Zeitschrift für Sozialismus und Frieden 2/05
Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik (e.V.)
Spendenempfehlung:
3,00 € (wegen Überlänge)

Ausgabe: März / April 2005


Mit Schwerpunkt:

Strategie der kommunistischen Bewegung heute

Inhalt

Redaktionsnotiz

Wissen ist Macht

Redaktion Offensiv: Bildungsprogramm

Die BRD im Jahr 2005

Dr. Siegmar Eßbach: Zum „Triumph" unserer Regierung

André Vogt: Lohnarbeit und Kommunisten

Faschismus und Neofaschismus in Deutschland

Helmut Loeven: Die Faschisten streben nach Einfluß

Irak

Zbigniew Wiktor: Der Irak-Krieg und seine Folgen für Polen

Zur Strategie der kommunistischen Bewegung heute

ZK der KKE: Entwicklungen im imperialistischen Weltsystem – der Kampf der Völker. Thesen des ZK der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) zum 17. Parteitag (9.-12. Feb. 2005)

Kommunistische Partei Griechenlands (KKE): Zur Situation in der internationalen kommunistischen Bewegung.

Entschließung des 17. Parteitages der KKE vom Februar 2005

Hans Heinz Holz: Richtungskämpfe müssen ausgefochten werden. Zwei Linien in einer Partei?

Hans Heinz Holz: Es gilt, die Einheit der Gegensätze herzustellen

Michael Opperskalski: Wider die „Kritik auf den Knien":

Frank Flegel: Der 17. Parteitag der DKP

          Nachlese: Vier unterschiedliche Stimmen zum Parteitag

     Zeitung „Analyse und Kritik", Nr. 493 vom 18. 3. 05; Henning Böke: Das Phantom der Einheit – Die DKP rauft sich zusammen.

       UZ-Interview mit Heinz Stehr, DKP-Vorsitzender, UZ, 25. 2. 05

       Marxistische Blätter, Nina Hager, 1. Tagung des 17. Parteitages – Eine positive Bilanz

       RotFuchs-Interview mit Hans Heinz Holz zum 17. Parteitag der DKP, RotFuchs April 05

Erwin Erfurth: Zum gegenwärtigen Stand der Erarbeitung von Grundpositionen für die Zusammenarbeit der Kommunisten Brandenburgs

Arbeitsgruppe KPF-PDS, DKP, KPD: Entwurf für „Grundpositionen für die Zusammenarbeit der Kommunisten" 

K. Hannemann / M. Klenner (beide KPF): Gegenentwurf zu „Grundpositionen für die Zusammenarbeit der Kommunisten"

Politische Ökonomie des Sozialismus

Gerald Hoffmann und Andrea Schön: Zur Erscheinungsweise des Wertgesetzes im Sozialismus

Geschichtsrevisionismus

Prof. Dr. Horst Schneider: „Erinnerungsschlacht" in den Farben Sachsens

Berichte von unseren Irak-Veranstaltungen

Wolfgang Herrmann: Freiheit für das irakische Volk

A. u. A. Vogt: Packender Vortrag über die Situation im Irak

Resonanz 

Heinz Hoffmann: Noch einmal: Probleme im Osten

Samy Yildirim: Antwort an meine Kritiker, 2. Teil

Aufruf: Solidarität mit dem irakischen Volk und seinem legitimen Widerstand!

 


 

Redaktionsnotiz

„Er war ein Geschenk des Himmels an uns", sagte Lech Walesa, unsäglicher Gründer der konterrevolutionären so genannten „Gewerkschaft" Solidarnosc, und fügte hinzu: „Wir wissen, was der Papst erreicht hat. 50 Prozent des Zusammenbruchs des Kommunismus sind sein Werk." Gott habe ihn selig.

Das Resultat dieses „guten" Werkes lässt sich nicht nur in Polen besichtigen, sondern eigentlich überall. Wir wollen hier kurz einen Blick auf die neue Militärdoktrin der USA werfen: Der zufolge sind „Feinde" Amerikas nicht nur jene, „die versuchen, unsere Bevölkerung zu terrorisieren, sondern auch die anderen, die versuchen, unsere globale Handlungsfreiheit einzuschränken". Dementsprechend werden in dem Papier die NATO, die UNO und deren Sicherheitsrat mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen reklamiert man für sich selbst das Recht auf die „präventive Militäraktion", …"um den Ausbruch von Feindseligkeiten zu verhindern oder um einer befreundeten Regierung wieder in ihr Amt zu verhelfen." Und wer „internationale Foren anruft" oder „gerichtliche Prozesse anstrengt", um die US-amerikanische Handlungsfreiheit einzuschränken, „fordert unsere Stärke als Nation heraus…" Freedom and democracy…

Wie im großen so im kleineren Rahmen: die Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals ist akut bedroht, sie soll abgerissen werden, um dort Villen bauen zu können. Widerstand tut not. Wegen konkreter Informationen – vor allem für Aktionen – wendet Ihr Euch bitte an den Förderverein der Gedenkstätte.

Nun zu diesem Heft: es hat Überlänge. Das liegt an unserem umfangreichen Schwerpunkt „Strategie der Kommunisten", aber auch daran, dass wir die anderen interessanten Artikel nicht ungedruckt in der Schublade liegen lassen wollten. Der Schwerpunkt bringt interessante Dokumente der Kommunistischen Partei Griechenlands, dann Nachdrucke von zwei Artikeln von Hans Heinz Holz, Überlegungen zum konkreten Handeln in der aktuellen Situation, einen Bericht vom Parteitag der DKP, zwei Dokumente zu Bestrebungen für die Einheit der Kommunisten aus Brandenburg. Gleichzeitig sind zwei Sonderhefte in Vorbereitung, die, wenn alles gut geht, im Mai erscheinen werden: Der letzte Teil der Reihe von Ulrich Huar über Stalins Beitrag zur marxistisch-leninistischen Militärpolitik – 1945, dies als unser Beitrag zum 8. Mai; und ein Heft mit Briefen von Kurt Gossweiler, die er in der Zeit von 1988 bis 1993 schrieb und die sich mit dem Problem der Konterrevolution auseinandersetzen, die „Wendebriefe".

Im Februar hat unser Herausgeberverein getagt und einige wichtige Beschlüsse gefasst. Erstens haben wir selbstverständlich beschlossen, weiterhin die Offensiv herauszugeben, dazu wurden Vorstand und Redaktion bestätigt. Wichtiger aber ist, dass wir unsere Anstrengungen für eine Verbesserung der Bildungsarbeit vergrößern wollen: wir bieten unterschiedliche Bildungs-veranstaltungen an und wir haben die Absicht, etwa gegen Ende des Jahres so weit zu sein, ein Fernstudium zu Grundlagen und aktuellen Fragen des Marxismus-Leninismus organisieren zu können. Des weiteren geht die Arbeit an unseren beiden Publikationsprojekten – zum Trotzkismus und zum Lehrbuch politische Ökonomie - gut voran.

Es gibt bei all dem nur ein Problem – wie schon immer: - das Geld. Wir brauchen Eure Spenden, vor allem brauchen wir eine größere Breite der Spendentätigkeit. Bisher konnten wir für unsere Buchprojekte so gut wie nichts zurücklegen – und die beiden im Mai folgenden Sonderhefte werden die Kasse leerfegen.

Spendenkonto Offensiv: Konto Frank Flegel, Kt.Nr.: 30 90 180 146 bei der Sparkasse Hannover, BLZ 250 501 80, Kennwort „Offensiv".

Frank Flegel, Hannover

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Wissen ist Macht

Redaktion Offensiv: Bildungsprogramm

Es ist eine „alte" Tradition der revolutionären Arbeiterbewegung, sich durch organisierte Bildungs- und Informationsarbeit in die Lage zu versetzen, die Welt zu verstehen, um sie zu verändern. Nach dem – zeitweiligen – Sieg der Konterrevolution in den sozialistischen Ländern, für den die Entwicklung des Revisionismus in der kommunistischen Weltbewegung eine entscheidende Voraussetzung war, ist eine marxistisch-leninistische Bildungs- und Informationsarbeit integraler Bestandteil aller Bestrebungen des Wiederaufbaus der kommunistischen Bewegung und im imperialistischen Deutschland der Schaffung einer starken, einheitlichen Kommunistischen Partei. Marxistisch-leninistische Bildungs- und Informations-arbeit ist damit zugleich eine Waffe gegen den Revisionismus in all seinen Spielarten. Ohne Zurückdrängung und Zerschlagung des Revisionismus wird es unmöglich sein, die kommu-nistische Bewegung wieder aufzubauen.

Daher haben wir uns entschlossen, unseren Leserinnen und Lesern ein Veranstaltungsangebot zu machen, das, so meinen wir, recht flexibel lokal und regional organisiert und umgesetzt werden kann. Zentrale Kosten entstehen dabei nicht. Für die Umsetzung sind die Genossinnen und Genossen selbst verantwortlich und anfallende Fahrtkosten der/des Referenten können vor allem dann, wenn sich mehrere Gruppen in einer Region zusammentun, sehr gering gehalten werden. Nachfragen lohnt sich auf jeden Fall! Deshalb wendet Euch bitte bei Interesse an uns, die Redaktion „Offensiv", Frank Flegel, Egerweg 8, 30559 Hannover, Tel&Fax: 0511-5294782, Mail: redaktion@offen-siv.net.

Unser Veranstaltungsangebot:

1. Imperialismus und „Neue Weltordnung"

a) Brennpunkte imperialistischer Aggression und antiimperialistischer Widerstand

- Irak – Besetzung und wachsender Widerstand

- Afghanistan – zum Protektorat degradiert

- Venezuela – Skizzen einer national-demokratischen Revolution im Widerstand gegen den Imperialismus

- Kolumbien – ein herausragendes Beispiel für anhaltenden revolutionären Kampf

- Cuba – der Sozialismus verteidigt sich gegen Embargo und anhaltende imperialistische Destabilisierungsstrategien

b) Strategien und Entwicklungstendenzen des Imperialismus

- Ist Lenins Imperialismustheorie noch aktuell?

- Zur Entwicklung und Strategie des US-Imperialismus

- Der Hauptfeind steht im eigenen Land! Zur Entwicklung des deutschen Imperialismus

2. Gegen Revisionismus und Konterrevolution – für die Verteidigung des Marxismus-Leninismus

- Imperialistische Diversionsstrategien gegen die DDR

- Situation und Entwicklung der kommunistischen Bewegung vor dem Hintergrund des zeit-weiligen Sieges der Konterrevolution und des Revisionismus Red. Offensiv, Hannover

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Die BRD im Jahr 2005

Dr. Siegmar Eßbach: Zum „Triumph" unserer Regierung

Wie immer die wirtschaftliche, soziale, kulturelle o. dergl. Situation in Deutschland auch ist, die rosa-grüne Regierung mit ihrem Chef Gerhard Schröder bejubelt sie als einen großen Erfolg ihrer Reformpolitik.

Über 5 Millionen Arbeitslose – eine Arbeitslosenzahl, wie es sie bisher in Deutschland noch nie gegeben hat - eine skandalöse Zahl für ein so reiches Land wie die BRD, wo die Profite ständig ins unermeßliche steigen, die Reichen immer reicher werden und die Zahl der Bürger, die unterhalb der Armutsgrenze leben immer größer wird. Doch das ist keine Misére, sondern – lt. Wirtschaftsminister Clement - ein „Erfolg der Politik." Konnte dadurch ja ein statistisches Manko ausgeglichen werden, indem nun diejenigen als arbeitslos erfaßt werden konnten, die arbeiten können, von den Kommunen aber bisher Sozialhilfe bezogen haben!

Die neue „Gesundheitsreform" mit der Entrichtung von 10 € „Eintrittsgeld" beim ersten Arztbesuch im Quartal und der Streichung vieler Medikamente für die Verordnung auf Kassenrezepten, die vom Patienten nur noch auf Privatrezept für den vollen Preis erworben werden können, von der rosa-grünen Regierung 2004 in Kraft gesetzt, feiern die Gesundheitsministerin und die Regierung als Erfolg ihrer Reformpolitik. Dieser „Triumph" wurde und wird von den gleichgeschalteten Medien in gebührlicher Weise verbreitet. Als „Erfolge" wurden und werden besonders gefeiert: Der Rückgang der Zahl an Arztbesuchen, die Senkung des Medikamentenverbrauchs (Lt. Presseberichten haben die Kassen 2004 gegenüber 2003 2,5 Milliarden € = 11% weniger für Medikamente ausgegeben <!>) und der Rückgang der Zahl an Krankmeldungen. Ursachen dafür wurden nicht genannt, wie die Tatsache, daß manche Bürger nicht in der Lage sind (Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Arbeitende mit Mindestlöhnen, alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern und andere), die dafür notwendigen Ausgaben wie Praxisgebühr, Zuzahlung zu Rezepten oder den Preis für auf Privatrezepten verordnete Medikamente aufzubringen. Als Beispiel sei eine junge Frau aus dem Land Brandenburg genannt, die um den Jahreswechsel 2004/05 mit einem starken fieberhaften Infekt nicht zum Arzt ging und das Risiko eingegangen ist, die Erkrankung ins neue Jahr zu verschleppen, weil sie in den letzten Tagen des Jahres nicht 10 € bezahlen und wenige Tage später, im neuen Jahr, nicht gleich wieder 10 € auf den Tisch legen konnte. Und der Rückgang der Tage für Krankschreibungen dürfte doch wohl (sofern es sich bei den Kranken nicht um Beamte handelt) mit der Furcht um den Verlust des Arbeitsplatzes zusammenhängen. Wirklich ein grandioser Erfolg der Gesundheitsreform!

Im Rahmen der Triumphmeldungen ist jedoch nichts dazu gesagt worden, wie viele Kranke deshalb früher als notwendig schon gestorben sind

Durch diese Erfolge der Reform einschließlich der Praxisgebühr konnten die Kassen wieder schwarze Zahlen schreiben und erhebliche Einnahme verbuchen. Anlaß dafür, die Gehälter der Vorständler der Kassen beachtlich zu erhöhen, anstatt die lange vom Gesundheitsministerium geforderte Senkung der Mitgliedsbeiträge für die Versicherten umzusetzen. Diese Amoralität dürfte kaum dazu beitragen, das Vertrauen der Versicherten zu ihren Krankenkassen, die doch die Anwälte ihrer Mitglieder zur Sicherung deren Rechte in Sachen Gesundheit und Leben in dieser Gesellschaft sein sollten, zu wahren.

Die im Jahr 2004 durchgesetzte "Gesundheitsreform" mit ihren üblen Folgen für die Bedürftigsten des Volkes ist jedoch nicht der Anfang der sozialen Barbarei. Sie begann schon gegen Ende der neunziger Jahre gleichsam als Fortsetzung des bereits von der schwarz-gelben Koalition eingeleiteten rigorosen Sozialabbaus insbesondere im Bildungs- und Gesundheitswesen, und das justament zur gleichen Zeit, als der Spitzenfunktionär der PDS, Gregor Gysi, in einem Interview mit dem Tagesspiegel „bezweifelte, daß das gesellschaftliche System in Deutschland ausschließlich kapitalistisch sei". Er sehe vielmehr „Hunderte von Elementen", die vom kapitalistischen Standpunkt her nicht erklärbar seien. Als Beispiel nennt er die `Bypass-Operation´ eines Siebzigjährigen, die rein marktwirtschaftlich nicht zu erklären sei. Laut Gysi gäbe es in der BRD einige sozialistische Elemente. Diese aufgestellte Behauptung, daß unsere Gesellschaft nicht nur mehr nur kapitalistisch sei, sondern daß er in ihr sozialistische Elemente erkennen kann, war nicht nur eine isolierte subjektive Meinung, sondern entsprach und entspricht dem Grundkonsens der PDS-Ideologie von der „Transformation des Kapitalismus". Diese von ihm als modern kreierte Version ist aber nicht neu bzw. „modern". „Der erste Verfechter der Theorie der ´Transformation des Kapitalismus` war E. Bernstein. In den Arbeiten dieses Ahnherrn des Reformismus aus der Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ist in nahezu fertiger Form das gesamte ´Sortiment` an reformistischen Argumenten und Ideen enthalten, die von heutigen ´Vordenkern` (der PDS) gepflegt werden. Dieses Gedankengut aufgreifend, wollen sie sich als modern präsentieren. Bernstein behauptete bereits in seinen ´Sozialen Problemen`, der Kapitalismus habe sich von Grund auf verändert, die Marxsche Analyse und Theorie seien auf ihn nicht mehr anwendbar. Es war Bernstein, der bereits vor mehr als hundert Jahren im Schoße der kapitalistischen Gesellschaft die ´Keime`, die ´Elemente` der neuen Gesellschaft ´entdeckte`…." (Prof. Dr. Anton Latzo: „Wohin? Der ´dritte Weg´ der PDS". In: `Mitteilungen der KPF der PDS´, Heft 1/2005, S. 19)

Bei der 1998/99 in vollem Gang befindlichen sogenannten Gesundheitsreform ging es schon damals um den Abbau von Krankenhausbetten, um die Schließung ganzer Krankenhäuser, um die Streichung von Medikamenten, die von Ärzten nicht mehr auf Kassenrezept verordnet werdend dürfen. Es ist eine Tatsache, daß seit dieser Zeit hinter vorgehaltener Hand, und oft auch schon offen, bekrittelt wird, daß die vielen zähen Alten nicht sterben wollen, das Budget der Krankenkassen belasten und die Existenz der jungen Generation gefährden!

Die immer wieder neue Budgetierung der Arzneimittelverordnungen durch die Gesundheitsministerin der Rosa-Grünen Regierung veranlaßte damals den Präsidenten der Bundesärztekammer zu der 1998 zum „Unwort" gekürten Aussage: „Dann müssen die Patienten mit weniger Leistung zufrieden sein, und wir müssen insgesamt überlegen, ob die Zählebigkeit anhalten kann, oder ob wir das sozialverträgliche Frühableben fördern müssen! (Vgl. „junge Welt", 21. 1. 2000. „Sozialverträgliches Frühableben" ist im „Lexikon der Unwörter" 2000 aufgenommen).

War man damals im Volk der Meinung, schlimmer könne es nicht mehr kommen, so war das weit gefehlt. Wie sich unterdessen gezeigt hat, ist der Erfindungsreichtum der Herrschenden Klasse und der sie vertretenden Regierung zur Auspowerung und Disziplinierung der Besitzlosen, der Armen und Ausgebeuteten unermesslich. Was die sich als Gesundheitsministerin versuchende Sonderschullehrerin neuerdings, offensichtlich mit der „Überlegung vom sozialverträglichen Frühableben" im Hinterkopf, seit 2004 als „Gesundheitsreform" auf den Weg gebracht hat, ist schon der Gipfel der Unmenschlichkeit, und doch kann noch keiner sagen, ob das schon das Ende der asozialen Politik einer menschenfeindlichen Regierung gegenüber den Besitzlosen (und zugunsten der Besitzenden, der Unternehmer, der Konzerne, der Besserverdienenden) sein wird.

Bei der neuen „Gesundheitsreform", in Verbindung mit „Hartz IV" betrachtet, drängt sich der Verdach auf, daß das Arbeitslosenproblem auf diese Weise, gemäß dem Slogan: „Weil du arm bist mußt du früher sterben" biologisch gelöst werde soll. Mit Hartz dürfte das in einem überschaubaren Zeitraum problemlos zu realisieren sein! Auf diese Weise kann sich ein Staat, eine Gesellschaft von den sogenannten „Ballastexistenzen" auf „elegante Weise" (was heißt, ohne Gewalt wie zu früheren Zeiten) befreien. Das assoziiert bei noch lebenden Bürgern meiner Generation Erinnerungen an eine barbarische Vergangenheit!

1925 veröffentlichte der deutsche Philosoph Ernst Mann (Pseudonym von E. Hofmann) sein Machwerk „Die Erlösung der Menschheit vom Elend", in dem er die These vertrat, daß die Menschheit sich nur vom Elend erlösen könne, „wenn sie sich von den Elenden", das heißt, „von den Kranken und Krüppeln befreit…. Das Elend kann nur aus der Welt geschafft werden durch die schmerzlose Vernichtung der Elenden….Wünscht man den Aufstieg eines Volkes, so muß man vor allem dazu beitragen, daß die Zahl der Arbeitsunfähigen möglichst verringert wird - Wer nicht arbeiten kann, soll auch nicht essen", so seine Devise. (A.a.O., S. 61) Womit er noch über die Forderung des christlichen Apostels Paulus hinausgeht, der da in seinen Briefen schrieb: „So jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen". Mann ersetzt das im Prinzip gerechte will durch das inhumane, barbarische kann.

Unter „Elenden" verstand er alle unheilbar Kranken und alle möglichen Formen von Behinderten: von Blinden über geistig Behinderten bis zu Körperbehinderten und alle anderen Leidenden. Und diese „Ballastexistenzen" sollten nach Ernst Mann „der Vernichtung anheimfallen"! Ärzte, die alles unternehmen, um Kranke gesund zu machen, macht er für die Verelendung der Menschheit mitverantwortlich.

Ernst Mann hat für die wirksame Durchsetzung seiner „Idee" eine effektive Strategie entwickelt. Aufgabe des Arztes sei es nicht, so Mann, schwer kranke Menschen gesund zu machen, sondern dafür zu sorgen, daß eine durchweg kerngesund Bevölkerung ohne „Ballastexistenzen" (ohne Behinderte und Schwerkranke) besteht und erhalten bleibt, was voraussetzt, Wege zu finden, sich ihrer" zu entledigen! Dazu hat Mann seine Idee von „Selektionsärzten" entwickelt. Danach sollten die Wohngebiete (Städte. Dörfer etc.) in Distrikte eingeteilt und für jeden Distrikt ein „Selektionsarzt" eingesetzt werden, der in regelmäßigen Abständen alle Bewohner seines Distrikts zu einer Kontrolluntersuchung zusammenruft, um „das Minderwertige zur Tötung auszulesen". Wer den Kriterien eines gesunden, leistungsfähigen Bürgers nicht entspricht, hat sein Recht zum Weiterleben verwirkt! Diesen „Selektionsärzten sei Polizeigewalt gegeben, ihr Amt auch gegen den Willen mancher Kranken durchzusetzen". (a.a.O., S.66)

So makaber einerseits und unrealistisch andererseits eine derartige Vision auch erscheinen mag und als Utopie abgehakt werde könnte, so hat diese Idee bei den Hitlerfaschisten ihre Akzeptanz gefunden. Nachdem bereits 1939 die von dem Leipziger Professor für Kinderheilkunde, Werner Catel, initiierte Kindermordaktion T 4 in Berlin (Tiergartenstraße 4) beschlossen worden war, in deren Verlauf Tausende behinderte Kinder ermordet und psychisch kranke Erwachsene im Gas (wie in Bernburg) umgebracht worden sind, war das für die Hitlerfaschisten die Strategie, wie nach dem Krieg und erhofftem Sieg das deutsche Volk kerngesund seine Führungs-(Unterdrückungs-)Aufgabe gegenüber den besiegten Völkern wahrnehmen kann! Und so wurde denn diese Methode in großem Stil erprobt. Experimentierfeld waren die Konzentrationslager der SS. Als das bekannteste Beispiel sei Auschwitz-Birkenau genannt!

Beim Eintreffen der Transporte mit den Deportierten an den Konzentrationslagern standen die „Selektionsärzte" der SS an der Rampe und wählten die Gefangenen danach aus, wer sich als kräftig und arbeitsfähig für den „Verleih" an Konzerne und sonstige Unternehmen für eine Reichsmark pro Tag (in die Kasse der SS) eignete. Diese durften noch einige Zeit, bis zu ihrer Auspowerung durch die unmenschliche Ausbeutung in der Kriegsindustrie in den Baracken der KZs überleben. Wer jedoch diesen Kriterien nicht entsprach, der durfte von der Rampe aus sofort den Marsch ins Gas antreten: Mütter mit ihren Kindern auf dem Arm und an der Hand, Alte, Kranke und Schwache, die sich nach langem Transport kaum noch auf den Beinen halten konnten,

Diese von den Faschisten vorprogrammierte Lösung ist dem deutschen Volk Dank ihrer Zerschlagung durch die Sowjetarmee und ihrer Verbündeten erspart geblieben!

Es dürfte nicht uninteressant sein zu wissen, daß besagter Ernst Mann von sich behauptete, daß er mit den Faschisten nichts gemein hatte und auch nicht in ihrer Partei war. Das zeigt, daß man nicht unbedingt in einer faschistischen oder neofaschistischen Partei organisiert sein muß, um eine solcherart konservativ-verbrecherische oder angenäherte Ideologien zu entwickeln. Wenn sich heute manche konservativen Politiker „demokratischer" Parteien unterschiedlicher Farben und Funktionäre des Industrie- und Bankkapitals äußern, erleben wir das ja fast täglich. Ein klassisches Beispiel dazu hat ja gerade eben der „Jugendfunktionär" der „Freien Demokraten" mit seiner Aufforderung an die Alten, den „Löffel abzugeben", geliefert. Auch die Ausfälle von Merkel, Hund, Klose u.a. gegen das im Gespräch befindliche Antidiskriminierungsgesetz liefern beredte Beispiele usw. Was uns die Mahnung Julis Fuciks: „Menschen, ich hatte Euch lieb. Seid wachsam!" aufdrängt.

Bei der Ungewißheit, was von der heutigen und der künftigen Regierung noch alles an asozialen „Reformen" zum Schaden der Lohnabhängigen, der Arbeitslosen, der Obdachlosen, Behinderten, Kranken und sonstigen sozial Schwachen in die Wege geleitet wird, ist man versucht zu fragen, wie lange sich das die unmittelbar und am meisten Betroffenen noch gefallen lassen werden!

Es gab und gibt Proteste. Jedoch noch nicht ausreichend koordiniert und organisiert. Und diese, oft noch durch kleinlichen Streit zwischen den Organisatoren über Art und Form der Proteste zersplitterten Aktionen haben nicht die erwarteten Ergebnisse gezeigt. Millionen empörte Bürger sind, getrennt marschierend, gegen „Hartz IV" auf die Straße gegangen, ohne daß die Regierenden hinreichend beeindruckt waren. Das ist die „Demokratie" in unserem Land, die doch korrekt „Volksherrschaft" heißt! Der Wille von „Millionen Volk" in diesem Land wird ignoriert, und eine handvoll Regierender macht, im Interesse der besitzenden Klasse, gegen dieses Volk was sie will. Dem „national und global agierenden Kapital" und der es stützenden und schützenden Regierung ist es „in den letzten Jahren gelungen – nicht zuletzt begünstigt durch die erfolgreiche Konterrevolution und der Zerstörung des Sozialismus in Europa – den Widerstand der Arbeiterklasse und ihrer oft getrennt marschierenden Organisationen in Grenzen zu halten. Spalten und einzeln schlagen: Das ist die Methode des Kapitals. Dem müssen wir – jetzt! - die Schaffung der Aktionseinheit der Kommunisten, Sozialisten und aller anderen antiimperialistischen Organisationen und Kräfte entgegenstellen!, schreibt der Chefredakteur von „Die Rote Fahne", Uwe Langer, im Leitartikel von „Die Rote Fahne" Januar 2005 auf Seite 2. Dieses Angebot ist sehr ernst gemeint auch für Genossen der Basis in sich als links verstehenden Parteien, die nicht (bzw. noch nicht) durch Diskriminierung anderer linker Parteien und durch das revisionistische Geschwätz ihrer Führung ideologisch deformiert worden sind. 

Dr. Sigmar Eßbach, Berlin

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André Vogt: Lohnarbeit und Kommunisten

Etwa 5.216.000 Menschen ohne Arbeit zählt die Arbeitsagentur im Februar 2005 in Deutschland. Andere zählen 7 Mio, einige auch 8,2 Mio. Die tatsächliche Anzahl exakt und taggenau zu ermitteln, wäre eine Kleinigkeit. Die Bourgeoisie hat daran kein Interesse. Ein Blick auf ihre eigene Statistik aber zeigt, dass sich die „offizielle" Arbeitslosenzahl in den letzten dreißig Jahren ungefähr um den Faktor fünf erhöht hat. Dieser Anstieg ist (auch) das Ergebnis angestrengter, intensiver und erfolgreicher Bemühungen der Lohnarbeiter, die Aufträge der Kapitalisten zu deren Zufriedenheit zu erfüllen. Zwei Beispiele zu Wirkungen von Arbeit im Kapitalismus:

Die DEUTSCHE BANK gibt für das abgelaufene Geschäftsjahr die Erwirtschaftung eines Rekordgewinnes bekannt. Arbeitsplätze werden gestrichen. GENERAL MOTORS meldete Verluste statt Gewinn. Arbeiter werden entlassen. Das Ergebnis der Lohnarbeit der Belegschaften ist also einmal Gewinn (welcher unter den Eigentümern verteilt wird) und in beiden Fällen Stellenabbau für einen Teil der Beschäftigten. Betroffene und Unterstützer fordern deswegen: „Erhalt der Arbeitsplätze", „Mindestlohn", „Weg mit Hartz IV", „Schaffung von Ausbildungsplätzen" usw. usf. Gefordert werden damit bessere Organisation der Lohnarbeit, bessere Chancen zu ihrer Ausübung sowie Absicherung für die künftige Ausbeutung der (dann qualifizierteren) Jugend. Kommunisten werden diese Forderungen verstehen und mancherorts vielleicht sogar in Teilen (beispielsweise Abschaffung von Zwangsräumung, Abschiebung, Brechmitteleinsatz, Faschistenorganisationen, Menschenhandel, Prostitution, Privateigentum an Produktionsmitteln, Ausbeutung fremder Arbeitskraft usw.) unterstützen. Gleichzeitig aber werden sie ungefähr Folgendes mitzuteilen haben: Die Zeit der friedlichen, bequemen, relativ leicht auszuführenden Knechtschaft geht nun auch in der BRD für die Mehrzahl zu Ende. Den üblichen Schacher mit den Kapitalisten um ein bisschen mehr oder weniger Arbeitszeit, um ein bisschen mehr oder weniger Lohn verlieren die Arbeiter (zwangsläufig) regelmäßig. Er wird sogar ganz unmöglich. Eine neue Entwicklung wird sichtbar: Der Faschismus, die offen terroristische Diktatur der Bourgeoisie, wächst (erneut) allmählich und folgerichtig aus der bürgerlichen Demokratie hervor und wird mit Gesetzen und praktischen Übungen der entsprechenden Akteure (willige, weil käufliche Lohnarbeiter) in Polizei, Staatsanwaltschaft, Geheimdienst, Grenzschutz, Verwaltung usw. entschlossen vorbereitet (was jeder bemerken kann). Das bedeutet Krieg nach innen und außen. Die Tageszeitung „junge Welt" berichtet davon. Die (natürliche) Unfähigkeit der Kapitalisten, mit den modernen Produktivkräften verantwortungsbewußt, also zum Nutzen der Menschheit umzugehen, tritt offener zutage. Planlos lassen sie (unter Benutzung von Menschen) Natur und Mensch verramschen und das Elend (von Menschen) nimmt dadurch zu, nicht ab.

Um die Not zu wenden, ist die Übertragung der bisher als Privateigentum der Ausbeuter deklarierten gesellschaftlichen Produktionsmittel in den Besitz und die Verfügungsgewalt der gesamten Gesellschaft erforderlich. Erst dann können diejenigen, welche den Reichtum erarbeiten, über diesen auch verfügen (die Lohnarbeit wird abgeschafft und gesellschaftlich nützliche Arbeit organisiert). Das können nur die Ausgebeuteten selber tun, sonst niemand. Das ist nicht vorraussetzungslos, sondern muß vorbereitet werden. Dazu ist die politische Macht der Arbeiterklasse erforderlich. Die im Bundestag und in den Länderparlamenten versammelten Parteien sind keine Arbeiterparteien. Das Kreuz auf dem Wahlschein bei einer der „Farben" Parteien bedeutet: Ich bin einverstanden mit Ausbeutung und mit den Verbrechen (die von Kapitalisten angezettelt und von Lohnarbeitern ausgeführt werden) und wünsche die Fortführung dieser elenden Verhältnisse.

Die Aufgaben der Proletarier (wenn sie denn wirklich ernsthaft etwas für die Kinder tun wollen) bestehen nun darin, miteinander ins Gespräch zu kommen über die Zumutungen und Untaten der Ausbeuter (weltweit), über den Widersinn, bei steigender Arbeitslosigkeit länger arbeiten zu müssen, über die Notwendigkeit, sich gegenseitig solidarisch zu unterstützen und zu lernen, mit weniger auszukommen (was möglich ist), die Lohnarbeit zu sabotieren und höchstens ein schlechter Knecht zu sein. (Schließlich hält nicht der Arbeitslose den Kapitalismus am Leben, sondern der (Lohn)arbeitende.)

„Wir haben genau gewußt, daß wir für den Krieg arbeiten, indem wir überhaupt arbeiten," läßt Bertolt Brecht den Kalle in den „Flüchtlingsgespräche"(n) aussprechen, was vielen immer noch nicht klar ist (und das ist nicht verwunderlich, denn auch Brecht wird in den bürgerlichen Ver–bildungseinrichtungen kaum gelehrt, Marx kommt nur als „Schriftsteller" vor und Sozialismus nennt man wieder „Utopie"). Deshalb, Genossen Proletarier, bildet euch ohne „BILD", Television, MDR, usw. (Unwissenheit, Dummheit, Hetze, Lüge und Betrug sind Gehilfen der Herrschenden bei der Unterdrückung in der Ausbeutergesellschaft.) Verringert euren Konsum bewusst, nehmt euch Zeit zum Lernen! Es ist die Lohnarbeit, die den Krieg (nach innen und außen) erst möglich und schließlich unumgänglich macht. Sie erzeugt und mehrt das Kapital, die Macht über uns. Wir verschlimmern durch Lohnarbeit unsere Lage, die Lage der Arbeiterklasse (weltweit) weiter. Wenn wir nicht für unsere Klasse handeln, handeln wir für die Ausbeutung, gegen uns. Faschismus kann nur als Kapitalismus, der er ist, bekämpft werden. Kapitalismus ist nur durch die proletarische Revolution abschaffbar, sonst nicht!

Zum Verständnis über den Charakter unseres Kampfes (um die Köpfe) sei hier folgender Absatz aus einem Brief von Marx an den Publizisten Arnold Ruge in Erinnerung gebracht, dem wir uns vorbehaltlos anschließen können: „Es hindert uns also nichts, unsre Kritik an die Kritik der Politik, an die Parteinahme in der Politik, also an wirkliche Kämpfe anzuknüpfen und mit ihnen zu identifizieren. Wir treten dann nicht der Welt doktrinär mit einem neuen Prinzip entgegen: Hier ist die Wahrheit, hier kniee nieder! Wir entwickeln der Welt aus den Prinzipien der Welt neue Prinzipien. Wir sagen ihr nicht: Lass ab von deinen Kämpfen, sie sind dummes Zeug; wir wollen dir die wahre Parole des Kampfes zuschrein. Wir zeigen ihr nur, warum sie eigentlich kämpft, und das Bewusstsein ist eine Sache, die sie sich aneignen muss, wenn sie auch nicht will. Die Reform des Bewusstseins besteht nur darin, dass man die Welt ihr Bewusstsein innewerden lässt, dass man sie aus dem Traum über sich selbst aufweckt, dass man ihre eigenen Aktionen ihr erklärt." (MEW Bd. I, S.345/346)

Was nun den Kampf des bewussten Proletariats betrifft, so finden wir bei Karl Marx folgende logische Handlungsanleitung: „Das Proletariat vollzieht das Urteil, welches das Privateigentum durch die Erzeugung des Proletariats über sich selbst verhängt, wie es das Urteil vollzieht, welches die Lohnarbeit über sich selbst verhängt, indem sie den fremden Reichtum und das eigene Elend erzeugt. ..., darum kann und muss das Proletariat sich selbst befreien. Es kann sich aber nicht selbst befreien, ohne seine eigenen Lebensbedingungen aufzuheben. Es kann seine eigenen Lebensbedingungen nicht aufheben, ohne alle unmenschlichen Lebensbedingungen der heutigen Gesellschaft, die sich in seiner Situation zusammenfassen, aufzuheben." (MEW Bd II, S.37/38)

Die Lebensbedingung der Proletarier, wie die der ganzen kapitalistischen Gesellschaft, ist die Lohnarbeit. Diese ist aufzuheben, abzuschaffen. Wie geht das? Indem die Arbeiter sich zunächst über die Schädlichkeit der Lohnarbeit klar werden. Die Schädlichkeit der Lohnarbeit besteht darin, dass sie diese heutigen, für die Mehrzahl elenden Zustände tagtäglich herstellt. Die modernen Arbeiter haben vergessen, dass sie ausgebeutet werden, sie haben vergessen, dass sie durch die Lohnarbeit, bei der sie nur einen Teil (des Wertes) ihrer geleisteten Arbeit ausbezahlt bekommen, ausgebeutet werden, sie haben vergessen, dass der Unternehmer ein Kapitalist ist, der über sie und ihre Familie bestimmt, sie entmenscht und dass die Kapitalisten deshalb ihre Feinde, ihre Klassenfeinde sind.

Die Belehrung über diese einfachen Tatsachen erfahren die Arbeiter durch die Kapitalisten selbst. Zur allgemeinen Teuerung gesellen sich sinkender Lohn, längere Arbeitszeit, höhere Arbeitsbelastung, weniger Vollzeitstellen, schlechtere Versorgung bei Arbeitslosigkeit, bei Krankheit, bei Scheidung, bei Elternschaft, ..., beim Leben.

Damit aber die Arbeiter den Kapitalisten (und deren Lakaien) ihr Auskommen weiterhin sichern, erzählt man ständig und überall die Mär vom Segen, der durch Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum durch Freihandel und Friedenseinsätze usw. usf. kommen wird. Dieser Verarschung treten Kommunisten entgegen, indem sie eben nicht für Arbeit (Lohnarbeit), eben nicht für Ausbildung (zum Lohnsklaven), eben nicht für Bildung (nach dem reaktionären idealistischen bürgerlichen Standpunkt) eintreten sondern über die unvermeidliche Notwendigkeit der Abschaffung des Systems der Lohnarbeit durch die Proletarier selber aufklären. Zur Rolle der Gewerkschaften dabei fasste Karl Marx am Ende seines Vortrages: „Lohn, Preis und Profit" in aller Deutlichkeit zusammen:

„3. Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkte des Widerstands gegen die Gewalttaten des Kapitals. Sie verfehlen ihren Zweck zum Teil, sobald sie von ihrer Macht einen unsachgemäßen Gebrauch machen. Sie verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als einen Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse, d. h. zur endgültigen Abschaffung des Lohnsystems." MEW Bd. XVI, S.152

Es ist unschwer zu erkennen, dass sämtliche Gewerkschaften „ihren Zweck gänzlich verfehlen". Und das bereits seit sehr langer Zeit. Anstatt der Orientierung auf die Befreiung der Arbeiterklasse erwirken sie deren weitere Knechtung und Knebelung mittels vertraglich geregelten Ausbeutungsbedingungen und Bestechungsgeldern für die Arbeiteraristokratie. Sie betreiben damit aktiv die Spaltung der Arbeiterklasse an der Seite und im Interesse der Bourgeoisie. Der scheinbare (private) Vorteil des Arbeitsplatzbesitzers gerät zur Belastung der Lebenssituation des Proletariats insgesamt. Deshalb ist es eben kein Glück für das Proletariat, (Lohn-) „Arbeit zu haben" sondern eine Schande, Lohnarbeit leisten zu müssen. Wenn dieser Unterschied, dieser Klassenstandpunkt des Proletariats (wieder) klar wird, ist die proletarische Revolution vorbereitet. Kommunisten führen diesen Prozess. Nicht selbsternannte Kommunisten oder gar „revolutionäre" Sozialisten sondern Aktivisten der kommunistischen Tat, Bolschewisten also. 

André Vogt, Dresden

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Faschismus und Neofaschismus in Deutschland

Helmut Loeven: Die Faschisten streben nach Einfluß

 

Vortrag bei einer Veranstaltung der DKP im Hamborner Ratskeller am 17.11.2004

I.) Genossinnen und Genossen! Wenn über das Thema gesprochen wird, über das ich heute spreche, hört man meistens so etwas:

- Die sind völlig unbedeutend und bei Wahlen chancenlos.

- Die Wähler der rechtsextremen Parteien sind in Wirklichkeit keine Nazis, sondern Protest-wähler, die sich bei der nächsten Wahl wieder normal verhalten werden, und dann kommen die Extremisten wieder unter 5 Prozent.

- Die haben zwar ihren Stimmenanteil verdoppelt, aber solange sie nicht an der Regierung beteiligt sind, sind sie ungefährlich.

Das sind die Varianten der immer gleichen Beschwichtigungsformel. Wir kennen das. Wir haben auch gehört: Man soll das nicht noch aufwerten. Als ob die Nazis dadurch stärker werden, daß wir zu viel über sie reden. Wir haben auch das gehört: Hitler ist an der Regierung - laßt ihn mal machen, in ein paar Monaten hat er abgewirtschaftet, dann ist der Spuk vorbei.

Und als der „Spuk" dann - nicht schon nach ein paar Monaten - vorerst vorbei war, hieß es: Wir haben mitgemacht, um Schlimmeres zu verhüten, wir haben mitgemacht, was hätten wir sonst machen können!

Mag die Formel auch variieren - die Haltung ist immer die gleiche. Daß der Faschismus ein „Spuk" ist, und daß man den Kopf in den Sand stecken soll. Es ist die Haltung des treudeutschen Spießers, das, was Franz Werfel die „Trägheit des Herzens" genannt hat, seine Gleichgültigkeit der Niedertracht gegenüber, seine Unberührtheit vom Leiden der geschundenen Kreatur. Nicht gegen das Leid wehrt er sich, sondern dagegen, daß man ihn damit konfrontiert.

Wird die Beschwichtigungsformel des Jahres 1933 (laßt sie nur machen - laßt sie nur abwirtschaften) und wird die laue Entschuldigung des Jahres 1945 (was hätten wir dagegen tun können) neu aufgelegt?

Als Adolf Hitler schon vor der Tür zur Reichskanzlei stand, als seine Ernennungsurkunde schon in der Schublade lag, schrieb Carl von Ossietzky: 7„Die Nationalsozialistische Bewegung ist weder durch die Bedeutung ihrer Führer noch durch die Überzeugungskraft ihrer Programme groß geworden, sondern durch die verbrecherische Unzulänglichkeit einer Pseudodemokratie und die Feigheit eines parlamentarischen Regimes, das niemals gewagt hat, eines zu sein."1

Man kann also sagen: Der Hitler-Faschismus folgte der Weimarer Republik, weil er aus ihr hervorging. Die Weimarer Republik war weniger Opfer als Vorbereitung des Faschismus.

Das Attest, das Ossietzky der Weimarer Republik ausstellte, möchte ich ergänzen durch einen Gedanken von Friedrich Engels, der über die Französische Revolution sinngemäß schrieb: Als das Bürgertum seine Fähigkeiten erkannte, war es entsetzt - und flüchtete sich in die Restauration. Mit anderen Worten: das Bürgertum war nicht fähig und noch weniger Willens, seine historische Mission zu erfüllen. Wenn so das Urteil über Frankreich lautet, das Land, dessen Kultur und Lebensart Friedrich Engels schätzte, das Land, in dem die universellen Ideen von Freiheit und Gleichheit erdacht wurden von den Aufklärern, wie muß das Urteil dann erst lauten über Deutschland, wo das Niveau einer normalen, liberalen Demokratie westlichen Zuschnitts nie erreicht wurde und wo immer solche politischen Konzepte mehrheitsfähig waren, die gegen Freiheit und Gleichheit gerichtet waren. Ich halte dafür, daß diese deutsche Demokratie keine wirkliche Garantie gegen Faschismus beinhaltet. Das gilt für die Weimarer Republik ebenso wie für die Bonner und die Berliner Republik. Denn diese Bundesrepublik ist mit dem Makel der Restauration behaftet, und das ist noch gelinde gesagt, über einen Staat, der nach 1945 die Vernehmungsbeamten, Staatsanwälte und Richter nicht auszuwechseln brauchte, um den Feind zu bekämpfen, der immer noch links stand. Überspitzt könnte man sagen: „Demokratie" war doch zu oft das neue Etikett für alte Nazis, die sich in ihrer Ausdrucksweise und Verhaltensweise angepaßt hatten und sich den Zielen der Siegermächte, sofern es imperialistische Ziele waren, bereitwillig unterordneten.

Ein faschistisches Regime in Deutschland steht in der überblickbaren Zukunft nicht auf der Tagesordnung - so wie übrigens die deutsche Wiedervereinigung vor 16 Jahren nicht auf der Tagesordnung stand. Man ist gut beraten, unter Otto Reuters Motto „Ick wundere mir über jarnischt mehr", das Unmögliche einzukalkulieren, denn wir haben lernen müssen, daß die ferne Zukunft uns sehr plötzlich sehr nahe rücken kann. Von den herrschenden Kräften wird gegenwärtig eine Politik vorangetrieben, die Massenverelendung und die Verschärfung sozialer Konflikte in Kauf nimmt. Es könnte eine Stimmung kulminieren, die mit der am Ende der Weimarer Republik zu vergleichen ist. Das wesentliche Ziel des Kapitals war damals, die Arbeiterbewegung nachhaltig zu schwächen und den Einfluß der KPD zurückzudrängen. Eine Option war, nicht mehr die bürgerlichen Parteien zu unterstützen, sondern die SPD. Aber die Stahlhelm-Fraktion des Kapitals setzte seine Radikallösung durch: Schwächen und Zurückdrängen reichte nicht, sondern unterjochen und zerschlagen.

Die Politik des Kapitals heute besteht in Konfrontation und Wegräumen aller Rudimente der „Sozialpartnerschaft". Da darf man sich nicht wundern, wenn faschistische Kräfte sich als Option ins Spiel bringen. Sollte das Kapital diese Option nicht annehmen, dann nicht etwa deshalb, weil das Kapital bei der Durchsetzung seiner Interessen irgendwelche Skrupel hätte, sondern deshalb, weil es eine solche Option vorerst noch nicht für notwendig hält.

II.) Genossinnen und Genossen! Wenn Marxisten über das heutige Thema sprechen, dann wird immer wieder folgender Satz zitiert: „Der Faschismus an der Macht ist die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals."

Wir alle kennen diesen Satz, er ist der Kernsatz des Referats von Giorgi Dimitroff auf dem VII. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale 1934. Der Satz wird oft falsch verstanden und falsch zitiert. Der Satz definiert keineswegs, was Faschismus ist. Kurt Gossweiler schrieb dazu: „Die Kritiker der 'Dimitroff-Formel'…" (und ich füge ein: auch deren Vertreter) „…übersehen seit jeher: erstens, daß dieser eine Satz keine Faschismus-Definition, sondern lediglich die Kennzeichnung eines einzigen Aspektes des Faschismus, nämlich seines Klassencharakters ist; und zwar zweitens: des Klassencharakters des Faschismus an der Macht, also eines Herrschaftssystems. Drittens wird übersehen oder ist überhaupt nicht bekannt die Warnung vor einem schematischen Gebrauch dieser Formulierung, die Dimitroff in seinem Schlußwort zur Diskussion auf dem VII. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale mit aller Eindringlichkeit aussprach, indem er ausführte: 'Keinerlei allgemeine Charakteristik des Faschismus, mag sie an sich noch so richtig sein, enthebt uns der Pflicht, die Eigenart der Entwicklung des Faschismus und der verschiedenen Formen der faschistischen Diktatur in einzelnen Ländern und in verschiedenen Etappen konkret zu studieren und zu berücksichtigen. Es ist notwendig, in jedem Land das national Besondere, das national Spezifische im Faschismus zu studieren und herauszufinden und dementsprechend wirksame Methoden und Formen des Kampfes gegen den Faschismus festzulegen… Es wäre ein grober Fehler, irgendein allgemeines Entwicklungsschema des Faschismus für alle Länder und alle Völker aufstellen zu wollen. Ein solches Schema würde uns nicht helfen, sondern uns hindern, den wirklichen Kampf zu führen.'"2

Mit anderen Worten: Was Dimitroff über den Faschismus sagte, ist richtig, aber es ist nicht das letzte Wort. Man kann den Satz nicht so zitieren, als wäre damit alles gesagt und als wäre dem nichts mehr hinzuzufügen. Es ist eine Aussage über den Faschismus an der Macht und über dessen Klassencharakter. Es ist keine Definition, sondern eine Kennzeichnung unter dem Aspekt des Klassencharakters, der für uns Marxisten der wesentliche Aspekt ist, aber nicht der einzige. Womit wir uns heute zu beschäftigen haben, ist der Faschismus in seiner gegenwärtigen Etappe, in seinem gegenwärtigen Aggregatzustand als Faschismus, der an die Macht strebt und gesellschaftlichen Einfluß zu gewinnen versucht.

Wenn es dem herausragenden Genossen Dimitroff gar nicht darum ging, eine umfassende, allgemeingültige wissenschaftliche Definition des Faschismus zu leisten, wird man es einem Anfänger wie mir nachsehen, daß ich das auch nicht leiste. Stattdessen möchte ich einige Merkmale dessen, was wir Faschismus nennen, herausstellen.

Ein Merkmal des Faschismus ist der Ultra-Nationalismus. Er geht über einen Nationalismus hinaus, der „nationale Interessen" zur Richtschnur politischen Handelns macht. Er orientiert sich nicht am Nationalstaat, der vor zweihundert Jahren aus dem Zerfall des Feudalismus hervorging, sondern wähnt Traditionen, die älter sind als der Nationalstaat. Für den Ultra-Nationalisten haben schon die alten Germanen die deutsche Nation verkörpert. Man könnte überspitzt sagen: für den Nationalisten ist die Nation älter als sie wirklich ist. Nationalität wird nicht als bloße Staatsangehörigkeit aufgefaßt und Nation nicht als Gemeinschaft, die innerhalb von Staatsgrenzen einer gemeinsamen Staatlichkeit unterworfen ist. Zugehörigkeit zur Nation ist nicht definiert durch die Nationalität, die im Personalausweis vermerkt ist, sondern durch Tradition, Identität, Schicksal, Herkunft, Abstammung, gemeinsames Empfinden und Rasse. Der Ultra-Nationalismus ist im ursprünglichen Sinne des Wortes esoterisch, weil ihm ein Empfinden zugrundeliegt, das nicht durch Erkennen und rationales Denken zustandekommt. Er ist irrational. In der Periode der Systemkonkurrenz wurde die größte Bedrohung für die Nation im Osten geortet. Aber der Ultra-Nationalismus ist im Grunde anti-westlich. Er richtet sich gegen „westliche Einflüsse", die dem deutschen Wesen fremd sind. Damit ist gemeint: der englische Individualismus, die französische Aufklärung und die amerikanische Unabhängigkeitserklärung, in der die französischen Ideen der Gleichheit und der dem Individuum angeborenen Menschenrechte zum politischen Programm wurden.

Ein weiteres Merkmal des Faschismus ist sehr prägnant dargestellt worden in den Film Taxi-Driver von Martin Scorsese, den hoffentlich alle kennen. Wir erinnern uns: Robert de Niro (bzw. der, der von Robert de Niro gespielt wird) kommt aus Vietnam zurück. Er wird aber nicht als Held willkommengeheißen, sondern er ist dazu verdonnert, ein Leben als Underdog zu führen. Die Stadt New York, die er täglich mit seinem Taxi durchstreift, empfindet er als ekelhaftes Gemisch von Nutten, Zuhältern, Drogendealern und Süchtigen. Als er eines Tages einen Senator kutschiert, fragt er ihn, warum er nicht mal aufräumt und den ganzen Dreck beseitigt. Damit ist nicht gemeint, daß der Senator dafür sorgen soll, daß die Papierkörbe öfter geleert und die Straßen gefegt werden sollen. Mit „Dreck" meint er die Menschen. Es ist ein Merkmal des Faschismus, daß Menschen mit Dreck assoziiert, als Dreck gewertet und schließlich wie Dreck behandelt werden.

Einwurf: Der Kriegsheimkehrer, dem die Heldenverehrung vorenthalten wird, ist auch ein deutsches Phänomen. Aus all den abgebrochenen Helden des Ersten Weltkriegs rekrutierten sich die Freikorps, aus denen später SA und SS hervorgingen.

Ein Merkmal, das allen faschistischen Bewegungen und allen faschistischen Diktaturen gemeinsam ist, ist die Misanthropie, die Menschenverachtung. Der Faschismus ist der Appell an den Inneren Schweinehund, ein Appell an die niedersten Instinkte, deren Freisetzung, als „gesundes Volksempfinden" euphemisiert, eine Gesellschaft entstehen läßt, die frei ist von jedem Mitgefühl, vom Mitleid für die Schwachen, in der ein ungehemmter Sozialdarwinismus herrscht, der als „natürlicher Ausleseprozeß" propagiert wird.

Ein Merkmal des Faschismus ist der Antisemitismus. Ich zitiere aus einem Aufsatz einer jüdischen Autorin: „Die jüdische Kultur, die der Faschismus im 20. Jahrhundert vorfand, erschien ihm als ein Herd der Zersetzung. Die Jüdin Rosa Luxemburg war den tapferen Soldaten mit dem Dolch in den Rücken gefallen. Der Jude Tucholsky nörgelte an allem herum. Die jüdischen Literaten … kritisierten alles, machten sich über alles lustig mit ihrer Ironie. Sie erzählten Witze, die das einfache Volk nicht verstand. Ihre Ironie kränkte die schlichten Gemüter. Der Jude Einstein sprengte auseinander, was die Materie zusammenhält. Der Jude Freud stocherte in der Seele herum und förderte Schweinereien zutage - Juden haben schließlich kein Schamgefühl. Der Jude Arnold Schönberg schrieb keine erhebende Musik, sondern eine disharmonische Katzenmusik. Die Juden Beckmann und Liebermann schmierten auf der Leinwand herum, der Jude Grosz malte keine Krieger und Landmänner …, sondern Krüppel und … Huren. Der Jude Karl Marx schließlich tüftelte eine Philosophie des Chaos aus…

Juden waren, bevor der Faschismus an die Macht kam, die Verkörperung all dessen, was die Ordnung zum Einsturz zu bringen droht. Somit waren die Juden auch die Verkörperung kleinbürgerlicher Angst. Denn der Kleinbürger steckt voller Angst. Weder Zweifel noch Hoffnung, sondern die nackte Angst lenkt ihn auf seinen Wegen. Der Kleinbürger hat Angst, daß alles um ihn zusammenbricht, Angst vor dem Chaos, das unmittelbar vor der Tür steht, wenn die Tischdecke nicht geradeliegt oder ein Fussel auf dem Anzug ist. Er hat Angst, eines Tages aufzuwachen und kein Mensch mehr zu sein, sondern ein Käfer oder ein Waschbecken. Er hat Angst, daß jemand was merken könnte. Er hast Angst, daß jemand seine Maskerade durchschaut. Er hat Angst, daß jemand an seiner Nasenspitze erkennt, was er gerade gedacht hat. Am meisten Angst hat er, daß jemand ihn mit der Nase auf die Sinnlosigkeit seines Daseins stoßen könnte.

Um seine Stellung zu halten, muß der Kleinbürger sich alles versagen, wonach er sich insgeheim sehnt. Er muß die Befreiung von irrationalen Zwängen für ein Ding der Unmöglichkeit halten, sonst bricht seine Welt zusammen. Leben wie ein Mensch, abseits von den engen Bahnen, in denen sein Leben verläuft, muß ihm erscheinen als Chaos, ekelhaft, Parasitentum, Zynismus, triebhaft, sexuelle Ausschweifung, Zersetzung. Wer nicht nach den Maßstäben des anal fixierten Zwangscharakters lebt, verkommt im Dreck. Sich seine sexuellen Wünsche nicht versagen kann sich der Kleinbürger nur als Schweinigelei vorstellen. Wer auf das nicht verzichtet, was der Kleibürger zur Erlangung und Erhaltung seiner Stellung sich versagen mußte, ist eine Gefahr. Das ist die kleinbürgerliche Vorstellungswelt. Und gerade weil der Dreck, die Disziplinlosigkeit, die Ausschweifung den Kleinbürger insgeheim faszinieren, gerade weil er Angst hat, selber so zu sein, wenn er einen Moment lang die Kontrolle verliert, baut er einen Damm auf, legt er ein hysterisches Abwehrverhaltren an den Tag."3

Was in dieser Passage so sarkastisch beschrieben wird, wird in der Psychologie „Projektion" genannt. In diesem Fall wird auf andere Menschen das projiziert, was man in sich selbst niederringt. Wichtig ist aber auch, daß das Kleinbürgertum als soziale Basis des Antisemitismus herausgestellt wird. Die Angst des Kleinbürgers, die hier so poetisch geschildert wird, resultiert aus seiner ökonomischen Unsicherheit, aus seiner Deklassiertheit.

Der Antisemitismus ist nicht irgendeine Variante des Rassismus. Er ist eine besondere Kategorie. Während der gewöhnliche Rassismus aus einem Überlegenheitswahn resultiert, fühlt der Antisemit sich unterlegen, der undurchsichtigen „jüdischen Weltverschwörung" schutzlos ausgeliefert. Bei Max Horkheimer und Theodor W. Adorno lesen wir: „Für die Faschisten sind die Juden nicht eine Minorität, sondern die Gegenrasse, das negative Prinzip als solches; von ihrer Ausrottung soll das Glück der Welt abhängen… Die Juden … werden vom absolut Bösen als das absolut Böse gebrandmarkt. So sind sie in der Tat das auserwählte Volk… Den Arbeitern, auf die es zuletzt freilich abgesehen ist, sagt es aus guten Gründen keiner ins Gesicht; die Neger will man dort halten, wo sie hingehören, von den Juden aber soll die Erde gereinigt werden, und im Herzen aller prospektiven Faschisten aller Länder findet der Ruf, sie wie Ungeziefer zu vertilgen, Widerhall."4

Aber auch folgendes ist aus dieser Schilderung herauszulesen: Der Antisemitismus ist ein antiurbaner, antizivilisatorischer, anti-intellektueller Impuls. Dieser Antiurbanismus und Antiintellektualismus ist die zur Aggression gesteigerte Sehnsucht nach vor-industriellen Zuständen.

Das Unbehagen an der urbanen Gesellschaft wird auch als „Kulturpessimismus" bezeichnet. Es gibt Zeitgenossen, die beklagen, daß alles verflacht ist und daß die Jugend von heute nichts mehr taugt undsoweiter undsofort. Aber von diesem gewöhnlichen Kulturpessimismus unterscheidet sich der Faschismus in einem Punkt: Auch die Faschisten finden, daß in der urbanen Gesellschaft alles in Unordnung geraten ist, daß die wahren Werte zerstört sind. Aber sie sprechen von der Wiedergeburt, sie sagen: Wir werden die wahren Werte wieder errichten, wir werden der Nation die Größe zurückgeben, die ihr zusteht, wir werden Zucht und Sitte in Familie und Staat wiederherstellen, sobald wir mit allen Schädlingen aufgeräumt haben, sobald wir mit den schädlichen Einflüssen von Liberalismus, Multikulti, Kosmopolitismus, Internationalismus, Marxismus, sexueller Ausschweifung, Rassenschande, Kulturbolsche-wismus und jüdisch-spitzfindigem Intellektualismus und überhaupt mit dem ganzen undeutschen Geist aufgeräumt haben.

Es ließen sich weitere Merkmale aufzählen. Man müßte zum Beispiel näher eingehen auf den Rassismus, und damit auf den Biologismus, der der faschistischen Ideologie innewohnt. Man müßte insbesondere eingehen auf das Frauenbild in der faschistischen Ideologie, das ebenfalls biologistisch ist: Die Frau soll ihrer „natürlichen Bestimmung" entsprechen.

Ich will es bei dem bisher Gesagten bewenden lassen. Aber eines ist auffällig: Die verschiedenen Versatzstücke, die zusammengefügt die faschistische Ideologie ergeben, tauchen auch an anderer Stelle auf.

Das Geschwafel über die „natürliche Bestimmung der Frau" hört man nicht nur aus dem Mund von Leuten, die eine dezidiert faschistische Ideologie vertreten. Die Sehnsucht nach dem Paradies, in dem im Märzen der Bauer die Rößlein einspannte, in dem man mit seinem Produkt übereinstimmte und wo jeder wusste, wo sein Platz ist, nach dem Paradies, aus dem die Industrialisierung uns vertrieben hat, ist in der gesamten bürgerlichen Ideologie latent.

Das misanthropische Menschenbild des Faschismus, das ich geschildert habe, ist gar nicht so grundverschieden vom Menschenbild des Konservatismus. Ich spreche von der reinen Lehre des Konservatismus.

Man hört immer, Konservative seien Leute, die das Alte bewahren wollen. Wenn dem so wäre, dann wären die Konservativen schrullige, harmlose, altmodische Zeitgenossen. Die reine Lehre des Konservatismus ist gekennzeichnet durch sein Menschenbild. Der Kernsatz des Konservatismus könnte lauten: Der Mensch ist schlecht. Jeder Neugeborene ist ein Terrorist. Wenn man den Menschen machen läßt, was er will, dann ist er gierig, egoistisch, gemeinschaftsgefährdend. Der Mensch ist gefährlich als Individuum, der Mensch ist gefährlich in der Masse. Darum muß man ihn zähmen. Man muß ihn bewachen. Er muß sich einfügen, oder er muß gezwungen werden, sich einzufügen in die Hierarchie. Im Faschismus hat sich dieses misanthropische, antiegalitäre Menschenbild gesteigert zum Menschenhaß.

Dies führt uns zu der These, daß der Faschismus nicht etwas ist, was vom Himmel fällt, nicht etwas, das als Fremdkörper in die Gesellschaft eindringt. Sondern, wie unser Professor Siegfried Jäger vom verdienstvollen Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung es formulierte: „Faschismus und Rechtsextremismus entstehen aus der Mitte heutiger Gesellschaft heraus."5

III.) Genossinnen und Genossen! Ich habe aus den Nachrichten der letzten Wochen drei Beispiele willkürlich ausgewählt:

Erstens: Der sächsische Landtag wählte den Ministerpräsidenten. Der Kandidat der CDU-SPD-Koalition Milbrat (oder wie der heißt) bekam im ersten Wahlgang nicht die erforderliche Mehrheit. Mehrere Koalitionsabgeordnete stimmten in geheimer Wahl nicht für ihn. Aber nicht nur das: Der Gegenkandidat der NPD, die mit 12 Abgeordneten im Landtag vertreten ist, bekam 14 Stimmen. Auch im zweiten Wahlgang, in dem Milbrat endlich gewählt wurde, bekam der NPD-Kanditat zwei Stimmen von Abgeordneten der anderen Parteien.

Zweitens: Ein Bericht von Pascal Beucker in der Taz: „Am Jahrestag der Reichspogromnacht verherrlichen Nazis in Leverkusen das NS-Regime. Die Polizei sperrt weiträumig ab und hält einige hundert antifaschistische Gegendemonstranten auf Distanz.

Ihre Fackeln durften sie nicht entzünden. Doch auch ohne diese Accessoires boten sie ein ebenso gespenstisches wie makabres Schauspiel: Unter dem Motto 'Gegen einseitige Vergangenheits- bewältigung!' zogen rund 80 Rechtsextreme bei strömendem Regen grölend durch Leverkusen. Angeführt von dem einschlägig vorbestraften Bergheimer Neonazi Axel Reitz skandierten sie am Jahrestag der Reichspogromnacht bei ihrem Marsch durch die Stadt des IG-Farben-Nachfolgekonzerns Bayer Parolen wie 'Die schönsten Nächte sind aus Kristall' und 'Nie wieder Israel!'

Durch den Aufmarsch erschien die Gegend um den Bahnhof Leverkusen-Mitte, wo sich die Aktivisten aus der Szene der 'freien Kameradschaften' und auch NPD-Anhänger gegen 19 Uhr versammelt hatten, wie im Belagerungszustand. Weiträumig hatte die Polizei entlang der Marschroute Absperrungen aufgebaut. Auch die Bundesstraße 8 im Bereich Leverkusen-Wiesdorf wurde für mehrere Stunden gesperrt. Sogar der Zugverkehr ruhte kurzzeitig. 850 Beamte waren im Einsatz, um handfestere Auseinandersetzungen zwischen den Nazis und mehreren hundert antifaschistischen Gegendemonstranten zu verhindern.

So konnten die braunen Gesellen denn auch weitgehend ungestört durch die City marschieren. Nur vereinzelt flogen Eier und Knallkörper. Laut Polizei wurde ein Beamter von einem 'Kieselstein' leicht verletzt. Ein 19-jähriger Gegendemonstrant wurde vorübergehend in Gewahrsam genommen, da er einen Platzverweis nicht befolgen wollte. Ansonsten habe es jedoch keine besonderen Vorkommnisse gegeben, so die Polizei. Um 22.30 Uhr war der Spuk endlich vorbei.

Erst am Montag hatte das Verwaltungsgericht Köln ein Demonstrations- verbot der Polizei aufgehoben, allerdings verhängte es einige Auflagen. So untersagte es Fackeln, Trommeln und Uniformen ebenso wie Fahnen und Transparente 'strafbaren Inhalts' sowie 'Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen'. Anders jedoch als noch bei der Nazi-Demonstration Mitte Oktober in Köln-Kalk unterblieb indes ein ausdrückliches Verbot der Glorifizierung und Verharmlosung des NS-Regimes.

Eine Chance, die sich Reitz & Co. nicht entgehen ließen. Auf ihrer Kundgebung auf dem Ludwig-Erhard-Platz priesen gleich mehrere Redner die 'Segnungen' des Dritten Reiches und leugneten die Verbrechen des Nationalsozialismus. So bewahrheitete sich, was der Kölner Publizist und Holocaust-Überlebende Ralph Giordano vorausgesagt hatte: 'Die Nazizusammenrottung in Leverkusen am 9. November hat die klar erkennbare Absicht, die Opfer jener Mordnacht zu verhöhnen und sich zu ihren Mördern zu bekennen.'"6

Drittens: Im Brandenburgischen Halbe planten Neonazis einen Aufmarsch vor dem Soldatenfriedhof unter dem Motto „Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsoldaten". Das polizeiliche Verbot dieses Aufmarschs wurde vom Verwaltungsgericht Cottbus aufgehoben. Auch polizeiliche Auflagen wurden vom Gericht aufgehoben. Der Aufmarsch fand am vergangenen Samstag (13.11.) statt. Einem Pressebericht zufolge nahmen 1000 Neonazis daran Teil. In einem anderen Pressebericht war von 1600 Teilnehmern die Rede.

Nachrichten dieser Art häufen sich in den letzten Wochen, und wir können nicht mehr daran zweifeln, daß die Faschisten derzeit überaus aktiv und in der Offensive sind. Und wieder ist es „die verbrecherische Unzulänglichkeit einer Pseudodemokratie und die Feigheit eines parlamentarischen Regimes", das den Nazis den Rücken stärkt. Denn sie können sich fast jedesmal darauf verlassen, daß ein Gericht ihnen die Straße freigibt. Ich habe in letzter Zeit öfter den Satz gehört: „Das Grundgesetz gilt für alle, auch für Rechtsextremisten". Das ist ein absurder Satz, mit dem feigem Zurückweichen der Anschein bürgerlich-demokratischer Souveränität gegeben werden soll. Da könnte man ja auch sagen: Die Gewerbefreiheit gilt für alle, auch für Trickbetrüger und Handtaschenräuber.

IV.) Diese martialischen Aufmärsche mit Stiefeltritt und Reichskriegsflagge sind nicht das einzige Auftreten der Nazis. Die können auch anders. Vor allem im Osten, im Annexionsgebiet, geben sie sich gern bieder und bürgernah und verzichten auf abschreckendes Outfit. Sie versuchen, sich den Protesten gegen Hartz IV anzuschließen. In Duisburg ist vor wenigen Monaten dieser Versuch an der Aufmerksamkeit der Demonstranten gescheitert. Im Osten hingegen fällt es ihnen nicht schwer, sich in die Demonstrationen einzuschleichen. Gerade dort, aber nicht nur dort, geben sie sich modisch-modern und versuchen, sich in die Aktivitäten der Friedensbewegung gegen den Irak-Krieg einzuschleichen. Man darf nicht mehr überrascht sein, wenn Rechtsextremisten mit Che-Guevara-T-Shirt zum Ostermarsch kommen und pseudo-antiimperialistische Phrasen von sich geben.

Was bedeutet das? Daß sie sich politisch umorientiert haben? Daß sie geläutert sind? Oder gar, daß sie als Bündnispartner im Kampf gegen den US-Imperialismus in Frage kommen? Nein, das bedeutet es nicht. Die Tarnung von Rechtsextremisten als Antiimperialisten, Kriegsgegner und Gegner des Sozialabbaus ist nichts anderes als faschistische Aggression. Denn diese Taktik ist nichts Neues. Das gab es schon in den 60er und 50er Jahren. Der Begriff „Querfrontstrategie", also Aufweichen der Front zwischen links und rechts, stammt aus den 20er Jahren. Ich sah kürzlich die Abbildung eines frühen Plakats der NSDAP mit der Parole „Der Marxismus ist der Schutzengel des Kapitalismus". Abgebildet war ein Spartakist mit Knarre und Engelsflügeln auf dem Rücken, der einen zufrieden grinsenden Juden an der Hand führt.

Es wäre unsinnig, zu glauben, der sogenannte Nationalsozialismus wäre - zumindest in seiner Frühphase - eine Variante des Antikapitalismus gewesen. Der sogenannte Nationalsozialismus war nie antikapitalistisch, und er hatte auch nie einen antikapitalistischen Flügel. Querfrontstrategie bedeutete zu allen Zeiten und bedeutet auch heute nichts anderes als Aneignung von Begriffen, um sie umzudeuten. Auf einer NPD-Demonstration wurde ein Transparent mit der Parole „Sozialismus ist braun" getragen.

Im Kampf gegen die Linke hat der deutsche Faschismus stets zwei Taktiken angewandt: Den frontalen und den unterschwelligen Angriff: Zerschlagen oder Zersetzen. Hier ist größte Wachsamkeit geboten. Denn nicht überall, wo Antiimperialismus draufsteht ist auch Antiimperialismus drin.

Man glaubt immer, der Unterschied zwischen links und rechts sei so groß, der Graben dazwischen so breit und so tief, daß man lechts und rinks niemals velwechsern könnte. Werch ein Illtum!

In den 20er Jahren haben einige Intellektuelle sich den Luxus geleistet, bei den Rechten und bei den Linken Freundschaften zu pflegen. So wurde der sogenannte Nationalbolschewismus des Ernst Niekisch für eine linke Strömung und der Strasser-Flügel der NSDAP für eine antikapitalistische Bewegung gehalten.

In den beginnenden 30er Jahren wurde in der KPD die Illusion gehegt und gepflegt, die SA-Männer dürfe man nicht als für immer verlorene Feinde betrachten, sondern man müsse in ihnen aufrechte Männer sehen, die durch einen Irrtum in die falsche Organisation geraten seien. Was für ein Quatsch! Als ob diese brutalen Menschenschinder nette Kerls gewesen wären, die sich bei der Wahl ihres politischen Standortes mal eben in der Tür geirrt hätten! Dagegen nimmt sich die unsinnige Erklärung von heute, die Wähler rechter Parteien seien „Protestwähler", beinahe noch harmlos aus. Faschismus ist niemals sozialer Protest.

In den 50er Jahren wurde im Kampf gegen Wiederbewaffnung und Bindung an die NATO auch alles genommen, was sich als National-Neutralismus anbot. Ich nenne nur als Beispiel den Schriftsteller Ernst von Salomon, Rechtsterrorist in den 20er Jahren und beteiligt am Mord an dem Außenminister Walter Rathenau. „Schlagt tot den Walter Rathenau, die gottverdammte Judensau" - das haben die nicht nur gesungen, das haben die auch getan, und Ernst von Salomon war dabei. Nach dem Krieg schrieb er den Bestseller „Der Fragebogen", der den deutschen Kleinbürgern als Rechtfertigungsschrift willkommen war. Er unterstützte die Deutsche Friedensunion und verkündete in den 60er Jahren, er habe Zeit seines Lebens denselben Kampf geführt, den auch Che Guevara führte. Auch der Verfasser7 des Nazi-Liedes „Heute gehört und Deutschland und morgen die ganze Welt" war im Kampf gegen Adenauers Wiederbewaffnung ein willkommener Bündnispartner.

In den 60er und 70er Jahren bildete sich in der westdeutschen Linken eine starke maoistische Strömung heraus, die zunächst in Equidistanz zu den beiden sogenannten Supermächten ihren Standort suchte, dann aber im sogenannten Sozialimperialismus der Sowjetunion den „Hauptfeind" sah und infolgedessen sich für NATO, Landesverteidigung und Franz Josef Strauß einsetzte. Manchen Maoisten ging das nicht weit genug. Der Herausgeber der maoistischen Zeitung „Der Funke", Dieter Schütt, mit dem ich mal befreundet war und der seinerseits mit Ralph Giordano und Rudi Dutschke befreundet war, fordert seit Jahren ein Bündnis der Linken mit der NPD. In einer der ersten Ausgaben der TAZ erschien ein Kommentar, in dem an die Leser appelliert wurde, die Neonazis nicht in Bausch und Bogen zu verurteilen, sondern in ihnen Rebellen gegen die Herrschenden zu sehen.

Viele Vordenker und führende Intellektuelle der Neuen Rechten haben ihre Laufbahn ganz links begonnen. Ich nenne Wolf Biermann, der zu einem fanatischen Antikommunisten wurde und sich als Anhänger von Ronald Schill outete, ich nenne den Kommunarden Rainer Langhans, der sich auf dem Trip mit Adolf Hitler unterhielt, ich nenne den früheren SDS-Führer Bernd Rabehl, der vor der reaktionären Burschenschaft Danubia Vorträge hält, und ich nenne Horst Mahler, der die RAF gründete, die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht vertrat und einen Verein namens „Deutsches Kolleg" leitete, der sich einen sehr intellektuellen Anstrich gibt und eine ultrarechte „Denkfabrik" sein will. Mahler bringt das Kunststück fertig, den Holocaust sowohl zu leugnen als auch zu rechtfertigen. Er sagt: Hitler hat die Juden gar nicht umgebracht, aber wenn er es getan hätte, dann hätte er es richtig gemacht. Mahler steht wegen Volksverhetzung in Berlin vor Gericht. Mitangeklagt ist Reinhard Oberlercher, der mit Mahler um die Wette gegen die Juden hetzt, sich „Nationalmarxist" nennt und früher zu den Anführern des linksradikalen SDS gehörte. Und noch eine unappetitliche Nachricht: Im Kreistag des Rhein-Sieg-Kreises haben sich PDS und NPD zu einer gemeinsamen Fraktion vereinigt.

Helmut Loeven, Duisburg; aus: Der Metzger, Satirisches Magazin, Nr. 72, März 2005.

Anmerkungen:

1 Carl von Ossietzky in der Weltbühne 1931.

2 Kurt Gossweiler: „Faschismus aus der Mitte der Gesellschaft?" in DER METZGER 48 (1995)

3 Lina Ganowski: „Der gewöhnliche Antisemitismus" in DER MEZGER 43 (1991)

4 Max Horkheimer, Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung, New York 1944.

5 S. Jäger: „Entstehungsbedingungen des Rechtsextremismus heute" in DER METZGER 42 (1990)

6 Pascal Beucker: „Nazis dürfen NS-Opfer verhöhnen" in Taz Köln 11.11.2004

7 Der Name des Dichters ist mir entfallen.

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Irak

Zbigniew Wiktor: Der Irak-Krieg und seine Folgen für Polen

Vor kurzem haben der Staatspräsident Polens, Aleksander Kwasniewski, sowie der polnische Ministerpräsident Marek Belka erklärt, dass Polen das Kontingent seiner Soldaten im Irak um 800 Personen verkleinern wird. Gleichzeitig erklärte die us-amerikanische Staatssekretärin und neue Außenministerin Condoleezza Rice am 6. Februar 2005 während ihres offiziellen Besuches in Warschau erklärt, dass Polen der wichtigste Verbündete der USA im Irak seien und dass die Wahlen im Irak ohne das polnische Engagement nicht möglich gewesen wären. Sie hat den polnischen Einsatz im Irak gelobt und als den viertgrößten und viertwichtigsten Beitrag neben dem der USA selbst sowie dem von Großbritannien und Australien bezeichnet.

Was denken polnische Kritiker des Engagements Polens im Irak?

1. Die Ursachen des Krieges im Irak

Der Nahe Osten ist seit Jahrhunderten Gegenstand der Interessen verschiedener Großmächte. Insbesondere wegen seiner geo- und militärstrategischen Lage und seiner wichtigen Natur-ressourcen wurde er Anfang des 20. Jahrhunderts Objekt des britischen und Mitte des 20. Jahrhunderts Objekt des us-amerikanischen Imperialismus. Eine wichtige und nicht nur taktische Rolle spielt im Nahen Osten der Zionismus und der Staat Israel als Bollwerk des Expansionismus gegen die arabischen Länder. Seit der Entstehung des Staates Israel steht der Nahe Osten in Kriegsflammen. Israel akzeptiert keine UNO-Resolution über die Rechte der Palästinenser oder über die Berechtigung eines unabhängigen, souveränen Staates Palästina. Die Rechte der Palästinenser werden systematisch eingeschränkt sie werden an den Rand Palästinas abgeschoben und gegen sie wird ein ständiger, brutaler Krieg geführt. Die arabische Welt ist gespalten in proamerikanische, reaktionäre und fortschrittliche, aber schwache und wenig stabile Regierungen, was als Folge und als weitere Möglichkeit einer Politik des „divide et impera" angesehen werden muss.

Die Republik Irak spielt seit Jahren eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Hegemonie des Imperialismus in der Region. Insbesondere in jüngerer Zeit, unter der Führung der Baath-Partei, sind große Erfolge in der Innen- und Außenpolitik zu verzeichnen gewesen. So wurde die Republik Irak wegen ihres eigenständigen Kurses und wegen ihres wirtschaftlichen, militärischen und sozial-politischen Potenzials vor allem unter der Präsidentschaft Saddam Husseins den reaktionären Kräften der USA und Israels ein Dorn im Auge. Mehrmals wurde der Irak von israelischen Luftstreitkräften bombardiert. Die imperialistischen Kräfte führten einen ständigen propagandistischen Kampf gegen den Irak, vor allem nahmen sie seine militärische Stärke als Vorwand, den Irak zu beschuldigen, Atom- oder andere Massenvernichtungswaffen zu besitzen.

Bis Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts hatte die Republik Irak einen großen Freund und Verbündeten in der Sowjetunion und in den anderen sozialistischen Ländern, darunter auch Polen, das seit den 60er Jahren mit dem Irak in großem wirtschaftlichen Austausch stand. Die strategisch-militärische und wirtschaftliche Lage des Irak ist durch die Niederlage der Sowjetunion und der Staaten der sozialistischen Gemeinschaft Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre wesentlich verschlechtert worden. Die Sowjetunion, Polen, die DDR und die Tschechoslowakei unterstützten den Irak seit den 60er Jahren in großem Umfang. Die sozialistischen Länder unterstützten den Irak und andere fortschrittliche Staaten des Nahen Ostens nicht nur politisch, indem sie sie als Bollwerk gegen den Imperialismus stärkten, sie unterstützten diese Länder auch militärisch und wirtschaftlich. So ist im Irak nicht nur das Waffenpotenzial verstärkt worden, sondern es sind auch viele Projekte der Infrastruktur und der Erdölförderung unterstützt und dadurch erst realisiert worden. Viele irakische Studenten studierten an polnischen Hochschulen. Gleichzeitig wuchs die Verschuldung des Irak bei den sozialistischen Ländern, z.B. gegenüber Polen auf rund 1 Mrd. US-Dollar, gegenüber der Sowjetunion auf rund 6 Mrd. US-Doller.

Die USA und ihre Verbündeten haben im Februar 1991 den Irak offen überfallen. Der Auslöser war die vorhergegangene Besetzung Kuwaits durch den Irak und die Resolution des Sicherheitsrates der UNO über den Rückzug des Irak aus Kuwait. Im so genannten Golfkrieg erlitt der Irak nicht nur eine große militärische Niederlage, sondern er musste auch große durch die Bombardierungen der us-amerikanischen Streitkräfte hervorgerufene Schäden an der zivilen Infrastruktur hinnehmen. Die Opfer in der Bevölkerung schätz man auf etwa 500.000 Menschen. Weiterhin gab es Opfer und Verluste durch das anschließend ausgesprochene Embargo und die internationale Isolierung des Irak.

Dieser Golfkrieg war ein Zeichen, ein Vorbote der neuen Militärdoktrin der USA nach der Niederlage des „realen Sozialismus", die vom Weißen Haus als „new world order" bezeichnet wurde, wonach die USA die einzige Supermacht und die Führungsnation der „neuen Weltordnung" sind. Der Kapitalismus gewann in dieser Zeit neue Spielräume, geschuldet der Schwäche der antikapitalistischen Kräfte. Der Neoliberalismus wurde seine vorherrschende Doktrin, manche sprachen vom neoliberalen Kapitalismus, geschuldet war das wesentlich den neuen Märkten und der vollkommen ungeregelten Situation in der ehemaligen Sowjetunion und in Osteuropa. Diese Eroberungen gaben den Konzernen eine relativ lange Zeit der wirtschaftlichen Prosperität – noch, ohne weitere Kriege zu führen. Aber das dauerte nur bis 1999, also bis zum Überfall auf und den Krieg gegen Jugoslawien, daraus resultierten unterschiedliche Militäraktionen der USA sowie der NATO auf dem Balkan. Die Zerstörung des World Trade Centers am 22. 9. 2001 nahmen die USA dann zum Vorwand, die Kriege gegen Afghanistan und 2003 dann nochmals gegen den Irak zu entfesseln.

Die Hauptursache dieser Kriege ist die strukturelle wirtschaftliche Krise, die mehr oder weniger alle kapitalistischen Länder betrifft, insbesondere aber diejenigen Westeuropas und die USA. Es entstehen neue und verstärken sich alte Widersprüche zwischen den USA und den Staaten der Europäischen Gemeinschaft unter Führung Deutschlands und Frankreichs. Die letzten Jahre beweisen, dass der Kapitalismus trotz rasanter und permanenter technisch-wissenschaftlicher Revolution unstabil bleibt, dass die inneren und äußeren Widersprüche wachsen, dass sich die Kluft zwischen den Reichen und den armen Volksmassen verstärkt sowie die zwischen den reichen und den armen Ländern und dass sich die Kriegsgefahr verallgemeinert und vergrößert.

Nie nächste Ursache war die Vergrößerung der politischen und militärischen Erpressung von Seiten des US-Imperialismus gegen die NATO-Länder, sich der Doktrin des „Präventiv-Schlages" und der so genannten „Grand Strategy" anzuschließen. Die Präventiv-Schlag-Strategie ist beim NATO-Gipfel in Prag von den Gremien der NATO angenommen worden. Das bedeutet eine Verstärkung der militärischen Position der USA. Einige NATO-Länder widersetzten sich der direkten Gefolgschaft. So kam es dazu, dass die US-Regierung einen Unterschied machte: D. Rumsfeld machte einen Unterschied zwischen dem „alten und dem neuen Europa". Die USA haben in den neuen NATO-Beitrittsländern, insbesondere in Polen, „Konkurrenzpartner" gegen die Entwicklung des europäischen Imperialismus gefunden, die weiterhin ihre proamerikanische und dem US-Imperialismus ergebene Politik verfolgen wollen.

Die dritte Ursache sind die Erdölquellen. Der Irak besitzt nach Saudi-Arabien die reichsten Erdölvorkommen der Welt. Wegen des Embargos und der internationalen Sanktionen förderte der Irak vor dem Krieg nur 120 Mill. Tonnen Erdöl pro Jahr. Der Irak hat aber die Möglichkeiten, ohne größere Investitionen die Förderung auf mindestens 500 Mill. Tonnen jährlich zu erhöhen – auch dem ihm gebotenen niedrigen Preis von rund 10 US-Dollar pro Tonne (wobei die Weltmarktpreise sich um die 150 US-Doller bewegen). Die USA und Großbritannien streben durch die Beherrschung des Irak die Kontrolle über das Erdölkartell OPEC an. Sie wollen die Zugänge zum Erdöl verändern: für sich einen niedrigeren Preis und für andere – auch für die Länder der EU – einen höheren Preis und limitierte Lieferungen durchsetzen.

Und schließlich war eine weitere Ursache für den Überfall auf den Irak die Erpressung durch die Rüstungskonzerne. Die z.B. in Großbritannien und in den USA mehr als 10 % des industriellen und wissenschaftlich-technischen Potenzials ausmachen. Die Waffenarsenale sind voll und die neuen Waffen brauchen, was die Militärs immer fordern, nicht nur einen Test auf dem Übungsfeld, sondern auch im echten Krieg. Der Krieg gegen den Irak eröffnete große Möglichkeiten für die Anwendung und Überprüfung neuer Waffensysteme auch unter schwierigen klimatischen Bedingungen und kann so als eine Vorbereitung angesehen werden für neue Kriege gegen Staaten, die sich dem us-amerikanischen Diktat nicht unterwerfen wollen - und auch für einen Krieg gegen die Volksrepublik China.

Von der Kriegpropaganda der aggressiven Staaten wurde den angeblichen ABC-Waffen des Irak große Aufmerksamkeit gewidmet. Zwar haben frühere UNO-Inspektionen keine solche Waffen gefunden, doch das Pentagon und Herr Powell „wussten" es besser und benutzten diese Lüge als Vorwand für den Überfall. Auch in Polen wurde dieses Propagandaelement von der Regierung und den offiziellen Medien verstärkt verbreitet. Jetzt, nach mehr als einem Jahr der Besetzung des Irak, sieht man klar alle diese Lügen. Selbst der polnische Staatspräsident musste öffentlich erklären, dass die frühere Einschätzung ein Irrtum war. Aus diesem Grunde ist die neue Ausrichtung der hiesigen Propaganda jetzt die, eine Verbindung zwischen dem Saddam-Hussein-Regime und dem Al-Kaida-Teror zu behaupten und Saddam Hussein als Diktator zu brandmarken. Aber bis heute gibt es keinen Beweis für eine Unterstützung von Terroristen von Seiten der früheren Regierung des Iraks.

Die Regierungskreise Polens (unabhängig davon, ob sie zur parlamentarischen „Linken" oder „Rechten" gehören) drängen in die EU, wollen Polen politisch und wirtschaftlich in die EU integrieren. In der Militär- und Verteidigungspolitik spielen sie aber ein doppeltes Spiel. Sie betrachten die USA und die NATO als führende Kräfte der Stabilisierung in Europa und in der Welt. Die Protagonisten dieser so genannten „atlantischen Politik" erwarten von den USA besondere Aufmerksamkeit, eine höhere Beachtung ihrer Interessen und eventuell ein größeres Gewicht in Europa vor allem gegen Deutschland. Für diese vasallentreue Marionettenpolitik bezahlen sie einen hohen Preis. So fordern die USA dafür im Gegenzug polnische Rüstungsinvestitionen für amerikanische Firmen, z.B. beim Flugzeugkauf. Die Zusagen, am wirtschaftlichen Aufbau im Irak mit profitieren zu können, sind mehr virtuell als real: die Profite gehen nicht an polnische, sondern an us-amerikanische Firmen. Und die polnischen Soldaten sowie die internationalen Kontingente, die unter polnischem Kommando stehen, werden von den USA als „Kanonenfutter" angesehen.

Wegen dieser Blamagen wird inzwischen von der offiziellen polnischen Politik auch nicht mehr vom Ziel wirtschaftlicher Verbesserungen gesprochen, sondern von „neuen Werten": von „Demokratie" und „Freiheit". Es gab heftige Kritik in der Gesellschaft und auch im Parlament. Deshalb hat Polen jetzt den vorzeitigen Abzug seiner Truppen aus dem Irak angekündigt.

 

2. Die juristischen Grundlagen

Die USA-Regierung wollte eine Resolution vom Sicherheitsrat der UNO für ihren Einsatz gegen den Irak bekommen. Dies gelang nicht. Mehrere ständige Mitglieder des Sicherheitsrates, so Frankreich, Russland und China hatten Widerstände und blockierten eine solche Resolution. Auch viele nicht ständige Mitglieder des Sicherheitsrates waren gegen die US-Anträge. Das interessierte die US-Regierung nicht, gemeinsam mit Großbritannien brachte sie eine Streitmacht von 150.000 Mann in Kuwait und im Nahen Osten in Bereitschaft. Als Rechtfertigung für die Gewaltanwendung zitierten sie die Sicherheitsresolution 1441 vom 8. November 2002 und die Resolutionen 678 und 687 aus der Golfkriegszeit.

Man muss sich klar machen, dass die Resolution 678 in ihrer Anwendung begrenzt war, Gewaltanwendung nur zuließ zur Verdrängung des irakischen Militärs aus Kuwait, nicht aber, um etwaige irakische Massenvernichtungswaffen zu beseitigen oder die Regierung von Saddam Hussein zu stürzen. Der § 34 der Resolution sah eindeutig vor, dass eventuelle weitere Schritte dem Sicherheitsrat vorbehalten bleiben sollten. Auch die Resolution 1441 sieht keine automatische Autorisierung für militärische Gewalteinsätze vor. Im § 12 wird eindeutig festgestellt, dass selbst im Falle, dass die irakische Regierung nicht mit den Inspektoren zusammenarbeiten würde, der Sicherheitsrat die Verantwortung dafür trägt, die Situation zu prüfen.

Die polnischen Behörden unterstützten aber sofort den Aggressionskrieg der USA und Großbritanniens gegen die Republik Irak und wollten als treue Verbündete betrachtet werden. Damit waren allerdings verschiedene juristische Probleme verbunden. Die Verfassung der Republik Polen von 1997 stellt in Artikel 136 fest: „Der Präsident verordnet auf Antrag des Präsidenten des Ministerrats im Falle der direkten Außenbedrohung des Staates eine allgemeine oder Teilmobilmachung der Streitkräfte zur Verteidigung der Republik Polen." Klar festzustellen ist: nur bei einer direkten Außenbedrohung, des Staates und nur für die Verteidigung der Republik Polen dürfen die Streitkräfte eingesetzt werden. Präsident Kwasniewski und Ministerratspräsident Miller stützten sich auf diesen Artikel, obwohl sie kein Recht dazu hatten. Sie hätten nach der polnischen Verfassung die Streitkräfte niemals zum Überfall auf ein fremdes Territorium aussenden dürfen. Trotzdem geschah dies 2003 im Falle des Irak. Da die NATO (deren Mitglied Polen seit 1999 ist) kein Kriegspartner im Irak war, konnte man sich auch nicht auf das Washingtoner Abkommen der NATO-Gründung stützen.

Der Präsident und die Regierung haben nicht nur die Verfassung gebrochen, sie haben sich auch nach dem polnischen Strafgesetzbuch von 1997 strafbar gemacht. Hier heißt es nämlich im Abschnitt 16, der Kriegverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen den Frieden beschreibt, im Artikel 117, §1: „Wer einen Aggressionskrieg vorbereitet oder beginnt, wird zu einer Freiheitsstrafe von nicht weniger als 12 bis 25 Jahren Gefängnis oder lebenslänglich verurteilt." Wir können also feststellen, dass der Präsident, der Ministerratspräsident und die Regierung Polens den Tatbestand des Artikels 117, §1 erfüllt haben. Mehrere oppositionelle Abgeordnete und Parteien fordern deshalb, den Präsidenten und die Regierung vor den Strafgerichtshof zu stellen. Die Regierung verneint diese juristische Lesart selbstverständlich und behauptet, keinen Krieg gegen den Irak geführt, sondern nur einem Verbündeten Hilfe geleistet zu haben. Aus diesem Grunde seien die polnischen Streitkräfte im Irak keine Okkupationskräfte, sondern „Stabilisierungskräfte"! Die Rolle der Besatzer nähmen demnach die USA und Großbritannien ein, Polen befinde sich demnach nicht im Kriegszustand mit dem Irak.

Und es muss auf eine weitere Tatsache hingewiesen werden: Der Präsident und der Ministerratspräsident haben am 17. März 2003 selbständig einen Aggressionskrieg gegen den Irak befohlen und angefangen und erst eine Woche später hat das polnische Parlament (der Sejm) über dieses Thema debattiert. Das widerspricht der polnischen Verfassung, deren Artikel 116 eindeutig formuliert: „1. Der Sejm entscheidet im Namen der Republik Polen über Kriegszustand und Friedensschluss. 2. Der Sejm kann einen Kriegszustand nur beschließen bei einem militärischen Überfall auf das Territorium der Republik Polen oder wenn der polnische Staat internationalen Bündnisverpflichtungen nachkommen muss zur gemeinsamen Verteidigung gegen eine Aggression. Wenn es unmöglich ist, dass der Sejm zur Beratung zusammentritt, entscheidet der Präsident der Republik über den Kriegszustand."

Es gab keinen Militärüberfall auf polnisches Territorium. Der Sejm befand sich in der Sitzungsperiode. Die NATO als Bündnissystem war nicht beteiligt. Teile der bürgerlichen Fraktionen und die Sozialdemokratie unterstützen inzwischen die Kritik an der Regierung. Dagegen – und damit für die Fortsetzung des Krieges im Irak – wandten sich die Liga der polnischen Familien, die „Samoobrona" (Selbstverteidigungspartei) und die polnische Bauernpartei sowie einzelne Abgeordnete anderer Parteien. Sehr bemerkenswert ist die Äußerung des Abgeordneten Bronislaw Komorowski von der Bürgerplattform. Er sagte: „Nicht immer ist der Frieden moralisch zu rechtfertigen," und wollte damit der polnischen Gesellschaft suggerieren, dass stattdessen der Krieg gegen den Irak moralisch gerechtfertigt sei. Diese Kriegspolitik unterstützt auch die polnische Kirche, obwohl der Papst den Krieg offiziell kritisierte. Der polnische Militärbischoff General S. Glodz segnete die polnische Brigade im Irak.

3. Resümee

Mit dem Irakkrieg und der Besetzung des Iraks begab sich die polnische Außenpolitik in scharfen Gegensatz zu unterschiedlichen Kräften Parteien und Persönlichkeiten. Tausende Studenten und andere junge Leute demonstrierten vor dem Botschaftsgebäude der USA in Warschau und Konsulaten der USA in anderen Städten. Mit brutalen Einsätzen beendete die polnische Polizei diese Demonstrationen und bei den anschließenden Strafprozesses gab es hohe Strafen für die angeklagten Demonstranten. Trotzdem wächst der Widerstand, vor allem, seit sich die offizielle Propaganda als Lüge herausgestellt hat. Nach einer Untersuchung aus dem Januar 2005 sind mehr als 75 % der polnischen Bevölkerung gegen den Krieg. Sie fordern die sofortige Rückkehr der polnischen Streitkräftekontingente aus dem Irak. Nur weniger als 20 % der Staatsbürger unterstützt die Politik der Regierung.

Von den USA bekamen die polnischen bürgerlichen Parteien, die Sozialdemokratie, die polnische Regierung und das polnische Militär eine sehr schmutzige Aufgabe in diesem neokolonialen und imperialistischen Krieg zugewiesen. Es ist ein gerechter Krieg von Seiten des irakischen Volkes, aber niemals ein gerechter Krieg von Seiten der Aggressoren und Okkupanten unter us-amerikanischer Flagge. Der Krieg gegen den Irak widerspricht den fortschrittlichen und revolutionären polnischen Traditionen. Er ist nicht im Interesse des polnischen Volkes, der polnischen Werktätigen, sondern allein im Interesse der polnischen Kompradorenbourgeoisie und ihrer politischen Marionetten.

Ende Juni 2004 erklärten die US-Amerikaner das „Ende der Okkupation des Irak" und eine „Übergabe der Souveränität" an eine provisorische irakische Regierung, die jedoch ohne die us-amerikanische Armee nicht regieren kann. Am 30. Januar 2005 fanden im Irak „Parlamentswahlen" statt – unter den Bedingungen des Ausnahmezustandes und des Partisanenkrieges. Es bleibt eine Zukunftsfrage, wann wirklich eine souveräne Regierung und eine tatsächliche Volksvertretung im Irak entsteht. Darüber werden die inneren Kräfteverhältnisse im Irak, die Erdölpreise, die us-amerikanischen und israelischen strategischen Ziele und die internationale Lage entscheiden.

Seit Mitte 2004 schrumpft die Unterstützung der us-amerikanischen Verbündeten in der so genannten internationalen Division unter polnischem Kommando. Nach dem Abzug der spanischen Militärkontingente haben sich auch die mittel- und südamerikanischen Staaten abgekehrt, dazu kamen die Philippinen, Ungarn und jetzt auch die Ukraine. In dieser Situation zieht auch Polen 800 Soldaten ab. Jetzt, nach der Kompromittierung, der internationalen Blamage dieses Abenteuerkrieges und der imperialistischen Besetzung des Irak erklärten die polnischen Behörden, dass sie die us-amerikanische Politik nur noch bis Ende 2005 militärisch unterstützen wollen.

Wir werden diesen Prozess mit großer Aufmerksamkeit weiter verfolgen und analysieren.

Zbigniew Wiktor, Wrocklaw, Polen

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Zur Strategie der kommunistischen Bewegung heute

ZK der KKE: Entwicklungen im imperialistischen Weltsystem – der Kampf der Völker. Thesen des ZK der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) zum 17. Parteitag (9.-12. Feb. 2005)

(Einleitung)

1. Die Veränderung der Machtbalance verändert nicht den Charakter unserer Epoche als Epoche des Übergangs zum Sozialismus

Die Entwicklungen der letzten vier Jahren (Entfesselung imperialistischer Kriege unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Terrorismus, Beseitigung von Rechten, die von den Völkern mit Blut und Opfern errungen wurden, neue Methoden des Raubes des von den Werktätigen geschaffenen Reichtums, massenhafte Ausbreitung von Armut und Elend, Krankheit, neue Fesseln von Abhängigkeit und Unterwerfung der Völker, Anheizen nationalistischer Widersprüche und Konflikte, neue Formen der Manipulation, katastrophale Ausbeutung der Umwelt etc.) bestätigen, dass der Imperialismus, indem er die Produktion in schnellem Tempo und gewaltigen Umfang vergesellschaftet, ständig den Grundwiderspruch des Kapitalismus verstärkt, den Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privaten kapitalistischen Aneignung ihrer Produkte. Umso stärker machen sich daher Erscheinungen des Verfalls und des Parasitismus bemerkbar.

Über eine Milliarde Menschen, das sind 21% der Weltbevölkerung, hatten im Jahre 2001 zum Leben weniger als 1 Dollar pro Tag. Über 50% der Weltbevölkerung hatten weniger als 2 Dollar pro Tag. Das Einkommen der 20% reichsten Geschäftsleute der Welt wuchs mit Rekordgeschwindigkeit, während das Einkommen von 50% der Weltbevölkerung zurückging. Das Einkommen von 1% der Weltbevölkerung oder 50 Millionen Menschen ist gleich groß wie das Einkommen von 2,7 Milliarden der ärmsten Menschen auf dem Planeten. Die Weltbank veröffentlichte Schätzungen, dass „sich selbst in Regionen, die sich in schnellem Tempo entwickeln, die Lebensqualität für die Armen nicht verändert hat, und zwar infolge des Mangels an ausreichenden sozialen Aufwendungen."

Das Umweltproblem, eine weitere schwerwiegende Folge der Politik des Monopolprofits und der imperialistischen Aggression im allgemeinen, hat sich erheblich verschlimmert. Besonders gravierende Erscheinungen sind: die Erderwärmung, insbesondere in der nördlichen Halbkugel, die Zerstörung tropischer Regenwälder, die Ausbreitung von Dürrezonen, der Atommüll aus Produktion und Einsatz von Waffen. Die Verlagerung vieler Umwelt verschmutzender Industrien in die Länder Süd- und Ostasiens und die Schaffung neuer Industrien in diesen Gebieten haben eine gewaltige braune Wolke von Kohlendioxyd, Ozon, Stickoxyden etc. erzeugt. Jedes Jahr werden weltweit 500 Millionen Tonnen Giftmüll produziert, während 500.000 Tonnen als gefährlich zurückgerufene Pestizide in Ländern der so genannten Dritten Welt abgesetzt wurden.

Die Imperialisten sind sich einig beim Angriff auf die Werktätigen und sie rivalisieren gegeneinander um Märkte und Einflusszonen.

Im Rahmen der vereinheitlichten Strategie des Imperialismus entwickeln sich die inner-imperialistischen Widersprüche und Rivalitäten um die ersten Plätze bei der Aufteilung der Märkte und Einflusssphären in Asien, dem Mittleren Osten und Afrika. Sie äußern sich direkt oder indirekt in den Frontenstellungen der Kriege, den Brennpunkten der Nationalitätenkonflikte und in den Auseinandersetzungen zwischen Nachbarländern. Die kapitalistischen Zentren, die mächtigsten imperialistischen Kräfte konkurrieren untereinander sowie mit den USA, die versuchen, ihre Vorherrschaft zu erhalten und auszuweiten.

Einige der aufsteigenden kapitalistischen Ländern beteiligen sich an diesem Wettlauf und fordern einen größeren Anteil und eine größere Rolle im internationalen imperialistischen System. Neue Bündnisse entstehen, vorübergehend oder auf längere Dauer, auf regionaler Ebene wie in Südostasien und Lateinamerika, um die Hegemonie der USA in Frage zu stellen. Diese Bündnisse erwarten von den USA das Zugeständnis einer größeren, gleichberechtigten Rolle bei der kapitalistischen Internationalisierung.

Die Tendenz der Verschlechterung der Stellung der Arbeiterklasse und eines beträchtlichen Teils der Mittelschichten in den entwickelten kapitalistischen Ländern ist ein allgemeiner Trend. Er äußert sich in Wettbewerb und Ungleichheit auf regionaler und internationaler Ebene. In allen imperialistischen Zentren und Zusammenschlüssen (G8, EU, NATO, Internationaler Währungsfonds, Welthandelsorganisation) entwickeln sich Widersprüche aufgrund der ungleichen Entwicklung und der daraus resultierenden Umgruppierungen im Gleichgewicht der Kräfte.

Es häufen sich Entwicklungen, welche im internationalen imperialistischen System eine Umgruppierung im Gleichgewicht der Kräfte hervorrufen könnten.

Objektiv ist der anti-imperialistische und anti-monopolistische Kampf zu einem festen Bestandteil des Kampfes für die Überwindung des Kapitalismus geworden. Dieser Kampf bringt schon aufgrund seiner Natur Brüche mit sich, welche die Grundlagen der kapitalistischen Herrschaft untergraben. Er schafft die Voraussetzungen für die Eroberung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten.

Die Strategie des Imperialismus zielt darauf ab, einerseits mit den Schwierigkeiten des kapitalistischen Systems, das soziale Kapital auf gleiche Weise und mit derselben relativen Leichtigkeit wie bisher zu reproduzieren, fertig zu werden und andererseits rechtzeitig jeder Herausforderung des Systems vorzubeugen, welche in einem einzelnen Land oder einer Gruppe von Ländern entstehen könnte. Sie zielt darauf ab, das bewusste Ringen der Völker um die Vorzüge des Sozialismus abzublocken.

Um diese Widersprüche herum entwickelt sich heute der ideologische Kampf.

2. Eine Front des ideologisch-politischen Kampfes gegen die grundlegend falschen Konzepte des Imperialismus

Die so genannte Globalisierung ist ein grundlegend falsches Konzept. Es wirkt sowohl in den bürgerlichen wie kleinbürgerlich-opportunistischen Strömungen bei einigen Unterschieden in der Akzentuierung auf der Basis des gemeinsamen Nenners, der in dem Versuch besteht, den kapitalistischen Charakter, den Klassencharakter der Globalisierung zu verschweigen. Unter dem Vorwand des beschleunigten Tempos der kapitalistischen Internationalisierung, die in dem starken Zuwachs des Außenhandels und des Kapitalexports Gestalt annimmt, und gestützt auf den Effekt, den diese Erscheinungen auf internationale Abkommen und Zusammenschlüsse haben, wird die Ansicht vertreten, dass die Notwendigkeit revolutionärer Strategien auf der Ebene einzelner Länder widerlegt ist. Angeblich verschwindet die Organisation auf der Ebene des Nationalstaates, unterliegt der Tendenz zu ihrer Abschaffung. Daher wird die Notwendigkeit vertreten, imperialistische Zusammenschlüsse zu akzeptieren und zu reformieren als Strategie auf regionaler wie internationaler Ebene.

Weitere speziellere Theorien werden auf der Basis falscher imperialistischer Konzepte entwickelt, und zwar im Bezug auf „das Ende der Arbeit und der Arbeiterklasse", „die Abschaffung des kapitalistischen Eigentums dank neuer Technologien" und „die post-industrielle und immaterielle Gesellschaft". Ferner die Theorien der „sozialen Ökonomie", „des Zusammenpralls der Kulturen", „des Zusammenpralls der Religionen".

Die sozialdemokratischen Parteien, die opportunistischen Kräfte, verkünden systematisch ihre schädlichen und unwissenschaftlichen Auffassungen, dass der Imperialismus einer neuen Realität Platz gemacht hat, in der der Widerspruch zwischen den Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen keine Rolle spielt. Von einigen werden systematische Anstrengungen unternommen, den wissenschaftlichen Begriff „Imperialismus" nur zu benutzen, um ihn als falsch abzutun und den klassenneutralen Begriff „Globalisierung" hervorzuheben oder sich unwissenschaftlich auf den Unipolarismus und die Hegemonie der USA zu beziehen. Sie verkennen absichtlich die Mitverantwortung der anderen imperialistischen Kräfte und der internationalen Zusammenschlüsse, die vereinheitlichte Strategie, die eine solche des Imperialismus ist, des höchsten Stadiums des Kapitalismus.

Gewisse ideologische Strömungen vertreten die Position, dass ein neues Stadium der sozial-ökonomischen Entwicklung erreicht worden ist, und zwar in der Form des „Imperiums", welches angeblich „eine weltweite Form der Herrschaft" darstellt. Nach ihrer Ansicht besteht dieses Imperium aus einer Reihe von nationalen und supranationalen Organisationen ohne Widersprüche und Konkurrenz, während angeblich der Nationalstaat in seiner Rolle als territoriales Machtzentrum geschwächt oder verschwunden ist.

Um ihre Theorie bezüglich der neuen sozial-ökonomischen Realität zu stützen, vertreten sie das Argument, dass der größte Teil der Kapitalströme von monopolistischen Konzernen kontrolliert und gelenkt wird, die in den drei größten imperialistischen Zentren ansässig sind. Die gegenwärtigen Erscheinungen der Finanzmärkte sind Auswüchse des kapitalistischen Systems. Sie verdeutlichen den parasitären Charakter der kapitalistischen Reproduktion. Dabei lassen sie in historischer Perspektive die Notwendigkeit des Sozialeigentums an den Produktionsmitteln erkennen.

Man von "Ausbrüchen der Menge" als dem revolutionären Subjekt im Gegensatz zu der Bewegung des Bündnisses der Arbeiterklasse und der anderen Volksschichten, im Gegensatz zu der Rolle der revolutionären Vorhut in der anti-imperialistischen, anti-monopolistischen Bewegung, im Kampf für den Sozialismus.

Der gemeinsame Nenner der zeitgenössischen sozialdemokratischen und opportunistischen falschen Konzepte liegt trotz ihrer Unterschiede in ihrem Bemühen zu verschleiern, dass der Imperialismus seinem Charakter nach monopolistischer Kapitalismus ist, der im Sozialismus seine historische Fortsetzung findet. Wenn die Verfechter des Konzepts der klassenlosen Globalisierung oder des so genannten Imperiums gezwungen sind, die Probleme anzuerkennen, die mit dem Kapitalismus einhergehen, oder wenn sie die „Globalisierung" kritisieren, vertreten als Lösung die Anpassung des Weltmarktes aufgrund von Rezepten für ein „Management der Krise". Sie verbreiten systematisch einen Geist des Fatalismus wie auch der Selbsttäuschung, radikale Veränderungen müssten entweder überall stattfinden oder aber nirgendwo. Sie orientieren die Arbeiterklasse dahingehend, den Kampf um die Macht auf nationaler Ebene aufzugeben. Diesen nicht dialektisch mit internationalen Aktionsformen zu verbinden sondern von der Realität abzuheben mit Präferenz für periodisch wiederkehrende internationale Proteste gegen globale Netzwerke oder Konzerne, dabei wiederum in der Logik des Managements der Krise.

Der düsteren Wirklichkeit von heute stellen sie einen "moralischeren und humaneren" Kapitalismus entgegen, wo angeblich die Kräfte des Kapitals und die Kräfte der Arbeit beide profitieren können.

3. Die imperialistischen Strategien gegen „Terrorismus". Die Beziehungen zwischen den USA, NATO und der EU

An der politischen Front etablierte die mächtigste von den USA geführte Fraktion des internationalen Imperialismus unter dem Vorwand der terroristischen Anschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington die Doktrin „der weltweiten Bedrohung des Terrorismus" als eines unsichtbaren Feindes, der überall anzutreffen ist, sowie die Doktrin des „Präventivschlags". Die USA und ihre Verbündeten nahmen sich das Recht, zu intervenieren, zu erpressen, zu terrorisieren und Länder und Regierungen zu bedrohen, darunter sogar befreundete Regierungen, wenn diese als nicht voll in Übereinstimmung mit ihren Wünschen angesehen werden. In anderen Fällen versuchen sie, diese Regierungen auszuwechseln auf der Suche nach Lösungen, die für ihre Interessen vorteilhafter sind.

Diese neue imperialistische Doktrin ist in den letzten vier Jahren in Afghanistan und Irak angewandt worden und äußert sich in der aggressiven Politik, den subversiven Aktivitäten und Provokationen gegen Kuba, Die Demokratische Volksrepublik Korea, Syrien, Venezuela etc.

Der NATO-Gipfel von Prag (November 2002) stellt eine sehr bedeutsame Entwicklung dar. Die NATO ist dabei, sich zu "transformieren" und ihre Aggressivität zu adjustieren. Sie stellt flexiblere Truppen auf und verlagert sich ostwärts. Sie erklärt sich selbst zu „einer Anti-Terrror-Oraganisation" mit der Doktrin der „Verteidigung gegen den Terrorismus". Sie erklärt offiziell die inneren Massenbewegungen von Ländern zu ihrem Feind. Sie ist dabei, ihre militärischen Mittel des chemischen, biologischen, radiologischen und atomaren Kriegführung zu modernisieren, um die Interessen des Kapitals zu verteidigen unter dem Vorwand der Verteidigung gegen Massenvernichtungswaffen.

Die Tatsache, dass der NATO die Funktion des Schutzes der Sicherheit der Olympischen Spiele in Athen übertragen wurde, zeigt eine charakteristischen Anwendung dieser Doktrin.

Die USA sind nicht die alleinige Macht, die militärisch, politisch und wirtschaftlich droht und bestrebt ist, ihre weltweite Vorherrschaft gegen die Völker und die rivalisierenden imperialistischen Mächte aufrecht zu erhalten und zu erweitern. In der gegenwärtigen so genannten Anti-Terror-Politik schließen sich imperialistische Zentren wie die Europäische Union derselben Linie an, ungeachtet der Widersprüche und Antagonismen unter einander. Die Mehrheit der kapitalistischen Staaten schließt sich derselben Linie an. Selbst Russland ergreift jetzt „anti-terroristische" Maßnahmen. Viele kapitalistische Länder nehmen Anpassungen ihrer nationalen Gesetze gegen politisch-soziale Bewegungen vor. Sie geben „grünes Licht" für den Export ihrer nationalen Streitkräfte zur Teilnahme an gemeinsamen Aktionen mit den USA und NATO gegen Völker und Bewegungen.

Der vereinheitlichte Charakter der Strategie des internationalen imperialistischen Systems wird auch in den Entscheidungen der NATO offenkundig, die von der Gesamtheit ihrer Mitgliedsstaaten sowie von ihren Verbündeten angenommen werden, gleich ob sie der Organisation angehören oder nicht. Sie schließen sich NATO-Entscheidungen an, und zwar sowohl in der Innenpolitik wie in der Außenpolitik.

Während des Prager NATO-Gipfels erzielte man einen zeitweiligen Kompromiss zwischen den widersprüchlichen Positionen von EU und NATO auf der Basis wechselseitiger Stärkung unter Berücksichtigung der „Autonomie der beiden Organisationen". Eine Autonomie, die vorläufig der Teilnahme von Mitgliedsstaaten der EU an der NATO nicht im Wege steht. Die EU verlangt volle Teilnahme an imperialistischen Aktionen und Teilhabe an dem Ertrag imperialistischer Aggressivität. Auf dieser Grundlage kommen verschiedene Widersprüche in der einen oder anderen Form zum Ausdruck und verschärfen sich, insbesondere nach der Erweiterung der EU und dem Zuwachs an Einfluss durch die neuen Mitgliedsstaaten.

Die vereinheitlichte imperialistische Strategie äußert sich in der parallelen Erweiterung sowohl von EU und NATO. Diese simultane Erweiterung beseitigt nicht nur nicht die inneren imperialistischen Widersprüche sondern reproduziert und verstärkt sie vielmehr. Sie verstärkt die Widersprüche sowohl zwischen den führenden Mächten wie zwischen anderen Mitgliedsstaaten.

In der Zeit nach unserem 16. Parteitag wurden die Beziehungen zwischen den beiden mächtigsten imperialistischen Zentren, den USA und der EU, konkurrenzbetonter, vielschichtiger und komplexer dank des Umstands, dass sich die Widersprüche innerhalb der EU in der Frage der Beziehungen zu den USA zuspitzen. Sowohl innerhalb der EU als auch auf Weltebene geht eine Umstrukturierung verschiedener Blöcke und Allianzen mit den imperialistischen Hauptwidersachern vor sich.

Die Erweiterung sowohl der NATO als auch der EU nach Osteuropa und die Schaffung einer Euro-Armee, die der Logik der NATO-Strategie folgt und in NATO-Operationen eingebunden ist, hat auf dem Kontinent eine neue geo-politische Lage geschaffen. Die Bedingungen des Kampfes sind für die Völker durch die EU-Mitgliedschaft viel ungünstiger als früher. Doch die Bourgeoisieen der ehemals sozialistischen Länder versuchen durch die EU-Mitgliedschaft mächtige äußere Anreize, politische und wirtschaftliche Vergünstigungen zu erhalten. Sie versuchen, ihre Position gegen inneren Widerstand zu festigen und die Gefahr der Entwicklung mächtiger Bewegungen abzuwenden, die angesichts des erbärmlichen Lebens unter kapitalistischen Bedingungen die Sache des Sozialismus vertreten.

In den EU-Mitgliedstaaten werden im Rahmen eines gemeinsamen Raums von „Freiheit, Sicherheit und Justiz" militärisch-polizeiliche Operationen institutionalisiert. Die Justiz wird entsprechend angepasst als Mechanismus der Legalisierung staatlicher Repression und des operativen Einsatzes der geschaffenen Unterdrückungsmechanismen.

Die Situation wird durch die „Europäische Verfassung" noch verschlimmert. Sie stellt einen neuen Vertrag dar, der das ganze reaktionäre Regelwerk und die Verträge der EU umfasst. Insgesamt ist der Inhalt der „Europäischen Verfassung" in vollem Einklang mit den Interessen der Monopole und der Förderung kapitalistischen Profits. Die Euro-Armee, EuroPol und die „Anti-Terror-Gesetze" wirken sich alle in derselben Richtung aus.

Die "Europäische Verfassung" stellt eine noch reaktionärere Entwicklung dar, insofern sie neue Schritte in Richtung der Verstärkung von Repression und Militarisierung einleitet.

Die EU verwirklicht die reaktionären Entscheidungen des Gipfels von Lissabon in jüngster Zeit mit noch größerer Entschiedenheit

4. NATO-Politik im Mittelmeerraum. Plan zur "Demokratisierung der arabischen Länder". Politik des Imperialismus in der Region der ehemaligen UdSSR

Die NATO-Strategie im Mittelmeerraum, die beim Gipfel von Istanbul (Juni 2004) formuliert wurde, besteht in einem Plan zur „Demokratisierung der arabischen Regimes", öffnet den Weg für neue Drohungen gegen die Völker der Region, gegen den Frieden im allgemeinen. Sie bedeutet damit militärische Interventionen, das Auslösen von Bürgerkriegen sowie Provokationen, zumal in Regionen hoher Spannung. Sie ist eine Politik der Schaffung von Spaltungen mit dem Ziel, die Hegemonie der USA oder der führenden Kräfte der EU zu erleichtern.

Nach 2001 erstrecken sich die militärischen Einrichtungen der USA vom Balkan bis zur chinesischen Grenzen, zum Kaukasus, Zentralasien, dem Mittleren Osten und der indischen Region. Dreizehn neue Basen in neun Ländern umkreisen Afghanistan an den Flanken Russlands. Die USA fühlen sich trotzt ihrer Sorge, ob die EU in nachfolgenden Operationen andauernd an ihre Seite sein werden, trotz ihrer Anstrengungen, Europa in „alt" und „neu" einzuteilen, so sicher, dass sie Bewegungen und Veränderungen in der Aufstellung ihrer militärischen Einrichtungen im Osten in Erwägung ziehen.

Die USA betonen die Wichtigkeit Afrikas, das sie zu „einem Zentrum der Bedrohung" erklären, das „Aufmerksamkeit" erfordert, mit dem vorgeschobenen Argument, es gebe auf diesem Kontinent „unregierbare Staaten, die zu terroristischen Schlupfwinkeln werden könnten". Der Antagonismus zwischen den USA und den führenden europäischen imperialistischen Kräften kommt in der Region Nordafrikas wesentlich heftiger zum Ausdruck.

Auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR gibt es weiterhin Brennpunkte nationaler Gegensätze, welche durch die kapitalistische Restauration provoziert wurden. Diese werden systematisch durch imperialistische Interventionen angeheizt, insbesondere von den USA aber auch von bestimmten führenden europäischen Kräften wie von europäischen Monopolbündnissen.

Die USA ebenso wie die EU wollen Russland in ihren eigenen Kreis von Allianzen und Einflussbereichen einbeziehen. Jeder von den beiden möchte zum eigenen Nutzen den Vorteil des Zugangs zu Russlands natürlichen, industriellen und humanen Ressourcen ergattern, um die Tendenz Russlands brechen, auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR und in der imperialistischen Pyramide eine dominante Rolle zu spielen. Russland hat sich bereits die Politik des „Präventivschlags" zu eigen gemacht.

Die Führung Russlands, wo der Kapitalismus im Vergleich zum vergangenen Jahrzehnt starker geworden ist, ist ständig bestrebt, Allianzen auf wirtschaftlichem Gebiet zu schmieden wie diejenige, welche Russland, die Ukraine, Belarus und Kasachstan einschließt. Ferner gibt es das „Abkommen über Kollektive Sicherheit" (Russland, Ukraine, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan) und die Schanghai Organisation für Zusammenarbeit (China, Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan). Diese Formen der Zusammenarbeit werden von den konkurrierenden imperialistischen Kräften mit Skeptizismus bis zu offener Feindseligkeit betrachtet.

In den kommenden wenigen Jahren werden die Bemühungen und die Konkurrenz der imperialistischen Kräfte um die Kontrolle der Regionen des Kaspischen Meeres, des Kaukasus und Sibiriens intensiver werden und könnten zu schnellen sozio-politischen Entwicklungen führen, die heute schwer vorher zu sagen sind.

5. Die Lage in Kuba, der Demokratischen Volksrepublik Korea, China und Vietnam

Das Volks Kubas kämpft mit großen Anstrengungen gegen den imperialistischen Versuch, die Bedingungen für einen Sturz des Sozialismus zu schaffen, und zwar durch das Embargo, eine anti-sozialistische Kampagne sowie offene Sabotage. Die Aushebung des Netzwerkes von konterrevolutionären Söldnern des Imperialismus war ein bedeutender Erfolg.

Die EU hat sich ebenfalls der US-amerikanischen Anti-Kuba-Kampagne angeschlossen, ebenso wie die sozialdemokratischen „neuen linken" Opportunisten und Apologeten des Imperialismus jeder Sorte. Solidarität mit Kuba ist ein entscheidendes Kriterium für die Beurteilung eines politischen Standpunkts.

In Kuba wurden unter der Leitung der KP und der Regierung verschiedene Formen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit ausländischem Kapital sowie kleine Privatunternehmen, insbesondere in Handel, Agrarindustrie und Tourismus, mit dem Ziel eingeführt, dem Land Erleichterung vom Embargo zu verschaffen. Gleichzeitig wurden die internationalen Initiativen des Landes und der KP Kubas gegen die imperialistische Politik verstärkt. Wichtig ist ihre praktische internationalistische Solidarität mit den Völkern und Bewegungen Lateinamerikas und der Regierung Chavez in Venezuela.

Die Demokratische Volksrepublik Korea befindet sich ebenfalls im Auge des imperialistischen Zyklons, der allein durch die Idee „gereizt" wird, dass dieses Land das Recht hat, Maßnahmen des Selbstschutzes gegen imperialistische Intervention zu ergreifen. Die Demokratische Volksrepublik Korea erreichte die Anerkennung seitens einer Reihe weiterer Länder, darunter Griechenland. Die Solidarität mit dem koreanischen Volk muss gestärkt werden. Die Streitkräfte und Atomwaffen der USA müssen aus Südkorea zurückgezogen werfen. Die imperialistischen Interventionen auf der koreanischen Halbinseln müssen zurückgewiesen werden.

Die Volksrepublik China setzt ihre Politik der Öffnung ihrer Wirtschaft gegenüber dem internationalen kapitalistischen Markt weiter fort. Sie ist der Welthandelsorganisation beigetreten. Sie ist Mitglied des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Sie hat „Freihandels"-Wirtschaftszonen mit Produktionsverhältnissen auf kapitalistischer Grundlage errichtet. Sie bemüht sich, ausländisches Kapital und Hochtechnologie anzuziehen.

Die Wirtschaft Chinas beeinflusst bereits in bedeutender Weise die Volkswirtschaften der Länder Asiens und des Pazifikraumes. China sieht sich der intensiven Gegenreaktion Japans gegenüber, das zusammen mit den USA daran interessiert ist, die Ausweitung des chinesischen Einflusses und die Kooperation Chinas mit Russland abzublocken.

Die Wirtschaft Chinas hat eine der höchsten Entwicklungsraten weltweit. Gleichzeitig verschärfen sich die inneren Widersprüche, darunter besonders charakteristisch die soziale Klassendifferenzierung und ein Anstieg der Arbeitslosigkeit, welche das politische System und die auswärtigen Beziehungen berühren. Die KP Chinas akzeptierte auf ihrem letzten Parteitag die Aufnahme von Kapitalisten in ihre Reihen. Das Entstehen von ausbeuterischen sozialen Kräften und ihre Präsenz in den politischen Ausdrucksformen der chinesischen Gesellschaft stellen eine Gefahr nicht nur für die Interessen des chinesischen Volkes sondern auch für seine Rolle in der internationalen anti-imperialistischen Bewegung dar.

In Vietnam setzten die kommunistische Partei und die Regierung ihre Anstrengungen fort, den Lebensstandard des Volkes zu heben. Der öffentliche Charakter der strategischen Sektoren der Wirtschaft wurde beibehalten. Doch bestimmte multinationale Konzerne vermochten ins Land einzudringen, und ein bestimmter Sektor der Wirtschaft ist zu kapitalistischen Verhältnissen übergegangen, insbesondere durch Privatisierungen und die Einrichtung einer Aktienbörse.

6. Die Bewegungen der Völker

Ein wichtiges Faktum ist die Entwicklung und das Erscheinen von Bewegungen, Zentren des Volkswiderstands, radikalen Kräfte, die dazu tendieren, das ganze Spektrum der imperialistischen Politik mit ihren Forderungen und Kampfzielen anzugehen. Im Mittelpunkt stehen die Fragen der Arbeitslosigkeit und der Armut, der Kriege und Interventionen, der Profite und des Profit machenden Kapitals. Ferner sind da die Fragen der Militarisierung, der staatlichen Repression und Gewalt, des Kampfes für demokratischen Freiheiten und politischen Grundrechte, gegen den Raubbau an der Umwelt und den Rohstoffen durch die Monopole, der Kampf gegen Rassismus und die Verfolgung derer, die die Neue Weltordnung in Frage stellen. Ein charakteristischer Trend besteht außerdem darin, dass verschiedene Bewegungen anfangen, eine Kombination von Anti-Kriegs-Forderungen und sozialen Zielen zu vertreten. Der Kampf aufgrund von sozialen Problemen weitet sich auf allen Kontinenten aus; Er ist gekennzeichnet durch sein längeres Anhalten und durch verschiedene Formen des Kampfes. Der Anti-Kriegs-Kampf führt zu größerer Massenmobilisierung, einem höheren Grad internationaler Koordination, hat jedoch bisher noch nicht einen permanenten Charakter angenommen.

Die imperialistische Aggression vermochte nicht, die verschiedenen Bewegungen und ihre Kämpfe gegen imperialistische Besatzung und Intervention zu lähmen und sich unterzuordnen.

Der Kampf der Arbeiter hat in einigen Fällen und Region größere Dimensionen angenommen; Es entwickeln sich Kämpfe gegen Privatisierung, die Probleme des Bildungswesens und der Sozialpolitik.

In den letzten Jahren haben die Menschen in konkreterer Form Einwendungen gegen die politischen Vorhaben der EU, der NATO und anderer imperialistischer Zusammenschlüsse erhoben. Die Losungen richten sich gegen das Konzept der „Einbahnstraßen", es werden Forderungen nach mehr allgemeinen sozialen Veränderungen erhoben. Solche Tendenzen machten sich auch in Europa, in öffentlichen Referenden und bei den jüngsten Europawahlen bemerkbar.

Die konsequentesten Kräfte der kommunistischen und Arbeiterbewegung waren Vorreiter und Ideengeber bei großen Massenmobilisierungen gegen den Krieg, für die Vertretung sozialer Belange, für demokratische Freiheiten. In einigen Ländern erhöhten die kommunistischen Parteien ihre Rolle in den populären Bewegungen im Zuge von Mobilisierungen und mutigen Kämpfen, die in unterschiedlichem Maße einen wichtigen internationalen Effekt hatten.

Die Entstehung von Kämpfen reflektiert in weitem Ausmaß einen Geist des Erwachens, der allerdings noch keine aufwärts weisende, dynamische Richtung angenommen hat. Er ist noch sehr weit von dem Ausdruck eines umfassenden alternativen politischen Gegenvorschlags entfernt, der nationale und international zu Konfrontation und Bruch mit den Monopolen und dem Imperialismus führt.

7. Die Aktion der reformistischen, opportunistischen Kräfte und die internationalen Bewegungen der Völker

Innerhalb der politischen und sozialen Bewegungen zeigen sich immer deutlicher Widersprüche zwischen den reformistischen, opportunistischen Kräften der Zustimmung und Kräften, die in mehr oder minder starkem Maße die Notwendigkeit radikaler Lösungen, Ziele und Kampfforderungen in einer anti-imperialistischen, anti-monopolistischen Richtung vertreten.

Heute ebenso wie in der gesamten Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung ist das strategische Ziel des Kapitals und der politischen Parteien, die ihm dienen, die Auflösung, die Kastration und die Einbindung und Unterordnung der internationalen Gewerkschaftsbewegung sowie allgemein des internationalen Kampfes der Völker.

Kapitalsvertreter, Spitzen von Monopolgruppen, eingekaufte Gewerkschaftsfunktionäre arbeiten an der Herausbildung einer neuen Form von Gewerkschaftsorganisationen; sie finanzieren überall die Schaffung und Durchsetzung von neuen Organisationsformern für Arbeiter, insbesondere in den ehemaligen sozialistischen Ländern. In diese Kategorie fällt eine große Anzahl von so genannten Nichtregierungsorganisationen. Ihr Eingreifen wird von Netzwerken ergänzt, während verschiedene Organisationen und Bewegungen mit allen Mitteln finanziell „unterstützt" werden, so dass alles was einen antiimperialistischen, antimonopolistischen Charakter annehmen könnte, auf weltweiter Ebene kontrolliert werden kann.

Sozialdemokratische Kräfte dominieren die Leitungen der neu gebildeten Strukturen wie das Weltsozialforum und seine entsprechenden regionalen Strukturen. Auch Vertreter von Wirtschaftsgruppen nehmen daran teil, Kräfte der Zustimmung und des Kompromisses, die offen ihre Feindschaft gegen die kommunistische Arbeiterbewegung erklären. Sie verleugnen den Beitrag, den das im 20. Jahrhundert entwickelte sozialistische System geleistet hat. Selbst Regierungskräfte und Mechanismen imperialistischer Länder nehmen teil und spielen eine führende Rolle.

Zwischenimperialistische Widersprüche, die sich verschärft haben, da die USA den Großteil der Beute für sich reklamieren, führten dazu, dass sozialdemokratische Kräfte in Europa die Initiative ergriffen, um die Bewegungen auszunutzen und in eine Richtung der Unterstützung des französisch-deutschen Imperialismus zu lenken in der Absicht, die Bewegungen zu desorientieren und die politischen Kräfte in einen bloßen Kampf gegen neo-liberale Praktiken einzubinden ohne eine antiimperialistische, antimonopolistische Orientierung in einem Schmelztiegel „der linken Mitte" und „der Wiedergeburt" der Sozialdemokratie.

Jegliche Position, die davon ausgeht, dass die so genannte Bewegung gegen die Globalisierung "das Ende der kommunistischen Bewegung" markiert, wird systematisch herausgestellt; desgleichen Positionen und Konzepte, die in radikalem Gegensatz zur historischen Kontinuität des uns bekannten Sozialismus eine Art von Sozialismus mit kapitalistischem Markt vertreten. Diese Positionen haben als Bezugspunkt einfach nur ein besseres Management des kapitalistischen Systems.

Das Weltsozialforum versucht mit seinen Aktionen radikale Kräfte, die kämpferische Haltungen der Arbeiterklasse und anderer sozialer Schichten zum Ausdruck bringen einzufangen und sich anzupassen. Man beabsichtigt, sie in einen einseitigen Kampf gegen die USA einzubinden zum Nutzen anderer imperialistischer Kräfte, die bei der Aufteilung der Märkte nach einem größeren Anteil oder zumindest gleichen Bedingungen wie die USA streben.

Die von ihnen vertretene Losung „eine andere Welt ist möglich" wird ergänzt durch einen programmatischen Rahmen des Kampfes, der im Wesentlichen von den Arbeitern verlangt, ihre Forderungen selbst zu beschränken. Was als für die Völker notwendig dargestellt wird tritt nicht in Widerspruch zu den Bedürfnissen und Interessen des kapitalistischen Systems.

Der Kampf gegen den Imperialismus, der Kampf gegen die Kräfte der Anpassung und der Zustimmung bleibt bisher noch kein ausgleichendes Gegengewicht geschaffen. Er hat noch nicht die Form eines koordinierten einheitlichen Gegenangriffs angenommen.

Die Entwicklung einer antiimperialistischen, antimonopolistischen Bewegung kann nur Gestalt annehmen, sofern die internationale kommunistische Bewegung sich den ernsten sie kennzeichnenden Problemen stellt, hat sie sich doch noch nicht von der Krise erholt, die aus dem Sieg der Konterrevolution resultiert. Auch hängt eine solche Entwicklung von dem Kurs der Gewerkschaftsbewegung ab, die sich in einer Periode der Umorientierung befindet, da auch sie sich noch nicht von einer Phase des Zurückweichens und der Krise erholt hat.

Ferner funktionieren die populären Bewegungen unter Bedingungen, wo antikommunistische, so genannte "Anti-Terrorismus-Gesetze" und ein allgemein erstickender Rahmen von Gesetzen Massenaktionen sowohl am Arbeitsplatz wie auch sonst blockieren.

In den neuen Länder der EU werden Verbote gegen Kommunisten und ihre Parteien in Kraft gesetzt. Hunderttausende von Werktätigen sind ihrer grundlegenden Rechte beraubt worden, darunter ihres Wahlrechts. Die Parteien der europäischen Sozialdemokraten haben sich voll den liberalen Parteien angeschlossen; sie dulden keinerlei Bezugnahme auf den Sozialismus in ihren Parteiprogrammen.

Die bestehenden internationalen kämpferischen Organisationen sind noch nicht mit den ihnen entgegenstehenden Hindernissen fertig geworden, so dass sie die notwendige Infrastruktur auf weltweiter Basis schaffen könnten, um festere Kommunikationsstrukturen mit den Kräften zu entwickeln, die in vielen Ländern reorganisiert und wieder belebt werden.

In unterschiedlichem Maße haben internationale Organisationen wie der Weltfriedensrat, der Weltgewerkschaftsbund, der Weltbund demokratischer Jugend, der Internationale Demokratische Frauenbund wichtige Schritte in Richtung des internationalen Kampfes und der Koordination von Aktionen unternommen. Viele Organisationen und Bewegungen haben noch Schwierigkeiten, indem sie nicht über die Ressourcen und Mittel verfügen, um internationalistische Aktion zu entfalten, um Verantwortung zu übernehmen für den Aufbau eines Pols der Aktion, der in konsequenter Weise den Kampf gegen den Imperialismus führt. Sie sind auf nationaler und regionaler Ebene gekennzeichnet durch Widersprüche und Differenzen, infolge des Kampfes zwischen den Kräften der Anpassung und den Kräften der Emanzipation.

8. Die Lage in der Internationalen Kommunistischen Bewegung

Eine bedeutende Anzahl von kommunistischen und Arbeiterparteien war besser ausgerüstet der imperialistischen Aggressivität entgegenzutreten und gegen den ungerechten Krieg gegen Afghanistan und besonders Irak aktiv zu werden. In den vergangenen Jahren wurden viele Anstrengungen gemacht, die Aktion der KPen zu koordinieren. Es gab eine wachsende Zahl von multilateralen Initiativen. Wichtige Treffen fanden in Südamerika, dem Mittleren Osten unter den arabischen KPen, auf dem Balkan und Westeuropa statt. Die Arbeitsbeziehungen zwischen kommunistischen Jugendorganisationen in Europa wurden gestärkt und stabilisiert. Die internationalen Treffen von kommunistischen und Arbeiterparteien, die in Athen stattfinden, wurden institutionalisiert.

Trotz alledem bleibt die Internationale Kommunistische Bewegung organisatorisch und ideologisch zersplittert; Sie macht gegenwärtig eine Krise durch. Der Kampf zwischen den revolutionären kommunistischen Positionen und den reformistischen, opportunistischen Positionen hält in ihren Reihen an. Weiterhin besteht der Konflikt zwischen zwei Linien im Verhältnis zum imperialistischen System, zwischen der Linie „Widerstand/Bruch" und der Linie „Anpassung/Angleichung".

Im Zentrum der ideologischen Auseinandersetzungen stehen: die gegenwärtige Bedeutung des Marxismus-Leninismus, die Entwicklung unserer Theorie in der Periode des Übergangs zum Sozialismus unter den Bedingungen des zeitweiligen Sieges der Konterrevolution, der Charakter der kommunistischen Partei, der Charakter des Imperialismus, politische Bündnisse, die Haltung der Kommunisten in den Massenbewegungen, ihre Haltung im Bezug auf die kapitalistische Krise und innerimperialistische Widersprüche, politische Konzepte gegen zwischenstaatliche, regionale und internationale Zusammenschlüsse, die historische Rolle der Arbeiterklasse, die Unausweichlichkeit der sozialistischen Revolution und des Aufbaus des Sozialismus.

Die Schaffung der "Partei der Europäischen Linken" (EL) unter Teilnahme bestimmter kommunistischer Parteien, ist eine Ausdruck des Trends der Anpassung an die negative Balance der Kräfteverhältnisse. Objektiv und unabhängig von subjektiven Entscheidungen und Erklärungen stellt sie die fatalistische Hinnahme der bürgerlichen Legitimität dar. Die EL verleugnet die Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus und die kommunistischen Traditionen.

Die Zurückhaltung und Skepsis, die bestimmte Parteien gegenüber der vornehmlichsten Pflicht der KPen bekunden, einen eigenständigen Pol der Zusammenarbeit zu bilden, ist nicht auf ein Zögern zurückzuführen, das auf negativen Erfahrungen beruht, welche aus ihrer Sicht im Rahmen der Kommunistischen Internationale in Erscheinung traten. Es ist vor allem auf den jüngsten Druck zurückzuführen, dem sie ausgesetzt worden sind, und allgemein auf eine Unterschätzung der grundlegenden Leitlinien der Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus.

Unter diesen Bedingungen ist der ideologische Gegenangriff der kommunistischen Bewegung, die an die Notwendigkeit und realistische Möglichkeit eines Kampfes für die Überwältigung des kapitalistischen Systems glaubt, von entscheidender Bedeutung. Kommunisten glauben an die Rolle der internationalen Arbeiterbewegung und antiimperialistische Bewegung, an den internationalen revolutionären Prozess. Der ideologische Gegenangriff stellt eine der grundlegenden Voraussetzungen für die Stärkung der weltweiten Bewegung der Völker und der kämpferischen Bündnisse dar.

Die Internationalisierung des Kampfes gegen den Imperialismus kann nicht einen massenhaften und vor allem stabilen Charakter annehmen, wenn dieser nicht auf einem eigenständigen und machtvollen kommunistischen Pol begründet ist, der, wenn er einmal geschaffen ist, eine treibende Kraft für einen positiven Einfluss der Völker auf die internationalen Entwicklungen werden kann. Damit wird eine machtvolle Basis für ein breiteres antiimperialistisches Bündnis geschaffen.

Die Antwort der Völker auf die imperialistische Strategie, die gegenwärtige Barbarei, kann unter den gegenwärtigen Bedingungen nur eine einzige sein:

Alle Kräfte im Kampf gegen die Monopole und den Imperialismus auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene zusammenschließen; die Kräfte des Kapitals entschieden zurückschlagen, an allen Fronten des Kampfes für wirtschaftliche und soziale Rechte, gegen militärische, wirtschaftliche und politische Interventionen. Der Kampf gegen die imperialistische Barbarei wird größtmögliche Wirksamkeit, Massencharakter und -mobilisierung entfalten, wird Siege erringen, in dem Maße wie die Bewegung der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten politische Forderungen und Kampfbedingungen erarbeitet, die von der historischen Position des Imperialismus als höchstem Stadium des Kapitalismus ausgeht, aus der sich die historische Notwendigkeit des Übergangs zum Sozialismus ergibt.

Der Hauptstoß der imperialistischen Politik richtet sich gegen das Recht jeden Volkes, frei von ausländischer Intervention selbst über das soziale und politische System des eigenen Landes zu bestimmen. Daher ist es erforderlich, die Solidarität mit den Völkern zu stärken, die sich bemühen, den Sozialismus aufzubauen, die kämpfen und die Überwältigung des Kapitalismus und die Errichtung der sozialistischen Macht anstreben.

Die notwendige, erreichbare und andere Welt für die Völker ist der Sozialismus. (…)

39. Die internationalen Aktivitäten der Partei in der kommunistischen Bewegung, in den antiimperialistischen Kämpfen

Die Partei intensiviert ihre internationalen Aktivitäten in dem Bestreben, eine klarer umrissene Form der Zusammenarbeit mit den kommunistischen und Arbeiterparteien zu fördern, um einen kommunistischen Pol herauszubilden. So lange dieser Pol nicht gebildet ist, werden die bestehenden Schwierigkeiten andauern. Vor allem die Entwicklung einer breiteren Sammlung von antiimperialistischen Kräften wird auf Schwierigkeiten stoßen. Daher steht der Kampf für die Sammlung der kämpferischen kommunistischen Kräfte und Parteien und der Kampf gegen den Opportunismus in enger Verbindung mit den Aktivitäten der Partei in der internationalen kommunistischen Bewegung.

Ein eigenständiger kommunistischer Pol stell die Souveränität jeder einzelnen Partei und ihre Verantwortung gegenüber der Arbeiterklasse und der populären Bewegung im eigenen Lande nicht in Frage. Er wird die Form koordinierter gemeinsamer Aktion auf der Grundlage des Prinzips der Gleichberechtigung annehmen.

Die gemeinsame Aktion der Kommunisten muss in den Reihen der Massenbewegungen und der internationalen Mobilisierungen ihren Ausdruck finden.

Die Entwicklung eines eigenständigen kommunistischen Pols, die gemeinsame Aktion und Zusammenarbeit der kommunistischen Parteien wird die Bemühungen fördern, eine starke internationale antiimperialistische Bewegung aufzubauen, die sich auf die Bewegung der Arbeiterklasse stützen kann sowie auf die Bewegungen, die andere populäre Schichten zum Ausdruck bringen, die Bewegungen gegen Krieg, die Bewegungen der Jugend, der Frauen wie jede andere Form der Mobilisierung, die eine radikale Richtung hat.

Die Formen der Zusammenarbeit, die bisher zwischen den kommunistischen und Arbeiterparteien entwickelt wurden wie internationale, regionale und bilaterale Treffen können und müssen fortgesetzt werden. Sie müssen durch Diskussionen und Meinungsaustausch über theoretische Fragen angereichert werden wie auch durch Treffen, die zu konkreten Plänen für Aktionen für gemeinsame Belange führen.

Keine Form der Zusammenarbeit oder Koordination zwischen breiteren Kräften auf regionaler oder internationaler Ebene kann die Rolle eines eigenständigen Pols der Zusammenarbeit zwischen kommunistischen Parteien ersetzen oder dessen Notwendigkeit abstreiten.

Es wird vorgeschlagen, dass der 17. Kongress eine spezifische politische Resolution beschließt, die Positionen, Gedanken und Vorschläge enthält, wie die in der internationalen kommunistischen Bewegung bestehende negative Situation angegangen werden kann, sowie einen konkreten Aktionsplan zu Formen des Dialogs und Gedankenaustauschs.

Die KKE wird ihre Anstrengungen mit den bilateralen und multilateralen Treffen fortsetzen und mit allem, was sie bisher mit ihrer Arbeit in der internationalen Bewegung erreicht hat. Sie wird ihre Zusammenarbeit mit Parteien und Bewegungen aufrechterhalten und verstärken, mit denen sie hinsichtlich gemeinsamer Kampfziele übereinstimmen kann.

Die internationalen Aktivitäten der Partei sollten zu allererst auf der Basis ihres Beitrags zur Überwindung der negativen Situation in der internationalen kommunistischen Bewegung evaluiert werden. Soweit dies von der KKE abhängt, wird sie ihre Anstrengungen in diese Richtung lenken, parallel zu einer stärkeren Präsenz in den internationalen Mobilisierungen.

Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Griechenlands, Oktober 2004;

Übersetzung aus dem Englischen: Klaus von Raussendorff

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Kommunistische Partei Griechenlands (KKE): Zur Situation in der internationalen kommunistischen Bewegung.

Entschließung des 17. Parteitages der KKE vom Februar 2005

Vom 9. bis 12. Februar fand in Athen der 17. Parteitag der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) statt. Daran nahmen neben den griechischen Delegieren Delegationen von 75 kommunistischen und Arbeiterparteien, darunter Vertreter der DKP und der PDS. 18 ausländische Parteien entsandten Begrüßungsansprachen und legten die Gründe dar, wegen welcher Schwierigkeiten die persönliche Teilnahme nicht möglich war.

Nach ausführlicher und ergiebiger Diskussion über die 39 Thesen des Zentralkomitees zum 17. Parteitag wählten die Delegierten ein neues Zentralkomitee aus 77 Mitgliedern und nahmen einstimmig zwei Entschließungen an. Die eine davon trägt den Titel: „Politische Entschließung des 17. Parteitages der KKE über die Aufgaben der Partei bis zum 18. Parteitag" Die zweite Entschließung bezieht sich auf die Situation in der internationalen kommunistischen Bewegung. Die bisherige Generalsekretärin Aleka Papariga wurde einstimmig bestätigt. Das neue ZK wählte aus seinen Reihen ein elf Mitglieder umfassendes Politbüro.

Nachstehend der Wortlaut der Entschließung über die Situation in der internationalen kommunistischen Bewegung. Thanassis Georgiou / Redaktion Offensiv

 

Die Diskussionen vor dem Parteitag haben die Notwendigkeit gezeigt, die Bemühungen für die Koordination, die Ausarbeitung gemeinsamer Ziele des Kampfes und die gemeinsamen Aktionen in der kommunistischen und Arbeiterbewegung zu verstärken, um der imperialistischen Aggressivität entgegentreten zu können, die Hervorhebung der Notwendigkeit des Sozialismus als der einzigen Alternativlösung für das gegenwärtige imperialistische System, die Notwendigkeit, die kommunistische Auffassung noch erkennbarer hervorzuheben, um die Probleme und Schwierigkeiten des Kampfes besser anpacken zu können, sowie die Notwendigkeit eines koordinierten Eingreifens bei der Intensivierung des internationalen antiimperialistischen, antimonopolistischen Kampfes, an dem verschiedene andere Kräfte teilnehme.

Der Parteitag beauftragt das Zentralkomitee, die internationalen Aktionen der Partei auf folgende Richtungen zu spezifizieren:

1. Die Notwendigkeit der erkennbaren Präsenz der kommunistischen Bewegung und der gemeinsamen Aktion von kommunistischen und Arbeiterparteien

Unsere Partei meint, dass in letzter Zeit in der internationalen kommunistischen Bewegung bestimmte Schritte nach vorne zu verzeichnen sind. Eine Reihe kommunistischer und Arbeiterparteien waren besser vorbereitet, der imperialistischen Aggressivität entgegenzutreten und wirkten gegen die imperialistischen Kriege in Afghanistan und im Irak. Einige von ihnen standen an der Spitze der Kämpfe der Arbeiterklasse und der Mobilisierung der Werktätigen für ihre Rechte.

In dieser Zeit waren ebenfalls größere Bemühungen um Koordinierung der Aktionen der kommunistischen Parteien zu verzeichnen als in den vergangenen Jahren. Es haben sich die internationalen und regionalen Treffen vermehrt.

Trotz der zu verzeichnenden Schritte bleibt die internationale kommunistische Bewegung organisatorisch und ideologisch zersplittert, sie befindet sich noch immer in der Krise. In ihren Reihen findet nach wie vor die Auseinandersetzung zwischen den revolutionären, kommunistischen und den reformistischen, opportunistischen Auffassungen statt – zwischen der Linie des „Widerstandes – des Bruchs" und der Linie der „Anpassung und Integrierung" in das System des Imperialismus.

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht:

  • die Haltung gegenüber dem Sozialismus, den wir kennen gelernt haben und die Ursachen seiner Niederlage;
  • die Aktualität des Marxismus-Leninismus;
  • die Entwicklung der Theorie in der Epoche des Übergangs zum Sozialismus unter der Bedingung des vorübergehenden Sieges der Konterrevolution;
  • der Charakter der Kommunistischen Partei;
  • der Charakter des Imperialismus;
  • das Verhältnis des Kampfes auf nationalem und internationalem Niveau;
  • die Bündnispolitik;
  • die Haltung gegenüber der Sozialdemokratie;
  • die Haltung der Kommunisten in den Massenbewegungen;
  • die Haltung gegenüber der kapitalistischen Krise und den innerimperialistischen Gegen-sätzen sowie den imperialistischen Kriegen;
  • die Haltung gegenüber den zwischenstaatlichen, imperialistischen regionalen und inter-nationalen Vereinigungen;
  • die historische Rolle der Arbeiterklasse;
  • die Theorie der sozialistischen Revolution und die Gesetzmäßigkeiten des sozialistischen Aufbaus.

Die KKE ist angesichts dieser Situation der Meinung, dass die Bemühungen der kommunistischen Parteien intensiviert werden müssen, um in einem kollektiven Verfahren und unter Beachtung der Selbständigkeit jeder einzelnen von ihnen die geeigneten Mittel zur Bewältigung der Krisensituation zu finden.

Unsere Partei wird das selbständige internationale Eingreifen mit der Bemühung intensivieren, die Form der Zusammenarbeit mit kommunistischen und Arbeiterparteien erkennbarer um einen kommunistischen Pol herum zu gestalten. Diese erkennbare Präsenz der Parteien wird bessere Voraussetzungen für die Bewältigung der vorhandenen Schwierigkeiten schaffen. Sie wird auch den allgemeinen antiimperialistischen Zusammenschluss erleichtern.

Die Initiative für die Schaffung eines solchen kommunistischen Pols könnte zwischen kommunistischen Parteien stattfinden, die sich in ihren ideologischen und politischen Auffassungen näher kommen, die den Marxismus-Leninismus, den Beitrag des Sozialismus, den wir kennen gelernt haben sowie die Notwendigkeit des Kampfes für den Sozialismus verteidigen: eine Zusammenarbeit auf höherem Niveau über Probleme der Entwicklung der Theorie, über Fragen, die im Mittelpunkt der gegenwärtigen Auseinandersetzungen stehen, eine internationale Studie über die Ursachen des Sieges der Konterrevolution, Ausarbeitung einer gemeinsamen Strategie gegenüber dem Imperialismus.

Wir sollten anstreben, dass die Zusammenarbeit einen praktischen Charakter hat, dass sichtbare Ergebnisse dabei herauskommen.

Ein solcher erkennbarer kommunistischer Pol hebt auf keinen Fall die Selbständigkeit jeder einzelnen Partei sowie ihre Verantwortung gegenüber der Arbeiterklasse und der kommunistischen Bewegung des eigenen Landes auf. Er hat die Aufgabe der Koordinierung, der gemeinsamen Aktion und wird auf gleichberechtigter Basis entstehen.

Mit kommunistischen und Arbeiterparteien, mit denen wir ideologische Meinungsverschiedenheiten haben, können wir und müssen wir die Bemühungen um gemeinsame Aktionen, um gemeinsame antiimperialistische und antimonopolistische Ziele fortsetzen, wobei wir falsche ideologische und politische Ansichten widerlegen.

Die KKE will Beziehungen der Zusammenarbeit mit allen Parteien ohne Ausnahme.

Die erkennbare Präsenz der kommunistischen Bewegung ist ein entscheidender Faktor für die Entwicklung der Bewegungen.

Die gemeinsame Aktion der Kommunisten muss ihren Ausdruck in den Reihen der Massenbewegungen, in den internationalen Aktionen finden. Die Bildung eines erkennbaren kommunistischen Pols, die gemeinsame Aktion und Zusammenarbeit von kommunistischen Parteien wird der Bemühung um den Aufbau einer sich verstärkenden internationalen antiimperialistischen Bewegung, die der Bewegung der Arbeiterklasse, den Bewegungen der anderen Volksschichten, der Bewegungen gegen den Krieg, der Frauen- und der Jugendbewegung, jeder Art des Zusammenschlusses mit radikaler Richtung, einen wichtigen Impuls verleiht, befruchten.

Der internationale Kampfes gegen den Imperialismus kann keine Massenbasis und keinen stabilen Charakter erlangen, wenn er sich nicht auf eine erkennbare und starke kommunistische Bewegung, einen kommunistischen Pol, stützt, der der Hebel für eine positive Einwirkung der Völker auf die internationale Entwicklung werden kann. So kann ein festes Fundament für ein breites antiimperialistisches Bündnis geschaffen werden.

Die Antwort der Völker auf die imperialistische Strategie, die zeitgenössische Barbarei, nimmt mehrere und verschiedenartige Formen an. Sie wäre ohne Zweifel viel effektiver, wenn es bei diesen Kämpfen gelänge:

  • die Kräfte im Kampf gegen die Monopole und den Imperialismus auf nationalem, regionalem und internationalem Niveau zu vereinen;
  • den Kräften des Kapitals auf allen Fronten seiner Tätigkeit und seiner Intervention, im Bereich der Ökonomie, bei dem Angriff auf die sozialen Rechte, auf dem Sektor der Kultur, bei all seinem militärischen, wirtschaftlichen und politischen Eingreifen entschlossen entgegenzutreten;
  • politische Forderungen zu stellen und Ausrichtungen der Kämpfe der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten herbeizuführen, die den gegenwärtigen Bedürfnissen der Werktätigen entsprechen, die von der historischen Lage ausgehen, in der wir uns befinden, nämlich vom Imperialismus als höchstem Stadium des Kapitalismus und die auf die historischen Notwendigkeit für den Übergang zum Sozialismus hinweisen.

Die imperialistische Politik richtet sich gegen das Recht jedes Volkes, selbst und ohne fremde Einmischung über das gesellschaftliche und politische System seines Landes zu entscheiden.

Die weitere Entwicklung der antiimperialistischen, antimonopolistischen Bewegung hängt stark von der Bewältigung der ernsten Probleme ab, die die internationale kommunistische Bewegung leider zur Zeit hat. Sie hängt zweitens von der Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung ab, die sich gerade in einer Periode der Umgruppierung befindet.

Als Ergebnis dieser Situation und so lange die kommunistische Bewegung ihre Krise nicht bewältigt und ihre erkennbare Präsenz nicht steigert, werden eine Reihe anderer Kräfte, die unter dem unmittelbaren Einfluss der internationalen Sozialdemokratie stehen, versuchen, diese Bewegungen in den „Hafen" der Klassenkollaboration (mit dem Ziel eines Kapitalismus mit menschlichem Antlitz) zu führen.

2. Die vorhandenen Formen der Zusammenarbeit

Die Formen der Zusammenarbeit, die sich zwischen den kommunistischen und Arbeiterparteien entwickelt haben, wie die internationalen, regionalen, vielseitigen Treffen, können und müssen fortgesetzt werden. Dabei sollten sie die Diskussion und den Austausch der Auffassungen über theoretische Fragen abwechseln mit Treffen, die zu einem konkreten Aktionsplan für gemeinsame Aktivitäten führen sollten.

In diesem Zusammenhang muss besonderes Gewicht

- auf das Begehen von Jahrestagen und historischen Ereignissen gelegt werden, die Etappen im Kampf der Arbeiterklasse und der Kommunisten oder im Kampf der Völker für ihre politische, ökonomische und gesellschaftliche Befreiung darstellen (z.B. Pariser Kommune; der 1. Mai; die Große Sozialistische Oktoberrevolution; der Tag des antifaschistischen Sieges der Völker, der 9. Mai 1945; die Stalingrader Schlacht; usw.) als eine Antwort nicht nur auf den Versuch der Imperialisten, die Geschichte neu zu schreiben, sondern auch als eine Gelegenheit zeitgenössische und aktuelle Fragen des Kampfes der Arbeiterklasse und der Völker hervorzuheben;

- auf die Fortsetzung und die weitere Verstärkung der Solidarität mit den kommunistischen Parteien, die unter Bedingungen der Illegalität agieren und auf die Stützung von Kommunisten und anderen Kämpfern, die wegen ihrer Tätigkeit verfolgt werden,

- auf die Fortsetzung und weitere Steigerung der Solidarität mit den Länden und Völkern, in denen sich die kommunistischen und Arbeiterparteien an der Macht befinden und die sich unter den gegenwärtigen widrigen Verhältnissen bemühe, den Wühlangriffen der Imperialisten zu widerstehen und die Errungenschaften ihrer Völker zu verteidigen.

3. Zur Europäischen Linkspartei

Die Gründung der „Europäischen Linkspartei" unter Teilnahme bestimmter kommunistischer Parteien drückt die Tendenz zur Unterordnung unter das negative Kräfteverhältnis aus. Objektiv und unabhängig von subjektiven Optionen und Proklamationen drückt sie eine schicksalhafte Akzeptanz der bürgerlichen Legalität und Legitimität aus. Die „Europäische Linkspartei" verneint die Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus, die kommunistischen Traditionen und die Erfahrungen der sozialistischen Revolutionen des 20. Jahrhunderts. Sie wählt den gefährlichen und ausweglosen Weg des Antikommunismus und der Integration in die Strukturen der Europäischen Union. Auf diese Weise torpediert sie die Bemühungen der koordinierten und gleichberechtigten Zusammenarbeit der kommunistischen und Arbeiterparteien und anderer Parteien, die sich der Formierung des europäischen kapitalistischen Zentrums und grundsätzlich dem kapitalistischen System widersetzen.

4. Die antiimperialistischen Bewegungen. Die Antikriegsbewegung und die anderen Volksbewegungen

Ein bedeutendes Ereignis in unserer jetzigen Periode stellt die Entwicklung von Bewegungen, radikalen Kräften und Widerstandszentren der Völker dar, die mit ihren Forderungen und Kampfzielen an die Grenzen des imperialistischen Systems stoßen. Sie haben als Mittelpunkte die Probleme der Arbeitslosigkeit und der Armut, der Kriege und der Interventionen, die Profite des Kapitals, die Militarisierung, die Verteidigung und Entwicklung der demokratischen Freiheiten und der politischen Rechte. Sie wenden sich gegen die Zerstörung der Umwelt und den Raub der Rohstoffe durch die Monopolgruppen, gegen den Rassismus und die Verfolgung der Kämpfer, gegen staatliche Repression, gegen die neue Weltordnung.

Die Kämpfe der Arbeiterklasse nehmen in einigen Fällen und Regionen größere Ausmaße an. Es entwickeln sich Kämpfe gegen die zunehmende Privatisierung öffentlicher Leistungen, gegen die Kürzungen im Bereich der Sozialpolitik und für die Beibehaltung gewisser Bildungsstandards. Alle diese Kämpfe, die aus den sozialen Problemen resultieren, zeigen auf allen Kontinenten Tendenzen zur Ausweitung und eine hohe Kontinuität. Es werden unterschiedliche Kampfformen angewandt. Die Antikriegskämpfe hatten zwar schon ein sehr hohes Niveau hinsichtlich ihrer Massivität und ihrer internationalen Koordinierung, es fehlen aber auch hier noch die Merkmale der Grundsätzlichkeit und der Dauerhaftigkeit.

Diese Entwicklung zeigt, dass es dem Imperialismus trotz all seiner Aggressivität nicht gelungen ist, die unterschiedlichen Bewegungen, Initiativen und Volkskämpfe gegen Besatzung und Intervention zu stoppen und sich unterzuordnen.

Die Entwicklung dieser Bewegungen spiegelt ein Aufwachen, ein Aufbegehren, das aber noch nicht zu einer eigenen Klarheit und Dynamik geführt hat. Sie ist noch weit entfernt von der Notwendigkeit, einen allgemeinen alternativen Politikansatz formulieren zu können, in dem die Bedingungen des Bruchs mit dem Imperialismus auf nationaler und internationaler Ebene enthalten sind.

Zu den internationalen Organisationen der Massenbewegungen

Die vorhandenen internationalen antiimperialistischen Kampforganisationen haben bisher nicht die vorhandenen Hemmnisse überwunden, um auf internationalem Niveau ein bedeutendes und festes Fundament zu schaffen für die Entwicklung dauerhafter und verlässlicher Kommunikationsstrukturen mit all den Kräften, die in vielen Ländern sich organisieren, reorganisieren und verstärken. Viele Organisationen haben noch Schwierigkeiten, weil es ihnen an Mitteln und Möglichkeiten fehlt, um internationalistisch zu agieren, um sich verantwortlich am Aufbau von konsequent antiimperialistischen Bündnissen zu beteiligen. Sie werden auf nationalem und regionalem Niveau von inneren Gegensätzen und Meinungsverschiedenheiten beherrscht zwischen den reformistisch/opportunistischen Kräften des Konsenses und den revolutionären Kräften der Emanzipation.

Trotzdem aber haben internationale, regionale und nationale Organisationen in größerem oder kleineren Umfang Schritte in Richtung der Internationalisierung der Kämpfe und der Koordinierung ihrer Tätigkeit unternommen.

Das Sozialforum

Im Welt-Sozialforum und seinen regionalen Strukturen herrschen Kräfte der Sozialdemokratie. Am Forum beteiligen sich auch Kräfte der Unternehmensverbände, Kräfte des Konsenses und des Kompromisses, die ihre Feindschaft gegenüber der kommunistischen und Arbeiterbewegung zeigen und erklären. Ebenso feindlich zeigen sie sich gegenüber den gesellschaftlichen Klassenorganisationen, die sie durch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) oder durch Organisationen der so genannten Zivilgesellschaft ersetzen wollen. Es beteiligen sich an diesem Prozess anarchistische und trotzkistische Gruppen, Regierungskräfte und sogar Apparate imperialistischer Staaten.

Das Welt-Sozialforum versucht mit seiner Tätigkeit Kräfte einzubinden und zu integrieren, die von Radikalität geleitet werden und die die kämpferische Stimmung der Arbeiterklasse und anderer Schichten der Bevölkerung zum Ausdruck bringen.

In Europa, wo die imperialistischen Gegensätze sich verschärfen, da die USA bei der Aufteilung der Beute fast alles für sich beanspruchen, ergreifen sozialdemokratische Kräfte die Initiative, um die Bewegung grundsätzlich an die Linie des deutsch-französischen Imperialismus heranzuführen und sie zu einer Unterstützung dieser Linie zu bringen.

Es ist erforderlich, die politisch-ideologische Konfrontation zu verstärken, um der Desorientierung der Bewegung entgegenzutreten und Versuche gewisser politischer Kräfte zu vereiteln, dem Kampf die antiimperialistische und antimonopolistische Ausrichtung zu nehmen und ihn stattdessen nur noch gegen die Auswüchse des so genannten Neoliberalismus zu lenken. Diese Kräfte streben danach, die Bewegung einseitig gegen die USA zu positionieren – zu Gunsten der anderen, beispielsweise der europäischen, imperialistischen Mächte, die in der Konkurrenz um die Märkte und Rohstoffe einen größeren Anteil von den USA oder gar Gleichberechtigung mit ihnen fordern.

Was das Forum den Völkern als notwendig zur Lösung ihrer Probleme vorführt, steht nicht im Gegensatz zu den Interessen und den Zwängen des kapitalistischen Systems, und muss deshalb abgelehnt werden, damit die Internationalisierung des Kampfes gegen den Imperialismus einen massiven und stabilen Charakter entwickeln und die Perspektive zum Sozialismus eröffnen kann. Parteitag der KKE, Februar 2005, Athen

Übersetzung aus dem Griechischen: Thanassis Georgiou, Berlin

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Hans Heinz Holz: Richtungskämpfe müssen ausgefochten werden.Zwei Linien in einer Partei?

Über den programmatischen Streit in europäischen kommunistischen Parteien

Gegenwärtig werden die kommunistischen Parteien von heftigen Richtungskämpfen erschüttert. Ob in Italien die Rifondazione Comunista, in Frankreich die Parti Comuniste, in Spanien die kommunistische Linke, in Österreich die Kommunistische Partei oder in Deutschland die DKP – überall finden Auseinandersetzungen um die Programminhalte und Parteilinie statt. Es wäre falsch, hier einfach von Opportunismus und Reformismus einerseits, von Orthodoxie und Dogmatismus andererseits zu sprechen. Vielmehr müssen die Ursachen geklärt werden, aus denen die Richtungsdifferenzen hervorgehen, um die Wiederherstellung der gemeinsamen Grundlagen kommunistischer Politik in Angriff nehmen zu können.

Die Erklärung Otto Bruckners zu seinem Austritt aus der KPÖ ist ein Indiz für die tiefen persönlichen Zerwürfnisse, die sich aus dem Kampf um eine Rekonsolidierung kommunistischer Identität ergeben haben. Richtungskämpfe werden als Machtkämpfe ausgetragen. Machtkämpfe machen sich an Personen fest. Das ist ein organisationssoziologischer Mechanismus, der durchbrochen werden muß. Es geht darum, daß kommunistischen Parteien die Klarheit ihrer revolutionären Programmatik, ihres marxistisch-leninistischen Geschichtsverständnisses in einer defätistischen Reaktion auf die Niederlage abhanden zu kommen droht. Die Reaktion darauf kann nicht sein, die Partei zu verlassen, sondern sie von ihren Wurzeln her zu festigen. Und das schließt den Kampf gegen falsche »Erneuerungs«parolen und gegen eine Reduktion auf eine verschwommene »linke« Emotionalität ein. Darum müssen Richtungskämpfe ausgefochten und dürfen nicht unter einem scheinbaren Einverständnis versteckt werden.

Die Niederlage des Sozialismus in der Sowjetunion hat die kommunistischen Parteien Europas in eine tiefe Krise gestürzt. Ich betone: Europas. Denn kommunistischer Kampfgeist ist in Indien und Lateinamerika, im Nahen Osten und in Südafrika und anderen Gegenden der kapitalistischen Welt ungebrochen. Deren Verbindung mit der nationalen Befreiung aus der Abhängigkeit von den imperialistischen Metropolen bedeutet für die soziale Revolution einen bodenständigen Kraftquell, der Widerstand gegen den Imperialismus hat hier eine zweifache Wurzel.

Anders in Europa. Der Sieg über den Faschismus im Zweiten Weltkrieg, der Aufstieg zur zweiten Weltmacht und zum Träger einer internationalen Politik des Friedens – so prekär er auch immer sein mochte – machte die Sowjetunion zum zentralen Orientierungspunkt der kommunistischen Parteien. Als dieses stabilisierende Zentrum zerbrach, zerfiel auch die identitätsstiftende Einheit der weltpolitischen Zielsetzung.

Ursprünge der Krise

Die außenpolitische Stärke des sozialistischen Gesellschaftssystems hatte manche innere Schwächen verdeckt. Mängel und Stagnationserscheinungen waren als nebensächlich abgetan worden oder verschwanden in der großen welthistorischen Perspektive. Daß mit der sozialistischen Produktionsweise die sich viel langsamer vollziehende Entwicklung sozialistischen Bewußtseins nicht Schritt hielt, blieb in einer technizistisch-ökonomistischen Fortschrittskonzeption oft unbeachtet; der ideologische Klassenkampf erlahmte oder nahm rituelle Formen an, die der Differenziertheit der Probleme nicht gerecht wurden. Das Verändern der Eigentumsverhältnisse hat nicht gleichzeitig den Wandel der Klassenverhältnisse zur Folge, zu denen eben auch das Bewußtsein gehört; beide verlaufen als ungleichmäßiger Prozeß.

Die auf Standards der bürgerlichen Welt ausgerichtete Konsumkonzeption und die moralisierende Verurteilung statt historisch analysierender Kritik der während der Konsolidierungs- und Abwehrphase im Aufbau der Sowjetunion begangenen Verbrechen hatten seit dem XX. Parteitag der

KPdSU eine Unsicherheit in Wertmaßstäben und Selbstbewußtsein der Kommunisten erzeugt, die nicht nur den Widerstand gegen die Gorbatschowsche Konterrevolution lähmte, sondern auch die Infiltration bürgerlicher Ideologie in die westeuropäischen kommunistischen Parteien begünstigte.

Die Ereignisse der Jahre 1989/90 sind nur die letzte Phase dieser Entwicklung gewesen. Phänomene wie der »Euro-Kommunismus«, die Illusionen des »Sozialismus mit menschlichem Antlitz«, die »Erneuerer-Fraktion« in der DKP und ähnliche Erscheinungen in anderen europäischen kommunistischen Parteien gingen voran; ideologische Anfänge reichen bis in die endsechziger Jahre des 20. Jahrhunderts zurück.

In den Ländern des sozialistischen Aufbaus wurden die Gesellschaftswissenschaftler vielfach zu Legitimationsinstrumenten der gerade betriebenen praktischen Politik und verloren die Funktion, in kritischer Auseinandersetzung mit der Realität vorwärts weisende Impulse auszulösen. Damit begab sich auch die Partei ihrer Avantgarderolle, die ja im Aufbau des Sozialismus darin zu bestehen hätte, sowohl einerseits die Stabilität der bestehenden sozialistischen Gesellschaft zu verteidigen, als auch andererseits kritisch über den jeweils erreichten Zustand hinaus auf die nächsten Schritte zum Kommunismus zu drängen. Die Selbsttäuschung, man sei bereits auf der Stufe eines »entwickelten Sozialismus« im Übergang zum Kommunismus mußte Enttäuschungen gegenüber dem tatsächlichen Zustand der Gesellschaft befördern. Die während des Aufbaus des Sozialismus fortbestehenden Klassenstrukturen und darin begründete Einstellungen wurden harmonisierend verdrängt und zeigten sich erst in dem Augenblick, als die sozialistische Gesellschaft gegen die Konterrevolution hätte verteidigt werden müssen.

Weltpolitische Rahmenbedingungen

Die weltpolitische Konstellation begünstigte die gesellschaftspolitische Stagnation und Pragmatik in den sozialistischen Staaten. Umringt von den durch permanente Hochrüstung immer bedrohlicher werdenden imperialistischen Mächten unter der Führung der USA war die Politik der sozialistischen Länder vordringlich auf die Erhaltung des Friedens und die Stärkung der Friedenskräfte ausgerichtet. Das bedeutete auf allen Ebenen die Herstellung breiter Bündnisse über die Klassenfronten hinweg, unter Zurückstellung revolutionärer Ziele der kommunistischen Parteien.

Es gibt keinen Zweifel, daß diese strategische Orientierung richtig war. Angesichts der Gefahr eines Krieges mit atomaren und anderen Massenvernichtungswaffen hatte die Friedenssicherung höchste Priorität. Eine solche Politik erfordert jedoch ein subtiles Auspendeln zwischen der Pragmatik alltäglichen Handelns und dem Festhalten an den Prinzipien revolutionärer Gesellschaftsveränderung. Statt dessen wurde die Politik der friedlichen Koexistenz mehr und mehr zu einem Prozeß der Öffnung für kapitalistische Einflüsse – ökonomische und idologische. Selbstverständlich mußte es auch zu Widersprüchen zwischen nationalen Kampfbedingungen und Klasseninteressen und den weltpolitischen Belangen der Vormacht Sowjetunion kommen, die theoretisch hätten verarbeitet und ausgeglichen werden müssen, statt dessen aber verkleistert wurden. So verblaßte das Bewußtsein von der Universalität des Klassenkampfs und der Einschätzung seiner verschiedenen Fronten und Kampfformen und des Zusammenhangs zwischen ihnen.

Voraussetzungen des Reformismus

Wo kommunistische Parteien stark waren und parlamentarische Mehrheiten in Provinzen und Kommunen erringen konnten (wie z.B. in Italien und Frankreich), wurden sie mehr und mehr in die bürgerliche Staatlichkeit eingebunden; sie waren genötigt, praktische politische Verantwortung im Rahmen eines gesamthaft hochkapitalistischen Systems zu übernehmen und wurden damit praktisch auf die Möglichkeit systeminterner Reformen beschränkt. Wider Willen reduzierte sich dann kommunistische Politik auf den Bereich sozialdemokratischer Strategien und entwickelte auch ihre theoretischen Fragestellungen im Hinblick auf diese zu bewältigenden Aufgaben. Der Abstieg des italienischen PCI von Togliatti bis zu d’Alema belegt diesen Gang der Dinge.

So gab es im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts in den nationalen kommunistischen Parteien Europas mehrere objektiv widersprüchliche Tendenzen, die zu einem Abbau revolutionären Potentials führten und die ideologische Integration förderten: Die relative Unbeweglichkeit der weltpolitischen Blockbildung zweier antagonistischer, aber koexistierender Gesellschaftssysteme; die Rücksichtnahme auf Partner klassenübergreifender Bündnisse im Friedenskampf; das Versanden des Klassenkampfs in den im Aufbau begriffenen sozialistischen Gesellschaften und die damit verbundene Fortdauer bürgerlicher Bewußtseinsinhalte, die auch auf die Ideologiebildung der westlichen Parteien abfärbte; die Konzentration auf (wenigstens vorläufig) reformerische Aktivitäten im Rahmen des bürgerlichen Parlamentarismus, auf den ja auch außerparlamentarische Bewegungen bezogen blieben. Wie auch immer subjektiv die Handelnden ihre Absichten verstanden haben mögen – objektiv vollzog sich eine »Sozialdemokratisierung« der kommunistischen Parteien in der Praxis, während in den Köpfen das revolutionäre Selbstverständnis erhalten blieb. Diese Konsequenz, die im politischen Alltag nicht offen in Erscheinung trat, mußte im Augenblick der Krise ihre Wirkungen zeigen.

Mit der Zerschlagung des sozialistischen Blocks änderte sich die Lage für die kommunistischen Parteien. Die Koordination unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung und Stärkung des sozialistischen Lagers und die Unterordnung nationaler Interessen unter dieses gemeinsame weltpolitische Ziel entfiel. Ihre nationalen Strategien waren aber auf pragmatisches Handeln im Rahmen bürgerlicher Gesellschaften angelegt. Das konnte nicht ohne Folgen für ihre politische Neupositionierung bleiben.

Das sozialistische Ziel

Die Niederlage des Sozialismus in Osteuropa und der vorläufige Sieg des Kapitalismus hatten mit der Schwächung der Arbeiterbewegung einen immensen Restaurationsschub zur Folge. Ausgerichtet auf die bürgerliche Gesellschaft und in ihrer Mitgliederzahl stark geschrumpft, sehen die kommunistischen Parteien heute ihre Aufgabe in der Verteidigung der in den vergangenen Jahren erreichten Reformen zur Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse. Widerstand gegen den rücksichtslosen Sozialabbau, gegen die Weltherrschaftsansprüche des US-Imperialismus, gegen die Formierungsideologie des Neoliberalismus sind die Kampfziele, die die gebliebene Anhängerschaft mobilisieren. So weit, so gut. Aber politische Defensive ist kein positives Ziel. Sie wird, insbesondere aus der Position der Schwäche, der offensiven Ausbeutungsstrategie der herrschenden Klasse immer unterlegen sein und selbst trotz möglicher Zwischenerfolge schließlich eine Niederlage erleiden. Nur im Angriff auf die Wesensverfassung des Kapitals können die Ziele formuliert werden, die in einem langen und opferreichen Kampf mehr und mehr die Massen ergreifen und in Bewegung versetzen.

Ziele benennen eine Zukunft, sie sind Inhalt einer Weltanschauung. Die Weltanschauung, die dem Kapitalismus revolutionäre Ziele entgegensetzt, ist die Theorie von Marx, Engels und Lenin und den auf sie folgenden marxistischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Sie ist der begründete Entwurf einer offensiven Strategie zur Gesellschaftsveränderung. In einer defensiven Haltung kann man wenig mit ihr anfangen; sie bleibt dann ein »Hintergrundrauschen«. An der Ernsthaftigkeit, mit der der Marxismus-Leninismus zum Leitfaden und Inhalt des Handelns gemacht wird, erweist sich die Klarheit kommunistischer Politik. In voller Offenheit und mit aller Radikalität ist sie die Voraussetzung, die verunsicherten und nach Orientierung suchenden Massen zu gewinnen; nicht durch Eingehen auf ihre Unsicherheit, sondern durch kämpferische Darstellung einer Alternative, die sich auf den Schauplätzen des Klassenkampfs bewährt. Das kann für eine Partei eine lange Durststrecke bedeuten, aber ohne Bereitschaft dazu wird sie das System nicht aufbrechen.

Viel Taktik und keine Strategie

Hier scheiden sich die Geister! Wer schon aus den vergangenen Jahren die Einpassung in die Mechanismen des Systems mitbringt, wird in der Niederlage lieber an den vertrauten Mustern festhalten und den scheinbar so hoffnungslosen Sprung in eine offensive Minderheitenstrategie nicht wagen. Auch wenn ich eine andere Position vertrete und sie mit zahlreichen Beispielen aus der Geschichte untermauern könnte, meine ich das nicht als Vorwurf. Es ist durchaus verständlich und ehrenhaft, einen einmal eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. Nur ersetzt der Respekt vor dem ehrlichen Willen nicht die Analyse der Wirklichkeit! Und die zeigt, daß Pragmatik und Anpassung, Defensive und Preisgabe grundsätzlicher Erkenntnisse zum Reformismus führen, in dem die weltgeschichtliche Programmatik des Kommunismus untergeht.

Wer also mit Marx radikal sein will, d. h. an die Wurzeln gehen, um nicht die Symptome, sondern die Ursachen des menschenverachtenden, menschheitsbedrohenden Kapitalismus zu beseitigen, der muß von den Grundkenntnissen des Marxismus-Leninismus ausgehen. Er muß, nicht nur verbal, sondern in der Praxis an der Lehre vom Klassenkampf festhalten, muß seinen Klassenstandpunkt bestimmen und zur Geltung bringen. Er muß die Dialektik der Widersprüche und das Verhältnis von Wesen und Erscheinung begreifen und danach sein Handeln einrichten. Jede kommunistische Bewegung bedarf dieses revolutionären, klassenbewußten, theoriegeschulten Kerns, der sie davor bewahrt, sich in den Opportunitäten der täglich notwendigen Entscheidungen und Kompromisse zu verlieren.

Das ist der grundsätzliche Gegensatz in den Richtungskämpfen, die heute in den kommunistischen Parteien ausgefochten werden. An welchen konkreten Problemen sie sich auch entzünden mögen – Imperialismusfrage, Globalisierung, Sozialismusvorstellungen, Parteiverständnis, Bündnisperspektiven – immer geht es letztlich darum, ob eine defensive und pragmatische oder eine offensive und prinzipienfeste Politik gemacht werden soll.

Kommunistische Identität

Aber sind wir nicht durch die Niederlage des Sozialismus in die Defensive gedrängt? Müssen wir nicht auf eine multimediale Gehirnwäsche Rücksicht nehmen, die den gesamten Versuch, den Sozialismus aufzubauen, als eine Summe von Fehlern und Verbrechen darstellt? Ist der Sozialismus nicht wirklich an seinen Mängeln gescheitert? Müssen wir nicht liebgewordene Vorstellungen aus der Vergangenheit revidieren? Natürlich sind diese Fragen berechtigt. Aber wer so fragt, will Antworten, ehe er die Sache begriffen hat. Die Sache ist: Es gab den Sieg der Oktoberrevolution und den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft unter den schwierigsten Bedingungen der ökonomischen und politischen Unreife, der aggressiven Einkreisung, der konterrevolutionären Klassenkämpfe. Es gab den Aufstieg dieser Gesellschaft zur zweiten Weltmacht, den Sieg über den deutschen Faschismus. Es gab eine grandiose soziale Besserstellung und kulturelle Bildung der Massen. Die Sache ist auch: Dieser Weg forderte ungeheure Opfer. Auf ihm wurden auch Verbrechen begangen, die nicht hingenommen und gerechtfertigt werden dürfen. Es gab schließlich eine bürokratische Erstarrung, die die Initiative der Menschen lähmte und die Weiterentwicklung zum Erliegen brachte.

Kommunisten brauchen sich dieser Epoche nicht zu schämen. Ihre Aufgabe ist zu erklären, wie aus den Widersprüchen, unter denen das Positive geleistet wurde, das Negative entsprang. Sie müssen die Dialektik der Geschichte begreifen. Nur so kann für die Zukunft gelernt werden, was getan werden muß und was zu vermeiden ist. Die Entwicklung der Menschheit verläuft nicht in der Harmonie des Ideals, »hart im Raume stoßen sich die Sachen« (Schiller). Wer die Geschichte moralisierend betrachtet, bezieht den kleinbürgerlichen Ort des Lehnstuhls hinter dem Ofen. Auch das ist ein Aspekt des Richtungsstreits in den kommunistischen Parteien.

Wir haben nicht nur die politische Schlacht um den Sozialismus verloren, sondern auch die weltanschauliche um unser Geschichtsverständnis. Das theoretische Instrument der materialistischen Dialektik ist uns entglitten. Kleinbürgerliche Ideologie ist in den wissenschaftlichen Sozialismus eingesickert. Gegen die eine wie die andere Niederlage gilt es, offensiv den Kampf aufzunehmen und das heißt auch: Die Identität der kommunistischen Bewegung in ihrer Gesamtheit zu bewahren. Das ist die richtige Richtung, und darum sind die gegenwärtigen Richtungskämpfe ein notwendiger Klärungs- und Reinigungsprozeß, dessen es bedarf, um dem Ziel des Sozialismus wieder ein solides organisatorisches Fundament zu geben. junge Welt, 8./9. 1. 2005; 

Hans Heinz Holz, S. Abbondio

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Hans Heinz Holz: Es gilt, die Einheit der Gegensätze herzustellen

Antwort auf Repliken zum Artikel »Richtungskämpfe müssen ausgefochten werden«, junge Welt, 20.01.2005 Visualisierung wirkt heute nachdrücklicher als Verbalisierung. Die redaktionelle Bildbeigabe zu meiner Analyse der in den kommunistischen Parteien Europas bestehenden Richtungsgegensätzen hat offenbar mehr Erregung hervorgerufen als die Analyse selbst. Eine Zeitung hat natürlich ein berechtigtes Interesse, das Allgemeine auf das besondere Aktuelle zu beziehen. Wenn aber bei Lesern der Eindruck entstanden ist, es gehe in der DKP um einen Streit zwischen Personen, so möchte ich das korrigieren. Ich wollte zeigen, daß es aus historischen Gründen in der gegenwärtigen Phase der Neuformierung weltpolitischer Fronten zwei Tendenzen im Kampf gegen den Imperialismus gibt; daß diese Tendenzen einen objektiven Widerspruch der Situation widerspiegeln; und daß es für die kommunistische Bewegung verhängnisvoll wäre, wenn nicht beide Tendenzen zusammen das Bewußtsein und die Handlungsbreite kommunistischer Parteien bestimmen: defensiv bis reformerisch (nicht reformistisch!) und offensiv bis revolutionär. Die Dominanz der einen Richtung würde zu einer »Sozialdemokratisierung« führen, die Dominanz der anderen Richtung geriete in die Gefahr eines abenteuerlichen Linksradikalismus. Dialektik ist das Aushalten und Fruchtbarmachen dieses Widerspruchs. Natürlich wird sich dies in Personen manifestieren, die die unterschiedlichen Positionen vertreten – aber auf dem Boden der Einheit der Partei und des gegenseitigen Respekts. Niemand kann den Anspruch erheben, die alleinige Wahrheit zu besitzen. Als Wissenschaftler halte ich es mit der relativen Wahrheit im Sinne von Lenins Erkenntnistheorie, dies jedoch mit der Genauigkeit des Begriffs, gegen pluralistische Beliebigkeit und postmodernen Firlefanz.

Argumente gefragt

In der Tat haben Heinz Stehr und ich in einigen grundsätzlichen Fragen verschiedene Auffassungen – z.B. über das Verständnis der Avantgarde-Rolle der Partei, über die Vorstellungen von einem zukünftigen Sozialismus, über die Ursachen der Niederlage von 1989. Aber nicht darum ging es mir’ und ich habe mich bisher auch jeder publizistischen Polemik enthalten, Argumente und nicht Anwürfe müssen ausgetauscht werden. Durch prononciert einseitige Stellungnahmen hat Heinz sich in die Schußlinie kritischer Genossen gebracht. Das ist nicht gut, in der Funktion eines Parteivorsitzenden liegt die Aufgabe der Integration, nicht der Polarisierung. Ich fürchte nicht, wie Robert Steigerwald meint, daß die Partei in Richtung auf Reformismus abdriftet; nach einigen hundert Parteiveranstaltungen in den letzten Jahren glaube ich, die Basis der DKP gut genug zu kennen, um diesem Defätismus nicht zu verfallen. Aber ich bemerke mit Besorgnis, daß die begriffliche Klarheit und politische Eindeutigkeit in den Verlautbarungen der Parteiführung zu verschwimmen droht, und ich messe mit Robert und vielen anderen Genossen der ideologischen Arbeit erstrangige Bedeutung für die Stabilität und Handlungsfähigkelt der Partei bei.

Richtig ist der Hinweis von Pierette, daß in der Analyse auch die veränderte Klassensituation hätte berücksichtigt werden müssen (was ja auch bei Robert anklingt). In den Metropolen des Imperialismus konnte das Kapital unter dem Druck der Systemkonkurrenz mit dem Sozialismus die Arbeiterklasse durch spürbare soziale Zugeständnisse in dem Glauben wiegen, eine reformistische Politik werde den Kapitalismus entschärfen. Zudem veränderte die Verschiebung im Gewicht von Produktions- und Dienstleistungssektor die Bewußtseinslage der Lohnabhängigen — und Klassenbewußtsein gehört nun einmal zur Konstitution einer »Klasse für sich«. Aber der grundlegende Gegensatz zwischen Lohnarbeit und Kapital ist damit nicht aufgehoben, und der aus der Akkumulation des Kapitals entspringende Selbstwiderspruch der kapitalistischen Gesellschaft bleibt deren Bewegungsform. Das bedeutet, daß marxistische Theorie die soziologische Veränderung der Klassenverhältnisse im Rahmen der Konstanz des Klassenkampfes analysieren muß. Und nur wenn sie diese ihre Erkenntnisse in das gemeinsame Handeln mit Bündnispartnern in den Protestbewegungen einbringt, erweist sich eine kommunistische Partei eben als kommunistische. Das gilt für alle europäischen Länder und vor allem für jene Kommunisten, die nach einer Regierungsbeteiligung schielen.

Wir leben in einer Phase weltpolitischer Transformationen und Übergänge. Daß dabei Einschätzungsdifferenzen auftreten, die zu unterschiedlichen Strategien führen, versteht sich von selbst. Der Streit darum ist ein Zeichen für die Lebendigkeit der Partei, er sollte deshalb auch lebhaft geführt werden. Ich fürchte allerdings, daß es manchen an der Bereitschaft fehlt, die Positionen zusammenzuführen und die »Einheit der Gegensätze« (Lenin) herzustellen. Einseitigkeiten durchsetzen zu wollen, müßte die Partei zerreißen und lähmen. Vor dieser Gefahr wollte ich warnen, indem ich über ihre Ursprünge nachdachte. Die offene Diskussion darüber kann nur nützen, sie muß zum Stil kommunistischer Selbstverständigung gehören. junge Welt, 20. 1. 2005, 

Hans Heinz Holz, S. Abbondio

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Michael Opperskalski: Wider die „Kritik auf den Knien"

Einige Thesen zur derzeitigen Strategiedebatte in der kommunistischen Bewegung

 

„Am gefährlichsten sind in dieser Hinsicht Leute, die nicht verstehen wollen, dass der Kampf gegen den Imperialismus eine hohle, verlogene Phrase ist, wenn er nicht unlöslich verknüpft ist mit dem Kampf gegen den Opportunismus" (W.I.Lenin)

„Die Geschichte der Partei lehrt ferner, dass die Partei der Arbeiterklasse ohne unversöhnlichen Kampf gegen die Opportunisten in ihren eigenen Reihen, ohne Vernichtung der Kapitulanten in ihrer eigenen Mitte die Einheit und Disziplin ihrer Reihen nicht aufrechterhalten, ihre Rolle als Organisator und Führer der proletarischen Revolution, ihre Rolle als Erbauer einer neuen, der sozialistischen Gesellschaft nicht erfüllen kann." (Geschichte der KPdSU (Bolschewiki) – Kurzer Lehrgang)

 

Analysiert man die Grundtendenz der derzeitigen Diskussionen und Veränderungsprozessen in der internationalen kommunistischen Bewegung, samt ihrer Entsprechungen auf nationaler Ebene, dann zeichnet sich eine neue Stufe der Entwicklung seit dem – zeitweiligen – Sieg der Konterrevolution in den sozialistischen Ländern, insbesondere der Sowjetunion, ab.

Die Basis für die erfolgreiche Konterrevolution war das Eindringen sowie der nicht widerspruchsfreie und sich in unterschiedlichen Tempi in der internationalen kommunistischen Bewegung verbreitende Revisionismus.

Das Jahr 1956 wurde zum Wendepunkt hinsichtlich der Rolle und der Entwicklung des Revisionismus innerhalb der internationalen kommunistischen Bewegung. Mit dem XX. Parteitag der KPdSU, seinen Thesen und Orientierungen begann der verhängnisvolle Entwicklungsweg der internationalen kommunistischen Bewegungen sowie ihrer „nationalen Abteilungen", der sich zunächst in der Spaltung derselben manifestierte. Vor allem die chinesischen Genossen waren nicht bereit gewesen, dem Positionswechsel der KPdSU kritiklos zu folgen. Ihnen schlossen sich schließlich weitere Parteien oder Genossen aus anderen Parteien an. Die Inhalte dieser Auseinandersetzungen wurden bereits in der „offen-siv" verschiedentlich und ausführlich dokumentiert.

Die Kernpunkte des Positionswechsel der sowjetischen Kommunisten, der sich mit entsprechenden Konsequenzen auch in der gesamten kommunistischen Weltbewegung – natürlich widersprüchlich und in unterschiedlicher „Tiefe" – um- und durchsetzte, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Mit der Einleitung der so genannten „Entstalinisierung" wurden wesentliche Elemente und Erfolge sowie die Geschichte und Traditionen des Aufbaus des Sozialismus in der Sowjetunion entweder in Frage gestellt oder in einzelnen Aspekten gar gänzlich negiert;

b) Mit der Zurückweisung der marxistisch-leninistischen Position, dass sich der Klassenkampf auch im Sozialismus (natürlich unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen) fortsetzt und sogar verschärft, wurden dem Eindringen kleinbürgerlicher, revisionistischer, sogar konterrevolutionärer Positionen in die KPdSU Tür und Tor geöffnet;

c) Mit der Annahme der These von der kommunistischen Partei als „Partei des gesamten Volkes" wurde diese dem Klassencharakter sowie der daraus folgenden Avantgarderolle beraubt;

d) Die These vom „friedlichen Übergang zum Sozialismus" als Haupttendenz des Kampfes für den Sozialismus entkleidete die kommunistische Bewegung eines wesentlichen Grundpfeilers ihres revolutionären Charakters.

Die griechischen Genossen der KKE haben Orientierungen und Konsequenzen des XX. Parteitages der KPdSU sehr zutreffend beschrieben: „Das bedeutendste Ereignis war, dass der XX. Parteitag die – in der damaligen historischen Situation richtige – Position verwarf, dass sich vor allem der Klassenkampf verschärfte. (...) Theoretische Ansichten wurden kultiviert oder Optionen bevorzugt, die eine Abweichung von unserer Theorie, eine Verletzung ihrer grundlegenden Prinzipien bedeuteten. Die Kampffront gegen den Imperialismus und Revisionismus wurde geschwächt. In einigen Fällen wurden falsche Theorien angenommen, die nichts mit der Realität zu tun hatten oder schlicht Fragen des Aufbaus des Sozialismus simplifizierten, so z.B. die Theorien, die einen raschen Übergang zum entwickelten Sozialismus und Kommunismus verlangten und so den komplexen und langfristigen Charakter der Übergangsperiode (siehe XX. Parteitag) unterschätzten, Theorien über den ‚Staat des gesamten Volkes’, der ‚Partei des gesamten Volkes’ und der ‚Demokratie des gesamten Volkes’.

Die vom XX. Parteitag beschlossenen Orientierungen auf eine ‚Vielfalt von Übergangsformen in verschiedenen Ländern unter bestimmten Bedingungen zum Sozialismus’ wurden von den Führungen kommunistischer Parteien als theoretisches Fundament für eine Offensive gegen die wissenschaftliche Theorie des Sozialismus benutzt. Im Namen von nationalen Besonderheiten und Eigenheiten wurden die unveränderlichen Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution einer Revision unterzogen. Sichtweisen wurden entwickelt, nach denen durch strukturelle Reformen und eine ‚Politik der Demokratie’ ein kapitalistisches in ein sozialistisches System transformiert werden könne, ohne dass ein revolutionärer Bruch notwendig sein."

Auswirkung der Konterrevolution auf die kommunistische Bewegung

Der Revisionismus war nicht nur die notwendige Grundlage für die Konterrevolution in den sozialistischen Ländern, er schuf zudem die Voraussetzungen für eine massive Schwächung und teilweise Zerschlagung der internationalen kommunistischen Bewegung. Seither haben sich im wesentlichen drei Grundtendenzen der Entwicklung der Kommunisten herausgeschält:

1) nicht wenige Parteien, vor allem im ehemals sozialistischen Lager, haben sich ganz offiziell aufgelöst (z.B. in Polen, Rumänien). Andere haben sich in offen sozialdemokratische Formationen verwandelt, was in Einzelfällen nicht ausschließen muss, dass in ihnen nach wie vor Strukturen und/oder einzelne Mitglieder zu finden sind, die ein kommunistisches Selbstverständnis artikulieren und/oder sich zumindest in kommunistischer Tradition fühlen. Diese Parteien haben damit sozusagen das Endstadium des Revisionismus erreicht: die organisatorische und/oder politisch-ideologische Tilgung des Marxismus-Leninismus;

2) andere Parteien befinden sich noch auf einem revisionistischem Entwicklungsweg (in der BRD die DKP). Das jeweilige Entwicklungsstadium muss sehr differenziert analysiert und bezüglich jeder einzelnen Partei oder Formation gesondert betrachtet werden. Ihnen allen gemeinsam ist es jedoch, dass ihre Führungen mehrheitlich, dominant oder geschlossen revisionistisch sind;

3) eine Minderheit von Parteien hat, teilweise noch sehr widersprüchlich und ebenfalls in unterschiedlicher Konsequenz, eine Korrektur revisionistischer Positionen vorgenommen und einen eindeutig marxistisch-leninistischen Entwicklungsweg eingeschlagen. Zu den herausragendsten und dynamischsten Kommunistischen Parteien, die in Europa auf marxistisch-leninistischen Positionen kämpfen, zählen vor allem die griechische KKE, aber auch die schwedische KPML, die portugiesische PCP oder die belgische PTB.

Auf die Entwicklung vormals „maoistischer" Parteien (seien sie ehemals auf die KP Chinas oder die Partei der Arbeit Albaniens orientiert gewesen) kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Manche von ihnen spielen jedoch eine offen konterrevolutionäre Rolle (so die so genannte MLPD in der BRD oder die so genannte PCP/"Sendero Luminoso" in Peru).

Zwar gibt es inzwischen eine Reihe von regelmäßigen oder auf einzelne Anlässe bezogene internationale Treffen kommunistischer und Arbeiterparteien, ihre Struktur, Ablauf, Orientierung und Positionierungen wiederspiegeln jedoch den oben skizzierten, in unterschiedliche Tendenzen zerfallenden Charakter dessen, was von der einst mächtigen internationalen kommunistischen Bewegung übrig geblieben ist.

Die Widersprüche spitzen sich zu

Die seit dem – zeitweiligen – Sieg der Konterrevolution in den sozialistischen Ländern vorherrschende so genannte „Neue Weltordnung" hat die Barbarei des imperialistischen Weltsystems auf allen Ebenen eskalieren lassen. Zwar ist der US-Imperialismus noch militärisch und ökonomisch dominant, aber ihm erwachsen mit deutlich erkennbarer Geschwindigkeit mächtige imperialistische Konkurrenten, vor allem Europa, in dem der BRD-Imperialismus eine herausragende Rolle nicht nur hinsichtlich seiner politischen und ökonomischen Stellung, sondern vor allem auch hinsichtlich seiner Aggressivität spielt. In diesem Sinne formieren die herrschenden Klassen ihre imperialistischen Gesellschaften, machen sie sozusagen „fit" für die langsam, aber wahrnehmbar eskalierende innerimperialistische Konkurrenz; Stichworte hierfür sind massiver Sozialabbau, die Vernichtung hart erkämpfter sozialer und gewerkschaftlicher Rechte insbesondere der Arbeiterklasse, der rasante Abbau demokratischer Rechte bis hin zu Faschisierung (siehe USA) und damit der in Konsequenz verbundene Auf- und Ausbau der Repressionsorgane, die organisierte Entwicklung extrem nationalistischer, chauvinistischer, sogar offen faschistischer Kräfte.

Im Rahmen der so genannten „Neuen Weltordnung" wurde der Krieg wieder zu einem Mittel der Durchsetzung von Politik im Zusammenhang mit imperialistischen ökonomischen wie geostrategischen Interessen. Die Kriege gegen Jugoslawien, den Irak und der drohende gegen den Iran seien hier wirklich nur als Stichworte angerissen. Diese Kriege haben jedoch auch blutig belegt, dass die innerimperialistischen Widersprüche anwachsen, aus der Konkurrenz der imperialistischen Mächte zunehmend eine immer härter und schärfer geführte Auseinandersetzung unter ihnen wird. Kurzum: die Kriegsgefahr wächst, auch unter den imperialistischen Mächten.

Diese sich zuspitzenden Bedingungen imperialistischer Barbarei, anhaltender Konterrevolution sowie die insgesamt noch viel zu unterentwickelten Klassenkämpfen sowie Kämpfe um nationale Befreiung und antiimperialistische Orientierung beeinflussen natürlich insbesondere die unterschiedlichen Entwicklungstendenzen innerhalb dessen, was der Revisionismus von der kommunistischen Bewegung übrig gelassen hat. Hiervon sind alle noch existierenden ideologisch-politischen Strömungen sowie Parteien und andere organisatorische Strukturen betroffen. Dies bedeutet, dass zurzeit folgende Tendenzen zu beobachten sind:

1) innerhalb der Parteien und Organisationen, die sich – widersprüchlich und mit unterschiedlichem Tempo – auf dem revisionistischen Entwicklungsweg befinden, spitzen sich die Widersprüche zum Teil dramatisch zu (Beispiel: Österreich) oder aber sind nicht mehr zu übertünchen und manifestieren sich inzwischen in konkret geführten öffentlichen Debatten, die über den organisatorischen Rand der betroffenen Partei hinausgehen (Beispiel: BRD/DKP). Hierbei ist zu beobachten, dass die Kritik an den jeweiligen revisionistischen Parteiführungen inzwischen nicht mehr nur von marxistisch-leninistischen Kräften innerhalb der betroffenen Organisationen vorgetragen wird. Auch dies ist ein sehr lebendiger Beleg für den fortschreitenden politisch-ideologischen wie organisatorischen Zerfallsprozess des Revisionismus;

2) die Konsolidierung der Parteien (z.B. KKE), die ihre Politik auf Basis des Marxismus-Leninismus entwickelt und umsetzen, nimmt immer klarere Züge an. Sie werden damit, obwohl sie sich insgesamt noch in der Minderheit befinden, zu einem kommunistischen Pol nicht nur für die zu erkämpfende Reorganisation der kommunistischen Bewegung, sondern besonders auch für den weltweiten Aufbau einer breiten, demokratischen, antiimperialistischen Front. Gerade die in diesem Heft der „offen-siv" abgedruckten Texte der griechischen KKE sind ein lebendiges, spannendes Zeugnis davon!

„Kritik auf den Knien"

Teil der von mir skizzierten, sich zuspitzenden Widersprüche ist die immer vernehmbarer werdende „Kritik auf Knien" innerhalb der sich auf dem revisionistischen Entwicklungsweg befindlichen Parteien. Dies ist aus meiner Sicht ein Beleg sowohl für die zunehmende ideologisch-politische, organisatorische Schwäche der revisionistischen Kräfte (selbst wenn sie in ihren Parteien und Organisationen noch dominant sind), aber auch der Marxisten-Leninisten.

Als Beispiel für eine solche „Kritik auf Knien" können die Positionen genommen werden, die Genosse Hans Heinz Holz in der „jungen welt" am 8. Januar 2005 („Richtungskämpfe müssen ausgefochten werden") und am 20. Januar 2005 („Es gilt, die Einheit der Gegensätze herzustellen") entwickelt hat.

Beide Aufsätze enthalten einiges Richtiges, vieles Ungenaues, manches Falsches. Zunächst einmal muss die Forderung des Genossen Holz, dass Richtungskämpfe ausgefochten werden müssen, vorbehaltlos unterstützt werden, zumal die Verkleisterung derselben auch kaum mehr durchzuhalten ist angesichts der fortschreitenden Barbarei des Imperialismus. Daher hat der entsprechende Titel des ersten Textes von Genossen Holz in der „jungen welt" bei nicht wenigen Genossinnen und Genossen Unterstützung, ja Hoffnung geweckt.

Doch welche Konsequenzen sieht Genosse Holz aus der von ihm erhobenen Forderung und den damit erweckten Erwatungen?

Er beschreibt die internationale kommunistische Bewegung in ihrer massiven Krise und Zerrissenheit. Das ist durchaus richtig. Doch schon bei dieser Beschreibung schleichen sich Ungenauigkeiten und Fehler in seinen Aufsatz. Er baut einen Widerspruch zwischen den kommunistischen Parteien Europas (die sich alle noch nach „der Niederlage des Sozialismus in der Sowjetunion" in einer „tiefe(n) Krise" befänden und jenen aus dem Trikont ( wobei er folgende Länder und Regionen besonders hervorhebt: „Indien und Lateinamerika, im Nahen Osten und in Südafrika", wo der „kommunistische Kampfgeist (…) noch ungebrochen" sei. Konkrete Beispiele nennt er nicht. Damit wird das Bild, das Genosse Holz vom derzeitigen Zustand der internationalen kommunistischen Bewegung zeichnet, in einer Mischung aus Ungenauigkeit und Fehlerhaftigkeit gezeichnet.

Zum einen gibt es sehr wohl in Europa kommunistische Parteien, deren „Kampfgeist ungebrochen" ist. Dies sind vor allem die griechischen Genossen der KKE, die portugiesischen Genossen der PCP, die schwedischen Genossen der KPML oder die belgischen Genossen der PTB. Was diese Parteien – bei manchen Unterschiedlichkeit in einigen Positionen – eint, ist die Tatsache, dass sie ein festes marxistisch-leninistisches Fundament besitzen, das sie sich zum Teil in härtesten Kämpfen mit revisionistischen Kräften bewahrt, erneuert oder zurückerkämpft haben.

Und wenn Genosse Holz nebulös Indien als Hort des Kampfgeistes erwähnt, wen meint er dann? Die Immer-noch-Gorbatschow-Fans der KP Indiens oder zum Beispiel die Genossen des SUCI (wahrscheinlich wohl eher nicht)? Und ist eine Partei, die wie in Südafrika (vom Genossen Holz besonders hervorgehoben) nahezu jeden neoliberalen Winkelzug der Regierung, der auf Kosten der Arbeiterklasse geht, unterstützt oder in Zimbabwe offen auf Seiten der konterrevolutionären Opposition zur ZANU-PF steht, die sich bereits vor Jahren parteioffiziell von wesentlichen Grundpositionen des Marxismus-Leninismus sowie den Traditionen der internationalen kommunistischen Bewegung verabschiedet hat, wirklich als „Kraftquell" zu bezeichnen? Im Nahen Osten spielen Kommunisten nur eine Rolle am Rande der Entwicklungen sowie der immer schärfer werdenden antiimperialistischen Kämpfe. Im Irak ist die Führung der dortigen so genannten „Irakischen Kommunistischen Partei" zu billigen Kollaborateuren mit dem US-Imperialismus verkommen. Leider gibt uns Genosse Holz jedoch kein Instrument zur Hand, mit dessen Hilfe wir in der Lage wären, kommunistische „Kraftquellen" im Nahen Osten zu orten.

Weitere Aspekte

Es gibt noch eine Reihe weiterer Aspekte in den beiden genannten Aufsätzen des Genossen Holz, die entweder unklar, nebulös, falsch oder eine Mischung aus allem sind. Erwähnen möchte ich nur am Rande, dass er sich mit den Beschreibungen kommunistischer Traditionen, Fehlentwicklungen, Problemen unter dem Zwischenüberschriften „Ursprünge der Krise" oder „Kommunistische Identität" nicht nur auf der Ebene von Oberflächlichkeit bewegt, sondern viel mehr Fragen und Probleme in einer Art und Weise „bedient" (Beispiel:„Dieser Weg forderte ungeheure Opfer. Auf ihm wurden auch Verbrechen begangen …"), die auf einer „schiefen Ebene" an revisionistische Positionen anstoßen.

Bei allen Fragen, die beide Aufsätze aufwerfen, bei allem Richtigen, das zu unterschreiben wäre, bei allem Falschen oder Ungenauen, über das diskutiert werden müsste - dennoch ist ein roter Faden erkennbar, der sich durch beide Aufsätze (wie auch andere Veröffentlichungen) des Genossen Holz zieht und der typisch für jene lauter vernehmbare Position ist, die ich mit „Kritik auf Knien" bezeichnen würde.

Genosse Holz drückt sich vor einer entscheidenden Positionierung: der Rolle des Revisionismus in der kommunistischen Bewegung – seine historischen Konsequenzen bis hin zu seinem aktuellen Einfluss. Mehr noch: Revisionismus im klassischen Sinne vermag er anscheinend nicht zu erkennen („Es wäre falsch, hier einfach von Opportunismus und Reformismus einerseits, von Orthodoxie und Dogmatismus andererseits zu sprechen."). Genosse Holz sowie alle jene, die ihre „Kritik auf Knien" vortragen, können und wollen natürlich ihre Augen nicht vor der Tatsache der sich verschärfenden Widersprüche innerhalb vieler kommunistischer Parteien als Ausdruck der sich verschärfenden Widersprüche des Imperialismus verschließen. Im Gegenteil, sie kritisieren in vielen Fragen grundsätzlich die Positionen revisionistischer Parteiführungen und/oder Ideologen. Sie streiten aus ihrer Sicht für eine wirklich revolutionäre Alternative zur Barbarei des Imperialismus, für einen revolutionären Bruch mit diesem System. Sie erfüllt es mit Stolz, in der kämpferischen Tradition der kommunistischen Bewegung zu stehen. Sie positionieren sich daher im Prinzip positiv zum realen Sozialismus, insbesondere der Sowjetunion und DDR.

Sie sehen jedoch nicht die verheerende Rolle, die der Revisionismus in der kommunistischen Bewegung als Grundvoraussetzung für Spaltung, Konterrevolution, Schwächung, Zerschlagung oder Transformierung zur Sozialdemokratie gespielt hat und noch spielt. Sie sehen (noch) nicht die Zurückdrängung und letztliche Zerschlagung des Revisionismus als notwendig für den Wiederaufbau einer kommunistischen Bewegung, die fest auf den Positionen des Marxismus-Leninismus steht.

Im Gegenteil, Genosse Holz beschwört die „Einheit der Gegensätze": „Ich wollte zeigen, dass es aus historischen Gründen in der gegenwärtigen Phase der Neuformierung weltpolitischer Fronten zwei Tendenzen im Kampf gegen den Imperialismus gibt: dass diese Tendenzen einen objektiven Widerspruch der Situation widerspiegeln; und dass es für die kommunistische Bewegung verhängnisvoll wäre, wenn nicht beide Tendenzen zusammen das Bewusstsein und die Handlungsbreite kommunistischer Parteien bestimmen: defensiv bis reformerisch (nicht reformistisch!) und offensiv bis revolutionär. Die Dominanz der einen Richtung würde zu einer ‚Sozialdemokratisierung’ führen, die Dominanz der anderen Richtung geriete in die Gefahr eines abenteuerlichen Linksradikalismus." Welch ein Drahtseilakt, den Genosse Holz mit vielen Worten, in vielen Bildern, manchmal nebulös durchzuhalten sucht, nur um nicht mit allen Konsequenzen über die Rolle und Funktion des Revisionismus in der kommunistischen Bewegung zu sprechen oder sich klar und eindeutig positionieren zu müssen (dabei weiß er sehr gut den Klasseninhalt des Revisionismus einzuschätzen, sonst würde je ja nicht, wie das Zitat belegt,vor einer „Sozialdemokratisierung" der kommunistischen Bewegung bzw. ihrer Partei warnen, falls von ihm als „defensiv bis reformerisch" beschriebene Kräfte die absolute Dominanz hätten)!

Die oben skizzierte Position der „Einheit der Gegensätze" des Genossen Holz ist jedoch nicht neu: „In vielen Einzelfragen mag es und wird es unterschiedliche Vorstellungen bei Genossinnen und Genossen geben. Sie verdienen Beachtung und Respekt. (…) Der Ausdruck unserer politischen und weltanschaulichen Einheit ist das Programm, das sich die Partei gibt. Darum ist es richtig, dass um die Inhalte des Programms mit höchstem Ernst gerungen wird. (…) Wo Differenzen auftauchen, müssen diese in gegenseitiger Achtung und ohne Rechthaberei ausgetragen werden. (…) Es gibt keine Alternative zur Partei." An anderer Stelle wurde Genosse Holz in dieser Hinsicht jedoch noch deutlicher: „Unleugbar ist, dass unter Kommunisten heute konzeptionelle Differenzen bestehen, die auch in kontroversen Publikationen zutage treten. Nicht ideologische Abstempelungen und Verdammungsurteile schaffen diese Situation aus der Welt, sondern nur eine konsequente und solide theoretische Arbeit, die sich mit der Praxis des Klassenkampfes vermittelt. Damit muss die Einheit aller kommunistisch Denkenden das Ziel sein; Zersplitterung der Kommunisten nutzt nur der herrschenden Klasse. Eine polemische Kritik von ‚links’ schwächt den ohnehin schwierigen Konsolidierungsprozess der kommunistischen Partei, der DKP, die die Kerntruppe der ‚Linken’ in Deutschland bildet. Wie wir aus der Geschichte der Arbeiterbewegung wissen, haben antikommunistische Geheimdienste sich dies immer wieder zunutze gemacht."

Genosse Holz und alle, die ihre „Kritik auf Knien" vortragen, haben es jedoch bisher versäumt, zu erklären, wie eine faktische Einheit von Revisionismus und Marxismus-Leninismus in einer Partei dauerhaft „funktionieren" soll, ohne dass diese Partei ihren revolutionären Charakter verliert. Auch ist mir kein geschichtliches Beispiel bekannt, wo dies in etwa über einen längen Zeitraum „funktioniert" hätte. Die Geschichte der PDS sei hier nur als letzte Katastrophe in dieser Hinsicht genannt.

Und: die Identität der Kommunisten ist unmittelbar mit dem Kampf gegen den Revisionismus und jegliche Formen des Opportunismus in der Arbeiterbewegung (wie auch in den eigenen Reihen) verbunden. Ja, die Gründung der Kommunistischen Parteien als eigenständige revolutionäre Formation der Arbeiterbewegung wäre ohne diese permanente Auseinandersetzung überhaupt nicht erklärlich (und historisch notwendig gewesen). Anders formuliert: ohne diese Auseinandersetzung, verknüpft mit der Verteidigung der Grundprinzipien des Marxismus-Leninismus, ist die Existenz von kommunistischen Parteien objektiv überflüssig, ihre Existenzberechtigung stirbt förmlich ab... 

Michael Opperskalski, Köln

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Frank Flegel: Der 17. Parteitag der DKP

„Etwas besseres konnte uns nicht passieren" (Heinz Stehr)

Bei der Betrachtung des 17. Parteitages der DKP in Duisburg will ich hier das Augenmerk vor allem auf Gesichtspunkte der strategischen Orientierung und der programmatischen Zielsetzung der Partei lenken. Insofern stellt der folgende Artikel keine vollständige, sondern eine thematisch orientierte Analyse des Parteitages dar.

Bericht vom Parteitag

Die erste wichtige Weichenstellung wurde recht bald am Anfang des Parteitages vollzogen: die Kritiker der Vorstandslinie, die ja besagte, auf die Programmdiskussion zu verzichten und stattdessen eine Politische Erklärung (vorgeschlagen vom Parteivorstand) anzunehmen, versuchten, wenigstens eine Aussprache über die Programmdebatte auf die Tagesordnung zu bringen. Die Abstimmung darüber verloren sie mit rund 30% der Delegiertenstimmen gegen 70%, die der Vorstandslinie, keine Debatte zu führen, den Vorzug gaben. Das Aufatmen der Führung und der Frust bei den Kritikern waren fast körperlich spürbar.

Danach gab es eine relativ breite Generaldebatte, in der viel über die praktische Arbeit berichtet wurde. In dieser Debatte gingen einzelne Beiträge auch immer wieder auf die inhaltlichen und programmatischen Probleme der DKP ein – je nach Richtung entweder mit den Argumentationsmustern, dass man keine lähmende Debatte brauche, dass die praktische Arbeit vor Ort genug Kräfte aufzehre usw. einerseits, oder dass man für die praktische Arbeit klare programmatische Zielsetzungen benötige, dass die Partei die Selbstverständigung brauche usw. andererseits. Als Beispiel für die Argumentation der „Parteilinken" will ich hier den Redebeitrag von Hans Heinz Holz einfügen.

Hans Heinz Holz: Diskussionsbeitrag zum 17. DKP-Parteitag

„Liebe Genossinnen und Genossen. Wir müssen uns Rechenschaft darüber ablegen, dass die Kommunistische Bewegung überall in der Welt in einer komplizierten Lage ist. Die imperialistischen Mächte setzen alles daran, ihre Herrschaft in der Ganzen Welt zu sichern und dem Kapital maximale Ausbeutungschancen zu verschaffen. Angesichts des Wachstums von Staaten wie China oder Indien, die heute mehr als 1/3 der Weltbevölkerung stellen, angesichts des zunehmenden sozialen und nationalen Widerstands gegen die US-Dominanz in Lateinamerika, aber auch in anderen Teilen der Welt, wächst die Aggressivität des US-Imperialismus und wachsen auch die Verteilungskämpfe um Weltmarktanteile und Rohstoffe zwischen den imperialistischen Metropolen. Das Kapital rafft alle seine Kräfte in diesen Kämpfen zusammen, um den preis eines rücksichtslosen Abbaus sozialer Errungenschaften der Arbeiterbewegung.

Die Zeit, in der man die Illusion von Sozialpartnerschaft verbreitete, ist vorbei; der Kapitalismus zeigt wieder sein ungeschminktes Gesicht. Und wissend, dass er sein krisengeschütteltes Überleben nur durch Unterdrückung der Massen sichern kann, zerschlägt er die Garantien der bürgerlichen Demokratie, die doch die Koexistenz antagonistischer Klassen im politischen Alltag ermöglichen sollen; ein autoritär-faschistoides Repressions-instrumentarium wird ausgebaut.

Dieser aus einer Wurzel kommenden dreifachen Bedrohung durch imperialistische Machtpolitik, soziale Verkümmerung und Zerstörung der bürgerlichen Demokratie treten Kommunisten entgegen. Eine tiefgehende Verunsicherung und Beunruhigung hat die Massen ergriffen. Protestbewegungen verschiedenen Ursprungs sind entstanden, aber der Protest richtet sich vor allem gegen die Symptome, nicht gegen die Ursachen der Gefahr. Wir Kommunisten haben in den Erkenntnissen des wissenschaftlichen Sozialismus der Theorien von Marx, Engels und Lenin die Mittel, die Ursachen zu erklären und die Alternativen aufzuzeigen. Eine andere Welt ist möglich. Ja! – nämlich eine sozialistische. Dass wir eine positive Zukunftsvorstellung haben, macht unsere Stärke aus, wie wenige wir auch im Augenblick in unserem Land sein mögen. Wenn wir diese Zukunftsvorstellung im Klassenkampf streitbar vertreten, haben wir die Chance, die Massen zu ergreifen, der Jugend ein Ziel zu zeigen.

Wie aber, Genossinnen und Genossen, stellen wir uns dar? Erlaubt einem alten Genossen, der 60 Jahre lang der Partei gedient und ihr die Treue gehalten hat, ein offenes Wort!

Wir streiten uns. Das ist gut; denn in einer Epoche tiefgreifender weltpolitischer Veränderungen, erfüllt von widerspruchsvollen Prozessen, sind unterschiedliche Einschätzungen auf Grund der unterschiedlichen Erfahrungen der Einzelnen selbstverständlich. Daraus ergeben sich auch verschiedene strategische Konzeptionen auf verschiedenen Ebenen des Klassenkampfs. Keiner kann von sich behaupten, er habe allein die ganze Wahrheit. Wir müssen die divergierenden Gesichtspunkte zusammenführen. Gerade im Aushalten und Austragen von Widersprüchen erweist sich die Partei als lebendig, als attraktiv und als richtungsweisend für andere – und erweist sich die materialistische Dialektik als fruchtbar.

Was geschieht statt dessen? Argumente werden nicht als Ratschlag und Diskussionsbeitrag aufgenommen, sondern als Opposition bekämpft. Was der Perspektive, die gerade die einiger Sekretariatsmitglieder ist, nicht entspricht, wird verketzert, an den Rand gedrängt, ausgegrenzt. Der Parteivorsitzende stellt jene, die abweichender Meinung sind, mit den „Erneuerern" von 1988, mit der Gruppe Rosenberg/Kröll auf eine Stufe, als hätten sie eine Spaltung der Partei im Sinn. Er verlangt von den Kritikern, sie „sollen offen darlegen, für welches Konzept sie politisch und personell stehen" und behauptet wahrheitswidrig: „dies fehlt bislang in allen Debatten". Ich habe seit 1991 im Neue Impulse Verlag drei Bücher zu programmatischen Fragen und zahlreiche Aufsätze veröffentlicht, in denen klar ausgesprochen worden ist, welche Vorstellungen ich von einer kommunistischen Partei und von einem zukünftigen Sozialismus habe. Aber es gibt Leute, die nicht lesen wollen und einem lieber das Wort im Munde verdrehen. Ich habe in meinem Aufsatz über die Richtungskämpfe in den europäischen kommunistischen Parteien – in dem übrigens die DKP überhaupt nicht angesprochen ist – von einem notwendigen Klärungs- und Reinigungsprozess in ideologischen und weltanschaulichen Fragen gesprochen. Nina Hager macht im UZ-Interview daraus „Säuberungen", denen jemand „zum Opfer fallen soll". Das ist nackte Demagogie, kein solidarischer Diskussionsstil unter Genossen.

Was für eine Partei sind wir, deren Organ, die UZ, unserem früheren Parteivorsitzenden Herbert Mies den Abdruck eines Briefes verweigert, der eine milde Kritik am Sekretariat enthielt? Allerdings gab es in diesem Brief einige freundliche Bemerkungen über Patrick und mich.

Genossinnen und Genossen, der 16. Parteitag hatte dem PV für die nächste Arbeitsperiode den unmissverständlichen Auftrag erteilt, nach weiterer gründlicher Diskussion den Entwurf zu einem Parteiprogramm zu veröffentlichen Jetzt erklärt Heinz Stehr im UZ-Interview, es sei notwendig gewesen, „den Zünder aus einer polarisierenden und lähmenden Programmdebatte herauszudrehen". Darf ein PV so mit Parteitagsbeschlüssen umgehen? Ich zitiere aus dem Brief von Herbert Mies an mich: „Die Vorgehensweise ist für mich und viele andere unverständlich, arrogant und von Macht und personaler Rechthaberei geprägt. Das ist schlimm." Das sagt ein erfahrener Parteiführer. Und ich füge hinzu: so polarisiert man. Der jetzt vorliegende Diskussionsentwurf zum Programm der vom PV eingesetzten Autorengruppe ist von den bisherigen Entwürfen nicht so verschieden, dass wir nicht schon vor 3 oder 4 Jahren hätten zu einem Abschluss kommen können.

Ich frage: wer hat hier die programmatische Selbstverständigung der Partei behindert? Heinz Stehr spricht in seinem Interview von einer Behinderung der Stärkung der Partei „mit Hilfe einiger weniger aus unseren reihen". Wen meint er mit dieser anonymen Verdächtigung? Etwa diejenigen, die für klare Programmaussagen kämpfen? Ich denke, wenn die Genossin Hager beim letzten UZ-Pressefest in einer Diskussionsveranstaltung mit mir sagte: „Die DDR war keine Errungenschaft der deutschen Arbeiterklasse, sondern ein Geschenk der Sowjetunion", dass sie dann 40 Jahre opfer- und erfolgreiche Aufbauarbeit der Menschen in der DDR für den Sozialismus missachtet. Und ich meine, dass eine solche Äußerung in der Tat die Stärkung unserer kommunistischen Bewegung behindert.

Aber ich glaube an unsere Stärke, weil ich die Genossinnen und Genossen kenne, die unter schwierigsten Bedingungen sich als Kommunisten bewährten. Und ich bitte Euch, nehmt diese Mahnworte eines alten Genossen ernst, sie sind aus Sorge um die Partei gesprochen."

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Hans Heinz Holz, Februar 2005, DKP-Parteitag in Duisburg

Bericht vom Parteitag - Fortsetzung

Weiterhin ging es um die Frage, ob die Partei unterschiedliche Auffassungen in sich vereinen könne (siehe den Artikel von Hans Heinz Holz, junge Welt, 20. 1. 2005, der in diesem Heft nachgedruckt ist), ob sie eine einheitliche Programmatik brauche (Standpunkt von Leo Mayer) oder ob man nicht vielleicht auch noch längere Zeit ganz auf eine programmatische Festlegung verzichten könnte (Standpunkt von Ellen Weber).

Erstaunlich ist an diesen Diskussionen, dass ausgerechnet die „Parteilinke" eher dem „Pluralismus" zuneigt, die revisionistischen Kräfte aber auf der Einheit der Programmatik bestehen, was ja ein wenig wie „verkehrte Welt" wirkt. Was es auf sich hat mit diesen Fragen von Pluralität und der Vorstellung, dass man sich gegenseitig „brauche" einerseits und dem Anspruch, die Partei müsse einheitlich ausgerichtete sein andererseits, zeigt sehr schön die Entwicklung der PDS. Ausgangspunkt war die SED. Deren theoretisches Fundament war der Marxismus-Leninismus (auch wenn die Partei in den 80er Jahren theoretisch-ideologisch anfing zu zerbröseln), und dieser ist ein einheitliches Theoriegebäude. Die „Erneuerer" und „Reformer" der PDS (Gysi, Bisky, Bartsch, Brie, Schumann, Klein usw) mussten gegen diesen „alleinigen Wahrheitsanspruch", gegen den „Dogmatismus" usw. polemisieren und die Pluralität in der Partei durchsetzen, um den Marxismus-Leninismus auszuhebeln und auf die Dauer los zu werden. Nach einiger Zeit war dieser in der Partei so in die Defensive geraten, dass zum Beispiel die Kommunistische Plattform die Beliebigkeit der neuen Theorien und Strategien von Zivilgesellschaft, Postmoderne, Reformprojekten, Regierungsbeteiligungen usw. zwar noch vereinzelt kritisierte, in ihrer Auseinandersetzung mit den rechten Kräften der Partei aber immer mehr zum Selbstbehauptungsargument „Pluralität" griff, d.h. ihr Bleiberecht in der Partei aus deren pluralem Charakter ableitete – ein vollkommen defensives und unseren marxistischen Grundlagen widersprechendes Argument. Inzwischen verfolgt die Führung der PDS einen Plan, der ideologischen Zusammenschlüssen wie der KPF Mandate und Möglichkeiten nehmen will, d.h. jetzt, im sicheren Gefühl, die eigene Macht in der Partei konsolidiert zu haben, will die Führung ihre eigene Orientierung als bindend für die Gesamtpartei durchsetzen. Resultat: die anfänglichen Argumentationsmuster (Pluralität versus Einheit) haben sich um 180 Grad gedreht, diejenigen, die eigentlich eine einheitliche theoretische Grundlage haben, reden von Pluralität und diejenigen, die das Gerede von der Pluralität zunächst brauchten, um die politisch-ideologische Einheitlichkeit zu zerstören, reden jetzt wieder genau von dieser („Wo PDS draufsteht, muss auch PDS drin sein") – allerdings auf der von ihnen bestimmten politischen Grundlage.

Zurück zum Geschehen auf dem Parteitag: am Abend des ersten Tages wurde der neue Parteivorstand und die Parteiführung gewählt. Es sei bemerkt, das dies damit zu einem Zeitpunkt geschah, zu dem weder über die Politische Erklärung noch über die Haltung zum irakischen Widerstand diskutiert oder entschieden worden war. Die Wahlen zeigten zwar einigen Unmut, d.h. die Ergebnisse von Heinz Stehr und Nina Hager waren nicht besonders gut, aber zum Weitermachen wie bisher reichen sie völlig aus. Auch bei der Zusammensetzung des Parteivorstandes, für die der alte PV eine Liste angefertigt, also einen Vorschlag abgegeben hatte, gab es kleine Änderungen, aber auch hier gilt: unterm Strich bleibt alles beim Alten. Ins Sekretariat (das vom Parteivorstand eingesetzt wird) hat es kein Vertreter der „Parteilinken" geschafft.

Der zweite Tag sollte mit der Debatte um die Politische Erklärung beginnen. Es wurde festgelegt, die am weitesten gehenden Anträge zunächst zu bearbeiten, also diejenigen, die Ablehnung der Politischen Erklärung oder Nichtbefassung vorschlagen. Zu meinem Erstaunen stellte die Leitung des Parteitages den Antrag, keine offene Diskussion zuzulassen, sondern zwei Protagonisten der unterschiedlichen Strömungen etwas ausführlicher ihre jeweiligen Argumente vortragen zu lassen: Patrick Köbele auf der einen und Ellen Weber auf der anderen Seite, und dann über die Erklärung abzustimmen. Zu meinem noch größeren Erstaunen nahm der Parteitag diesen Vorschlag an, so dass also nur die Antragskommission mit ihrem Mehrheitsvotum (für die Erklärung) und einem Minderheitsvotum (Hans Heinz Holz gegen die Erklärung) sowie Köbele und Weber zu Wort kommen sollten.

Aus den Ausführungen der Antragskommission war zu entnehmen, dass diese nicht sehr häufig getagt hatte, dass nur die „kleinen" Änderungen eingearbeitet worden sind, Änderungen grundsätzlicher Art aber nicht berücksichtigt wurden und Anträge auf Ablehnung dem Parteitag zusammengefasst vorlagen. Hans Heinz Holz sprach auch über die etwas verschlungenen Pfade der Arbeitsweise der Antragskommission, über viel Einzelarbeit von Nina Hager ohne Absprachen mit der Kommission und über das Problem, dass den Delegierten nun eine von Nina Hager veränderte Fassung der Erklärung zur Abstimmung vorlag, die sie erst jetzt zu Gesicht bekommen hatten. Diese Äußerungen, die ich grundsätzlich für sehr wichtig halte, denn gerade auch an der Arbeitsweise, am Mauscheln, am Aushebeln der innerparteilichen Demokratie und am Verhindern der offenen Diskussion ist viel über die Absichten der Personen zu sehen, die sich solcher Mittel bedienen, nämlich: sie wollen unbedingt bestimmte Ziele, Inhalte oder Strategien durchsetzen – und dies am liebsten ohne kritische Prüfung durch die Mitglieder, - diese Äußerungen also sollten Hans Heinz Holz später noch einiges an „Prügeln" einbringen.

Patrick Köbele sprach sehr freundlich, ruhig und ohne zu polarisieren oder zu polemisieren, er war bewusst integrativ und trotzdem inhaltlich klar in seiner Ablehnung der Erklärung. Ellen Weber verlegte sich mehr aufs Moralisieren und behauptete, dass man programmatische Festlegungen nicht so schnell treffen könne, wie es die DKP vorgehabt habe, weil man dafür eben länger brauche und das werfe nun neue Schwierigkeiten auf: die Welt ändere sich so schnell, dass man sowieso nicht wisse, on das Gesagte morgen noch Geltung habe. Durch diese beiden qualitativ sehr unterschiedlichen Beiträge drohte die Stimmung zu kippen. Sozusagen: Vorteil Köbele.

Eine schwierige Situation für die Führung. Aber wozu gibt es eine Parteitagsregie? Jedenfalls kam plötzlich der Antrag, doch eine Debatte zuzulassen, Redebeiträge über die Saalmikrophone, wenn ich mich recht erinnere: 30 Minuten. Kaum war das beschlossen, standen Schlangen an den Mikrophonen: bis auf eine einzige Ausnahme Vertreter der Vorstandslinie, eine Mischung aus „Kleinarbeit vor Ort" und dem revisionistischen Teil der Parteiprominenz. Nun ging es mit allen Mitteln zu Sache. Gerade Hans Heinz Holz wurde hart herangenommen, ihm wurde vorgeworfen, zu viel über Formales geredet zu haben (Heinz Stehr), verständlich, denn wenn jemand Mauscheleien öffentlich macht, erfreut das die Mauscheler naturgemäß wenig; zwischendurch wurde er abqualifiziert als Schwätzer, der praktisch keine Relevanz hat: „Ich weiß ja nicht, wie oft Du Stände machst, Genosse Holz", „Ihr diskutiert hier um des Kaisers Bart und wir haben kein Material am Stand" (so genannte „Basisgenossinnen"), die Einheit der Partei wurde gegen sein Konzept des „wir brauchen uns gegenseitig" fast schon in demagogischer Weise eingefordert (Leo Mayer: „…aber das will ich mit einem einheitlichen Auftreten einer einheitlichen Partei…" – großer Applaus) so als hätte Hans Heinz Holz der Spaltung das Wort geredet. Das Ganze wurde flankiert mit soßigen Danksagungen „für die viele Arbeit, die Nina sich gemacht hat" – großer Applaus. Und so ging es munter weiter. Nach dieser Offensive zur Diskreditierung der „Abweichler" sollte abgestimmt werden über deren Anträge, die Politische Erklärung abzulehnen. Als noch jemand sich mit einer persönlichen Erklärung zu Wort melden wollte, wurde qua Geschäftsordnungsantrag „sofortige Abstimmung" durchgesetzt. Resultat: rund 80 % gegen die Ablehnung der Politischen Erklärung, rund 20 % dafür. Damit war die Erklärung grundsätzlich angenommen, die Ablehnungs- und Nichtbefassungsanträge waren vom Tisch und die Anträge, die grundsätzliche Änderungen wollten, waren ja von der Antragskommission gar nicht erst bearbeitet worden, standen jetzt also nicht zu Debatte. Es ging im folgenden nur um Anträge, die „kleine" Ergänzungs- oder Abänderungsvorschläge beinhalteten.

Eine Erläuterung der Kleinarbeit an diesen Anträgen spare ich mir hier. Ich möchte dazu nur eine interessante Äußerung eines Parteivorstandsmitglieds übermitteln (Detlef Fricke, Hannover, an einem Bücherstand): „Politisch ist das Ding doch gelaufen. Aber das jetzt muss man machen, die Leute haben sich doch Mühe gegeben." …..Kein Kommentar!

Danach wurde über den Stand der Programmdebatte und –erarbeitung informiert – nicht diskutiert! - und gegen Ende des Parteitages wurde nicht die von der Führung vorbereitete Irak-Resolution, sondern eine etwas entschärfte Fassung angenommen, die aber noch immer eine pauschale Solidarisierung mit der unsäglichen KP des Iraks enthält. Das Ergebnis war fast einstimmig.

An den Ergebnissen der strittigen Themen sieht man etwas Auffälliges: die Gegenwehr ließ im Laufe des Parteitages nach. Am Anfang stemmten sich noch rund 30 % der Delegierten gegen die Vorstandslinie, am Ende waren es nur noch versprengte Einzelne.

Fazit

Die „rechten" Kräfte sitzen fest im Sattel und besetzen fast alle Führungspositionen, die „schweigende Mehrheit" der Partei steht – wenn auch hin und wieder grummelnd - an ihrer Seite, die „Parteilinke" kann etwa 20 % bis 30 % der Delegiertenstimmen mobilisieren. Während die „Sozialismusvorstellungen" beim Parteitag in Hannover gegen den Willen der Führung nicht beschlossen wurden (sondern als „Arbeitsmaterial" zurückverwiesen wurden an die Autorengruppe und/oder den Vorstand), hat die Politische Erklärung eine große Mehrheit gefunden – trotz der ausführlichen inhaltlichen Kritik an ihren so genannten „Schwächen", also den enthaltenen revisionistischen Abweichungen beispielsweise zu den Themenkreisen Imperialismusanalyse, (sozialdemokratische) Umverteilungstheorie, Sozialismusvorstellungen, Rolle der Partei, Stellung zur UdSSR und zur DDR und Bündnispolitik/Rolle der „Bewegungen".

Dieser Parteitag bildet eine Zäsur. Der Parteitag hat „Ja" gesagt zu Bausteinen einer revisionistischen Programmatik. Die mahnenden und warnenden Worte der „Parteilinken" haben kein Gehör gefunden. Es bleibt nur so viel zu sagen: Die Gefahr für die DKP wächst. Der Weg auf die schiefe Ebene des Revisionismus ist fortgesetzt worden – und man hat die schiefe Ebene zwecks Beschleunigung des Tempos säuberlich mit Schmierseife eingerieben. Am Horizont grinst als Schreckgespenst das Schicksal der italienischen, französischen oder österreichischen KP.

Und man muss leider feststellen: Die Kräfte, die einen solchen Niedergang der DKP vermeiden wollten und wollen und dies eventuell auch noch immer könnten, sind mit ihrer bisherigen Taktik gescheitert. Es ist Zeit, sich neu zu besinnen. Man könnte sogar sagen: die Zeit drängt.

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Nachlese: Vier unterschiedliche Stimmen zum Parteitag

1. Zeitung „Analyse und Kritik", Nr. 493 vom 18. 3. 05; Henning Böke: Das Phantom der Einheit – Die DKP rauft sich zusammen.

Es gibt in der so genannten Linken natürlich Leute, denen die DKP noch immer zu sehr der „alten Phraseologie der ´wissenschaftlichen Weltanschauung` anhängt". Als erstes also ein Beispiel für die DKP-Sicht der modernen antikommunistischen „Ankommer" Marke PDS:

Die Auseinandersetzung, die in der DKP stattfindet, ist eine „zwischen einer Strömung, die einen Bedarf an Aktualisierung der Inhalte sieht, und den Gralshütern der altbewährten ´marxistisch-leninistischen Identität`…" Interessant ist, wie von dieser Zeitung die Probleme der Linken gesehen werden: „Es geht um die Frage der Formierung einer neuen politischen Subjektivität oder traditioneller Repräsentation der alten Kollektiv-Konstrukte, …, um die ´Zivilgesellschaft` als entscheidendes Terrain einer Transformation sozialer Kräfteverhältnisse oder etatistisches und geopolitisches Lagerdenken,…" Das ist PDS pur, ebenso zu finden bei manchen Vertretern der SPD-Linken und bei den „Globalisierungsgegnern" der unterschiedlichsten Couleur. Und auch Trotzkisten sind solche Argumentationen nicht fremd.

Nachdem nun also die Streitpunkte verdeutlicht wurden und klargestellt wurde, worum es geht und wohin man sich entwickeln muss, um „neu" und nicht mehr „alt" zu sein, werden diese Kriterien auf die DKP angewandt: „Während der Philosoph Hans Heinz Holz als Vordenker einer „griechisch-orthodoxen" Linie auftritt, gehen die innovativen Impulse von dem ehemaligen Siemens-Betriebsrat Leo Mayer aus München aus,... Die Führung um Heinz Stehr übernimmt die von Mayer…entwickelte Imperialismusanalyse, die die transnationalen Konzerne in den Mittelpunkt stellt und sich von der Lenin-Orthodoxie in Richtung auf eine Globalisierungstheorie entfernt,…"

An diesen Äußerungen ist allein wichtig zu realisieren, wer hier wen aus welchem Grunde lobt.

Ansonsten geht es den Leuten von „Analyse und Kritik" mit dem Zerfall der DKP nicht schnell genug. Sie sei noch immer ein „Traditionsverein", eine „Glaubensgemeinschaft", in der „Möchtegern-Intellektuelle" Zeitungsseiten „mit Belehrungen über den ´marxistisch-leninistischen` Grundkonsens volltexten." Deshalb werde sie auch keine große Rolle spielen in den politischen Auseinandersetzungen. In diesen Kreisen wünscht man sich die DKP lieber heute als morgen tot.

Ich sage es noch mal: Interessant ist hinzuschauen, wen solche Leute wie hier der Herr Böke in der DKP loben oder als akzeptabel bezeichnen!

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2. UZ-Interview mit Heinz Stehr, DKP-Vorsitzender, UZ, 25. 2. 05

Dass Heinz Stehr über die Ergebnisse des Parteitages jubeln würde, war zu erwarten. Nach dem Parteitag führte die UZ ein Interview mit ihm. Nach der Bewertung des Gesamtergebnisses des Parteitags gefragt, sagte er: Der Parteivorstand hatte sich ja konkrete Ziele gesteckt mit dem Parteitag. Unterm Strich sind diese Ziele alle erreicht worden. Etwas besseres konnte uns nicht passieren. Die politische Erklärung wurde verabschiedet. Das Referat mit seiner politischen Linie fand große Zustimmung. Die Diskussion deckte sich weitgehend damit. Wir haben die Programmdebatte neu belebt und wollen jetzt auf der Grundlage des Programmentwurfs weiterdiskutieren. Bis auf einen Genossen wurden alle vorgeschlagenen Kandidaten des Parteivorstandes gewählt. In der Irak-Frage haben wir auf Initiative der Internationalen Kommission einen fast einstimmigen Beschluss gefasst…" Es klingt fast so, als sei er selbst überrascht darüber, dies alles so mühelos durchgekriegt zu haben.

„Es wurde mit Erleichterung aufgenommen, dass die Politische Erklärung mit großer Mehrheit angenommen wurde," sagte er über die Partei und fügte hinzu, dass er „an Positivem gehört" habe, „dass das politische Ergebnis, die politischen Aussagen des Parteitages auf breite Zustimmung gestoßen sind."

Also alles prima für Heinz Stehr, nur ein Problem muss noch aus der Welt: da haben Leute in der DKP eine Mitglieder-Urabstimmung über das neue Programm in die Diskussion gebracht. Das muss noch weggeräumt werden. So fragt Lothar Geisler ihn im UZ-Interview nach der Idee, zur Verabschiedung eines neuen Parteiprogrammes eine Urabstimmung aller Mitglieder oder ähnliches zu machen, um die Basis stärker als bisher einzubeziehen…" Natürlich muss Heinz Stehr das erstmal als eine interessante Idee bezeichnen, über die man nachdenken müsse. Genau so natürlich will er aber auf keinen Fall eine Urabstimmung aller Mitglieder. Das brächte doch wieder unwägbare Gefahren und viel schärfere Diskussionen mit sich. So etwas braucht die DKP nicht, hat doch der 17. Parteitag gezeigt, dass seine Delegierten mit großer Mehrheit vorstandstreu sind. Das heißt, dass es im Vorfeld der nächsten Tagung zwar wahrscheinlich einiges an Diskussion um das neue Programm geben wird, die Führung sich aber um ihre Delegierten beim Parteitag keine Sorgen machen muss: die haben gezeigt, dass sie im Falle der Entscheidung hinter der Führung stehen. Solch ein Pfund kann sich Heinz Stehr doch nicht aus der Hand nehmen lassen, vor allem nicht bei einer so wichtigen Frage wie dem Programm! Dementsprechend argumentiert er dann weiter, eine Urabstimmung habe „auch … Probleme. Denn das Delegiertenmandat ist ja ein ganz wichtiges politisches Instrumentarium. Das darf nicht entwertet, sondern muss mit mehr Leben gefüllt werden. Ich finde, beide Elemente kann man ganz gut zusammenbringen, indem die Parteimitglieder ihren Delegierten einen eindeutigen Auftrag mit auf den Parteitag geben."

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3. Marxistische Blätter, Nina Hager, 1. Tagung des 17. Parteitages – Eine positive Bilanz, Marxistische Blätter Nr. 2 - 05

Auch wenn der Titel eine positive Bilanz verspricht, übernimmt Nina Hager im Zusammenspiel mit Heinz Stehr eher den Part der Strafinstanz. Sie kartet nach, rechtfertigt nochmals und sehr bissig das Handeln der Führung, schlägt auf die Kritiker ein - und sagt dabei hin und wieder auch mal die Unwahrheit. Hier einige Beispiele:

„Im Vorfeld dieser Tagung des Parteitages hatten Mitglieder der DKP gefordert, den Beschluss des 16. Parteitages zu erfüllen, dass auf dem 17. Parteitag ein Programmentwurf vorgelegt werden soll, der beraten und – wenn möglich – beschlossen werden soll. In der Realität erwies sich, dass dieser Beschluss so nicht umgesetzt werden konnte. … Der Beschluss des 16. Parteitages wurde als Fehler bzw. Irrtum bezeichnet. Dazu gab es keinen Widerspruch." Der geneigte Leser erfährt leider nicht, warum der Beschluss des 16. Parteitages nicht umgesetzt werden konnte, und dass es keinen Widerspruch gegen die Entscheidung der Führung gab, die Programmdebatte zu verschieben, ist schlicht unwahr.

Im Nachhinein meinen einige Genossen, zum Positiven am Parteitag gehöre die Personaldebatte. Ich sehe dies sehr kritisch,… Nach meiner Erfahrung wurden von der Mehrheit mit Erleichterung die Wahlergebnisse zu den Vorsitzenden und den Leitungsgremien der DKP aufgenommen." „Auf dem Parteitag gab es bei einigen Delegierten Erregung darüber, dass in der UZ im Vorfeld ein Interview mit Heinz Stehr, Rolf Priemer und Nina Hager veröffentlicht wurde, in dem wir auf Probleme und Gefahren aufmerksam machten. Unterstellt wurde beispielsweise, wir hätten bestimmte Dinge wie „Reinigung" oder „Säuberung" herbeigeredet und maßlos übertrieben. War unsere Sorge berechtigt? Haben wir diese Begriffe benutzt? Die Sorge war berechtigt. Wir haben nichts unterstellt, sondern nur zitiert bzw. unsere politischen Schlussfolgerungen gezogen." Interessant ist hier die Sprache: auf der einen Seite sind „wir", das ist die Führung, und die „Mehrheit" in ihrer „Erleichterung" darüber, dass die Führung die Gleiche geblieben ist, auf der anderen Seite „einige Genossen" bzw. „einige Delegierte", also eine verschwindend kleine Minderheit, die Falsches positiv findet oder der Führung etwas unterstellt haben soll, was nicht stimme. Als besondern furchtbar stellt Nina Hager dann dar, dass in Veröffentlichungen außerhalb der Partei „offen gewünscht (wurde), die bisherige Führung der DKP zu stürzen. Vorgeworfen wurden uns alle Sünden der kommunistischen Bewegung, vor allem rechte Abweichungen. Politisch-inhaltlich begründet wurde nichts…". Begründet wurde nichts? Vorgeworfen wurden „alle Sünden der kommunistischen Bewegung"? Vielleicht braucht Nina Hager ja eine Lesebrille oder ein Hörgerät. Und da wir schon bei der Satire angekommen sind, noch eine Äußerung zu dem Schlimmsten, was Nina Hager feststellt, dem Wunsch, „die bisherige Führung der DKP zu stürzen": der Offensiv war bisher nicht klar, dass die DKP mit ihrer Führung so verfahren soll wie der Vatikan mit seinem Papst: Amt bis ans Lebensende. Wäre es denn ein Verstoß gegen Statut, Moral und gute Sitten, wenn eine Mehrheit der Mitglieder der DKP eine andere Führung oder eine andere stellvertretende Vorsitzende bevorzugen würden?

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RotFuchs-Interview mit Hans Heinz Holz zum 17. Parteitag der DKP, RotFuchs April 05

Ich weiß genau, dass Hans Heinz Holz beim 17. Parteitag der DKP war. Ich habe ihn dort mit eigenen Augen gesehen. Wenn ich das nicht genau wüsste, würde ich an dieser Tatsache zweifeln, denn er hat zum Schreiben für den RotFuchs offensichtlich die rosa-rote Brille aufgesetzt:

„Dass entgegen den Planungen der 4. PV-Tagung, die Programmdiskussion weiter zu verschieben und statt dessen eine Politische Erklärung zu verabschieden, doch ein Programmentwurf zum Parteitag vorlag und nun bei der ersten Tagung des neuen Parteivorstandes einstimmig ohne Änderung als Grundlage für die Diskussion in der Partei beschlossen wurde, ist ein großer Erfolg…" Ist ein Programmentwurf beim Parteitag erörtert worden? Nein! Ist dann wenigstens die bisherige Programmdiskussion beim Parteitag erörtert worden? Nein! Ist die Programmdebatte also PV-gemäß verschoben worden? Ja! Ist die Politische Erklärung statt dessen angenommen worden? Ja! ….Aber das Handeln der Parteilinken soll ein „großer Erfolg" gewesen sein!

„Ich meine, die Partei ist gestärkt, weil ihre Diskussionsfähigkeit zugenommen hat und damit kollektive Entscheidungen möglich werden." … „Es ist ein gutes Zeichen der innerparteilichen Demokratie, dass die Genossinnen des Selbstbewusstsein haben, sich als Glieder eines selbstbewussten Kollektivs zu verstehen, das durch den Parteitag repräsentiert wird." … „In der Tat bin ich positiv gestimmt. Die innerparteiliche Demokratie ist gestärkt worden." Wurden beim Parteitag - je nach Gusto der Parteitagsregie - Diskussionen unterbunden oder inszeniert? Ja! Wurden Stellungnahmen mittels Geschäftsordnungsanträgen abgewürgt? Ja! Wird es eine Mitglieder-Urabstimmung über das neue Programm geben? Nein! ….Aber die „innerparteiliche Demokratie" soll gestärkt worden sein!

„Leitungsgremien von Organisationen haben die Tendenz, sich gegenüber der Basis zu verselbständigen und den Widerspruch zu verdrängen." … „Kritik fand auch … der Polarisierungen begünstigende Leitungsstil und Diskussionston." … „In der DKP gibt es keine Spaltungs- oder Fraktionierungstendenzen." Geht es um inhaltliche Auseinan-dersetzungen? Ja! Stehen sich zwei Linien in der DKP gegenüber? Ja! Kann man einen Leitungsstil inhaltsfrei betrachten? Nein! …Aber Hans Heinz Holz redet von „sich verselbständigen Leitungsgremien", schlechtem „Leitungsstil" und „Diskussionston", bleibt also bei einer formalen, gruppendynamischen, leitungstechnischen usw. Deutung der Probleme stehen und eliminiert damit die Inhalte. Da es nur darum geht, dass die Führung ein wenig ungeschickt ist in der Wahl des Umgangstons, gibt es selbstverständlich auch keine inhaltliche Fraktionierungstendenz.

So, wie man bei den Ausführungen des Herrn Böke aus „Analyse und Kritik" die interessante Frage stellen muss, warum er wen von der DKP-„Prominenz" lobt, muss hier die Frage gestellt werden, welche Folgen eine solche wirklich alle Probleme konturlos im rosaroten Nebel versteckende Stellungnahme hat. Welche Funktion hat ein solches Vorgehen? Welchen Kräften nutzt das? Welchen Kräften schadet das?

Frank Flegel, Hannover


 

Erwin Erfurth: Zum gegenwärtigen Stand der Erarbeitung von Grundpositionen für die Zusammenarbeit der Kommunisten Brandenburgs

Es liegen zwei Entwürfe für die „Grundpositionen für die Zusammenarbeit der Kommunisten Brandenburgs" vor. Eine Autorengruppe, der Genossen aus der DKP, der KPD und der KPF angehören, hat den ersten Entwurf vom 9. 7. 2003 erarbeitet. Der zweite Entwurf vom 14. 4. 04 kam zustande, weil die Mehrheit des Landeskoordinierungsrates der KPF den Entwurf der Arbeitsgruppe vom 9.7.03 ablehnte (6 gegen 1 / Erwin Erfurth) und eben diesen zweiten Entwurf unter Federführung der beiden KPF-Genossen Konrad Hannemann und Matthias Klenner ausarbeitete.

Die weiterhin bestehende Arbeitsgruppe kam im Frühjahr 2004 zur bis jetzt letzten Diskussionsrunde zusammen, kritisierte den zweiten Entwurf und einigte sich auf marxistische Grundpositionen, die unbedingt in einem Einigungspapier verankert werden sollen, aber im zweiten Entwurf, dem Gegenentwurf, fehlen. Dabei ging es vor allem um folgende Themen-bereiche:

- Charakter der Epoche

- Historische Mission der Arbeiterklasse

- Imperialismustheorie (Imperialismus statt „Globalisierung")

- Kommunistische Weltbewegung

- Brechung der politischen Macht der Bourgeoisie

- Errichtung der politischen Macht der Arbeiterklasse

- Führungsrolle der Partei der Arbeiterklasse

- Verhältnis zu Staat und Demokratie.

Kritisiert wurde auch der teilweise reformistische Charakter des Gegenentwurfs und die dort enthaltenen verwaschenen Positionen in wichtigen Grundfragen.

Die Arbeitsgruppe erklärte sich bereit, die Diskussion über die „Grundpositionen" fortzusetzen mit dem Ziel, ein einheitliches Konsenspapier zu erarbeiten. Wegen Belastungen in Vorbereitung und Durchführung des Landtagswahlkampfes bei der DKP und der KPD hat sich die weitere Diskussion verzögert. Wir hoffen, sie bald wieder aufzunehmen. Die „Grundpositionen" sollen als ein Beschlusspapier bei einer gemeinsamen Konferenz verabschiedet werden.

Die jetzige Veröffentlichung der beiden Entwürfe in „Offensiv" kann eine Diskussion anregen, die unserer Arbeitsgruppe dienen und ihre Arbeit befördern kann.

Erwin Erfurth, Cottbus

Hinweis der Redaktion: Im Offensiv-Heft 10-2002 („Das Heft nach dem Rausschmiss") haben wir bereits Vorentwürfe abgedruckt. Wir dokumentieren hier – im Zusammenhang mit dem Schwerpunkt dieses Heftes, der Strategie der Kommunisten – gern den Stand der Diskussion in Brandenburg.

Um die Vergleichbarkeit der beiden Entwürfe zu verbessern, haben wir folgende Kenntlichmachungen vorgenommen: Im ersten Text, also dem der Autorengruppe aus DKP, KPD und KPF, sind die Passagen kursiv gesetzt, die im zweiten Entwurf, also dem der beiden Mitglieder der KPF, den Genossen Renner und Hannemann, nicht vorkommen. Im zweiten Entwurf dieser beiden Genossen sind wiederum die Passagen kursiv gesetzt, die neu und zusätzlich zum ersten Entwurf formuliert wurden.

Redaktion Offensiv

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Arbeitsgruppe KPF-PDS, DKP, KPD: Entwurf für „Grundpositionen für die Zusammenarbeit der Kommunisten"

Die imperialistische Globalisierung vollzieht sich in rasendem Tempo. Sie lässt keine Barrieren und Pausen zu. Der Kampf der imperialistischen Machtzentren ist in vollem Gange. Die US-amerikanischen Eliten streben die Alleinherrschaft in der Welt an. Nach ihrem Willen soll sie neu kolonisiert und militarisiert werden.

Die Konzentration des Kapitals, die internationale Vereinigung des Monopol- und Finanzkapitals, die Aufteilung der Märkte und die Neuaufteilung der Welt nehmen neue und gewaltige Dimensionen an. In ihrer Folge wächst die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Nord und Süd. Neue Weltkriege und Umweltschäden riesigen Ausmaßes drohen die Erde zu verwüsten.

Die herrschenden imperialistischen Kräfte sind weder willens noch fähig, die Entwicklungs-probleme der Menschheit zu lösen. Sie bringen der Menschheit Sozial- und Demokratieabbau nach innen, Expansion und Gewalt nach außen. Der Widerstand gegen diese Entwicklung wächst. Sozialistische, antiimperialistische, revolutionär-demokratische und Friedenskräfte der ganzen Welt schließen sich zu neuen Bewegungen zusammen. Kommunisten sind in ihnen fest verankert. Wir sind Bestandteil der kommunistischen Weltbewegung und wollen dort einen verantwortungsvollen Beitrag leisten.

Wir betrachten es als das Gebot der Stunde, unsere Kräfte zu bündeln. Es ist höchste Zeit, dass sich die Kommunistinnen und Kommunisten des Landes zusammenfinden, alles Einende in den Vordergrund und alles Trennende in den Hintergrund stellen. Auf der Grundlage folgender Grundpositionen wollen wir einen breiten und umfassenden Gedankenaustausch zu aktuellen theoretischen und praktischen Problemen unseres Kampfes in Gang setzen und ein gemeinsames Handeln in Veranstaltungen und Aktionen für Frieden und sozialen Fortschritt, gegen Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung organisieren.

1. Von der Sklavenhalterordnung bis zum Kapitalismus prägte die ökonomischen Gesellschaftsformationen, dass die Eigentümer der Produktionsmittel Herrscher über Natur und Menschen waren. Eine Minderheit beutete die Mehrheit aus. Sie gründete ihren Reichtum auf der Armut vieler. Einzelne Nationen sicherten sich Wohlstand und Freiheit auf Kosten der Ärmsten Dafür eroberten sie Kontinente, raubten Völkern die Naturschätze und löschten sie samt ihrer Kulturen, Sprachen und Religionen aus. Sie teilten die Welt in arm und reich. Diese geteilte Welt ist der konzentriertest Ausdruck dessen, was der Kapitalismus an Glanz und Elend hervorgebracht hat. Wohlstand, Luxus und Parasitentum für wenige stehen Hunger, Not und Joch für viele gegenüber.

Die Große Sozialistische Oktoberrevolution vollzog den ersten tiefen Einschnitt in die Jahrtausende alte Ordnung. Sie leitete die Epoche des weltweiten Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus ein. Nach wie vor sind es die Kräfte des Sozialismus, die sozialistischen Länder und die fortschrittliche Arbeiterbewegung der ganzen Welt, die den weltweiten Kampf für Frieden und Gerechtigkeit, gegen Krieg und Ausbeutung führen, auch wenn sie durch die zeitweilige Niederlage des Sozialismus in Europa empfindlich geschwächt worden sind.

2. Der kapitalistischen Gesellschaftsformation wird gesetzmäßig eine neue, nach unserer Überzeugung die kommunistische, folgen. In ihr werden sich die Nationen frei entwickeln und freundschaftlich verbunden miteinander leben können. Mit dem Fallen der Gegensätze und Widersprüche im Inneren fallen die Gegensätze und Widersprüche zwischen den Nationen.

Dem Kommunismus ist die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen fremd. Ein uralter Traum der arbeitenden Menschheit, dass die Früchte jene ernten sollen, die sie säten, wird sich erfüllen. Am Ende des Produktions- und Reproduktionsprozesses erhält die Natur das ihr Genommene zurück.

Sozialismus ist für uns die erste Phase der kommunistischen Gesellschaft, wie sie aus der kapitalistischen Gesellschaft nach langen Geburtswehen hervorgegangen ist. Keine soziale Gesellschaft tritt als fertige Gesellschaft in die Geschichte ein. Die erste Phase, die wir Sozialismus nennen, ist die zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegende Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andere. In ihr werden sich die Voraussetzungen für eine höhere Phase, die kommunistische Gesellschaft, herausbilden. Was die Ausbeuterordnung der Vergangenheit in Jahrhunderten zerstörten, wird sie jedoch nicht in Jahrzehnten ersetzen können.

Bereits der Sozialismus wird eine neue Weltordnung hervorbringen. Sie wird auf nationalen Volkswirtschaften basieren, die sich frei und unabhängig entwickeln werden. Ausgebeutete und in den Rückstand geworfene Nationen werden auf den Weg des Fortschritts gelangen. Was die Bourgeoisie des Abendlandes der übrigen Welt in Jahrhunderten an Naturreichtümern und Kultur nahm, soll zurückfließen.

3. Der Kapitalismus kann nur auf revolutionärem Wege überwunden werden. Die Revolution verändert alle gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend. Der revolutionäre Prozess wird von einer breiten Front gesellschaftlicher Kräfte befördert, an deren Spitze die Arbeiterklasse steht. Es ist und bleibt deren historische Mission, die politische Macht der Bourgeoisie zu brechen und ihre eigene zu errichten. Da zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft eine Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andere liegt, entspricht der auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts anderes sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats. Eine Alternative dazu gibt es nicht.

Die gesellschaftlichen Kräfte, die Veränderungen anstreben, werden keine Rücksicht darauf nehmen, ob der Abgang der Bourgeoisie nach deren Spielregeln verläuft. Sie sind der aufzubauenden Volksherrschaft verpflichtet. Die Front der revolutionären Kräfte wird international sein. Die Kommunisten müssen in dieser Front die Führung übernehmen und sich dafür die erforderlichen Fähigkeiten erwerben. Die Aufgabe der Kommunisten muss es sein, die Arbeiterklasse in ihrem Kampf theoretisch auszurüsten und organisatorisch zu führen.

4. Die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten nutzen die eroberte politische Macht, um sozialistische Produktionsverhältnisse zu schaffen. Der erste Schritt dahin ist die Enteignung der Banken, Großgrundbesitzer und Konzerne.

Das Privateigentum an Grund und Boden, an den entscheidenden Produktionsmitteln und den Milliardenvermögen wird in gesellschaftliches Eigentum in den verschiedenen Formen umgewandelt. Wie die Erfahrungen des Sozialismus zeigen, wird damit der Grundstein für soziale Gleichberechtigung gelegt. Eigentum ist nicht mehr Quelle für Profitstreben und Ausbeutung.

Im Sozialismus kann es für eine bestimmte Zeit eine „gemischte" Wirtschaft geben. Sie wird sich in dem Maße „entmischen", wie sich auf der Grundlage eines einheitlichen gesellschaftlichen Eigentums an Produktionsmitteln ein gleiches Produktionsniveau der volkswirtschaftlichen Zweige entwickelt.

Das Ziel einer planmäßig organisierten Volkswirtschaft im Sozialismus ist die ständige Befriedigung der wachsenden materiellen und geistigen Bedürfnisse der Gesellschaft. Als Verteilungsprinzip gilt: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Leistungen. Erst in der höheren Phase, der kommunistischen Gesellschaft, wird gelten: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Bedürfnissen.

5. Ihre politische Macht übt die Arbeiterklasse mittels des Staates der Arbeiter und Bauern aus. Der Staat leitet die revolutionären Veränderungen aller gesellschaftlichen Verhältnisse. Sie sollen von Solidarität, gegenseitigem Verständnis und gegenseitiger Hilfe, Gleichberechtigung der Frau, Achtung vor dem Alter und Förderung der Jugend bestimmt sein.

Wie die Erfahrungen des Sozialismus zeigen, wird erst auf der Grundlage des gesellschaftlichen Eigentums Demokratie als Volksherrschaft möglich. Der Eigentümer, Beteiligte und von Lohnsklaverei Freie wird der Macht Ausübende. Demokratie ist Volksherrschaft und nicht Herrschaft der Bourgeoisie mittels bezahlter Berufsdemokraten.

Die bürgerliche Demokratie wird von der Volksherrschaft abgelöst. Dieser Prozess wird beitragen, das Bewusstsein der Menschen zu verändern. Das veränderte Bewusstsein wiederum wird Einfluss darauf nehmen, die Volksherrschaft auszugestalten. Die sozialistische Demokratie wird eine Staatsform nach dem Willen des arbeitenden Volkes sein. Mittels des Staates lenkt es seine Geschicke, verwaltet Gesellschaft, Eigentum, Produktion und Verteilung nach seinen Interessen. Die Organe dieser Staatsmacht werden arbeitende Körperschaften, also Volksparlamente und keine bürgerlichen Parlamenttheater sein. Die Organe der Staatsmacht werden der Volkskontrolle unterzogen.

6. Für den Sozialismus steht ein neuer Typ von Rechtssicherheit. Sie begründet sich auf soziale Sicherheit. Dem Rechtsbruch wird der unsoziale Nährboden entzogen. Allmählich wird das Recht tatsächlich ein Recht des Volkes. Volksmilizen werden für den Schutz des Volkes, seiner Bürger, seines Eigentums sorgen.

Staat und Recht werden im Sozialismus zunächst die Werktätigen schützen müssen. Die Entmachteten der alten Klassen werden ihre Chance erhalten. Im Sozialismus gelten tatsächlich humanistische Grundsätze, nicht Rache und Vergeltung.

7. Der Sozialismus schafft Voraussetzungen dafür, dass Natur und Arbeit Quellen des gesellschaftlichen Reichtums und damit eines allgemeinen Wohlstandes werden.

Schöpferische Arbeit, sparsamer Umgang mit den natürlichen Ressourcen und sinnvolles Leben in der Natur stellen die Grundlagen des menschlichen Daseins dar. Es entstehen neue gesellschaftliche Werte: Arbeit, Bildung, Kultur und Gesundheitsdienst für alle.

Der Mensch wird Bildung und Kultur genießen, selbst Kunst und Kultur gestalten. Die Gesellschaft wird für sein Wohlbefinden und seine Gesundheit eintraten, weil er der Gesellschaft von seiner Kraft und seinem Geist gegeben hat. Kunst und Kultur, Bildung und Gesundheit verlieren ihren Warencharakter. Sie können nicht mehr die Wohlstandsquellen Privilegierter sein.

8. Der Weg zum Sozialismus wird beschwerlich sein. Wir schließen nicht aus, dass es dramatische Entwicklungen geben kann. Die Bourgeoisie wird die wirtschaftliche und politische Macht nicht freiwillig abgeben.

Der Untergang der kapitalistischen Produktionsweise ist ein objektiver Prozess, der das gesellschaftliche Handeln der Menschen einschließt. Die Bourgeoisie verliert ihr wirtschaftliches Fundament. Wir schließen aus, die bürgerliche Welt mit parlamentarischen Mitteln in eine sozialistische Umzuwandeln. Wir halten radikale politische und wirtschaftliche Reformen als Vorstufe für revolutionäre Veränderungen für notwendig. Wir sind für Reformen, welche die Reichen an die Kasse zwingen, wirtschaftliche Strukturen umbauen, Verwaltungswillkür abschaffen und den undurchdringlichen bürgerlichen Gesetzesdschungel lichten.

9. Wir deutschen Kommunisten schöpfen in unserem Kampf aus den Erfahrungen und Lehren des Aufbaus des Sozialismus auf deutschem Boden. Die Deutsche Demokratische Republik war und bleibt für uns die bisher größte Errungenschaft der deutschen Arbeiterbewegung.

Uns ist bewusst, dass die innere und äußere Konterrevolution 1989/90 dem Sozialismus eine schwere Niederlage zufügte. Wir sind daran nicht schuldlos. Daraus leiten wir eine besondere Verantwortung der deutschen Kommunisten für den Fortgang der revolutionären Bewegung ab.

 

Zwingender denn je steht die Frage: Sozialismus oder Barbarei! Wir haben uns für den Sozialismus entschieden. Denn wir hielten und halten es für möglich, mit vereinten Kräften eine Zukunft des Friedens, der Gerechtigkeit und der Völkerfreundschaft zu bauen. Wir geben der Welt eine Chance, wenn wir sie nicht nur interpretieren, sondern sie verändern.

Wir sind davon überzeugt, dass die Macht der Bourgeoisie beendet und die Macht der Arbeiterklasse errichtet wird. Die Macht der Arbeiterklasse verwandelt sich allmählich in die Macht des Volkes, so, wie die sozialistische Gesellschaft reifen und in die kommunistische übergehen wird.

Unsere Überzeugung geben wir weiter, für ihre Verwirklichung kämpfen wir. Für diesen Kampf haben wir eine revolutionäre Theorie, den Marxismus-Leninismus. Er vereint das Ideengut der Menschheit von Jahrhunderten, insbesondere von dem Moment an, als sie sich von der Sklaverei befreien wollte. Unser Kampf ist international.

Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!

Erarbeitet von der Arbeitsgruppe aus Genossen der DKP, der KPD und der KPF Brandenburg

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K. Hannemann / M. Klenner (beide KPF): Gegenentwurf zu „Grundpositionen für die Zusammenarbeit der Kommunisten"

Vor unseren Augen vollzieht sich die imperialistische Globalisierung. Sie lässt keine Barrieren und Pausen zu. Der Kampf der imperialistischen Machtzentralen ist in vollem Gange. Die US-amerikanischen Eliten streben die Alleinherrschaft in der Welt an. Nach ihrem Willen soll sie neu kolonisiert und militarisiert werden.

Die Konzentration des Kapitals, die internationale Vereinigung des Monopol- und Finanzkapitals, die Aufteilung der Märkte und die Neuaufteilung der Welt nehmen neue und gewaltige Dimensionen an. In ihrer Folge wächst die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Nord und Süd. Neue Weltkriege und Umweltschäden riesigen Ausmaßes drohen die Erde zu verwüsten. Die herrschenden imperialistischen Kräfte sind weder willens noch fähig, die Entwicklungsprobleme der Menschheit zu lösen. Sie bringen Sozial- und Demokratieabbau nach innen, Expansion und Gewalt nach außen.

Der Widerstand gegen diese Entwicklung beginnt sich zu formieren. Sozialistische, antiimperialistische, revolutionär-demokratische und Friedenskräfte der ganzen Welt sind dabei, sich zu neuen Bewegungen zusammen zu schließen. Kommunisten sind in ihnen fest verankert. Wir sind Bestandteil der kommunistischen Weltbewegung und wollen dort einen verantwortungsvollen Beitrag leisten; wir betrachten es als das Gebot der Stunde, unsere Kräfte zu bündeln. Es ist höchste Zeit, dass sich die Kommunisten des Landes zusammenfinden, und dabei alles Trennende in den Hintergrund stellen. Auf der Grundlage folgender Grundpositionen wollen wir einen breiten und umfassenden Gedankenaustausch zu aktuellen theoretischen wie praktischen Problemen unseres Kampfes in Gang setzen und ein gemeinsames Handeln in Veranstaltungen und Aktionen für Frieden und sozialen Fortschritt, gegen Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung organisieren.

1. Zum Epoche-Verständnis

Von der Sklavenhalterordnung bis zum Kapitalismus wurde jede Gesellschaft wesentlich dadurch geprägt, dass die Eigentümer der Produktionsmittel Herrscher über Natur und Menschen waren. Der Reichtum von Wenigen gründet sich auf die Ausbeutung und damit auch Armut der Vielen. Dieser Widerspruch beschränkt sich nicht auf die nationale Ökonomie: Reiche Nationen sicherten sich Wohlstand und Freiheit auf Kosten der Ärmsten. Kontinente wurden erobert,, Völker ihrer Naturschätze beraubt und teilweise ihrer Kulturen zerstört. Die bis heute fortgesetzte Aufteilung der Welt in arm und reich ist der konzentrierteste Ausdruck dessen, was der Kapitalismus an Glanz und Elend hervorgebracht hat: Luxus und Parasitentum für wenige stehen Not und Joch für viele gegenüber.

Die Große Sozialistische Oktoberrevolution vollzog den ersten tiefen Einschnitt in diese Jahrtausende alte Ordnung: Mit dem Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft in einem Land und später in Ländern auf mehreren Erdteilen wurde die Alternative zur Ausbeutung und Zerstörung schrittweise Realität. Soll die Menschheit eine Chance zum Überleben besitzen, muss es den noch bestehenden sozialistischen Ländern und vor allem der fortschrittlichen Arbeiterbewegung, das heißt allen kapitalismus-kritischen, lohnabhängigen Beschäftigten der Welt gelingen, diesen Übergang fortzuführen. Denn nach wie vor sind sie es, die den weltweiten Kampf für Frieden und Gerechtigkeit, gegen Krieg und Ausbeutung führen, auch wenn sie durch die Niederlage des Sozialismus in Europa empfindlich geschwächt worden sind.

2. Sozialismus und Kommunismus

Ein uralter Traum der arbeitenden Menschheit, dass die Früchte jene ernten sollen, die sie säten, wird sich erfüllen. Am Ende des Produktions- und Reproduktionsprozesses erhält die Natur das ihr Genommene zurück.

Die erste Phase des Kommunismus, die wir Sozialismus nennen, ist dagegen für uns schon real. Denn damit bezeichnen wir die zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegende eigenständige Periode der revolutionären Umwandlung der einen Gesellschaft in die andere. Ein guter Teil dieses Prozesses ist für uns mehr als Theorie. Er gehört zu unseren praktischen Lebenserfahrungen. Wir können es daher würdigen, bereits in einer Gesellschaft gelebt zu haben, in der Klassen nicht im Ausbeuterverhältnis zueinander standen und die erwirtschafteten Mittel so verteilt waren, dass soziale Sicherheit für jeden bestand. Gleichzeitig wurden junge Nationalstaaten auf ihrem Weg zur politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit vom Kapitalismus und beim Aufbau des Sozialismus unterstützt.

3. Zur sozialistischen Revolution

Der Kapitalismus kann nur auf revolutionärem Wege überwunden werden. Die sozialistische Revolution selbst ist ein langjähriger Prozess und führt zu grundlegenden Änderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse. Soll dieser Prozess Ausdruck des Willens einer Bevölkerungsmehrheit sein und auf Dauer von ihr gestaltet werden, muss er von einem breiten Bündnis gesellschaftlicher Kräfte getragen werden.

Der sozialistische Staat entspricht dem Charakter dieser politischen Übergangsperiode. Er leitet den Um- und Aufbau der neuen Gesellschaft bei gleichzeitiger Niederhaltung der zu erwartenden reaktionären Kräfte vor allem aus der enteigneten Großbourgeoisie. Wir Kommunisten wollen in diesem Bündnis mit unseren praktischen und geschichtlichen Erfahrungen und dem Marxismus als lebendige revolutionäre Theorie eine aktive, führende Rolle einnehmen.

 

4. Zum sozialistischen Aufbau

Die lohnabhängig Arbeitenden und die mit ihnen Verbündeten werden die zu erringende politische Macht nutzen, um sozialistische Produktionsverhältnisse zu schaffen. Dazu gehört die Enteignung der Banken, Großgrundbesitzer und Konzerne.

Das Privateigentum an Grund und Boden, an allen entscheidenden Produktionsmitteln und den Milliardenvermögen wird in gesellschaftliches Eigentum in den verschiedenen Formen umgewandelt. Wie die Erfahrungen des Sozialismus zeigen, wird damit der Grundstein für soziale Gleichberechtigung gelegt. Eigentum ist nicht mehr Quelle für Profitstreben und Ausbeutung.

Im Sozialismus kann es für eine bestimmte Zeit eine „gemischte" Wirtschaft geben, die private Hersteller und Dienstleister einschließt. Sie wird sich in dem Maße „entmischen", wie sich auf der Grundlage eines einheitlichen gesellschaftlichen Eigentums an Produktionsmitteln ein gleiches Produktionsniveau der volkswirtschaftlichen Zweige entwickelt.

Das Ziel einer planmäßig organisierten Volkswirtschaft im Sozialismus ist die Befriedigung persönlicher und gesellschaftlicher Bedürfnisse. Als Verteilungsprinzip gilt: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Leistungen. Erst in der höheren Phase, der kommunistischen Gesellschaft, wird gelten: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Bedürfnissen.

5. Zur sozialistischen Demokratie

Ihre politische Macht üben die lohnabhängig Arbeitenden mittels des Staates aus. Der Staat leitet die revolutionären Veränderungen wesentlicher gesellschaftlicher Verhältnisse. Sie sollen auf Solidarität, gegenseitiges Verständnis und gegenseitige Hilfe, Gleichberechtigung der Frau, Achtung vor dem Alter und Förderung der Jugend gerichtet sein.

Wie die Erfahrungen des Sozialismus zeigen, entwickelt sich auf der Grundlage des gesellschaftlichen Eigentums Demokratie als Volksherrschaft. Der Eigentümer, Beteiligte und von Lohnsklaverei Freie wird der Macht Ausübende und zugleich verantwortlich sein für die Einbindung aller Minderheiten. Dieser Prozess wird beitragen, das Bewusstsein der Menschen zu verändern. Das veränderte Bewusstsein wiederum wird Einfluss darauf nehmen, die Volksherrschaft auszugestalten. Die Organe dieser Staatsmacht müssen arbeitende Körperschaften und der Volkskontrolle unterliegen. Im Zuge demokratischer Ausgestaltung entwickelt sich die Rechtssicherheit der Bürger.

6. Zum Reformverständnis

Die kapitalistische Welt ist nicht allein mit parlamentarischen Mitteln durch eine Folge von Reformen in eine sozialistische umzuwandeln. Dennoch halten wir politische und wirtschaftliche Reformen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der lohnabhängig Arbeitenden und der Entwicklung ihres kapitalismuskritischen Bewusstseins als Vorstufen revolutionärer Veränderungen für notwendig.

Insbesondere treten wir für Reformen ein, die der anhaltenden Tendenz der Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unter nach oben Einhalt gebieten, sie umkehren und die Kommunen materiell so ausstatten, dass sie ihre Pflichten auch erfüllen können. Für besonders wichtig halten wir auch die Reformierung des Staates, der innen- und außenpolitisch zu einer Abrüstungs- und Friedenspolitik und zu einem sozial gerechten Rechtssystem gezwungen werden muss. Daher unterstützen wir vor allem die verschiedensten Aktionseinheiten und Bündnisse, die als außerparlamentarische Kräfte in diesem Sinne wirken. (Wir beabsichtigen, zu diesem Abschnitt weitere Konkretisierungen zusammenzutragen, beschreibt es doch die gegenwärtigen Bedingungen und Wege unseres gemeinsamen Wirkens.)

7. Aus Geschichte und Zukunft

Wir deutschen Kommunisten schöpfen in unserem Kampf aus den Erfahrungen und Lehren des Aufbaus des Sozialismus auf deutschem Boden. Die Deutsche Demokratische Republik war und bleibt für uns die bisher größte Errungenschaft der deutschen Arbeiterbewegung. Die Auflösung der DDR stellt eine folgenschwere, auch internationale Niederlage dar. Es wird unsere Aufgabe bleiben, die Gründe zusammenzutragen und Folgerungen auch schon für unser jetziges Wirken zu ziehen.

Zwingender denn je steht die Frage: Sozialismus oder Barbarei! Wir haben uns für den Sozialismus entschieden.

Unsere Überzeugung geben wir weiter, für ihre Verwirklichung kämpfen wir. Für diesen Kampf brauchen wir die revolutionäre Theorie des Marxismus-Leninismus, an deren weiterer Entwicklung wir mitwirken. Unser Kampf ist international.

Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!

Matthias Klenner, Konrad Hannemann,

beide Mitglieder des Landeskoordinierungsrats der KPF Brandenburg

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Politische Ökonomie des Sozialismus

Gerald Hoffmann und Andrea Schön: Zur Erscheinungsweise des Wertgesetzes im Sozialismus

Die Reaktionen von Hermann Jacobs und Ingeborg Böttcher auf unseren Beitrag sowie der Beitrag von Kurt Gossweiler zum Thema zeigen den immensen Klärungsbedarf, der in dieser Frage herrscht. Zunächst ist es zu begrüßen, dass die von Offensiv angestrengte Diskussion um die politische Ökonomie des Sozialismus an Breite zunimmt, denn sie berührt entscheidende Fragen hinsichtlich der inneren Gründe für die siegreiche Konterrevolution. Indessen besteht offenbar nach wie vor Uneinigkeit über den Begriff des Wertes und des Wertgesetzes; des weiteren darüber, welche Rolle Wertkategorien im Sozialismus spielen und spielten – insbesondere deren revidierte und damit revisionistische, d.h. zur „sozialistischen Warenproduktion" umgebogene Fassung bzw. damit verbundene Konzeptionen wie die der „relativen ökonomischen Selbstständigkeit der sozialistischen Warenproduzenten", der „Eigenerwirtschaftung der Mittel zur erweiterten Reproduktion" usw.

Wir haben es in Offensiv mit Positionen zu tun, die sich wie folgt umreißen lassen:

Ingeborg Böttcher argumentiert, es gebe Warenproduktion auch im Sozialismus aufgrund der arbeitsteiligen Wirtschaft und der Notwendigkeit der Wertbestimmung in der Herstellung und beim Austausch der Produkte. Ihre praktischen Beispiele zeigen jedoch eher das Gegenteil: eine Planwirtschaft, die alle Aspekte der Produktion und Distribution berechnet und kontrolliert – also insofern „marktfrei" funktioniert.

Bei Kurt Gossweiler fällt auf, dass er zwar den Marxismus-Leninismus in der politischen Ökonomie, insbesondere die Stalinsche Etappe verteidigt, aber nicht die daraus folgende Frage beantwortet, wie sich dazu die späteren Reformen verhalten, z.B. das „Neue Ökonomische System der Planung und Leitung" (NÖSPL).

Hermann Jacobs argumentiert, Warenproduktion höre im Sozialismus mit dem Plan auf, der Produktion und Austausch, damit auch Funktion und Wert des Geldes bestimmt. Es gebe weder einen Markt noch Anarchie der Produktion, in der sich das Wertgesetz über eine individuelle Preisbildung der Betriebe und deren Realisierung auf einem „freien Markt" durchsetzen könne. Das habe sozusagen nur in der Theorie, nicht aber in der Praxis stattgefunden, weswegen man mehr die Theorie als die Praxis des Sozialismus kritisieren müsse. Damit bleibt allerdings der in vielen sozialistischen Staaten recht reibungslose Übergang zur kapitalistischen Ökonomie ungeklärt. Die ökonomische Praxis hätte sich hier als weit widerständiger erweisen müssen, wäre sie vom theoretischen Revisionismus unangetastet geblieben. Außerdem wird damit die Funktion des theoretischen Revisionismus ausgeblendet, nämlich u.a. die führende Rolle der Arbeiterklasse und ihrer kommunistischen Partei, auf die Wirtschaft bezogen also die Planwirtschaft, anzugreifen, oder die sozialistische Wirtschaft weltmarktkompatibel und nach kapitalistischen Kriterien „wettbewerbsfähig" zu machen. In diesem Zusammenhang steht auch der politische Revisionismus (z.B. statt friedlicher Koexistenz als Form des Klassenkampfes: „Friedenssicherung" als „gemeinsame" Aufgabe von Sozialismus und Imperialismus), der ja ebenfalls praxisrelevant wurde (und nicht nur in der Theorie bestand).

Hinsichtlich der ökonomischen Praxis müssen wir zudem die einzelnen Länder des Sozialismus unterscheiden, da in ihnen die Planökonomie unterschiedlich weit entwickelt war: z.B. am wenigsten in Jugoslawien, zunehmend weniger in der Sowjetunion, noch am weitesten in der DDR (deren ökonomische Struktur im Zuge der Konterrevolution auch weitgehend zerschlagen werden musste, vom westdeutschen Imperialismus also nicht einfach „übernommen" werden konnte.) Wir müssen weiterhin beachten, in welchem Kräfteverhältnis diese Länder insbesondere zum Imperialismus standen: Jugoslawien, das sehr früh politische und ökonomische Bündnisse (Einbeziehung in den Marshall-Plan) mit dem Imperialismus eingegangen ist; die Sowjetunion, die mit diesen Bündnissen (Erdgas-Röhren-Geschäfte mit der BRD) in den siebziger Jahre begann und die sich unter Gorbatschow sehr schnell dem „jugoslawischen Modell" annäherte (Aufgabe des Außenhandelsmonopols, Freigabe des Arbeitsmarktes etc.) Die DDR stand unter einem fast vollständigen Wirtschaftsembargo und hatte aufgrund von Hallstein-Doktrin und Cocom-Liste an der Nahtstelle zum Imperialismus erst gar nicht die Wahl solcher Bündnisse.

Schließlich ist das ökonomische und politische Verhältnis zwischen den Ländern des Sozialismus zu beachten: Hier gab es eine große Abhängigkeit der DDR von der Sowjetunion. Gerade die DDR hatte also die schlechtesten Bedingungen für eine eigenständige Entwicklung zwischen den Fronten des Imperialismus und des zunehmenden Revisionismus in der Sowjetunion. Von daher gibt es auf unserer Seite kein Vertun: Die DDR war im Sinne der Planökonomie der am weitesten entwickelte Sozialismus und bleibt damit die größte Errungenschaft der Arbeiterklasse auf deutschem Boden.

Um Ingeborg Böttchers Frage nach unserem Anliegen zu beantworten: Unsere Kritik setzt dort an, wo die sozialistische Planwirtschaft zugunsten marktförmiger Produktions- und Austauschformen untergraben und geschwächt wurde. Nachgelagert stellt sich die Frage, inwiefern eine am Wert orientierte Wirtschaftsreform (z.B. „Realisierung" des betriebsindividuellen Produkts auf dem „sozialistischen Markt") unter den konkreten Kräfteverhältnissen nötig war (objektive Bedingungen) bzw. inwiefern es sich um Verrat am Sozialismus, Verrat an den Interessen der Arbeiterklasse (subjektive Fehler ohne materielle Notwendigkeit), gehandelt hat. Diese Frage hatten wir bisher bewusst nicht aufgegriffen, da wir zunächst die theoretische Begrifflichkeit zur Aufschließung der objektiven ökonomischen Prozesse klären wollten.

Ökonomische Gesetze des Sozialismus

Für eine materialistische Analyse der Gründe für die Konterrevolution ist zu klären, welche ökonomischen Gesetze im Sozialismus wirken. Erst auf der Ebene des objektiven Gesetzes ist die dem wissenschaftlichen Sozialismus eigene „Einsicht in die Notwendigkeit" auch auf diesem Gebiet realisiert. Hierfür muss nochmals theoretisch „ausgeholt" werden, um anschließend die Frage anzugehen, inwiefern diese Gesetze in der Praxis verletzt werden können bzw. tatsächlich wurden.

Zur Definition des Wertgesetzes: "Das Wertgesetz ist das ökonomische Gesetz der Warenproduktion, dem zufolge sich die Waren entsprechend der zu ihrer Herstellung aufgewandten gesellschaftlich notwendigen Arbeitsmenge austauschen", heißt es im Lehrbuch Politische Ökonomie (1955, S. 94). Wir gehen davon aus, dass diese Bestimmung unter Marxisten unstrittig ist. Strittig scheint hingegen, inwiefern die Produktionsverhältnisse im Sozialismus Produkte mit Warencharakter hervorbringen. Während Ingeborg Böttcher dies bejaht – mit der Begründung, jede arbeitsteilige Gesellschaft produziere Waren –, verneint dies Hermann Jacobs mit der Begründung, die planmäßige Festlegung des Äquivalents durch einen Festpreis nehme den Produkten zwangsläufig den Warencharakter, Geld sei damit kein Wertäquivalent mehr, Preise drückten nicht Wert aus.

Beide, so argumentieren wir, liegen falsch, da beide die Verwurzelung des Warencharakters in den Eigentumsverhältnissen verkennen bzw. ausblenden. (Arbeitsteilung ist kein Produktionsverhältnis, der Plan auch nicht.) Hier muss unseres Erachtens aber die grundlegende Einigkeit bestehen bzw. hergestellt werden: Was ein Arbeitsprodukt zur Ware macht, die Ware wiederum zur Wertform und das Geld seinerseits zur Äquivalentform, das sind die "Privatarbeiten" die diese Produkte mittels privater Produktionsmittel herstellen. Die Wertform des Arbeitsproduktes zeigt an, dass der gesellschaftliche Stoffwechsel über den Austausch vermittelt ist.

Die Überführung der Produktionsmittel in gesellschaftliches Eigentum entzieht der Warenproduktion und dem Austausch grundsätzlich den Boden; beide existieren allerdings weiter dort, wo Privateigentum an Produktionsmitteln (Handwerk, Landwirtschaft, Kleinbetriebe) UND wo Gruppeneigentum an Produktionsmitteln (LPGs und andere Produktionsgenossenschaften) bestehen.

Schließlich – und das ist die sicherlich umstrittenste, weil am wenigsten offensichtliche Form – beinhaltet die „relative ökonomische Selbständigkeit der Betriebe" die Tendenz zur Warenproduktion, die darin besteht, dass Betriebskollektive gleichsam wie Eigentümer über die Produktionsmittel verfügen, auch wenn bzw. ungeachtet dessen, dass der gesellschaftliche Plan (inkl. Festpreisverfügungen) dieser Tendenz entgegen wirkt bzw. entgegen zu wirken sucht. Aus jener „relativen Selbstständigkeit", obgleich sie noch innerhalb der Planwirtschaft existiert, erwächst als theoretischer Reflex auf eine bestehende Realität auch die gebräuchlichste der Erklärungen von Ökonomen der sozialistischen Staaten für die "sozialistische Warenproduktion ": Als eine völlig neue Form der Warenproduktion basiere sie nicht auf Privateigentum und Arbeitsteilung (wie die einfache und die kapitalistische Warenproduktion), sondern auf Arbeitsteilung und relativer ökonomischer Selbstständigkeit der Betriebe, die ihr Produkt verkaufen und auf dem „sozialistischen Markt" ihre betriebsindividuelle Arbeit als gesellschaftlich notwendige bewähren müssen (Doppelcharakter der warenproduzierenden Arbeit und folglich Warencharakter auch der im Sozialismus erzeugten Arbeitsprodukte). Erst so sei das im Sozialismus weiter wirkende Wertgesetz unter Bedingungen des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln voll auszunutzen.

Zwar ist Hermann Jacobs zuzustimmen, dass diese „sozialistische Warenproduktion" ein Widerspruch in sich ist und real nie existiert hat, aber als Tendenz zur Untergrabung der Planung wirkten die wertökonomischen Reformen durchaus. Das heißt, sie ließen – in den verschiedenen sozialen Ländern verschieden stark – ein den Plan destabilisierendes Element, eine die Aufhebung der Klassen verzögernde ökonomische Praxis mindestens „auch" zu. Bei allen Formen der Warenproduktion, auch wertökonomischen Reformen der Planwirtschaft, muss unseres Erachtens eben diese Frage gestellt werden, wie weit sie mit der Aufhebung der Klassen, mit der Herstellung gesamtgesellschaftlich einheitlicher Produktionsverhältnisse verträglich sind. Warenproduktion ist, weil gebunden an die Form des Privateigentums (den Austausch), mit dem Hineinwachsen des Sozialismus in den Kommunismus unverträglich.Schließlich – und das ist die sicherlich umstrittenste, weil am wenigsten offensichtliche Form – beinhaltet die „relative ökonomische Selbständigkeit der Betriebe" die Tendenz zur Warenproduktion, die darauf basiert, dass Betriebskollektive gleichsam wie Eigentümer über die Produktionsmittel verfügen. Diese Tendenz kann, obzwar im Rahmen der Planwirtschaft existierend, diese zunehmend unterminieren und sie – sofern dieser Tendenz nicht politisch entgegen gearbeitet wird – schließlich sprengen, wie etwa in der Sowjetunion geschehen.

Als begriffslose Verdopplung einer bestehenden Realität erwächst aus der "relativen Selbständigkeit" auch die gebräuchlichste der Erklärungen von Ökonomen der sozialistischen Staaten für die „sozialistische Warenproduktion": Als eine völlig neue Form der Warenproduktion basiere sie nicht auf Privateigentum und Arbeitsteilung (wie die einfache und die kapitalistische Warenproduktion), sondern auf Arbeitsteilung und relativer ökonomischer Selbstständigkeit der Betriebe, die ihr Produkt verkaufen und auf dem „sozialistischen Markt" ihre betriebsindividuelle Arbeit als gesellschaftlich notwendige bewähren müssen (Doppelcharakter der warenproduzierenden Arbeit und folglich Warencharakter auch der im Sozialismus erzeugten Arbeitsprodukte).

Erst so sei das im Sozialismus weiter wirkende Wertgesetz unter Bedingungen des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln voll auszunutzen. Eine die Planwirtschaft unterminierende Dynamik, wie sie aus der betrieblichen Eigenständigkeit erwächst, wird hingegen nicht als Gefahr und Behinderung der sozialistischen Entwicklung, sondern als notwendiges Übel oder gar als Fortschritt des entwickelten Sozialismus betrachtet.

Zwar ist Hermann Jacobs zuzustimmen, dass die „sozialistische Warenproduktion" ein Widerspruch in sich ist und der ökonomische Revisionismus in der Theorie – zumindest in der DDR – zunächst krasser ausfiel als in der Praxis, aber als Tendenz zur Untergrabung der Planung wirkten die wertökonomischen Reformen durchaus. Das heißt, sie ließen – in unterschiedlichem Ausmaß in den verschiedenen RGW-Ländern – ein den Plan destabilisierendes Element, eine der Restaurierung der kapitalistischen Produktionsweise Vorschub leistende, zumindest aber die Aufhebung der Klassen verzögernde ökonomische Praxis zu. Bei allen Formen der Warenproduktion, auch wertökonomischen Reformen der Planwirtschaft, muss unseres Erachtens eben diese Frage gestellt werden, wie weit sie mit der Aufhebung der Klassen, mit der Herstellung gesamtgesellschaftlich einheitlicher Produktionsverhältnisse verträglich sind. Warenproduktion ist, weil gebunden an die Form des Privateigentums (den Austausch), mit dem Hineinwachsen des Sozialismus in den Kommunismus unverträglich.

Im Sozialismus wirken aufgrund der veränderten Produktionsverhältnisse neue ökonomische Gesetze. Erstens das Grundgesetz des Sozialismus, welches den Tatbestand ausdrückt, dass die Produktion der immer umfassenderen Befriedigung der ständig wachsenden Bedürfnisse der Gesellschaft auf Basis der modernsten Technik dient. Die Produktion dient also nicht mehr der Kapitalakkumulation (ebenso wenig der parasitären Konsumtion ausbeutender Klassen), sondern sie dient der Vermehrung des gesellschaftlichen Reichtums und der ständigen Hebung des Lebensniveaus aller Werktätigen, in erster Linie der Arbeiterklasse.

Ein weiteres ökonomisches Gesetz des Sozialismus ist das Leistungsprinzip, d.h. die Bezahlung der Arbeit nach Arbeitszeit und Qualifikation der Werktätigen. Ziel der sozialistischen Produktion ist die beständige Erhöhung des Reallohns durch Senkung der Preise für Konsumgüter. Darüber hinaus – als Element des Kommunismus – wachsen diejenigen Bereiche, worin die Aneignung gesellschaftlichen Reichtums nicht mehr unmittelbar ans Geld gebunden ist (s.u.). In dem Maße, wie der Sozialismus in den Kommunismus hineinwächst, kann die Ökonomie schließlich vollständig nach Quanta der Gebrauchswerte geplant, die Produkte in den entsprechenden Proportionen verteilt und ohne Dazwischenkunft des Geldes auch die Versorgung der Bevölkerung bewerkstelligt werden. Das Gesetz der Verteilung nach Arbeitsleistung wird abgelöst durch das Gesetz der Verteilung nach Bedürfnis.

Weiter: Das Gesetz der proportionalen Entwicklung der Volkswirtschaft. Es ist zwar nicht nur dem Sozialismus/Kommunismus eigen, aber wird hier erstmals bewusst angewandt durch die Planung der Produktion und Verteilung der gesellschaftlichen Ressourcen auf die verschiedenen Produktionszweige bzw. durch die Schaffung völlig neuer Produktionszweige. Der Plan ist der annähernde Ausdruck, die Widerspiegelung des Gesetzes der proportionalen Entwicklung der Volkswirtschaft. Die Arbeitsprodukte sind in der kommunistischen Produktionsweise keine Waren mehr (und sie hören im Sozialismus auf, Waren zu sein, wie Lenin sagte), denn die Güter werden auf der Basis gesellschaftlichen Eigentums und nach vorherbestimmtem Plan zur Befriedigung gesellschaftlicher (produktiver oder konsumtiver) Bedürfnisse hergestellt. Die Ökonomie wird zunehmend eine Ökonomie der Zeit, und die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit erscheint nicht mehr wie im Kapitalismus als Wertgestalt der Waren, sondern die Wertbestimmungen der gesellschaftlichen Arbeit (die arbeitsteilig zu verausgabenden gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeiten) erscheinen als Planungs- und Produktionskennziffern sowie Arbeitsnormen und werden durch die wirtschaftliche Rechnungsführung kontrolliert (die ihrerseits auf die Planung zurückwirkt). M.a.W.: Das Wertgesetz hört auf, als Regulator der Produktion zu wirken und die Wertbestimmungen werden aufgehoben im Plan, und zwar in dem Maße, wie die Produktionsverhältnisse durch das gesellschaftliche Eigentum bestimmt sind, d.h. die letzten Reste und Formen der einfachen und kollektiven Warenproduktion absterben. Der Plan erfasst die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit und ist damit die Voraussetzung, die gesellschaftliche Gesamtarbeit gemäß objektiver gesellschaftlicher Bedürfnisse, d.h. gemäß den historisch konkreten Aufgaben im Klassenkampf zu verteilen. Der Plan regelt die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeitskraft- und Produktionsmittel-Ressourcen und regt zur möglichst rationalen Produktion, zur kontinuierlichen Senkung der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit an durch Maschinisierung, Planung, Produktionsberatung, Massenwettbewerb, Organisierung des Neuererwesen usw.

Die höhere Phase des Kommunismus

Auch in der zweiten oder höheren Phase des Kommunismus wirken objektive ökonomische Gesetze, etwa das ökonomische Grundgesetz des Sozialismus (was den Zweck der Produktion ausdrückt) und das Gesetz der Proportionalität der Produktion (das im immer vollständigeren Plan ausgedrückt ist und dessen Erfüllung und Übererfüllung immer mehr zum Bedürfnis jedes Einzelnen wird, unabhängig davon, in welchem Maße er oder sie an Schaffung und Konsumtion des gesellschaftlichen Reichtums teilnimmt). Auch das Gesetz der ständig wachsenden Arbeitsproduktivität wirkt weiter (allerdings auch nur, wenn es bewusst angewandt wird). Schließlich das Gesetz der unbedingten Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit dem Charakter der Produktivkräfte bleibt im Sozialismus/Kommunismus voll wirksam, aber setzt sich ebenfalls bewusst, nicht mehr hinter dem Rücken der Gesellschaft, ohne politische Revolutionen durch. Die Umgestaltung der Produktionsverhältnisse, die Entwicklung neuer Formen der gesellschaftlichen Produktion wird zum Bedürfnis und zur bewussten Tat aller gesellschaftlichen Produzenten.

Wie ist nun das Hineinwachsen des Sozialismus in den Kommunismus zu verstehen? Es werden im Sozialismus zunächst verschiedene Eigentumsformen (und damit Produktionsverhältnisse) existieren, die verschiedene Entwicklungsstufen der Vergesellschaftung ausdrücken (Staatseigentum, Kollektiveigentum, kleines Privateigentum), zwischen denen Widersprüche auftreten und daher ein mehr oder weniger offener Kampf stattfindet – wenn auch kein antagonistischer, da die herrschende Arbeiterklasse Trägerin des fortschrittlichsten Produktionsverhältnisses ist, worin zugleich ihre führende Rolle gegenüber den noch existierenden Eigentumsformen besteht.

Es ist klar, dass sich das Gesetz der proportionalen Entwicklung der Volkswirtschaft um so reibungsloser, störungsfreier durchsetzen kann, je weniger die gesamtgesellschaftliche Produktion von einem ungeplanten und unplanbaren Marktsektor abhängt, also „mitbestimmt" wird von einer im Sozialismus noch bestehenden Privat- bzw. Warenproduktion. Der Sozialismus hat keinen Kompromiss mit dem noch bestehenden Privateigentum zu schließen (und die Warenproduktion zu planen), sondern das Privateigentum aufzuheben, aber dies nicht wie im Kapitalismus durch Ruinierung der Kleinproduzenten, sondern durch eine Bündnispolitik, welche die Interessen des Kleinbürgertums als Eigentümer negiert, aber die Interessen des Kleinbürgertums als Werktätige realisiert, denn der Kleinproduzent kann nur an der Seite und mittels Unterstützung der Arbeiterklasse seine Existenz als Kleinbürger überwinden.

Dies geschieht schrittweise über die Kollektivierung des Kleineigentums (in Handelsgenossenschaften sowie handwerklichen und landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften), da es als Kleineigentum nicht unmittelbar zu vergesellschaften ist, aber als nichtvergesellschaftetes Eigentum (d.h. zersplitterte Warenproduktion) keine kontinuierliche Produktivkraft-Steigerung (Anwendung modernster Technik) ermöglicht und spontan nicht zum Sozialismus, sondern zur Vergrößerung des Privateigentums tendiert. Sobald dem abgeholfen ist (in Form der Produktionsgenossenschaften), existieren nur noch sozialistisches Staats- und sozialistisches Gruppeneigentum, zwischen denen zwar kein antagonistischer Kampf mehr stattfindet, denn es herrscht gesellschaftliche Produktion in beiden Fällen. Dennoch, und das haben wir in unserem ersten Beitrag nachzuweisen versucht, birgt das Gruppeneigentum als niedrigere Vergesellschaftungsform gegenüber dem Staatseigentum die Tendenz zur Warenproduktion (siehe Ausführungen unten), und muss daher durch die langsame, aber beharrliche Überführung in Staatseigentum vollständig überwunden werden. Stalin sagte 1952: „Es wäre...unverzeihliche Blindheit, wollte man nicht sehen, dass diese Erscheinungen [das kollektivwirtschaftliche Gruppeneigentum und die Warenzirkulation] gleichzeitig auch schon beginnen, die gewaltige Entwicklung unserer Produktivkräfte zu hemmen, da sie Hindernisse für die vollständige Erfassung der gesamten Volkswirtschaft, besonders der Landwirtschaft, durch die staatliche Planung schaffen." (SW 15, S. 359) „Um das kollektivwirtschaftliche Eigentum auf das Niveau des allgemeinen Volkseigentums zu heben, muss man die Überschüsse der kollektivwirtschaftlichen Produktion aus dem System der Warenzirkulation herausziehen und in das System des Produktentausches zwischen der staatlichen Industrie und den Kollektivwirtschaften einbeziehen". (S. 384; Herv. AS/GH)

Die Umgestaltung der Produktionsverhältnisse muss im Sozialismus mit Perspektive auf den Kommunismus bewusste Tat bleiben; hier dürfen zu keiner Zeit „Selbstlauf"-Theorien an die Stelle der zielstrebigen Anwendung gesellschaftlicher Entwicklungsgesetze treten.

Zum Doppelcharakter der Arbeit im Sozialismus/Kommunismus

Wie ist es nun zu verstehen, dass die Ausnutzung von Wertkategorien im Sozialismus unbedingt erforderlich ist, obgleich dieser weltgeschichtlich gesehen gerade die Periode der Aufhebung der Warenproduktion ist?

Bekanntlich nennt Marx den Doppelcharakter der warenproduzierenden Arbeit den „Springpunkt..., um den sich das Verständnis der politischen Ökonomie dreht" (MEW 23, S. 56). Vergegenwärtigen wir uns also den Doppelcharakter der unmittelbar vergesellschafteten Arbeit (im Sozialismus/Kommunismus) im Unterschied zum Doppelcharakter der warenproduzierenden Arbeit. Da sich dieser Doppelcharakter aus den privatförmigen Produktionsverhältnissen ergibt, im Sozialismus aber Produktivkräfte ebenfalls in bestimmten Produktionsverhältnissen wirken, muss auch die in sozialistischen Produktionsverhältnissen verausgabte Arbeit einen nach der Seite der Produktivkräfte und der der Produktionsverhältnisse zumindest analytisch unterscheidbaren Doppelcharakter aufweisen. Marx sagt: „Sobald die Menschen in irgendeiner Weise füreinander arbeiten [d.h. gesellschaftliche Arbeitsteilung existiert], erhält ihre Arbeit auch eine gesellschaftliche Form" (MEW 23, S. 86) – aber, so könnte man hinzufügen, diese gesellschaftliche Form ist nicht unbedingt die Wertform.

Weiter: Um die Frage zu beantworten, worin eigentlich der Fetischcharakter der Ware gründet, unterscheidet Marx zwischen Wertbestimmungen und Wertform. Nicht mysteriös ist die Ware, wenn man sie nach ihrem Gebrauchswert betrachtet, ebenso wenig mysteriös ist sie nach der Seite ihrer Wertbestimmungen. (MEW 23, S. 85f) Diese sind 1.) Wertsubstanz = abstrakt-menschliche, d.h. gesellschaftliche Arbeit und 2.) Wertgröße = gesellschaftlich notwendige (Durchschnitts-)Arbeitszeit. Von den Wertbestimmungen – Wertsubstanz und Wertmaß – zu unterscheiden ist die Wertform (relative Wertform und Äquivalentform). Die geheimnisvolle, überhistorisch erscheinende Wertform der Ware kommt eben nur durch die „ökonomische Selbstständigkeit der Produzenten", d.h. durch Privateigentum und Austausch zustande. Anders gesagt: Die Wertform bzw. die Äquivalentform einer Ware „enthält...keine quantitative Wertbestimmung." (MEW 23, S. 70) Im Gegenteil, Marx verdeutlicht in seinem Robinson-Beispiel (MEW 23, S. 90f), beim „Verein freier Menschen, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten und ihre vielen individuellen Arbeitskräfte selbstbewusst als eine gesellschaftliche Arbeitskraft verausgaben" (ebd., S. 92f), wie auch im dritten Band des „Kapital", dass „nach Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise, aber mit Beibehaltung gesellschaftlicher Produktion, die Wertbestimmung [!!] vorherrschend [bleibt] in dem Sinn, dass die Regelung der Arbeitszeit und die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit unter die verschiednen Produktionsgruppen, endlich die Buchführung hierüber, wesentlicher denn je wird." (MEW 25, S. 859; Herv. GH/AS)

Das Zitat wird z.B. von Ingeborg Böttcher so verstanden, dass wenn im Sozialismus/Kommunismus die Wertbestimmung notwendig bleibt, auch Warenproduktion herrsche. Unseres Erachtens heißt es das nicht, sondern: dass zwar die Wertform des Arbeitsproduktes abstirbt, und zwar gerade weil und indem die Wertbestimmungen des Arbeitsproduktes (gesellschaftliche Arbeitsteilung und notwendige Arbeitszeit) zunehmend im Plan („Regelung", „Verteilung", „Buchführung") aufgehoben, d.h. bewusst angewandt werden. Die auf dem gesellschaftlichen Eigentum basierende kommunistische Produktionsweise löst damit die Ökonomie des Wertes tendenziell auf in die Ökonomie der Zeit. Dennoch: die Produktion, obgleich sie in zunehmendem Maße aufhört, Warenproduktion zu sein, behält eine die Produktivkräfte und eine die Produktionsverhältnisse betreffende Seite. Die gesellschaftliche Arbeit hat daher im Sozialismus/Kommunismus Doppelcharakter, obgleich keine bzw. nur noch eingeschränkt Warenproduktion existiert. In dem Maße nämlich, wie die Warenproduktion aufhört, entfaltet die Wertbestimmung (nicht der Wert!) sich als gesellschaftliches Bewusstsein über die Bedingungen, Notwendigkeiten und Proportionen der Produktion, kurz: in Form der Planung. (Dies auch, wenn die kollektive/genossenschaftliche noch nicht vollständig geplante Produktion ist, sondern der Staatsplan zunächst durch Verträge regulierend in sie eingreift.)

Wenn die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit aufgrund veränderter Produktionsverhältnisse nicht mehr als „Wert", sondern in Form verschiedener Planungskategorien in Erscheinung tritt, so heißt das, dass hier die Wertbestimmung z.B. bei der Festsetzung von Normen, Preisen, Löhnen usw. beachtet und angewandt werden kann und muss zur Optimierung der sozialistischen Produktion (und das schließt ein: zur Beschränkung und tendenziellen Überwindung der noch bestehenden Warenproduktion.) Die Wertbestimmung (die gesamtgesellschaftliche Seite der Arbeit, die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit) ist nicht an die Warenproduktion gebunden – wohl aber die Wertform (die durch den Austausch entsteht).

Bewusste Preisbildung (was natürlich nicht willkürliche Preisbildung heißt), bedeutet: zunehmende, tendenziell vollständige Erfassung der verausgabten und zu verausgabenden gesellschaftlichen Gesamtarbeit, deren Glieder die arbeitsteiligen Betriebe und Wirtschaftseinheiten sind. Die Verarbeitung dieser Daten wird als Plan zunehmend der Produktion vorausgesetzt, er vermittelt damit die Produktion, und die Wertform der Produkte, indem die Verselbstständigung der Produzenten gegeneinander aufhört, stirbt ab. Das Wertgesetz hört auf Regulator der Produktion zu sein. Das Geld verliert schrittweise seine Funktionen als allgemeines Äquivalent und als Wertmaßstab, wird also zunehmend auf ein Erfassungsmittel der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit und ein Mittel der Kontrolle und Rationalisierung der Produktion reduziert (wirtschaftliche Rechnungsführung). Das von den Klassikern vorausgesehene Absterben des Geldes fällt zusammen mit der vollständigen Erfassung der gesellschaftlichen Produktion im Plan und die vollständige Aufhebung der Warenproduktion ist, die Produktionsverhältnisse betrachtet, das Hinüberwachsen in die zweite Phase der kommunistischen Gesellschaft.

Die Aufgabe (der Zweck) der ersten Phase des Kommunismus besteht demnach in der Herstellung gesamtgesellschaftlich einheitlicher Produktionsverhältnisse mit dem Ergebnis immer genauer erfassbarer Produktion mittels immer effektiverer/rationellerer Planung. Dazu gehören:

Bestimmung der notwendigen Proportionen abhängig von den Bedürfnissen der Bevölkerung und den äußeren gesellschaftlichen Existenzbedingungen des Sozialismus (evtl. Einschränkung der Bedarfsproduktion durch Embargo, Kriegsproduktion oder eine noch unzureichende Basis der sozialistischen Industrie in der Produktionsmittel-Erzeugung).

Strengste Rechnungsführung und Kontrolle, Erfassung betrieblicher Kapazitäten und Orientierung auf die gesamtgesellschaftliche Rentabilität (und nicht die Rentabilität einzelner Betriebe, wie Stalin in „Ökonomische Probleme des Sozialismus" deutlich gemacht hat).

Aufstellung von Gegenplänen und ständige Präzisierung technisch begründeter Normen.

(Selbst)Erziehung der Arbeiterklasse zur Disziplin und Teilnahme an der bewussten Kontrolle und Verbesserung der Produktion.

Forcierung des sozialistischen Wettbewerbes, der Schulung über die Bedeutung des Planes und seiner Funktion für die immer umfassendere Durchsetzung der Gesetze der sozialistischen Ökonomie etc.

Im Sozialismus "wirkt" demnach nicht das Wertgesetz, sondern die Wertbestimmungen erscheinen in neuen Ausdrucksformen. Die Wertkategorien werden damit auf vielfältige Weise anwendbar – und müssen auch angewandt werden, eben weil es die „durch das Herkommen gegebene" Wertgröße der einzelnen Ware (als Basis des Preises) im Sozialismus nicht mehr gibt. (Insofern geben wir Hermann Jacobs Recht, wenn er schreibt, der Sozialismus hat sich in der Hauptsache in einem System der Festpreise zu bewähren, das seinerseits der ständigen Anpassung u.a. an die Entwicklung der Arbeitsproduktivität bedarf.)

Bekanntlich hat das Wertgesetz zwei Seiten, a) die Wertbestimmung durch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit und b) die Verteilung dieser gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit in den richtigen Proportionen auf die verschiedenen, arbeitsteilig zusammenhängenden Produktionszweige. So sagt Marx: „Es ist...das Gesetz des Werts, wie es sich geltend macht, nicht in bezug auf die einzelnen Waren oder Artikel, sondern auf die jedesmaligen Gesamtprodukte der besondren, durch die Teilung der Arbeit verselbständigten gesellschaftlichen Produktionssphären; so dass nicht nur auf jede einzelne Ware nur die notwendige Arbeitszeit verwandt ist, sondern dass von der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit nur das nötige proportionelle Quantum in den verschiednen Gruppen verwandt ist." (MEW 25, S. 648) Dies ist epochenübergreifend und insofern ein gesellschaftliches „Naturgesetz". Weiter Marx: „Naturgesetze können überhaupt nicht aufgehoben werden. Was sich in historisch verschiednen Zuständen ändern kann, ist nur die Form worin jene Gesetze sich durchsetzen. Und die Form, worin sich diese proportionelle Verteilung der Arbeit durchsetzt in einem Gesellschaftszustand, worin der Zusammenhang der gesellschaftlichen Arbeit sich als Privataustausch der individuellen Arbeitsprodukte geltend macht, ist eben der Tauschwert dieser Produkte." (MEW 32, S. 552f; Herv. AS/GH)

Und im Sozialismus? Unter Bedingungen gesellschaftlichen Eigentums entwickelt sich das Wertgesetz zu einem Bezugspunkt bewusster gesamtgesellschaftlicher Produktion und Distribution. Proportionalität der gesellschaftlichen Produktion ist nämlich die bewusst werdende und immer umfassender ausgestaltete Vermitteltheit und allseitige Bedingtheit der Komponenten der Gesamtproduktion. Nur deshalb kennt der Sozialismus keine Krisen, die dem Kapitalismus als warenproduzierender Gesellschaft eigen sind. Der Plan (und nur der Plan) ist Ausdruck der Tatsache, dass die Produzenten ihre Produktion schrittweise unter Kontrolle bekommen, anstatt – wie in der Warenproduktion – von ihren eigenen Produktionsverhältnissen, genauer: dem Wert ihrer Arbeitsprodukte, beherrscht zu werden. Die gesellschaftliche Seite der Produktion realisiert sich folglich nicht mehr über den Markt, oder die Gesellschaftlichkeit stellt sich nicht mehr hinter dem Rücken der Produzenten durch den Austausch zum „Wert" her, sondern die „Gesellschaftlichkeit" ist der Produktion als gesellschaftlicher Plan vorausgesetzt, ist ihr immanentes Moment.

Die Aufhebung der Wertbestimmung im Plan und damit die Aufhebung des Wertgesetzes als Regulator der Produktion bedeutet, dass die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit anders bestimmt wird als über den Wert der Arbeitsprodukte. Die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit (Verteilung auf die verschiedenen Produktionssphären und Aufwand für die proportional abgestimmten Quanta Gebrauchswert) wird durch den Plan erfasst und erscheint im Festpreis, so dass tendenziell weder produziert wird ohne Planung noch außerhalb des Plans. Die gesellschaftliche Arbeit im Sozialismus (und Kommunismus) ist daher zunächst konkret-nützliche (wie in allen Gesellschaftsformen), aber da die Arbeit in allen Gesellschaftsformen konkret-nützlich ist (Gebrauchswerte schafft), erschöpft diese Seite nicht ihren gesellschaftlichen Charakter. Denn dieser – die zweite Seite der Arbeit – besteht darin, dass sie innerhalb sozialistischer Produktionsverhältnisse, und das heißt: auf Grundlage des Planes verausgabt wird, also durch den Plan vermittelt ist, und zugleich optimierend, korrigierend auf den Plan zurückwirkt. Während im Kapitalismus der Wert der Arbeitsprodukte die Produktion „zusammenhält" (oder wie Engels sagte: auf einem „Umweg" die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit gemessen wird), fällt im Sozialismus diese Aufgabe dem Plan zu. Plan wie Wert sind jeweils Formen, Ausdrucksweisen der Gesellschaftlichkeit der Produktion, sie drücken beide den gesellschaftlichen Charakter der Produktion aus, also innerhalb welcher Produktionsverhältnisse die Gebrauchswert-Erzeugung vor sich geht. Der Doppelcharakter der sozialistischen/kommunistischen Arbeit kann auch als Einheit von gebrauchswerterzeugender und planerfüllender gefasst werden. Die Planmäßigkeit als das bewusste Element der gesellschaftlichen Produktion nimmt im Sozialismus tendenziell die Stelle ein, welche im Kapitalismus der „Wert" der Produkte ausmachte. Aber die ganz begriffslose Äquivalenz der Arbeitsprodukte (ausgedrückt im Wert) wird aufgehoben in gesamtgesellschaftlicher Proportionalität – ein viel differenzierteres Verhältnis, das sich im Kapitalismus aber nur „blind" herstellt. (Marx spricht daher davon, dass die „quantitative Schranke der auf die verschiednen besondren Produktionssphären verwendbaren Quoten der gesellschaftlichen Arbeitszeit...nur [ein] weiterentwickelter Ausdruck des Wertgesetzes überhaupt" ist. (MEW 25, S. 649)

Im Kapitalismus ist das Wertgesetz Regulator anarchischer Produktion; im Sozialismus erlangt es eine qualitativ neue Funktion: es ist aufgehoben in der bewussten, immer wieder neu herzustellenden Proportionalität der Produktion und der bewussten gesellschaftlichen Verteilung. Ökonomen (DDR/BRD) hat dies zu der Schlussfolgerung veranlasst, dass der Sozialismus die Beachtung/Ausnutzung des Wertgesetzes überhaupt erst ermöglicht: Während im Kapitalismus jeder einzelne Tauschakt in der Regel inäquivalent bzw. "wertblind" sei und sich das Wertgesetz daher nur in der Summe unzähliger Tauschakte durchsetzen könne, würden im Sozialismus alle Teilarbeiten auf Basis der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit (und insofern auf das Wertgesetz hin) aufeinander abgestimmt (d.h. Abweichungen geschehen bewusst und werden im gesamtgesellschaftlichen Maßstab der Proportionalität wieder ausgeglichen). Das heißt, indem der sozialistische Staat plant, beachtet er das Wertgesetz. Die Schlussfolgerung hingegen, welche insbesondere gegen Ende der DDR gemacht wurde, dass wenn das Wertgesetz auch im Sozialismus wirkt, auch der Preis der individuellen Ware ihren „Wert" ausdrücken müsse, ist gerade der Verzicht auf die gesamtgesellschaftliche Planung und die ideologische Rückkehr zur „freien Marktwirtschaft".

Zur Frage des Geldes

Das Geld erhält die Funktion, die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit widerzuspiegeln. Man kann und muss den Plan in Geld und in Gebrauchswerten ausdrücken. Die Gebrauchswert-schaffende ist nun selbst geplante Arbeit, das Geld also Mittel und Instrument zur Kontrolle der Arbeitszeit (damit Planerfüllung.) Das Geld bleibt notwendig, so lange:

1. die Verteilung der Endprodukte (um die es letztlich geht) noch nach Arbeitsleistung erfolgen muss,

2. noch Warenproduktion auf Basis des Klein- und Kollektiveigentums besteht,

3. die sozialistische Produktion noch nicht weltweit gesiegt hat und demzufolge noch der kapitalistischen Ökonomien gegenübersteht, der Sozialismus also mit dem Kapitalismus Handel betreibt, wobei der sozialistische Staat (durch das Außenhandelsmonopol) dem Kapitalismus als kollektiver Eigentümer gegenüber und mit ihm, wie auch mit dem Warenproduzierenden Sektor innerhalb des Sozialismus im Austausch (!) steht.

Aufgrund der verschiedenen Eigentumsverhältnisse hat das Geld im Sozialismus sowohl die Funktion des Wertausdruck der Waren, als auch – zunehmend – einfaches Zeitmaß der gesellschaftlich notwendigen Arbeit zu sein, wie der Liter das Maß von Körpervolumen ist. Das Geld übt sowohl die Funktion eines Sparmittels aus, als auch des Maßes für die individuell anzueignenden Konsumgüter. Da im Sozialismus aber die individuelle Konsumtion zunehmend vom individuellen Geldbesitz gelöst wird hat das Geld vorrangig die Aufgabe, Bewusstsein über den gesellschaftlichen Produktionsprozess zu vermitteln, indem es ›sagt‹: produziere für so wenig Geld wie möglich. In dem Maße, wie die gesellschaftlichen Produktionsmittel unter staatlicher Kontrolle angewandt werden, muss ein System der Festpreise installiert werden, welches überhaupt erst eine durchgehende Planung ermöglicht. Hierfür muss das Wertgesetz ausgenutzt werden, aber es hindert nichts, von der Äquivalenz abzuweichen (innerhalb bestimmter Grenzen), um die Proportionalität der gesellschaftlichen Produktion herzustellen.

Das Geld verliert im Sozialismus seinen Fetischcharakter, weil die anarchische Struktur der Produktion aufgehoben ist und weil nicht mehr alles käuflich ist (Arbeitskraft, Produktionsmittel, Grund und Boden, Naturressourcen, Bodenschätze). Für die Gesellschaft, für die Produzenten verliert das Geld zunehmend an Bedeutung als Statussymbol, weil es immer weniger Voraussetzung ist, sich gesellschaftlichen Reichtum anzueignen (eben weil Bildung, Erziehung, Kultur, Gesundheitsversorgung usw. aus der Geldzirkulation genommen und zunehmend unentgeltlich nutzbar sind). D.h. es kann individuell immer weniger Arbeit für die Nutzung des ständig wachsenden gesellschaftlichen Reichtums geleistet werden. Das frühere „Geld" sinkt zunehmend zum Recheninstrument herab, und es wird gerade die Seite des Geldes allgemein, die es im Kapitalismus nur gebrochen innehat, nämlich als Hebel zur weiteren Rationalisierung der Produktion zu wirken.

Praxisformen zur Unterminierung des Planes und Wiederherstellung der Wertform

Entgegen der These von Hermann Jacobs, der politökonomische Revisionismus sei mehr theoretisch als praktisch, mehr Projekt als Wirklichkeit gewesen, wollen wir jetzt zeigen, inwiefern sich in der sozialistischen konkret-historischen Praxis Produktionsverhältnisse (d.h. Wirtschaftsformen) herausbilden, zu denen sich die Wirtschaftspolitik des sozialistischen Staates verhalten muss und welche den Plan sowohl festigen wie auch unterminieren und damit – längerfristig – eine Tendenz zurück zur kapitalistischen Produktionsweise begünstigen können:

a) auf der Ebene des Eigentums an Produktionsmitteln

Zwischen dem individuellen Privateigentum und dem Staatseigentum steht die Genossenschaft, eine Form von Gruppeneigentum. Die höchste Form im Sinne der Entwicklung von Planökonomie ist diejenige Genossenschaftsform, in der Grund und Boden bzw. die Hauptproduktionsmittel vom Staat zugeteilt werden und die die erwirtschafteten Einnahmen nach Arbeitsleistung (und nicht nach Eigentumsanteilen wie etwa bei der LPG) verteilt. Bei allen anderen Formen wird die Genossenschaft/der Betrieb zur Eigentümerin von Produktionsmitteln (Grund/Boden, Saatgut, Maschinen) – ungeachtet einer Kreditgewährung durch den Staat. Die Einnahmen sind nun nicht mehr v (= reiner Lohnfonds), sondern c + v, da ein Teil der oder gar alle Produktionsmittel aus den Einnahmen des Kollektivs gedeckt werden müssen (dies betrifft insbesondere die höchst aufwändige Wartung des Maschinenparks). Diese beiden Größen sind gegeneinander variabel, d.h. die Genossenschaft/der Betrieb kann entscheiden, WIEVIEL sie für welchen Fonds zur Verfügung stellt. Die Planvorgaben werden entsprechend zugunsten des Betriebs korrigiert, da der Staat unmöglich die Fondskalkulation jedes einzelnen Betriebes hinterfragen kann. Er ist auf die – ehrlichen! – Angaben der Belegschaft bzw. Betriebsleitung angewiesen.

b) auf der Ebene der betrieblichen „Selbstbestimmung" (relative ökonomische Selbstständigkeit der sozialistischen Warenproduzenten)

Wenn in einem volkseigenen Betrieb Produktionsmittel bezahlt werden müssen, also das Prinzip der „Eigenerwirtschaftung der Mittel zur erweiterten Reproduktion" herrscht, schleicht sich bei der „eigenständigen Rechnungsführung" (nicht zu verwechseln mit wirtschaftlicher Rechnungsführung) der gleiche Mechanismus ein: es teilen sich die betrieblichen Einnahmen auch hier wieder in c und v, d.h. gegeneinander variable Größen. Dem Preis, zu dem die Produkte dann abgegeben werden (müssen), sieht man nicht an, welche Bestandteile in ihn geflossen sind, die „Rechenschaft" darüber kann entsprechend manipuliert werden. Auch die Qualität der Produkte kann manipuliert werden – eine Wertminderung unter den festgesetzten Preis wird zur Akkumulationsquelle für den Betrieb. Damit wird nicht nur der Plan unterminiert, sondern auch das Geld als reine Verrechnungseinheit. Die Wertbestimmung wird wieder zum betriebsindividuellen Produktionsfaktor, geht zunehmend in die Hoheit der Betriebe über, und mit zunehmendem „Betriebsegoismus" erreichen die Produkte wieder vollständig die Wertform, über die sich der Betrieb z.B. mittels Eingriffen in die Produktpalette Werte aneignen kann, die er nicht produziert.

c) auf der Ebene der staatlichen Plankennziffern

Sofern der Staat die Ökonomie als einheitlichen sozialistischen Betrieb behandelt, arbeitet er nach einem zentralen Plan die entsprechenden Kennziffern aus und teilt sie den Betrieben zu. Wird allerdings den Betrieben „mehr Verantwortung" überlassen, wird die Planhoheit zumindest teilweise an die Betriebe abgegeben. Jetzt gibt es zwar immer noch einen Gesamtplan, aber auf der Basis der von den Betrieben gelieferten bzw. korrigierten Kennziffern. Das ist auch richtig, denn von der Staatlichen Plankommission kann nicht die minutiöse Kenntnis der gesamten Produktionskapazitäten verlangt werden. Allerdings ist zur Verbesserung des Gesamtplans durch betriebliche „Gegenpläne" vorausgesetzt, dass sich in letzteren keine gegenüber der Gesellschaft verselbstständigten Betriebsinteressen niederschlagen können. Der Plan kann nur erfüllt und übererfüllt werden, wenn er gemessen ist an den realen betrieblichen Produktionskapazitäten, d.h. wenn der Betrieb gemäß den Planzielen mit Produktionsmitteln und Arbeitskräften ausgestattet ist.

Wenn viele Betriebe aber z.B. auf der Basis der Verfügung über ihr „eigenes" Mehrprodukt (Teile der Überschüsse) – also teilweise Zulassung von Formen des Privateigentums – den Gesamtplan mitbestimmen bzw. unterminieren, sinkt der gesellschaftliche Gesamtplan mehr und mehr zu einem „Rahmenplan" oder einer „Prognose" für kollektive Warenproduzenten (die Betriebskollektive) herab, und es können und müssen schließlich wieder marktförmige Beziehungen zwischen ihnen entstehen, denn jeder versucht, den Gegenwert seiner Lieferungen – die darin vergegenständlichte tote und lebendige Arbeit – so gering wie möglich zu halten. Der Staat wiederum versucht dieser Entwicklung z.B. dadurch entgegen zu wirken, indem er die Preise für die Käufer (die Betriebe/Genossenschaften) erhöht, die diese Erhöhungen entsprechend an den Endverbraucher weitergeben. Das aber wiederum ist nichts anderes, als ein Schritt zur Anerkennung der Wertform der Produkte und zu deren „angemessenem" (angemessen vom Standpunkt des Verkäufers – Staat/Betrieb – aus betrachtet) Ausdruck im Preis. Nun ist es nur noch ein kleiner Schritt, dass die Preise wieder ganz „freigegeben" werden und sich das Wertgesetz wieder hinter dem Rücken der Produzenten durchsetzt. Unter solchen Umständen verwundert der Ruf nach „freier Marktwirtschaft" dann auch nicht mehr.

Die Funktion des Geldes als durch den Plan festgelegtes Verrechnungsmittel geht zunehmend wieder über in die Funktion des Wertmaßes zum Zweck des Tauschs: Durch den Plan festgelegte „bewusste" Inäquivalenzen im Austausch (G)W – G – (G)W (z.B. 1 Tonne Stahl = 100 Rubel = 1 Tonne Kartoffeln) werden nun nicht mehr hingenommen als bewusste Umverteilungsmaßnahmen im gesamtstaatlichen Interesse (Proportionalitätsgesetz), sondern moniert als fehlerhafte „Ware-Geld-Beziehungen" – in der Theorie, während in der Praxis der Festpreis zunehmend durch eine möglichst „minderwertige" Wertform unterminiert wird Wir sehen hier deutlich, wie der Revisionismus in der Praxis wieder auf die Theorie zurückwirkt!

Die Bewegung hin zum Kommunismus kann nur über die zunehmende zentrale Planung und Zuteilung der Produktionsmittel erfolgen, keineswegs über Dezentralisierung und Eigenverantwortlichkeit („ökonomische Eigenständigkeit"). Damit wird objektiv ein „Zuviel" an Eigentümermentalität erzeugt und nicht ein „Zuwenig": Subjektiv erscheint dieses „Zuwenig" deshalb, weil man sich als „ökonomisch eigenständiger" Betrieb in seiner Entwicklung beständig von den „rigiden" Plan- und Preisvorgaben des Staates „gegängelt" sieht. Daraus entsteht auch auf subjektiver Seite der Druck in Richtung eines „freien" Marktes.

Schlussfolgerungen zum Revisionismus in Theorie und Praxis der DDR

Vor dem Hintergrund der ökonomischen Gesetze des Sozialismus gelangen wir zu folgender Schlussfolgerung in der Beurteilung der DDR: Der Inhalt der Produktion war durch die sozialistischen Eigentumsverhältnisse sozialistisch, aber die Leitung (Form) der Produktion erstarrte auf dem Weg zur Aufhebung des Privateigentums überwand nie ihre „wertmäßige Schlagseite". Zwar wurde im Grundsätzlichen die Produktion nach dem Proportionalitätsgesetz geplant, aber die Tendenz zur gesamtgesellschaftlichen Planung wurde mit dem Übergang zum NÖSPL nicht weitergeführt und dies wirkte negativ auf die Produktion zurück. „Sozialistische Warenproduktion" implizierte ein Wirtschaften in an das Kollektiveigentum an den Produktionsmitteln angelehnter Form (ein „Kompromiss" zwischen Gruppen- und Staatseigentum). Dies fand seinen theoretischen Ausdruck in einer künstlichen Trennung der höheren Phase des Kommunismus vom Sozialismus als „relativ eigenständiger Gesellschaftsform". Die Herstellung gesamtgesellschaftlich einheitlicher Produktions-verhältnisse verschwand aus der Zielsetzung/Orientierung der Wirtschaftspolitik, an die Stelle sukzessiver Aufhebung der Warenproduktion trat die Vervollkommnung und Planung der Ware-Geld-Beziehungen. D.h. man begnügte sich mit dem erreichten Vergesellschaftungsgrad der Produktion (politisch ging dies übrigens mit der falschen Thesen einher, der Sozialismus habe unwiderruflich und im Weltmaßstab gesiegt) und versuchte, die verbliebenen Eigentumsformen als einheitliche zu interpretieren und (folglich) zu behandeln, kurz: auch die Warenproduktion zu planen.

Die verschiedenen Begründungen für „faktische" Existenz der Warenproduktion im Sozialismus bzw. die noch existierende Warenproduktion wie auch die staatliche Produktion gemeinsam als „sozialistische Warenproduktion" auszugeben bedeutet eine Verletzung der marxistischen politischen Ökonomie. Die Annahme „sozialistischer Warenproduktion" verfälscht zum einen die ökonomische Analyse Marxens, der im ›Kapital‹ die Selbstbewegung des Privateigentums, seine Entstehung, Kapitalisierung und schließliche Aufhebung im gesellschaftlichen Eigentum nachwies, und ignoriert zugleich die neuen Erkenntnisse über die Gesetzmäßigkeiten jener Aufhebung des Privateigentums, wie sie im Zuge des sozialistischen Aufbaus in der Sowjetunion gewonnen und in den ökonomischen Schriften Stalins, wie auch verschiedener anderer Ökonomen und später in den Lehrbüchern zur politischen Ökonomie des Sozialismus verallgemeinert wurden. Unsere Kritik an der revisionistischen Politökonomie des Sozialismus lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

In der DDR wurde das Wertgesetz ab 1963 als ahistorisches Abstraktum behandelt, was in jeder arbeitsteilig produzierenden Gesellschaft wirke und das es daher zu „beachten" gelte. Die sozialistische Produktion wurde per se als „Warenproduktion" bezeichnet, was aber theoretisch falsch ist und Ausdruck der Nichtableitung der Warenproduktion im Sozialismus aus den Eigentumsverhältnissen, d.h. aus dem teilweise noch bestehenden Privateigentums in der DDR war. Warenproduktion war auch Ausdruck der Tatsache, dass das Kollektiveigentum (insbesondere in Handwerk und Landwirtschaft) noch nicht auf das Niveau des staatlichen Eigentums (vollständige Planung) gehoben war. Zugleich wurde das Staatseigentum ab 1963 selbst in den Formen des Privateigentums (Perspektivplanung, Prognostik usw.) theoretisch gefasst und z.T. auch praktisch gehandhabt („Eigenverantwortlichkeit", später „relative ökonomische Selbstständigkeit" der Betriebe.)

Die Theorie der „sozialistischen Warenproduktion" verwischt die Klassenfrage, nämlich warum und in welchen Formen Warenproduktion im Sozialismus existiert und wie weit sie geduldet und ausgenutzt werden kann und wann sie endgültig aufgehoben werden muss. Die Theorie „sozialistischer Warenproduktion" ist Ausdruck der Tatsache, dass aufgrund der konkreten historischen Bedingungen (wirtschaftspolitischer Revisionismus in der Sowjetunion) das Bestreben entstand, um des Friedens und eigenen Weiterbestehens willen (Einheit mit der Sowjetunion) mit dem Privateigentum und der Warenproduktion anders zu verfahren, als die politökonomischen Gesetze, die Gesetze des Klassenkampfes, die Gesetze des sozialistischen Aufbaus, es verlangen.

Aufgrund der falschen Theorie „sozialistischer Warenproduktion", deren Korrektur zunächst eine Kritik des revisionistischen, die Warenproduktion wiederbelebenden Kurses der Sowjetunion hätte einschließen müssen, konnten reale Fehlentwicklungen der Produktion/Distribution, innere Ansätze eines Rückfalls zur Warenproduktion und damit ökonomische Grundlagen für eine politische Konterrevolution nicht erkannt werden oder nicht als das erkannt werden, was sie waren. Oder es wurde zu spät erkannt, was sie waren, und Gegensteuern blieb auf der Ebene der Symptombehandlung. Z.B. verweisen ehemalige Mitarbeiter des MfS immer wieder darauf, dass sich die Partei- und Staatsführung zunehmend gegenüber Hinweisen auf grundsätzliche Fehler in der Wirtschaftspolitik verschloss, deren gesellschaftliche Auswirkungen dann u.a. vom MfS „aufgefangen" werden mussten.

Wir sehen also, der DDR-spezifische Revisionismus in der Theorie wie der Opportunismus gegenüber dem „ökonomischen Muttermal" Privateigentum in der ökonomischen Praxis war ein Lavieren in den engen Grenzen des Kräfteverhältnisses zwischen Imperialismus und dem immer wieder dem Revisionismus Vorschub leistenden Kurs der KPdSU. Die Entwicklung der DDR in ihren verschiedenen Phasen spiegelte nicht nur die objektiven Gesetze des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus bzw. deren Kräfteverhältnis wider, sondern auch die Abweichung der KPdSU-Führung von den Prinzipien des Marxismus-Leninismus. Damit wurden auch in der DDR revisionistische Tendenzen wiederbelebt. Soweit Abweichungen von marxistisch-leninistischer Ökonomie in Theorie und Praxis übernommen wurden, was das im wesentlichen den objektiv eingeschränkten Entwicklungsmöglichkeiten „zwischen" Imperialismus und dem hinsichtlich der Entwicklung der Produktionsverhältnisse stagnierenden Sozialismus der Sowjetunion geschuldet, d.h. subjektive Fehler sind als diesen untergeordnet zu qualifizieren. Nur eine Korrektur des revisionistischen Kurses der Sowjetunion hätte es der DDR-Führung erlaubt, die „mitgemachten" Fehler ebenfalls langfristig zu korrigieren und den sozialistischen Aufbau zu stabilisieren.

Andrea Schön, Essen; Gerald Hoffmann, Berlin

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Geschichtsrevisionismus

Prof. Dr. Horst Schneider: „Erinnerungsschlacht" in den Farben Sachsens

Anmerkungen zur Erinnerungspolitik in Sachsen

Den Begriff „ Erinnerungsschlacht" leihe ich mir von Norbert Frei, der in einem Artikel in „ Die Zeit" vom 21. Oktober 2004 den Titel „ Die Erinnerungsschlacht um den 60. Jahrestag des Kriegsendes hat begonnen" wählte.

In diesem Beitrag möchte ich den Meinungsstreit darüber anregen, worin das „amtliche" Ziel der maßgebenden politischen Gruppen in Sachsen besteht, welche Mittel eingesetzt und Wege beschritten werden, um die gewünschte Erinnerungspolitik durchzusetzen, und warum diese Politik, die seit fünfzehn Jahren durch die CDU – Regierung betrieben wird, gründlich überprüft werden sollte. Die Vorgänge um die NPD im sächsischen Landtag sind ein zusätzlicher Grund. Wenn ich mich auf Sachsen konzentriere, heißt das nicht, dass sich die Erinnerungspolitik in Sachsen prinzipiell von der in anderen „ neuen" Bundesländern unterscheidet.

Wie Bernd Faulenbach feststellte, wird die gegenwärtige Erinnerungspolitik u.a. durch die Suche nach „europäischer Identität" gekennzeichnet. Dabei müsse – er beruft sich auf Bernd Rüsen – Erinnerung auf die Gegenwart bezogen, eben „vergegenwärtigt"werden. Dabei dürfe das Erinnern „ hochgradig selektiv" erfolgen. In der Tat: Solche Feststellungen deuten auf einen „ Perspektivenwechsel im Hinblick auf die Vergangenheit" hin. Und da beginnen die Fragen: Worin besteht die „ europäische Identität"? Handelt es sich um eine „ Identität" der europäischen Völker, Staaten oder Menschen? Wer ist Subjekt der „ Identität", und wer bestimmt sie mit welchen Mitteln? Wer wählt die Fakten „ hochgradig selektiv" aus, um sie zum Gerippe welchen Geschichtsbildes zu machen?

In einem Buch, das von der Konrad – Adenauer – Stiftung herausgegeben worden ist , äußerte sich Jörg – Dietrich Gauger zu „ Geschichte als Instrument" (er meinte das Geschichtsbild, Geschichte kann nicht verändert werden): „ Mit Geschichte lassen sich Skandale kreieren, die Welt in `anständig` und `unanständig` einteilen, in `gut` und ` böse`, lassen sich Debatten inszenieren, die über Wochen die Feuilletons beschäftigen und mediale Präsenz ermöglichen. Mit Geschichte lässt sich von ` harten` Problemen, die Detail und Umsetzung erfordern, ablenken zugunsten geistesgeschichtlicher Großwetterlage, in die man Zeitdiagnostisches nach Belieben einspeisen kann. Denn ihr Potential ist für alles gut: für das falsche Zitat, die unzutreffende Parallele, für das gewollte Missverstehen, den übertriebenen Vergleich, für vermeintliche Ursache und unterstellte Wirkung, für Ästhetik und Moral, für Vorbild, negativ oder positiv, für die Sehnsucht nach historischer `Verortung` angesichts zunehmender Innovationsdynamik, gar nach ` Identität`… Nicht der Vergleich selbst ist bedeutsam, bedeutsam ist die bildungsbürgerliche Pose, vergleichen zu können. Politische Wirkung gewinnen Vergleiche, Akzente, Bewertung von Abläufen oder Bewertung von Personen erst wirklich, wenn sie sich zu zeithistorischen Geschichtsbildern verdichten."

Das Zitat erleichtert uns das Verständnis für den Prozess des „ Perspektivenwechsels", der in Sachsen vor sich ging und den „ instrumentalen" Charakter der gewünschten Erinnerung.

In Sachsen wird seit 1990 vor allem versucht, die Tradition und das Gedenken für den Antifaschismus „ abzuwickeln" und mit Hilfe der Totalitarismus – Doktrin, den „ Diktaturenvergleich", die jüngste Geschichte zu „ bewältigen". Dabei werden die Geschichte der DDR verteufelt und die Verbrechen des Faschismus relativiert. Beides geschieht nicht im Selbstlauf oder im Ergebnis wissenschaftlicher Erkenntnisse. Den Auftrag zur „ Abwicklung" des Antifaschismus gab der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble im Oktober 1990.

Die Totalitarismus – Doktrin wurde in die DDR exportiert und erfuhr eine Art Renaissance.

Die Spezifik in Sachsen bestand u.a. darin, dass der Kern der Doktrin, die Gleichsetzung von Hitlerfaschismus und DDR, in die Präambel der sächsischen Verfassung aufgenommen wurde, in der es heißt „ausgehend von den leidvollen Erfahrungen nationalsozialistischer und kommunistischer Gewaltherrschaft…" (Der Vergleich der „ leidvollen Erfahrungen" der 1945 und 1990 in Sachsen Regierenden wäre ein interessantes Thema.) Ein Unikat Sachsens ist zudem die Existenz des Hannah–Arendt–Instituts für Totalitarismusforschung an der Technischen Universität Dresden, das am 17. Juni 1993 (!) unter dem Einfluss von CDU – Politikern gegründet worden ist und in den letzten Jahren für manche Schlagzeile gesorgt hat. Die zentrale Aufgabenstellung des Instituts, der „ Diktaturenvergleich", spiegelt sich auch im sächsischen Gedenkstättengesetz wider, dessen Kopie von der CDU in den Bundestag eingebracht wurde und am 30. Januar 2004 (!), dann am 17. Juni 2004 (!) für ganz Deutschland beschlossen werden sollte. (Der Antrag scheiterte vorerst.) Die ersten Sätze der Drucksache 15/ 3048 lauten: „Förderung von Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland –Gesamtkonzept für ein würdiges Gedenken aller Opfer der beiden deutschen Diktaturen. Der Bundestag wolle beschließen: Zu den konstitutiven Elementen des wiedervereinigten Deutschland gehört das Gedenken an alle Opfer der beiden totalitären Diktaturen des 20. Jahrhunderts: Nationalsozialismus und Kommunismus".

Die Absicht und die Folgen einer solchen Erinnerungspolitik sind also zu prüfen.

Anfang 2004 führte der Streit um das sächsische Gedenkstättengesetz zu einem Eklat, in dessen Ergebnis die Arbeit der der sächsischen Gedenkstättenstiftung von den Vertretern der Verbände der Opfer der Hitlerdiktatur boykottiert wird.

Auch hier zeigte sich: Allzu straff gespannt, zerspringt der Bogen. Der Perspektivenwechsel, von dem Bernd Faulenbach schrieb, begann in Sachsen 1990 mit der Tilgung von Namen von Hitlergegnern an Straßen, Plätzen und Schulen. In Dresden gehörten auch verdienstvolle Sozialdemokraten wie Otto Buchwitz, nach 1945 Landtagspräsident, und Dr. Rudolf Friedrichs, erster Nachkriegsministerpräsident, Persönlichkeiten wie Dr. Salvador Allende und Julius Fucik, zu den nun Geächteten. Manche von ihnen wurden in regierungsoffiziellem Auftrag verleumdet. Dieser Vorgang ist fünfzehn Jahre später aktuell.

Im Jahre 2004/ 2005 jähren sich 60. Jahrestage des – selektiven –Gedenkens. Die Männer des 20. Juli wurden in Dresden – zu Recht – offiziell im Landtag und an den Gräbern der Generale Oster und Olbricht und in einer Ausstellung geehrt. Die VVN/ BdA beteiligte sich traditionell an der Ehrung gemäß dem moralischen Gebot: „Wer auch nur einen kleinen Finger gegen Hitler und den Krieg gerührt hat, aus welchem Motiv und mit welcher Zukunftsabsicht auch immer, er gehört in die Ahnengalerie der deutschen Geschichte."

Am 60. Jahrestag der Ermordung Ernst Thälmanns, am 18. August 2004, fand kein „Staatskult" statt, und Professor Dr. Pommerin ließ in der Sächsischen Zeitung drucken, er habe auf der Gedenkveranstaltung des Freistaates am 20. Juli „ sämtliche oppositionellen Kräfte der Nazizeit gewürdigt", aber Thälmann absichtlich nicht erwähnt, weil er kein „Spitzenwiderständler" gewesen sei.

Muss diese „ Spitzenleistung" eines neusächsischen Historikers kommentiert werden? Am 60. Jahrestag der Hinrichtung des Reichstagsabgeordneten Georg Schumann, nach dem die Mahn – und Gedenkstätte Münchner Platz bis 1990 benannt war, am 11. Januar 2005, fanden sich vier Bürger und eine zufällig vorbei kommende Studentin zur Ehrung ein. Könnten solche Tatsachen Bernd Faulenbach dazu geführt haben, zaghaft zu mahnen, „den frühen Widerstand, - und zwar nicht nur den zum 20. Juli führenden - in der deutschen Erinnerungskultur nicht zu vergessen, sondern ihn wieder (!?) zu einem der Inhalte des aktiven Gedächtnisses zu machen?

Wer könnte sich diesem Vorschlag Faulenbachs verweigern und warum? Zweifellos ist Faulenbach zuzustimmen, wenn er an Beispielen demonstriert, „dass die Erinnerungskultur nicht ein – für allemal fixiert ist, sondern ihre Bestandteile, ihre Struktur und selbst ihre Formen in der Diskussion sind." Aber damit ist noch nichts Über die politischen Absichten der Akteure und die Ziele und Inhalte des „Wandels" gesagt. Faulenbach postuliert: Es stellt sich die Frage, „welche Erinnerungen gesamt-gesellschaftlich, gruppenbezogen oder auch national so bedeutsam sind, welche weniger bedeutsam oder zu vernachlässigen sind." Diese Frage stellt sich nicht von selbst.

Bei uns in Sachsen wurde diese Frage nach 1990 durch die CDU- Mehrheit gestellt und beantwortet. Sie hat sich mit Hilfe des umstrittenen Gedenkstättengesetzes die „juristische" Grundlage und mit Hilfe des Hannah – Arendt – Instituts und den umgewandelten Gedenkstätten die personellen und strukturellen Mittel geschaffen, mit denen die Vergangenheit der „ zwei Diktaturen" „ hochgradig selektiv" dargestellt wird. Hier ist nicht der Platz, umfassend den Gründungsprozess, die staatlich vorgegebene Aufgaben, die konfliktreiche Geschichte und die Arbeitsergebnisse des Instituts zu analysieren. Hier soll lediglich darauf aufmerksam gemacht werden: Gegenstand der Forschung und der bisher etwa 80 Buchpublikationen sind Themen zum Thema „Unrechtsstaat" DDR. Als Helmut Kohl als Ehrengast zum zehnjährigen Jubiläum des Instituts in Dresden weilte, forderte er die Totalitarismusforscher in Dresden auf, drei historische Daten in den Mittelpunkt ihrer Arbeit zu stellen, den 20. Juli 1944, den 17. Juni 1953 und den Herbst 1989. Zwei der Ereignisse spielten sich in der DDR ab.

Ob und welche Bücher, Zeitschriftenbeiträge, Reden und Fernsehauftritte der Mitarbeiter dazu beigetragen , der braunen Flut in Sachsen entgegenzuwirken, müsste gesondert untersucht werden. 16 Professor Dr. Besier, der Direktor des Instituts, bekannte in der Fernsehsendung Arte am 27. Januar 2005: Wir hätten uns früher mit dem Thema beschäftigen müssen. Auf eigene Leistungen in der Auseinandersetzung mit dem Neofaschismus verwies er nicht.

Werfen wir einen Blick auf den Inhalt und einige Ergebnisse des „ Diktaturenvergleichs". Der wichtigste „authentische Ort" dafür ist in Dresden das frühere Landgericht, das in der DDR Mahn– und Gedenkstätte und nach 1990 Gedenkstätte Münchner Platz wurde. Die Heftigkeit der Auseinandersetzung spiegelt sich bereits in der Literatur wider.

Am Dresdner Landgericht sind vor und nach 1945 von Richtern Todesurteile gesprochen worden. Beweist das, dass sie „ Opfer der zwei totalitären Diktaturen" waren? Seit Sommer 2003 ist auf der Erinnerungstafel an der ehemaligen Richtstätte zu lesen: „ Während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden über 1.300 Menschen am Münchner Platz hingerichtet. Von 1945 bis 1952 wurden im Richthof über 15 Todesurteile sächsischer Gerichte vollstreckt, vorrangig gegen Beteiligte an nationalsozialistischen Tötungsverbrechen." Diese Zahlenvergleich steht unter dem Leitsatz am Eingang zur Gedenkstätte, der verkündet, dass hier „ der Widerstand gegen die Diktaturen und der Missbrauch des Rechts an diesem Ort im national-sozialistischen Staat und in der SBZ/ DDR" erforscht und dargestellt würden.

Prüfen wir das Ergebnis des Vergleichs (der de facto eine Gleichsetzung ist): Von den 15 „ Opfern" nach 1945 sind zwei Mehrfachmörder (mit schwerem Raub), dreizehn Kriegsverbrecher, deren Verbrechen in rechtsstaatlichen Verfahren nachgewiesen wurden. Einer der Kriegsverbrecher war der NSDAP – Kreisleiter von Görlitz, Bruno Malitz, dessen verbrecherisches Wirken (Abbrennen der Synagoge, Judenpogrom und Deportation, Misshandlung von KZ-Häftlingen und Kriegsgefangenen) mir als Görlitzer seit meiner Kindheit bekannt sind. Ein anderer der in der SBZ/ DDR Verurteilten ist Professor Dr. Hermann–Paul Nitsche, einer der schlimmsten Euthanasie–Mörder von Pirna Sonnenstein. Wenn sie und die anderen unter den 15 Genannten „ Opfer" sind, dann sind sie Opfer der eigenen Verbrechen, die in Nürnberg, Landsberg und Dachau auch gesühnt worden wären. Faulenbach formuliert als eine Art kategorischen Imperativ: „Das stalinistische Unrecht darf die NS–Verbrechen nicht relativieren, die NS–Verbrechen dürfen das stalinistische Unrecht nicht bagatellisieren." Aber eben das geschieht.

Bleiben wir am Münchner Platz: Zu denjenigen, die von Nazijuristen unter das Fallbeil geschickt wurden, gehörten Dr. Margarete Blank, die sowjetischen Kriegsgefangenen geholfen hat, und der schon erwähnte Reichstagsabgeordnete Georg Schumann, der eine große Widerstandsgruppe „ Freies Deutschland" im mitteldeutschen Raum organisiert hatte. Es muss eine Beleidigung für Antifaschisten sein, mit den Naziverbrechern auf eine Stufe gestellt zu werden. Und eben dieses unerträgliche „ Einebnen" der Hitleropfer mit den „Opfern" nach 1945 war der Hauptgrund für den Protest der Opferverbände, die das Vermächtnis der Naziopfer erfüllen wollen. In Sachsen haben sich die Auseinandersetzungen zugespitzt. Vor dem 60. Jahrestag der Befreiung häuften sich die Tagungen und Konferenzen, in denen nicht an die Naziverbrechen und ihre Urheber erinnert wurde, sondern die Alliierten auf die Anklagebank gesetzt wurden. Das XV. Bautzen – Forum am 13./ 14. Mai 2004 wählte als Thema „ Verfolgung unterm Sowjetstern. Stalins Lager in der DDR." An der Gedenkstätte Münchner Platz wurde vom 16. Oktober 2004 Ende des Jahres Die Ausstellung„ Verurteilt am Demmlerplatz. Sowjetische Militärtribunale in Mecklenburg – Vorpommern" gezeigt.

Am 20. Februar 2005 lud das Hannah – Arendt– Institut zu einem Forum „ Strategische und ethische Probleme des Bombenkrieges. Das Beispiel Dresden" in das Rathaus ein. Höhepunkt war der Auftritt Frederick Taylors, den Gerhard Besier moderierte. Taylor begründete wie in seinem Buch , dass die Zerstörung Dresdens einer „militärischen Logik" folgte. Es war nur folgerichtig, dass am folgenden 21. Januar 2004 die NPD – Fraktion im sächsischen Landtag der „ Opfer des Bombenterrors" zu gedenken versuchte, den Nazi- Opfern dagegen das Gedenken verweigerte. Es kam zu dem Eklat, der in den Medien und unter Politikern einen Sturm der Entrüstung auslöste. Besonders beleidigend war das (Un-) Wort vom „ Bomben-Holocaust", das der 31 jährige NPD – Abgeordnete Jürgen Gansel verwendete. (Unsereinem fällt wie Arno Lusiger in der Bundestagssitzung am 27.1.2005 allerdings der Auschwitz–Vergleich Joseph Fischers ein, mit dem der NATO–Einsatz der Bundeswehr in eine „ humanitäre Intervention" verwandelt wurde.)

Die genannten und andere Veranstaltungen reihen sich ein in die Film– und Bücherflut der letzten Monate, in denen die Deutschen aus „einem Volk der Täter" in ein „ Volk der Opfer" mutierten. Dieser Vorgang spiegelt sich auch in den Publikationen des Verlags „ Deutsche Stimme" wider, der jetzt nicht mehr von München, sondern von Riesa aus die Anhänger der NPD bedient.

Der Präsident des Bundestages, Wolfgang Thierse, erklärte das so: „ Ihre Köpfe (gemeint sind die Neonazis, H.S.) kommen aus anderen Regionen Die Neonazi-Ideologen aus dem Westen und Süden haben sich Sachsen geradezu strategisch ausgesucht in der Überzeugung, dass sie dort auf eine verunsicherte Bevölkerung treffen und anknüpfen können an Prägungen aus kommunistischer Zeit. Das hat man im politischen Alltag lange nicht ernst genug genommen." Das sind Behauptungen, die zu Fragen zwingen: Wo und wie konnten denn die Neonazis gedeihen, ehe sie nach Sachsen kamen? Wer hat denn wie die sächsische Bevölkerung „verunsichert"? An welche Prägungen aus „kommunistischer Zeit" knüpfen denn die Neonazis an? Wer hat sie denn lange nicht ernst genommen? Solche Fragen sind sowohl an sächsische CDU–Politiker zu stellen, die jahrelang behauptet haben, in Sachsen gebe es keine Gefahr von rechts (um so mehr von „ links") als auch an diejenigen, die ungeniert die Sprache der Neonazis übernommen hatten.

Der Landtagsabgeordnete der Grünen, Dr. Karl -Heinz Gerstenberger, erklärte in der Diskussion, dass die Neonazis lückenlos an die Ideologie der Nazis anknüpfen. Das reizt zu der Frage, um welche Weltanschauung es sich gehandelt hat. Verkürzt: Hitler und die Seinen haben nicht nur Gönner unter den wirtschaftlich Mächtigen gehabt (von denen sich einige auf der Nürnberger Anklagebank wiederfanden), er wurde nicht nur durch die Unzufriedenheit von Millionen in der Weltwirtschaftskrise begünstigt, sie hatten auch eine „konsistente Weltanschauung".

Die Sicherung der Absichten des kriegssüchtigen Kapitals und die Bedingungen für einen Revanchekrieg waren Bestandteil der Weltanschauung. Zu ihren Elementen gehörten der Antisemitismus, die Rassentheorie, der Antikommunismus, „ Lebensraum" im Osten. Breite Schichten des Bürgertums – Beamte, Lehrer, Pfarrer, Professoren, Geschäftsleute, nicht nur das „ Lumpenproletariat" - folgten begeistert Hitler, auch Offiziere. Keines der „ Kernelemente" der Nazi – Weltanschauung wurde von den Hitler und Goebbels erfunden. Nicht einmal der Schlachtruf „ Revanche für Versailles" war ihre Erfindung. Heute ist zu fragen: Welche Losungen und Argumente wurden in der NPD tradiert? Welche Hilfe erhielten die Neonazis aus der „ Mitte der Gesellschaft"? Hat der „ Paradigmenwechsel" nach 1990 dazu beigetragen, den Neofaschismus wachsen zu lassen? Hat die geforderte und geförderte Gedenkstättenpolitik Wasser auf die Mühlen der Neofaschisten geleitet? Die Frage ist selbst dann legitim, wenn sie negativ beantwortet würde. Warum wurden die Argumente der Rechtsextremen bisher „ in der Sache" nicht widerlegt, wie Wolfgang Thierse und Gerhard Besier in ähnlicher Weise bekunden?

Der konstruktive Streit um solche Fragen müsste meines Erachtens beginnen.

Bundespräsident Roman Herzog hatte nicht zufällig in Dresden und nicht zufällig am 13. Februar 1995 in der Dresdner Kathedrale gemahnt: „ Leben kann man nicht mit Leben aufrechnen, Schmerz nicht gegen Schmerz, Todesangst nicht gegen Todesangst, Vertreibung nicht gegen Vertreibung, Grauen nicht gegen Grauen, Entwürdigung nicht gegen Entwürdigung. Menschliches Leid kann nicht saldiert werden. Es muss überwunden werden durch Mitleid, Besinnen und Lernen." Wer oder was zwingt die Betreiber der „Gedenkmaschine" ihre unheilvolle „Erinnerungsschlacht" endlos fortzusetzen? Warum? Zu welchem Ende?

Prof. Dr. Horst Schneider, Dresden

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Berichte von unseren Irak-Veranstaltungen

Wolfgang Herrmann: Freiheit für das irakische Volk

Die antisektiererische Regionalgruppe Uckermark des „Rotfuchs" hatte die Idee, Michael Opperskalski für drei Tage einzuladen. Gemeinsam mit der PDS und der DKP der Uckermark organisierte sie Veranstaltungen in Schwedt, Templin und Prenzlau zum Thema „Irak – Besatzung und Widerstand". Die Vortragsreihe war ein Volltreffer. Wir, die organisierten Linken der Uckermark, sind uns einig, auf dieser Linie der Gemeinsamkeit fortzufahren. Wir wollen miteinander und nicht gegeneinander arbeiten.

Ein bißchen Geschichte. Die Uckermark ist mit 3058 Quadratkilometer flächenmäßig der größte Landkreis der Bundesrepublik und der am dünnsten besiedelte. Als sie 1945 von der Roten Armee befreit wurde, war sie eine verarmte Region. In den Jahren des sozialistischen Aufbaus entstand dort eine stabile Agrar-Industrie-Wirtschaft. Nachdem die vom deutschen Imperialismus organisierte Konterrevolution der Uckermark Freiheit und Demokratie gebracht hatte, wurde der Landstrich das Armenhaus der Bundesrepublik. Permanent 30 Prozent Arbeitslose und eine niedrige Kaufkraft herrschen hier. Fast 35.000 zumeist junge Leute haben die Uckermark verlassen, um ihr Glück in der freien Welt zu suchen. Die regierenden Demokraten haben die Randregion aufgeben. Machten sie vor Jahren der Bevölkerung noch Glauben, daß die blühenden Gärten in Sicht seien, sprechen sie heute offiziell davon, daß die Uckermark zu den Gebieten des Landes Brandenburg gehöre, die in 50 Jahren einmal versteppt sein würden.

In dieser Region also bewegte sich Michael Opperskalski und brachte „andere Töne" mit. Der Inhalt seines Vortrages wurde vom Publikum aus einem breiten Spektrum linker Kräfte mit großem Interesse aufgenommen. Die Aussprachen waren durchweg leidenschaftlich. Unterschiedliche Auffassungen traten auf, ohne kontrovers ausgetragen zu werden. Die Atmosphäre war durch die Bank lebhaft und sachlich. Man respektierte sich einfach. „Ich fühle mich allein und wehrlos gegenüber dem, was die US-Amerikaner in der Welt anrichten", sagte eine Genossin. Und dann wieder: „Wir können etwas tun. Wir haben zu Beginn des Krieges demonstriert und werden es weiter tun." Einig war man sich darin, daß man die Verbrechen der USA-Krieger thematisieren muß und kann.

Die Vortragsreise von Michael Opperskalski trug dazu bei, die organisierten linken Kräfte der Uckermark wieder ein Stück näher zusammen rücken zu lassen. Anrufe und e-mails von Teilnehmern erreichten mich. Sie wollen zu weiteren Veranstaltungen eingeladen werden. Zwei Zuhörer kamen und wollen Mitglied der DKP werden. Alles das sind Bausteine, die uns ermutigen, weiter zu machen. Wolfgang Herrmann, Grünow

 

A. u. A. Vogt: Packender Vortrag über die Situation im Irak

Am 18. Januar konnten wir in Dresden den Genossen Opperskalski begrüßen, welcher im Rahmen der von „offensiv" angebotenen Veranstaltungsreihe mit einem packenden Vortrag über die Situation im Irak informierte. Mit klaren und deutlichen Worten schilderte Gen. Opperskalski die Lage im besetzten Gebiet und der arabischen Region. Er selbst hatte unmittelbar vor der Invasion eine Reise dahin unternommen und konnte so aus eigenem Erleben berichteten. Anhand von Dokumenten gab er einen Einblick in die aktuellen Strukturen des Volkswiderstandes und auch über die schändliche Quislingrolle der sogenannten „Irakischen Kommunistischen Partei" in der Marionettenregierung in Bagdad.

Die Veranstaltung fand im Rahmen der regelmäßigen Marxistischen Schulung statt und sie war gut besucht. Das Publikum lauschte mit großem Interesse und hoher Disziplin. Am Ende gab es eine ergreifende Videovorführung; einen Aufruf der irakischen Freiheitskämpfer an die US-amerikanischen Soldaten.

Im Saal waren sich alle einig, daß Solidarität mit dem um seine Selbstbestimmung kämpfenden irakischen Volk sowie weitere Aufklärung und Unterstützung hierzulande notwendig sind. Als Beitrag zu den Reisekosten des Referenten sammelten die Anwesenden fast 70 EUR. Herzlichen Dank dem Genossen Opperskalski für diesen engagierten, informativen und überzeugenden Vortrag. André und Andrea Vogt, Dresden

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Resonanz

Heinz Hoffmann: Noch einmal: Probleme im Osten

In Heft 7/2004 von Offensiv erschien der Leserbrief von Ronny Hirsch: Probleme im Osten und Felix Bartels antwortete in Heft 9/2004 mit seinen eigenen Betrachtungen. Meines Erachtens reicht das nicht aus. Mir wird auch immer wieder die Frage gestellt: Wieso gibt es im Osten zwei kommunistische Parteien – und in Strausberg stehen wir dann Info-Stand neben Info-Stand oder auch schon mal mit einem gemeinsamen Stand, jeder auf seiner Hälfte.

In einem Satz kurzgefaßt, warum es zwei kommunistische Parteien in Ostdeutschland gibt: DKP und KPD trennen unterschiedliche ideologische Positionen.

Wie wäre es denn nun, wenn sich die Ostlandesverbände der DKP entschließen würden, zur KPD überzutreten? Es gibt z.Zt. nur einen Landesverband und einen Bezirksverband im Osten, in allen anderen „neuen" Bundesländern nur Vorbereitungsgruppen, aus denen Landesverbände entstehen könnten.

Die reale Situation, bezogen auf einen möglichen Übertritt der DKP-Mitglieder zur KPD ist genau umgekehrt: Die DKP mit ihren ca. 4000 Mitgliedern ist eine in der gesamten Bundesrepublik tätige Partei und die „Ostlandesverbände" sind Teil dieser Partei, wenn auch im Parteivorstand unterrepräsentiert vertreten. Die KPD mit sehr wenigen Mitgliedern ist nur auf dem Territorium zugelassen, das einst die DDR war. Für die „alten" Bundesländer gilt nach wie vor das Verbot der KPD - seit 1956. Die Wiedergründung der KPD in der DDR am 31. Januar 1990 wurde notwendig, nachdem die Sozialdemokratische Partei am 6. Oktober 1989 unter dem Namen SDP sich von der Vereinigungspartei von SPD und KPD, der SED, lossagte und der Sonderparteitag der SED im Dezember 1989 die Abkehr vom Marxismus-Leninismus einleitete.

Im Osten gibt es die DKP seit 1993. Also: Die „Ostlandesverbände" der DKP können gar nicht der KPD beitreten, so sie das wollten, wäre das das Ende der der DKP im Osten und die DKP nur noch eine West-Partei. Die Bemühungen des Parteivorstandes der DKP und des Zentralkomitees der KPD gingen in der Vergangenheit in eine andere Richtung. Die KPD-Mitglieder sollten aus ihrer Partei austreten und einen Aufnahmeantrag bei der DKP stellen, so die Vorstellung der DKP-Verhandlungsführer. Das wollte die KPD nicht, sie war für Vereinigung und die Ausarbeitung bestimmter Dokumente, die diesem Ziel dienen sollten. Eine Einigung kam nicht zustande.

Wie die Parteispitze der DKP ihr Verhältnis zur KPD gegenwärtig sieht, in welchen Positionen es ideologische Gegensätze gibt, wird in einer Information des Sekretariats des Parteivorstandes an diesen zur 3. Tagung des Parteivorstandes am 12./13. Juli 2003 deutlich. Nachfolgend ein auf das Wesentliche beschränkter Überblick.

Mit Auszügen aus dem Programm der KPD wird dargestellt, warum die KPD kein politischer Partner der DKP sein kann. So verwahrt man sich gegen den Anspruch der KPD, die einzige Partei in Deutschland zu sein, die ein marxistisch-leninistisches Programm besitzt, sie fühle sich als die „wahre" Kommunistische Partei in der Bundesrepublik. Großen Umfang nimmt die Polemik des Sekretariats des Parteivorstandes der DKP mit dem Teil des Programms der KPD ein, der dem Wirken Stalins als Theoretiker, Politiker und Generalsekretär der KPdSU gewidmet ist. Kritikwürdig erscheinen dem Sekretariat u.a. solche Feststellungen im Programm: „Der Marxismus-Leninismus, die Weltanschauung der Arbeiterklasse, ist die einzige Wissenschaft von der Gesellschaft. Der Marxismus-Leninismus ist das Konzentrat des neuen Denkens über die Entwicklung der Menschheit aus dem Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit". Weiter: „Die Große Sozialistische Oktoberrevolution zerschlug das einheitliche Weltsystem des Imperialismus für immer. Der gesetzmäßige Siegeszug des Sozialismus im Weltmaßstab begann und setzte sich bis zum Tode J.W. Stalins fort. Es bleibt eine historische Tatsache, dass die internationale kommunistische und Arbeiterbewegung unter ihren bolschewistischen Parteien und Führern siegreich war". Interessant auch die Kritik an Stalinscher Bündnispolitik, die wie folgt zitiert wird „Stalin erklärte 1934 >Wenn dieses Wirrwarr in den Ansichten und diese unbolschewistischen Stimmungen die Mehrheit unserer Partei erfasst hätten, so würde unsere Partei demobilisiert und entwaffnet dastehen<". Weiterhin missfällt der Programmabschnitt „In Anbetracht der Tatsache, dass die aktuellen Dokumente der PDS und auch die der DKP die Begriffe „Klassenkampf", „Diktatur des Proletariats" und „Partei neuen Typus" völlig aus ihrem Wortschatz gestrichen haben und das Wesen dieser wichtigen gesellschaftlichen Prozesse verschleiern und tabuisieren ist es notwendig, dass die KPD die richtige Orientierung klar und deutlich zu erkennen gibt wie sie es mit den Beschlüssen des 23. Parteitages tat".

Das Fazit der DKP-Spitze lautet: „Die KPD-Führung ist bemüht, die Politik der DKP zu diskreditieren. Dabei wird dies in der Regel immer als Kritik an einzelnen Vorständlern der DKP bzw. an einzelnen Beschlüssen des Parteivorstandes der DKP geäußert. Die Haltung der KPD zu Stalin führt in der Öffentlichkeit zu einer Diskreditierung aller Kommunistinnen und Kommunisten. Ihre Positionen widersprechen der Beschlusslage der DKP. Die KPD hat sich programmatisch und im Hinblick auf ihr Verhältnis zur Politik der DKP so entwickelt, dass aus unserer Sicht derzeit und auf absehbare Zeit keine Zusammenarbeit – auch nicht bei Wahlen – zwischen beiden Parteien möglich ist".

Heinz Hoffmann, Strausberg, 23.03.2005

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Samy Yildirim: Antwort an meine Kritiker, 2. Teil

Antwort auf Hansi Oehme, Berlin, und Gerald Hoffmann, Berlin. (Offensiv Nr. 7/2004)

1) Allgemeines zu den beiden Kritiken aus Berlin

Den beiden Zuschriften aus Berlin ist ungewollt deutlich anzumerken, wie sehr ich ins Schwarze getroffen habe: getroffener Hund bellt. Mir wird "Trotzkismus" genauso unterstellt wie "Freudianismus", "Idealismus", "Humorlosigkeit" und noch einiges andere mehr. Ich bedanke mich insbesondere bei Hansi Oehme für seinen unfreiwilligen Seelenstriptease: genau so wie er über mich herzieht, genau so ist er selbst zu sehen. Vielen Dank für den weitgehenden Einblick in sein geistiges Intimleben.

Um nun zur Sache selbst etwas zu bemerken, werde ich einige Punkte anführen, über die unbedingt eine Diskussion lohnt, die aber Hansi Oehme vermutlich allesamt "gestohlen" bleiben können. Vorab ein Tip an Hansi Oehme: die Anathematisierung des Häretikers befreit die kirchliche Lehrmeinung n i c h t von ihren Aporien. Umgangssprachlich ausgedrückt: aus den Augen, aus dem Sinn, deshalb aber n i c h t aus der Welt. Es ist ein untrügliches Zeichen von Solipsismus (= extremer subjektiver Idealismus), zu meinen, etwas sei deshalb belanglos, weil man selber es für belanglos hält. Vogel-Strauß-Politik ist weder Synonym für noch Ausdruck von Prinzipienhaftigkeit.

Im Folgenden werde ich einige Punkte erörtern, die wichtig genug sind, um sich mit ihnen dauerhaft und ernstlich zu beschäftigen. Diese dann mitgeteilten Erkenntnis im Hinterkopf behaltend, kann sich dann jeder selber davon ein Bild machen, was von den beiden Kritiken aus Berlin zu halten ist. Diese Punkte bilden nämlich den Hintergrund für den Disput, den Oehme und Hoffmann letztlich verweigern wollen, was aber schon einmal deshalb kontraproduktiv ist, weil sie zwar Motiv, nicht aber Mittel und Möglichkeiten haben, diese Disputverweigerung Anderen aufzuzwingen.

2) Denken und Handeln

Die Totalitätswissenschaft Philosophie (= Liebe zur Weisheit) wird in der Regel eingeteilt in reine theoretische Philosophie (die sich mit der Anatomie des menschlichen Denkens befaßt: Logik), angewandte theoretische Philosophie (die sich mit den Gesetzen der objektiv-real existierenden Außenwelt befaßt: Naturphilosophie) und praktische Philosophie (die sich mit dem menschlichen Handeln in der objektiv-real existierenden Außenwelt befaßt; vor allem: Ethik, Politik, Ökonomie).

Unter "Handeln" versteht Aristoteles eine "zweckmäßige Tätigkeit", deren Zweck "zum Grund für das Bezweckte" wurde.

Dass überhaupt von Handeln und Handlung(en) zu sprechen ist, liegt letztlich daran, dass die objektiv-real existierende Außenwelt kausal ist, aber nicht deterministisch. Wäre sie a-kausal, so würde es keine Ursache-Wirkung-Beziehung geben, und alles Tun und Lassen stünde in keiner Beziehung zueinander und zu etwaigen Vorkommnissen jedweder Art. Wäre die objektiv-real existierende Auenwelt deterministisch, so würde sie "durchgängig bestimmt" (Immanuel Kant, 1724 - 1804) sein, und es gäbe keinen "Platz für Kausalität aus Freiheit" (Kant), also für "Willensfreiheit" (Kant).

Insbesondere würden dann alle Strafgesetzbücher dieser Welt (also auch das der ehemaligen UdSSR) sinnlos und daher berflüssig sein, und es könnte niemals einem Menschen ein Vorwurf gemacht werden, weder im Hinblick auf sein Tun noch im Hinblick auf sein Lassen (insbesondere auch nicht den Angeklagten der Moskauer Prozesse).

Nun ergibt sich aber folgendes Problem der Erkenntnistheorie (diese philosophische Disziplin liegt auf der Grenze zwischen Logik und Naturphilosophie): zwar ist die Welt als solche objektiv-real existierend, existiert also außerhalb jeglichen menschlichen Bewußtseins und daher unabhängig davon, doch können wir nur über unsere jeweils individuellen Sinnesorgane von der objektiv-real existierenden Außenwelt Kunde erlangen, und diese Kunde mittels des jeweils subjektiven Bewußtseins verstehen, uns "ein Bild der Welt" machen, ein "Abbild" (Friedrich Engels, 1820 - 1895) des "Urbildes" (Engels), welche die Welt selber ist.

Der erste Philosoph, der dies erkannte, war Petrus Abaelardus (eigentlich: Pierre Abaelard de le Pallet, 1079-1142): er sprach zu Recht von einer "konstitutiven Leistung der menschlichen Subjektivität bei der Erkenntnis des Objektiven". Seitdem sind wir gezwungen zu fragen: "Wie können wir den Gegenstand, der unabhängig ist vom Subjekt, als wahren Gegenstand begreifen, wenn uns doch nur ein jeder Gegenstand mittels der subjektiven Vermögen der Sinnlichkeit und des Verstandes gegeben ist?" Seitdem haben wir zwischen Modus Subsistendi (= Weise des Seins) und Modus Intelligendi (= Weise des Erkennens) sowie zwischen Res Cogitans (= erkennendes Ding = Subjekt des Erkenntnisproze) und Res Cogitandum (= zu erkennendes Ding = Objekt des Erkenntnisprozesses) zu unterscheiden.

Damit war der naive erkenntnistheoretische Realismus widerlegt, welcher Abbild und Urbild miteinander identifiziert; damit aber auch der Plato'sche Universalienrealismus. Die Folge war zunächst ein Prozess gegen Petrus Abaelardus wegen Häresie (Sens, 1140) und ein lebenslanges Publikationsverbot; im weiteren aber wandten sich die mittelalterlichen Philosophen, Theologen allesamt, dem Platonismus ab und dem Aristotelismus zu, der von Albertus Magnus (eigentlich: Graf Albert von Lauenfeld, 1193 - 1280) re-formuliert und von seinem Meisterschüler Thomas von Aquin (1225 - 1274) vollendet wurde.

Der tiefere Grund für die heftige Reaktion der Kirche gegen die Erkenntnisse von Petrus Abaelardus war der, dass dann ja auch Gott, der Gegenstand des Glaubens, sich immer nur dem je einzelnen Menschen offenbare, und die über Gott gemachten Mitteilungen (die Dogmen der Kirche) dann immer als subjektiv gefärbt anzusehen seien (sogar dann, wenn der Papst oder ein Konzil über Gott sprechen), mithin von allgemein-gültigen und allein-seligmachenden Auslegung der Heiligen Schriften keine Rede sein konnte.

Nun schauen wir uns das Bewußtsein des Menschen etwas genauer an. Für Materialisten ist die von dem US-amerikanischen Arzt und Naturforscher Benjamin Rush in seinem Buch "Medical Injuries and Observations upon the Diseases of the Mind" (Philadelphia/Pennsylvania, USA, 1812) gemachte Feststellung bindend: "Das Gehirn ist das Organ des geistigen Lebens."

Das Bewußtsein des Menschen ist also nichts Immaterielles (wäre dem so, so würde in der Tat eine jede Beschäftigung mit diesen Fragen von Idealismus des sich damit Beschäftigenden zeugen, wie Hansi Oehme und Gerald Hoffmann weismachen wollen); vielmehr hat das Bewußtsein ein materielles Substrat, was von Lenin folgendermaßen formuliert wurde: "Das menschliche Denken ist eine - wenngleich sehr komplexe - Funktion des menschlichen Gehirns, das seinerseits das komplexeste uns bekannte Stück Materie ist."

An der Entschlüsselung von Aufbau und Funktionsweise dieses komplexesten uns bekannten Stückes Materie wird auch heute noch gearbeitet; einer der wichtigsten Vertreter der sog. Neurophysiologie war der russische Militärarzt Iwan Petrowitsch Pawlow (1849 - 1936, Nobelpreis 1904 für Medizin oder Physiologie). über diesen bürgerlichen Wissenschaftler und die Notwendigkeit einer Beschäftigung mit seinen Erkenntnissen bemerkte Lenin, dass die "ganz auerordentlichen wissenschaftlichen Verdienste Iwan Petrowitsch Pawlows von ungeheurer Bedeutung für die Werktätigen der ganzen Welt" sind. Diesem Urteil schließe ich mich an.

Ich empfehle - nicht nur Hansi Oehme und Gerald Hoffmann – die Lektüre des 2-bändigen Buches "Pawlow und Freud" des US-amerikanischen Philosophen Harry K(ohlsaat) Wells, vor 50 Jahren in den USA erschienen und kurz darauf auch in den Ländern des Warschauer Vertrages, dann dort aber nicht mehr aufgelegt. (Warum wohl nicht?) Der Band 1 ist "Iwan Petrowitsch Pawlow - Auf dem Wege zu einer wissenschaftlichen Psychologie und Psychiatrie" betitelt, und Band 2 "Sigmund Freud - Kritik auf der Grundlage der Erkenntnis von Iwan Petrowitsch Pawlow".

Es ist also keineswegs idealistisch, sich mit Denken und Handeln der Menschen zu befassen. Dies sollte insbesondere Gerald Hoffmann wissen, der zur Zeit an der Freien Universität Berlin Soziologie, Publizistik und Psychologie (sic!) studiert, was wir dem "Streitbaren Materialismus" Nr. 26 vom Mai 2004 entnehmen können.

Im "Streitbaren Materialismus" Nr. 26 vom Mai 2004, Seiten 165 bis 199, erschien ein Artikel "Zur Logik Luhmann'schen Systemdenkens" von Gerald Hoffmann. In derselben Ausgabe des "Streitbaren Materialismus" Nr. 26 vom Mai 2004, Seiten 15 bis 96, erschien auch ein Artikel "Deutscher Jihad (I)" von Philipp Emanuel Nassauer, der eines Antideutschen würdig gewesen wäre. Eine Distanzierung Hoffmanns vom Nassauer-Artikel ist mir nicht bekannt.

3) Wissenschaftliches Argumentieren und Zitieren.

Ausgangspunkt jeglichen wissenschaftlichen Argumentierens und Zitierens ist die Tatsache, dass die objektiv-real existierende Außenwelt nicht eo ipso erkannt ist, sondern erst durch einen Prozess der sinnlichen Wahrnehmung und der intellektuellen Verarbeitung der Sinneswahrnehmungen erkannt werden muss. Es gilt die Erkenntnis, dass kein Teil der Wahrheit irgendeinen anderen Teil der Wahrheit auszuschliessen vermag: "veritas veritatis n o n e s t adversa" (= "Die Wahrheit ist der Wahrheit k e i n Entgegenstehendes."). Daraus ergibt sich sofort, dass zuerst die Aristoteles'sche Frage "Stimmt das?" gestellt werden muss, bevor wir das in Rede stehende Urteil nun seinerseits zu beurteilen vermögen.

Jegliches Fragen nach etwaigen Motiven des Mitteilenden ist in Abhängigkeit vom Wahrheitswert des von ihm Mitgeteilten zu sehen, und kein Faktum ist aufgrund der Person des Mitteilenden abzulehnen, was schon in der Bibel steht (5. Mose 16,19): "Du sollst das Recht nicht beugen, d u s o l l s t d i e P e r s o n n i c h t a n s e h e n und kein Geschenk nehmen, denn das Geschenk blendet die Augen der Weisen und verkehrt die Worte der Gerechten." Es stellt einen enormen zivilisatorischen Fortschritt dar, dass im Judentum zu JHWH gebetet wird, JHWH möge sich anhören, was der Betende JHWH zu Gehöre bringt, nicht aber, JHWH möge sich ansehen, was der Betende JHWH zu Gesichte bringt.

Auch der Volksmund ist schlauer als Hansi Ohme und Gerald Hoffmann zu sein vorgeben: "Auch ein blindes Huhn findet mitunter ein Korn." Dies gilt ohne Ansehen der Person, also auch dann, wenn der ideologische Gegner sich mitteilt, etwa in Gestalt eines "imperialistischen Demokraten", er heiße Simon Wiesenthal, Arthur Koestler oder sonstwie.

Auch ist zwischen Zitat und Bewertung des Zitats zu unterscheiden. Wenn jemand etwas mitgeteilt hat, dann folgert daraus weder, dass es wahr ist noch dass es falsch ist, wir mögen vom Mitteilenden halten, was wir wollen. Schließlich ist niemand unfehlbar, was in der Philosphie folgendermaßen formuliert wird: "errare humanum est." (= "Irren ist menschlich.") Wenn Hansi Oehme und Gerald Hoffmann mir nicht Glauben schenken, dann vielleicht Karl Marx ("De omninus est disputantum." = "An allem ist zu zweifeln.") oder Kurt Gossweiler ("Tatsachen stehen höher als jede autoritative Äußerung.").

Der Irrtum macht vor niemandem Halt und spricht daher jeglichem Autoritätsglauben Hohn. Die Autoritätsgläubigkeit aber verleitet zum Nichtdenken, und der Nichtdenkende begibt sich selbst in die Hand seiner Feinde. Dies mögen nicht nur Hansi Oehme und Gerald Hoffmann bedenken, wenn sie sich die Frage stellen, wie es Chrustschow, Mikojan et alii in den Fünfzigern und Sechzigern und Gorbatschow, Jelzin et alii in den Achtzigern schafften, so viele an der Nase herumzuführen, und fortan nicht mehr so leichtfertig wie bisher von "Idealismus" sprechen, wenn jemand auf Fragen des Umgangs miteinander (und damit auf Fragen des Überbaus) zu sprechen kommt.

Selbstverständlich kann es sein, dass jemand etwas mitteilt, um damit das Publikum zu einer bestimmten Handlung zu veranlassen, um dem Publikum gewisse Schlüsse nahezulegen, um seine Sicht der Dinge zu "beweisen". Es kann aber auch schlicht sein, dass jemand die Wahrheit erkennen und mitteilen will, und das spricht - oder spräche - für ihn, denn (Johannes 8, 32): "Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird Euch frei machen."

Es ist immer kontraproduktiv, wenn jemand den Anspruch erhebt, die Wahrheit suchen und dann mitteilen zu wollen, dann aber selektiv an die Sache herangeht - nicht zuletzt deshalb, weil dies den Eindruck vermittelt, er beabsichtige eine Weißwaschung und habe etwas zu verbergen. Jedweder "index librorum prohibitorum" ist mit demokratisch-rechtsstaatlichen Verhältnissen prinzipiell unvereinbar. Dies festzuhalten ist deshalb so wichtig, weil die "offen-siv" von einer Organisation getragen wird, die sich "Verein zur Förderung demokratischer Publizistik" nennt. Oder wollen Hansi Oehme und Gerald Hoffmann etwa darauf hinaus, dass die zivilisatorischen Errungenschaften der bürgerlich-demokratischen Revolution nach dem Sieg der proletarisch-sozialistischen Revolution obsolet sein würden? Dies würde der denkbar negativsten Auslegung des Programms der Kommunisten Vorschub leisten.

4) Was kaum einer wissen will.

> Beispiel Nr. 1: Simon Wiesenthal.

Diese Überlegungen gelten natürlich auch für die "Die gleiche Sprache: Erst für Hitler - Jetzt für Ulbricht" betitelte Pressekonferenz von Simon Wiesenthal am 6. September 1968 in Wien, auf der die Namen und Lebensläufe von 39 hochrangigen Nazis mitgeteilt wurden, die auch nach dem Krieg Karriere machten, allerdings nicht im Westen, sondern in der SBZ/DDR, zumeist im Journalismus und im Erziehungsbereich. Simon Wiesenthal wollte damit im Stile der Totalitarismustheorie die "Gleichheit" von "Rot" und "Braun" "beweisen". Mit dem Verweis auf die Person des Mitteilenden und seine Motive verwerfen Hansi Oehme und Gerald Hoffmann die Mitteilung als irrelevant, wenngleich immerhin nicht als falsch.

Selbstverständlich will ich in keinster Weise in der Manier der Antideutschen behaupten, dass die nicht-jüdische Mehrheit der damaligen Deutschen etwa von der Shoa gewußt und diese gebilligt hätte. Da die nicht-jüdische Mehrheit der damaligen Deutschen nicht von der Shoa Kenntnis hatte und sie nicht billigte, und auch nicht gebilligt haben würde: zu diesem Ergebnis kommt jeder, der sich diesem Thema seris nähert, so auch der US-amerikanische Historiker jüdischen Glaubens Bryan Mark Rigg, Professor für Militärgeschichte an der American Military University in Manassas/Virginia, gegen Ende seines Buches "Hitlers jüdische Soldaten" (Schningh, 2003, ISBN 3-506-70115-0,). Das Buch entstand als Ergebnis mehrjähriger Recherchen, unter anderem von während der Jahre 1994 bis 1999 geführten Interviews mit über 100 von Hitlers jüdischen Soldaten; unter diesen befanden sich auch die SPD-Politiker Helmut Schmidt und Egon Bahr. Für diese Leistung erhielt er den William E. Colby Award 2003.

Wohl aber war die nicht-jüdische Mehrheit der damaligen Deutschen dem Versprechen der Nazis keineswegs abgeneigt gewesen, nach dem lange für sicher geglaubten Endsieg das Herrenvolk in Europa zu sein, und dies stellte eine schwere Belastung für die DDR dar. Ist es das, was meine Berliner Kritiker meinen, wenn sie erklären, die SED hätte halt eben mit den Menschen vorlieb nehmen müssen, die da waren? Wollen sie gar insgeheim den Antideutschen Recht geben, denen zufolge "die Deutschen" halt eben allesamt Nazis gewesen wären und dies auch immer bleiben würden?

Selbstverständlich ist jedem die Möglichkeit einzuräumen, sich weiterzuentwickeln. Aber soll das bedeuten, dass jeder genommen werden soll, der sich bewirbt? Ist hier keine Grenze zu ziehen, etwa im Hinblick auf das Ausmaß der jeweiligen Beteiligung am Dritten Reich, auf die Bedeutung des zu besetzenden Postens und die Glaubwürdigkeit der Reuebekundungen? Hatte Lenin sich nicht skeptisch geäußert über den Zustrom an bürgerlichen Spezialisten, die sich der neuen russischen Führung nach Ende des Interventionskrieges andienten? Hatten die Bolschewiki etwa keine schlechten Erfahrungen gemacht mit diesen Leuten, als deren Fürsprecher sich etwa Ordschinikidse betätigte? Ludo Martens kommt auch auf diese Sache zu sprechen in dem Buch, das Hansi Oehme mir zu lesen empfiehlt: "Stalin anders betrachtet". Hatte Stalin etwa nicht erklärt, je weiter man in der Sowjetischen Besatzungszone bzw. Deutschen Demokratischen Republik mit der Entnazifizierung gehe, desto besser werde es sein?

Ich greife den Fall von Gustav Just heraus. Dieser nahm als Leutnant der NS-Wehrmacht am Krieg gegen die UdSSR teil und war als Mitglied der Panzerjägerabteilung 156, 1 Kompanie, 2. Zug, beteiligt an der Erschiessung von 6 jüdischen Zivilisten am 15. Juli 1941 in der Nähe von Masilowka bei Cholm. Er erhielt unter anderem das Eiserne Kreuz I. Klasse, das Infanterie-Sturmabzeichen, die Ost-Medaille und das Verwundetenabzeichen in Schwarz.

Nach dem Krieg trat er in die SED ein, wobei er die vielen braunen Flecken seiner Vita verschwieg; es überprüfte auch niemand seine Story. In den Fünfzigern avancierte er zum stellvertretenden Chefredakteur der Wochenzeitung "Sonntag" und nutzte seine Stellung aus, um gegen "Personenkult" und "Stalinismus" zu wettern. Er unterstzte die parteifeindliche Gruppe um Janka und Harich aktiv und wurde 1957 verhaftet; dabei wurden seine Tagebücher aus dem II. Weltkrieg gefunden, und seine Vergangenheit als Nazi wurde bekannt. Verurteilt wurde er aber nur wegen staatsfeindlicher und konterrevolutionärer Aktivitäten, nicht aber wegen seiner Kriegsverbrechen, die als "unerheblich" (!) eingestuft wurden. Nach der "Wende" trat er in die SPD ein und fungierte 1990/91 als Alterspräsident des Brandenburgischen Landtages. Die Verfolgung seiner Kriegsverbrechen wurde wegen "Verjährung" eingestellt.

Nun stellen Hansi Oehme und Gerald Hoffmann die Frage, warum ich mich nicht für Nazis in der BRD interessiere. Ich weise diese geradezu Goebbel'sche Form des Nicht-verstehen-wollens zurück. Ich interessiere mich natürlich auch für die Karrieren von Nazis in der BRD; doch sprechen wir hier über den Revisionismus, und damit etwa über UdSSR und DDR, nicht aber über USA und BRD. Es missfällt mir, wenn Linke auf die Handlungen anderer Menschen zu sprechen kommen, nicht aber auf ihre eigenen Handlungen, und womöglich noch diese mit jenen entschuldigen wollen.

Des Weiteren ist jegliche Nachricht von Karrieren von Nazis in der BRD vom Typus "Hund beißt Mann": der Nazismus war eine Form des Faschismus, und dieser war (und ist) eine mögliche Variante der Sicherung bürgerlicher Klassenherrschaft. Die BRD aber ist ein bürgerlicher Staat. Wir dürfen uns also über die Karrieren von Nazis in der BRD nicht wundern: es ist dieselbe Sache.

Die DDR aber erhob einen kommunistischen Anspruch; also sollten wir hier erwarten, dass hochrangige Nazis und Kriegsverbrecher besser ausgesiebt worden wären. Ich betone ausdrücklich, dass ich nicht alle Deutschen zu Nazis stempele und sehr wohl zu differenzieren weiß zwischen kleinen und großen Fischen; ich habe mir daher die einzige seriöse westliche Stellungnahme zu diesem Thema herausgesucht. Im Großen und Ganzen war es schon so, dass die DDR die Kriegsverbrecher konsequenter verfolgte als die BRD dies tat; aber es gab eben auch Fälle, wo über die braune Vergangenheit hinweggesehen wurde, und dies nicht nur bei "kleinen Fischen". Jeder der 39 von Simon Wiesenthal seinerzeit präsentierten Fälle ist einer zuviel für einen Staat wie die DDR.

> Beispiel Nr. 2: Arthur Koestler.

Ein anderer damals bekannter Antikommunist war Arthur Koestler (1905 - 1983). Ein bezeichnenderweise weithin unbekanntes Buch von ihm erschien 1976 im New Yorker Verlag Random House: "The Thirteenth Tribe - The Khazar Empire and its Heritage" (ISBN 0-394-40284-7). In diesem Buch blätterte er die Ergebnisse der Khazarenforschung auf.

Demzufolge sind die meisten der heutigen Juden - inklusive er selber - gar keine Semiten, weder im Sinne der Bibel noch im Sinne der modernen Sprachwissenschaft. Vielmehr stammen die aschkenazischen Juden, welche den "bulk of modern jewry" (Koestler) stellen, von den Khazaren ab, einem Turkvolk, das nach dem Ende der spät-antiken Völkerwanderungszeit in der Don-Wolga-Kaukasus-Region (also da, wo der biblischen Völkerliste gem. Genesis 10 bzw. Jubilen 8-9 der Jafet-Nachfahre Aschkenaz sich niederließ) ein Reich gründete, das vom 6. bis zum 10. Jahrhundert n. Chr. hielt.

Dieses Reich spielte damals eine wichtige Rolle. Seine Herrscher heirateten sogar in die kaiserliche Familie zu Byzanz ein. Sie leisteten den entscheidenden Beitrag zur Abwehr des arabischen Angriffs auf Europa im Jahre 732 n. Chr. an der östlichen Flanke; an der westlichen Flanke bereitete ein fränkisches Ritterheer unter dem Kommando von Karl Martell im selben Jahre 732 n. Chr. den Arabern die entscheidende Niederlage, welche den Angriff auf Europa abwehrte. Des Weiteren brachten die Khazaren byzantinische Kultur nach Osteuropa.

Dieses Turkvolk der Khazaren bekehrte sich dann ab dem Jahre 740 n. Chr. zum Judentum, und blieb diesem Glauben auch dann noch treu, als es der erstarkenden "Alten oder Kiewer Rus" gegen Ende des 10. Jahrhunderts n. Chr. gelang, das Khazarenreich zum Einsturz zu bringen. Mit anderen Worten: die meisten der heutigen Juden sind gar keine Nachfahren des antiken Volkes der Bibel, sondern Verwandte etwa der Baschkiren, Mongolen und Uiguren. In der Turkologie spricht man denn auch konsequent von "musevi türkler" (= "Moses-Türken"), wenn man auf die heutigen ashkenazischen Juden zu sprechen kommt.

Da dies dem Mythos vom "auserwählten Volk" und vom "außerhalb der Geschichte stehenden Judentum" widerspricht, wurde und wird dieses Buch von den Zionisten gerne totgeschwiegen. Wenn ein Nichtjude sich erdreistet, auf diese Dinge hinzuweisen, dann wird er gerne des "Antisemitismus" geziehen, und es beginnt ein Autodafe, in dem es ausschlielich um Person und (mitunter diesem angedichteten) Motive des die Mitteilung machenden Nichtjuden geht; um die Sache selbst geht es dann nicht mehr, und das ist auch so gewollt. Beispiel: die Tirade "Moses und die Hamas" des Antideutschen Justus Wertmüller in der "konkret" vom September 1997, Seiten 42 bis 43, als kurz zuvor Werner Pirker in der "junge Welt" etwas über die Khazaren geschrieben hatte. Erkennen Hansi Oehme und Gerald Hoffmann sich hier wieder? Ich hoffe doch sehr, dass sie dies tun.

Nun enthält dieses Buch von Arthur Koestler eine Spitze gegen Stalin, die Kommunisten, die UdSSR und Rußland, weswegen wahrscheinlich auch viele Linke dieses Buch nicht kennen. Es hat etwas zu tun mit der russischen Mentalität und also abermals etwas mit Überbau. "Oblomowtum" ist die sprichwörtliche großrussische Trägheit, personifiziert durch den Romanhelden Oblomow, der erst gegen Mittag sich entschließen kann, aufzustehen, was ihn aber so ermüdet, dass er sich davon am Nachmittag erholen muss, sodass der Tag zu Ende geht, und Oblomow kriegt nichts erledigt. "Derschimordatum" ist der sprichwörtliche großrussische Chauvinismus, personifiziert durch den genauso korrupten wie brutalen und rassistischen Polizisten Derschimorda.

Wer sich kritisch mit der Geschichte der UdSSR auseinandersetzt, der wird feststellen, dass die Bolschewiki es versäumten, energisch gegen das Derschimordatum vorzugehen. Schlimmer noch: dieses wurde sogar noch gefördert. So steht das Jahr 1943 nicht nur für großartige Siege über die NS-deutsche Wehrmacht und die Wende im Krieg, sondern auch für den großrussischen Chauvinismus. Dies erkennen wir schon am Namen, der diesem Krieg von Seiten der Führung der UdSSR gegeben wurde: "Großer Vaterländischer Krieg"; nicht aber: "Großer Krieg zur Verteidigung des Sozialismus".

Im selben Jahr 1943 machte die Führung der UdSSR Frieden mit der russisch-orthodoxen Kirche, und das Patriarchat derselben - einstmals von Zar Peter I. aufgelöst - wurde wiedererrichtet. Im selben Jahr 1943 wurde die Internationale als Nationalhymne der UdSSR abgelöst durch ein Lied, das mit dieser Strophe begann: "Einen unzerstörbaren Bund freier Republiken hat auf ewig das große Ruland zusammengefügt. Es lebe die durch den Willen der Völker gebildete einige mächtige Sowjet-Union."

Wir sehen also, dass der Kampf insbesondere gegen den großrussischen Chauvinismus, das Derschimordatum, nicht zu den Stärken der Sowjetmacht gehört. Das war schon zu Zeiten Lenins und Stalins so, und später wurde es eher noch schlechter.

Nun ist der Zusammenhang zwischen Khazaren und Derschimordatum der, dass die Ergebnisse der Khazarenforschung eine Beleidigung darstellen, jedenfalls aus Sicht eines jeden Derschimordaisten. Es ergibt sich unter anderem, dass die Khazaren ein mächtiges Reich hatten zu einem Zeitpunkt, als die Vorfahren der Ostslawen noch als Analphabeten in den Pripjet-Sümpfen nomadisierten. Das Khazarenreich hatte in seinen besten Jahren mehr Einfluss auf Byzanz als später die Ostslawen, und diese wurden erst dann von Byzanz als Juniorpartner "entdeckt", als Byzanz sich die Khazaren vom Halse schaffen wollte.

Wir verstehen also schon, warum die Khazarenforschung in der UdSSR behindert wurde; Einzelheiten darüber breitet Arthur Koestler denn auch genüßlich aus in seinem Buch. Die anti-russische, anti-kommunistische, anti-sowjetische und anti-Stalin'sche Stoßrichtung ist klar erkennbar. Aber heißt das, dass wir Koestlers Buch mit Schweigen zu übergehen hätten, weil uns der Autor und seine Motive nicht passen? An den Fakten änderte dies nichts.

> Beispiel Nr. 3: Maximilien Rubel.

Dieser Antikommunist war Professor an der Centre d'Etudes Sociologiques in Paris. In dem von ihm herausgegebenen Buch "Karl Marx und Friedrich Engels zur russischen Revolution - Kritik eines Mythos" (Ullstein Materialien, ISBN 3-548-35187-5) bietet er uns viele Stellen aus dem Schriftgut von Marx und Engels an, aus denen unter anderem hervorgeht, dass diese entschiedene Gegner des großrussischen Chauvinismus waren und diesen als die reaktionärste mögliche Opposition zur bürgerlichen Gesellschaft, welcher ihnen damals bekannt war, geißelten. Die Präsentation ist so, dass der naive Leser glauben gemacht werden soll, Stalin wäre der Nachfolger des asiatischen Despotismus a la russe, den Engels in seinem Artikel "Zur auswärtigen Politik des russischen Zartums" (1890) beschrieb.

Wenn Hansi Oehme und Gerald Hoffmann ihre Kritik an mir ernst nehmen, dann müssen sie uns vorschlagen, jeden als "Trotzkisten" zu bezeichnen, der es wagt, zu diesen Thesen sich zu artikulieren. Dann aber wäre auch Stalin als "Trotzkist" zu bezeichnen, denn als auf Betreiben von Bucharin, Rykow et alii 1934 in der Prawda dieser Engels-Artikel abgedruckt wurde, setzte sich Stalin kritisch mit eben diesem Engels-Artikel auseinander.

Mehr noch: Hansi Oehme und Gerald Hoffmann müssten dann auch über Karl Marx den Stab brechen, denn dieser publizierte viele Artikel, in denen er sich ausführlich mit der "asiatischen Despotie a la russe" (wie Marx das russische Zartum nannte) auseinandersetzte, etwa in dem von dem schottischen Lord Urquhart in London herausgegebenen Periodikum "The Free Press"; und was war dieser Lord Urquhart anderes als ein "imperialistischer Demokrat" im Sinne von Hansi Oehme und Gerald Hoffmann?

> Beispiel Nr. 4: Leo Trepp.

Leo Trepp wurde 1913 in Mainz geboren und studierte dort jüdische Theologie; 1936 wurde er orthodoxer Rabbiner in Mainz. 1939 wanderte er nach England aus; nach dem Zweiten Weltkrieg zog es ihn in die USA, wo er auch heute noch lebt. Er ist auch heute noch als Vertreter der zionistischen Extremrechten aktiv. In seinem 1997 erschienenen Buch "Die Juden - Volk, Geschichte, Religion" (Rowohlt, ISBN 3-499-60618-6) stellt er die jüdische Geschichte und Gegenwart aus Sicht der zionistischen Extremrechten dar, was rassistische Ausfälle gegen die Araber unvermeidlich macht. Bemerkenswert für uns ist seine Behandlung der Ereignisse in Palästina in den Jahren 1945 bis 1948. Ich werde daher diese Ereignisse zuerst zusammenfassen und dann seine Sicht der Dinge vorstellen.

Nach dem Offenbarwerden der NS-Verbrechen an den Juden war die Verweigerung einer von den Zionisten angestrebten nationalen Heimstätte für die Juden schwer zu rechtfertigen gewesen. Tatsächlich kam es dann am 29. November 1947 zum Teilungsbeschluss der UNO-Vollversammlung und zum Abzug der Briten bis zum 15. Mai 1948. Weniger bekannt ist, dass die UdSSR den Zionisten sehr behilflich war. So bewertet Trepp die Rede des UdSSR-Außenministers Molotow vor der UNO-Vollversammlung als "zionistisch" und schreibt ihr großen Anteil am Zustandekommen der von den Zionisten angestrebten Entscheidung zu.

Die UdSSR liefert in großem Stil heimlich Waffen an die Zionisten, was diesen ermöglichte, den grösten Teil vormaligen britischen Treuhandgebietes Palstina zu erobern und die meisten Palstinenser zu ermorden oder zu vertreiben. Als die Regierung der UdSSR sich diesen Erkenntnissen nicht mehr entziehen konnte, stoppte sie im September 1948 diese illegalen Waffenlieferungen an die Zionisten, so dass David Ben Gurion im März 1949 einem Waffenstillstand zustimmen musste, ohne ganz Palästina erobert und alle Palstinenser "losgeworden" zu sein.

Die Geschehnisse in Palästina fanden ihren propagandistischen Widerhallt in der UdSSR. Etliche Prominente nahmen Stellung zu diesen Geschehnissen; viele so, wie etwa Nassauer in seinem Artikel "Deutscher Jihad (I)" im "Streitbaren Materialismus" Nr. 26 vom Mai 2004. Nun setzte eine Welle von Pseudonym-Enthüllungen ein; es stellte sich heraus, dass viele der Befürworter der anti-palästinensischen Verbrechen Juden waren, die allerdings seit vielen Jahren unter nicht-jüdischen Pseudonymen schrieben. Auf der Tagung des Schriftstellerverbandes der UdSSR im März 1949 nahm auch Stalin (als geladener Gast) teil und ergriff hierzu das Wort.

Stalin verurteilte energisch - die Pseudonym-Enthüllungen. Stalin ging gar nicht ein auf die illegalen Waffenlieferungen der UdSSR an die Zionisten und die von diesen damit an den Palästinensern begangenen Verbrechen. Auch die anti-arabischen rassistischen Ausfälle zahlreicher jüdischer Prominenter der UdSSR thematisierte Stalin nicht. (Zu den übelsten Hetzern gehörte Ilja Ehrenburg, der schon während des II. Weltkrieges eine rassistische Propagandakampagne zur Vernichtung aller Deutscher initiiert hatte, bis er dann seines Postens enthoben wurde.) Stattdessen verteidigte Stalin einseitig das Recht von Menschen, sich Pseudonyme zuzulegen und diese auch zu benutzen. Die Pseudonym-Enthüllungen bezeichnete Stalin wörtlich als "Antisemitismus".

Trepp seinerseits spricht von "Antisemitismus" - und meint damit die Einstellung der illegalen Waffenlieferungen der UdSSR an die Zionisten im September 1948! Die Waffenlieferungen selbst und ihr Gebrauch durch die Zionisten sind demnach völlig in Ordnung gewesen. Das Auftreten Stalins auf dem Schriftstellerkongress im März 1949 bezeichnet Trepp als "Heuchelei" Stalins, mit dem dieser seinen "Antisemitismus" kaschieren wollte. Erinnern diese Argumentationsmuster nicht sehr an die gegenwärtige Debatte über Antisemitismus, die von den Antideutschen mit gewissen Zielsetzungen geführt wird? Und erinnern Trepps selektiver Umgang mit Fakten und seine Bewertung derselben nicht sehr an Hansi Oehme und Gerald Hoffmann?

Wir wollen nicht verschweigen, dass es damals tatsächlich von Seiten gewisser arabischer Politiker, inklusive des Großmuftis von Jerusalem, Amin el-Husseini, Vernichtungsdrohungen gegen die Juden - und sogar Zusammenarbeit mit einigen Nazis - gab. Aber heißt das, dass an der Politik der damaligen UdSSR nichts falsch war und also nichts daran zu kritisieren sei? Und dürfen wir dann nicht Stellungnahmen von "imperialistischen Demokraten" hören? Wie aber wollen wir uns dann selber ein Urteil bilden?

> Beispiel Nr. 5: Arno Lustiger.

Arno Lustiger ist ein bürgerlicher jüdischer Industrieller, ein "imperialistischer Demokrat", der mit seinem Geld zahlreicher Froschungsarbeiten finanziert hat, insbesondere zum Thema NS-Verbrechen an den Juden; die Roma und Sinti, die die Nazis ebenfalls alle ermorden wollten, interessieren ihn weniger. In seinem Buch "Rotbuch: Stalin und die Juden. Die tragische Geschichte des Jüdischen Antifaschistischen Komitees (JAK) und der sowjetischen Juden." (Aufbau Taschenbuch Verlag, 1998, ISBN 3-7466-8049-2) legt er dem naiven Leser die Schlussfolgerung nahe, Stalin wäre ein zweiter Hitler gewesen und mit den Juden ähnlich umgegangen wie dieser. Lustiger zufolge sind die Juden gar nicht fähig, irgend etwas Böses zu tun und also immer die unschuldigen Opfer. Dies kennen wir von den Antideutschen, doch argumentiert Lustiger subtiler als diese.

Lustiger will darauf hinaus, dass ausnahmslos alle Juden, die im Sowjetland seit 1917 zu Schaden kamen, unschuldige Opfer von Antisemitismus geworden wären, und dass die Bolschewiki dies organisiert hätten, wobei Stalin der oberste Judenfeind gewesen wäre. Natürlich stellt Lustiger etwa Trotzki als unschuldig dar, und sogar die Kandidatur Stalins auf dem 13. Parteitag (Mai 1924) erscheint bei Lustiger als Ausdruck von Stalins "Antisemitismus"; schließlich hatte sich mit Trotzki (eigentlich: Lew Davidowitsch Bronstein, 1879 - 1940) ja schon ein Jude für das höchste Parteiamt beworben.

Ich weise diese Unterstellungen natürlich zurück. Aber soll das etwa heißen, es wäre mit der tatsächlich historisch anzutreffenden Judeophobie - speziell in Rußland, der Ukraine und dem Baltikum - nach der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution 1917 völlig Schluss gewesen und hier nichts weiter vorgefallen? Sollen wir, wenn wir uns von der Schuld der Angeklagten der Moskauer Prozesse überzeugt haben, annehmen, dass auch die nicht-prominenten Angeklagten aller anderen Prozesse allesamt zu Recht verurteilt wurden und es berhaupt keine Justizirrtümer gab, die auf welche Weise auch immer zustande kamen? Wenn dem so war: warum wurden dann die Säuberungen im November 1938 eingestellt, und warum kamen dann insbesondere Malenkow und Schdanow auf dem 18. Parteitag der KPdSU(B) im März 1939 so ausgiebig auf "Fehler", "Irrtümer" und "Überspitzungen" zu sprechen? Und warum halten es dann Ludo Martens ("Stalin anders betrachtet", Epo, 1994, ISBN 90-6445-728-X) und Kurt Gossweiler für nötig, wiederholt dazu Stellung zu nehmen?

(Der 3. Teil folgt im nächsten Heft; d. Red.) Samy Yildirim, Zaandam, Niederlande

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Aufruf

Solidarität mit dem irakischen Volk und seinem legitimen Widerstand!

Das irakische Volk ist tagtäglich das Opfer einer so genannten „Neuen Weltordnung", die durch die wachsende Aggressivität des Imperialismus charakterisiert wird. Die Konkurrenz der imperialistischen Hauptmächte verschärft sich, sie ringen immer aggressiver um eine Neuaufteilung der Welt, ihrer Absatzmärkte und Rohstoffe, die reaktionäre Formierung bis hin zur Faschisierung ihrer Gesellschaften und staatlichen Strukturen schreitet dementsprechend voran und jeder Widerstand gegen diese so genannte „Neue Weltordnung" soll mit allen Mitteln ausgetreten werden. Insbesondere in der rohstoffreichen Region des Nahen und Mittleren Ostens strebt der US-Imperialismus danach, seine absolute Dominanz gegen alle Konkurrenten zu erhalten und auszubauen. In diesem Sinne soll diese Region neu „geordnet" werden. Für das irakische Volk bedeutet dies: brutalste Besatzung nach einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, Zerstörung des Landes und Ausplünderung seiner Ressourcen, Folter, Mord und Terror durch die Besatzer.

Hiergegen hat sich das irakische Volk seit der völkerrechtswidrigen Besatzung seines Landes von Beginn an erhoben. Sein Widerstand entwickelt sich dynamisch und auf allen Ebenen. Dies schließt den legitimen bewaffneten Widerstand ein, der u.a. auch durch Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen gedeckt wird.

Um den wachsenden Widerstand des irakischen Volkes zu brechen, setzen die von den USA geführten Besatzer immer brutalere Methoden ein: willkürliche Massenverhaftungen und Folter, die Einrichtung von Konzentrationslagern, eine Kriegführung gegen den Widerstand, die darauf abzielt, den Irak in Schutt und Asche zu bomben, der Einsatz international geächteter Massenvernichtungswaffen einschließlich von Giftgas wie in Falludscha oder die Ausschaltung von politischen Führern des irakischen Widerstandes wie durch die Verhaftung des Vorsitzenden der „Irakischen Patriotischen Allianz", Abduljabbar al-Kubaysi, am 2. September 2004. Inzwischen schmachten Tausende politischer Gefangener in den Folterkammern der Besatzer.

Ein Element der Unterdrückung des wachsenden irakischen Volkswiderstandes ist auch eine gezielte Diffamierungskampagne, die darauf abzielt, diesen als „terroristisch" oder „islamistisch" abzustempeln und international zu isolieren. Diese Kampagnen, unterfüttert von Desinformationen der CIA, des israelischen MOSSAD und anderer westlicher Geheimdienste, werden nicht nur von Medien und politischen Kräften geführt, die die Besatzung des Irak offen unterstützen, sondern zum Teil auch „unter linker Flagge" vorgetragen, um insbesondere jene Menschen negativ zu beeinflussen, die sich aufrichtig gegen die Besatzung des Irak und für eine Solidarität mit dem Widerstand des irakischen Volkes engagieren möchten. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die so genannte „Irakische Kommunistische Partei" (wie auch ihre Vorfeldorganisationen), die einen Minister in der von den USA eingesetzten, von ihr komplett abhängigen und mit direkten CIA-Agenten durchsetzten so genannten „Übergangsregierung" stellt und bisher alle Terrormaßnahmen der Besatzer und ihrer Marionetten gegen das irakische Volk mitgetragen hat.

Gerade nach dem Massaker von Falludscha erklären die Unterzeichner ihre Solidarität mit dem irakischen Volk und seinem legitimen Widerstand und fordern:

  • sofortige und bedingungslose Freilassung von Abduljabbar al-Kubaysi und ALLER politischer Gefangenen und Kriegsgefangenen im Irak!
  • Einstellung jeder Beteiligung Deutschlands an der neokolonialen Unterdrückung und Ausbeutung des irakischen Volkes! Schluss mit der Nutzung militärischer Basen in Deutschland für den Krieg der Besatzer gegen das irakische Volk! Keine Anerkennung der von den USA eingesetzten und kontrollierten Marionettenregierung in Bagdad!
  • Politische wie materielle Solidarität mit dem irakischen Volk und seinem legitimen Widerstand!
  • Sofortiger Abzug aller Besatzungstruppen aus dem Irak!
  • Wiedergutmachung für die im Irak durch die Aggressoren angerichteten Schäden in zwei Aggressionskriegen, zwölfjährigem UN-Embargo und brutaler Besatzung!

Unterzeichner:

Günter Ackermann, Duisburg; Hanna Ackermann, B. Albrecht, Leipzig; M. Albrecht, Leipzig; Duisburg; Tülin Arslan, Saarbrücken; Dr. Alexander Bahar, Heilbronn; M. Beckmann, Jena; Bärbel Bedenthal, Wandlitz; Horst Bedenthal, Wandlitz; Erika Beltz, Gießen; Michael Beltz, Gießen; Heinz Berg, Prenzlau; Hans-Ulrich Bierhahn, Winsen; Heinz Blöth, Jena; John Böhme, Gera; Helmut Bohn, Jena; Gabriele Brandt, Grünow; Regina Brechein, Wandlitz; Erich Buchholz, Berlin; Sophia Deeg, München; Deutsches Solidaritätskomitee Freier Irak; DKP-Jena; Elli Elberg, Prenzlau; Hermann Elberg, Prenzlau; Hans Fischer, Berlin; Wiethold Fischer, Jena; Peter Franz, Weimar; Frank Flegel, Hannover; Rolf Garten, Stolzenhagen; Ursula Garten, Stolzenhagen; Gerhard Gasenzer, Leipzig; Ina Gasenzer, Leipzig; Kurt Gossweiler, Berlin; Astrid Guericke, Prenzlau; Albrecht Haase, Wandlitz; Christen Haase, Wandlitz; H. Hässelbart, Leipzig; Dieter Hainke, Magdeburg; Heinz W. Hammer, Essen; Klaus Hartmann, Offenbach; Anna C. Heinrich, Hannover; Wolfgang Herrmann, Grünow; Wolf-Jürgen Herzog, Frankfurt/M; Hans Dieter Hesse, Recklinghausen; Rosl Hesse, Recklinghausen; Ronny Hirsch, Hermsdorf; Gerald Hoffmann, Berlin; Ulrich Huar, Berlin; Thomas Huck, Jena; Bernd Kettendorf, Duisburg; Bernd Klagge, Bonn; René Köhler, Jena; Rudi Körner, Leipzig; Bernhadt Köster, Prenzlau; Reinhard Kreusel, Prenzlau; Monika Krotter-Hartmann, Offenbach; Günther Lange, Neuenhagen; Brigitte Niebling, GroßDölln; Volker Lobing, Jena; Helmut Lucas, Bremen; Necati Mert, Saarbrücken; Horst Mette, Palingen; Annaliese Miksch, Berlin Wartenberg; Manfred Miksch, Berlin Wartenberg; Friedrich Morche, Vietmannsdorf; Regina Morche, Vietmannsdorf; Bernd Müller, Cottbus; Kai Müller, Jena; Ali Nadji; Willi Opitz, Potsdam; Michael Opperskalski, Köln; Organisation of Iranian Peoples Fedaii Guerillas; Herbert Polifka; Klaus von Raussendorff, Bonn; Revolutionäre Kommunistische Liga Thüringen; Margot Richter, Templin; Bernd Rohde, Prenzlau; Karl-Heinz Sabelleck, Essen; Prof.Dr. Ekkehard Sauermann, Halle; Elisabeth Schneider, Frankfurt/M; Andrea Schön, Essen; Jérome Schretter; Bodo Schulz, Heidenau; Alfred Schupp, Kempten i.Br.; Gerda Schupp-Schied, Appetshofen; Hansjörg Schupp, Appetshofen; Werner Schuren, Winsen; Ursula Siegmayer, Pforzheim; Rolf Stoll, Eckolstädt; Arne Taube, Mahlow; Dimitri Tsalos, Duisburg; André Vogt, Dresden; Andrea Vogt, Dresden; Boris Vojvodic, Reutlingen; Oliver Wagner, Trier; K. Werner, Leipzig; Petra Zill, Leipzig.Gisela Zillmann, Leipzig; Gunther Zillmann, Leipzig.

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