widerstandes vom 9. September 2003 beschrieben, charakterisiert und erklärt hat.

Die Baath Partei hob zudem die entscheidenden Teile der politischen Landschaft im besetzten Irak hervor als kämpfende Konfrontation zwischen der illegitimen Besatzung und dem legitimen bewaffneten Widerstand.

In Übereinstimmung hiermit ist die Baath Partei nichts anderes als eine kämpfende Widerstandkraft, so lange wie die Besatzung anhält und bis die Befreiung des Irak und die Vertreibung der Okkupationstruppen erreicht ist. Die Baath Partei beschäftigte und beschäftigt sich mit der Besatzung, ihrer Realität und ihren Ergebnissen, Plänen, Projekten  und Kollaborateuren indem sie diese bekämpft. (…)

Die Arabische Sozialistische Baath Partei wird niemals Teil der Besatzungspläne oder Kräfte im oder außerhalb des Irak werden.

Die Baath Partei war und wird immer auf Basis ihrer Ideologie, Politik und Organisation eine fest verankerte und standhafte Widerstandskraft gegen die Besatzung bleiben sowie eine bewaffnete Führerin des Widerstandes, verwurzelt in der Erde und dem Volk des Irak. Sie hat der Arabischen Nation geschworen, auf ihrem militanten Weg vorwärts zu marschieren, ihr Programm der Befreiung und Widergeburt zu projizieren und zu erneuern sowie zu ihren Überzeugungen zu stehen, für sich und die Arabische Nation und die Humanität, um für die Zerschlagung der amerikanischen imperialistischen Pläne im Irak, der Region und der Welt zu arbeiten.

Politische-, Publizistische- und Informations-Abteilung, Arabische Sozialistische Baath Bartei, Irak, 23.4.2004

*der GEHEIM-Redaktion zugegangene, von uns übersetze und leicht gekürte Fassung


Nationale Befreiungsarmee des Irak[8]

Im Namen Gottes, des Allmächtigen, des Barmherzigen

Teure Brüder,

wir grüßen Euch aus den Schützengräben des heldenhaften Widerstandes der Märtyrerstadt Faludscha und aller Städte und Plätze unseres geliebten Irak, wo sich unsere stolzen Söhne und Töchter gegen die imperialistische Besatzung erhoben haben. Eure ehrenhafte Anteilnahme und Solidarität – wie die aller friedliebenden Menschen – hat sich tief in das stolze Bewusstsein unseres tapferen Volkes eingegraben und wird täglich Teil unserer glorreichen Geschichte wie auch der Geschichte aller Araber auf ihrem Weg der Befreiung von Imperialismus und Zionismus, auf ihrem unaufhaltsamen Weg zur arabischen Wiedergeburt.

„Den Unterdrückten ist die Erlaubnis und der Befehl zum Kampf gegeben; und Gott hat die Macht, ihnen zu helfen.“ (Koran, Sure 22/39)

Die Schlacht um Faludscha hat eine neue Etappe im Kampf um die Befreiung unserer geliebten Heimat, dem Irak, eingeleitet. Die heldenhaften Mudjahedin waren und sind in der Lage, dem materiell überlegenen Feind seine Grenzen aufzuzeigen, mit dem Blut ihrer Märtyrer ein neues Kapitel im heiligen Buch, das Zeugnis über die Vertreibung der imperialistischen, ungläubigen Besatzer ablegt, zu schreiben. Nach der Wiederwahl des Völkermörders Bush war den irakischen Mudjahedin klar, dass die amerikanischen Imperialisten und ihre Helfer eine neue, blutigere, umfassendere Offensive gegen den tapferen Widerstand des irakischen Volkes starten würden – in der Hoffnung, das irakische Volk niederzuwerfen und ihre Marionetten, die sich „Übergangsregierung“ nennen, endgültig zu etablieren.

Wir wussten, dass sie mit Faludscha ein Symbol des glorreichen Widerstandes wählen würden.

Dementsprechend haben sich die Helden des Widerstandes vorbereitet. Noch vor dem endgültigen Angriff des Feindes haben Einheiten des Volkswiderstandes Faludscha verlassen und Zellen überall im Land gebildet oder verstärkt, um mit dem Beginn des Angriffs das Feuer unter den Füßen des verbrecherischen Feindes in möglichst vielen Städten, Orten und Gemeinden des Landes entzünden zu können. Diejenigen Mudjahedin, die blieben, warteten hingegen auf den Angriff des Feindes, bereit, als Märtyrer im Kampf um die Befreiung der Heimat zu sterben und auf diese Weise mit ihrem Blut zu bezeugen, dass der heldenhafte Widerstand des tapferen irakischen Volkes auch mit brutalsten Methoden und modernster Kriegsmaschinerie nicht gebrochen werden kann.

Die Schlacht entwickelte sich entsprechend der strategischen Planung der Mudjahedin. Zunächst sind wir dem in Faludscha eindringenden Feind direkt gegenübergetreten, während unsere Brüder an vielen Orten des Landes auf verschiedene Art und Weise das Feuer des heiligen Krieges gegen die imperialistischen Besatzer verstärkten, ihnen empfindliche Verluste zufügten und für sie das Tor zur Hölle öffneten. Als zweiten Schritt zogen sich die tapferen Mudjahedin in die Gassen und schwer zu überblickenden Orte der Stadt zurück, um die Kräfte des Feindes zu zersplittern, seine barbarische Luftüberlegenheit zu relativieren und in direkten Kämpfen den feigen, ungläubigen Hunden, die uns unser Land rauben wollen, den Todeshauch der Hölle einatmen zu lassen.

Bis heute leisten tapfere Mudjahedin den imperialistischen Besatzern in Faludscha Widerstand, obwohl der imperialistische Feind lauthals und prahlerisch verkündet hat, dass er die Stadt der Märtyrer bereits unter seine Kontrolle gebracht hätte. Brüder, glaubt den imperialistischen Besatzern und ihren Verkündungen nicht! Verachtet diejenigen Medien, die ihre Kriegspropaganda verbreiten und damit – mit allen Konsequenzen – zur Kriegspartei werden! Verstärkt stattdessen Eure Solidarität mit dem irakischen Volk und seinem glorreichen Befreiungskampf!

Der Feind lügt auch über die Zahl der Märtyrer unter den Mudjahedin. Jeder von ihnen hat mit Freude sein Blut für die Befreiung seiner geliebten Heimat gegeben, aber die tatsächliche Zahl der Märtyrer hat in Faludscha bisher die Zahl von 200 nicht überschritten. Die Tausenden von Toten, die die barbarische Kriegsführung des verfluchten Feindes gekostet hat, sind Frauen, Kinder, Alte, unschuldige Zivilisten. Aber auch die tatsächliche Zahl der getöteten und verwundeten Feinde überschreitet bei weitem jene, die die Propagandisten des Krieges und der Besatzung veröffentlichen, berauscht von ihren Wahnvorstellungen, sie hätten den heroischen Volkswiderstand gebrochen und könnten nun das unwürdige Leben ihre schmutzigen Marionetten verlängern, um den geliebten Irak unter der Knute von Besatzung und Ausplünderung halten zu können.

Die Schlacht um die Märtyrerstadt Faludscha hat aber auch gezeigt, dass sich der imperialistische, ungläubige Feind auf seine Marionetten, die sich fälschlicher Weise Iraker nennen, nicht verlassen kann. In den tatsächlichen Konfrontationen mit den heldenhaften Mudjahedin steht den schmutzigen Besatzern nur eine einzige Brigade der so genannten „Irakischen Nationalgarde“ zur Verfügung. Diese verräterischen Kreaturen sind die einzigen, auf die sich der Feind tatsächlich verlassen kann, weil sie ihre Seelen und ihre Ehre komplett an Imperialismus und Zionismus verkauft haben. Und diese Brigade besteht in ihrer absoluten Mehrheit vor allem aus kurdischen Kollaborateuren, langjährigen CIA-Agenten, billigen Lumpen und berufsmäßigen Kriminellen.

Um den wachsende, sich auf allen Ebenen intensivierenden Widerstand des heldenhaften irakischen Volkes zu diskreditieren, greifen die imperialistischen Besatzer auch immer verstärkter zu einer besonders dreckigen Methode, die vor allem unschuldige Zivilisten trifft und die Mudjahedin von den irakischen Massen, ihren arabischen Brüdern und allen friedliebenden Menschen isolieren soll. Hierfür nutzen sie Agenten und Kreaturen, die im Namen des Widerstandes oder anonym Anschläge durchführen, die sich vor allem gegen Unschuldige richten.

Beispiel hierfür sind zum Beispiel Bombenattacken gegen christliche Kirchen oder Angriffe auf Ziele, bei denen die Planung vor allem auf die Massakrierung  von Zivilisten zielt. Zu diesem hinterlistigen Zweck nutzen sie zumindest propagandistisch Elemente, die sie zu Al-Qaida rechnen. Es ist jedoch inzwischen bekannt und erwiesen, dass diese Organisation, die nicht wirklich existiert, aus immer neuen Kreaturen mit wechselnden Gesichtern vorgestellt wird, die bereits seit langem in Verbindung mit der verbrecherischen CIA und/oder dem zionistischen MOSSAD stehen.

Eine verräterische Gruppierung, die direkt von der CIA mit Unterstützung des von ihm abhängigen Geheimdienstes des Alawi-Marionettenregimes in Bagdad geschaffen wurde, ist die so genannte „Islamische Armee im Irak“, die von Kohammed Kazem al Janabi geleitet wird und mit dem berüchtigten Abu Moussa Al Zarqawi zusammenarbeitet, der als angeblicher Beweis für die Rolle Al-Qaidas und der Kontrolle des heldenhaften irakischen Widerstandes durch ausländische Kräfte vorgestellt wird. Al Janabi ist ein ehemaliger Offizier der tapferen irakischen Volksarmee, der sich noch vor dem verbrecherischen Angriff der Imperialisten auf unsere geliebte Heimat dem Feind und seinem CIA verkauft hat. Er hat damit bereits damals sein Todesurteil unterschrieben. Mit all diesen schmutzigen, dem ungläubigen Besatzern zuarbeitenden Elementen hat der heldenhafte Widerstand des mutigen irakischen Volkes nichts zu tun. Deshalb und wegen der Rolle, den die dreckigen Besatzer diesen verabscheuungswürdigen Banditen zugedacht hat, haben die tapferen Mudjahedin bereits mehrere militärische Operationen gegen diese Hunde unternommen und einige ihrer Zellen eliminiert. Falls sie nicht unser Land verlassen, werden sie gemeinsam mit den imperialistischen Besatzern von den starken Schwertern der Mudjahedin in die Hölle gejagt werden.

Brüder, nutzt alle Eure Möglichkeiten, um die friedliebenden Menschen über die wahre Lage im Irak und den Volkscharakter des heldenhaften Widerstandes zu informieren. In diesem Zusammenhang erlaubt es uns, Euch, die ehrlich und aufrichtig an der Seite des irakischen Volkes steht, über die Aktivitäten einer verräterischen, mit den imperialistischen Besatzern kollaborierenden Gruppe zu informieren, die sich „Irakische Kommunistische Partei“ nennt. Viele ihrer patriotischen Mitglieder haben dieses Grüppchen, das die Interessen des Feindes vertritt, inzwischen verlassen und dem heroischen Widerstand des irakischen Volkes angeschlossen. Sie kämpfen Seite an Seite mit den heldenhaften Mudjahedin. Die Führer dieser Verrätergruppe sitzen jedoch weiter in der Marionettenregierung und unterstützen damit als Ausverkäufer ihrer Heimat Besatzung, Terror und Unterdrückung. Wie wir erfahren haben, reisen einige schmutzige Elemente dieses kollaborierenden Grüppchens regelmäßig ins Ausland und spielen dort willfährig jene Rolle, die ihnen von ihren imperialistischen Herren zugedacht worden ist: sie sollen vor allem ehrliche, friedliebende Menschen verwirren, sie über die wahre Situation im Irak und den tatsächlichen Heldencharakter des Widerstandes desinformieren. All dies ist ein Teil des hinterhältigen Planes des Feindes.

Brüder, seid versichert, wir werden unseren gerechten, heroischen Kampf weiterführen, bis unsere geliebte Heimat befreit ist. Die immer näher rückende Befreiung unseres Irak ist ein wichtiger Schritt für die Befreiung der Arabischen Heimat von Imperialismus und Zionismus. Dieser Weg des Befreiungskampfes, getränkt und geheiligt vom Blut unserer unvergesslichen Märtyrer, ist auch der Weg der Befreiung Palästinas.

Tod den imperialistischen Besatzern und ihren Kollaborateuren!

Es lebe der heilige Befreiungskampf des irakischen Volkes!

Es lebe unser geliebter Irak!

Vorwärts auf dem Weg zur Wiedergeburt unserer großen Arabischen Nation und ihrer Reinigung von Imperialismus uns Zionismus!

Abu Majid, Kommandeur der „Nationalen Befreiungsarmee des Irak“, Irak, Ende November 2004


Irak - Texte zur Rolle der „Irakischen KP[9]

Irakische Kommunistische Partei (Kader):[10]

„Die USA haben unser Land erobert und den Jahrestag des Falls von Bagdad zu Feiertag erklärt. Zur gleichen Zeit haben sie die Feiern zum Jahrestag der glorreichen Juli-Revolution abgeschafft. Paul Bremers ‚Rat’ (gemeint ist der von der USA eingesetzte und kontrollierte „Provisorische Verwaltungsrat“, d.Red.) hat das abgesegnet, ein ‚Rat’, dem auch, nach einem unerhörten Bruch mit der Vergangenheit, das Sekretariat der Kommunistischen Partei des Irak angehört. (…)

Nun ist der verräterische Kurs des Sekretariats der Kommunistischen Partei des Irak und seiner Anhänger und Mitläufer nicht über Nacht entstanden. Am 2. April 2003 meldete das Parteiorgan ‚Tariq ash-Sha’b’, dass eine Gruppe von Kämpfern der Kommunistischen Partei des Irak gemeinsam mit den Amerikanern gegen die irakische Armee kämpft. Diese Kämpfer feierten den Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei des Irak dort an der Front unter den Amerikanern. (…)

Die Annäherung der Partei an die US-Amerikaner geschah sowohl heimlich als auch offen und wurde gekrönt von offiziellen Besuchen, allerdings außerhalb des Rahmens der von den USA unterstützen Opposition, die sich bei der Londoner Konferenz traf. Im Verlaufe dieser Treffen und im Umfeld der Irakischen ‚Rats’-Versammlung setzte die Partei genau die Politik um, die die CIA für sie geplant und ausgearbeitet hat während der letzten 13 Jahre. (…)

Dieser Kniefall wurde enthüllt durch ein Dokument des Pentagon und ein anderes Papier von Qasim Sirhan, beide wurden im Internet publiziert. Sie zeigen, dass die Hauptfiguren der Renegatengruppe um Hamid Majid (gemeint ist die Führung der KP des Irak, dessen Generalsekretär eben jener Hamid Majid ist, d. Red.) nichts anderes sind als bezahlte Agenten im Dienst der CIA. (…)

Wir irakische Kommunisten haben nie und nimmer an der Seite der Eroberer gestanden und auch nicht an der Seite irgendeiner Gruppe, die sie unterstützte. Die Besatzung ist unser erster Feind und wir arbeiten mit all unserer Kraft darauf hin, sie los zu werden. Wir sind Teil des nationalen Widerstandes mit all seinen unterschiedlichen ideologischen Facetten. Wir stehen an der Seite unseres ehrenhaften irakischen Volkes, wenn es heldenhaft gegen die Besatzung aufsteht. Der ‚Regierungsrat’ oder ähnliche verräterische und falsche Körperschaften der Besatzungsmacht sind in unseren Augen nichts anderes als undemokratische, nicht anzuerkennende Gremien, die mit Paul Bremer (US-Prokonsul im Irak, d. Red.) kooperieren. (…)“

                                                                                                                                           KP Iraks (Kader)


Joachim Guilliard: Anmerkungen zum Artikel „Zur aktuellen Lage im Irak“ von Rashid Ghewielib[11]

Der Vertreter der mit der Besatzung kollaborierenden Irakischen Kommunistischen Partei in Deutschland, Rashid Ghewielib, erhielt die Gelegenheit sich „Zur aktuellen Lage im Irak“ in der PDS-Zeitschrift "Disput" (Nr. 9/2004) zu äußern. Zu seinem (…) Artikel hat Joachim Guilliard in einer E-Mail vom 22. September 2004 einige der wesentlichen Kritikpunkte aufgelistet (es gäbe noch einiges mehr dazu zu sagen). Mit Genehmigung von Joachim Guilliard wird seine Analyse hier dokumentiert:

„Der Text enthält dieselbe die Besatzungsherrschaft unterstützende Propaganda wie frühere Äußerungen Rashids und andere Texte der irakischen KP. Auch eine gewisse Distanzierung zu den USA hat nie gefehlt. Man findet aber nie eine konkrete Kritik an der Besatzungspolitik. (Man sollte ihn z.B. mal mit dem Bericht des US-amerikanischen Center for Economic and Social Rights ‘Beyond Torture: U.S. Violations of Occupation Law in Iraq’ konfrontieren http://www.cesr.org/beyondtorture.htm)

Der Propagandacharakter seines Textes wird besonders deutlich, wenn er den ‚Regierenden Rat’ als Gremium preist, das auf Druck der UNO geschaffen worden wäre, und allen ‚wichtigen politischen Parteien’ Mitsprache eingeräumt hätte. Und uns dann noch das Märchen auftischt, die ‚Interimsregierung’ wäre durch Konsultationen zwischen den politischen Hauptkräften entstanden und würde nun das Land eigenständig regieren.

Da ist die Financial Times in einem ihren jüngsten Editorials ehrlicher: ‘The transitional political process, designed to lead to constituent assembly and general elections next year, has been undermined because the nervous US-dominated occupation authority has insisted on hand-picking various permutations of interim Iraqi governors, mostly exiles or expatriates with no standing among their people.’

An sich weiß doch jeder, dass die Interimsregierung die ‚gleiche Unabhängigkeit wie ein Hund an der Leine’ hat, d.h. solange frei ist, solange sie in die gleiche Richtung wie ihr Herr trottet. (in meiner neuen IMI-Studie ‚Im Treibsand Iraks’ habe ich einiges an Material dazu zusammengetragen, ab >Die ‚Übergangsregierung’ – ‚Souveränität’ per Definition<, http://www.embargos.de/irak/occupation/hintergrund/im_treibsand_jg2.htm#_Toc25092)

Die Mehrheit der politischen Kräfte im Lande (z.B. Al Sistani und seine Anhänger) lehnt bis heute eine Mitarbeit in den von den Besatzern geschaffenen und kontrollierten Gremien ab. Schon von daher ist es merkwürdig, wenn eine Organisation, die behauptet gegen die Besatzung zu sein, da mitmacht.

Mein Problem bei der Politik der IKP ist aber weniger diese Beteiligung – darüber könnte man ja noch diskutieren. Zu Kollaborateuren werden Rashid und seine Parteigenossen dadurch, dass sie die Besatzungsherrschaft beschönigen und eine Unabhängigkeit der Interimsregierung vorspiegeln, die nicht existiert, die Möglichkeit eines sanften Weges zur Selbstbestimmung und Demokratie vorzugaukeln, in völligem Gegensatz zu den von den USA am Boden geschaffenen Realitäten. Wenn sie tatsächlich, wie er schreibt „keinerlei Illusionen“ über die US-Politik haben, dann ist ihre Unterstützung schlicht verbrecherisch.

Mit seinen Äußerungen über den Widerstand im Irak bedient Rashid ebenfalls die US-amerikanische Propaganda. Es sind dieselben Stereotypen: Reste der Diktatur, ausländische Kämpfer, Islamisten. Wo das nicht so recht hinhaut, wie in Najaf, bemüht er noch den Einfluss der Nachbarstaaten, insbesondere des Irans. Tatsächlich enge Beziehungen zum Iran hat aber nicht Al Sadr, sondern SCIRI, der Koalitionspartner der IKP.

Ich habe beim Tribunal in New York mit einer ganzen Reihe von Irakern sprechen können, allesamt langjährige Kämpfer/innen gegen Husseins Regime. Das was diese aus ihrem Land und über den Widerstand erzählen, hört sich ganz anders an, als was Rashid auftischt.

Selbstverständlich ist der Widerstand viel breiter, als er es uns aus Parteiinteresse weismachen will. Es ist ziemlich billig, da nur auf die üblen Seiten zu zeigen. Es ist ja wohl kaum vorstellbar, dass sich Widerstandskämpfer in den umkämpften Städten lange gegen den militärisch haushoch überlegenen Gegner halten könnten, wenn sie nicht Unterstützung durch einen guten Teil der Bevölkerung hätten. Die Gleichsetzung der Widerstandsorganisation mit deutschen Neonazis ist daher eine üble Verleumdung.

Selbst die Baath-Partei hat im übrigen nichts mit Faschismus gemein und es ist auch Quatsch, alle Baath-Mitglieder als treue Parteigänger Saddam Husseins hinzustellen. (Husseins Herrschaft stützte sich ja nicht auf die Partei, sondern hauptsächlich auf verwandtschaftlich verbundene Cliquen und verbündete Stammesführer.)

Propaganda ist auch, wenn er die Beendigung der Kämpfe in Najaf als Verdienste der Interimsregierung und der Nationalkonferenz ausgeben will. Hat doch das Abkommen zwischen Al Sistani und Al Sadr vor allem gezeigt, dass Lösungen dann möglich werden, wenn sich die Besatzer und ihre Quislinge raushalten. Gewinner waren schließlich die Besatzungsgegner, sowohl Al Sistani als auch Al Sadr. Der eindrucksvolle Marsch diente ja nicht nur der Unterstützung Al-Sistanis, sondern war quasi auch „Entsatz“ für Al Sadrs Leute, die nach Ankunft der Demonstranten beim Schrein, in der Menge ihr sicheres Geleit fanden.

Übel finde ich auch das Schweigen von Rashid und der gesamten IKP über das brutale Vorgehen der Besatzungstruppen, das routinemäßig von der Interimsregierung abgesegnet wird. Bei vielen diese Angriffe auf Falluja, Najaf und die anderen Städten, über die die USA die Kontrolle verloren haben, mit den Hunderten von Toten, gab es immer auch aus den Reihen des ‚Regierenden Rats’, der ‚Interimsregierung’ und regionalen Räten, Proteste, Rückzugsdrohungen etc. – aber nie von der IKP.

Z.B. traten der stellv. Gouverneur von Najaf, Jawdat Kadam Najim al-Kuraishi, und 16 Mitglieder des Provinzrates aus Protest gegen die US-Angriffe zurück: ‚I resign from my post denouncing all the US terrorist operations that they are doing against this holy city", so al-Kuraishi. (‚Ich trete von meinem Posten zurück und verurteile alle die terroristischen Operationen der USA, die sie gegen diese heilige Stadt unternehmen.’/Übers.KvR)

Desgleichen der Direktor für Stammesangelegenheiten im Innenministerium, der Al-Jazeera (inwzischen bekannten und populärer arabischer Fernsehsender, d.Red.) gegenüber angab, dass ‚he could no longer work with the interim government in good faith, given the 'carnage and barbaric aggression of the US-led forces in Najaf ... I am a part of this nation, I am a part of these people. My fellow tribesmen are now fighting in Najaf and Sadr city.’ (‚dass er nicht länger in der Interimregierung guten Glaubens mitarbeiten kann, angesichts des Blutbads und der barbarischen Aggression der von den USA angeführten Kräfte in Nadschaf…Ich bin Teil dieser Nation, ich bin Teil dieses Volkes. Meine Stammesbrüder kämpfen nun in Nadschaf und Sadr City.’/Übers.KvR)

Von der IKP habe ich bisher noch keine einzige Stellungnahme gegen all diese Massaker gesehen. Wir sollten einer solchen Organisation wirklich keinen Raum für ihre Propaganda lassen.“

                                                                                                                                         Joachim Guilliard,

                            in: Anti-Imperialistische Korrespondenz, Klaus v. Raussendorff, 19. Oktober 2004


Anti-Imperialistische Korrespondenz: IKP - Frontorganisation als Propagandainstrument der Besatzer[12]

 

Als bekannt wurde, dass auf dem Europäischen Sozialforum (16./17. Okt. 04) in London in der Plenumsveranstaltung zum Thema „End Occupation in Iraq“ ausgerechnet der Generalsekretär der regierungsnahen irakischen Gewerkschaft Iraqi Federation of Trade Unions (IFTU), Subhi Al Mashadini, ein prominentes Mitglied der Irakischen Kommunistischen Partei, als Vertreter der irakischen NGOs sprechen sollte, gab es massive Proteste aus aller Welt. Al-Mashadini wurde dennoch nicht ausgeladen, allerdings wurde mit Sabah Jawad (Iraqi Democrats Against Occupation) noch ein zweiter Vertreter einer Organisation aus dem Irak eingeladen, der, wie es scheint, von irakischen Besatzungsgegnern weitgehend akzeptiert wird.

IFTU-Leute haben in GB hinter den Kulissen fleißig daran mitgewirkt, britische Gewerkschaften umzustimmen und davon abzuhalten, auf dem Labourparteitag für einen baldigen Rückzug der britischen Besatzungstruppen zu votieren. Zu diesen Machenschaften der IFTU erklärte die britische Friedensbewegung Stop the War Coalition" (StWC ) in der hier dokumentierten Stellungnahme unter anderem:

„Bei letzterem Unterfangen wirkte der Vertreter der IFTU als unmittelbares Instrument der Regierung und des Labour-Parteiapparates, der seine Stellungnahmen gegenüber den Delegierten erarbeitete und verbreitete und ihm Zugang zu den Gewerkschaftsdelegierten verschaffte. In Wirklichkeit war die Stellungnahme des IFTU-Vertreters, die von der Partei herausgegeben wurde, nicht nur eine Unterstützung der weiteren militärischen Besetzung seines Landes sondern konnte auch als Unterstützung der ursprünglichen Invasion im Irak verstanden werden.“(Übers. KvR)

Das Europäische Büro des Weltgewerkschaftsbundes (WGB) hatte schon im Juni d.J. vor Versuchen der amerikanischen Imperialisten gewarnt, „mit Hilfe einiger Iraker neue Gewerkschaften zu bilden, die den Eroberern und Mördern der arabischen Nation freundlich gesonnen sind.“ („Das irakische Volk leistet Widerstand“ in „EUROFlashes“, 3. Jhrg., Band 3, Juni 2004; http://www.eurofwftu.gr/en/index.html, siehe aikor-infomail vom 12. Juli 04 www.aikor.de).

Weitere Informationen zur Rolle der IFTU siehe folgende Webseiten:

Chris Marsden and Julie Hyland, Britain: “Labour Party conference endorses occupation of Iraq” („Die Labourpartei unterstützt die Besatzung des Irak”) v. 2. Oktober 2004 (http://www.wsws.org/articles/2004/oct2004/blab-o02.shtml). Darin wird zum Auftritt des IFTU-Vertreters, Abdullah Mushin beim Labour-Parteitag angemerkt: „Die IFTU ist die Hausgewerkschaft der Interimsregierung, die Gegenstand einer formellen Beschwerde bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) der UN gewesen ist, ihr offizieller Status verhindere die Entwicklung von echt unabhängigen Arbeiterorganisationen.“ (Übers. KvR)

“Fake unions won’t help Iraqi workers” (Falsche Gewerkschaften helfen den irakischen Arbeitern nicht”) in Socialist Worker Nr. 1922 vom 9 Oktober 2004 http://www.socialistworker.co.uk/print_article.php4?article_id=2724

Darin heißt es: “Die IFTU behauptet für die irakischen Gewerkschaften zu sprechen. Das ist nicht wahr. Eine leidenschaftliche Rede eines irakischen Gewerkschafters half, die Labour-Delegierten davon abzubringen, beim Parteitag letzte Woche für einen Rückzug der britischen Truppen aus dem Irak zu stimmen. Abdullah Muhsin von der Irakischen Gewerkschaftsföferation (IFTU) sagte, ein voreiliger Rückzug würde „zu einem schmerzlichen Bürgerkrieg führen“. Muhsin hat vor Versammlungen der britischen Gewerkschaften gesprochen, von denen viele gegen den Krieg sind. Die britische und die US-amerikanische Regierung versuchen, die IFTU zu benutzen, um die Gewerkschaften und die Antikriegsbewegung zu spalten. Hani Lazim, Mitglied der Irakischen Demokraten gegen die Besatzung, informierte Socialist Worker über die IFTU. (…)Abdullah Muhsin lebt in Großbritannien. Er ist politischer Flüchtling und ein führendes Mitglied der Irakischen Kommunistischen Partei… (… ) Die IFTU und die Irakische Kommunistische Partei repräsentieren nicht die Arbeiterklasse der irakischen Gesellschaft. Sie sind eine Bande der schlimmsten Verräter. Was beim Labour-Parteitag geschah, ist ein großer Schwindel.” (Übers. KvR)

                        Aus: Anti-Imperialistische Korrespondenz, Klaus v. Raussendorff, 19. Oktober 2004


Irak - Die DKP-Führung und der Widerstand

Redaktion Offensiv: Kollaborateur der Kollaborateure? Die DKP-Führung und der Irak

Die DKP-Führung wird nicht müde, gerade in den letzten Monaten eine „solidarische Streitkultur“ in der DKP einzufordern und nicht nur der DKP-Vorsitzende Heinz Stehr hat mehrfach unterstrichen, dass die derzeitigen ideologisch-politischen Auseinandersetzungen in der DKP im Rahmen eines „normalen Spektrums“ kommunistischer Diskussionen gerade in heutiger Zeit stattfänden. Jene innerhalb und außerhalb der DKP, die diese Auseinandersetzungen als notwendige Auseinandersetzungen mit dem Revisionismus einschätzen, werden von der DKP-Führung jedoch als „Spalter“, „Linkssektierer“ etc. abgekanzelt.

Mit den jüngsten Stellungnahmen der DKP-Führung zum Irak ist jedoch, so meinen wir, eine „neue Qualität“ erreicht worden. Wer die von uns in diesem Heft im Rahmen des „Schwerpunktes Irak“ abgedruckten Dokumente genau studiert, der wird feststellen müssen, dass sich die Einschätzung der Lage im Irak durch die DKP-Führung an den Propaganda- und Desinformationsmustern der imperialistischen Besatzer, ihrer Geheimdienste und Medien orientiert; dies betrifft vor allem die Bewertung des Widerstandes des irakischen Volkes gegen die nordamerikanisch-geführte Besatzung. Ganz offensichtlich übernimmt die DKP-Führung ohne jede Prüfung ALLE Positionen der so genannten „Irakischen Kommunistischen Partei“, macht sie zu den ihrigen. Diese Positionen sind jedoch die der offenen Kollaboration mit dem Imperialismus. Als Mitglied einer „Übergangsregierung“ in Bagdad, die – durchsetzt von offenen Agenten der CIA -  von den US-Besatzern eingesetzt, kontrolliert und am Leben gehalten wird, trägt sie alle Terrormaßnahmen und Massaker ihrer Herren in Washington und London mit.

Das bedeutet jedoch nichts anderes als Kollaboration mit Kollaborateuren. Genau das ist es, was Rüdiger Göbel in seinem junge welt-Kommentar vom 15. November der DKP-Führung vorgeworfen hat. Liest man die Replik der UZ-Redaktion auf diesen Kommentar genau, dann kann man sich angesichts der Wortwahl und des ganz offensichtlich hinter ihr stehenden politischen Weltbildes einer gewissen Gänsehaut des Erschauerns nicht erwehren. Kritiker der DKP-Führung wie Rüdiger Göbel leiden an „Leseschwäche und frappierender Unkenntnis“ und Rüdiger Göbel  verbreitet zudem Lügen“ und der irakische Widerstand sei eine „geistige Allianz von ‚Ultralinken’ und religiös Wahnsinnigen“. Gegen diese angeblich existierende Allianz gehen die Besatzer mit Bomben und Terror vor. Die so genannte „Irakische Kommunistische Partei“ stützt diese Maßnahmen und sichert sie objektiv propagandistisch ab. Die DKP-Führung macht sich diese Positionierung ihrer irakischen Bruderpartei zu Eigen. Für beide scheint die angeblich im Irak existierende „Allianz von `Ultralinken` und religiös Wahnsinnigen“ damit der eigentliche Feind zu sein, den es zu bekämpfen gibt. Und dieser Kampf wird ihnen von den US-Besatzern abgenommen. Die DKP-Führung nennt auch einige ihrer internen wie externen Kritiker in der Bundesrepublik Linkssektierer, Linksopportunisten oder Ultralinke. Alles nachzulesen in offiziellen DKP-Dokumenten. Das gleiche Feindbild?

Wer die Kollaboration mit Kollaborateuren zur Parteilinie erklärt, der legt die Axt an die antiimperialistischen Wurzeln seiner Partei. Dies tut die DKP-Führung. Der DKP-Parteivorstand hat dem ganz offensichtlich nicht widersprochen. Der Widerstand der Mitgliedschaft hält sich bisher in Grenzen. Kritik kommt hauptsächlich, deutlich und öffentlich vor allem von außen.

Für uns sind Revisionismus und die mit ihm in Konsequenz einhergehende Aufgabe antiimperialistische Positionen unvereinbar mit einer kommunistischen Partei. Es sind jedoch alleine die Mitglieder der DKP, die darüber zu entscheiden haben, in welcher Partei sie sich schon sehr bald wieder finden könnten…

                                                                                                                     Redaktion Offensiv, Hannover


Heinz Stehr, Vorsitzender der DKP:[13]  Zu Aspekten des Internationalismus in unserer Zeit

„Umstritten ist in einem Teil der Linken, so auch unter Mitgliedern der DKP, ob es legitim ist, dass die KP Irak an dem vorläufigen Regierungsrat beteiligt ist oder nicht. Umstritten ist, wie die im Irak wirkenden Kräfte tatsächlich einzuschätzen sind. (…) Überall, wo es Fragen und Probleme gibt, sollten die DKP-Gliederungen sich bemühen, Referentinnen und Referenten der KP des Irak einzuladen, um über entstandene Fragen zu diskutieren. (…) Unsere internationalistische Solidarität gehört der KP des Irak. Ob und wie lange es richtig ist, in dem von den USA geschaffenen Regierungsrat mitzuwirken, diese Entscheidung ist aus meiner Sicht in der Verantwortung der gewählten Leitung dieser Partei. Als DKP lehnen wir die Kampagne zur Sammlung von Geld für bewaffnete Aktionen im Irak ab.“

Heinz Stehr, Vorsitzender der DKP: „Zu Aspekten des Internationalismus in unserer Zeit“, Referat auf der 6. Tagung des Parteivorstandes der DKP, 14./15. Februar 2004


Heinz Stehr, Vorsitzender der DKP, zur Haltung der IKP und zu Prinzipien internationaler Beziehungen: „Zur politischen Situation im Irak“[14]2

Anlässlich der Diskussionen über den Widerstand im Irak und seinen Charakter sowie über die Haltung der Irakischen Kommunistischen Partei (IKP) und ihre Beteiligung am Regierungsrat im Irak, bezog Heinz Stehr, Vorsitzender der DKP, auf der 9. Parteivorstandstagung erneut Stellung zu dem Thema. Wir veröffentlichen im Folgenden Auszüge aus seinem Diskussionsbeitrag.

Die DKP hat im Rahmen des 16. Parteitages einen Beschluss zum bevorstehenden Irak-Krieg gefasst. Im Rahmen der Referate der 6. und 7. Parteivorstandstagung wurden diese Positionen weiter entwickelt. Das Referat "Zu Aspekten des Internationalismus" nimmt ebenfalls zu der Problematik Stellung und wurde kollektiv von der Internationalen Kommission erarbeitet. Die UZ hat Standpunkte zur Entwicklung im Irak dokumentiert. In diesem kurzen Diskussionsbeitrag möchte ich mich erneut zu einigen aufgeworfenen Fragen positionieren.

1. Die Irakische Kommunistische Partei ist eine kommunistische Partei, mit der die DKP seit Jahrzehnten freundschaftliche, solidarische und vertrauensvolle Zusammenarbeit pflegt. Sie weist sich mit ihrem Programm und Handeln als eine Partei aus, die für den revolutionären Bruch der Macht- und Eigentumsverhältnisse und einer gesellschaftlichen Zukunft im Sozialismus wirkt. In Vorbereitung ihres 8. Parteitages werden Sozialismusvorstellungen diskutiert. In den Jahrzehnten der Unterdrückung, Verfolgung und Illegalisierung wurden Zehntausende ihrer Mitglieder Opfer. Die irakische KP hat auch bewaffneten Widerstand gegen das reaktionäre Saddam-Regime geleistet. Sie ist heute im Irak mit 85 Politbüros, einer Zeitung, die in einer Auflage von 15.000 Exemplaren zwei Mal wöchentlich erscheint, einem Theorieorgan ähnlich den Marxistischen Blättern, und mit mehreren Zehntausenden Mitgliedern präsent.

2. Die Irakische Kommunistische Partei hat für die Befreiung des Iraks vom Saddam-Regime gekämpft. Sie war gegen den Krieg der USA und Verbündeter, dies war das entscheidende Argument, warum die IKP sich nicht an Konferenzen des so genannten Widerstandes im Ausland beteiligt hat. Die IKP ist gegen die Besatzung. Sie tritt für die Herstellung der vollen nationalen Souveränität ein. Sie ist heute die treibende Kraft zur Formierung einer auf Klasseninteressen orientierten Gewerkschaftsbewegung, von Frauen- und Jugendbewegung, die antiimperialistische Grundpositionen vertreten.

3. Für die Irakische Kommunistische Partei ist die Mitarbeit im Regierungsrat so lange sinnvoll, wie es gewährleistet ist, dass dort die Möglichkeit im Bündnis mit anderen fortschrittlichen Kräften besteht, politische Ziele durchzusetzen. 60 Prozent der dortigen Kräfte treten für eine laizistische, 40 Prozent für eine islamische Regierung ein. Durchgesetzt wurde eine Übergangsverfassung, die nach Aussagen der Genossen die fortschrittlichste im Nahen Osten ist.

Eine 25-prozentige Frauenquotenregelung wurde für alle wichtigen gesellschaftlichen Funktionen beschlossen. Bisher wurde durchgesetzt, dass die Zukunft des Iraks in einem föderalistischen bürgerlich-demokratischen System liegen soll. Die USA streben die dauerhafte Besetzung des Landes an, um den Einfluss auf die politischen Verhältnisse zu sichern. Dabei setzen sie auch auf die Kräfte um den Übergangspräsidenten Allawi und andere. Andere Teile im Regierungsrat wollen einen Staat mit einer islamischen Verfassung durchsetzen. Die IKP setzt auf außerparlamentarische Bewegung und Mitarbeit im Regierungsrat, um ihre politischen Ziele durchzusetzen.

Nach Ansicht der Genossen werden sich die Formen des Widerstandes verändern, wenn sich die politischen Verhältnisse verändern sollten. Diese Politik ist aus ihrer Sicht erfolgreich, auch weil die Privatisierung der Ölindustrie, des Verkehrswesens und anderer Bereiche verhindert werden konnte. Es gelang, Voraussetzungen zu einer Sozialversicherung zu schaffen. Mit dem vorhandenen Verteilungssystem wird die Grundversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln gewährleistet. Die Arbeitslosigkeit konnte in den letzten Monaten von 52 auf 26 Prozent halbiert werden.

4. Die IKP sieht aus nachvollziehbaren Gründen keinerlei Gemeinsamkeiten mit jenen Kräften, die bewaffnete Aktionen durchführen. Nach dem veröffentlichten Selbstverständnis jener Gruppen gliedern sie sich in folgende Bereiche:

Sie waren und sind Träger einer politischen Auffassung, die während der Zeit des Saddam-Regimes Regierungspolitik war.

Sie sind Anhänger und Teil der reaktionären terroristischen Al-Kaida-Bewegung.

Es sind schiitische Kräfte, die ein reaktionär-religiöses Gesellschaftskonzept anstreben ähnlich dem im Iran.

Diese Kräfte haben ihre Positionen auch in Internet, zum Teil auch auf Englisch, veröffentlicht. Es gibt keine veröffentlichte Dokumentation über einen bewaffneten Widerstand durch die antiimperialistisch organisierte Linke. Allerdings gibt es vielfältigen, links motivierten politischen Widerstand gegen die Besatzung und gegen die menschenverachtende Politik der Besatzungsmächte.

Für die IKP ist ein Beleg für menschenverachtende Aktionen des bewaffneten Kampfes, dass vor allem Iraker Opfer sind. Nicht hinnehmbar sind Selbstmordattentate oder Aktionen gegen nationale oder religiöse Minderheiten. Objektiv nützt dies der Festigung der Besatzung durch die USA und mit ihr verbündeter Mächte auf lange Zeit. Es verhindert Entwicklungen zur Herausbildung einer selbstbestimmten nationalen Souveränität des Iraks. Es gefährdet die nationale Einheit in einem zu schaffenden föderalistischen Staat. Objektiv wachsen Gefahren für einen Bürgerkrieg.

Allein diese kurze Darstellung der Probleme sollte uns veranlassen, die Prinzipien in den internationalen Beziehungen kommunistischer und Arbeiterparteien einzuhalten und zu bekräftigen.

Die jeweilige kommunistische Partei ist für die Einschätzung der Verhältnisse im Land und die Entwicklung von Strategie und Taktik verantwortlich. Es wird jeder nachvollziehen können, wie schwierig dies gerade jetzt im Irak ist. Wir haben noch gut im Gedächtnis, welche Folgen Fehler der Tudeh-Partei im Iran hatten. Auch im Irak geht es heute sehr konkret um Tod oder Leben auch unserer Genossinnen und Genossen.

Es gibt, keine fundierte Kritik an der Politik der KP Irak, die begründete Zweifel oder andere Positionen zu dem Wirken der Partei dort rechtfertigen würde. Diese Feststellung schließt ein, dass auch die IKP heute unterschiedliche Optionen zum politischen Handeln hat. Die jeweilige politische Entscheidung muss sie selbst treffen. Kritik daran kann angebracht sein. Sie sollte dann im Rahmen der Möglichkeiten solidarischer Parteibeziehungen miteinander diskutiert werden.

                                                        Heinz Stehr, in: Unsere Zeit (Wochezeitung der DKP), 12. 11. 04


Kommentar: junge welt vom 15.11.2004 von Rüdiger Göbel: Kollaboration mit den Kollaborateuren?  Anmerkungen zu einem merkwürdigen Schulterschluss

Der US-Krieg im Irak hat in den vergangenen 18 Monaten jüngsten Untersuchungen zufolge mehr als 100000 Menschen das Leben gekostet. Die ganze Brutalität des Besatzungsregimes wird dieser Tage in Falludscha vor Augen geführt. Leichengeruch hängt in den Straßen der 300000 Einwohner zählenden Stadt. Proteste der globalen Antikriegsbewegung gegen die Irak-Okkupation halten sich dennoch in engen Grenzen. In Deutschland, immerhin wichtigste Drehscheibe für die US-Armee, dürfte das halbherzige Agieren gegen das Besatzungsregime nicht zuletzt dem ambivalenten Verhalten der DKP-Führung geschuldet sein, die „freundschaftliche, solidarische und vertrauensvolle“ Beziehungen zur Irakischen Kommunistischen Partei (IKP) pflegt und sich von der wesentlichen Kraft der Besatzungsgegner, dem bewaffneten Widerstand, distanziert.

Während in Bagdad sunnitische Geistliche aus Protest gegen die US-Offensive in Falludscha zum Generalstreik aufriefen und die »Irakische Islamische Partei« die von Washington installierte Regierung verließ, bleiben die irakischen Kommunisten weiter treu an der Seite von Interimspremier Ijad Allawi und den hinter ihm stehenden Besatzungstruppen. Aus der IKP-Zentrale in Bagdad kein Wort der Kritik bisher zum „Massaker in Falludscha“, wie sie von anderen politischen Kräften im Irak formuliert wird. Und auch die Führung der Deutschen Kommunistischen Partei, einstmals führend in der hiesigen Friedensbewegung, wirft den Mantel des Schweigens über die tödliche „Operation Morgendämmerung“. Die DKP-Zentrale in Essen verbreitet stattdessen in der aktuellen Ausgabe der Parteizeitung UZ einen „Diskussionsbeitrag“ des Vorsitzenden Heinz Stehr. „Für die Irakische Kommunistische Partei ist die Mitarbeit im Regierungsrat so lange sinnvoll, wie es gewährleistet ist, dass dort die Möglichkeit im Bündnis mit anderen fortschrittlichen Kräften besteht, politische Ziele durchzusetzen“, verteidigt der DKP-Chef die Kollaboration der Bruderpartei mit der Besatzungsmacht.

Im bewaffneten Widerstand im Irak sieht Stehr einzig »menschenverachtende Aktionen« reaktionärer Gruppen. „Die IKP sieht aus nachvollziehbaren Gründen keinerlei Gemeinsamkeiten mit jenen Kräften, die bewaffnete Aktionen durchführen. Nach dem veröffentlichten Selbstverständnis jener Gruppen gliedern sie sich in folgende Bereiche: Sie waren und sind Träger einer politischen Auffassung, die während der Zeit des Saddam-Regimes Regierungspolitik war. Sie sind Anhänger und Teil der reaktionären terroristischen Al-Qaida-Bewegung. Es sind schiitische Kräfte, die ein reaktionär-religiöses Gesellschaftskonzept anstreben ähnlich dem im Iran.“ Kein Wort dazu, dass die IKP-Interpretation mit der im Pentagon nahezu deckungsgleich ist.

Stehr beharrt vielmehr darauf, die „jeweilige kommunistische Partei ist für die Einschätzung der Verhältnisse im Land und die Entwicklung von Strategie und Taktik verantwortlich“ und hat daher von der DKP auch nicht kritisiert zu werden. Konsequenterweise werden dissidente Meinungen in der Parteizeitung nicht geduldet, kritische Parteimitglieder gemobbt und mit Parteiordnungsverfahren überzogen. Eine »Diskussion« über das Für und Wider des bewaffneten Kampfes im Irak ist mittlerweile nur noch über die DKP-Schiedskommission möglich. Stellungnahmen anderer kommunistischer Parteien im Nahen Osten, die sich schon sehr früh kollektiv hinter den Widerstand in all seinen Formen gestellt haben, werden totgeschwiegen. Eine derart konsequente Kollaboration mit den Kollaborateuren muss Auswirkungen auf die politische Mobilisierung gegen die US-Besatzung im Irak haben. Sie erfolgt mit angezogener Handbremse, dient nur noch der Beruhigung des eigenen Gewissens. Mit antiimperialistischer Politik, der sich Stehr verpflichtet fühlt, hat all dies nicht viel zu tun.

                                                                                                       Rüdiger Göbel, junge Welt, 15. 11. 04


UZ-Redaktion: UZ schreibt an „junge welt”[15]

In der Satire ist alles erlaubt. In Kommentaren der jw anscheinend auch. DKP und UZ — sonst eher marginal behandelt — sind jetzt verantwortlich dafür, dass die ganze Friedensbewegung nicht so spurt, wie Rüdiger Göbel es möchte. Sein Kommentar „Kollaboration mit den Kollaborateuren” basiert auf offensichtlicher Leseschwäche und frappierender Unkenntnis der Positionen der DKP bezüglich des US-Krieges gegen den Irak, auf die Heinz Stehr zu Beginn seines Diskussionsbeitrages hingewiesen hat. Rüdiger Göbel verbreitet zudem Lügen, die einer , Gegendarstellung bedürfen: Denn falsch ist die Behauptung: „Konsequenterweise werden dissidente Meinungen in der Parteizeitung nicht geduldet, kritische Parteimitglieder gemobbt und mit Parteiordnungsverfahren überzogen.” Richtig ist erstens: In den Gremien und Mitgliederversammlungen der DKP wird sehr differenziert und streitbar auch über die Situation im Irak diskutiert. Richtig ist zweitens: Meinungen, die sich kritisch mit der Linie der KP Iraks auseinandersetzen, wurden regelmäßig in der UZ veröffentlicht. Und richtig ist drittens: Nicht Kritiker der KP Iraks werden vom Parteivorstand vor die Schiedskommission geschleift, sondern der Parteivorsitzende der DKP Heinz Stehr, gegen den Klaus von Raussendorf ein Schiedsverfahren beantragt hat.

Wer die PV-Referate und UZ-Artikel der letzten Jahre nachliest, muss nicht alles teilen, aber er wird feststellen, dass die grundsätzliche antiimperialistische Solidarität der DKP mit dem irakischen Volk außer jedem Zweifel steht. Niemand in der DKP bezweifelt das Recht des irakischen Volkes auf Widerstand gegen die US-Aggression. Aber es wird doch die Frage erlaubt sein, welche Formen des Widerstands unter konkreten Bedingungen seinem Ziel am wirkungsvollsten dienen.

Die „Analyse” von Rüdiger Göbel dazu basiert auf dem gleichen schlichten Gut-Böse-Schema, das George W. Bush zur Basis seiner Außenpolitik gemacht hat. Es wird Solidarität mit „dem irakischen Widerstand” eingefordert, selbstredend mit dem „bewaffneten”. Wahlweise wird dieser Widerstand mit „dem irakischen Volk” gleichgesetzt. Das ist Etikettenschwindel. Oder weiß Rüdiger Göbel etwa nicht, dass dieser Widerstand überwiegend aus Gruppen besteht, die dem Volk des Irak nur eine reaktionäre Perspektive bieten können? Es handelt sich um Anhänger von Saddams Baath-Partei, deren Ziel die Wiederherstellung der brutalen Diktatur ist, und schiitische Milizen, die für einen Gottesstaat kämpfen. Die dritte größere Gruppe sind international operierende Wahhabiten-Banden — der reaktionärsten Spielart des Islamismus --, die in Afghanistan und in den Kriegen in Jugoslawien Kanonenfutter für die Interessen des Imperialismus lieferten und seit einigen Jahren in die Hand beißen, die sie einst päppelte. Zweifellos treibt das menschenverachtende Vorgehen der Besatzungstruppen vor, während und nach Falludscha dem bewaffneten Widerstand auch täglich verzweifelte Menschen zu. Daraus jedoch einen Volkswiderstand zu konstruieren ist die Projektion eigener Wünsche auf den Irak.

Nein, wir wollen und können mit einer Schwarz-Weiß-Darstellung dessen, was im Irak vorgeht, nicht dienen. Kommunistische Zeitungsarbeit heißt für uns, Hintergründe zu erhellen und nicht zu verfinstern. Im Irak kämpfen zwei terroristische Zentren, der imperialistische Block unter Führung der USA und der politische Islamismus, um Herrschaft und Einfluss. Sie tun dies auf dem Rücken des irakischen Volkes. So klamm-heimlich sich der eine oder andere deutsche Linkssektierer über den täglichen Body-count gefallener GIs freuen mag, hinter den Zahlen steht jedes Mal ein Vielfaches an irakischen Opfern. Erinnert fühlt man sich an die Siebzigerjahre, als die Bewegung gegen den verbrecherischen US-Krieg in Vietnam unter der Losung „Frieden für Vietnam” kämpfte und Westdeutschlands Maoisten die Parole „Sieg im Volkskrieg” dagegen setzten. Sie waren in sicherer Distanz vom Ort des Geschehens bereit, bis zum letzten Vietnamesen zu kämpfen, wie es die geistige Allianz von „Ultralinken” und religiös Wahnsinnigen heute mit den Irakern vorhat.

                                                                                                              Redaktion UZ, UZ vom 19. 11. 04


Gespräch mit Rainer Rupp, junge welt-Interview:[16] „Damals war ich Aufklärer, heute kläre ich auf“ Über seine damalige Stellung in der NATO, über seine Arbeit als sozialistischer Aufklärer. Und schließlich auch darüber, wo er heute politisch steht

F: Sie waren einer der ganz wenigen Bundesbürger, die auch Mitglied der SED waren ..

Darauf hatte ich bestanden. Damit hatte mein Führungsoffizier allerdings Probleme, die Genossen hatten damals Angst, sie könnten mich mit der Ausstellung eines Mitgliedsbuches und der entsprechenden Registrierung als Parteimitglied in meiner konspirativen Arbeit gefährden.

F: Die SED ging Ihnen durch Namensänderung verloren und Sie fanden sich dann in der PDS wieder. Aus der sind Sie vor gut einem Jahr ausgetreten.

Ich bin ausgetreten, weil die PDS zu einer von Grund auf bürgerlichen Partei geworden ist. Ziel der PDS ist es doch nur noch, Anteil an der Macht zu bekommen. Das zwar nicht im Sinne des Großteils der Wähler, aber in dem der Führungsspitze. Ich bin ausgetreten, weil ich nicht zu einer Partei gehören wollte, die an Wochenenden gegen den Sozialabbau demonstriert und an Werktagen in Regierungskoalitionen kräftig am Sozialabbau arbeitet.

 F: Sie kündigten damals an, in die DKP eintreten zu wollen – was hat Sie bislang daran gehindert?

Ich wollte in der Tat in die DKP eintreten. Aber deren interne Querelen – DKP-Ost auf der einen, DKP-West auf der anderen Seite – haben mich letztlich abgeschreckt. Ich wollte schließlich mit dem Parteiwechsel nicht vom Regen unter die Traufe geraten. Ich warte ab, wie sich die DKP entwickelt, man muss ja nicht unbedingt Mitglied sein, um linke Politik zu machen. Natürlich habe ich mein Ziel nicht aufgegeben, wieder in eine kommunistische Partei einzutreten.

Was mich allerdings im Augenblick entsetzt – „entsetzen“ ist das richtige Wort dafür –, das ist die Position des DKP-Parteivorstandes in Bezug auf den Irak. Dort arbeitet die irakische kommunistische Partei in der Marionetten-Regierung mit den Besatzern, mit den amerikanischen Imperialisten zusammen. Der DKP-Parteivorstand findet kein Wort der Kritik für diese Kollaborateure und Quislinge – im Gegenteil. Er bezeichnet sogar den legitimen Widerstand der irakischen Bevölkerung gegen die Besatzungsherrschaft als Terrorismus. Und dieser Widerstand wird vom Völkerrecht garantiert und ist auch in der Charta der Vereinten Nationen festgeschrieben. Also nein, bei solch einer Führung kann ich nicht Mitglied der Partei sein.

                                                                                                     Rainer Rupp, in: junge Welt, 12. 11. 04


Zur Lage in der KPÖ

Redaktion Offensiv: "Meuterei auf den Knien" zahlt sich nicht aus ...

Wir stellen Euch im folgenden zwei Parteidokumente der KPÖ vor, aus denen hervorgeht, wie destruktiv und parteifeindlich eine revisionistische Führung werden kann, der es nur noch um schieren Machterhalt geht. Ebenfalls geht aus den Dokumenten hervor, was einer Opposition geschieht, die ihre kommunistischen Prinzipien nicht verraten will und sich aktiv gegen eine politisch verkommene Führung zur Wehr setzt. Schließlich geht aus den Dokumenten hervor, dass eine sich als marxistisch-leninistisch verstehende Opposition noch bei weitem prinzipienfester und strategisch durchdachter vorgehen muss als hier offensichtlich geschehen.

Dennoch und in Unkenntnis der genaueren Umstände dieses "Umfallens" der Parteiopposition möchten wir allen Aufrechten in der KPÖ unsere ungebrochene Solidarität versichern und zurufen: "Behaltet den Kopf oben! Reorganisiert Eure Truppenteile in aller Besonnenheit! Die Geschichte steht auf Eurer Seite ..." Und erinnert Euch an Lenin:

"Wir erkühnen uns, der Meinung zu sein, daß ... die Partei verpflichtet ist, selber die Einhaltung des Statuts durch die verantwortlichen Funktionäre zu überwachen, und daß "überwachen" nicht nur mit Worten tadeln, sondern durch die Tat korrigieren heißt. ... Wer es nicht versteht, von seinen Beauftragten die Erfüllung ihrer Parteipflichten ihren Auftraggebern gegenüber zu fordern und durchzusetzen, der verdient nicht den Namen Parteimitglied."[17] ("Endlose Ausflüchte", LW Bd. 8, S. 215, Hervorhebung: d. Red.)

                                                                                                                     Redaktion Offensiv, Hannover


Unterstützungsaufruf:

Außerordentlicher Parteitag der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ),

Samstag 27. November, Amstetten

Die KPÖ-Bezirksorganisation Ottakring – im 16. Wiener Gemeindebezirk, einem ArbeiterInnenbezirk, in dem die KPÖ 1918 gegründet wurde und wo der kommunistische Widerstand seine Tätigkeit wieder aufnahm, als die Rote Armee noch gegen die Nazis in Österreich kämpfte – hat den 33. außerordentlichen Parteitag als Mitgliederparteitag für den 17. November einberufen.

Ottakring sah sich dazu gezwungen, diesen Schritt zu unternehmen, weil der Bundesvorstand unsere Einberufung für einen solchen Parteitag, der mit den Beschlüssen des letzten Parteitages und den Statuten konform gehen würde, ignoriert hat.

Dieser Schritt folgt einem langen internen Kampf um die Identität der Partei, ihre Stellung zur die ArbeiterInnenklasse und zum Marxismus-Leninismus, der speziell von der jetzigen Rumpf-Führung, die die Zukunft der Partei als Teil der „Europäischen Linken“ und der „Bewegung der Bewegungen“ in der so genannten Antiglobalisierungsbewegung sieht.

Während die marxistisch-leninistische Opposition in der KPÖ die Wichtigkeit der Antiglobalisierungsbewegung nicht negiert, kämpft sie aber darum, die Identität der Kommunistischen Partei auf der Basis der ArbeiterInnenklasse und der theoretischen Basis des Marxismus beizubehalten und gegen das, was eigentlich nur als Kapitulation gegenüber der Sozialdemokratie und dem Anarchismus beschrieben kann.

 

INTRIGEN

Am letzten, 32. Parteitag wurden nur sieben KandidatInnen direkt in den Bundesvorstand gewählt. Von diesen, einer musste aus gesundheitlichen Gründen ausscheiden, traten vier – zwei Gewerkschafter, die direkt gewählte Frauenvorsitzende und respektierte Kommunalpolitikerin – aus dem Bundesvorstand zurück, u.a. wegen der Behinderung und Unmöglichkeit der Zusammenarbeit mit dem Vorsitzenden Walter Baier und dem Finanzreferenten Michael Graber.

Ihre Erfahrung – wie die von vielen anderen in den letzten Jahren – war die, dass Entscheidungen von einer kleinen, verschwörerischen Gruppe außerhalb des Bundesvorstandes getroffen wurden und dass Beschlüsse des BuVo, die dieser Gruppe nicht genehm waren, entweder ignoriert oder behindert wurden. Zur selben Zeit ist die Partei in einer Finanzkrise, die durch den Verlust eines Gerichtsprozesses um eine zwei Millionen Euro umfassende Import-Export-Firma in Deutschland nach der Auflösung der DDR entstanden ist.

Nichtsdestotrotz verweigert die derzeitige Führung, die Finanzgebarung der KPÖ – sogar gegenüber dem Bundesvorstand – offen zu legen und hat die letzten zehn Jahre damit verbracht, das Eigentum der KPÖ zu verkaufen, um undemokratisch zustande gekommene Projekte zu finanzieren. In den letzten beiden Jahren sah sich die KPÖ dazu gezwungen ihre wöchentlich erscheinende, aber politisch nicht effektive Zeitung einzustellen, alle 40 freigestellten ParteifunktionärInnen zu entlassen und die Mietzahlungen für die Grundstücke einzustellen, auf denen die Mitglieder nicht auf Linie der RevisionistInnen war.

 

MITGLIEDERPARTEITAG

Ausschlaggebend für die Einberufung dieses 33. Parteitages am 27. November – er wird von Ottakring als ein Schritt der notwendigen Verteidigung und Notwehr in einer Situation, in der sie keine Wahl hatten beschrieben – war die Entscheidung der Baier-Graber-Führung den nächsten Parteitag in Linz als Delegiertenparteitag einzuberufen.

Das geschah entgegen den Beschlüssen des letzten, 32. Parteitages, dem höchsten Gremium der Partei, der in seiner zweiten Sitzung festgelegt hatte, dass der 33. Parteitag so schnell als möglich und als Mitgliederparteitag einberufen wird.

Es ist klar, dass nach zwei Parteitagssitzungen, in dem die Baier-Gruppe nur knapp gewonnen hatte und wichtige Abstimmungen inkl. ihrer eigenen programmatischen These verlor, die Führung den Parteitag so einberufen würde, dass sie ihn einfach manipulieren könnte. So wurden auch administrative Maßnahmen gegen die marxistisch-leninistische Opposition getroffen. Für den kommenden Parteitag liegt auch ein neuer Statutenentwurf vor, der – abgesehen von der Zentralisierung ihrer eigenen Macht – auch Paragraphen zur Auflösung der Partei enthält. (Welche kommunistische Partei verabschiedet Statuten zu ihrer eigenen Auflösung?)

Ein Delegiertenparteitag heißt, dass überalterte Organisationen unter der Kontrolle des BuVo überproportionale Macht über das Anstimmungsverhalten gewährleisten. In Wien beispielsweise ist die Parteimitgliedschaft sehr überaltert. Bei den letzten Wahlen konnte die KPÖ nur ca. 1% der Stimmen erreichen. Zum Vergleich: In der Steirischen Landeshauptstadt Graz waren es 20%. Dort gibt es jetzt elf Kommunistische GemeinderätInnen und zwei StadträtInnen, während es in Wien kein einziges Mandat gibt. Wien stellt aber 47 Delegierte für den Parteitag in Linz, Graz, das deutlich mehr AktivistInnen hat, allerdings nur vier.

Zur Zeit, als diese Artikel verfasst wurde, haben die Landesorganisationen Steiermark und Salzburg sowie drei Bezirksorganisationen in Wien erklärt, dass sie nicht am Parteitag in Linz teilnehmen werden, weil sich die Einberufung als Delegiertenparteitag als Bruch der Beschlüsse des 32. Parteitages erachten. Die Landesorganisation Tirol wurde bereits von der Bundesparteiführung aufgelöst. Die Wiener Landesleitung hat auch bereits versucht, die Ottakringer Bezirksorganisation – sie hat den außerordentlichen Parteitag einberufen – aufzulösen, was auf erheblichen Widerstand der OttakringerInnen gestoßen ist.

 

UNTERSTÜTZUNG

Bis jetzt haben sich ca. 200 Mitglieder der KPÖ – v.a. junge GenossInnen, GewerkschafterInnen, PensionistInnen und ehemalige WiderstandskämpferInnen – für den Amstettener Parteitag angemeldet. Zum Vergleich: ca. 300 Mitglieder nahmen an der Parteikonferenz zur Entscheidung betreffend des Beitritts der KPÖ zur „Europäischen Linken“ teil, wo das Ergebnis ziemlich knapp ausfiel.

Alle Solidaritätsbekundungen mit dem 33. Parteitag in Amstetten sind willkommen sowie auch Gastdelegierte der Geschwisterparteien und befreundeten Organisationen, die natürlich Übernachtungsmöglichkeiten zu Verfügung gestellt bekommen.

                                                                                                KPÖ-Bezirksorganisation Ottakring, Wien


Einstimmiger Beschluss der Mitgliederversammlung der KPÖ-BO Ottakring vom 15.11.2004

In den letzten Wochen wurden von verschiedenen GenossInnen wertvolle Initiativen gesetzt, um eine Einberufung eines Mitgliederparteitages zu erreichen, wie dies vom letzten Parteitag beschlossen worden ist. Die BO Ottakring unterstützt diese Bemühungen, indem sie alle Vorbereitungen für ihren statutenkonform einberufenen 33.ao. Mitgliederparteitag einstellt.

Diesen Schritt setzen wir zu aller erst aus Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Gesamtpartei, um in einer dramatischen Situation den Spaltungsabsichten des restlichen Bundesvorstandes um Baier und Graber entgegenzuwirken. Wir unterstützen vollinhaltlich den Schritt jener GenossInnen, die eine Klage zur Abhaltung eines Mitgliederparteitag eingebracht haben. Gleichzeitig fordern wir die Gen. Graber und Baier auf, ihren Delegiertenparteitag ebenfalls abzusetzen und in den ersten Wochen des nächsten Jahres einen Mitgliederparteitag einzuberufen.

 

Begründung:

1.Eine Reihe von Initiativen innerhalb der KPÖ (z.B. ein Offener Brief von Gen. Kaltenegger, ein gemeinsamer Brief und Appell der vier zurückgetretenen Bundesvorstandsmitglieder, Beschlüsse von Landes- und Bezirksorganisationen, Unterschriftensammlungen etc.) haben sich eindeutig für die Einberufung eines Mitglieder- statt eines Delegiertenparteitages ausgesprochen, so wie es der letzte Parteitag mit überwältigender Mehrheit beschlossen hat.

2.Von zehn GenossInnen wurde eine Klage auf Einberufung eines Mitgliederparteitages eingereicht; diesen Schritt erachten wir in der jetzigen Situation eine völligen Entrechtung der Parteibasis und eines glatten Bruches des Willens des letzten Parteitages für gerechtfertigt.  M. Graber und W. Baier haben es in ihrer Hand, durch Absage des Delegiertenparteitags und Einberufung eines Mitgliederparteitages in den ersten Wochen des nächsten Jahres diese spektakuläre Maßnahme gegenstandslos zu machen, die Spaltung der Partei nicht mehr weiter voranzutreiben, und so die Möglichkeit zu schaffen, durch gemeinsame politische Aktionen in der Öffentlichkeit die innerparteilichen Auseinandersetzungen zu überwinden.

3. In der Vorbereitung des 33.ao.Parteitages wurden immer wieder GenossInnen durch Ausschluss-Drohungen unter Druck gesetzt; es besteht darüber hinaus der begründete Verdacht, dass einzelne in die Vorbereitung involvierte GenossInnen durch Klagen existenziell gefährdet werden sollen.

                                                                                                KPÖ-Bezirksorganisation Ottakring, Wien


Erklärung der Kommunistischen Initiative zur Erneuerung der KPÖ

Kämpft um den Wiederaufbau einer kämpferischen, demokratischen und marxistischen Partei der ArbeiterInnenklasse!

In Kürze wird der vom dreiköpfigen Rest-"Bundesvorstand" der KPÖ einberufene "Delegiertenparteitag" in Linz stattfinden. Eine in- und außerhalb der Partei völlig isolierte und vom realen Leben abgehobene Parteiführung wird dabei einen durch nichts legitimierten "Parteitag" abhalten.

Klare Willensäußerung des 32.Parteitages

Der 32. Parteitag hat klipp und klar den Beschluß gefasst, dass der nächstfolgende Parteitag als Mitgliederparteitag stattzufinden hat. Es ist ein beredtes Zeugnis vom Demokratieverständnis des Rest-"Bundesvorstandes", dass eine dreiköpfige Gruppe den Beschluß eines Parteitages außer Kraft setzt, an dem mehrere hundert Menschen teilgenommen haben, und einen "Delegiertenparteitag" einberuft. Aus Protest gegen diese Vorgangsweise werden eine Vielzahl von Organisationen - darunter die komplette steirische Landesorganisation - keine Delegierten nach Linz schicken. In Linz trifft sich ein fein gesiebtes Publikum an Delegierten, das in fragwürdigen Mitgliederversammlungen "gewählt" wurde. Eines der haarsträubendsten Beispiele dafür wird aus Wien-Alsergrund berichtet, wo sich Baiers Pressesprecher D. Zach und der Vorsitzende der Schiedskommission, R. Sellner mangels Anwesenheit anderer Mitglieder selbst "delegierten". Aus einer niederösterreichischen Organisation ist ein Beispiel bekannt, wo zwei anwesende Mitglieder drei Delegierte wählten. Dennoch ist nicht sicher, dass Walter Baier alle seine Vorhaben in Linz durchbringen wird, da selbst unter seinen Getreuesten schon Zweifel an seiner politischen Kompetenz laut werden.

Einwände ignoriert

Alle Einwände gegen diesen "Delegiertenparteitag" wurden ignoriert. Der Mobilisierung der Grazer KPÖ für die Volksbefragung über den Verkauf der Gemeindewohnungen am 12. Dezember kommt gesamtösterreichische Bedeutung zu, da dies die erste grössere Kraftprobe mit den Befürwortern des neoliberalen Ausverkaufs in Österreich ist. Die Vorverlegung (!) des Parteitags um eine Woche als Reaktion auf die Grazer Einwände kann daher nur als Provokation aufgefasst werden. Ganz abgesehen davon, dass die Beschlüsse der steirischen KommunistInnen so wie alle anderen vom Tisch gewischt wurden, die darauf beharrten, dass ein Mitgliederparteitag stattfinden müsse.

Die Ottakringer KommunistInnen haben den von ihnen einberufenen Mitgliederparteitag aus mehreren Gründen abgesagt, ein gewichtiger war der, dass es sich niemand leisten kann, von Baier und seinem Klüngel mit einer Flut von Klagen eingedeckt zu werden, denen horrende Summen zugrunde liegen. Baier prozessiert mit dem (letzten?) Geld der Partei, während alle Aktivitäten gegen ihn auf Spendenbasis stattfinden müssen. Ein weiterer und nicht unwesentlicher Grund für die Absage des Amstettner Parteitages war der, dass die Ottakringer KommunistInnen die Bemühungen von  Ernst Kaltenegger, Elke Kahr, Petra Stöckl, Robert Hobek, Oliver Jonischkeit und vielen anderen unterstützen wollten, doch noch zu einem Mitgliederparteitag zu Beginn nächsten Jahres zu kommen.

Zehn Genossinnen und Genossen haben mit einer beim Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien eingebrachten Klage versucht, ihr Recht, an dem vom 32. Parteitag beschlossenen Mitgliederparteitag teilnehmen zu können, mit Zivilklage zu erreichen. Um diesem durch das Statut der KPÖ vebrieften Recht zum Durchdurchbruch zu verhelfen, wurde mit der Klage der Antrag auf Untersagung des statutenwidrigen Delegiertenparteitages in Linz verbunden, weil dieses Recht schon durch dessen Durchführung schwerwiegend verletzt wird. Ein ignoranter, sich der Macht der herrschenden Clique in der KPÖ beugender Richter hat diesen Antrag abgelehnt. Im Hinblick darauf, dass eine abändernde Gerichtsentscheidung vor der kommenden Veranstaltung in Linz nicht mehr möglich war, hätte eine Aufrechterhaltung der Prozessführung nur mehr der Baier-Clique in die Hände gespielt. Die Kläger haben sich aus diesem Grund zur Zurücknahme der Klage entschlossen.

Jubel verfrüht

Der Jubel, in den Baier angesicht der Rückziehung der Klage verfällt, ist allerdings verfrüht. Die KOMMMUNISTISCHE INITIATIVE stellt klar, dass sie keine Ergebnisse dieses "Parteitages" anerkennen wird. Er ist illegitim und eine Farce!

Die Gruppe um Walter Baier will mit diesem Parteitag die Spaltung der KPÖ vollziehen und einen großangelegten Säuberungsprozeß einleiten. Einigen Dutzend Mitgliedern der Partei wurde bereits ihr Hinauswurf angedroht. Kritische, eigenständig denkende GenossInnen stehen dem Transformationsprozeß der KPÖ zu einer nichtssagenden und konturlosen "Linkspartei" wie Baier sie anstrebt im Wege. Die Entwicklung der KPÖ zu einer autoritären, undemokratischen und paternalistisch geführten Politsekte soll abgeschlossen werden.

Widerstand statt Austritt

Die KOMMUNISTISCHE INITIATIVE ruft die kritischen und klassenbewußten Kräfte in der Partei dazu auf, die Kräfte zu bündeln und  für einen Wiederaufbau einer kämpferischen, demokratischen und marxistischen Partei der ArbeiterInnenklasse zusammenzustehen. Wir werden Angebote zu einer Sammlung der Kräfte in- und außerhalb der KPÖ, zu spannenden und sinnvollen, kreativen und unkonventionellen Aktionen machen, um der Ausgrenzung der KommunistInnen aus ihrer eigenen Partei entgegenzuwirken. Austritte einzelner GenossInnen werden als Protest gegen den Baier-Kurs zudem kaum sichtbar zu machen sein, zumal bei dem Chaos, das die Baiergruppe in der Partei auch organisatorisch angerichtet hat (Unklare Org-Struktur, Mitgliederevidenz etc.), nicht einmal mehr klar ist, wer eigentlich Mitglied der KPÖ ist.

Für noch wichtiger erscheint es uns aber, dass die KommunistInnen in- und außerhalb der KPÖ wieder zusammenfinden zu gemeinsamen Aktionen.

Nutzt daher die verbleibende Zeit bis zum 12. Dezember, um die Grazer KommunistInnen im Kampf gegen des Ausverkauf der Gemeindewohnungen zu unterstützen! Protestiert gegen die geplaten Postamtsschließungen, beteiligt Bürgerinitiativen, sammelt Unterschriften, konfrontiert Politiker damit! Leistet Widerstand gegen Sozialabbau, Ausbeutung und Unterdrückung, gegen die kapitalistische Räuberherrschaft und ihre willfährigen politischen Helfer!

Stellt Euch auf die Seite der Unterdrückten, der Ausgebeuteten, der "Marginalisierten", der "Illegalisierten", der Arbeitenden und der Arbeitslosen!

Unterstützt den antiimperialistischen Widerstand im Irak und in Palästina und in allen anderen Teilen der Welt!

Unterstützt das Friedensvolksbegehren und die Petition an den Nationalrat für eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung!

Bildet kommunistische Zellen, organisiert Diskussionrunden, Bildungszirkel, Aktionsgruppen!

Propagiert den Sozialismus, den Kommunismus, die klassenlose Gesellschaft. Sagt den Menschen, dass es eine Alternative gibt, für die es sich zu leben und zu kämpfen lohnt!

Leistet Widerstand gegen die totale Vernichtung der KPÖ als Basis für eine klassenkämpferische Politik. Ignoriert die Beschlüsse, die sie in Linz fassen lassen werden, ignoriert diese Führung, kämpft für einen Entscheid über die Zukunft der Partei, an dem alle Mitglieder teilhaben, erkämpft den Mitgliederparteitag. Widerstand statt Austritt! Sammelt Euch in der Kommunistischen Initiative!

Kommunistische Initiative zur Erneuerung der KPÖ, Anfang Dezember 2004, kommunistische.initiative@gmx.at


Revolutionäre Partei heute

Manfred Sohn: Zur Perspektive der revolutionären Partei heute

Die geschichtlichen Daten, die wir feiern oder betrauern - Geburtstag der DDR am 7. Oktober, Einverleibung in die BRD am 3. Oktober - sind die großen geschichtlichen Ereignisse, die sich an der gesellschaftlichen Oberfläche abspielen und für jeden sichtbar sind.

Bedeutsamer sind die geschichtlichen Wasserscheiden, die sich unterhalb der Oberfläche herausbilden und deren Wirkung erst Jahrzehnte später deutlich und unabweisbar werden.

Irgendwann zwischen 1980 und 1997 liegt eine solche geschichtliche Wasserscheide. Irgendwann seitdem nimmt unter dem Strich nicht nur in den alten Industrieländern, sondern weltweit die Zahl der Menschen ab, die gegenständliche, nichtagrarische Waren produzieren.

„Ist mir doch egal!“, mag der geneigte Leser sagen, aber er irrt.

Die Gründungsurkunde der Bewegung für die Errichtung des Gemeineigentums an Produktionsmitteln und Grund und Boden, das „Kommunistische Manifest“, geht wie alle folgenden kommunistischen Parteiprogramme von der stetigen Zunahme dieses Teils der Menschheit aus: „In demselben Maße, worin sich die Bourgeoisie, d.h. Kapital, entwickelt, in demselben Maße entwickelt sich das Proletariat, die Klasse der modernen Arbeiter... Arbeitermassen, in der Fabrik zusammengedrängt, werden soldatisch organisiert....“[18]

Dieses Wachstum der Zahl der Arbeiterinnen und Arbeiter, dessen Gewißheit sich bis in unser linkes Liedgut hinein abgelagert hat, schwächte sich zählbar und fühlbar ungefähr seit Mitte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts ab. Die meisten Organisationen, die am Ziel der Aufhebung des Privateigentums festhielten, haben sich darauf mit der These reagiert, zur Arbeiterklasse gehörten eben nicht nur diejenigen, die in den Hallen der im „Manifest“ erwähnten Fabriken schuften, sondern irgendwie alle, die dazu indirekt unentbehrlich seien: Ingenieure, Verwaltungsangestellte usw. Das hat die These, die Arbeiterklasse wachse unentwegt munter weiter, bis in unsere Zeit gerettet. Unsere weiter anhaltende politische Schwäche hat das nicht geheilt.

Die These von der weiter wachsenden Arbeiterklasse erinnert ein bißchen an das Bemühen, im späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert das Schrumpfen der Bedeutung der Landwirtschaft und folglich der Bauern damit hinwegzudefinieren, daß auch jene, die landwirtschaftliche Geräte oder Düngemittel produzieren oder die Formeln für Düngemittel entwickeln, eigentlich zur Landwirtschaft gehörten, weil ihre Arbeit ja letztlich doch in der Zuckerrübe ende.

Das alles ist vor allem deshalb ärgerlich, weil der Irrtum von der wachsenden Arbeiterklasse uns nicht nur den Blick für tiefgreifende Veränderungen in der Klassenstruktur unserer Zeit, sondern auch den auf die daraus folgenden organisationspolitischen Schlußfolgerungen verstellt, die wir zu ziehen haben, wenn wir nach den Jahrzehnten der Niederlagen mal wieder Sieger der Geschichte sein wollen.

Dies sei im folgenden anhand einiger grober Thesen entwickelt.

Die Arbeiterklasse schrumpft

Im folgenden verstehe ich als „Arbeiterklasse“ eine „bestimmte Klasse, nämlich die städtischen Arbeiter und überhaupt die Fabrikarbeiter, die Industriearbeiter“, die „imstande (ist), die ganze Masse der Werktätigen und Ausgebeuteten zu führen im Kampf für den Sturz der Macht des Kapitals“[19].

Das bedeutet auch, daß nach diesem Verständnis Kapitalismus in seinem Kern die Produktion gegenständlicher Waren durch die Eigentümer der Produktionsmittel ist, welche die Arbeitskraft besitzloser Menschen zur Profitmaximierung ausbeuten. Wenn wir so zu den bis 1917 selbstverständlichen Definitionen von Kapitalismus und Arbeiterklasse zurückgehen, wird mit Blick schon auf die letzten Jahrzehnte sonnenklar: Der Produktivitätsfortschritt, beschleunigt durch die wissenschaftlich-technischen Revolution führt dazu, daß in den entwickelten Teilen der Welt die Produktion gegenständlicher Waren mit einer permanent schrumpfenden Arbeiterklasse gewährleistet werden kann.

Der Schrumpfungsprozess dieser in der Warenproduktion unmittelbar tätigen Arbeiterklasse wurde in den letzten drei Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts mit sich abschwächender Wirkung durch zwei gegenläufige Tendenzen kompensiert: das Wachstum der Intelligenz und die Verlagerung der Warenproduktion in bis vor kurzem noch nicht entwickelte Teile der Welt. Dies ist etwas näher zu erläutert.

Der kluge Mohr kann wieder gehen

Von ihrer Stellung im Produktionsprozeß und quantitativ wuchs zwischen letztem Weltkrieg und Ende des letzten Jahrhunderts die Rolle der wissenschaftlich-technischen Intelligenz zur Entwicklung des Produktionsapparates, so daß dort menschliche Arbeitskraft eingespart werden kann. Das war die Grundlage für die vorübergehend wachsende Bedeutung dieser Schicht. Ihr rapides Anwachsen und ihr Hineinziehen in die unmittelbare Vorbereitung des Produktionsprozesses war im übrigen auch die objektive Grundlage für die Entstehung progressiver, d.h. auf die Arbeiterklasse orientierter Studentenbewegungen, in fast allen kapitalistischen Industrieländern in den 60er und 70er Jahren. Die nachfolgenden Gedanken erklären damit auch, warum diese kurze Blüte roter Studentorganisationen seitdem vorbei ist.

Die wissenschaftlich-technische Revolution hat nicht nur Teile der Arbeiterklasse überflüssig gemacht (das war ihr kapitalistischer Sinn) und zum Sterben der großen, 10.000köpfigen Fabriken geführt. Sie ist darüber hinaus inzwischen auch dabei, ihre eigenen Kinder zu fressen, die Intelligenz selbst. Das spiegelt sich wider in abnehmenden Zuwachsraten der Beschäftigung dieser Schicht in der Industrie, am deutlichsten in der absoluten Schrumpfung der IT-Techniker und im Ansteigen der Akademiker-Arbeitslosigkeit.

Das Ende der alten Industrienationen

Zweitens fand - und findet - eine Verlagerung der Ausbeutung der unmittelbaren Produzenten in die noch nicht voll entwickelten Peripherieländer des Kapitalismus statt - aus dieser Bewegung resultierten Strategien der Linken zur Umwälzung von der Peripherie her. Erfolg können solche Strategien übrigens wie in der Vergangenheit auch in Zukunft nicht haben, weil im Kapitalismus wie im Fußball das Tor im Zentrum steht und solange sich das Spiel nicht dorthin verlagert, ist aus der Sicht der Torhüter zu Recht alles nicht so dramatisch.

In „offensiv“ März/April 2004 habe ich versucht, darzulegen, wie der Prozeß der De-Industrialisierung der alten Industrienationen sich derzeit zahlenmäßig vollzieht.

Der dort beschriebene Prozeß hat , wie es der britische „Economist“ in seiner Ausgabe am 2. Oktober ausdrückte, inzwischen dazu geführt, daß: „China die neue Werkbank der Welt ist, zwei Drittel aller Fotokopierer, Mikrowellengeräte, DVD-Spieler und Schuhe, über die Hälfte aller Digitalkameras und ungefähr zwei Fünftel aller PCs produziert.“[20]

Diese Entwicklung schlägt spürbar auf die Arbeitsmärkte der alten Ausbeuternationen durch. Im Bereich der Industrie waren 1980 weltweit rund 179 Millionen Menschen beschäftigt. Diese Zahl ist laut der zitierten Studie bis 1997 auf 176 Millionen gesunken. Dort irgendwo liegt eine entscheidende Wasserscheide unserer Epoche.

Nicht nur die Tatsache, daß der europäische und der nordamerikanische Kontinent, die sich 200 Jahre lang mit dem Blut der anderen vollgesoffen haben, nun langsam auf Normalmaß schrumpfen, ist schön. Das Schrumpfen der Arbeiterklasse weltweit geht einher mit einem weiter wachsenden Ausstoß an Stereoanlagen, Bierdosen und Unterhosen. Das ist ein großartiger Prozeß - unter der Voraussetzung, daß er gesellschaftlich vernünftig gestaltet wird. Der Sinn des Menschseins liegt nicht darin, Klamotten zu weben, sondern die Beziehungen zwischen den in ihnen steckenden Menschen zu entwickeln. Das Reich der Freiheit beginnt jenseits des Reiches der Notwendigkeiten. Die Tatsache, daß dieses Reich der Notwendigkeit dank der Pfiffigkeit der wissenschaftlich-technischen Intelligenz der letzten 5 Jahrzehnte rasant schrumpft, verbessert die Chance, das Tor zur eigentlich menschlichen Geschichte zu öffnen.

Die Tatsache des Verschwindens der Industriearbeitsplätze ist genauso natürlich und chancenreich wie das Verschwinden der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft vom Beginn des 18. Jahrhunderts an. Der Anstieg der Produktivität führt jetzt schon dazu, daß die stets weiter wachsenden Warenmenge weltweit mit weniger Leuten hergestellt wird. So wie der Feudalismus ab 1700 nicht mehr in der Lage war, die aus der Landwirtschaft entlassenen Menschen noch einer sinnvollen, gesellschaftlich nützlichen Tätigkeit zuzuführen, so ist der Kapitalismus spätestens seit 2000 offensichtlich nicht mehr in der Lage, die aus der Industrie entlassenen Menschen einer sinnvollen, gesellschaftlich nützlichen Tätigkeit zuzuführen. So wie der Feudalismus folglich von den Menschen nach einigen Jahrzehnten Towhawabo durch den Kapitalismus ersetzt wurde, so wird es auf Dauer auch nicht bei einem Kapitalismus bleiben, der glaubt, die verlorenen Industriearbeitsplätze durch sinnlose, schlecht bezahlte Hausputz-Jobs ersetzen zu können.

Kapitalismus kann nicht mehr

Kapitalismus kann nur das Reich der Notwendigkeit, also die Herstellung einer „ungeheuren Warensammlung“[21] organisieren - das allerdings bis jetzt ungeschlagen gut. Diese Tätigkeit ist tatsächlich, das haben die letzten 250 Jahre bewiesen, auf der Grundlage des Privateigentums an Produktionsmitteln und Grund und Boden möglich.

Das Reich der Freiheit - Kultur, Bildung, Beziehungs- und Altenpflege, Gesundheitsvorsorge und Philosophie - läßt sich aber auf der Grundlage des Privateigentums nicht entwickeln. Es erfordert das Gemeineigentums und ohne das verweigert diese Pflanze das Blühen.

Weil der gesellschaftliche Fortschritt hin zu diesem Gemeineigentum - vor allem nach unserer furchtbaren Niederlage von 1989 - steckengeblieben ist, ersticken zur Zeit unsere kapitalistischen Gesellschaften innerhalb ihres schrumpfenden Reiches der Notwendigkeiten.

In der Geschichte gibt es auf Dauer keine Stagnation. Es gibt nur Aufstieg oder Niedergang. In unserem historischen Fall ist diese abstrakte Wahrheit konkret nachvollziehbar.

Marxistisch gebildete Leute wissen genau wie jeder Unternehmer: Der Profit realisiert sich nicht in der Produktion, sondern erst im Verkauf.

In der aufsteigenden Phase des Kapitalismus, als der Umfang der Arbeiterklasse wuchs, wuchs mit ihr auch die Zahl der entlohnten und (vor allem durch gewerkschaftliche Kämpfe und seit 1917 dank der Systemkonkurrenz) zunehmend besser entlohnten Arbeiterinnen und Arbeiter. Folglich gab es Wachstum

n    des Kapitalismus

n    der Arbeiterklasse, dann auch

n    der wissenschaftlich-technischen Intelligenz und für alle beide

n    der Durchschnittslöhne

Schrumpft aber die ausgebeutete Arbeiterklasse, läßt sich der potentielle Profit nicht mehr realisieren. Folglich erleben wir zur Zeit den noch langsamen, aber sich unweigerlich beschleunigenden Zerfall

n    der Arbeiterklasse

n    der wissenschaftlich-technischen Intelligenz,

n    der Löhne beider Schichten und mit ihnen

n    des Kapitalismus

Der Kern unserer Periode innerhalb der Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus ist daher voraussichtlich noch eine ganze Weile der Zerfall der auf dem Kapitalismus aufbauenden Strukturen.

Der Zerfall ist seit wenigstens 10 Jahren zu beobachten an den politökonomischen Rändern des Systems, also der Kultur, der Bildung, der sozialen Lage der nicht produktiv tätigen Menschen.

Er frißt sich aber mit zwingender innerer Logik zunehmend in die Zentren des Systems. Deutlich wird das an der Labilität der Weltwirtschaft, am Schrumpfen der Bevölkerung, am Erlahmen innovativer Prozesse und am Lohnrückgang auch in den industriellen Hochburgen wie Siemens, DaimlerChrysler und ab 2005 auch VW.

Dieser Prozeß, vor allem das Schrumpfen der Arbeiterklasse, hat für alle revolutionären Organisationen weitreichende Konsequenzen, wenn sie sich nicht nur als historischer Folkloreverein verstehen, sondern ernsthaft an dem Ziel festhalten, das sie definiert: die Ablösung des Privateigentums an Produktionsmitteln und Grund und Boden durch Gemeineigentum.

Aufgabe und Perspektive revolutionärer Kräfte

Hinter uns liegt der Sommer 04. Oberflächlich war der kalt und verregnet. Unter der Oberfläche aber war das ein großartiger Sommer. Wer die Debatten der KPD aus der Schlußphase der Weimarer Republik kennt, hat das Klagelied im Ohr darüber wie schwer es ist, Arbeitslose zu organisieren im Kampf gegen das Kapital. Seitdem Mitte der 70er Jahre die Arbeitslosigkeit der BRD sich fest etablierte, lebt dieses Klagelied der deutschen Linken wieder auf - und es wird in fast allen Sprachen der kapitalistischen Welt gesungen. Hartz sei Dank gibt es in unserem (und anderen) Ländern aber bei diesen Schichten eine zähe und allen Totredeversuchen der herrschenden Medien bis jetzt widerstehende Politisierung. Die im Kapitalismus dauerhaft Marginalisierten beginnen sich dauerhaft zu organisieren - das ist das historische an dem Sommer, der hinter uns liegt.

Vor uns liegt der VW-Herbst, dessen Vorgrollen bereits in Bochum, bei Opel hören war. Wenn es Hartz, dem Dieb an Millionen Arbeitslosen, gelingt, den knapp 200.000 in Deutschland tätigen VW-Arbeitern die Löhne deutlich zu kürzen, rutscht den Herrschenden eine auf breiter Front verbilligte Ware Arbeitskraft auf den Verwertungstisch wie ein Brocken Frühstücksfleisch aus einer Dose, die man gleichzeitig unten (Hart IV) und oben (Hartz VW) aufgeschnitten hat.

Es könnte aber auch anders kommen - daß Hartz mit seinem gleichzeitigen Angriff auf 2 Millionen Ausgesonderte und 200.000 gut organisierte ArbeiterInnen sich in diesem Jahr den Titel des Vereinigers von Arbeitern und Arbeitslosen verdient.

Aber die Pflicht revolutionärer Kräfte ist das nüchterne Herangehen an die Kräfteverhältnisse. Sicherlich war bei Opel Verrat gutbezahlter Betriebsrats- und IGM-Funktionäre im Spiel und das wird sich in Wolfsburg wiederholen. Aber selbst wenn das nicht so wäre, sind die Karten für eine Arbeiterklasse schlecht gemischt, die auf internationaler Ebene deutlich zersplitterter ist als sie es vor 150 Jahren auf nationaler Ebene war und die durch Entnahmen aus dem stehenden Heer der Arbeitslosen für die Herrschenden im Streikfall immer leichter auswechselbar ist.

Die Parteifrage

Das alles hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Frage der Form, in der sich künftig Revolutionäre zu organisieren haben.

Die Faktenlage ist nüchtern betrachtet so: Die größte Partei dieses 80-Millionen-Volkes, die sich als kommunistisch versteht, zählt rund 4500 Köpfe. Ihre Zahl ist ebenso wie die Auflage ihrer Zeitung seit 15 Jahren rückläufig. Die Zustimmung zu den letzten nationalen Wahlen, bei denen sie angetreten ist, lag bei 0,05 Prozent aller Wahlberechtigten. Daneben gibt es eine schwer zu schätzende, auf jeden Fall vieltausendköpfige Zahl von Menschen, die sich ebenfalls von den Grundgedanken des „Kommunistisches Manifestes“ leiten lassen. Ein Teil von ihnen agiert in der PDS, einige in weiteren eigenständigen Organisationen und einige verstehen sich als gegenwärtig parteilose Kommunistinnen und Kommunisten.

Verglichen mit der Situation vor rund 75 Jahren, als die damalige KPD 300.000 Mitglieder und über 5 Millionen Wähler auf sich vereinigte oder vor rund 50 Jahren, als Kommunisten den ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden regierten, erzwingt diese Faktenlage gründliches Nachdenken über die Grundaufstellungen eines neuen Anlaufs zum Sozialismus.

Der Niedergang der „Partei“ hängt nicht nur mit der Tatsache zusammen, daß sie in Deutschland noch nie eine theoretisch wie organisationspolitisch so schwache Führung hatte wie im letzten Jahrzehnt. Wäre das so, dann wäre der Niedergang deutschland-spezifisch. Er ist es aber nicht. Von den kommunistischen Parteien, die nicht an der Macht sind, gibt es nach meiner Kenntnis keine, die nicht verglichen mit der Situation vor 75 oder 50 Jahren an Einfluß gewonnen hätte. Der deutsche Niedergang liegt im Trend.

Wenn das aber so ist, dann sind die Ursachen natürlich objektiver, nicht subjektiver Natur.

Die Partei(en), die sich als „Die Partei“ bezeichneten und bezeichnen (KPD, DKP und andere) und verstehen sich als „Partei der Arbeiterklasse“. Den Grundgedanken drückt das von uns gemeinsam gesungene Lied, die „Internationale“ aus: Wir sind die stärkste der Parteien. Jeder gebildete Marxist weiß, daß die Bolschewiki, die 1917 die erste sozialistische Revolution anführten, sich zwar als Vertreter der Interessen der Arbeiterklasse verstanden, damit allein aber nur eine Minderheit vertraten. Siegreich waren sie, weil sie es verstanden, die Interessen einer Minderheit - der Arbeiterklasse - mit denen der Mehrheit - der Bauern - zu verbinden und so die machthabenden Minderheiten der Adligen und der Besitzbürger zu schlagen.

Historisch schien danach die Frage der Klassen-Mehrheit eine zunehmend akademische Frage zu sein. Denn die Zahl der Arbeiter nahm von Jahr zu Jahr unübersehbar zu. Es schien erst nur noch eine Frage der Zeit, dann eine Selbstverständlichkeit, daß die Mehrheit von der Arbeiterklasse gebildet werde. Die Arbeiterklasse ist derjenige Teil einer Gesellschaft, der, wie es in dem auch an dieser Stelle immer noch richtigen „Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie“ heißt, „den materiellen Reproduktionsprozeß unmittelbar vollzieht“. Durch den maßgeblich von dieser Klasse hervorgebrachten Prozeß der Steigerung der Produktivkräfte aber schrumpft dieser Teil der unmittelbaren Produzenten in den entwickelten kapitalistischen Ländern ungefähr seit Mitte der 60er Jahre. Wenn aber die Basis einer Partei langfristig schrumpft, dann kann die entsprechende Partei auf Dauer nicht wachsen, sondern muß ebenfalls schrumpfen. Das ist der objektive Kern des historischen Niedergangs aller „Parteien der Arbeiterklasse“ in den kapitalistischen Hochburgen ungefähr seit dieser Zäsur. Zeitweise war dieser Prozeß verbunden mit einer massiven Verlagerung der Tätigkeiten des materiellen Reproduktionsprozesses in andere Länder, deren Arbeiterklassen folglich wuchsen - und mit ihnen oftmals die entsprechenden kommunistisch orientieren Parteien. Dieser Prozeß dauert an, ist aber seit ungefähr 10 Jahren nicht mehr in der Lage, das Schrumpfen der Arbeiterklasse im Weltmaßstab zu hemmen. Die Zahl der in der materiellen Produktion tätigen Arbeiterinnen und Arbeiter nimmt - siehe oben - seitdem auch in den sogenannnten Entwicklungsländern nicht mehr schneller zu als sie in den entwickelten Ländern abnimmt.

Diese Entwicklung ist erstens großartig und zweitens wird sie sich wegen der Steigerung der Produktivität verstärken. Während vor 200 Jahren 70 Prozent der Menschen dafür arbeiten mußten, daß überhaupt genug essen für alle da war, reichen dafür bei vernünftiger Organisation der Landwirtschaft jetzt rund 1 Prozent aller Menschen aus. Während heute noch 180 Millionen Menschen weltweit mit der Herstellung der Waren beschäftigt sind, mit denen wir uns kleiden, die Wohnungen vollstellen und von Ort zu Ort rollen, werden dazu in wenigen Jahrzehnten bei vernünftiger Organisation der Industrie 18 Millionen ausreichen. Mehr Bauern braucht’s nicht, um alle satt zu machen und mehr Arbeiterklasse braucht’s nicht, um alle zu kleiden, mit Wohnraum und Verkehrsmitteln zu versorgen. Danach könnte die eigentlich menschliche Geschichte beginnen, in deren Zentrum der Mensch mit seinen kulturellen Bedürfnissen und individuellen Grillen sowie die Erziehung der nachwachsenden Generation steht.

Das aber geht - was hier nicht weiter erläutert werden muß - nur auf der Grundlage des Gemeineigentums an Produktionsmitteln. Solange das Privateigentum daran nicht gebrochen ist, erstickt die Menschheit an ihren eigenen Fortschritten.

Um aber diesen Inhalten, die sich in ihrem ersten großen Anlauf 1917 bis 1989 schon großartig geschlagen haben, unter den Bedingungen einer objektiv schrumpfenden Arbeiterklasse erneut - und dann auf Dauer - zum Sieg zu verhelfen, brauchen wir dringend eine Debatte um die Form, in der wir das unter diesen veränderten Bedingungen zu tun haben. Die Form sich gegenseitig in konkurrierenden Parteien bekämpfender Kommunistinnen und Kommunisten ist jedenfalls, das zeigen die letzten Jahrzehnte, unpraktisch.

Weil der sozialistische Durchbruch 1989 steckengeblieben ist, geht die Schrumpfung der Arbeiterklasse unter den gegenwärtigen Bedingungen der imperialistischer Stagnation einher mit einem Aufblühen marginalisierter Arbeisplätze außerhalb der materiellen Produktion einerseits und einem Brachlegen Millionen „überflüssiger“ Menschen andererseits einher. Dieses Millionenheer in eine „Partei der Arbeiterklasse“ zu integrieren, entspricht nicht ihrer Klassenlage. Eine Gesellschaft, die sich nach ihrer Blütezeit zerfaulend in schillernde Einzelbestandteile zerlegt, bedarf folglich auch einer anderen Organisationsform derer, die an dem Ziel einer Aufhebung des Privateigentums weiter unbeirrt festhalten. Nun mag ja von einigen Besserwissern hier schon der Kugelschreiber reflexartig zur Randbemerkung „Zurück zum Zirkelwesen?!“ zucken. Weil sich aber die Geschichte nun einmal in Spiralen nach oben schraubt, muß die folgende Frage erlaubt sein: Wenn die Bolschewiki 1917 in der Lage werden, als Vertreter einer Minderheit zu siegen, indem sie durch ihr in den Jahrzehnten vorher aufgebautes Netz in der Lage waren, auch die anderen Teile des zerfallenden Feudalismus in die Richtung de Manifests zu orientieren, warum soll es uns nicht möglich sein, das Netz zu knüpfen, durch das eine in der Arbeiterklasse verwurzelte Organisation zur Förderung des Gemeineigentums in der Lage sein wird, alle leidenden Teile des zerfallenden Kapitalismus zu kämpfenden Teilen für die Aufhebung des Privateigentums zu machen?

Wenn das aber so wird, dann würde aus einer solchen Position die Streitfrage der letzten Wahlen, ob Kommunisten Wagenknecht oder Stehr wählen sollten, zu Recht nur noch anachronistischer Kinderkram sein. Der Sieg kommender Generationen wird über die Fähigkeit unserer Generation führen, ein Netz zu knüpfen, das in der Lage ist, in verschiedenen Organisationen und Institutionen - Parteien, Gewerkschaften, Zeitungen, öffentlichen Einrichtungen, Stiftungen, Initiativen - koordiniert so zu wirken, daß das Kernziel, die Errichtung des Gemeineigentums an Grund und Boden und Produktionsmitteln, wieder in die Griffnähe einer historischen Kraftanstrengung rückt. So wie die Frage des Eigentums wird sich dann auch die Frage der Macht der Kunst der Kompromisse verschließen - sie entscheidet sich wie immer in historischen Schlüsselsituationen nach der Frage „Wer wen?“. Die vor uns liegende Riesenaufgabe aber besteht darin, eine der sich aufgrund der Produktivkraftentwicklung herausbildende neue Klassenkonstellation angemessene Organisationsform zu finden, um den Punkt überhaupt zu erreichen, wo wir diese Frage wieder auf die Tagesordnung nehmen können.                                                                     

                                                                                                                   Manfred Sohn, Edemissen


Resonanz

Hermann Jacobs: Zum Artikel von Kurt Gossweiler (Offensiv Sept-Okt. 04)

Nun hat die zweite Revisionismusdebatte in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung wohl doch begonnen; wenn auch verspätet und in der falschen Gesellschaft (denn sie betrifft den Sozialismus und hätte eigentlich schon vor 40 Jahren eröffnet werden müssen), und sie beginnt, was nun erschwerend - oder auch nicht erschwerend - hinzu kommt, mit einer Spaltung (?) der Reihen der Revisionismus-Kritiker. Aber dennoch, alles in Allem, es ist etwas in Gang gekommen, was geschichtlich unvermeidlich ist - wir können uns gratulieren!

Ich beginne mit dem letzten Gesichtspunkt, dem der Spaltung der Revisionismus-Kritiker. Der Leser der diversen „offen-siv“-Beiträge zum Thema Politische Ökonomie des Sozialismus wird - seit dem Gossweiler-Beitrag in der letzten Nummer - gemerkt haben, dass, nachdem eine Position der Kritik formuliert worden war, die die so genannten ökonomischen Reformen ab den 60er Jahren in den sozialistischen Ländern als Gegenstand in die Revisionismus-Kritik einbezogen, ja, zu ihrem wesentlichen Angriffspunkt gemacht hat, nun eine andere Position erscheint, die diesen Gegenstand wieder aus der Kritik herausnehmen will. Das erscheint wesentlich im Beitrag von Kurt Gossweiler in der jüngsten Nummer von „offensiv“. Ich will mich gar nicht weiter dazu äußern, nur, um den Lesern von „offen-siv“ das Verständnis dieser Frage resp. der Diskussion dieser Frage zu erleichtern, darauf aufmerksam machen. Also: Die ökonomischen Reformen (die inzwischen zum Refugium nahezu aller noch bestehenden sozialistischen-kommunistischen Parteien geworden sind, d.h. deren politische Gegenwart der allgemeinen Arbeiterbewegung ausmachen) sind der eigentliche, der Hauptgegenstand der Revisionismus-Kritik. Damit ist die Anlage dieser Form der Kritik bestimmt: Da diese Reformen nicht in die Praxis der sozialistischen Länder umgesetzt wurden, sondern erst theoretisch angedacht waren, muß die Form der Kritik an diesen Reformen eine theoretische sein; sie muß den eigenartigen Widerspruch der sozialistischen Länder teilen, einerseits mit einer revolutionären Praxis begonnen zu haben, sie aber dann, nach gewissem Verlauf, theoretisch in Zweifel zu ziehen. D.h. sie muß sich mit einem Widerspruch zwischen Praxis und Theorie des Sozialismus herumschlagen, sie muß sich mit einer Praxis, aber zwei Theorien dieser Praxis herumschlagen, einer, die diese Praxis verteidigt (oder mehr oder weniger nicht mehr verteidigt) und einer Theorie, die ihren eigenen Sozialismus direkt angreift.

Wir haben uns entschlossen, den realen Sozialismus weiterhin zu verteidigen. Aber wie angesichts der Tatsache, das er theoretisch angegriffen wird? So, dass wir ihn theoretisch besser verteidigen. Wie weisen also nicht nur den theoretischen Angriff auf den Sozialismus zurück, (den wir als revisionistisch qualifizieren), sondern in unserem Anliegen ist enthalten auch die Frage, ob denn die bisherige Form der theoretischen Verteidigung der Praxis des Sozialismus eine ausreichende war? Diese Fragestellung führt uns dazu, einige Punkte der bisherigen verteidigenden Theorie des realen Sozialismus besser, schärfer, richtig (!) herauszuarbeiten. Das ist die so genannte „linke Kritik“ am realen Sozialismus - sie ist seine bessere theoretische Form seiner Verteidigung. Sie ist (im wesentlichen) ebenfalls theoretischer Natur, sie ist (im wesentlichen) keine Kritik seiner Praxis. Während umgekehrt ja eine „rechte Kritik“ am realen Sozialismus wesentlich eine Kritik an seiner Praxis ist, d.h. sie will einen „anderen Sozialismus“, d.h. eine Reform des realen Sozialismus.

Die linke Kritik am realen Sozialismus enthält daher auch einen Moment der Kritik an „Stalin“? Woran? An der theoretischen Form der Verteidigung des Sozialismus durch „Stalin“, d.h. sie geht „über Stalin hinaus“. Die über Stalin hinausgehende theoretische Fassung des realen Sozialismus (!) muß automatisch (!) nicht nur die Frage des Verhältnisses des Soziaismus, der 1. Phase des Kommunismus zur Warenökonomie betreffen, sondern sofern sie in dieser Frage korrigiert, auch die Frage der Periodisierung des Aufbaus der kommunistischen Gesellschaft betreffen und korrigieren. D.h. sie muß mehr Kommunismus hineinbringen - in den Kommunismus (mehr zweite kommunistische Theorie in die erste kommunistische Praxis). Eine solche Form der Verteidigung, die aber immer mit der realen praktischen Entwicklung des Sozialismus resp. Kommunismus kongruent gehen muß (und eben auch kann), ist eine bessere, ja sogar erst richtige Verteidigung des Sozialismus gegen den Revisionismus, gegen seine so genannten waren- und wertökonomischen Reformen. Wer das will, - geht mit uns, wer nicht; wird uns zunächst „nicht verstehen“.

Welches Verhältnis haben wir zur Revisionismusfrage insgesamt im Sozialismus? Dieses, dass seine Praxis wesentlich - politisch. außenpolitisch, ökonomisch - nicht revisionistisch war, aber, soweit es um einige theoretische Projektionen ging (in allen drei Gesichtspunkten), auch um Revisionismus ging, die eben dadurch, dass sie in das Allgemeingut einer dem realen Sozialismus nachgelagerten Praxis-Auffassung vom Sozialismus in sozialistisch-kommunistischen Parteien eingegangen sind (eigentlich die Szene der Arbeiterbewegung dominieren), einer Verdrängung wieder aus der Arbeiterbewegung bedürfen. 

Wir brauchen eine Revisionismus-Kritik, aber eine solche, die nicht übertreibt, die nicht den Revisionismus im Sozialismus schon für das Ganze nimmt, und die daher nur dann ihrer Notwendigkeit gerecht wird, wenn sie zugleich ihren eigenartigen (nur im Sozialismus möglichen) Widerspruch von Praxis und Theorie (Ideologie, Politik) wahrnimmt! Das gilt für alle Gebiete. Der Umstand, dass es in der Revisionismusfrage (die, was meine bisherigen Arbeiten betrifft, nur unter dem Sozialismus-Aspekt behandelt wird), innerhalb der Arbeiterbewegung zu diesem „merkwürdigen“ Widerspruch kommt, drückt eben aus, dass die Arbeiterbewegung im Sozialismus praktisch den Zwängen des Aufbaus der eigenen Gesellschaftsformation unterliegt, und politisch dem Umstand einer gesellschaftlich geteilten Welt. D.h. dieser erste Kommunismus wird immer praktisch kommunistischer sein als politisch, was aber nicht sein Revisionismus ist, sondern nur seine Möglichkeit dazu.

Leser der diversen Beiträge zur Politischen Ökonomie des Sozialismus in „offen-siv“ (der letzten Jahre) werden gewiss den fundamentalen Unterschied in der Gegenstandsbestimmung der Revisionismusfrage im Sozialismus in diesen Beiträgen bemerkt haben. Bei mir - und auch bei Gerald Hoffmann/Andrea Schön - ist er erweitert bis zum Verhältnis zur Rolle der Warenökonomie im Sozialismus. Ich/wir beziehen die im Sozialismus ab den 60er Jahren angedachten bis die Theorie beherrschenden Reformen in die Kritik am Revisionismus mit ein; er hat darum bei uns eine ökonomische Form. Der ökonomische Revisionismus ist Aufhebung der Planwirtschaft, damit der von der Planwirtschaft entwickelten zentralen Bestimmung der erweiterten Reproduktion. Planwirtschaft ist Herrschaft des Konsumenten über die Produktion (nicht etwa, wie es im Revisionismus heißt, Herrschaft der Partei, des Staates, also eines äußeren Subjekts über die Produktion, die darum unselbstständig werde, usw.) Während Revision/Revisionismus dieses Verhältnisses der Herrschaft des Konsumenten wiederum heißt, ein so genannten Produzenten-Interesse im Sozialismus zu entdecken, das in sein Recht eingesetzt werden muß. Daher Reform. Aber dieses Produzenten-Interesse kann nur ein Eigentums-Interesse sein, denn es gibt in der Ökonomie nur zwei Möglichkeiten, ein Interesse in der Wirtschaft zu verwirklichen: Das Interesse am Gebrauchswert und das Interesse am Wert. Das Interesse am Gebrauchswert bedarf also des Konsumenten, und Konsument ist in einer arbeitsgeteilten gesellschaftlichen Wirtschaft immer ein äußerer Konsument; und das Interesse am Wert bedarf in der selben (arbeitsgeteilten gesellschaftlichen) Wirtschaft immer des Produzenten, nicht des Produzenten, der arbeitet (weil er Gebrauchswerte für andere produziert) und dafür Arbeitszeit verbraucht, sondern des besonderen Produzenten mit dem besonderen Interesse an der Arbeitszeit; das Verhältnis zur Arbeit/Arbeitszeit als seinem besonderen, persönlichen Eigentum, ist hier unterstellt.

Das wird immer verkannt oder völlig unterschätzt; der gewöhnliche Mensch denkt immer, da wird doch gearbeitet, ergo Arbeitszeit aufgewandt, das ist doch normal, was ist da besonderes daran, warum davon so viel Wesen machen. Aber Arbeitszeit aufwenden (und messen) ist noch kein Arbeitszeit-Interesse. Ein besonderes Interesse ist es nur, wenn als Eigentum anzueignen, wenn die Arbeitszeit der Gegenstand eines besonderen Eigentums wird. Dazu muß man sich zur Arbeitszeit wie zu einem Gegenstand verhalten, den man in Besitz nehmen kann. Und das geschieht in der Warenproduktion, deshalb die Ware, deshalb das Geld - nicht als Mittel, Gegenstände zu erwerben, sondern als der besondere Gegenstand des Erwerbs selbst.

Warum begreifen Arbeiter dieses Problem nicht? Weil sie selbst das Geld in einem ganz anderen Sinn gebrauchen als der Eigentümer des Geldes. Der eine wendet es an im Sinne der Umwandlung in Gebrauchswerte, der andere an im Sinne der Umwandlung in Mehrgeld. Und nun sagt man, in diesem Sinne müßten es auch Betriebe im Sozialismus anwenden. Denn würden sie es anwenden im Sinne des Arbeiters, müßten sie es anwenden im Sinne des Kaufs, der Umsetzung in Gebrauchswerte. So, wie es die Planwirtschaft vorsieht; dort wenden Betriebe das Geld an im Sinne der Umwandlung in Gebrauchswerte, solche, die sie zur Produktion - von Gebrauchswerten benötigen. Aber Geld anwenden im Sinne der Vermehrung von Geld, der Gewinnerwirtschaftung - um es dann erweitert im Sinne der Gewinnerwirtschaftung anwenden zu können (usw.) - das ist/war vorgesehen in der Reform des Sozialismus; und deshalb ist Reform Revision/Revisionismus der Planwirtschaft.

So sei es nicht vorgesehen worden? Aber warum dann die Aufhebung der Form der Planwirtschaft, warum die Kritik der Reform an dieser Form?

Damit die Leser von „offen-siv“, die die Beiträge zur Politischen Ökonomie des Sozialismus vielleicht doch mit einem wachen Interesse verfolgt haben, nun nicht vollends in Zweifel zu stürzen, warum es denn noch geht resp. gehen soll, dies zur Aufhellung des Problems, und vielleicht vorweg mit einem Gleichnis: Angenommen, Jacobs würde sich nie zum Wetter geäußert haben, vielleicht gar nie gelebt haben, würde dann das Wetter existieren? So in etwa ist das Problem: Angenommen, Jacobs würde sich nie zum Revisionismus geäußert haben, insbesondere zum ökonomischen, würde dann der Revisionismus existieren? D.h. würden dann etwa keine kommunistischen usw. Parteien existieren, die von sich sagen, der „stalinsche Sozialismus“, das „sowjetische Modell des Sozialismus“ habe sich überholt, sei gescheitert, weil in eine Sackgasse geraten - es müsse ein anderer Sozialismus her? D.h. gibt es heute traditionell kommunistische/sozialistische Parteien, die mit einer ganz anderen Sozialismus-Auffassung als jener, die wir den realen Sozialismus nennen? Natürlich. Unabhängig davon, ob sich dieser oder jener geäußert hat oder nicht geäußert hat - gibt es diese Umstellung der sozialistischen Parteien, und man muß sich fragen, was die Ursache dieser Umwandlung wäre.

Es brächte also nichts, dass dieser oder jener, der sich geäußert hat, nun in Schweigen versänke, das Problem als solches bleibt, die Antwort als solche muß gegeben werden. Ist der alte, bisherige Sozialismus, für den fast 100 Jahre Disziplin eingefordert worden ist, passe, und ist der andere, der nun in den Köpfen herumgeistert, an seine Stelle getreten: Ist das Neue die Revolution, oder war es das Alte, ist das Neue Revisionismus?                                                                                                                               Hermann Jacobs, Berlin


Kurt Gossweiler: Nachtrag zum Jacobs-Artikel in Offensiv 7/04

Bei der Durchsicht der Aufsätze von Hermann Jacobs ist mir ausgerechnet der entgangen, der zwar auch in der bekannten, kaum verständlichen Sprache geschrieben und in dem auch eine äußerst anfechtbare Behauptung enthalten ist, der aber nach meiner Ansicht doch deshalb wichtig und den Leser wirklich bereichernd ist, weil er über eine bedeutsame Änderung der Auffassungen über das ökonomische System des Sozialismus in der Sowjetunion informiert. (Offensiv 11/03, S. 41-48)

Jacobs verglich die erste Auflage des ökonomischen Lehrbuchs „Politische Ökonomie Kapitalismus/Sozialismus“ von 1954 mit der 1962 erschienenen 4. Auflage und stellte dabei fest: In der ersten Auflage wird die Warenproduktion im Sozialismus als eine mit dem Übergang zum Kommunismus verschwindende Erscheinung gekennzeichnet, in der 4. Auflage von 1962 jedoch als eine dem Sozialismus wie auch dem Kommunismus wesenseigene, dauerhafte Produktionsform.

Diese das Eindringen des Revisionismus in die sowjetische Politökonomie markant zum Ausdruck bringende Änderung war mir bei meinen Untersuchungen der Entwicklung des Revisionismus in der Sowjetunion bisher entgangen. Für diese Information bin ich Hermann Jacobs dankbar.

Leider geht es aber auch in dieser Arbeit von Hermann Jacobs nicht ab ohne eine mit großer Bestimmtheit vorgetragene, aber absolut abwegige Behauptung. Es geht dabei um das Volkseigentum, das nach Jacobs von Stalin falsch definiert wurde. Jacobs kritisiert Stalin wie folgt: „Stalin erhebt das im Verhältnis zu den Bauernkollektiven agierende Volkseigentum zum Eigentum. Er tut etwas im Grunde Überflüssiges. Er spricht in dieser Beziehung zwischen Volkseigentum und neuer Kollektivwirtschaft vom Volkseigentum wie Eigentum. Und das ist der Fehler. Nie ist Volkseigentum Eigentum. (S. 46)

Warum? Nach Jacobs deshalb:

„Volkseigentum ist nicht Eigentum, sondern ist seine Aufhebung. Es kann nur als das Gegenteil von Eigentum deklariert werden. ... Stalin definiert etwas für das Volkseigentum, was nicht mehr das Volkseigentum ist: Eigentum. (S. 45)

Stalin ist sich der Auswirkung auf die allgemeine Theorie nicht im klaren, wenn er das Volkseigentum zum Eigentum erhebt, und zwar erhebt in dieser Abstraktion  als Verhältnis als solchem. Und in der Beziehung zu einem wirklichen Eigentum (dem Kollektiveigentum, K.G.), das sich auf dem Weg zu einem Nichteigentum, also einem Volkseigentum gemacht hatte. Damit wear das Verhältnis deutbar, war seine innere Bestimmtheit/Dialektik von Allgemeinem – und Nichteigentum – und Besonderem – Eigentum auf dem Wege zum Nichteigentum – umzukehren, weil dieser Nichteigentumscharakter des Volkseigentums in Frage gestellt, zur Disposition gestellt worden war.“ (S. 46f.)

Es ist schon merkwürdig, dass Jacobs anscheinend überhaupt nicht bewusst ist, dass die Schaffung des Volkseigentums so vor sich geht, dass durch die Enteignung der kapitalistischen Eigentümer deren privates Eigentum zu Eigentum des sozialistischen Staates wird, dass also Volkseigentum gleich Staatseigentum ist, von einem „Nichteigentum“ also keine Rede sein kann.

Und genau so merkwürdig ist, dass ihm offenbar überhaupt nicht in den Sinn kommt, dass er mit seiner merkwürdigen „Theorie“ vom Volkseigentum als „Nichteigentum“ das Volk jedes sozialistischen Staates gedanklich enteignet, bevor das die Konterrevolution in der Praxis, wie z.B. in der DDR die Treuhandgesellschaft, getan hat und dass wir „Ossis“ deshalb nach seiner Theorie überhaupt kein Recht dazu haben, uns als von der BRD enteignet und beraubt zu beklagen.

Es ergibt sich also, dass ich auch bei Berücksichtigung dieses Aufsatzes von Hermann Jacobs an der grundsätzlichen Einschätzung seiner Arbeiten in meinem Artikel in Heft 7/04 von Offensiv keine Änderungen vorzunehmen habe.                                                                                               Kurt Gossweiler, Berlin

 


 

Felix Bartels: Leserzuschrift anläßlich "Probleme im Osten" von Ronny Hirsch:

Zum Problem allgemein: Lenins Prinzip der Reinheit der Partei sollte uns wohl als Grundlage dienen. Wir Kommunisten haben über die Leninsche Parteitheorie keine Meinungsverschiedenheiten. Es ist aber einiges passiert, seit Lenin verschieden ist. Vor allem ist der Sozialismus gestürzt worden und man sollte sich also fragen, was für Forderungen sich aus der Leninschen Parteitheorie, konkret auf die heutige Situation bezogen, ableiten lassen. Und da hat Michael Opperskalski (in Wie weiter? Einige Thesen zur Situation der kommunistischen Bewegung, Offensiv 6/2003) drei sehr schöne Punkte formuliert, zu denen mir recht schnell einiges eingefallen ist. Ich möchte beides, die Punkte und meine Gedanken zu ihnen, mitteilen:

Die drei Forderungen:

1. Anerkennung der Grundpositionen des Marxismus-Leninismus (Leninsche Imperialismus-theorie, Staatsauffassung, Revolutionstheorie, Parteitheorie etc.);

2. Anerkennung der historischen Rolle der sozialistischen Länder, insbesondere der Sowjetunion sowie deren unverzichtbaren Erbes für die internationale kommunistische Bewegung. Dies schließt jegliche rechts- wie linksopportunistische Positionierung in dieser Frage aus;

3. Anerkennung des Revisionismus als Vorraussetzung für die (anhaltende) Spaltung sowie Schwächung der internationalen kommunistischen Bewegung und den Sieg der Konterrevolution in den sozialistischen Ländern, insbesondere der Sowjetunion.

Anmerkungen:

zu 1.: Ein Bekenntnis reicht nicht aus, sondern auch Verständnis ist notwendig. Gerade bei unseren Freunden vom linken Rand erleben wir ein leidenschaftliches Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus, ohne daß aber eine wirkliche Einsicht in die entsprechenden Sachverhalte der Theorien vorliegt. Die Folgen daraus sollte man ebenfalls nicht unterschätzen. Also eine Art "Elfte These" der Arbeiterbewegung: Die linken Sektierer haben den Marxismus nur verändert. Es kommt aber darauf an, ihn zu verstehen!

zu 2.: keine Beanstandung.

zu 3.: Die Konterrevolution wurde vor allem durch schlechte und kopflose Politik ermöglicht; diese schaffte die materielle Voraussetzung für jene: den wirtschaftlichen Abstieg. Der Revisionismus ist der geistige Überbau jener Phase der sozialistischen Politik. Natürlich besteht eine Wechselwirkung zwischen den Ergebnissen der Politik und der ideologischen Veränderung.

(Es ist so schwer, nicht mißverstanden zu werden. Ich versichere also, daß "kopflos und schlecht" eine objektive Charakterisierung der revisionistischen Politik ist. Es ist völlig nebensächlich, ob Chruschtschow aus Dummheit oder Gorbatschow aus Bosheit das taten, was sie taten. Entscheidend ist, daß sie es taten. Die Politik der Sowjetunion ist seit Stalins Tod der großangelegte Versuch, ein Land in den Keller zu regieren. Ohne diese materielle Voraussetzung wäre es zu keiner Konterrevolution gekommen.)

Zum Problem im besonderen: Es gibt in der DKP drei Gruppen. Zum ersten jene Gruppe, die im Grunde von Stehr repräsentiert wird und die die DDR und damit den wirklichen Sozialismus offen ablehnt. Zum zweiten (vor allem im Osten) jene Gruppe, die die DDR zwar positiv einschätzt, aber politisch (bewußt oder unbewußt) eher an der alten Mies-Linie hängt und folglich dem Revisionismus völlig unkritisch gegenübersteht. Die Mitglieder dieser Gruppe machen am 7. Oktober schon mal einen Rotwein auf, haben aber längst vergessen warum. Diese beiden Gruppen bilden im Grunde eine und unterscheiden sich nur durch die unterschiedliche Sozialisation ihrer Mitglieder. Zum dritten gibt es dann (und wieder vor allem im Osten) eine durchaus stärker werdende Opposition, die den drei Forderungen Opperskalskis am nächsten kommt. Diese dritte Gruppe ist die einzige und eigentliche Opposition in der DKP. Einzelgänger wie Hans Heinz Holz passen aus verschiedenen Gründen in keine der drei Gruppen und sind, insofern sie ja keine andere Strömung vertreten, der Hauptströmung zuzurechnen, obwohl sie sich inhaltlich keinesfalls in jeder Hinsicht decken, - mit dem Vorstand nicht und untereinander so wie so nicht. Den Hauptkampf der DKP kann man am besten verfolgen, wenn man die Debatte der Herren Gerald Hoffmann und Robert Steigerwald zur Kenntnis nimmt (nachzulesen in Offensiv, 2/2003, 5/2003, 11/2003). Soweit es mir als Außenstehender möglich ist, habe ich die Situation der DKP beschrieben und stelle also fest, daß die einzige Gruppe, die als kommunistische taugt, die dritte ist. Sie kommt als einzige für eine Einheit mit der KPD in Frage, und wenngleich sie stärker wird, wird es ihr in der DKP kaum anders ergehen als der KPF in der PDS. Sie muß also da raus!

Mit der inneren Situation der KPD kenne ich mich kaum aus. Aber ich kenne ihre politische und ideologische Position soweit, daß ich imstande bin zu sagen, daß sie - anders als die DKP - zum Klassenkampf taugt. Ohne die KPD ist eine Einheit deutscher Kommunisten nicht zu machen. Die dort organisierten Genossen sind ideologisch gefestigt, allerdings fehlt oft die Bereitschaft auf andere Kommunisten zuzugehen, was der Partei mancherorts den Ruf einer ML-Sekte einbrachte, und manchmal muß man den Eindruck haben, daß sie damit ganz glücklich ist.

Dies ist die Situationen zwischen beiden Parteien und ich denke, sie ist ziemlich unausgegoren. Aus verschiedenen Gründen kann es momentan nicht anders sein, als es ist. Aus verschiedenen anderen Gründen kann es wiederum nicht so bleiben, wie es ist. Mit anderen Worten: Alles ließe sich ändern und nichts läßt sich ändern. Unsere Lage ist nicht so revolutionär, wie manche glauben. Je reifer sie aber wird, desto mehr werden auch die Kräfte wachsen, die für einen wirklichen Umbruch stehen.

Die Idee der Einheit von KPD und der DKP-Opposition ist nicht unproblematisch. Ich verzichte darauf, das weiter auszuführen, weil das gewiß andere erledigen werden, und sich diese Dinge auch ganz leicht denken lassen. Zwei Dinge weiß ich über die politische Zukunft der deutschen Kommunisten: Der Weg zur Bildung einer Kommunistischen Partei Deutschlands wird lang sein, und - aufgrund der Ost-West-Problematik - nicht ohne Widersprüche verlaufen können. Der Weg über die Einheit im Osten ist eine Möglichkeit. So paradox es klingt: Eine Union ostdeutscher Kommunisten ist eine gute Voraussetzung für die Union aller deutsche Kommunisten. Eine einheitliche und starke Kommunistische Partei im Osten wäre für die Westgruppierungen ein Verhandlungspartner, den man ernst nehmen müßte. Man kann sich dieser Idee nicht ganz entziehen. Was die politische Zukunft der BRD angeht, so sollten wir uns ohnehin darauf einstellen, daß sich die revolutionäre Bewegung in Deutschland, wenn sie sich bildet, zuerst im Osten bilden wird. Daher ist eine Union der kommunistischen Kräfte im Osten eigentlich gar nicht vermeidbar.  Felix Bartels, Berlin

 


Besprechung: Icarus Heft 4 - 2004

Frank Flegel: Ein lesenswertes Heft!

Im Heft 4 – 2004 des „Icarus“ werden Vorträge der von der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e.V. in Berlin durchgeführten Veranstaltung zum 55. Jahrestag der Gründung der DDR dokumentiert.

Die Beiträge von Wolfgang Richter („Die Einheit Deutschlands ist nicht hergestellt“), Friedrich Wolf („Ein Zurück gibt es nicht“), Kuno Füssel („Von der Notwendigkeit systematischer Selbstvergewisserung“) und Ralph Hartmann („Die Mauer“) sind durchweg lesenswert und informativ. Obwohl es natürlich auch Zungenschläge darin gibt, die mir nicht gefallen, so besticht an allen Beiträgen eins: das Selbstbewusstsein!

Hier wird nicht mehr nur noch Trauer getragen oder Asche auf fast jedes Haupt gestreut, nein, der Blick geht nach vorn, die Haltung ist offensiv und angriffslustig und die eigene Herkunft ein klarer Ort. Zur Verdeutlichung einige Zitate:

„Seit der Sozialismus aus Europa wieder verschwunden ist, hält der Kapitalismus Kosmetik nicht mehr für erforderlich.“ (Friedrich Wolf, „Ein Zurück gibt es nicht“, in: Icarus 4-2004, S. 5)

„Man erinnert allmählich wieder, dass jeder Arbeit, jeder eine Wohnung hatte, dass jeder Schulen und Hochschulen besuchen konnte, dass Frauen die gleichen Rechte hatten, dass sie sich ihren Kinderwunsch erfüllen konnten, dass es keine Zwei-Klassen-Medizin gab und jeder sich Theater, Bücher, Kultur überhaupt leisten konnte, dass man sicher war, sicher vor Kriminalität und Existenz gefährdender Armut. Man erinnert sich wieder, dass alles das so selbstverständlich war, wie es heute unerreichbar und irreal erscheint.“ (ebenda)

„Die Erinnerung an das, was in der DDR möglich war, ist unerwünscht. Sie soll nicht sein. Sie wird verdrängt mit allen Mitteln moderner psychologischer Manipulation. Positive Erinnerung ist Nostalgie oder „Ostalgie“, die DDR ist ehemalig, ist miefig, ist totalitär, ist ein Unrechtsstaat, ist die zweite deutsche Diktatur, vergleichbar mit dem Hitler-Staat, war ein Gefängnis, war ein KZ. – Warum diese medialen Anstrengungen? Sie fürchten, dass das Ende der Geschichte doch nicht gekommen ist, dass der Sozialismus wiederkommt!“ (ebenda)

Natürlich gibt es auch Dinge, die mir persönlich weniger gefallen, beispielsweise die Feststellung, dass Stalin neben Bismarck und Hitler auch ein „Schlag gegen die Linke in Deutschland“ gewesen sei.

Aber egal! Das Heft ist lesenswert und informativ, zeugt von Weitblick und einer die historischen Prozesse sehr gut einbeziehenden Sichtweise.

 

Icarus, Zeitschrift für soziale Theorie und Menschenrechte. Herausgeber: Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde. Weitlingstr. 89, 10317 Berlin, Tel: 030 – 5578397, Fax: 030 – 5556355.

                                                                                                                                 Frank Flegel, Hannover

 

 

Solidarität mit dem irakischen Volk und
seinem legitimen Widerstand!

 

Das irakische Volk ist tagtäglich das Opfer einer so genannten „Neuen Weltordnung“, die durch die wachsende Aggressivität des Imperialismus charakterisiert wird. Die Konkurrenz der imperialistischen Hauptmächte verschärft sich, sie ringen immer aggressiver um eine Neuaufteilung der Welt, ihrer Absatzmärkte und Rohstoffe, die reaktionäre Formierung bis hin zur Faschisierung ihrer Gesellschaften und staatlichen Strukturen schreitet dementsprechend voran und jeder Widerstand gegen diese so genannte „Neue Weltordnung“ soll mit allen Mitteln ausgetreten werden. Insbesondere in der rohstoffreichen Region des Nahen und Mittleren Ostens strebt der US-Imperialismus danach, seine absolute Dominanz gegen alle Konkurrenten zu erhalten und auszubauen. In diesem Sinne soll diese Region neu „geordnet“ werden.

Für das irakische Volk bedeutet dies: brutalste Besatzung nach einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, Zerstörung des Landes und Ausplünderung seiner Ressourcen, Folter, Mord und Terror durch die Besatzer.

Hiergegen hat sich das irakische Volk seit der völkerrechtswidrigen Besatzung seines Landes von Beginn an erhoben. Sein Widerstand entwickelt sich dynamisch und auf allen Ebenen. Dies schließt den legitimen bewaffneten Widerstand ein, der u.a. auch durch Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen gedeckt wird.

Um den wachsenden Widerstand des irakischen Volkes zu brechen, setzen die von den USA geführten Besatzer immer brutalere Methoden ein: willkürliche Massenverhaftungen und Folter, die Einrichtung von Konzentrationslagern, eine Kriegführung gegen den Widerstand, die darauf abzielt, den Irak in Schutt und Asche zu bomben, der Einsatz international geächteter Massenvernichtungswaffen einschließlich von Giftgas wie in Falludscha oder die Ausschaltung von politischen Führern des irakischen Widerstandes wie durch die Verhaftung des Vorsitzenden der „Irakischen Patriotischen Allianz“, Abduljabbar al-Kubaysi, am 2. September 2004. Inzwischen schmachten Tausende politischer Gefangener in den Folterkammern der Besatzer.

Ein Element der Unterdrückung des wachsenden irakischen Volkswiderstandes ist auch eine gezielte Diffamierungskampagne, die darauf abzielt, diesen als „terroristisch“ oder „islamistisch“ abzustempeln und international zu isolieren. Diese Kampagnen, unterfüttert von Desinformationen der CIA, des israelischen MOSSAD und anderer westlicher Geheimdienste, werden nicht nur von Medien und politischen Kräften geführt, die die Besatzung des Irak offen unterstützen, sondern zum Teil auch „unter linker Flagge“ vorgetragen, um insbesondere jene Menschen negativ zu beeinflussen, die sich aufrichtig gegen die Besatzung des Irak und für eine Solidarität mit dem Widerstand des irakischen Volkes engagieren möchten. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die so genannte „Irakische Kommunistische Partei“ (wie auch ihre Vorfeldorganisationen), die einen Minister in der von den USA eingesetzten, von ihr komplett abhängigen und mit direkten CIA-Agenten durchsetzten so genannten „Übergangsregierung“ stellt und bisher alle Terrormaßnahmen der Besatzer und ihrer Marionetten gegen das irakische Volk mitgetragen hat.

 

 

Gerade nach dem Massaker von Falludscha erklären die Unterzeichner ihre Solidarität mit dem irakischen Volk und seinem legitimen Widerstand und fordern:

 

Ich/wir unterzeichne(en) diesen Aufruf:

Bitte zurückschicken an: Frank Flegel, Redaktion „offen-siv“, Egerweg 8, 30559 Hannover, Tel & Fax: 0511-5294782, Mail: redaktion@offen-siv.net,  Internet: offen-siv.kommunistische-geschichte.de

Name/Organisation                     Anschrift                        Tel/fFax/Mail                       Unterschrift

 

 

Hans Schröter ist tot!

 

Als junger Mensch trat Hans Schröter nach der Befreiung Deutschlands vom Faschismus der KPD bei. Er war Mitglied der SED von Anfang an. Er hat stets für den Sozialismus gelebt, welche Aufgaben ihm auch immer abverlangt wurden.

So war es selbstverständlich, dass er nach der Konterrevolution 1989/90 nicht kapitulierte, sondern sich zunächst innerhalb der PDS in der Kommunistischen Plattform aktiv einbrachte, bevor er – wie wir – einsah, dass dieser Kampf vergebens sein musste.

Dort, in der Kommunistischen Plattform der PDS, lernten wir ihn kennen. Seine Energie und sein Tatendrang faszinierten uns sofort – und als noch sehr junge Genossinnen und Genossen der KPF-Hannover brach unsere gesamte Gruppe auf, ihn zu Hause zu besuchen. Er hatte einige Zelthäuser organisiert, und so verbrachten wir ein interessantes Schulungswochenende in Kelbra, seinem Heimatort.

Aus diesem ersten Kontakt entwickelte sich eine zügige politische und publizistische Zusammenarbeit, die ihren ersten Erfolg zeitigte mit der Herausgabe des zweiten Sonderheftes der Offensiv „Marxismus und Reformismus“, an dem Hans einen wesentlichen Anteil hatte. Seitdem begleitete er uns und die Offensiv kontinuierlich, dabei konstruktiv und gleichzeitig kritisch, wie es seine Art war, mit Beiträgen, Anmerkungen und Hinweisen.

Die Zusammenarbeit blieb gut, die politischen Diskussionen wurden intensiver, die persönlichen Bande enger und die gegenseitigen Besuche häufiger. So war es kein Wunder, dass Hans, als die KPF die Herausgeberschaft der Offensiv kündigte, sofort bereit war, als Gründungsmitglied unserem Trägerverein und Herausgeberkreis in verantwortlicher Position beizutreten.

 

Wir verlieren mit ihm einen standhaften, unbestechlichen und kämpferischen Genossen.

 

Seine Erfahrung, vor allem aber seine Energie, sein Tatendrang, seine Furchtlosigkeit und sein durch nichts zu erschütternder Optimismus werden uns sehr fehlen.

Wir werden ihn stets in ehrender Erinnerung behalten.

Unser Mitgefühl gilt seiner Frau Irmtraute und seinen Kindern.

 

Anna und Frank

 

 



[1] Aber redet bitte nicht über Verfahrensfragen wie „Kritik von `außen`“ und „Kritik von `innen`“, ohne Euch inhaltlich zu positionieren.

 

[2] Die „Lähmung des sozialen Bewusstseins der Individuen“ durch die „unbegrenzte Konkurrenz“ nennt Einstein „das größte Übel des Kapitalismus“. Deutlich macht er es an seinen Studenten: diesen würde ein „übertriebenes Konkurrenzdenken eingetrichtert“ und sie würden „dazu ausgebildet, raffgierigen Erfolg als Vorbereitung für die zukünftige Karriere anzusehen“.

[3] An dieser Stelle kann nicht auf die Geschichte der Baath Partei eingegangen werden

[4] siehe nachfolgende Dokumente; die „offen-siv“-Redaktion ist zudem bei Interesse in der Lage, entsprechende Informationen regelmäßig weiterzuleiten. Wir bitten in diesem Fall um die Angabe eine E-Mail-Anschrift, an die Informationen, Dokumente etc. – in der Regel in englischer Sprache – weitergeleitet werden können

[5] Asia Times vom 24 June 2004 http://globalresearch.ca/articles/GRA406A.html. Entnommen dem geheimdienstkritischen Magazin GEHEIM, Nr. 2/2004 (Postfach 270324, 50509 Köln, Tel: 0221-2839995, Fax: 2839997, E-Mail: redaktion@geheim-magazin.de Internet: www.geheim-magazin.de)

[6] Entnommen dem geheimdienstkritischen Magazin GEHEIM, Nr. 2/2004 (Postfach 270324, 50509 Köln, Tel: 0221-2839995, Fax: 2839997, E-Mail: redaktion@geheim-magazin.de, Internet: www.geheim-magazin.de. Übersetzung nach der inoffiziellen englischen Übersetzung von Behnam Keryo („Al-Moharer“) von Klaus von Raussendorff

[7] Entnommen dem geheimdienstkritischen Magazin GEHEIM, Nr. 2/2004 (Postfach 270324, 50509 Köln, Tel: 0221-2839995, Fax: 2839997, E-Mail: redaktion@geheim-magazin.de, Internet: www.geheim-magazin.de.

[8] Hierbei handelt es sich um eine Kommunikation der „Nationalen Befreiungsarmee des Irak“, die direkt an die Redaktion des geheimdienstkritischen Magazin GEHEIM gerichtet wurde. Sie wurde der Ausgabe 4/2004 von GEHEIM 2004 (Postfach 270324, 50509 Köln, Tel: 0221-2839995, Fax: 2839997, E-Mail: redaktion@geheim-magazin.de, Internet: www.geheim-magazin.de) entnommen.

[9] Im folgenden wird die so genannte „Irakische Kommunistische Partei“ auch als IKP abgekürzt

[10] Bei dieser Organisation handelt es sich um von der so genannten  Irakischen KP abgespaltene Mitglieder und Funktionäre der Partei, die diese zum Teil nach Jahrzehnten aus Protest gegen den verräterischen Kurs der Führung verließen, auch, weil sie keine Möglichkeit mehr sahen, den Kurs der Parteiführung und ihre Kollaboration mit den imperialistischen Besatzern zu ändern. Die Genossen der „KP Iraks (Kader)“ unterstützen aktiv den irakischen Widerstand – einschließlich seiner bewaffneten Widerstandsoperationen -, sind ein Teil von ihm. Die hier abgedruckten Zitate entstammen ihrer Erklärung vom August 2003, die in voller Länge in „offen-siv“, Nr. 15/03 abgedruckt wurde

[11] Aus: Anti-Imperialistische Korrespondenz, Klaus v. Raussendorff, 19. Oktober 2004

[12] Aus: Anti-Imperialistische Korrespondenz, Klaus v. Raussendorff, 19. Oktober 2004

[13] Heinz Stehr, Vorsitzender der DKP: „Zu Aspekten des Internationalismus in unserer Zeit“, Referat auf der 6. Tagung des Parteivorstandes der DKP, 14./15. Februar 2004 in „DKP-Informationen“, Nr. 2/2004, 20. Februar 2004

[14] Aus: Unsere Zeit (Wochezeitung der DKP), 12. 11. 04, http://www.dkp-online.de/uz/3646/s1201.htm

[15] Aus: „Unsere Zeit“ (Zeitung der DKP), 19.11.2004

[16] Quelle: junge welt vom 12. November 2004

 

[17] Der Kontext: Nachdem die Spitzengremien der Partei 1904 (ZO/Iskra, ZK und der Parteirat) durch willkürliche Kooptationen und Intrigen von Menschewisten beherrscht waren, wurden die Anträge der Parteimehrheit zur Einberufung eines Parteitags schlichtweg ignoriert, bis die Bolschewiki unter Lenins Führung zu "Taten" übergingen und schließlich eine Einberufung durch das "nicht-zuständige" ZK erreichten."

[18] Kommunistische Manifest, Kapitel 1, „Bourgeois und Proletarier“, hier zititert nach „Manifest“, Dietz-Verlag Berlin 1981, S. 52f

[19] Lenin, Die große Initiative, hier nach Lenin, Ausgewählte Werke in 6 Bänden,  Frankfurt 1971, Band V; S. 164

[20]A survey of the world economy, Economist, 2nd October 2004, p. 4

[21] Karl Marx, Das Kapital, erster Satz