Zeitschrift für Sozialismus und Frieden 06/08

Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik (e.V.)

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Mai-Juni 2008


Inhalt

Redaktionsnotiz

Da wir uns aus finanziellen Gründen nicht permanent Hefte mit Überlänge, also mit mehr als 60 Seiten, leisten können, leiden wir unter Platzmangel.

Deshalb nur ganz kurz einige Informationen: Das zweite Seminar des Fernstudiums war sehr gut, sehr intensiv und von einer aktiven Atmosphäre der Teilnehmer/innen geprägt. So wird daran gearbeitet, ein Kompendium zu erstellen mit den essentiellen Inhalten des Fernstudiums inkl. Literaturhinweisen, damit alle Absolventen nach Abschluss des Fernstudiums immer wieder nachschauen, lesen und sich neu vergewissern können, Außerdem soll als Pilotprojekt an einem Beispiel die Regionalisierung des Fernstudiums ausprobiert werden, wahrscheinlich im Raum Köln/Bonn/Ruhrgebiet oder im Raum Frankfurt/Main. Außerdem wollen die teilnehmenden Genssen/innen aus dem Vogtland dort mit unserer Hilfe ein weiteres Standbein der Schulungsarbeit aufbauen. Das alles ist sehr interessant.

Die Arbeit zur Erfüllung der KKE-Anfrage an uns, konkrete Forschungsarbeit zu den Fragen der Konterrevolution in Bezug auf a) die SED und ihre Entwicklung, b) die sozialistische Ökonomie in der DDR, c) die Bewaffneten Organe der DDR einschließlich des MfS zu initiieren und der KKE zur Verfügung zu stellen, geht gut voran. Im Herbst wird vorausichtlich eine Delegationsreise nach Griechenland zur Präsentation der Ergebnisse stattfinden.

Nun kurz zu diesem Heft: Es geht sehr viel um internationale Entwicklungen. Wir werfen einen Blick auf Italien, legen Euch Dokumente über die jüngsten Kämpfe im Libanon vor und beschäftigen uns etwas eingehender mit Cuba.

Mit diesem Heft startet eine neue Rubrik: „Kapitalismus hier und heute – aktuelle Analysen“, in der wir uns der Analyse von akzuellen Entwicklungen und Erscheinungen (auch dem Verständnis von Oberflächenphänomenen) widmen wollen. Der Genosse Thomas Waldeck hat hierzu seine ständige Mitarbeit angeboten.

Und ohne den Hinweis, dass wir nur von Euren Spenden leben, können wir diese Redaktionsnotiz nicht schließen.

Redaktion offen-siv,
Hannover

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Italien

Gerhard Feldbauer:
Zu den Ursachen der Niederlage der Kommunisten und Linken bei den Parlamentswahlen im April 2008 in Italien

Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 13./14. April 2008 in Italien erlitt das Wahlbündnis der sogenannten Sinistra Arcobalèno (Regenbogenlinke), in dem sich der Partito della Rifondazione Comunista (PRC) und der Partito dei Comunista Italiani (PdCI)[1] mit der Sinistra Democratica (Demokratische Linke)[2] und den Grünen  zusammengeschlossen hatten, eine katastrophale Niederlage. Es erreichte nur 3,1 % und fiel unter die Vier-Prozent-Hürde. Zum ersten Mal in der italienischen Nachkriegsgeschichte sind die Kommunisten nicht im Parlament vertreten. Silvio Berlusconi erhielt mit den AN-Faschisten 37,4 %, Bossis Lega-Rassisten 8,3 %, beide zusammen mit einer kleinen Autonomiepartei 46,8 %. Der Partito Democratico des Ex-Kommunisten und Ex-Linksdemokraten Walter Veltroni  verzeichnete 33,2 %.

Die vorgezogenen Neuwahlen hatte der Staatspräsident gemäß Verfassung ausgeschrieben, nachdem im Januar 2008 eine christdemokratische Splitterpartei die Regierung verließ und danach Ministerpräsident Romano Prodi im Senat eine Abstimmungsniederlage erlitt. Prodi fiel einem rechten Manöver, bei dem Berlusconi und Kräfte des Industriellenverbandes Confindustria die Fäden zogen, zum Opfer. Wochen vorher hatte es kaum einen Tag gegeben, an dem sein Sturz nicht vorausgesagt wurde.[3] Confindustria-Präsident Montezemolo hatte das Ziel mit dem Slogan vorgegeben: „Stoppt die maximalistische Linke“.[4]

Drei Viertel der Wähler verloren

Die Parteien des Regenbogens kamen 2006 zusammen auf rund 12 %. Fast sieben davon entfielen auf den PRC und knapp zwei auf den PdCI. Viele Wähler resignierten und blieben der Wahl fern (mit rund 20 % gaben drei Prozent mehr als 2006 keine Stimme ab). Dann folgten nach Wahlanalysen etwa 40 % der früheren Wähler dem Werben Veltronis, der immer wieder appellierte, seinen PD zu wählen, um einen neuen Wahlsieg Berlusconis zu verhindern.

Im PRC sind nach der Wahlniederlage die seit langem schwelenden aber immer unter den Teppich gekehrten Meinungsverschiedenheiten über einen revolutionären oder reformistisch/ reformerischen Kurs offen ausgebrochen. Sie verdeutlichen, dass es im PRC, der 1991 nach der Umwandlung der IKP in die sozialdemokratische Linkspartei (PDS)[5] gegründet wurde, kaum eine Auseinandersetzung mit dem opportunistischen Erbe der IKP und somit auch keinen Bruch mit diesem gab.[6]

Zu den schwerwiegendsten Folgen gehörte, dass sich in den widersprüchlichen Ergebnissen des 5. Parteitages 2002 offen revisionistische Tendenzen zeigten. Der Kongress beschloss zwar ein linkes Aktionsprogramm mit einem Bekenntnis zur sozialistischen Perspektive, sagte sich in der Substanz aber gleichzeitig vom Marxismus-Leninismus los. Nicht nur Lenin, sondern auch Marx wurden nur noch im historischen Kontext und von Bedeutung nur unter bestimmten Gesichtspunkten, die Leninsche Imperialismus-Analyse als „unangemessen zur Interpretation der Form der Herrschaft des neuen Kapitalismus“ gesehen.

Absage an führende Rolle

Der PRC verzichtete auf die führende Rolle der Arbeiterklasse, die der „Bewegung“ (No-Global-Bewegung) zugeschrieben wurde. Diese Absage schloss die Reduzierung Antonio Gramscis als Theoretiker der Hegemonie der Arbeiterklasse auf ebenfalls historische Aspekte ein. Aber selbst diese Gesichtspunkte fielen später der Vergessenheit anheim, darunter auch der von Gramsci fixierte Grundsatz, dass die KP in allen Bündnissen stets ihr politische und ebenso organisatorische Unabhängigkeit wahren müsse.[7] Hier liegt zweifelsohne eine entscheidende Ursache für die gegenwärtige Niederlage. 

Die kommunistische Strömung (die je nach der Abstimmung über verschiedene Anträge zwischen 27 und 40 % Stimmen verzeichnete), zu deren führenden Mitgliedern Domenico Losurdo[8] gehört, kündigte „strategischen Dissens“ an. Sie gab seitdem bis 2006 das Bulletin „Aginform“ heraus und wollte in der Tradition Gramscis als Sammelpunkt eine kommunistische Zeitung schaffen (was bisher jedoch keine Ergebnisse zeitigte).

Eine der Ursachen der Niederlage wird im Eintritt des PRC in die nach dem Wahlsieg der Linken Mitte im Mai 2006 gebildete Regierung unter dem früheren Christdemokraten Romano Prodi gesehen. Folgt man den Berichten über die gegenwärtige Diskussion der Niederlage im PRC in der Parteizeitung „Liberazione“ scheint es so, dass dieser Fakt überhaupt als der entscheidende und fast als einzige Ursache gesehen wird. Das scheint mir eine etwas zu kurze Sicht. 2005/06 war es durchaus gerechtfertigt, dem Parteienbündnis der Linken Mitte und danach ihrer Regierung beizutreten, um  zunächst einen erneuten Wahlsieg der profaschistisch-rassistischen Koalition Berlusconis zu verhindern. Es muss also konkret darum gehen, zu analysieren, unter welchen Bedingungen die Kommunisten in die Regierung eintraten, welche Rolle sie in ihr spielten bzw. hätten spielen können/müssen, was sie bewirkten bzw. nicht bewirkten, aber hätten bewirken können.

Gute Ausgangsbedingungen bestanden zunächst darin, dass die Linke Mitte nach ihrem Wahlsieg[9] die Präsidenten von Senat und Parlament stellte. Der Ex-Kommunist und Senator auf Lebenszeit der damals noch existierenden Linksdemokraten, Giorgio Napolitano, wurde Staatspräsident.[10] Der Abgeordnetenkammer stand der vorherige PRC-Sekretär, Fausto Bertinotti, vor. Noch nie hatte die Linke Mitte derart die Schlüsselpositionen des politischen Systems besetzt. Zur Einleitung eines Politikwechsels wurden sie wenig genutzt.

Bertinotti versprach „partizipative Demokratie“

Auf seinem Parteitag im April 2005 sprach sich der PRC für ein Wahlbündnis mit der Linken Mitte aus. Fausto Bertinotti, der als Sekretär wiedergewählt wurde, sagte zu, dass sich die Partei nach einem Wahlsieg an der Regierung beteiligen werde. Nur so werde es möglich sein, die Berlusconi-Regierung zu Fall zu bringen und eine „programmatische Regierungsalternative an ihre Stelle zu setzen“, die den neoliberalen Zyklus durchbreche und einen progressiven Weg sozialer und struktureller Reformen einschlage. Ein Leitantrag skizzierte, das müsse einschließen, die antisozialen und antidemokratischen Gesetze der Berlusconi-Regierung rückgängig zu machen, die Macht des Marktes einzuschränken, den gemischten Charakter der Wirtschaft wiederherzustellen, Art und Ziel der Produktion unter dem Gesichtpunkt gesellschaftlicher Interessen, darunter der Arbeitsplätze und entsprechender Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter zu modifizieren. Als Grundzug künftiger Regierungspolitik der Linken Mitte nannte Bertinotti, eine „partizipative Demokratie“ zu entwickeln, um der Autonomie der Bewegungen und dem Klassenkonflikt neue Räume für die Transformation der Gesellschaft zu eröffnen. Der mangelnden Binnennachfrage sollte mit der Stärkung der Kaufkraft durch Erhöhung der Löhne und Renten begegnet werden. Diesen Weg zu beschreiten, erfordere „Einheit und Konsens“ in der Regierungskoalition, betonte Bertinotti, der gleichzeitig dafür plädierte, im Bündnis einen „gesunden Antagonismus“ zwischen reformistisch/ reformerischer und radikaler Linker zu wahren. Zum Terminus radikale Linke präzisierte er: „Früher hätte man von einer revolutionären Linken gesprochen, und ich denke, dass man diesen Begriff auch wieder gebrauchen sollte.“

Der PRC-Sekretär warnte damals, es gehe nicht nur darum, Berlusconi eine Niederlage zu bereiten, sondern den Kurs von Reformen einzuschlagen, um das perverse Pendel außer Kraft zu setzen, dass die Linke in der Opposition Hoffnungen und Erwartungen wecke, an die Regierung gekommen, sie aber vergesse und eine Politik betreibe, die sich nicht von jener der Rechten unterscheide. Gelinge das nicht, drohe Italien eine Phase sozialen und demokratischen Rückschritts und des Abbaus bürgerlicher Rechte, die auf lange Zeit unumkehrbar blieben. Gegen die Regierungsbeteiligung stimmte eine Minderheitsfraktion von etwa 15 %. Außenpolitisch ragte die Forderung hervor, eine Regierung der Linken Mitte müsse sofort die italienischen Soldaten aus dem Irak heimholen.[11]

Als Regierungs- und Protestpartei gescheitert

Was ist aus diesen Grundsätzen geworden?

Berlusconi hinterließ ein katastrophales Erbe an Demokratie- und Sozialabbau, darunter eine dekretierte Verfassungsreform, welche die antifaschistischen Grundsätze beseitigen und einem Präsidialregime den Weg frei machen sollte. Unter Prodi fand dagegen ein Referendum statt, bei dem 61,7 % dieses Gesetz annullierten. Verwirklicht wurde der Abzug der italienischen Truppen aus Irak. Eingestellt wurde das geplante Milliarden verschlingende Projekt des Brückenbaus zwischen dem Festland und Sizilien, mit dem Berlusconi vor allem in die eigene Tasche wirtschaften wollte.[12] Es wurden zwei unter Berlusconi inszenierte Abhörskandale aufgedeckt, in welchen die Geheimdienste SISMI (Militär) und SISDE (Zivil) aktiv waren. Die Mailänder Staatsanwaltschaft begann Ermittlungen wegen der Entführung des Imam der Stadt, Osama Mustafa Hassan, auch als Abu Omar bekannt, durch die CIA unter Beteiligung der italienischen Dienste. Ein Skandal betraf einen Spionagering bei der Telekom, der andere die Ausspionierung der Steuerdatenbank. In beiden Fällen waren höchste Politiker der Opposition ausspioniert worden, darunter der nunmehrige Ministerpräsident Prodi, Staatspräsident Napolitano, Außenminister D´Alema. Große Beunruhigung löste ein bekannt gewordenes Papier des SISMI aus, das fast wörtlich an die Termini des früheren CIA-Dokumentes FM 30-31[13] erinnerte und festlegte, Gegner Berlusconis zu „neutralisieren“ und „auseinanderzunehmen“, auch mit „traumatischen Operationen“.[14]

Diese ersten Schritte weckten Hoffnungen, auf diesem Weg voranzuschreiten. Die Antikriegsbewegung erhielt nach dem  Rückzug aus Irak Auftrieb und forderte als nächstes, die 2.500 Mann aus Afghanistan abzuziehen und den von Berlusconi gewährten Ausbau der US-Militärbasis in Vincenza mit einer Truppenverstärkung um 4,500 Mann zu einem Stützpunkt für Kriegseinsätze im Nahen und Mittleren Osten nicht nur zu untersagen, sondern die Basis überhaupt zu schließen, da ihre Existenz angesichts der Nutzung für Washingtons Angriffskriege gegen Artikel 11 der Verfassung verstößt, der Italien verpflichtet, für „Frieden und Gerechtigkeit zwischen den Nationen“ zu wirken und „den Krieg als Mittel des Angriffs auf die Freiheit anderer Völker und zur Lösung internationaler Streitfragen“ abzulehnen. Auf dieser Grundlage bestanden gute Voraussetzungen, ein Referendum einzuleiten und die Regierung zum Handeln zu zwingen. Des weiteren hätten sowohl der Staatspräsident als auch der Parlamentspräsident über bestimmte Möglichkeiten verfügt, den Regierungschef zum Handeln zu veranlassen. Nichts dergleichen geschah jedoch.

Die Kriegsgegner im Stich gelassen

Als im Februar 2007 vor der US-Basis 200.000 Italiener demonstrierten, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, verlangten PRC-Parlamentarier, unter ihnen Sozialminister Paolo Ferrero,[15] von Prodi, „auf Volkes Stimmes zu hören“. Daraufhin wagten im Februar 2007 zwei Senatoren des PRC und des PdCI die von Bertinotti angesprochene „partizipative Demokratie“ und brachten einen Antrag zur Verlängerung des Afghanistaneinsatzes zu Fall. Schon damals forderte Berlusconi Neuwahlen. Im Regierungslager brach offen die Furcht vor einem neuen Wahlsieg des Mediendiktators aus. In der eingetretenen Regierungskrise gab Bertinotti als Parlamentspräsident die Losung aus, eine neue Regierung Berlusconi müsse auf jeden Fall verhindert werden. Das wirkte nicht nur desorientierend, sondern stieß auch die Antikriegsbewegung vor den Kopf. Diese Linie wurde dann im Vertrauensvotum für Prodi mit der Zustimmung zum Afghanistaneinsatz (Bewilligung der Finanzmittel) und der Hinnahme des Ausbaus in Vincenza sowie tiefen sozialen Einschnitten verwirklicht. Hätte der PRC im Februar 2007 die Regierung verlassen und Neuwahlen in Kauf genommen, wäre zweifelsohne die jetzige Niederlage und damit wahrscheinlich auch ein Sieg Berlusconis verhindert worden.

Prodi kamen außerdem mehrere nicht zu seiner Koalition gehörende Senatoren der äußersten Rechten zu Hilfe.  Damit begab sich der Regierungschef in eine Abhängigkeit, die obendrein das Image seiner Koalition schwer schädigte. Denn unter den „Helfern“ befanden sich die Senatoren auf Lebenszeit Francesco Cossiga und Giulio Andreotti, die später an seinem Sturz mitwirkten. Der eine ein bekannter Faschistenfreund, der andere in den 90er Jahren der Komplizenschaft mit der Mafia angeklagt und verurteilt, in der Revision nur wegen Mangels an Beweisen freigesprochen. Cossiga wurde kürzlich von dem früheren stellvertretenden Vorsitzenden der Democrazia Cristiana, dem achtzigjährigen Giovanni Galloni, beschuldigt, für die Ermordung Aldo Moros im Mai 1978 hauptverantwortlich gewesen zu sein.[16] Er war damals Innenminister, sein Regierungschef war Andreotti. Bei Abstimmungen, z. B. über den Kriegseinsatz in Afghanistan, standen die Kommunisten plötzlich mit solchen Leuten in einer Reihe.

Faschistisch-rassistischen Charakter der Berlusconi-Koalition verharmlost

Der Versuch des PRC, als Regierungs- und Protestpartei zu handeln  und die Regierungsachse nach links zu verschieben, misslang. Mehrfach untersagte die Parteiführung ihren Ministern und Spitzenfunktionären an Demonstrationen zur Durchsetzung sozialer Forderungen  teilzunehmen.   Es gelang nicht, das soziale Elend zu verringern, die Arbeitslosigkeit  abzubauen oder im Gesundheitswesen etwas zu verbessern. Für die Rentner, viele arbeitslos, wurde das Pensionsalter heraufgesetzt,  ein zugesagtes Referendum über den Stopp des Ausbaus der US-Basis in Vincenza  nicht eingeleitet. Die seit über zwei Jahrzehnten existierende  Mediendiktatur Berlusconis blieb unangetastet. Es hat seitens des PRC seit seiner Gründung 1991 auch keinen  Vorstoß im Parlament gegeben, diese immer wieder auch gegen gesetzliche Auflagen verstoßende Monopolstellung zu begrenzen. Ohne dass sich hier etwas im positivem Sinne verändert, werden auch in Zukunft grundlegende Veränderungen äußerst schwierig sein.

Die Koalition Berlusconis mit AN-Faschisten und Lega-Rassisten wurde, auch vom PRC, als Centro Destra (Rechtes Zentrum) verharmlost.[17] Damit hat der PRC objektiv dazu beigetragen, die AN-Faschisten und die Lega-Rassisten salonfähig zu machen. Vom PRC liegt bis heute auch keine Analyse der wachsenden faschistischen und rassistischen Gefahren, die von dieser Koalition bzw. ihren Regierungen ausgingen/ausgehen, vor.[18] Die Warnungen des Nobelpreisträgers Dario Fo, Umberto Ecos, Andrea Camileris, Vincenzo Consolos oder Antonio Tabucchis vor den von Berlusconi, Fini und Bossi ausgehenden Gefahren der Etablierung eines neuzeitlichen faschistischen Regimes wurden nicht aufgegriffen.[19] Die Polizei dieser vorgeblich rechten Zentrumsregierung stürmt heute Sinti- und Roma-Lager, die sich danach laut der EU-Abgeordneten Victoria Mohacsi, welche die Lager in Rom und Neapel besuchte, in „einer entsetzlichen, grauenvollen Situation“ befinden. Von Berlusconi geplante Regierungsdekrete sehen heute im Geiste der 1938 von Mussolini eingeführten Rassengesetze wieder den „Begriff der Rasse“ und die Nominierung eines „Sonderbeauftragten für Roma“ vor. Antifaschisten erinnerten daran, dass „auch Hitler mit der Vertreibung der Roma begonnen“ hat.[20]

Der Chef der Rassistenlega, Bossi, drohte, er werde seine Anhänger „an die Gewehre rufen“, um auf die „römischen Schurken“, womit die Linken gemeint sind, anzulegen. Es sei leider, so dieser Rassist weiter, „leichter, Ratten zu vernichten als Zigeuner auszurotten“.[21] Zum politischen Leitbild dieses Ministers Berlusconis gehört die faschistische Blut- und Bodenideologie. Seine Anhänger empfingen schon früher in Mailand den Fußballclub von Neapel mit Spruchbändern wie „Was Hitler mit den Juden gemacht hat, wäre auch das Richtige für Napoli“. Lega-Innenminister Maroni will illegale Einwanderer in Gefangenenlager sperren. Das betrifft 650.000 Menschen, die sich teilweise schon seit Jahrzehnten mit Wissen der Behörden in Italien aufhalten und oft auch Arbeitsverhältnisse der niedrigsten Stufen haben. Der notorisch fremdenfeindliche Lega-Minister Roberto Calderoni forderte, die Marine solle das Feuer auf Flüchtlingsboote eröffnen. Im Jargon, der unter den Rassengesetzen Mussolinis üblich war,[22] diffamierte er, Einwanderer, Homosexuelle und Süditaliener sollten sich „zu den Kamelen in der Wüste“ aufmachen oder im Dschungel „mit den Affen tanzen“.

Als in der weltberühmten Kulturstadt Verona Skinheads einen Italiener zu Tode prügelten, hatte der „Duce“ der Alleanza Nazionale, Gianfranco Fini, der Parlamentspräsident wurde, die Stirn, offiziell zu erklären, das sei „nicht so schlimm“, wie wenn Fahnen der USA und Israels, zerrissen würden, wie in Turin aus Protest gegen den Terror dieser Staaten gegen die Palästinenser geschehen. Die Enkelin des 1945 von Partisanen hingerichteten Diktators, Alessandra Mussolini, feierte mit Tausenden Anhängern mit Führergruß und Sieg-Heil-Rufen den Wahlsieg des AN-Faschisten Giovanni Alemanno ins Bürgermeisteramt von Rom als „Befreiung“ der Hauptstadt von kommunistischer Herrschaft (die nie existierte).[23] Inzwischen scheint sich in der Berichterstattung der „Liberazione“ dazu eine Wende abzuzeichnen, wenn der amtierende PRC-Vorsitzende von Verona, Mauro Tosi, z. B. den Mord in Verona und die Ausschreitungen gegen Roma, Sinti und andere Immigranten als „neuen Faschismus“ charakterisierte.[24]

Es gab, auch seitens des PRC, keine Initiativen, das von Berlusconi verabschiedete und selbst nach bürgerlich-demokratischen Spielregeln undemokratische Wahlgesetz zu beseitigen. Es sichert dem Sieger in der Abgeordnetenkammer bei nur einer Stimme Mehrheit 340 der 630 Sitze. Da die Linke Mitte bei der Wahl 2006 davon profitierte, hoffte man, es könne ihr bei neuen Wahlen wieder zugute kommen und zögerte, eine Wahlrechtsreform einzubringen.

Aus Protest gegen die Regierungsbeteiligung verließ bereits im Mai 2006 eine Gruppe Progetto Comunista unter dem Philosophieprofessor Marco Ferrando den PRC und gründete danach im September den Partito Comunista dei Lavoratori (Kommunistische Arbeiterpartei). Die Strömung hatte 2005 auf dem Parteitag 6,5 % der 95.000 PCR-Mitglieder vertreten. Ferrando, der Mitglied der Leitung der IV. (trotzkistischen) Internationale ist, betonte den „nicht unbedingt trotzkistischen“ Charakter der Partei, die einen Rückzug aus Afghanistan und die Einschränkung der Mediendiktatur Berlusconis forderte.[25]

Als nächstes entstand als Strömung innerhalb des PRC eine Sinistra critica (Kritische Linke), von der einige führende Mitglieder ebenfalls der IV. Internationale angehören. Sie stellte die Perspektive des PRC in Frage und forderte, über die Schaffung einer „revolutionären Linken“ nachzudenken. Bei Abstimmungen im Politischen Komitee des PRC erreichte die Strömung etwa 15 %.[26]

Revisionismus der Linksdemokraten half Berlusconi

In übler Weise hat die Führung der früheren Linksdemokraten mit Walter Veltroni und Massimo D´Alema[27] an der Spitze zur Niederlage der Linken beigetragen, ja sie ganz gezielt mit herbeigeführt. Auf Betreiben der Zentrumsparteien und der Linksdemokraten war bereits vor den Wahlen 2006 die offizielle Bezeichnung des Bündnisses als Linke Mitte beseitigt und es in „Demokratische Union“ umbenannt worden. Trotz starker Proteste seiner Basis stimmte der PRC dem zu.[28]

Mit der Fusion der Linkspartei mit der katholischen Zentrumspartei Margherita, die Veltroni und D´Alema im Herbst 2007 durchsetzten, erlebte Italien dann eine bisher in der internationalen Arbeiterbewegung einmalige neue Stufe revisionistischer Entwicklung mit verheerenden Folgen für die Linken und alle Fortschrittskräfte. Große Teile der  Arbeiterklasse werden in die Ausgangspositionen ihrer Entstehung zurückgeworfen, die Linksdemokraten zu einem Anhängsel der bürgerlichen Mitte degradiert, zum Bestandteil einer katholisch beeinflussten Zentrumspartei, die sich erklärtermaßen in der Tradition der 1992 untergegangenen großbürgerlichen Democrazia Cristiana sieht.[29]

Der PD-Gründungsprozess fand zum Zeitpunkt der bereits schwelenden Krise der Regierung Prodi statt, mit deren Sturz ständig gerechnet wurde. Es wurden bereits Neuwahlen einkalkuliert, bei denen die Kommunisten ausgeschaltet, eine neue Regierung der Linken Mitte zumindest von deren Stimmen unabhängig gemacht werden sollte. Am liebsten wäre es der neuen PD-Führung gewesen, wenn die früher zur Berlusconi-Koalition gehörende Union Demokratischer Christen (UDC), eine weitere Nachfolgerpartei der Anfang der 90er Jahre untergegangenen DC oder zumindest ein Teil von ihr, ihrer Partei beigetreten wäre, was jedoch misslang. Auch zu den Neuwahlen kam kein von Veltroni erhofftes Wahlbündnis zustande.

Die völlig bürgerliche Linie Veltronis kam in seiner Konzeption zur Wahl zum Ausdruck. Er ließ sich in der „Repùbblica“,[30] die zum Sprachrohr des PD aufstieg, als Vertreter der „authentischen produktiven Bourgeoisie“ und eines „demokratischen Kapitalismus“ Italiens vorstellen und propagierte einen „demokratischen Pakt zwischen Arbeitern und Bourgeoisie“. Er orientierte sich am Kandidaten seiner US-Vorbildpartei Barack Obama und trat unter dessen Wahlslogan „Yes we can“ (si poù fare) für einen „Wechsel“ ein.

Zu den vorgezogenen Neuwahlen im April 2008 lehnte der PD-Chef dann ein Wahlbündnis mit dem Regenbogen ab. In der Wahlkampagne betonte er permanent, Stimmen für die Linke seien verschenkte Stimmen und rief zur Wahl seiner Partei auf, was nicht ohne Erfolg blieb. 

Veltroni für  bipolares US-amerikanisches Parteiensystem

Mit ihrer Linie der Vertreibung der Linken und Kommunisten aus dem Parlament verfolgen die Ex-Linksdemokraten um Veltroni und D´Alema das Ziel, in Italien ein bipolares Parteiensystem nach US-amerikanischen Vorbild zu installieren. In ihm will der neue PD die Rolle der Demokratischen Partei der USA übernehmen, während der Forza-Partei des Hitler- und Mussolini-Bewunderers Berlusconi[31] und den AN-Faschisten und Lega-Rassisten der Part der Republikaner überlassen werden soll. Gegenseitige Ablösung an der Staatsspitze soll zur Normalität werden. Schon unmittelbar nach der Berufung Berlusconis zum Ministerpräsidenten traf sich der nunmehrige Oppositionsführer Veltroni mit dem neuen Regierungschef zum „konstruktiven Dialog“ und erklärte seine Bereitschaft, an der Lösung der anstehenden, auch „konstitutionellen Fragen“ mitzuarbeiten. Bezeichnenderweise fand das Treffen einen Tag nach den bereits erwähnten unbeschreiblichen faschistisch-rassistischen Ausschreitungen gegen Sinti, Roma und weitere Immigranten statt, die im Gespräch von Veltroni mit keinem Wort erwähnt wurden, von einem Protest dagegen ganz zu schweigen.[32]

Mit der Reduzierung auf sechs Parteien von bisher 26 im Parlament sehen sich die Repräsentanten der beiden Machtblöcke, Veltroni und Berlusconi, diesem bipolaren Parteiensystem einen entscheidenden Schritt näher.[33] Dafür hat sich im Italienischen bereits der Begriff Veltrusconismus herausgebildet. Es ist  ersichtlich. dass die Fusionsprozesse weiter voranschreiten werden. Berlusconi will im Herbst seine Partei mit der AN zusammenschließen.[34] Der Lega hat er ein gleiches Angebot unterbreitet, was diese bisher nicht akzeptierte. Sie will darauf erst eingehen, wenn ihre Forderungen nach einer föderalen Autonomie der Nordregionen durchgesetzt sind. Veltroni möchte Di Pietros  Wertepartei, die bei den Wahlen 4,3 %. erreichte, für einen Beitritt zu seinem PD gewinnen.[35] Sowohl Berlusconi als auch Veltroni versuchen, die am äußersten rechten Flügel stehende UDC für ihre Partei zu gewinnen. Während Berlusconi damit das „demokratische Image“ seiner Partei weiter aufpolieren möchte, würde das den rechten Flügel des PD Veltronis weiter ausprägen. Forderungen nach der Wahlniederlage, das alte Bündnis der Linken Mitte (die in  Demokratische Union umgetaufte Koalition) zum gemeinsamen Widerstand gegen das Berlusconi-Lager in der Opposition wiederherzustellen, erteilte Veltroni eine klare Absage: „Eine Rückkehr zur Union wird es nicht geben“. Das bedeutet eine klare Absage an jede künftige Zusammenarbeit mit der Demokratischen Linken und natürlich mit den Kommunisten. Nach US-amerikanischem Vorbild will Veltroni auch Primarie (Vorwahlen) einführen.[36]

Der Linken fehlte es an kämpferischer Kraft

Zu den Wahlen 2008 legte die Linke ein Programm demokratischer und sozialer Forderungen vor, das durchaus brennende soziale Fragen aufgriff. An der Spitze stand die Wiedereinführung der Scala mobile (gleitende Lohnskala), ferner die Einführung eines garantierten Mindestlohnes und die Aufhebung des Gesetzes über Leiharbeit.[37] Das  Programm reichte jedoch nicht  annähernd an das von Bertinotti 2005 vorgelegte Alternativprogramm des PRC heran. Nicht zuletzt fehlte eine konkrete außenpolitische Aussage zur Verteidigung des bereits angeführten Artikel 11 der Verfassung. Das hätte die Forderung nach einer Beendigung der Unterstützung des USA-Kriegskurses, dazu  den Abzug aus Afghanistan und den Stopp des Ausbaus der US-Basis in Vincenza einschließen müssen, um die starke Antikriegsbewegung, die 2006 entscheidend zu Prodis Wahlsieg beitrug, wieder als Verbündeten zu gewinnen. Das, sowie ein fehlendes einheitliches Auftreten der Linken bewirkte, dass es dem Wahlkampf an der kämpferischen Kraft fehlte, die ihn seitens des PRC noch 2005/06 charakterisiert hatte. Viele Wähler hatten nach den Enttäuschungen über die Rolle des PRC in der Regierung Prodi auch kein Vertrauen mehr in die Wahlversprechungen. Die fehlende Mobilisierung der Kriegsgegner, so Meinungen aus der Bewegung, habe dem Linksbündnis einige Hunderttausend Stimmen (wenigstens ein Prozent) gekostet.

Kommunistische Identität preisgegeben

Bertinotti, der als Spitzenkandidat des Regenbogens antrat, propagierte das Parteienbündnis als „eine neue Linke, die allen offen steht“. Das weckte bei vielen zur kommunistischen Identität stehenden Mitgliedern und Sympathisanten des PRC Befürchtungen, aus dem Parteienbündnis solle eine Linkspartei entstehen und der PRC in ihr aufgehen. Im PRC war bereits umstritten, dass Bertinotti 2004 die Partei in die Europäische Linkspartei eingebracht und selbst bis 2007 deren Vorsitz übernommen hatte.[38] Auf Forderung der Grünen verzichtete die Koalition auf das Parteisymbol des PRC Hammer und Sichel. Auch das habe, wie Kritiker einschätzten, sehr viele  Stimmen gekostet. Von einer „revolutionären Linken“ war im Regenbogen kaum etwas zu spüren. Die Grünen propagierten die Politik des sozialistischen Premiers Spaniens, Luis Zapatero, als Vorbild. Obwohl Veltroni ein Wahlbündnis abgelehnt hatte, bot Bertinotti ihm trotzdem bereits im Wahlkampf bei einer fehlenden eigenen Mehrheit nach einem Wahlsieg die Unterstützung des Regenbogens an. Viele PRC-Wähler befürchteten, die Partei könnte dann erneut in die Regierung, diesmal eine PD-geführte, eintreten oder sie im Parlament unterstützen und so deren propagierte Zusammenarbeit mit dem „demokratischen Kapitalismus“ mittragen.

Offensichtlich muss man auch untersuchen, was Bertinotti dazu führte, frühere Standpunkte aufzugeben und sich dem dubiosen Projekt einer pluralistischen Linken zuzuwenden und zu erwarten, dass es einen Gegenpol zu Veltronis PD bilden könnte. In seinem  Buch „Idee che non muoiono“ (Ideen, die nicht sterben), hatte er noch vor acht Jahren geschrieben, dass „die kommunistische Bewegung im 20. Jahrhundert Träger der Zivilisation, der Freiheit und der Demokratie gewesen ist“, und dass die kommunistischen Ideale auch heute die Zukunft bestimmen, es in der Tat, Ideen, die nicht sterben, sind, der Kommunismus ein Erfordernis der Gegenwart bleibt.[39] Im Oktober 2004 hatte er zu kritischen Stimmen, der PRC riskiere in einem neuen Bündnis mit der Linken Mitte „seine Identität zu verlieren“, geantwortet, diese „Identität werde gestärkt und in der Konfrontation mit den Partnern verteidigt“.[40] Dem folgte auf dem Parteitag im April 2005 die Vorlage des bereits ausführlich dargelegten Alternativprogramms für eine revolutionäre Linke.

Das Aufweichen der kommunistischen Identität führte u. a. auch dazu, dass sowohl die vom PRC 2006 abgespaltene Kommunistische Arbeiterpartei als auch die PRC-Strömung Kritische Linke getrennt zur Wahl gingen. Sie erreichten 0,5 bzw. 0,4 %. Ein relativ geringes Ergebnis, aber es hätte dazu beitragen können, den PRC und damit den Regenbogen über die Vier-Prozent-Hürde zu bringen.

Kommunistische Gruppe will zurück zu Hammer und Sichel

Im Vordergrund der Auseinandersetzung im PRC steht jetzt die Diskussion über die Zukunft der Partei, die sich auf die Frage zuspitzt, ob der Regenbogen sich zur linken Partei konstituieren soll, in der die bestehenden Parteien aufgehen, was ihre Auflösung bedeuten würde. Der PRC könnte darin allenfalls als lose kommunistische Strömung existieren. Diese von Bertinotti bereits in der Wahlkampagne unterschwellig vertretene Linie, habe, wie Domenico Losurdo einschätzte, entscheidend zur Niederlage beigetragen.[41] Gegen die Liquidierung der mit etwa 90.000 Mitgliedern stärksten italienischen KP[42] gibt es jetzt einen besonders von der Basis ausgehenden heftigen Widerstand. Zu seinen Trägern gehören mehr als 100 führende kommunistische Persönlichkeiten, darunter Luciano Canfora[43] und Domenico Losurdo, die „zur Erhaltung der kommunistischen Tradition  wieder mit Hammer und Sichel“ aufrufen, um nicht nur PRC und PdCI, sondern alle in verschiedene Gruppen aufgesplitterten kommunistischen Kräfte zu vereinigen.[44] Wir wollen „eine neue Phase des italienischen Kommunismus beginnen, eine konstituierende Phase“, erklärte Losurdo. Er verwies gleichzeitig auf die „Selbständigkeit der Kommunisten“ als Voraussetzung einer linken Politik und von Bündnissen wie dem Regenbogen. Logisch, dass auch der führende kommunistische Philosoph Italiens und ausgezeichnete Gramsci-Kenner betonte, „dabei müssen wir die kommunistischen Traditionen von Lenin bis Gramsci wieder aufgreifen“.

Das bedeutet an erster Stelle, wie Hans Heinz Holz in einer Studie zu „Antonio Gramscis Parteitheorie“[45] verdeutlichte, dessen Bündniskonzeption aufzugreifen, seine Theorie des Historischen Blocks und der Erringung der Hegemonie durch die Arbeiterklasse. Und das nicht als Klassenzusammenarbeit mit bürgerlichen Parteien, sondern im Sinne von Togliatti als antifaschistische Einheitsfrontpolitik auf der Grundlage des Klassenkampfes („Wende von Salerno“). Holz verwies auf die Frage der Vorhut und gab dazu Gramsci wieder, der betonte, „dass der Kampf nur geführt werden kann, wenn eine Avantgardepartei die Probleme der Massen formuliert, dass Bewusstsein der Massen bildet und in den Massen verwurzelt ist; und dass die Partei das nicht leisten kann, wenn sie nicht auf hohem theoretischem Niveau die Gegenwart analysiert, die Vergangenheit verarbeitet und die Zukunft entwirft.“

Zukunft der KP offen

Die Leitungsgremien des PRC sind nach der Wahlniederlage zurückgetreten. Zur Vorbereitung eines Parteitages im Juli 2008 wurde von der Tagung des Politischen Komitees im Mai eine kommissarische Leitung eingesetzt, an deren Spitze, wie bereits erwähnt, Paolo Ferrero steht, der in der Regierung Prodi Sozialminister, im PCR Mitglied des Sekretariats war. Derzeit scheinen sich drei Strömungen bzw. Konzeptionen abzuzeichnen.[46] Die von Domenico Losurdo mit ins Leben gerufene Gruppe, die für den Zusammenschluss der verschiedenen kommunistischen Organisationen zu einer neuen kommunistischen Partei auf den theoretischen Grundlagen von Lenin und Gramsci eintritt. Eine zweite, die weiter das Ziel verfolgt, den PRC in eine Linke, wie sie in Gestalt des Regenbogens zur Wahl existierte, einzubringen, diese Linke dann als Partei zu konstituieren, in der die Beitrittsorganisationen ihre Selbständigkeit aufgeben, allenfalls politische Strömungen darstellen. Die dritte Gruppe ähnelt einer für die italienische Arbeiterbewegung nach dem Ersten Weltkrieg in der sozialistischen Partei entstandenen typischen zentristischen Strömung, die unter dem Slogan der „Einheit der Partei“ den derzeitigen PRC erhalten und seine verschiedenen Strömungen „aussöhnen“ möchte. Claudio Grassi, Mitglied der Interimsleitung, erklärte zum wichtigsten Ziel, „die Partei zusammenhalten und verhindern, dass sie sich in verschiedene Strömungen auflöst.“ In Livorno brachen die Kommunisten mit Gramsci an der Spitze nicht nur mit den Reformisten, sondern auch mit den Zentristen, verließen die Sozialistische Partei und gründeten ihre eigene, die Kommunistische Partei. Ein großer Teil der Zentristen trennte sich später von den Reformisten und trat der IKP bei.

Dieser Zentrismus spielte auch in der Zeit des von Enrico Berlinguer verfolgten historischen Kompromisses der Klassenzusammenarbeit mit der DC in den 70er Jahren (der scheiterte) bis zu seinem Tode 1984[47] eine beträchtliche Rolle. Während die Reformisten in dieser Zeit die IKP bereits in eine sozialdemokratische Partei umwandeln wollten, hatte Berlinguer unter eurokommunistischen Vorzeichen auf den Erhalt der revolutionären Potenzen und ihre Nutzung in der Regierungszusammenarbeit mit der DC gesetzt. Wenn die Basis der Partei sich in den 70er Jahren mit vielen Vorbehalten letzten Endes dem reformistischen Kurs unterordnete, geschah das im Vertrauen darauf, dass Berlinguer sich auf diese kämpferischen Potenzen stützte. Man darf als sicher annehmen, dass Berlinguer den von seinen Nachfahren Achille Occhetto[48] und Massimo D´Alema eingeschlagenen Weg der Umwandlung der IKP in eine sozialdemokratische Partei und der Aufgabe nicht nur kommunistischer, sondern auch aller sozialistischen Traditionen nicht gegangen wäre. Die „Liberazione“ schätzte zu Berlinguers 15. Todestag ein, er habe den Ausgleich zwischen dem linken und dem rechten Flügel gesucht, sei ein „Mann der Vermittlung“, und als solcher ein „Zentrist“ gewesen.[49]

Gerhard Feldbauer,
Poppenhausen

FUSSNOTEN

  1. 1998  vom PCR abgespalten.
  2. Eine Minderheit von etwa 15 Prozent der früheren Linksdemokraten, die sich deren Fusion mit der katholischen Zentrumspartei Margherita zum Partito Democratico (PD) im Oktober 2007 verweigerten und sich unter dem vollen  Namen Sinistra Democratica per il Socialismo Europeo. als eigene Partei konstituierten.
  3. „Süddeutsche Zeitung“, 26. Okt. 2007.
  4. „Liberazione“., 22. Okt. 2007.  Der Begriff  „maximalistische Linke“ zielte auf den PRC.
  5. Nannte sich ab 1999 nur noch Democratici di Sinistra (Linksdemokraten).
  6. Zum Entstehen des PRC als auch mit dem Thema dieses Beitrages zusammenhängenden Fragen siehe Feldbauer: Marsch auf Rom. Faschismus und Antifaschismus in Italien, Köln 2002, bes. S. 113 bis 138.
  7. Gramsci: Quaderni del Carcere, Turin 1975, S. 1551.
  8. Prof. an der Universität von Urbino, führender kommunistischer Philosoph Italiens und auf internatio-naler Ebene, Präsident der Internationalen Gesellschaft für Dialektisches Denken, zusammen mit Hans Heinz Holz Herausgeber der philosophischen Zeitschrift „Topos“, Autor zahlreicher Bücher, darunter über Gramsci, zuletzt unter dem Gesichtspunkt von Geschichtsbetrachtung und Bündnispolitik „Kampf um die Geschichte“ und „Demokratie und Bonapartismus“, beide 2007 bzw. 2008 bei Papyrossa, Köln.
  9. Der im Senat sehr knapp ausfiel und nur zwei Stimmen betrug.
  10. Das ergab sich zeitlich daraus, dass die Neuwahl des Präsidenten, der von  der Abgeordnetenkammer und dem Senat gewählt wird, nach sieben Jahren anstand.
  11. „Liberazione“., 2. bis 7.. März 2005.
  12. Nach seinem Regierungsantritt  im Mai 2008 hat Berlusconi das Projekt sofort wieder in Gang gesetzt.
  13. Geheimdienstdirektive nach der  die von der CIA geführte geheime NATO-Truppe stay behind,  in Italien Gladio genannt, ihre Spannungsstrategie zur Destabilisierung ihrer Gegner organisierte.  Auf ihrer Grundlage wurde das Komplott zur Ermordung des DC-Führers Aldo Moro, Partner Berlinguers im Historischen Kompromiss, durchgeführt. Siehe Feldbauer: Agenten, Terror, Staatskomplott, der Mord an Aldo Moro, Rote Brigaden und CIA. Köln 2000, bes. S. 33 f.
  14. „Geheim-Magazin“, 1/2007.
  15. Nach dem Rücktritt des Sekretariats von der Tagung des Politischen Komitee im Mai 2008 zum amtierenden Sekretär gewählt,  
  16. „Liberazione“, 23. Okt. 2007. Siehe auch Feldbauer: Die Recherchen des Commissario Pallotta. Warum Aldo Moro sterben musste. „offensiv“, 4/2008.
  17. Als Centro Destra (Rechtes Zentrum) wurden die bis Anfang der 90er Jahre von der Democrazia Cristiana mit Liberalen und Sozialdemokraten gebildeten Regierungen bezeichnet, während die seit den 60er Jahren von der DC mit Sozialisten und Republikanern formierten Regierungen Centro sinistra (Linkes Zentrum/Linke Mitte) genannt wurden. Sowohl die Republikaner als auch die Sozialdemokraten traten manchmal beiden Konstellationen bei.
  18. Siehe Feldbauer: Berlusconi - ein neuer Mussolini?, Neue Impulse 2001, 2. Aufl. 2003.
  19. Susanne Schüssler (Hg.): Berlusconis Italien. Italien gegen Berlusconi. Berlin 2003.
  20. „Liberazione“. 14. Mai 2008.
  21. „Süddeutsche Zeitung“, 16. April 2008.
  22. Feldbauer: Mussolinis Überfall auf Äthiopien. Bonn 2006, S. 29 f., 60 ff.
  23. „Liberazione“, 10., 14. 16. Mai 2008. Ausf. Feldbauer: „Marsch gegen den „Duce“, in: „jW“, 19.Mai 2008.
  24. Ausg. vom 9. Mai 2008.
  25. „Manifèsto“, 12. Juni 2007.
  26. „Inprekorr“ (Organ der IV. Internationale), 428/429, Sept./Okt. 2007.
  27. Beide frühere Vorsitzende der Linksdemokraten, D´Alema 1998/99 Ministerpräsident, Veltroni  zuletzt Bürgermeister von Rom.
  28. Allgemein wurde in der Öffentlichkeit die alte Bezeichnung Linke Mitte beibehalten, die auch in diesem Beitrag noch verwendet wurde.
  29. Ausf. Feldbauer: „Beispielloses Spektakel“, „UZ“, 26. Okt. 2007.
  30. 10. Febr. 2008.
  31. Norberto Bobio schätzte ein, dass der Berlusconi-Partei „jegliche demokratische Merkmale“ fehlen. Der verstorbenen konservative Starjournalist Indro Montanelli sah in Berlusconi, dem er wegen seines autoritären faschistoiden Führungsstil in seinem Hausblatt „Giornale Nuovo“ die Mitarbeit aufkündigte, die Gefahr eines „neuen Mussolini“.
  32. ANSA, 16. Mai 2008.  
  33. Im Parlament sind noch folgende Partein vertreten: Der Berlusconi-Block mit der Forza-Partei, die sich zu den Wahlen in „Partei des Volkes der Freiheit“ umbenannte, die Alleanza Nazionale, die Lega Nord und eine sizilianische Regionalpartei Movimento per Autonomia, die nur 0,1 % erreichte, aber auf der Kandidatenliste Berlusconis ins Parlament einzog. Ihr werden Mafia-Verbindungen nachgesagt und sie soll offensichtlich den Einfluss Berlusconis in Sizilien sichern. Im Bündnis mit Veltronis Demokratischer Partei zog die „Partei der Werte Italiens“ des früheren Mailänder Staranwalts der 90er Jahre (Leiter der Untersuchungen „Saubere Hände“) ins Parlament ein. Vertreten ist ferner die bereits erwähnte UDC.
  34. Die Modalitäten sind noch nicht geklärt. Während Berlusconi vom Beitritt in seine Partei spricht, strebt Fini eine Vereinigung an.
  35. Di Pietros Partei ist stark rechts ausgerichtet und tritt für ein Präsidialregime ein, wie es Berlusconi errichten will.
  36. „Repùbblica“, 25. Mai 2008.
  37. „Liberazione“, 28. Febr. 2008.
  38. Man muss Bertinotti jedoch zugute halten, dass er viel zur Durchsetzung von konsequenten linken Positionen in der Partei beigetragen hat.
  39. Bertinotti: Idee che non muoiono, Mailand 2000.
  40. “Liberazione”, 24. Oktober 2004.
  41. Interview in  „jW“, 19/20. April 2008.
  42. Der PdCI zählt etwa  15.000 Mitglieder.
  43. Luciano Canfora, der an der Universität von Bari klassische Philologie lehrt, erregte 2006 mit dem Werk „Eine kurze Geschichte der Demokratie“ Aufsehen. In einem Epochenüberblick von der Antike bis zur europäischen Union konfrontierte er die dominierenden Vorstellungen mit einem radikalen Begriff von der Demokratie, dem diese nicht als bloße Form und Fassade oligarchischer Herrschaft gilt, sondern als Streben der subalternen Gesellschaftsklassen nach realer Gleichheit. Gramscis Patenschaft ist unzweifelhaft zu erkennen. Canfora erinnerte denn auch an dessen Leistung, die Niederlage gegen den Faschismus „politisch und historisch zu begreifen“.
  44. „Manifèsto“ veröffentlichte den Aufruf am 17. April 2008. „Liberazione“ brachte ihn nicht. „jW“ veröffentlichte ihn am 23. April 2008.
  45. “jW”, 2. u. 3. Mai 2007.
  46. Soweit ersichtlich handelt es sich (noch) nicht um organisierte Gruppen bzw. Strömungen.
  47. Berlinguer erlitt am 7. Juni 1984, während er auf einer Kundgebung seiner Partei in Padua sprach, einen Herzinfarkt. Vier Tage später starb er. Der in Padua anwesende sozialistische Staatspräsident, Sandro Pertini, ließ den im Koma liegenden IKP-Generalsekretär in seiner Präsidentenmaschine nach Rom fliegen. In Italien wurden trotzdem immer wieder Stimmen laut, Berlinguer sei vor Ort nicht sofort alle mögliche medizinische Behandlung zu teil geworden, die sein Leben hätte retten können. Beweise liegen dafür nicht vor.
  48. Wurde nach Alessandro Natta im Mai 1988 zweiter Nachfolger Berlinguer als IKP-Generalsekretär.
  49. “Liberazione”, 11. Juni 1999; 13. Sept. 2003.

Libanon

Initiativ-e.V. Duisburg:
Hezbollah verteidigt nationale Souveränität gegen proamerikanischen Regierungsblock!

Die Auseinandersetzungen im Libanon der letzten Wochen haben zum fast völligen Zerfall des unter Protektorat der USA und Israels stehenden regierenden Blocks unter Sinora geführt. Damit wurde dem Bestreben, die Hezbollah als stärkste antiimperialistische Kraft im Libanon auszuschalten, einen Bärendienst erwiesen.

Die Auseinandersetzungen am 07. 05. 08 (Hintergrund: Hezbollah unterstützte den Generalstreik gegen die Wirtschaftspolitik der Sinora-Regierung für eine allgemeine Lohnanhebung im Libanon) signalisierten für das verfassungswidrige Sinora-Regime den Startschuss, mit der Entwaffnung der Hezbollah zu beginnen und den Libanon so ganz den amerikanischen Vorstellungen unterzuordnen. Auf einer Kabinettssitzung am 06. 05. 08 wurde beschlossen, das Telekommunikationsnetz der Hezbollah für illegal zu erklären und abzuschalten. Zum anderen sollte der Sicherheitschef Brig. Gen. Wafiq Shuqeir des internationalen Flughafens von Beirut abgesetzt werden. Er weigerte sich, den Forderungen amerikanischer und israelischer Geheimdienste nach Übermittlung von Passagierdaten nachzukommen. Mit der politischen Rückendeckung aus dem Westen sowie der amerikanischen und europäischen Truppenpräsenz - infolge des Waffenstillstandsabkommens nach dem israelischen Angriffskrieg 2006 - schien der regierende Block zu der Überzeugung gekommen zu sein, die patriotische Opposition unter Führung der Hezbollah würde die offene Konfrontation nicht wagen.

Doch der Generalstreik, der wiederholt von den mit der Regierung verbundenen Falangisten angegriffen wurde, schlug in eine Front zur Verteidigung der libanesischen Souveränität um und beantwortete die offene Kriegserklärung gegen die patriotische Opposition mit der Abriegelung des Flughafens und aller wichtigen Verbindungsstraßen in und nach Beirut, der Besetzung des TV-Senders "Future TV" und des Zeitungsgebäudes der "Al-Mustaqbal". Beides sind Organe des regierenden Blocks und im Besitz des Milliardärs Hariri, der als eigentlicher Führungskopf der von den USA und Europa gestützten Regierung gilt. Während die libanesischen Streitkräfte in die Auseinandersetzung nicht eingriffen, brachte Sinora eine aus Sicherheitsfirmen aufgestellte "Miliz" und die faschistischen christlichen Falangisten in Stellung. Diesen meist unter dem Vorwand des Objektschutzes nach Beirut gebrachten jungen Männern wurde dort befohlen, die Einheiten der Hezbollah anzugreifen. In einer kurzen militärischen Auseinandersetzung am 08. 05 und 09. 05. 08 in Beirut besetzten die Einheiten der Hezbollah West-Beirut.

Nachdem offensichtlich wurde, dass der Sinora-Regierung die Kontrolle über die Ereignisse zu entgleiten begann, versuchte diese durch einen Kompromiss zu retten was zu retten war. Sinora machte die Rücknahme des Beschlusses zur Abschaltung des Telekommunikationsnetzes von der Auflösung der Sitzblockade vor dem libanesischen Parlament abhängig, die die patriotische Opposition zur Durchsetzung ihrer Forderung nach Neuwahlen seit über einem Jahr durchführt. Dieses von Nasrallah als "Erpressung" bezeichnete Angebot wurde von der Führung der Hezbollah umgehend zurückgewiesen. Nach wie vor forderte sie die bedingungslose Rücknahme der Beschlüsse vom 06. 05. 08.

Vor dem Hintergrund der Besetzung Westbeiruts und der militärischen Niederlage der Sinora-Kräfte verlagerten sich die Auseinandersetzungen in den Norden des Libanon. Dort ging die Drusen-Miliz als Teil des proamerikanischen Blocks gegen Hezbollah-Anhänger vor, wobei vier Menschen verschleppt, gefoltert und anschließend getötet wurden. Auch hier ging die Hezbollah, nun aber unterstützt von Amal und baathistischen Milizeinheiten, gegen die Hochburgen Dschumblatts[1] vor und besetzte alle wichtigen Stellungen um den Mount Libnon. Die Drusen wurden anschließend von der Hezbollah und der libanesischen Armee entwaffnet.

Um die Kämpfe zu beenden und den Weg für eine politische Lösung durch die Arabische Liga zu eröffnen, setzte das Oberkommando der libanesischen Armee die Dekrete vom 06. 05. 08 außer Kraft. Die libanesische Opposition um die Hezbollah, Amal sowie die "Freie Patriotische Bewegung" (CPL) des christlichen Generals Aoun gehen aus den jüngsten Auseinander-setzungen gestärkt hervor. In dem Abkommen von Doha, das auf Vermittlung der Arabischen Liga am 21.05.08 zustande kam, wurden alle wesentlichen Forderungen der Opposition nach einer demokratischen Reform im Libanon erfüllt.

Vereinbart wurde eine Wahlrechtsreform und die stärkere Beteiligung der Opposition an der Regierung. Auch wenn dies noch kein Durchbruch ist im Bestreben, das seit 1939 vom französischen Vichy-Regime installierte konfessionelle Wahlsystem abzuschaffen, wie es von der Hezbollah gefordert wird, so ist doch der gestiegene Einfluss auf die jetzige Regierung ein wichtiger Schritt, um den amerikanisch-europäischen Einfluss zurück zu drängen. Auch die Wiedereinsetzung des Sicherheitschefs am Beiruter Flughafen stärkt die patriotischen Kräfte innerhalb der Armee. Für die USA und Israel ist die Einigung ein herber Rückschlag in ihrem Bestreben, den Libanon unter ihre Kontrolle zu bekommen und die Hezbollah auszuschalten. In den USA hatte man offensichtlich gehofft, die Situation zu nutzen, um Israel erneut dazu animieren zu können, auf Seiten des Harriri-Dschumblatt-Sinora-Blocks in die Kämpfe einzugreifen. Ein entsprechender amerikanischer "Befehl" wurde von der israelischen Armee brüsk zurückgewiesen. Ein solcher Schritt wäre nach dem Desaster von 2006 schwerlich innenpolitisch zu vermitteln gewesen, vor allem angesichts des Risikos eines offenen Ausgangs für die israelische Armee.

Hierzulande herrschte während der Ereignisse im Libanon die übliche antiislamische Desinformationskampagne. Zum einen wurden sie in den deutschen Medien als Teil eines syrisch-iranisch gesteuerten Angriffs auf die libanesische Regierung oder als der Beginn eines konfessionellen Bürgerkrieges gewertet, in dem die schiitische Hezbollah gegen den sunnitischen Bevölkerungsteil vorgeht. An einer aufklärenden Berichterstattung in Deutschland scheint wenig Interesse zu bestehen. Wäre es anders, so würde man in der Bundesregierung in arge Bedrängnis kommen, zu erklären, warum eine auf demokratische Reformen drängende Bewegung wie die Hezbollah, deren sozial-politisches Programm ein Bündnis anführt, das von der christlichen "Freien Patriotischen Bewegung" (CPL), den Drusen unter Führung Talal Arslan und selbst der libanesischen KP getragen wird, weiterhin als "terroristische Organisation" eingestuft wird. Auch würde es die deutsche Beteiligung an der amerikanisch-europäischen Kanonenboot-Diplomatie vor der libanesischen Küste und im Süden des Libanons entlarven, die bis heute mit deutschen Marine-Einheiten den amerikanischen Einfluss abzusichern hilft. Hintergrund bildet auch hier eine UN-Resolution, hinter welcher sich das Ziel verbirgt, den gescheiterten Angriffskrieg Israels gegen den Libanon 2006 nun im Kostüm der UNO umzusetzen und die Hezbollah zu entwaffnen.

Die deutsche Bundesregierung scheint wie in Afghanistan mit der Beteiligung an der Besatzung des Libanon und allgemein in der Beteiligung an der militärischen Absicherung der Pax-Americana das beste Mittel zu sehen, um die Interessen der deutschen Konzerne zu sichern. Dass sie damit zunehmend das Grundgesetz und das internationale Völkerrecht, in dessen Rahmen sie zu handeln verpflichtet ist und das sie zu schützen geschworen hat, aushöhlt, wird den Bündnisinteressen, also letztendlich den wirtschaftlichen Expansionsinteressen der deutschen Wirtschaft, geopfert. Diese hofft bei entsprechender militärischer Beteiligung an den amerikanischen Abenteuern ein entsprechend großes Stück von der Beute der unterworfenen Länder abzubekommen. Der Artikel 26 des deutschen Grundgesetzes, welcher die Vorbereitung sowie jegliche Beteiligung an einem Angriffskrieg und damit selbstverständlich jede Mittäterschaft Deutschlands an einem solchen unter Strafe stellt, hat weder die rot-grüne Kriegsverbrecherregierung 1999 nach dem Angriffskrieg gegen die Republik Serbien vor Gericht gebracht, noch wird er die aktuelle Bundesregierung dazu veranlassen, ihre verbrecherische Komplizenschaft im Krieg gegen den Terror der USA zu beenden.

Die Hezbollah war und ist im Libanon die einzige Kraft, die politisch und militärisch gewillt ist, die libanesische Nation vor den Angriffen der israelischen Armee zu schützen und die libanesische Souveränität zu verteidigen. Das sie dies auf eine breite politische Basis zu stützen gewillt ist, beweist ihre Forderung nach Neuwahlen und nach einer Überwindung des anachronistischen Wahlsystems, das Stimmen nicht nach demokratischen Willensbekundungen seiner Bürger verteilt, sondern nach religiösen Konfessionen.

Initiativ e.V.,
27. 05. 08

(1) W. Dschumblatt ist Führer der Sozialistischen Fortschrittspartei des Libanon, die dem pro-westlichen Lager angehört.

(2) Änderung des Strafgesetzbuches: Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. April 2007 (BGBl. I S. 513) mit Wirkung vom 18. April 2007, wird wie folgt geändert: § 80 wird wie folgt gefasst: "§ 80 Vorbereitung eines Angriffskrieges :Wer einen Angriffskrieg oder die Beteiligung an einem Angriffskrieg (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) vorbereitet, auslöst oder durchführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft."


Press-TV, Teheran/Beirut:
Hezbolla durchkreuzt den von den USA geplanten Coup

Hezbollah hat eine von den USA gesteuerte Operation, die den USA die Kontrolle über den Libanon bringen sollte, durchkreuzt.

Eine Studie der Syrischen Tageszeitung „Al-Baath“ belegt: “Die Amerikaner starteten einen präventiven Schlag gegen die Opposition der patriotischen Kräfte im Libanon, beginnend mit einem Angriff auf den Widerstand der Hezbollah, um dann den Versuch eines Staatstreiches zu unternehmen.

Aber die Operation wurde durch die vereinte Opposition vereitelt und die Ordnung im Libanon wurde wieder hergestellt.“

Die libanesische Opposition bemühte sich, “die ausländische Einflussnahme zurückzudrängen und alle Machenschaften zu durchkreuzen, die den Libanon in ein Protektorat Israels verwandeln und zu einem weiteren Glied in der Kette us-amerikanischer Stützpunkte in der Region machen sollte“, fügte das Blatt hinzu.

Die Spannungen zwischen den regierenden und den oppositionellen Parteiblöcken stiegen, nachdem die pro-amerikanische Regierungskoalition entschieden hatte, die Telekommu-nikationsstrukturen der Hezbolllah zu zerstören und den Sicherheitschef des Beiruter Flughafens zu entlassen.

Es wurden insgesamt 39 Menschen bei den darauf folgenden Zusammenstößen getötet.

Der Libanon erlebte in den Tagen dieser heftigen Zusammenstöße zwischen den unterschiedlichen Lagern, wie westliche und auch einige regionale Medien, eingeschlossen „Al-Arabia“, versuchten, die Kämpfe zu religiös bestimmten Gewalttaten umdeuteten.

Zu diesem Zweck stellten sie die Kämpfe als Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten dar. Diese Berichte wurden in der Form von Interviews mit sunnitischen Geistlichen lanciert, aber die Fernsehstationen von „Al-Manar“ stellten diese Lügen bloß, indem sie darüber berichteten, dass sehr viele Sunniten im Libanon Hezbollah unterstützen wegen der heldenhaften Anstrengungen und der spürbaren Erfolge von Hezbollah bei der Aufgabe den Libanon gegen Israel zu verteidigen.

Kenner der politischen Szene sind der Auffassung, dass Israel und sein getreuer Verbundeter, die USA, schon seit geraumer Zeit versuchen, den Libanon zu destabilisieren, um sich für die demütigende Niederlage zu rächen, die Israel vom den libanesischen Widerstand, vor allem von Hezbollah im Jahr 2006 nach dem israelischen Angriff auf den Südlibanon beigbracht wurde.

press-tv, Teheran,
Büro Libanon

Cuba

Red. Offensiv:
Vorbemerkungen

Unter der Rubrik „Cuba“ findet Ihr unterschiedliche Meldungen und Dokumente über die aktuelle (neue?) Lage in Cuba. Das sollen vorsichtige Hinweise auf neue Entwicklungen und damit verbundene Probleme sein. Mehr als ein paar Hinweise zu geben ist derzeit nicht möglich, für eingehende Analysen und/oder Einschätzungen ist es noch zu früh.[1]

Wir bringen im folgenden Auszüge aus Artikeln der „jungen Welt“, der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ und der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Zusammenfassungen von Veröffentlichungen der Hans-Seidel- und der Friedrich-Ebert-Stiftung und, unter dem Zwischentitel „Modrow auf Filzlatschen“, Auszüge aus der Rede, die Hans Modrow in Cuba gehalten hat. Begleitend dazu drucken wir Auszüge aus dem Buch „Das Komplott. Wie es wirklich zur deutschen Einheit kam“. Abgeschlossen wird das Ganze durch den auszugsweisen Reprint des Berichtes von Raul Castro an das Politbüro der KP Cubas vom März 1996, also von einer 12 Jahre alten Rede Rauls.

Redaktion Offensiv,
Hannover

[1] Auch wenn es noch zu früh für seriöse Analysen und Einschätzungen ist, wollen wir auf mögliche Probleme hinweisen. Nebenbei bemerkt: andere tun das auch, nur in anderer Richtung: dort wird bagatellisiert. Und das macht nachdenklich. Die DKP zum Beispiel sagt in ihrer Zeitung, der UZ vom 9.5.08: „Als hätte Raul Castro 95 Thesen an die Kathedrale von Havanna genagelt, macht die bürgerliche Presse erstaunlicherweise einen „Reformkurs auf Kuba“ aus. Dabei werden nicht mehr und nicht weniger als die jeweils für einen günstigen Moment vorgesehenen Maßnahmen durchgeführt.“ Und danach wird in dem Artikel von Günter Pohl über Rentenerhöhungen, Sozialhilfeerhöhungen und Lohnerhöhungen im Justizbereich berichtet, die Landvergabe an Privatbauern hingegen wird dort nicht erwähnt. Man hat das Gefühl, dass es bittschön keine kritischen Fragen geben soll. Da sind wir anderer Meinung – denn wir haben bitter erfahren müssen, wohin die innere Aufweichung führen kann.


junge Welt, Autor Andreas Knobloch:
Neuland auf Kuba

junge Welt, Di., 8. April 2008, Auszüge

Die neue Agrarreform auf Kuba hat es in sich. … Schwerpunkt der aktuellen Agrarreform ist die Überlassung ungenutzten Bodens an private Bauern und Kooperativen. Die Produzenten sollen höhere Preise erzielen können, und Entscheidungen werden dezentralisiert. …

Zur Ankurbelung der landwirtschaftlichen Produktion soll brachliegendes Land an private Bauern und Kooperativen verpachtet werden, wie Orlando Lugo Fonte, Präsident der nationalen Bauernvereinigung und Mitglied des Staatsrates ankündigte. Jeder, der Tabak anbauen wolle, werde dafür Land erhalten, sagte er. Dasselbe gelte für Kaffee und andere Erzeugnisse.

Gleichzeitig versprach er eine Erhöhung der offiziellen Aufkaufspreise (also jener Preise, die der Staat an die Bauern zahlt)..…

Vor allem den privaten Kleinbauern wird die neue Reform Vorteile bringen. Neben der Möglichkeit, zusätzlichen Boden zu beantragen, garantieren die höheren staatlichen Preise eine bessere Rentabilität und damit höhere Einkommen. …

Anstatt der Verpflichtung, den Großteil ihrer Produktion an den Staat zu verkaufen, könnte den Bauern in Zukunft die Möglichkeit eingeräumt werden, einen Teil ihrer Erzeugnisse auf dem „freien“ Markt anzubieten.

junge Welt,
Andreas Knobloch,
8. 4. 08


Hannoversche Allgemeine Zeitung, Autor Stefan Koch:
Latinos entzweien Berlin

Hannoversche Allgemeine Zeitung, Fr., 9. Mai 2008, Auszüge

… Die SPD werde die Zusammenarbeit Deutschlands mit dem mehrheitlich links regierten südamerikanischen Kontinent verstärken, sagte SPD-Außenpolitiker Nils Annen. … Ähnlich gingen Parteichef Kurt Beck und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier in Stellung: Sozialdemokratische Lateinamerikapolitik habe eine lange Tradition und stehe für Ausgleich und Dialog auf der Basis von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, hebt Beck hervor. Diese Strategie sei eng mit Willy Brandt verbunden, der ein Wegbereiter für den Dialog mit der Linken in Lateinamerika und deren Einbindung in die Sozialistische Internationale gewesen sei.

Steinmeier wiederum forderte dazu auf, Kuba bei seinen Reformen zu unterstützen. Die vom Bruder des langjährigen Präsidenten Fidel Castro, Raul, eingeleiteten Veränderungen seien „kleine Entwicklungen, nicht nur Gesten“, so der Außenminister. „Das ist sogar so etwas wie eine Chance.“ Weitere Fortschritte hingen davon ab, „ob wir Kuba sich selbst überlassen oder ob wir etwas dazu beitragen, aus diesen Chancen etwas zu machen.“…

HAZ,
Stefan Koch,
9.6.08


Reinhold Schramm:
Die "Hanns-Seidel-Stiftung" der CSU - und Kuba

Transformation in den Kapitalismus.

Nicht erst seit den 1960er Jahren wurde die imperialistische Konzeption und Strategie der Bundesrepublik Deutschland für die Überwindung und Beseitigung des staatlichen und gesellschaftspolitischen Realsozialismus, nicht nur in Mittel- und Osteuropa, weltweit, fortwährend entwickelt, modifiziert und in der realpolitischen Praxis umgesetzt, so auch mit Bezug auf die Republik Kuba.

Frau Swetlana W. Pogorelskaja beschreibt in ihrer wissenschaftlichen Studie: "Die parteinahen Stiftungen als Akteure und Instrumente der deutschen Außenpolitik", die besondere Aufgabenstellung der parteinahen Stiftungen und analogen 'nichtstaatlichen' NGOs, im Prozess der ökonomischen und gesellschaftspolitischen Transformation, analoger, aber auch, vormals gegensätzlicher und antiimperialistischer Gesellschaftsordnungen. Sie schreibt in ihrer Studie: "Schon in den frühen sechziger Jahren wurde im Auswärtigen Amt (AA) der Wert der Stiftungen als außenpolitische Instrumente erkannt. Es waren die Jahre, in denen die Richtlinien der Politik gegenüber den Entwicklungsländern im allgemeinen Kontext der damaligen deutschen Außenpolitik im Hinblick auf die Deutschlandpolitik* und bezogen auf die Besonderheiten dieser Staaten entworfen wurden." [1]

Mit der erfolgreichen Beseitigung des Realsozialismus durch die imperialistischen Staaten, Weltmetropolen und Regionen, geht es den imperialistischen Partnern in der EU, Nordamerika (USA/Kanada) und Japan, machtpolitisch: geopolitisch, ökonomisch und militärisch, in ihrer (miteinander) abgestimmten imperialistischen (außenpolitischen) Politik, um die Beseitigung der Reste der antiimperialistischen und antikapitalistischen Bewegung. Zugleich geht es den imperialistischen Staaten, auch der kapitalistischen, Kultur- und wirtschaftsimperialistischen Bundesrepublik Deutschland, um die Beseitigung der noch bedingt wirksamen 'eigenständigen' gesellschaftspolitischen und staatlichen Organisation(en) - und auch um deren Ersatz durch 'neue' politisch geneigte Kräfte, - Kollaborateure und 'Beauftragte' in Wartestellung.

Dies gilt auch für die gesellschaftspolitische Beseitigung des Sozialismus in Kuba. Hier, unter anderem, mit Hilfe der im außenpolitischen Vorfeld beauftragten "Hanns-Seidel-Stiftung" (HSS), der Parteistiftung der CSU, analog, wie auch bei den anderen staatspolitischen und gesellschaftspolitischen Stiftungen, im Interesse des deutschen, europäischen und US-amerikanischen Imperialismus. Deren 'NGO'- Aufgabenstellung und 'Projektarbeit' erfolgt in politischer und strategischer Abstimmung und Billigung mit und durch die USA. Die Realisierung der Zielsetzung erfolgt in der kurz-, mittel- und langfristigen (gegenseitigen) Arbeitsaufteilung und praktischen Umsetzung. Sie beinhaltet auch eine (aktuelle und zukünftige) strategische und kapitalistische Marktaufteilung - und sie ist nicht ('nur') Irrational.

Hanns-Seidel-Stiftung:
Kuba [2] Die HSS und ihre Aufgabenstellung. Im Wortlaut (mit Anmerkungen)

Projektinhalt: Ziel der Projektarbeit in Kuba ist, einen friedlichen Entwicklungsprozess, der wirtschaftlichen und politischen Reformen gleichermaßen beinhaltet, durch ein gezieltes Beratungs- und Schulungsprogramm zu fördern und über die Durchführung geeigneter internationaler Begegnungen zur demokratischen Öffnung des Inselstaates beizutragen. (R.S.: Die 'humanistische' und weiche Methodik:)

Die bisherige Projektarbeit bestand aus einem ersten fünfjährigen Förderzeitraum (Mitte 1993 bis Mitte 1998), in dem eine Aussöhnung Kubas mit seinem Exil, soweit dieses für einen gewaltfreien Wandel eintrat, im Vordergrund der Bildungsmaßnahmen stand. Regelmäßige Veranstaltungen zur 'Partizipativen Demokratie' -mehr als sechzig Seminare und Workshops auf Kuba selbst, aber auch in den USA und in ausgewählten Ländern Lateinamerikas für Exilkubaner- informierten über demokratische Ordnungsvorstellungen und boten Gelegenheit zur Reflexion eigener Erfahrungen.

Eine zweite Entwicklungsperiode (Mitte 1998 bis Heute) konzentrierte sich -gestützt auf das in den ersten fünf Jahren erworbene Vertrauen und Prestige im Gastland und unter Berücksichtigung des sich vollziehenden Prozesses der ökonomischen Transformation des Landes- auf eine Änderung des wirtschaftlichen Ordnungsrahmens in dem Maße, wie er für das Funktionieren von Grundstrukturen eines marktwirtschaftlichen Systems nötig ist.

Die aktuellen Fördermaßnahmen, die auch in der neuen Förderphase einen Schwerpunkt bilden werden, sind im Wesentlichen auf die konkrete Beratung und Schulung von Entscheidungsträgern der Wirtschaft gerichtet und gelten der Erweiterung und Vertiefung von Kenntnissen der Makro- und der Mikro-Ökonomie des Landes sowie der Theorie und Praxis der Wirtschaftsordnung, aber auch dem effizienten Einsatz von Instrumenten und Mitteln sowie der Regulierung der Beziehungen und Prozesse innerhalb einer sich wandelnden und öffnenden Wirtschaft. Neben Managementtraining und regelmäßigen Kursen zur Unternehmensführung werden Workshop-Zyklen zum Thema 'Führungstechniken' durchgeführt. Lassen dies die Rahmenbedingungen zu, soll in Zusammenarbeit mit den vor Ort tätigen deutschen politischen Stiftungen ein Dialog begonnen werden, der deutsche und kubanische Erfahrungen zum politischen, sozialen und wirtschaftlichen Wandel kritisch in Beziehung setzt.(siehe: "Wandel durch Annäherung" -R.S.)

Projektpartner: In Abstimmung mit dem 'CEE-Centro de Estudios Europeos', das seinerseits durch die Abteilung für Internationale Beziehungen des Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Kubas angeleitet wird, relevante kubanische Ministerien und Universitätsfakultäten, das CEE selbst, ferner die 'Câmara de Comercio de Cuba' und die Nationale Hotelfachschule

Reinhold Schramm

Quellenhinweis:

[(*) Vgl. Auswärtiges Amt III B1, BD. 651, Aufzeichnung "Außenpolitik und Entwicklungspolitik" vom 6. Mai 1966: "Die Entwicklungspolitik war ein unverzichtbares Instrument bei der Abschirmung und Verteidigung unseres Alleinvertretungsanspruchs." (AA III B 1 = Archivbestand Grundsatzfragen der Entwicklungspolitik).

[1] "Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)", Internet: http://www.bpb.de/publikationen Hier: Die parteinahen Stiftungen als Akteure und Instrumente der deutschen Außenpolitik. Anmerkung: Mit der ökonomischen Entwicklung der Transnationalen Konzerne und deren Konzern-Stiftungen, z. B. auch (nicht nur) die "Bertelsmann-Stiftung", übernehmen zunehmend diese 'privaten' Einrichtungen auch innenpolitische-gesellschaftspolitische Aufgaben des Staates (- auch die bildungspolitische Formierung der Gesamtgesellschaft), sondern auch außenpolitische 'unkontrollierte' imperialistische Aufgaben und Zielsetzungen (auch analog der paramilitärischen 'Privatarmeen').

[2] Internet: http://www.hss.de/1840.shtml


Reinhold Schramm:
Aktivitäten der "Friedrich-Ebert-Stiftung (FES)" in Kuba - für den gesellschaftspolitischen Umbruch.

In den 60er Jahren nahm die FES erste Kontakte mit Kuba auf. Ab 1983 intensivierten sich die Beziehungen zu Institutionen Kubas und wurde der "Dialog" zwischen westdeutschen und kubanischen Wissenschaftlern und Politikern organisiert. Von 1985 bis 1994 fanden wechselnd Themenseminare zwischen Bonn und Havanna statt. Parallel organisierte die FES Besuchsprogramme für Politiker in beiden Ländern. Seit Beginn der 90er Jahre konstatiert die FES einen zunehmenden wirtschaftlichen Transformationsprozess und wachsendes Interesse an der Vermittlung von Expertise. Ende 1994 richtete die FES ein Projekt der Entwicklungszusammenarbeit ein. „Da die Eröffnung einer Repräsentanz in Havanna leider nicht möglich war, wurde die Projektarbeit zunächst von Mexiko, seit Ende 1998 von der Dominikanischen Republik aus gesteuert.“

Hauptpartner der FES in Kuba ist das "Zentrum für Europa-Studien (CEE)". Darüber hinaus besteht ständiger Gesprächskontakt mit der Internationalen Abteilung der PCC. Die konkreten Aktivitäten werden mit den kubanischen Projektpartnern vereinbart, vorbereitet und durchgeführt. Zum Partnerspektrum gehört das Wirtschaftsministerium, Finanzministerium, die Zentralbank, das Außenhandelsministerium; das Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Umwelt; das "Forschungszentrum für Weltökonomie" (CIFM); das "Forschungszentrum für Kubanische Wirtschaft" (CEEC); das "Forschungszentrum für Internationale Wirtschaft" (CIEI) und das "Zentrum für Wissenschaft- und Technologie- Management" (GECYT).

„Themenfelder der nachfrageorientierten Projektarbeit sind die Reintegration Kubas in die Weltwirtschaft, die Restrukturierung der Binnenwirtschaft, die unternehmerische Reform der Staatsbetriebe, die Reorganisation der Staatsfinanzen und die Reform der öffentlichen Verwaltung." [1]

Die FES führt u. a. zu ihrer Projekt- und Transformationsarbeit in Kuba aus: Der "skizzierte Transformationsprozess führte und führt aufgrund seiner Komplexität zu einem stetig wachsenden Interesse sowohl der Entscheidungsträger als auch der ihnen zuarbeitenden Fachleute an der Vermittlung von Erfahrungen und Instrumenten (...) sowie an der Aneignung von Kenntnissen und Fähigkeiten (...). Aus dieser Interessen- und Bedarfslage heraus konkretisiert sich immer wieder erneut die Nachfrage der Partnerinstitutionen der FES auf Kuba, die somit ganz wesentlich den Inhalt der Projektarbeit bestimmen. Als zentrale Themenfelder (...) haben sich dabei herausgebildet:

- Re-Integration in die Weltwirtschaft (...)

- Reform der Verwaltung der Staatsfinanzen (...)

- Restrukturierung des Bankensystems (...) (u. a. "Fragen der Einführung des Euro, Arbeits-prinzipien kommerzieller Banken")

- Modernisierung der Unternehmensführung- (...)

- Kuba und die EU- (...)"

Reinhold Schramm


junge Welt, Autor Harald Neuber:
Privilegierter Partner

Rosa-Luxemburg-Stiftung schließt Rahmenabkommen mit Kuba.
Erste deutsche Parteienstiftung in Havanna

Junge Welt, Di., 13.5.08, Auszüge

Evelin Wittich kann ihren Stolz kaum verbergen. „Vor einer Woche haben wir einen Rahmenvertrag mit der Republik Kuba geschlossen“, sagt die Geschäftsführerin der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS). „Als erste deutsche Stiftung.“ Gemeinsam mit Kubas Botschafter in Deutschland, Gerardo Penalver, stellten Wittich und der Leiter des RLS-Auslandsbereiches, Helmuth Markov, die Kooperationsvereinbarung am Freitag in Berlin vor. Wäre es nach ihnen gegangen, hätte der Vertrag schon viel früher unterzeichnet werden sollen. Doch die aggressive Kubapolitik der EU hatte dies verhindert. … „Auch uns hat das betroffen“, sagte Wittich am Freitag. Doch trotz der Stagnation in der Projektarbeit seien die Kontakte nie abgerissen. Tatsächlich hatte das kubanische „Zentrum für Europa-Studien“, mit dem der Rahmenvertrag nun  geschlossen wurde, in den vergangenen Jahren enge Kontakte zur PDS und später zur Linkspartei aufrecht erhalten.

Dass die nun offizielle Kooperation auch der politischen Nähe der beiden Partner geschuldet ist, verschwiegen weder Penalver noch Wittich. „Wir werden in gewisser Weise exklusiv behandelt“, sagte die RLS-Geschäftsführerin, „und das hängt sicher auch mit unserer Einstellung zusammen.“ Botschafter Penalver spricht indes von einer „fruchtbaren und vertrauensvollen Zusammenarbeit“. Seiner Regierung gehe es darum, das Land „demokratischer“ zu gestalten: „Wir wollen einen Sozialismus aufbauen, der unserer Realität entspricht, und gleichzeitig wollen wir einen Platz in der globalisierten Welt finden.“ Man wolle daher über die notwendigen Veränderungen des Sozialsystems ebenso diskutieren wie über eine lange ausstehende Währungsreform.

Die konkreten politischen Auseinandersetzungen um Kuba wurden zunächst nicht angesprochen. … Auf Nachfrage erst ging Wittich auf die „Debatte um das Scheitern des Sozialismus“ ein, die ja auch in Kuba geführt würde. Die Stiftung habe eine Materialsammlung zu diesem Thema nach Havanna geschickt.

Von dem aktuellen Jahresbudget in Höhe von 21 Millionen Euro stehen der RLS für die internationale Arbeit elf Millionen Euro zur Verfügung. Im kommenden Jahre sollen es zwei Millionen Euro mehr werden. Lateinamerika, sagte Markow, werde dabei einen Schwerpunkt bilden.

junge Welt,
Harald Neuber,
13.5.08


Frankfurter Allgemeine Zeitung, Autor mk:
Privilegierte Beziehung zu Kuba

Rosa-Luxemburg-Stiftung wird im Land wieder tätig

FAZ, Sa., 10.5.08, Auszüge

Die der Linkspartei nahe stehende Rosa-Luxemburg-Stiftung hat mit dem kubanischen Zentrum für Europastudien einen Rahmenvertrag über eine Kooperation abgeschlossen. Das berichtete am Freitag in Berlin die Geschäftsführerin der Stiftung, Evelin Wittich, und der kubanische Botschafter in Deutschland, Gerardo Penalver. Geplant sind Konferenzen und akademischer Austausch sowie politische Bildungsarbeit generell. Doch auch Hilfe in praktischen Fragen, etwa der Umstellung der staatlichen Kolchosenlandwirtschaft auf kleinere Einheiten und auf andere Eigentumsformen soll geleistet werden.

Auch mit anderen deutschen parteinahen Stiftungen werde Kuba wohl wieder zusammenarbeiten, sagte Penalver, doch mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung pflege man eine „privilegierte Beziehung“. … Kein Thema, auch nicht die Menschenrechte, werden von der Liste der möglichen Projekte und Veranstaltungen ausgeschlossen, sagte der Botschafter ausdrücklich. Die Luxemburg-Stiftung hat nach Angaben von Frau Wittich seit der friedlichen Revolution 1989 eine „intensive Diskussion über den Stalinismus und über die Gründe des Scheiterns des Sozialismus geführt“, eine Liste der entsprechenden Publikationen werde gerade von den kubanischen Partnern auf mögliche Übersetzungen ins Spanische geprüft. Gefragt, welche Rolle in Kuba Fragen spielen können, die innerhalb der Linkspartei noch umstritten sind, wies Frau Wittich darauf hin, dass die Stiftung sich stets eindeutig zur Gleichrangigkeit von Freiheitsrechten und sozialen Rechten bekannt sowie entschieden vom Stalinismus distanziert habe. Botschafter Penalver sagte, die neue kubanische Führung wolle die Gesellschaft demokratischer und die Unternehmen effizienter gestalten.

FAZ, mk,
10.05.08


Redaktion Offensiv:
Modrow auf Filzlatschen – jetzt auch in Cuba?

Vorbemerkung der Redaktion:

Es ist sehr bemerkenswert, dass Hans Modrow der cubanischen Führung heute und hier Gorbatschowsche Reformen in Wirtschaft und Gesellschaft empfiehlt – als „Beitrag zu einer modernen Sozialismuskonzeption“, wie die Zeitschrift „Sozialismus“ schreibt. Er tut das sehr geschickt, nämlich verpackt in und vermittelt über die Aufzählung der von ihm ausgemachten Fehler und Versäumnisse der SED-Führung und seine Interpretation derselben. Die Quintessenz seiner Reformvorschläge sieht man erst bei näherem Hinsehen: Marktwirtschaft im Sozialismus, Verunglimpfung der zentralen Planung und damit der Planwirtschaft überhaupt, Stärkung des privatwirtschaftlichen Sektors im Sozialismus, „Freiheit“ für Kunst und Kultur, Auflösung der Sicherheitsorgane des Sozialismus und so weiter. Wer so etwas als mögliche Rettungstaten für die DDR anpreist und Gorbatschows Reformen als Sozialismuskonzeption empfiehlt, indem er noch heute(!!!) von „fehlender Perestroika“ 1989 in der DDR redet, der empfiehlt die Restauration des Kapitalismus.

Wir bringen Auszüge aus seiner Rede vor der cubanischen Führung vom Frühjahr dieses Jahres und anschließend aus dem Buch „Das Komplott“ einige interessante Informationen aus der Zeit der Konterrevolution in der DDR, um zu zeigen, wo Hans Modrow damals stand und heute noch steht. Danach lest Ihr, was Raul Castro vor 12 Jahren dazu sagte. Warum er es heute nicht mehr sagt, sondern stattdessen der Staatsrat den Gorbatschowisten Modrow offiziell dazu einlädt, seine zersetzenden Thesen vor der cubanischen Führung auszubreiten? Wir wissen es nicht.

Redaktion Offensiv,
Hannover


Hans Modrow:
Über das Ende der DDR - Vortrag vor dem ZK der KP Cubas im Rahmen eines Kuba-Besuches auf Einladung des ZK der KPC

Zeitschrift „Sozialismus, Ausgabe 5-08, Auszüge

Zitat aus dem Vortext: „Hans Modrows Skizze des Scheiterns des Realsozialismus in der DDR versteht sich in diesem Sinne (Das Verhältnis zur Geschichte widerspiegelt immer auch die Einstellung zur Zukunft) als Beitrag zu einer modernen Sozialismuskonzeption.“

Um das Ende der DDR verstehen zu können, ist im Folgenden ein kurzer Rückblick in die Geschichte der Partei und des sozialistischen Staates erforderlich.

Zwischen sowjetischem Sozialismus-Modell und „Neuem Ökonomischen System“

Die SED wurde 1946 als Partei gegründet und ging aus der KPD und der SPD hervor. Sie vereinte bei ihrer Gründung etwa 1,4 Millionen Mitglieder und wuchs bis 1989 auf 2,3 Millionen. Als Vorbilder nannte sie Marx und Engels und bekannte sich zum Marxismus. Ein Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus erfolgte erst auf dem III. Parteitag 1950 bzw. in mancher Hinsicht auf der 1. Parteikonferenz der SED 1949. Das geschah mit der Formel, dass sich die SED zu einer Partei neuen Typus entwickeln muss. …

Die DDR wurde als zweiter deutscher Staat im Oktober 1949 gegründet. Sie entstand in der sowjetischen Besatzungszone mit Zustimmung der Sowjetunion und wurde nach deren Sozialismus-Modell gestaltet.

Als Walter Ulbricht in den 1960er Jahren eigenständige Elemente in Wirtschaft und Gesellschaft entwickeln wollte, fiel er in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre bei der sowjetischen Führung um Breshnew in Ungnade. Zu den damals angestrebten Erneuerungen gehörten ein Neues Ökonomisches System (NÖS) für Wirtschaft und Planung mit entwicklungsfähigen Elementen:

  1. hohe Eigenverantwortung der Betriebe
  2. Auf- und Ausbau des genossenschaftlichen Eigentums in Landwirtschaft, Handwerk und Wohnungswirtschaft sowie die Entfaltung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
  3. Wachsende Mitbestimmung in den Betrieben
  4. Gründung halbstaatlicher Betriebe, d.h. von Betrieben mit privatem und staatlichem Anteil

Damit sollte die Überzentralisierung von Planung und Leitung eingeschränkt und nach Formen moderner Wirtschaftsführung gesucht werden. … Ob und inwieweit das NÖS reale Schritte für eine höhere Effizienz der sozialistischen Volkswirtschaft gebracht hätte, muss offen bleiben. Das Experiment wurde zu frühzeitig abgebrochen. … Als Erich Honecker die Verantwortung übernahm, wurde wieder konsequent dem sowjetischen Staats- und Wirtschaftsmodell gefolgt. Halbstaatliche Betriebe wurden voll verstaatlicht, die Zentralisierung wurde gestärkt und es wurden größere soziale Leistungen gewährt. … Das zentralisierte System der volkswirtschaftlichen Planung in der DDR verhinderte Flexibilität und Eigeninitiative der Wirtschaftseinheiten. …

Die 1970er Jahre: Zwischen Entspannung und Block-Konfrontation

Mit den 1970er Jahren ist eine Zäsur in Europa verbunden. Die DDR wurde nach dem Abkommen über Westberlin bis 1973 weltweit diplomatisch anerkannt. Die Hallstein-Doktrin (Alleinvertretungsanspruch der BRD) war damit gescheitert. Im Juni 1973 beginnen in Helsinki die Konferenzen über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE-Prozess). Im August 1975 unterzeichnen dort die Staats- und Regierungschefs aller europäischen Staaten (außer Albanien) sowie die USA und Kanada die „Schlussakte von Helsinki“. Die beiden deutschen Staaten sind gleichberechtigte Teilnehmer. Die Staaten des Warschauer Vertrages und des RGW sehen in der Schlussakte vor allem ihren Erfolg, obwohl sich mit der Anerkennung der individuellen Menschenrechte die inneren Konflikte in den staatssozialistischen Gesellschaften selbst verschärfen mussten.

Die europäische Sozialdemokratie hat am Ende dieses „goldenen Nachkriegszeitalters“ (Eric Hobsbawn) mit Willy Brandt, Bruno Kreisky und Olof Palme Politiker mit großer Ausstrahlung. Aber schon Ende der 1970er Jahre führen die Gegensätze zwischen den Blöcken wieder zu stärkerer Konfrontation. Trotz der Gespräche Brandts mit Breshnew bleibt in Moskau und Berlin die Distanz zur Sozialdemokratie. Erst in den 1980er Jahren führen SED und SPD Gespräche. Manche Chancen bleiben ungenutzt. Insgesamt geht die politische Offensive bald nach Helsinki auf die westliche Seite über. Auch in den Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten kommt es nicht zu Gesprächen und Verhandlungen, die zu einer Entspannung auch an der Grenze zwischen beiden Staaten hätten führen können. Beide Seiten haben die Chancen nicht hinreichend ausgelotet und genutzt.

Die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ und ihre Widersprüche

Die auf dem 8. Parteitag der SED formulierte Orientierung auf „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ löste zunächst vor allem große Erwartungen in der Partei und der Bevölkerung aus. … Die Sozialleistungen stellten sich als ein Geschenk des Staates dar. Sie wirkten nicht als Leistungsansporn in den Betrieben. Als Leistungsansporn wären Faktoren direkt am Arbeitsplatz, u.a. effektivere Arbeitsorganisation und größere Autonomie ausschlaggebend gewesen. … Der Schritt in eine moderne Wirtschaft mit wachsendem Anteil des Dienstleistungsbereiches für eine vielseitige Versorgung der Bevölkerung einschließlich Tourismus wurde vernachlässigt. Wie Erfahrungen zeigen, hätten gerade in diesem Bereich Formen der genossenschaftlichen und privaten Wirtschaft auch unter sozialistischen Verhältnissen einen wichtigen Platz einnehmen müssen. …

„Öffentlichkeit und Erfahrung“ im Sozialismus – vertane Chancen

Der 8. Parteitag gab die Orientierung aus, dass es in Kunst und Literatur keine Tabus mehr geben solle und im fernsehen ein vielfältiges Angebot mit politischem Dialog, klassischer und sozialistischer Dramatik sowie anspruchsvoller Unterhaltung gemacht werden sollte. Es begann eine TV-Programmgestaltung, die Zuspruch bei der Bevölkerung fand. So sollte auch der Versuch unternommen werden, die Auswirkungen der 11. Tagung des ZK der SED im Jahr 1965, des so genannten Kahlschlagplenums, auf dem das kurzzeitige (kultur)politische Tauwetter während des NÖS wieder beendet wurde, in der Kultur- und Jugendpolitik der Partei zu überwinden und wieder Vertrauen bei Künstlern, Schriftstellern und Kulturschaffenden zu gewinnen. … Die Ausweisung Wolf Biermanns aus der DDR im Jahr 1978 und ihre Nachwirkungen machten bald sichtbar, dass die Korrektur des 8. Parteitages nur zum Teil gelang und Fehler in der Kulturpolitik ihre Fortsetzung fanden. Gegen Ende der 1970er Jahre setzten insgesamt wieder Einschränkungen ein. … Ab der zweiten Hälfte der 1970er Jahre haben namhafte Künstler und Schriftsteller die DDR verlassen. …

Fehlende „Perestroika“ und die soziale und politische Krise 1989/1990

… Die „Perestroika“ erschien als eine notwendige Herausforderung und fand in der Partei und außerhalb der Partei in der Intelligenz bis hinein in Kirchenkreise Zustimmung. Die Parteiführung der SED, besonders Erich Honecker, ging auf Distanz zur Sowjetunion. … Es wurde jeder Gedanke an notwendige, den Bedingungen der DDR entsprechende Veränderungen zurückgewiesen. …

Im Sommer 1989 fällt Honecker durch eine ernste Krankheit aus. … Als Honecker dann Ende September ins politische Geschehen zurückkommt, glaubt er, die internationale Feier zum 40. Jahrestag der DDR werde alle Probleme klären und es könne wie bisher weitergehen. … Man hofft, dass die Teilnehme Gorbatschows einen freundschaftlichen Ausgleich bringen würde. Das funktioniert nicht. Gorbatschow zeigt sich nicht als Freund Erich Honeckers und will das Politbüro auf seine Seite bringen. Das gelingt zwar nicht, aber er stärkt die Überzeugung, dass Veränderungen in der DDR nötig sind. Diese Veränderungen werden aber nur als Personalfragen verstanden und darunter in Angriff genommen. … Egon Krenz wird als Generalsekretär gewählt mit Empfehlung an die Volkskammer zur Wahl für die beiden weiteren Funktionen. Der Versuch einer Debatte, den Moritz Mebel, Manfred Ewald und Hans Modrow unternehmen, wird abgewiesen. …

In der Zeit bis zum 8. November 1989, der 1. ZK-Tagung unter Egon Krenz, wird nichts unternommen, um erste Schritte für Veränderungen und Rückgewinnung von Vertrauen einzuleiten. … Da die gesamte Regierung am 7. November unter dem Druck vieler Gliederungen der Partei und der Straße zurücktreten muss, kann Willi Stoph nicht länger Ministerpräsident sein. Egon Krenz möchte Siegfried Lorenz, Mitglied des Politbüros, als Nachfolger Stophs. Lorenz lehnt ab. Wolfgang Junker und Alexander Schalck-Golodkowski lehnen ebenfalls ab. Hans Modrow wird die vierte Wahl, ist aber bereit, die Verantwortung zu übernehmen. … Am 9. November steht die DDR am Rand einer Katastrophe. Günter Schabowski soll auf einer Pressekonferenz über künftige Regelungen für den Grenzübertritt nach Westberlin und zur BRD informieren. Er erklärt aber, die Grenze sei ab sofort geöffnet. … Ein Ereignis von geschichtlicher Bedeutung läuft spontan ab, die Führung wird von den Ereignissen überrannt. Auch wenn die Sowjetunion mit ihren Rechten als Siegermacht des Zweiten Weltkrieges nicht informiert wurde, stimmt Gorbatschow den Ereignissen am nächsten Tag zu. …

In der SED verstärkt sich der Zerfall und aus den Bezirken kommt die Forderung nach Rücktritt des ZK. Am 3. Dezember 1989 tritt das ZK zurück und es erfolgen Ausschlüsse führender Genossen, auch der Generalsekretär wird ausgeschlossen. Ein außerordentlicher Parteitag soll die Reste der Partei retten, was nach heftiger, widersprüchlicher Debatte auch noch gelingt. …

Ein „Knackpunkt“ dieser Phase war das Ministerium für Staatssicherheit, bzw. dann das Amt für Nationale Sicherheit. Eine kritische Betrachtung meines Verhaltens begleitet mich noch immer. Natürlich könnte ich darauf verweisen, dass es in der Geschichte wohl keinen Regierungschef gegeben hat, der seinen eigenen Sicherheitsdienst aufgelöst hat. Als ich mich für die Auflösung entschied, schien es mir notwendig, den Prozess so zu gestalten, dass es keine pauschale Verurteilung und spontane Verfolgung geben darf. Die hätte auch unberechenbare Gegenwehr auslösen können. …

Hans Modrow,
Havanna,
vor dem ZK der KP Cubas


Ralf Georg Reuth/Andreas Bönte:
Das Komplott. Wie es wirklich zur deutschen Einheit kam

Kapitel 2: „Die Perestroikisten demontieren Honecker“, Auszüge

… Parallel zu dem, was unter den Kirchendächern geschah, begann sich seit Gorbatschows Machtübernahme zunächst abseits jeder Öffentlichkeit eine ganz andere Opposition herauszubilden. Sie wurde getragen von den prosowjetischen, atheistischen Eliten des Apparates. Einer ihrer frühen Protagonisten im Lande war Manfred von Ardenne, der Leiter des kernphysikalischen Instituts in Dresden. … Wie Ardenne später selbst offen legte, war er am 18. Juni 1987 in seinem Dresdener Haus mit dem stellvertretenden KGB-Chef und Andropow-Zögling General Wladimir A. Krjutschkow – einem der „nächsten Mitstreiter“[1] Gorbatschows – zusammengetroffen.[2] Thema des Gespräches war die dringend erforderliche Umgestaltung in der DDR. Der Hochbetagte hatte seinem einflussreichen sowjetischen Gast unter anderem über einen Schriftwechsel mit Krenz vom Herbst 1985 berichtet. Fast drei Jahre, bevor Schürer im Politbüro mit seinem Vorstoß für eine grundlegende Änderung der Wirtschaftspolitik gescheitert war, hatte der Dresdener dem potentiellen Honecker-Nachfolger Krenz radikale Reformen vorgeschlagen, die sich auf die Effizienzerhöhung der DDR-Volkswirtschaft bezogen. Im Mittelpunkt der Reformen sollte die Abkehr vom „hochbürokratischen Zentralismus“ und der Übergang zu einer „sozialistischen Marktwirtschaft“ stehen. …

Ob der Dresdener SED-Bezirksvorsitzende Hans Modrow damals anwesend war, erwähnte Ardenne nicht. Jedoch ist es unwahrscheinlich, dass Krjutschkow, der 1988 als erster Chef der Auslandsaufklärung zum Vorsitzenden des KGB avancieren sollte[3], sich in Dresden aufhielt, ohne mit dem Bezirksvorsitzenden zusammengetroffen zu sein. Die Partei-Etikette hätte solches verlangt. Im selben Jahr, in dem Krjutschkow in Dresden weilte, besagten Gerüchte, Modrow sei der von den Sowjets favorisierte Nachfolgekandidat Honeckers.[4] Bekräftigt wurden diese Gerüchte durch den Modrow nachgesagten „guten Draht“ zu Gorbatschow. …

Honecker erschien es später opportun, den als Außenseiter und Günstling der Vormacht geltenden Modrow als Bezirkssekretär in die sächsische Provinz zu schicken. Dort kochte er manches eigene Süppchen. So rückte er zum Beispiel 1988 in den Mittelpunkt von Spekulationen, als er in der SED-Gazette „Sächsische Zeitung“ einen wohlwollenden Bericht über das Reformexperiment in den von ihm besuchten chinesischen Sonderwirtschaftszonen mit ihren marktwirtschaftlichen Strukturen lieferte, die den Mechanismen der zentralen Planwirtschaft widersprachen.[5]

Fast zur gleichen Zeit trat ein „guter Freund“ Modrows[6] als lautstärkster Verfechter von Glasnost und Perestroika, aber auch für ein „europäisches Haus“ an die Öffentlichkeit: Markus Wolf, der einstige Chef der Hauptabteilung Aufklärung, der Spionageabteilung in Mielkes Staatssicherheitsministerium. In einem vielbeachteten Moskauer Spiegel-Interview vom 2. Januar  1989 bekannte er sich vorbehaltlos zu den Reformen. „Ich beurteile sie – wie viele Menschen in der Welt und, ich bin sicher, auch die meisten Menschen in unserem Lande, in der DDR – sehr positiv, und ich wünsche mir und ich wünsche vor allem den Menschen hier in der Sowjetunion , dass diese Veränderungen zum Guten und Erfolgreichen führen. Glasnost und Perestroika sind keine Losungen. Das sind sehr wohl auch wissenschaftliche begründete Orientierungen der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, die anknüpfen an die Ideen der Oktoberrevolution getragen von den Ideen des Begründers dieses Staates, von Lenin…“

Ralf Georg Reuth/Andreas Bönte:
Das Komplott. Wie es wirklich zur deutschen Einheit kam,
München und Zürich 1993

FUSSNOTEN

  1. Albaz, KGB, S. 168
  2. Tonband-Mitschnitt der Rede von Ardennes während der 11. Sitzung der DDR-Volkskammer vom 13. November 1989, TV DDR 1
  3. Albaz, KGD, S. 168
  4. Gloeckner, Eduard: Honeckers DDR – Ein „Vorposten des Sozialismus“ zwischen Gorbatschows Reformpolitik und Einigungspolitik Westeuropas, in: Beharrung und Wandel. Die DDR und die Reformen Michail Gorbatschows, hrsg. V. Konrad Löw, Berlin 1990, S. 82
  5. ebenda
  6. Markus Wolf im Spiegel-Gespräch am 20. 11. 1989

Raul Castro:
Wenn wir nicht überzeugen, tut es der Feind

Bericht an des Politbüro der KP Cubas, März 1996, Auszüge

… In der Gegenwart muss die Revolution die massive Ausübung der verschiedenen selbständigen Tätigkeiten akzeptieren. … Die Zahl der privaten Bauern weist eine steigende Tendenz auf. Ihre privilegierte wirtschaftliche Lage stimuliert ihre Söhne und sonstigen Erben, nach und nach in die Fußstapfen der gegenwärtigen Eigentümer zu treten. Die Psychologie der Privatproduzenten und selbständig Tätigen, die sich aus deren Tätigkeit mit persönlichem und familiärem Gepräge und dem Ursprung ihrer Einkommen – dem privaten Handel mit Erzeugnissen oder Dienstleistungen – ergibt, neigt im allgemeinen zum Individualismus und ist nicht Ursprung sozialistischen Bewusstseins. Die negativen Folgen, die durch die selbständige Tätigkeit hervorgebracht werden, sind nicht wenige, wie z.B. die Stimulierung alter und die Förderung neuer Formen der Kriminalität, der Begünstigung, der übermäßigen Bereicherung, die Herausbildung von Grundlagen für Zusammenschlüsse, Vereinigungen und organisiertes Handeln, die im Widerspruch zum Staat stehen – und die Schaffung eines Nährbodens für subversive Tätigkeiten des Feindes. …

Was die Bauern angeht, die nicht an die kooperative Produktionsweise gebunden sind, also die Privatbauern, … so schafft die Mehrheit von ihnen mit ihrer ehrlichen Arbeit ausreichende Erträge für einen anständigen Lebensunterhalt. … Wieder andere, die zwar eine Minderheit darstellen, aber die wohlhabendsten sind auf Grund der Abmessung und der Qualität ihrer Ländereien oder von Vorteilen und Möglichkeiten in ihrem Beschäftigungsfeld, verbunden mit ihrer Geschäftstüchtigkeit und manchmal auch ihrer Skrupellosigkeit, die sie alle Arten von Geschäften eingehen lässt, selbst wenn diese undurchsichtig oder schlichtweg illegal sind, häufen größere Geldmengen an, die sie je nach ihren Möglichkeiten in neue Geschäfte investieren oder ganz einfach horten. Die letztgenannten Bauern und ein Teil der Selbständigen in den Städten, zu denen wir in ganz besonderem Maße die Zwischenhändler zählen können, bilden die Schicht der Neureichen, die im Land entsteht. …

Es liegt in unseren Händen, jene Faktoren, die natürliche Verbündete der inneren Konterrevolution sind, wie z.B. gesellschaftliche Disziplinlosigkeit, Diebstahl, Raub, und Kriminalität entschlossener zu bekämpfen. … Man versteht, dass im Grunde bei allem die Ideologie im Spiele ist: beim wirtschaftlichen Kampf, beim politischen Kampf und bei der Auseinandersetzung mit jenen Faktoren, die dem Sozialismus fremd sind, mit denen wir aber leben müssen, ohne zu erlauben, dass sie das gesellschaftliche Bewusstsein zu sehr schädigen. …

Unsere Forschungsinstitutionen müssen in erster Linie den Interessen unseres Volkes dienen. … Eine neutrale oder unklare Haltung zu vertreten, um einer Auseinandersetzung oder einem heiklen Thema auszuweichen, bedeutet, vor dem Gegner eine Schwäche zu zeigen, die inakzeptabel ist. … Mit wem müssen wir diese Probleme erörtern? Mit allen und überall! Nicht nur mit jenen, die sich – mit dem Parteibuch in der Tasche – seit geraumer Zeit zu einer Ideologie bekennen, die nicht unsere ist, und mit denen man konsequent umgehen muss, sondern auch mit jenen, die in diesen Forschungsinstituten eine passive, selbstgefällige und verantwortungslose Haltung gegenüber Sachverhalten einnehmen, die sie von den Zielen, für die sie der revolutionäre Staat geschaffen hat, ablenken. Es ist notwendig, dass die Mitglieder der Partei und der Jugendorganisation innerhalb dieser Institutionen und in der gesamten akademischen Sphäre eine sofortige Untersuchung hinsichtlich der Rolle vornehmen, die sie bei den negativen Strömungen spielen, die seit einiger Zeit vorherrschen und gelegentlich, getarnt mit der Sprache  scheinbarer Freidenker, in Erscheinung treten. In Wirklichkeit denken jene, die unter dem Druck unserer Feinde auf eine neue, ent-ideologisierende Form der Nachäfferei verfallen, weder selbständig, noch handeln sie wie Revolutionäre. …

Da finden auf der Suche nach Informationen ständig Reisen durch alle Provinzen statt und Versuche des Eindringens in die so genannte Welt der Intellektuellen, in das Schulwesen, das Gesundheitswesen, oder man wendet sich an jugendliche Persönlichkeiten oder Idole. All dies sind Bereiche, die sie für empfänglich oder anfällig halten. Kurz, es ist eine ganze Sammlung von geplanten Aktivitäten, die das gesamte Universum unserer Gesellschaft umfassen und darauf gerichtet sind, unser Volk zu entzweien, es zu verwirren und es ideologisch zu unterwandern, um zu versuchen, uns aus dem Gleichgewicht zu bringen. ...

Track One (Teil Eins) der anticubanischen US-Strategie ist die Blockade mit dem Ziel der wirtschaftlichen Erdrosselung.

Track Two (Teil Zwei) ist die interne Subversion, um uns subtil von innen heraus zu zermürben.

Beide Teile ergänzen sich.

Das Erste, was wir Revolutionäre begreifen müssen, ist, daß die Verabschiedung des Helms-Burton-Gesetzes, das den Teil Eins auf wahnsinnige Art verschärft, nicht bedeutet, daß der Feind den Teil Zwei aufhebt.

Die Versuche, Verwirrung, fehlendes Vertrauen und Zwietracht zu sähen und das cubanische Volk zu spalten, um Unzufriedenheit, zivilen Ungehorsam und eventuell Ausschreitungen zu provozieren, die den extremistischen Yankee-Kreisen einen Vorwand für militärische Aktionen liefern, sind weit davon entfernt, nachzulassen. Sie werden zunehmen. Der Feind wird neue Wege der Einflussnahme suchen und die bereits vorhandenen Kanäle, von Europa und verschiedenen Orten unseres Kontinents aus, verstärkt zu nutzen.

Wie bereits gesagt, der Feind verheimlicht seine Absichten nicht, einen Teil der so genannten Nichtregierungsorganisationen, die in den letzten Jahren in Cuba gegründet wurden, zu benutzen, um mit diesem Trojanischen Pferd die Spaltung und Subversion zu verstärken. (...)

Wir wären dumm, wenn wir die Manipulationsversuche nicht erkennen würden, die man mit Hilfe anderer so genannter NGO’s (Nichtregierungsorganisationen, d.Red.) unternimmt, deren einziges Ziel es ist, unser Land erneut zu versklaven und es in ein noch abhängigeres Puerto Rico zu verwandeln.

Und sie suchen immer wieder Ansatzpunkte in Cuba, um sich in unsere inneren Angelegenheiten einzumischen.

Es muss hinzugefügt werden, dass wir lange gebraucht haben, diese Manöver gründlich zu untersuchen und konsequent zu handeln. Beginnen wir damit, uns mit der Situation der Studienzentren auseinanderszusetzen, die dem Zentralkomitee der Partei nahe stehen. Ab 1976 wurden sie ins Leben gerufen, was berechtigt war und ist. Doch ohne, daß wir rechtzeitig reagierten, verfingen sich manche Genossen Schritt für Schritt im Spinnennetz ausländischer Kubanologen, die in Wirklichkeit Diener der US-Politik zur Bildung einer fünften Kolonne waren, wobei sich Naivität mit Pedanterie verbunden haben, Aufgabe der Klassenprinzipien mit der Versuchung, zu reisen und Artikel und Bücher nach dem Geschmack derjenigen zu ver-legen, die sie finanzieren können. So ist es mit dem Zentrum für Amerikastudien geschehen. ...

Im Licht der bitteren Erfahrungen mit dem Institut für Amerikaforschungen muss die Arbeit des Instituts für Europaforschung und die aller anderen untersucht werden. Es ist notwendig, daß die Partei auf Grundlage ihrer Beschlüsse eine Analyse zum Abschluss bringt, und wir schnellstens eine einheitliche und konsequente, unnachgiebige Politik umsetzen, die es erlaubt, im derzeitigen internationalen Umfeld zu handeln, aber innerhalb der Grenzen, die in der aktuellen Lage vernünftig sind, damit sich diese Einrichtungen nicht in Instrumente verwandeln, die unsere Gegner beanspruchen. ...

Eine weitere Angelegenheit, die dringend die Aufmerksamkeit des Zentralkomitees und der gesamten Partei verdient, bezieht sich auf eine Variante von „Glasnost“, die in Cuba in der letzten Zeit einige subtile Ausdrucksformen angenommen hat. Die so genannte „Glasnost“, die die UdSSR und andere sozialistische Länder unterminiert hat, bestand darin, die gesamten Informationsmedien, eins nach dem anderen, den Feinden des Sozialismus zu überlasse.

Anfänglich, als es diesen Feinden darum ging, das ganze Volk zu mobilisieren, präsentierten sie sich als Bahnbrecher und Vorkämpfer des Volkes – und danach löschten sie alles Revolutionäre aus, das es in der Geschichte gegeben hat; mit den Folgen, die wir alle kennen, einschließlich der Auflösung des größten Landes der Welt.

Alarmiert durch diese Erfahrungen und dank der Einsicht Martís, dass im Krieg die Schützengräben der Ideen wichtiger sind als die Schützengräben aus Stein, halten wir daran fest und werden weiter daran festhalten, dass die wirklich frei Presse jene Presse ist, die der Freiheit des Volkes dient und nicht den Ausbeutern, die in Miami auf der Lauer liegen. …

Die revolutionäre Wachsamkeit wird niemals vernachlässigt werden. Die Geschichte lehrt uns mit allzu viel Beredsamkeit, dass jene, die dieses Prinzip missachten, diesen Fehler nicht überleben. …

Wir glauben, dass unser Zentralkomitee und die übrigen Leitungsorgane der Partei bessere Möglichkeiten haben, den Problemen mit der erforderlichen Gründlichkeit und Systematik entgegenzutreten, wenn die Probleme ohne Umschweife dargestellt und klar beim Namen genannt werden.

Unerlässliche Voraussetzung für die Erfüllung dieser Aufgabe ist an erster Stelle, sich auf eine starke Partei verlassen zu können, die ihre Arbeitsweise ständig verbessert und deren Ansehen bei den Menschen in dem historischen Augenblick, in dem wir es am dringendsten brauchen, noch weiter steigt. …

Wenn wir dazu übergehen, diese von der Realität diktierten Lehrsätze umzusetzen, müssen wir den Grundsatz aufstellen:

die Reinheit der Revolution muss gewahrt werden.

Raul Castro,
Havanna, März 1996;
vollständig abgedruckt in: Granma internacional, Nr. 5, Mai 1996.

Kapitalismus hier und heute – aktuelle Analysen

Thomas Waldeck:
Medien - Flächendeckende Manipulation

Deutungshoheit durch Fälschung

Bei der gründlichen Prüfung von etwas Gesagtem beachte man, dass jede Äußerung mehrere Botschaften enthält. Zugleich äußert sich kein Autor frei von Subjektivität. Deshalb ist zunächst auch jede Botschaft der Manipulation verdächtig. Aber sie kann so prägnant sein, dass dieses Risiko überschaubar ist. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist aber grundsätzlich ein Phantom. Untersucht man genauer, wie die großen Medien-Unternehmen zusammenhängen (vor allem wirtschaftlich), wird auch deren inhaltliche Verwandtschaft sichtbar. Sie vertreten eine politische Orientierung. Da das um fast jeden Preis geschieht, erwächst daraus eine ganze Manipulationsverkettung und -vernetzung, eine permanente Massen-Manipulation, die aufgrund einer großen Vielfalt an kreativen Köpfen sehr wirksam funktioniert.

Diese Manipulation vollzieht sich -wie jede Kommunikation- auf verschiedenen Ebenen: Die bewusst konstruierte, schwer zu durchschauende, die offensichtliche, die propagandistisch ins Auge springt, die unauffällige, die schon dem Autor nicht mehr bewusst sein muss. Immer dabei ist die Selbstmanipulation, die sich individuell und gesellschaftlich ständig reproduziert. 

Die bewusst konstruierte Fälschung ist geschickt genug eingefädelt, um nicht sofort erkannt zu werden. Für die Medien inszeniert wurden etwa die Gewalt-Kampagne gegen die olympische Fackel als "Ausdruck von Empörung" und die pünktlichen Übergriffe in Tibet. Solche Fälschungen sind trotz großen Aufwands mit dem Risiko der Enthüllung behaftet. Deshalb finden sie bei nur besonders wichtigen Anlässen statt.

Viel einfacher und alltäglicher ist, durch Verdrehungen und Behauptungen ein Bild entstehen zu lassen, dass als zufällig dargestellt werden kann. So äußert Wolfgang Bosbach, Vizevorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion über Rostock 2007 in einem Zeitungsinterview: "...Zumal die Sicherheitsbehörden Hinweise auf geplante Gewaltakte hatten. Aus der Erfahrung vergangener Gipfel wissen wir, dass es zu erheblichen Ausschreitungen gekommen ist. In Genua gab es sogar ein Todesopfer. Das darf bei uns nicht passieren." Damit will Bosbach Restriktionen gegen die (sogenannten) Globalisierungsgegner rechtfertigen. Man muss wissen, dass der Tote von Genua kein Opfer der "Globalisierungsgegner" war, gegen die Bosbach argumentiert, sondern von der Polizei erschossen wurde. Bosbach wusste jedenfalls, wie manipulativ sein Auftreten ist. Er manipuliert also bewusst und er weiß, dass der Journalist nicht nachhaken wird. (Hätte er es doch getan, wäre die ganze Passage gestrichen worden.)

Zu den komplexeren Standards zählt die sogenannte Deutungshoheit, ein Begriff der in einer Rede von Bundeskanzlerin Merkel erschien. Das heißt: Betrachte eine Tatsache mit meinen Augen. Oft werden die Standards durch Sprachregelungen durchgesetzt. Vielleicht das markanteste Beispiel der letzten Jahre entstand nach der Zerstörung des World-Trade-Centers. Als sich die Angriffspunkte gegen die offizielle Darstellung vervielfachten, gab es bei deren Bekanntwerden die offiziöse Sprachregelung "Verschwörungstheorien", obwohl auf alternative Erklärungen weitgehend verzichtet worden war.

Damit bekam dieser Ansatz einen absurden Charakter, der mit der Praxis (der Realität), nichts zu tun hat. Wenn die offenen Fragen oder Widersprüche in der USA-Regierungsdarstellung öffentlich angesprochen werden, zuckt man die Schultern: Sie sind also auch Anhänger der Verschwörungstheorien? Andere Beispiele sind: "Links- und Rechtsextremismus", "CDU-Spendengeld-Affäre", "Schießbefehl" (neuerdings sogar "Schießbefehle"), "Stadtumbau Ost" (für Abriss von intaktem Sozialwohnraum), "Stalinismus" ("Totalitarismus"), "Gesundheits-reform".

Sicher kennt jeder viele weitere Beispiele.

Eine gefestigte "Deutungshoheit" kann falsche Inhalte voraussetzen. So heißt es in einer AFP-Meldung: "Die Präsenz deutscher Soldaten in Bosnien-Herzegowina sei aber weiterhin notwendig. Noch immer gebe es dort illegalen Waffenhandel, organisierte Kriminalität, Menschenhandel und Korruption. Dies könne zu einer Situation führen, in der Soldaten als Stabilisatoren gebraucht würden." Hier wird einfach von verzerrter Wahrnehmung ausgegangen. Ob vor der Präsenz der NATO-Besatzer und vor der USA-Einmischung in Jugoslawien weniger illegaler Waffenhandel, weniger organisierte Kriminalität, weniger Menschenhandel und Korruption vorhanden war als in den heutigen NATO-Staaten oder überhaupt nicht, ist so nicht einmal als Frage denkbar.

Desinformation basiert aber vor allem auf dem Auswahl-Prinzip. Die Eröffnungsveranstaltung der KZ-Gedenkstätte Buchenwald ist für den Vize-Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, Hermann Schäfer, Anlass zu einer Rede, bei der ausschließlich deutsche Opfern von "Flucht und Vertreibung" nach 1945 thematisiert werden - Eine bewusste Geschichtsfälschung, so plump, dass selbst Bundestagspräsident Thierse sie ablehnte. Die ddp-Meldung dazu: "Dass es sich um ein Missverständnis handelt, bezweifelt er (...) Es sei schlimm und wahrscheinlich auch verräterisch, dass es Schäfer unterlassen habe, die KZ-Opfer zu thematisieren." 

Der überregional arbeitende Zeitungsjournalist Johann Legner behauptet, dass "im Irak die christliche Minderheit mörderischer Verfolgung ausgesetzt ist". Damit ist in diesem Beitrag das Thema Irak abgehandelt. Hunderttausende, von den USA-Besatzern massakrierte Iraker spielen keine Rolle.

An anderer Stelle erklärt er: "Ostdeutsche müssten sich schämen und traurig sein für ihren Beitrag zur DDR." Er sitzt damit für jeden sichtbar im Reich der "Deutungshoheit". Wer dreist in großen Medien auf Dummenfang geht, hat den Bonus, eben dies tun zu können.

Zur wirksamen Desinformation gehören fein gestreute, wirkungslose Abweichungen vom Prinzip einseitiger Auswahl. So kam dieser Tage der Staatsrechtler Herbert von Arnim in einer Tageszeitung mit der Aussage zu Wort: "Wir haben weder Herrschaft durch das Volk noch für das Volk - und damit keine wirkliche Demokratie." Zur Erklärung wird jedoch hinzugefügt: Die Bundesrepublik werde von der "politischen Klasse beherrscht". Damit erfolgt überhaupt keine Erklärung, da es ja eine politische Klasse aus Sicht des Lesers immer geben muss. Im selben Meinungsbetrieb werden am selben Tag beispielhaft als "berühmte Redner der Geschichte" vorgestellt: Jesus von Nazareth, Cicero und zwei US-Amerikaner der Neuzeit: Kennedy und Martin Luther King - Wer wäre auf Müntzer, Robespierre, Luxemburg oder Thälmann verfallen?

Bei der zusätzlichen Knebelung von ausgeraubten "Dritte-Welt"- Staaten (früher "Entwicklungsländer") durch neue Knebel-Bedingungen des IWF wurde der sogenannte "Schuldenerlass" in den Mittelpunkt gestellt. Damit galt die Sichtweise einer Wohltat durch die sogenannten Geberländer. Tatsächlich war die (wegen irreal hoher Verschuldung nicht mehr wie bisher praktizierbare) Hegemonie in eine praktikablere umgewandelt worden. Überschrift in den großen Medien: "Befreiungsschlag für die Ärmsten der Welt" - Das Gegenteil ist der Fall.

Wie läufts?

Unter www.rhetorik.de schreibt Marcus Knill: "Wir werden von den verschiedensten Seiten beeinflusst, zum Beispiel durch Selbstbeeinflussung, Vorgesetzte, Äußerlichkeiten, Arbeitsplatz, Erziehung, Ausbildung, Werbung, Medien..." Diese Auswahl ist willkürlich und beliebig. Interessant an der Aufzählung ist, dass die Prismen oder Katalysatoren, die den größten Einfluss ausprägen, ganz hinten stehen. Das sind die Medien. Um zu verstehen, warum Medien gezwungen sind, bestimmte Sichtweisen zu vermitteln, Unwichtiges, Erschreckendes und Absurdes wie durch ein Brennglas hervorzuheben und wesentliche Zusammenhänge niemals vermitteln, muss man fragen, was Medien verbindet.

Wenn es eine Eigenschaft gibt, die politisch auf alle Medien zutrifft, haben wir die Quelle der herrschenden Meinung, die nach Marx die Meinung der herrschenden Klasse ist. Knill schreibt: "Wenn ein Medium ein Thema aufgreift und es an einen Medienverbund (Print - Radio - TV) weiterreicht, entspricht dies dem sogenannten "Filz" wie er in politischen Bereichen ebenfalls besteht. Damit ist das Schaffen einer künstlichen Priorität durch Absprachen gemeint. Falls Radio und Fernsehen eine 'nebensächliche' Geschichte thematisieren, ziehen die Lokalmedien meist zwangsläufig nach. Ein Medienverbund muss deshalb nicht unbedingt abgesprochen oder eigens organisiert werden. Bei geschickter Inszenierung könnten Konsumenten langfristig gedanklich an das Thema gebunden werden. Die Themen-Fokussierung wirkt sich aber in der Regel auch auf verschiedene politische Aktivitäten aus."  - Das ist nicht falsch, aber es beschreibt nur die Erscheinung. Knill fordert auf, den Journalisten dennoch Vertrauen entgegen zu bringen.

Jeder Redakteur ist gezwungen, mit eigener Kreativität und nach eigenem Ermessen seinem Chefredakteur zu gefallen. Dadurch wird die Medienwelt scheinbar vielfältig. Die Chefredakteure sind aber alle nur Angestellte der großen Medienhäuser Bertelsmann, WAZ, Springer, BURDA, Holtzbrinck und einiger weiterer, die alles an Information und Desinformation fest in der Hand halten. Sie haben die Verlagshäuser, die Druckereien, die Mittel für Papier und Farbe, die Technologien, die Urheber- (Autoren-) Rechte, die Sende-Lizenzen, die Produktionsrechte u.s.w. Auch im Internet hat die Macht, wer die umfassendste, modernste Technik und Technologie hat und nutzen kann.

Man kennt sich. Die einzelnen Redakteure kennen sich nicht, folgen aber übereinstimmend denselben bekannten Sichtweisen, die zentral ausgegeben werden. Das sind die Ansichten derjenigen, die nicht für ihr Geld arbeiten müssen, sondern ihr Geld für sich arbeiten lassen können, die Bourgeoisie. Deshalb arbeiten alle meinungsprägenden Medien im Kapitalismus grundsätzlich gegen die Klasse der Arbeiter, gegen Hartz-IV-Opfer, gegen die Rentner, gegen die Mehrheit des Volkes. Da aber diese Mehrheit ihre Konsumenten bildet, sind die Medien dazu verurteilt, einen schmalen Grat zu begehen; zwischen der Interessenvertretung des Volks einerseits und Desinteresse des Volks andererseits. Dieser an sich schmale Grat kann durch Pseudo-Informationen, Boulevard en detail unendlich begehbar gemacht werden.

Die wesentlichen politischen Inhalte sind dabei grundsätzlich kapitalistisch und volksfeindlich: Chauvinismus, Nationalismus, Militarismus, Antikommunismus. "Teile und herrsche". Geteilt und gehetzt wird: Jung gegen Alt, Christ gegen Moslem, Frau gegen Mann, dick gegen dünn u.s.w.u.s.f. Hier haben wir auch die Hauptsäulen des Faschismus, der selbst Kapitalismus in seiner verschäftesten Form ist. Wer als Redakteur diesen Prämissen nicht folgt, verschwindet. Da gab es den Fall eines ostdeutschen Tageszeitungs-Redakteurs, der sich subtil-kritisch über den Energiekonzern Vattenfall äußerte. Der Mann verschwand ...und tauchte als Pressesprecher von Vattenfall auf.

Im Falle eines Falles - Kampagnen retten alles

Geraten unerwünschte, zunächst unbeachtete Auffassungen in Verdacht, breitenwirksam schädlich zu sein, wird die Schräglage ausgeglichen. Entwickelt wird dann ein großer Druck auf die öffentliche Meinung, dem sich niemand entziehen kann.

Beispiel DDR: Als die Meinungsforscher vor einigen Jahren eine wehmütige Erinnerung an die DDR im Osten ausmachten, begann eine beispiellose Kampagne. Verleumderische, trübe Spielfilme über die DDR (von Westdeutschen hergestellt) waren massiv gefordert und wurden reichlich mit Förder- und sonstigen Preisen bedacht. Ein (gefälschter) "Schießbefehl" wurde hervorgekramt, ostdeutsche Lehrer verunglimpft, "Stasi" und "Mauer" waren Alltagsthema. Die öffentliche Meinung wurde massiv unter Druck gesetzt.

Ein Paradebeispiel sind auch Konzerne. Auch hier aktuell: Vattenfall. Dieser Konzern ist durch rücksichtslose Verkohlung (Achtung, Semantik-Falle) Ostdeutschlands bekannt geworden.  Rücksichtslose Vertreibung von Brandenburgern in Gemeinschaft mit Politik und Justiz, Zerstörung von Natur und Landschaft haben eine Schräglage des Konzerns in der öffentlichen Wahrnehmung hervorgerufen. Hinzu kamen Meldungen von Zwischenfällen in Vattenfall-AKW und die Information, dass der Energie-Gigant mit seinen Milliarden-Gewinnen der größte CO2 - Emittent Europas ist. Weil die Grüne Liga in Brandenburg mit Aktionen gegen Vattenfall Sympathie gewann und bekannt wurde, sah sich der Konzern gezwungen, in die Medien-Offensive zu gehen. Übergroße Schlagzeilen erschienen: "Vattenfall macht sich für sauberen Strom stark", "Vattenfall baut kohlendioxidfreies Kraftwerk" (Fälschung) neben übergroßen Anzeigen mit Sonne und lächelndem Kind.

Da wurde ein "Vattenfall-Schulcup" in mehreren Sport-Disziplinen massenwirksam und jugendgemäß ins Leben gerufen. Die Schulleiter freuen sich, etwas anbieten zu können, es gibt Preise. Die Jugend ist bei der Sache - Vattenfall erscheint positiv. Zusätzlich setzen die Medien in Szene, wie ein "Klimabus" mit "Aufklärung über den Klimawandel" über die Schulhöfe tourt. Unglaublich aber wahr. Und funktioniert in dieser oder vergleichbarer Weise bei allen großen Konzernen. Was von den redaktionellen Inhalten bleibt, ist oft nur noch der (von Journalisten) so bezeichnete "Anzeigenumfeld-Journalismus".

Medien stehen als Kapitalisten in der Minderheit gegen die Interessen der Mehrheit des Volkes. Sie haben derzeit aber die öffentliche Wahrnehmung fest in der Hand. Diese Sicherheit  führt bis zur ungeschminkten, offenen Handreichung gegenüber Klassen-Komplizen. So laufen durchaus Kampagnen, um Schüler zu zwingen, das Geschäft anzukurbeln. Unter dem Namen "Klasse! Zeitung macht Schule" nötigt man zum Beispiel eine Tageszeitung den Schülern im Unterricht auf. Die Schüler müssen unter Aufsicht des Lehrers sich davon verdummen lassen und anschließend gehts zusammen zu McDonalds, um "Einblicke in das Unternehmen zu bekommen". Bei der Verlagsgruppe Rhein-Main heißt das: "Schüler lesen Zeitung". Die Meldung dazu: "Ziel des Projektes ist es, den Schülern das Medium Zeitung näher zu bringen. Die Schüler sollen lernen, dass lesen Spaß machen kann."

Neofaschismus

Die Verschmelzung von Neofaschisten und Behörden ist bekannt.

Journalisten wissen das zuerst. Sie bieten den Faschisten die Kooperation codiert an. Beliebt sind Wortspiele, bei denen man sich sowohl in der einen als auch in der anderen Richtung herausreden kann.

So schreibt Dieter Schulz, Chefredakteur einer Tageszeitung, dass Nazis "das Rechte" seien: Werbend für die (hauseigene) Internet-Aktion "Netz gegen Nazis" schreibt Schulz, das heiße: "nach dem Rechten zu sehen". Jeder kann in den großen Medien solch zweideutigen Äußerungen finden. Es ist natürlich möglich, dass Dieter Schulz der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Aber ich nehme doch bei einem Chefredakteur eher ein Manöver an, er weiß demnach genau, dass als Aussage verbleibt; die Nazis ("die Rechten") seien das Rechte im Sinne von "das Richtige", denn bei "nach dem Rechten sehen" kann man wohl kaum von einer Richtungsaussage sprechen.

Dass die Medien inhaltlich faschistische Sichtweisen verbreiten, schafft naturgemäß keine große Distanz zu den erklärten Faschisten. "Wir müssen der Frage nachgehen, wie es zum Nationalsozialismus kommen konnte" ist eine beliebte Forderung.

Sie wird dadurch in ihr Gegenteil verkehrt, dass sie niemals erfüllt wird.

So zeigt sich im Medienspiegel das offizielle Anti-Nazi-Bild immer als Mischung aus Heuchelei, Unsicherheit, Bigotterie. Es wirkt unernst und ist dadurch geeignet, die Klarheit suchende Jugend geradewegs in die Fänge der NPD zu treiben.

Journalisten sind eingebunden in ihre Unternehmensstruktur und zwar existenziell. Sie wissen und empfinden klar, dass der Boss die größere Gefahr bei den Kommunisten sieht. Sie wissen und spüren auch, dass der Boss eigentlich nur wenig gegen Nazis hat, zumal diese Schlagzeilen liefern. Man hält es in der Schwebe. Außerdem spielt die Prämisse hinein, dass offen faschistisches Gebaren Kapitalverwertung beeinträchtigen kann.

Voraussetzung für die Verfestigung der Nazi-Strukturen sind nicht nur ungeeignete Abwehrmaßnahmen durch Behörden. Vor allem wird das Volk empfänglich für faschistischen Ungeist gemacht, weil - hinter allem oberflächlichem Gewusel - im Spiegelbild der Medien die Realität dieses Ungeistes und das Prinzip der Stärke praktiziert wird.

Das ist das wirkliche Vorbild. Das ist die Botschaft, die ankommt.

Thomas Waldeck


Marc Staskiewicz:
Brain Drain, Neokolonialismus und Brain Exchange -
Der internationale Abwerbekampf um die wissenschaftliche Elite

Spitzenforschung entsteht, wenn man die besten Wissenschaftler mit einem bestimmten Focus an einem bestimmten Ort zusammenbringtso sagte es Patric Cramer, Leiter des Genzentrums der Uni München.

Allein der Sonderforschungsbereich dieses Zentrums, der von Ralf-Peter Jansen geleitet wird, wird mit 4,8 Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gesponsert, um ein solches formuliertes Ziel erreichen zu können [Zahlen nach Zitat Biosprektrum 07.06 nach www.elsevier.de/ blatt/d_bs_download&_id=993607]. Der Kampf um die wissenschaftlichen Eliten ist ein nicht unwichtiger Bereich des Konkurrenzkampfes. Der deutsche Imperialismus mischt hier ordentlich mit!

Was ist Brain Drain?

„Brain Drain ist die aus den Entwicklungsländern in die imperialistischen Zentren stattfindende Abwanderung der wissenschaftlich-technisch-medizinischen Elite, deren Umfang und Güte durch die gezielte Abwerbung seitens der imperialistischen Staaten erheblich gefördert und beeinflusst wird.“ [Lion Wagner, Krieg und Gesellschaftssystem; S. 80]. „Brain“ bedeutet Gehirn und „Drain“ Abfluss, also der Abfluss bzw. Abzug von Gehirnen.

Der ehemalige US-Außenminister Rusk würde das Eingangszitat vom Leiter des deutschen Genzentrums der Uni München wohl unterschreiben, denn er sagte einst: „Die Bedeutung der Zuwanderung für die Vereinigten Staaten hängt jetzt weniger von der Zahl als von der Qualität der Einwanderer ab … Wir sind auf dem internationalen Markt wegen Gehirnen“ „Unser Land hat glücklicherweise die Möglichkeit, die Dienste hervorragend befähigter und geistig hochstehender ausländischer Einwanderer in Anspruch zu nehmen. Bei guter Regelung kann die Einwanderung eine unserer bedeutendsten natürlichen Ressourcen sein“ [Hearings of the Sub-Comitee on the Judiciary, US House of Representatives, teil II; S. 401 bzw. 389-390, nach Lion Wagner ebenda].

Und wie es in einer Studie des US-Außenministeriums heißt: „Die Vereinigten Staaten und andere entwickelte westliche Länder gewinnen durch den Zufluss von hochqualifizierten Arbeitskräften aus Entwicklungsländern enorm“ [A study of persistent issue of international scientific mobility US House of Representatives, Wahington D.C. S. 201, nach Lion Wagner ebenda].

Es geht darum, die Besten, die Qualifiziertesten abzuwerben. Der Makro-Ökonom Harald Uhling meinte im Zuge der Diskussion um eine in seinen Augen nötige Volkswirtschaftslehre- Fakultät in Deutschland, die mit denen der USA Schritt halten können muss: „Im Wesentlichen muss man das Vorbild der besten Fachbereiche kopieren oder überbieten sowie keine Kosten und Mühen scheuen, das beste Personal für diesen Fachbereich einzuwerben“ [www.handesblatt.com/]

Das Abwerben gelingt dadurch, dass „wesentlich höhere Einkommen, bessere Wohnverhältnisse, Verfügbarkeit von Konsummitteln, erheblich bessere Beschäftigungs- und Karrieremöglichkeiten sowie Arbeitsbedingungen in den kapitalistischen Hauptstaaten“ geboten werden können [Lion Wagner, ebenda].

Der Brain Drain ist also als Teil der neokolonialen Ausbeutung zu betrachten!

Dimensionen des Brain Drain:

Die Dimensionen dieser erfolgreichen Abwerbung sind gigantisch. 89% der Menschen aus Guyna mit Hochschulabschluss leben im Ausland, in Jamaika sind es 85%, in Haiti 83%. „In den armen Ländern südlich der Sahara leben, wie in Sierra Leone oder Ghana, die Hälfte der Menschen mit Hochschulabschluss im Ausland. In allen Ländern südlich der Sahara sind durchschnittlich nur 4% der werktätigen Bevölkerung Akademiker, aber sie stellen 40% der Migranten […]. In Asien beträgt der Anteil der ausgebildeten Menschen bei den Migranten durchschnittlich 50%, allerdings ist hier die Auswanderungsrate insgesamt kleiner. So sind nur 6% der Akademiker ausgewandert. Ganz anders sieht es in den boomenden Ländern wie China und Indien, aber auch in Brasilien oder Indonesien aus. Hier wandern nur 3-5 Prozent der Akademiker in ein OECD-Land ab.“ [www.heise.de/tp/r4/ artikel/21/21216/1.html]. Dies zeigt schon, dass große Teile der abgeworbenen Eliten aus den Entwicklungsländern kommen.

„In Simbabwe etwa wurden im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts 1.200 Ärzte ausgebildet, von denen im Jahr 2000 noch 360 im Lande waren. Die Hälfte aller in Äthiopien, Ghana und Sambia ausgebildeten Ärzte hat ihr Heimatland verlassen. Nach anderen Angaben hat Afrika in den letzten zwanzig Jahren ein Drittel seiner Hochschulabsolventen verloren, jedes Jahr verlassen etwa 23.000 Akademiker den Kontinent. Diese Abwanderung von hochqualifizierten Fachkräften durch entsprechendes Personals aus Industrienationen zu ersetzen kostet mehr als vier Milliarden Euro.“ [Evangelischer Entwicklungsdienst nach www.eed.de/de/de.col/de.col.b/ de.sub.24/de.sub.news/de.news.511/ index.html].

Auswirkungen für die Entwicklungsländer (Neokolonien)
und Nutzen für die imperialistischen Staaten:

Südafrika gibt z.B. einen dreimal größeren Anteil an seinem Bruttoinlandsprodukt für Bildung aus als China [vgl. nach http://kaffeeringe.de/module-article-viewpub-tid-9-title-Brain.Drain.Gain.inAfrika.html]. Der Hintergrund ist, dass man weiß, dass viele der ausgebildeten Kräfte abgeworben werden. Durch die neokoloniale Abhängigkeit und die Unmöglichkeit, den Akademiker Bedingungen wie in imperialistischen Staaten zu bieten, sind solche Entwicklungsländer dazu gezwungen, auch gleich einzukalkulieren, dass ein Großteil der von ihnen ausgebildeten hoch qualifizierten Kräfte eh wieder auswandert. Benötigt man also x Wissenschaftler, so muss man x + y (y = die Zahl derer, die vermutlich abgeworben werden) ausbilden. Das heißt, der Staat investiert für etwas, für das er aber nichts erhält. Ein Teil der Ressourcen dieser meist armen Ländern wird also für die Ausbildung von Kräften ausgegeben, die dann den imperialistischen Staaten dienen. Die imperialistischen Staaten bzw. die dort ansässige Kapitalien profitieren, weil sie Fachleute bekommen, deren Ausbildung sie nichts gekostet hat. Sie beuten auch auf diese Art die Neokolonien aus.

Gerne wird aber behauptet, dass die abgeworbenen Akademiker ja auch Geld ins Herkunftsland zurückführen. Dies soll immer wieder als Beleg dafür gelten, dass das Abwerben somit den Herkunftsländern indirekt doch etwas bringe (es soll eine moralische Legitimierung der Abwerbung erzeugen). So gibt es ganze Studien darüber, was mit diesen ins Heimatland transferierten Geldern passiert, wie viel Firmen angeblich daraus entstehen und dergleichen. Laut Schätzungen der Weltbank fließen 150 Milliarden US-Dollar von Immigranten in die Heimatentwicklungsländer zurück [www.heise.de/tp/r4/artikel/21/212116/1.html]. Fakt ist aber, dass dieses Geld den Entwicklungsländern, anders als behauptet, keine Devisen bringt, „da es sich hierbei lediglich um Überweisungen von Lohnanteilen handelt (Teilen des Wertes der Ware Arbeitskraft), z.B. an in der Heimat verbliebene Angehörige“ [Lion Wagner, ebenda].

Wenn also Deutschland z.B. Akademiker aus einem afrikanischen Land abwirbt, so spart es Ausbildungskosten, die ja auch Teil des variablen Kapitals sind. Des Weiteren sind diese neuen Arbeitskräfte ja auch Erzeuger von Mehrwert und davon wird natürlich auch profitiert.

„Wichtig ist die Erkenntnis, dass der brain drain […] als neokoloniale Ausbeutungsform deshalb so bedeutend ist, weil es sich um den Abfluss der Hauptproduktivkraft Mensch und nicht den Abfluss irgendeiner Ressource handelt. Schließlich ist es für die Entwicklung einer Gesellschaft entscheidend, in welcher Qualität, Quantität und Struktur diese Hauptproduktivkraft vorliegt. Dabei spielen hochqualifizierte Kader eine besondere Rolle, da ihr Vorhandensein grundsätzliche Entwicklungsbedingung für alle Bereiche des gesellschaftlichen Fortschritts ist. Infolge des brain drain verlieren […] die Entwicklungsländer Kader, die nicht oder nur durch größte Anstrengungen und Opfer seitens der Entwicklungsländer ersetzt werden können, wodurch deren eigenständige Entwicklung auf allen Gebieten der Gesellschaft enorm behindert wird. Während die Steigerung der Arbeitsproduktivität in den Entwicklungsländern als grundlegendes ökonomisches Erfordernis für die allseitige Entwicklung einer jeden Gesellschaft wegen des Abflusses hochqualifizierter Arbeitskräfte nicht entsprechend vorangetrieben werden kann, erhalten die imperialistischen Zentren in ihrer vergleichsweise schon recht hohen Arbeitsproduktivität durch das Wirken der zuströmenden Arbeitskräfte weitere Arbeitsproduktivitätsschübe. Die herrschende Kapitalistenklasse der imperialistischen Zentren, deren meisten Mitglieder als Christen verstanden werden wollen, nehmen offenbar alle Vorteile, die sich aus dem brain drain für sie ergeben (verbesserte Kapitalverwertungsbedingungen, Mehrwertquellen, Arbeitsproduktivitätsschübe) als „Gabe Gottes“ hin, denn sie leisten keinen Ausgleich an die Entwicklungsländer. Die staatsmonopolitische „Entwicklungshilfe“ der kapitalistischen Hauptländer ist kein Ausgleich zum brain drain und hat einen solchen schon gar nicht als Ziel“ [Lion Wagner ebenda´; S. 81-82].

Da die imperialistischen Staaten also solche Akademiker wollen, treten sie für deren Auswanderungsfreiheit ein, während sie aber z.B. den nicht-hochqualifizierten Kräften, die aus Gründen der Armut z.B. nach Europa fliehen wollen, keineswegs eine solche Auswanderungsfreiheit zugestehen wollen. Ja, diesbezüglich fordern sie gar von den entsprechenden Ländern, solche Flüchtlinge mit allen Mitteln an der Flucht zu hindern.

Übrigens geben auch bürgerliche Medien zu, dass die imperialistischen Staaten vom Brain Drain profitieren. So schreibt Heise: „profitieren die Zielländer […] von den billigen Arbeitskräften, die einfache oder riskante Arbeiten zu Dumpingpreisen erledigen, aber auch vom Zuzug der gut ausgebildeten Eliten, die im reichen Ausland auf bessere Chancen hofft […]. In einer Zeit, in der Wissen eine immer größere Rolle spielt, ist, so wird angenommen, der Verlust der gut ausgebildeten Elite (brain Drain) für das Herkunftsland besonders schlimm“ [www.heise.de/tp/r4/ artikel/21/212116/1.html]. Der Verlag Heinz Heise ist hier kein unbedeutender; zu ihm gehören u.a.: Elrad, c't, IX, Gateway, Telpolis, Technology Review, Linux Computing, Heise online, Heise mobil, Heise, netz, Heise open, Heise Resale, Heise Security und Heistreff. 

Ziele der neokolonialen Ausbeutung:

Wie wir gezeigt haben, ist der Brain Drain ein Teil der neokolonialen Ausbeutung. Da selbst in der kommunistischen Zeitungslandschaft in Deutschland kaum etwas über den Neokolonialismus gesagt wird - und das, obwohl Deutschland diesbezüglich kräftig mitmischt, sollte dies Grund genug sein, hierauf in diesem Zusammenhang etwas einzugehen.

„Die neokoloniale Ausbeutung ist die entscheidende materielle Grundlage für die Erhaltung des kapitalistischen Gesellschaftssystems und daher objektiv notwendig. Ohne diese materielle Stütze würde die sogenannte „Soziale Marktwirtschaft“ der sogenannten Industrieländer in historisch kurzer Zeit zusammenbrechen. Der Neokolonialismus ist Ausdruck des Parasitendaseins, welches einige wenige kapitalistische Hochburgen auf Kosten der überwältigenden Mehrheit der Nationen dieser Welt führen. Letztendlich haben die Kapitalistenklassen der imperialistischen Zentren alle ökonomischen Vorteile, die sich aus der Internationalisierung der Wirtschaft ergeben, für sich monopolisiert. Ihr allgemeines Ziel ist die höchstmögliche Aneignung von fremdnationalem Mehrwert.

Die imperialistischen Zentren (sogenannte Industriestaaten) verfolgen mit ihrer neokolonialen Ausbeutung im einzelnen folgende nationale Ziele:

1. Stärkung der Kapitalkreisläufe, beschleunigte erweiterte Reproduktion und beschleunigte Produktivkräfteentwicklung. Das materielle Fundament dafür ist die Aneignung einer enormen, von den Arbeitskräften der Entwicklungsländer produzierten Mehrwertmasse durch die Kapitalistenklassen der ökonomisch stärksten Staaten.

2. Soziale Bestechung der Produktionsmittelnichteigentümer und kleinen Warenproduzenten. Die soziale Bestechung erfolgt nicht direkt, sondern mittelbar auf zwei Wegen. Erstens wird aufgrund der Mehrwertaneignung die erweiterte Reproduktion und die Produktivkräfteentwicklung beschleunigt, wodurch auch die Arbeitsproduktivität bei der Produktion von Konsummitteln steigt. Das aber bedeutet, dass der Wert der Konsumtionsmittel für die Reproduktion der Arbeitskraft fällt. Folglich kann der Kapitalist den Ausbeutungsgrad beibehalten oder sogar erhöhen, obwohl das Reproduktionsniveau der Arbeitskräfte wächst […].

Ausbeutungsgrad = Mehrwert / variables Kapitals (Arbeitskraft-Reproduktionswert)

Zweitens fließt ein Teil des angeeigneten fremdnationalen Mehrwerts über die Besteuerung an den Staat. Der ihn unter anderem für den Ausbau und die Erhaltung des Sozialwesens verwendet. Von der Möglichkeit, den nationalen Ausbeutungsgrad zu senken, um den Arbeitskraft-Reproduktionswert zu erhöhen, machen die Kapitaleigentümer in der Regel keinen Gebrauch. Der nationale Mehrwertverlust würde dann durch den fremdnationalen Mehrwertgewinn ausgeglichen. 

3. Entgegenwirkung dem tendenziellen Fall der Profitrate.

Profitrate = Mehrwert / vorgeschossenes Gesamtkapital = Mehrwert / konstantes + variables Kapital

Durch Einfuhr von Nahrungsmitteln, Konsumgütern und Produktionsmitteln (z.B. Rohstoffe, Maschinenteile) zu niedrigen Preisen aus den Entwicklungsländern können die Kosten für die Reproduktion der Arbeitskraft (variables Kapital) und das konstante Kapital verringert werden.

4. Aufrechterhaltung des gegenwärtigen globalen ökonomischen und politischen Kräfteverhältnisses. Es geht den drei derzeit herrschenden imperialistischen Rivalitätszentren, USA, Europäische Gemeinschaft und Japan darum, die Gründung eines neunen ökonomischen und politischen Kräftekonzentrationszentrums (z.B. eine arabische oder gar islamische Union) zu verhindern. Jedes mehr oder weniger Ausbrechen aus den gegenwärtigen Strukturen der von den imperialistischen Zentren beherrschten Weltwirtschaftsordnung soll im Interesse der Profiteure unmöglich gemacht werden“ [Lion Wagner, ebenda; S. 90-91/ Das Buch wurde 1998 herausgegeben, so sind Begriffe wie Europäische Gemeinschaft in dieser Zeit zu sehen und heute durch EU zu ersetzen].

Diese Ausführen zeigen auch, dass Vorschläge, wie wir sie aus Kirchenkreisen oder sog. Eine-Welt-Laden-Zusammenhängen kennen, unrealistisch sind. Denn sie zielen darauf ab, z.B. den Brain Drain durch Reformen im kapitalistischen System zu verhindern (das gleiche Ziel verfolgen übrigens auch nationalistischfaschistische Kampagnen wie „Kinder statt Inder“, auch wenn der Hintergrund, die Motivation, hier natürlich ein andere ist). Die Ausführungen zeigen aber, dass jede imperialistische Macht auch auf Brain Drain als Teil der neokolonialen Ausbeutung angewiesen ist. Auch Forderungen wie die eines „gerechten Handels“ mit „fairen Preisen“ der Entwicklungsländer mit imperialistischen Mächten, sind angesichts der durch die neokoloniale Ausbeutung erzielten materiellen Grundlage, die das kapitalistische Gesellschaftssystem stützt, unrealistisch. Solange es Imperialismus gibt, wird es Neokolonialismus, wird es neokoloniale Ausbeutung, wird es Brain Drain geben.

Brain Exchange:

Unter Brain Exchange (auch Brain Cirulation genannt) wird offiziell ein Austausch bzw. eine Zirkulation von Elitemigration zwischen Industriestaaten, multinationalen Konzernen verstanden [vgl. nach Nina Wolfeil Uni Wien http://science.orf.at/science/news/148347]. Dr. Uwe Huner spricht in diesem Zusammenhang von einer „Balance in der Zahl von abgehenden und aufgenommenen Hochqualifizierten eines Landes“ [Friedrich Ebert-Stiftung, Vom Brain Drain zum Brain Gain Die Auswirkungen der Migration von Hochqualifizierten auf Abgabe- und Aufnahmeländer 2003; S. 14]. Zwar soll dieser Begriff in gewisser Weise auch einen gegenseitigen Nutzen vorspiegeln, denn es komme ja zu einem „Wissensaustausch“, wie es oft genannt wird, und das klingt ja erstmal nicht negativ, allerdings macht der Begriff dennoch Sinn. Denn was zwischen den imperialistischen Zentren und ihren Konzernen stattfindet, kann man nicht mit einem Brain Drain gleichsetzen. So kommt es z.B. zwischen den imperialistischen Staaten Deutschland und USA bzw. zwischen ihren internationalen Monopolen zu gegenseitigem Abwerben, aber es ist eben kein einseitiger Prozess wie bei den Entwicklungsländern, denen nur geraubt, aber nicht gegeben wird. Auch wenn es beim Brain Exchange sicher keine 100%ig gleich hoher Austausch ist, er ist ja nicht Teil einer Verhandlung von Staaten, sondern Ergebnis gegenseitiger Abwerbungsversuche, so handelt es sich um eine relative Balance, die sich aber im Wettbewerb auch zu einer bestimmten Seite hin entwickeln kann.

Ausmaß der Leistung der Abgeworbenen in der Forschung
der imperialistischen Mächte

Ein gutes Beispiel um die Bedeutung des Kampfes um die hoch qualifizierten Kräfte zu verdeutlichen ist der US-Imperialismus. Denn über ihn gibt es Schätzungen, wie hoch das Ausmaß der Leistung von Abgeworbenen für die Forschung ist. Laut Max Huber (Deutschen Akademische Austausch Dienst, DAAD) werden bereits ganze 50% der Forschungsleistungen in den USA von angeworbenen Akademikern aus anderen Ländern geleistet [vgl. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 15.08.2004, nach www.fax.net]. Ohne solche Kräfte wäre, unter kapitalistischen Verhältnissen, also eine Produktivkraftentwicklung auf dem derzeitigen Level der USA gar nicht möglich. Im hypothetischen Fall, dass all diese Kräfte schlagartig die USA verlassen würden, würde die US-Wirtschaft wohl in eine recht schnell kommende Krise fallen.

Leider liegen uns bezüglich des deutschen Imperialismus keine Zahlen vor.

Offene Worte des deutschen Imperialismus

Es ist keinesfalls so, dass man lange suchen müsste, um auch offene Worte zum Kampf um die Köpfe zu finden und auch dazu, dass man durch den Wettbewerb auch dazu gezwungen ist, Abwerbungen durchzuführen. An dieser Stelle nur ein Beispiel. Im Zuwanderungsgesetz heißt es, dass „die Bundesrepublik Deutschland […] ähnlich wie hochindustrialisierte Staaten, in einigen Bereichen der Wirtschaft, insbesondere in der Biotechnologie und der Informations- und Kommunikationstechnologie, einen gestiegenen Bedarf an qualifizierten Fach- und Führungskräften über die nationalen Arbeitsmärkte nicht decken kann. Auch in einer Reihe anderer Branchen erfordern der steigende Wettbewerbsdruck und der sich beschleunigende Wandel in der Arbeitswelt hoch qualifizierte Arbeitskräfte, um die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu erhalten. Es entwickelt sich deshalb ein zunehmender internationaler Wettbewerb um die besten Kräfte […]“ [Zuwanderungsgesetz zitiert nach Friedrich Ebert-Stiftung, Vom Brain Drain zum Brain Gain Die Auswirkungen der Migration von Hochqualifizierten auf Abgabe- und Aufnahmeländer 2003; S. 48].

Deutscher Imperialismus will Panik verbreiten

In der Tat gibt es auch Wissenschaftler aus Deutschland die z.B. zum US-Imperialismus wechseln. Gerade dies ist immer wieder ein großes Thema in den Reihen der Politik, in den Diskussionen an den Universitäten, bei den Großkonzernen und in der bürgerlichen Medienlandschaft. Es wird diesbezüglich gar versucht, eine gewisse Panik zu verbreiten um den Eindruck zu erwecken, dass es der deutschen Wirtschaft bald sehr schlecht gehen wird, da man so viele Wissenschaftler verlieren würde. Diese Panikmache bezweckt u.a., die Bereitschaft in der Bevölkerung zu erhöhen, die Ausgaben für die Elitebildung, die Anwerbung und die Erhaltung der wissenschaftlichen Eliten zu vergrößern. Fakt ist aber, dass „keine eindeutigen Hinweise für einen drastischen Verlust an deutschen Spitzenwissenschaftlern gefunden werden“ kann [www.forschungsinfo.de/iq/agora/ Brain_Drain/brain_drain.asp].

Vielmehr ist es so, dass laut der Europäischen Kommission die EU die größte „Wissensschmiede“ der Welt ist. Dennoch wird bemängelt, dass der EU nur 5 von 1.000 Beschäftigten in der Forschung tätig sind, während es in den USA acht und in Japan neun seien [vgl. http://ec.europa.eu/research/leaflets/young/paga_77_de.html]. Also auch um diesen Anteil erhöhen zu können, wird eine gewisse Panik betrieben. Auch Zahlen, wie, dass von den 100 forschungsstärksten deutschen Ökonomen unter 45 Jahren jeder zweite im Ausland arbeitet, bedeutet nicht, dass diese allesamt abgeworben sind, sondern dass sie z.B. auch im Zuge des neokolonialen Wachstums eingesetzt sind, um im Interesse des deutschen Imperialismus noch mehr Mehrwertmassen aus den Neokolonien zu pressen [Zahlen nach: www.handesblatt.com/news/default_302031_1257784.aspx].

Brain Drain, Brain-Gain-Verteidigungsmöglichkeiten und Brain Re-Gain:

Brain Drain bzw. Brain-Gain und Brain-Exchange spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle im internationalen Konkurrenzkampf. Und die Konzerne lassen sich das Abwerben auch einiges „kosten“ (dies muss aber immer im Zusammenhang mit dadurch möglichen großen Mehrwertmassen gesehen werden, die diese „Kosten“ eher gering werden lassen).

Wie im vorherigen Punkt beschrieben beklagen sich auch die deutschen Imperialisten über ein Brain Gain eigener Wissenschaftler. Denn jeder Abgeworbene ist ein Verlust. Fakt ist aber, dass die imperialistischen Mächte bzw. die konkreten Monopole ein drohendes Abwerben relativ absichern können, so dass es nur zu einer geringen Abwerbung kommt.

Im Jahr 2004 gab die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Pressemitteilung heraus, aus dieser geht hervor, dass es weniger sind, als oft behauptet wird, die von Deutschland abgeworben wurden. Die Studie hatte 1.400 ehemalige Stipendiaten (davon waren übrigens nur ca. 26% Frauen) des DFG befragt. 86% sind auch noch 5-16 Jahre nach dem Stipendium in der Wissenschaft tätig.  Zwar nutzen viele auch die Möglichkeit eines Auslandsaufenthalts, wie es von der DFG auch gefördert wurde (Hauptzielort war die USA). Aber noch heute arbeiten 85% der in der Wissenschaft tätigen in Deutschland [vgl. www.dfg.de/ aktuelles_presse/ pressemitteilungen/2004/presse_2004_19.html]. Aus der Presseerklärung geht leider nicht hervor wie viele der verbliebenen 14% zwar im Ausland arbeiten aber weiter bei deutschen Monopolen angestellt sind. Denn auch dies gibt es ja. Auslandsaufenthalten sind heute durchaus als Teil der Ausbildung anzusehen und in vielen wissenschaftlichen Bereichen unablässig, um sich möglich gut zu qualifizieren, wenn man auf hohem Niveau arbeiten will. Des Weiteren gibt es Auslandsaufenthalte natürlich auch, da sich z.B. die deutschen Monopole global ausdehnen und somit auch in anderen Ländern Konzernsitze haben, die ebenfalls hochqualifiziertes Personal verlangen.

Um die Bedingungen zu verbessern, Akademiker aus anderen Ländern abwerben zu können, werden immer mal wieder auch Gesetze verändert. In diesem Zusammenhang sind auch Sonderregelungen (wie Green Card), wie sie vor einigen Jahren am Beispiel indischer Informatiker durch die Medien gingen, zu erklären.

Und bei der Verteidigung gegen mögliche Abwerbung aber bzw. von eigenen Abwerbungen  helfen auch diverse Vereinigungen und Stiftungen. Verbände wie der Deutsche Akademische Austausch Dienst (DAAD) haben nicht nur das Ziel deutsche Akademiker im Ausland weiter zu qualifizieren, ihnen Auslandsaufenthalte zu organisieren, sondern sie werben auch ausländische StudentInnen an. Und somit gehören sie zum Brain Darin bzw. Brain Exchange. Und solche Institute schaffen auch Anreize für ihre Zwecke. So gibt es z.B. den Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preis von dem DAAD, der an Wissenschaftler aus dem Ausland, für „hervorragende Arbeiten auf den Gebieten Germanischer Literatur- und Sprachwissenschaften, Deutsch als Fremdsprache sowie Deutschstudium“ verliehen wird. Er ist mit 5.000 € dotiert [vgl. www.daaad.de]. Zu den Aufgaben vom DAAD gehört es eben auch Stipendien an Studenten aus dem Ausland zu vergeben um sie anzuwerben. Die Stipendien werden in der Regel über die deutsche Botschaft ausgeschrieben. Für die Abwerbung werden staatliche Mittel in großem Umfang zur Verfügung gestellt. 2001 setzte die Bundesregierung z.B. aus den Mitteln aus dem UMTS-Verkauf 170 Millionen für die Gewinnung von Wissenschaftlern und Studenten aus dem Ausland ein [vgl. ww.berlinnews.de/ archiv/1733.html]. Dies verdeutlicht das Zusammenspiel der deutschen Monopole mit dem staatlichen Überbau.

Und um abgeworbene Forscher zurückzugewinnen wurden ganze Stiftungen ins Leben gerufen. Hier ist die Claussen-Simon-Stiftung zu nennen. Diese hat seit ein paar Jahren das „Aktionsprogramm Doppelkarrierepaare“ am laufen. Dieses Programm zielt darauf ab, dass man Ehepaare gleich zu zweit abwirbt bzw. zurückgewinnt. Denn bei der „Gewinnung von Wissenschaftern aus dem Ausland sind die beruflichen Chancen für die Partner häufig […] ausschlaggebend“ , wie die Stiftung herausfand. 

Beispiele deutscher Abwerberfolge:

Die stärksten Wirtschaftsmächte haben auch die besten Chancen den Brain Exchange zu ihren Gunsten zu verbessern. Diesbezüglich ist der deutsche Imperialismus beim Brain Exchange innerhalb der EU recht erfolgreich. Im Jahre 1999 kamen so z.B. 24 Tausend hoch qualifizierte Kräfte aus Großbritannien nach Deutschland, es gingen aber nur 12 Tausend hoch qualifizierte Deutsche nach Großbritannien. Bezüglich Frankreichs waren es 22 Tausend zu 13 Tausend.

Innerhalb der EU hatte Deutschland auch die meisten Anwerbeerfolge von hoch qualifizierten Amerikanern, nämlich rund 28 Tausend (dies sind ganze 50% der hochqulifizierten Amerikaner die in die EU gingen) [Zahlen nach Friedrich Ebert-Stiftung, Vom Brain Drain zum Brain Gain Die Auswirkungen der Migration von Hochqualifizierten auf Abgabe- und Aufnahmeländer 2003; S. 50].

Zum Ziele der Rück- bzw. Abwerbung hat die Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG) auch bereits Außenstellen eröffnet, so z.B. im Jahre 2000 das Chinesisch-Deutsche Zentrum in China und im Jahre 2002 ein Büro in Washington [nach Friedrich Ebert Stiftung http://library.fes.de/fulltext/id/ 0144819.htm].

Eine Studie der OECD von 2006 zeigt, dass Deutschland mehr Personen mit Hochschulabschluss nach Deutschland holt, als es sie abgibt. Die meisten, die nach Deutschland geworben werden, kommen aus nicht OECD-Ländern. Also sind die Abwerbungen aus Entwicklungsländern in ihrer Masse von größter Bedeutung. Die Analyse zeigt aber auch, dass die osteuropäischen Ländern derzeit enorme Verluste an gut ausbildeten Kräften haben und selbst nur wenig selbst abwerben. Die Kräfte gehen vor allem in die USA sowie in die westlichen EU-Staaten (also auch Deutschland, Deutschland hat hier ja inzwischen enormen wirtschaftlichen Einfluss dazu gewonnen)  [www.forschungsinfo.de/iq/agora/Brain_Drain/ brain_drain.asp].

Die Friedrich-Ebert-Stiftung gibt zu, das die Einführung der Green Card im Jahre 2000 nicht nur den Mangel an IT-Spezialisten decken sollte, sondern auch „die deutsche Zuwanderungspolitik insgesamt modernisiert werden“ sollte [Friedrich Ebert-Stiftung, Vom Brain Drain zum Brain Gain Die Auswirkungen der Migration von Hochqualifizierten auf Abgabe- und Aufnahmeländer 2003; S. 44]. Also hin zur verstärkten Abwerbung hoch qualifizierter Kräfte. Mit der Green Card wurde sich das Ziel gesetzt von 2000-2003 ganze 20.000 IT-Spezialisten abzuwerben. Von ihnen wurde eine hohe Qualifikation oder alternativ ein Mindestgehalt von 100.000 DM verlangt.

Zwischen August 2000 und Juli 2003 konnte dieses hohe Ziel zwar nicht ganz erreicht werden, aber aus Sicht des deutschen Imperialismus konnten immerhin 14.876 Computerspezialisten abgeworben werden. Die meisten kamen aus Indien (3.926) gefolgt von den ehemals sowjetischen Ländern (Russland, Weißrussland, Ukraine, Baltische Saaten) 1.874, Rumänien (1.039), aus der Tschechischen- und Slowakischen Republik insgesamt 983, aus den ehemals Jugoslawischen Ländern (Jugoslawien, Kroatien, Bosnien-H., Slowenien, Mazedonien, Montenegro) 756, aus Ungarn 510, Nordafrika (Algerien, Marokko, Tunesien) 432, Bulgarien 431, Südamerika 389, Pakistan 211 und weitere 4.325 aus diversen anderen Ländern [Zahlen nach Friedrich Ebert-Stiftung, Vom Brain Drain zum Brain Gain  Die Auswirkungen der Migration von Hochqualifizierten auf Abgabe- und Aufnahmeländer 2003; S. 45]. Diese Zahlen wurden auch aufgeführt um die Einflussgebiete des deutschen Imperialismus aufzuzeigen.

Die größten „Bildungsausländer“ in Deutschland, wie Nina Wolfeil von der Uni Wien es bezeichnet, komme aus China, danach komme auf Platz zwei Polen und Bulgarien [vgl. http://science.orf.at/science/news/148347]. Leider nennt uns diese Doktorin keine konkreten Zahlen.

Falsche „Lösungen“:

Es gibt sich kommunistischen nennende Kräfte, die in der Vergangenheit auch „Lösungs-Vorschläge“ wie die eines „Einwanderungsstopps“ formulierten, angeblich um die Entwicklungsländer vor dem Ausverkauf ihrer Eliten zu schützen.

Fakt ist, dass solche Formen der Ausbeutung solang existieren, wie es den Imperialismus gibt.

Deshalb ist die einzige Lösung der revolutionäre Kampf gegen den Imperialismus, der seiner Form nach national geführt wird. D.h. konkret, dass unser Hauptfeind der deutsche Imperialismus ist. Forderungen nach Einwanderungsstopps darf es von uns deshalb nicht geben, weil dies keine Lösung ist, sondern eine Auswirkungen von beschränkten boniert-nationalistischen Gedanken.[1]

Mark Staskiewicz,
Berlin

[1] Schaut man sich die Propaganda der Nationalisten an, so erkennt man, dass sie nur Erscheinungen betrachten. Sie glauben, dass „den Deutschen“ die „Arbeitsplätze“ weggenommen werden. Deshalb sind sie für Kampagne wie „Kinder statt Inder“. Damit erkennen sie die inneren Gesetze im Imperialismus nicht, die zu Brain Drain etc. führen.


Nachrichten aus dem Sumpf

Redaktion offen-siv:
Nachrichten aus dem Sumpf...

Die Barbarei des alltäglichen Imperialismus wird auf allen Ebenen immer intensiver. Das erzeugt – wenn auch noch zu sehr spontanem und zu wenig – Widerstand. Dies ist der Hintergrund für die wachsende Sehnsucht vieler Linker, insbesondere auch kommunistischer Linker, nach mehr Einheit, um die gesellschaftlichen Entwicklungen tatsächlich beeinflussen zu können. Dabei geht aber auch vieles heillos durcheinander und führt immer wieder in neu-alte Sackgassen. Vermischt wird von Vielen in der kommunistischen Linken vor allem die Notwendigkeit einer breiten Aktionseinheit gegen die imperialistische Barbarei mit der Notwenigkeit der Schaffung einer einheitlichen Kommunistischen Partei, die fest auf dem Boden des Marxismus-Leninismus steht.

Es scheint, dass diese mehr emotionale als rationale Sehnsucht auch Triebfeder für verschiedene Versuche sind, Organisationen und Parteien mit kommunistischem Anspruch mit dem Ziel der Schaffung der Einheit der Kommunisten in der BRD an einen Tisch zu bekommen. Dabei erscheint allerdings sehr beliebig, welche Grundprinzipien Kommunisten heute ausmachen und an diesen Gesprächen sind Parteien und Organisationen vertreten, die im Kern Antikommunismus unter „linker“ Flagge vertreten. Diese Positionen schließen sie aus unserer Sicht aus der bitter notwendigen Einheit der Kommunisten in der BRD aus!

Daher haben wir uns entschlossen, in unregelmäßigen Abständen unter der Rubrik „Nachrichten aus dem Sumpf...“ Positionen dieser im Kern antikommunistischen Parteien und Organisationen – mögen sie auch unter noch so „linken“ Flaggen und Parolen marschieren - in Originalzitaten zu dokumentieren. Unkommentiert, denn sie sprechen für sich, gleichen sehr oft, entkleidet man sie ihrem „linken“ Gewand, offen rechten, bürgerlichen und/oder offen reaktionären Positionen...                                            

Die Redaktion

Die Zeitschrift „Roter Stern“, Zentralorgan der so genannten „KPD/ML“ schreibt in ihrer Ausgabe Nr. 1/2008 (und man ersetze dabei nur die „revolutionäre“ Phraseologie durch ein der Thematik entsprechendes Vokabular zum Beispiel, in der „Frankfurter Allgemei-nen Zeitung“ und man wird sich der inhaltlichen Gemeinsamkeiten kaum erwehren können...) u.a. :

„Das MfS (Ministerium für Sicherheit) – diese konterrevolutionäre Geheimpolizei – war ein wichtiges Instrument der Machterhaltung der modernen Revisionisten. Das MfS entwickelte sich zu einem monströsen Gebilde. Es gab kaum eine Familie in der DDR, beinahe niemanden, die bzw. der sich völlig frei fühlen konnte, weder vor Bespitzelung, Einschüchterung, Erpressung und Verfolgung noch vor Versuchen der Anwerbung. (...)“

Diese Aussage steht in Konsequenz zum Programm jener Organisation vom Juni 2004, das praktisch alle Passagen aus dem Programm der Organisation von 1981 mit einigen Aktualisierungen bestätigte:

„Außerdem zeigt die Diskussion in der linken Bewegung, das Erstarken der PDS und anderer revisionistischer, restaurativer Kräfte, dass es auch heute noch notwenig ist, eine korrekte Beurteilung auf dem Misthaufen der Geschichte sich befindender politischer Gebilde wie der entarteten DDR und der entarteten SED zu machen. (...) Der sowjetische Sozialimperialismus verfolgt mit dieser Politik seine Interessen als imperialistische Supermacht. (...) Die DDR steht unter der Herrschaft des sowjetischen Sozialimperialismus. Zwar ist auch die DDR ein imperialistisches Land, doch das gegenwärtige Regime in der DDR ist ein Vasallenregime Moskaus. (...) Der ostdeutsche Imperialismus unterstützt als nach der Sowjetunion zweitstärkste Macht des Warschauer Paktes die Kriegsvorbereitungen des sowjetischen Sozialimperialismus.“

Da kann der so genannte „Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD“ in seiner „Programmerklärung zur friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands“ unter dem Titel „Damit Deutschland den Deutschen gehört!“ (sic! so oder so ähnlich stand es vor 1989 auch in dicken Lettern in der neonazistischen „Deutschen Nationalzeitung“, Anmerkung der Redaktion) durchaus mithalten. Diese Erklärung ist zwar aus dem Jahr 1974, wird von der Organisation aber immer noch als Positionierung und ideologisch-politische Standort-bestimmung vertrieben (!):

„Für die Befreiung der DDR von der Herrschaft der sowjetrevisionistischen Sozialimperialisten und ihrer Handlanger in der DDR. (...) Die DDR ist heute ein Land, in dem nicht mehr die Arbeiter und Bauern herrschen, sondern dessen wahre Herren ebenso wie in anderen osteuropäischen Ländern und der Mongolischen Volksrepublik die revisionistischen Machthaber die revisionistischen Machthaber der heutigen Sowjetunion sind, die nur in Worten Sozialisten, aber in der Tat Imperialisten sind: Sozialimperialisten!“

In dem Programm dieses so genannten „Arbeiterbundes“ (1974/1995 und immer noch als aktuell vertrieben) heißt es u.a.:

„Die Illegalisierung der KPD durch die reaktionäre Adenauer-Regierung begünstigte die Verräter, Renegaten und Agenten der sowjetrevisionistischen Renegatenclique, die modernen Revisionisten in unserem Land, die KPD von innen zu zerstören. (...) Die DKP, als neue sozialdemokratische Partei, ist die ‚linke’ Speerspitze des Sozialdemokratismus innerhalb der Arbeiterklasse. Sie dient dem modernen Revisionismus in unserem Land als trübes Sammelbecken und steckt unter einer Decke mit den sowjetrevisionistischen Sozialimperialisten. (...) Die Arbeiterklasse und die breiten Volksmassen in der DDR sind durch den schändlichen Verrat der SED-Führung gezwungen, gewaltige Opfer auf sich zu nehmen, um sich von nationaler und sozialer Unterdrückung zu befreien. (...) Die Aufgabe unserer Klassengenossen in Ostdeutschland ist es, für die Befreiung des Volkes in der DDR von der Herrschaft des sowjetrevisionistischen Sozialimperialismus und seiner Handlanger in der DDR all ihre Kräfte zu sammeln und zu vereinigen, um ihrerseits der deutschen Nation in ihrem Streben nach Wiedervereinigung den Weg zu ebenen.“

Redaktion offen-siv,
Hannover


Diskussion zur politischen Ökonomie des Sozialismus

Hermann Jacobs:
Über Wertinformation usw.

Zu Wolfgang Hoss (offen-siv 5/08)

Wolfgang Hoss hat einige Fragen aufgeworfen („offen-siv“ 5/08), die wir zwar schon in unserer Debatte behandelt haben, aber die durchaus nochmalige Aufmerksamkeit verdienen – zum Zwecke der Vertiefung. Ich meine hier die Frage der Wertinformation (die ein Wertpreis vermittelt bzw. vermitteln soll und die durch einen beständig festen Preis in Frage gestellt ist, so Hoss (S.69)). Wie genau ist denn die Information, so dass wir um sie bangen müssen? Und dann die Frage des Gewinns im Sozialismus resp. in einer Planwirtschaft. Wolfgang Hoss wirft sie im Zusammenhang mit seinem Vorschlag auf, Preise in einem zukünftigen Sozialismus als Kostpreis plus Steueraufschlag zu bilden (ebda.), also den Gewinn ganz zum Verschwinden zu bringen; Hoss ist aus irgendeinem Grunde gegen den Gewinn (S.70). Darauf wollen wir also eingehen – mit einer allgemeinen Überlegung: Was ist Gewinn im Sozialismus? Auch um eine Verkennung – Demonetisierung der Geldware (Gold) statt Aufhebung der Wertform der Ware - geht es (am Schluß, in einem Nebensatz).

Aber zunächst eine allgemeine Bemerkung:

In der gesamten bisherigen Geschichte der Arbeiterbewegung hat es noch nie eine Debatte um die Warenökonomie gegeben, in der der Gedanke der konkreten Form ihrer Aufhebung so sehr im Vordergrund stand, in der es überhaupt um ihre Überwindung durch den geschichtlich beginnenden Sozialismus/Kommunismus geht; diese in „offen-siv“ ist die erste. (Debatten, in denen es um ihre Fortsetzung geht, gab und gibt es dagegen viele. Das heißt, wir betreten theoretisch gesehen Neuland.) Auch Marx hatte keine Debatte darum geführt. Mit wem denn? Er hatte es so prognostiziert, und die Arbeiterbewegung hat es zunächst gedanklich übernommen. Zweite Bemerkung: Ab wann kann denn die Frage der Negierung/Aufhebung der Waren- bzw. Wertform der Produktion überhaupt aufgeworfen werden? Nach unserer Meinung nur parallel zu einer wirklichen Aufhebung, die im Aufbau einer nichtwarenförmigen Produktionsweise besteht, also im ersten sozialistischen Land, der Sowjetunion, etwa ab 1930. In der DDR und anderen Ländern sozialistischer Orientierung etwa ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre (20. Jahrhundert). Ab dieser Zeit kann, was bislang ein bloßer Gedanke – oder in einer Kritik an der kapitalistischen Produktionsweise mitschwang -, versachlicht werden, aus der Theorie in die Praxis übergeführt werden. Damit würde die die Warenökonomie negierende Theorie eine Theorie mit Praxisbezug sein.

Auf diesen Punkt weisen wir insbesondere hin. Warum? Nun, wir haben „Andersdenkende“ in der heutigen Arbeiterbewegung, sogar aufgrund der „Russischen Wende“ in zunehmendem Maße; man lese nur mal, was so als Fazit aus 70 Jahren Sozialismus gilt. Dominierende Meinung ist, dass, wer von der Negation der Warenökonomie bereits in der realen sozialistischen Planwirtschaft spricht, als ein linker Radikalist gilt, maximal als ein linker Spinner. Ich aber sage: Für die Auffassung, der Sozialismus setze die Warenproduktion fort, er sei gar eine neue, „höhere“ Stufe der selben, muss diese Verketzerung eines ungemäßen Linksseins konstitutionell sein. Für einen warenökonomischen Reformer muss es doch ein Unterschied sein, ob er sich geschichtlich in einer Situation vor, inmitten, oder nach einer realen Aufhebung der Warenökonomie befindet. Vor einer heißt für ihn, dass er sich gleichberechtigt im Kreis der ökonomischen Wissenschaft bewegt, inmitten, dass er umstritten bewegt, und nach, dass er sich bereits gegensätzlich zum Sozialismus bewegt. Aber wer will sich das schon sagen lassen, dass er Kritiker des wirklichen, realen Sozialismus ist; man will doch „nur“ den besseren Sozialismus. Letztes Argument kann dann sein, dass er seine Kontrahenten von einst, die praktisch die Hoheit über das ökonomische Gesicht des Sozialismus gewonnen hatten – indem sie eben Planwirtschaft machten -, im Nachhinein noch des Radikalismus bezichtigt, oder der Unfähigkeit, effektiven Sozialismus aufzubauen. Das wird umso klarer hervortreten, je klarer das Bewußtsein davon, dass es sich bei der Planwirtschaft bereits um eine im Wesen von der Warenökonomie verschiedene Produktionsweise handelt, erscheint.

Wo erscheint aber dieses klare Bewußtsein vom Wesen einer Negation der Ware? – Hier der Pferdefuß, der uns, die wir die Planwirtschaft noch immer verteidigen, betrifft: In der offiziellen Wissenschaft, die die Planwirtschaft aufgebaut und verteidigt hat, noch nicht!

Historisch war dieser Punkt, dass sich die sozialistische Wissenschaft (politische Führung auch) klar von der Warenökonomie verabschiedet hatte, sie sich also auf neue Weise ihrer eigenen Revolution auf dem Gebiete der Ökonomie bewußt geworden, noch nicht erreicht. Dieser Stand war zwar praktisch erreicht, theoretisch noch nicht. So hatte die „andersdenkende“ warenökonomische Reform einen letzten geschichtlichen Freiraum – mitten im Sozialismus, und auch jetzt noch. Sie schien oder scheint noch über den Sozialismus mitzureden, aber praktisch wäre ihre Reform, die sie will, bereits seine Aufhebung.[1] Es ist unsere Aufgabe, ihr diesen Freiraum im Nachhinein zu nehmen. Wir schaffen damit nur letzte Klarheit und Wahrheit über den realen, sachlich realisierten Sozialismus. Wir stehen nicht außerhalb der Sachlichkeit, wenn wir außerhalb der warenökonomischen Reform des Sozialismus stehen – das ist es. Für unsere Position ist also typisch, dass wir die Planwirtschaft nicht schlechthin als diese, sondern auch als erste geschichtliche Form der Aufhebung der Warenproduktion verstehen, was indirekt auch darin erscheint oder bestätigt wird, dass sich die warenökonomische Reform am Sozialismus als Kritik der praktizierten Planwirtschaft versteht.

Wolfgang Hoss also; Festpreis und Arbeitsproduktivität:

Wir wissen, dass er sich gegen die Warenökonomie ausspricht, aber nicht gegen die Wertform der Ware (und auch nicht gegen den Markt). Warum eigentlich gegen die Ware? Ich habe es nicht ganz begriffen. Aber er ist für die Wertform. (Und wir sagten bekanntlich: Wertform, das ist Ware.). Der Wert ist eine Wertinformation, ausgesprochen durch das Geld, sagt Hoss. Das ist unwidersprochen. Aber er sagt auch: Auf die Wertinformation zu verzichten – in Festpreisen geschieht das (tendenziell, früher oder später) -, führt dazu, „die volkswirtschaftliche Arbeitsproduktivität radikal zu drücken“ (S.69).

Eine Befürchtung, oder eine Tatsache? Ich denke, keine Tatsache, kaum eine Tatsache, jedenfalls keine solche, die einen Prozess wie die „radikale“ Senkung der Arbeitsproduktivität auszulösen in der Lage wäre. Ich habe in einem volkseigenen Betrieb gearbeitet, 30 Jahre lang. Wir haben Brandschutztüren gebaut; als ich anfing, waren es pro Schicht 25 – 30 Türen, am Schluß, d.h. ab Mitte der 70er Jahre, über 190. Festpreise hatten wir dagegen immer. Man sagt, die Arbeitsproduktivität wäre im Laufe der Existenz der DDR um etwa das Achtfache gestiegen, volkswirtschaftlich gesehen. Es war Steigerung der Produktivkraft der Arbeit, denn die DDR hatte das „Dilemma“, mit im Wesentlichen immer der gleichen Arbeitskräftezahl zu operieren.

Wolfgang Hoss berücksichtigt nicht, dass wenn die Waren produzierenden Betriebe nach außen, zur Gesellschaft, zu den anderen Produzenten hin eine Wertinformation vermitteln, d.h. den Ersatz für die geleistete Arbeit einfordern, sie dennoch nach innen hin, also innerbetrieblich ein eigenes, anderes System der Rationalität der Arbeit aufbauen. So arbeiten Arbeiter (dort, wo es geht) nach Normen, Zeitlöhnern sind Arbeitsbereiche zugeordnet, der Betriebs-Plan sah auch einen Stellenplan vor, es konnte kein Betrieb beliebig viel Arbeitskräfte beschäftigen – wenn es auch keine bewußt betriebene Freisetzungspolitik von Arbeitenden gab; Material wurde ebenfalls nicht beliebig verbraucht, es galten Materialverbrauchsnormen, usw. Hoss übersieht, dass in der wirklichen Arbeit im Betrieb Wertformen nicht zur Anwendung kommen, die Arbeiter verkaufen einander nicht ihre Teilarbeiten, es fließt ja auch keine Arbeit, kein Geld zurück. Dieses System der Rationalität der Arbeit im konkreten Sinn existiert an sich, egal ob es noch ein Meldesystem nach außerhalb der Betriebe gibt, und geht auch nicht verloren, wird nicht aufgegeben, nur weil Preise nun konstant bleiben, und jene Veränderungen, die in der realen Arbeit stattfinden, nicht mehr „an die Gesellschaft“, sprich anderen Betriebe (oder an die Konsumtion, über die Aneignung der Güter) weitergegeben werden.

Wie stellt man sich einen Kommunismus (an den ja „Gott“ sei Dank noch immer alle glauben, auch die Reformer), in dem das Geld, damit Preise, absolut abgeschafft werden (sollen), denn vor? Als den Zusammenbruch der Produktivkraft der Arbeit? Also als die Anarchie in Bezug auf die Gesellschaft? Vom Standpunkt der wirklichen Arbeit ist die „Wertinformation“ nur eine Form der Widerspiegelung, der doppelten Ausführung jener Vorgänge, die in der Arbeit stattfinden, an sich stattfinden, auch ohne diese doppelte Form. Wichtig ist, dass sich der die Arbeit Ausführende rational verhält. Hoss aber befürchtet, dass sich der Betrieb B, der die Arbeit von A aufnimmt und weiterführt, deshalb unrational, gleichgültig, lässig zur Arbeit verhält, weil er nicht mehr darüber informiert wird, wie sich A rational verhalten. Aber wieso denn? Wie verhält sich denn die Weiterverarbeitung zur Ersterarbeitung? Dadurch rational, dass sie von der Arbeitsmenge, die schon drin steckt, weiß? I wo, ich sagte bereits, indem sie möglichst wenig vom Material und den Produktionsmitteln, die in ihre Hände gelangen, bei der Weiterverarbeitung verbraucht. Damit senkt sie nicht den Wert des Materials/der Pm (pro Stück Wareneinheit), sondern den anteiligen Wert, den das Material/die Pm (oder die Arbeit von A) an der gesellschaftlichen Gesamtarbeit einnimmt. Also eine Weiterentwicklung des Wertgesetzes, auf die Marx schon aufmerksam gemacht hat. Betrieb B muss nicht wissen, dass eine Tonne Stahl 1 Arbeitsstunde in Betrieb A gekostet hat, aber er muss nur eine Tonne verbrauchen (um sagen wir 10 Stahl-Türen herzustellen), dann hat er den gesellschaftlichen Anteil der Stahlproduktion für Türen auf das notwendige, rationale Maß gesenkt bzw. hat er Parameter der Rationalität eingehalten.

Hoss hätte nur Recht, wenn die Wertinformation über die Geldform die einzige Information über den Verbrauch von Arbeitszeit wäre, aber dann dürfte es keine Betriebswirtschaft geben, in den Betrieben müßte es an sich chaotisch zugehen.

Ein Wort zur Wertinformation selbst.

Welcher Wert spielt in der unmittelbaren, direkten oder wirklichen Produktion eine Rolle? Marx sagt es, und weist damit auf den Unterschied zwischen Warenproduktion und gemeinschaftlicher, also kommunistischer Produktionsweise hin: Im Unterschied zur bürgerlichen Produktionsweise, wo der Wert eine Durchschnittsgröße ist, gilt für die assoziierte Produktion die wirkliche, die individuelle Zeit/Leistung. (Siehe Gothaer Programmkritik). Und die wirkliche, wahrhaft verbrauchte individuelle Arbeitszeit kann nicht direkt in die Wertform eingehen, das ist bekannt.

Die Wertinformation über das Geld ist nicht an sich ungenau, sondern es ist gar nicht ihre Aufgabe, genau, exakt, dem wirklichen Verbrauch an Arbeit zu entsprechen. Sie ist ja eine gesellschaftlich allgemeine Form der Darstellung. Als Wert stellt sich Arbeit als Teil/Anteil an der allgemeinen gesellschaftlichen Arbeit dar. (Und was gesellschaftliche Arbeit ist, das entwickelt sich.) Da ist die Abweichung - die manchmal sehr stark sein kann – von der Wirklichkeit/Individualität Bedingung der Darstellung überhaupt. Die einfachen „Ungenauigkeiten“ (durchschnittliche Produktivität, durchschnittliche Intensität und Gebrauchswertgüte) sind ja noch zu verstehen, aber schon mit dem kapitalbezogenen Produktionspreis löst sich die Wertinformation überhaupt vom Wert, der sich auf die unmittelbare lebendige Wertbildung bezieht. Und schließlich erst die auf einen zeitlichen Zyklus, sagen wir 10 Jahre, bezogene ratenweise Abschreibung des fixen Kapitals – ein Unding für eine Wertinformation; da wird Arbeit erstattet, die gar nicht ersetzt wird, erst in 10 Jahren oder so. Die Planwirtschaft dagegen erstattet nur, was real, wirklich gegenständlich verbraucht worden. (Amortisation/Ersatz also erfolgt tatsächlich erst dann und auf einmal, wenn die Maschine ausgewechselt wird; das ginge gar nicht über einen Preis.)

Festpreise (wenn es um Preise geht) und der Kommunismus (wenn um die Gesellschaftsordnung) haben sich noch niemals als Gefahr für den erreichten gesellschaftlichen Stand der Produktivkraft der Menschheit erwiesen. Kann es aber Probleme mit der Wertinformation geben, wenn zu festen Preisen übergegangen wird? Ja, wenn denn in den Betrieben kein entwickelter Standard an Arbeitszeit- und Materialverbrauchsberechnung vorliegt. Das ist aber ein sekundäres Problem und anders zu lösen als über Preise bzw. den äußeren Zwang.

Ich habe auch ein Problem mit Wolfgang Hoss, wenn er einerseits den Produktivitätsverlust bei Einführung von Festpreisen beklagt – man müßte ja nun meinen, er will die stets durch Werte bewegten Preise wiederhergestellt sehen, aber einen Preisvorschlag für den künftigen Sozialismus macht, der sich aus den Kosten und einem Steueraufschlag aufbaut. „Kosten für die erweiterte Reproduktion (wieso ist die erweiterte Reproduktion eine Kost?, J.) können im Steueraufschlag enthalten sein“ (S. 69). Auf diese Weise käme über den Preis natürlich keine Wertinformation mehr zustande, denn Wesen des Wertes ist, dass er sich als allgemeine gesellschaftliche Arbeit darstellt, und dazu gehört, dass er sich in einem seiner Wertteile auch als Mehrwert (Anteil am allgemeinen gesellschaftlichen Mehrwert) darstellt. Hoss will, wie man sieht, den Betrieben – die als Wert wie immer geschichtlich dastehen sollen – aber das Recht nehmen, über ihre eigene Akkumulation zu bestimmen. Das ist eine contradictio in adjecto, ein Widerspruch in sich selber. Einerseits wie Eigentümer verhalten, andererseits wie ein treuer Kommunist darauf pochen, dass eine gesellschaftliche Zentrale die erweiterte Reproduktion der Betriebe reguliert. Also einerseits wie Eigentum, andererseits wie Planwirtschaft. Das würde ich einen Widerspruch nennen, der nach einer anderen Lösung drängt.

Und nun der Gewinn.

Hoss, den der Wert nicht stört, stört der Gewinn. Er macht sogar den Festpreis dafür verantwortlich, dass seine „krampfhafte Einführung“ (in der DDR z.B.) dazu führen/dienen sollte, „Anreize zu Kostensenkungen zu geben. Der Gedanke war der, dass bei festen Preisen und sinkenden Kosten der ‚Gewinn’ steigt, wofür die Betriebe dann belohnt werden sollten“ (S. 70). Wie man sieht, entdeckt Hoss doch eine Wertinformation in einer realen Festpreisökonomie, eine über steigenden Gewinn, er, der den Gewinn doch (in einer allgemeinen Steuer) ganz zum Verschwinden bringen wollte. (Ist der reale Sozialismus nun besser – oder schlechter?)[2]

Es sinkt der Wert (ich nehme mal an, dass Hoss nicht einfach Manipulationen mit dem Preis unterstellt), aber nicht der Preis, wie ist dann die Wertinformation, oder besser: Gewinninformation? Logisch die, dass die Kosten – insbesondere die Lohnmengen der verwandten Arbeit – auf mehr Preise/“Waren“ aufgeteilt werden, d.h. als Lohn-Kost erscheint der geringere Lohn der geringeren verwandten Arbeitszeit pro Wareneinheit. Ergo „steigt“, trotz Festpreis und keiner formellen Lohnsenkung der Arbeiter – wie in einer Wertökonomie seit Marx zu unterstellen -, der Gewinn(teil) im Preis. Er steigt so direkt, wie die individuelle (!) Produktivkraft steigt. Eine überraschende Wende in der Wertökonomie. Oder soll ich sagen: Zur Wertökonomie, entgegen dieser? Denn: Wieso bildet sich denn der Mehrwert als eine gesellschaftliche, auf die Gesamtarbeit bezogene Größe, als individueller Anteil daran? Dadurch, dass der Lohn oder Wert der Arbeitskraft als eine gesellschaftliche Größe gebildet wird. Und unter der Bedingung, dass die Preise wie die Werte bewegen, bildet sich der Wert der Arbeitskraft dadurch als eine gesellschaftliche Größe, dass er der Bewegung der Preise jener Waren entspricht, die in die Reproduktion der Arbeitskraft eingehen. (Im Festpreissystem aber bewegt/“steigt“ der Gewinn direkt, individuell, auf eine Arbeit bezogen, nicht auf die Gesamtarbeit. Und ein Lohn, der nun ob der Leistungssteigerung – auf den Gewinn bezogen – be„lohnt“ würde, würde in individuellen Lohn umwandeln, nicht gesellschaftlichen; dass Hoss sich dagegen ausspricht - nicht gegen solchen Gewinn, sondern gegen solche Belohnung -, begrüße ich. Auch im Sozialismus, wo es um Lohnsteigerung geht, oder um Belohnung, weil die Summe der Produkte/Preise gestiegen, muss die Lohnerhöhung allgemein sein. Auch wenn die allgemeine Lohnerhöhung neue/andere Art von Individualisierung in den Gewinn hineinbringt.)

Wir haben darüber in „offen-siv“ auch schon geschrieben. In der Tat hat die Festpreisökonomie eine eigenartige Form der „Gewinn“-Darstellung geboren. (Sie ist viel zu wenig von der Theorie beachtet worden.) Frage: Wenn nun der Preis/Festpreis nicht mehr Wert ist, ist es dann der Gewinn (der gestiegen)? Ich sage Nein: Unsere bisherigen Gedanken (in „offen-siv“) gingen davon aus, dass das ganze Preiswesen einer Festpreisökonomie nichts als ein Analog der Produktionsmenge, der Steigerung der Produktionsmenge ist. Sinken die Preise nicht mehr mit den Werten, aber bleibt die Preis- resp. Geldform gesellschaftlich noch erhalten, müssen die Summen (!) der Preise steigen wie die Mengen der Produktion steigen. Sind dies Konsumtionsprodukte, und werden diese über die Löhne verteilt, steigen … die Kosten. Eben sind sie gesunken, jetzt steigen sie wieder. Eben sind die Löhne „gesunken“ und die Gewinne gestiegen, jetzt steigen die Löhne wieder und „sinken“ die Gewinne. Ulkig, nicht? Aber so funktioniert Gebrauchswert- oder Mengenökonomie, wenn sie noch nicht zur Form ihrer Entwirrung gefunden hat.

Man kann ja die Löhne ganz aus dem Preis herausnehmen, dann sind sie ein Extrafonds neben dem der Preise. Die Betriebe bilden einen Produktions-Preis-Fonds, und verbrauchen einen Lohnfonds, jedes existiert für sich, nichts wird ineinander gerechnet, ins Verhältnis gebracht. Diese Fonds können dann steigen oder sinken, ganz für sich und … der Gewinn ist dann verschwunden, wirklich ganz verschwunden, nicht nur in einer Steuer versteckt verschwunden. Und die Wertinformation, d.h. der einzelne Preis und die Summe der Preise, ist dann eine - Mengeninformation. Ihr entspricht eine Menge zirkulierenden, in den Umlauf, d.h. in die Kosten-, darunter Lohnkosten-Form gebrachten Geldes.

Was ist dann Gewinn? Logischerweise 1. die Summe der mehr produzierten Produkte – die in keiner Wertinformation als Gewinn (!) erscheinen (dort erhöhen sie nur die Kaufkraft des Geldes, vorausgesetzt, die Werte/Preise sinken mit der produktiveren Arbeit), und 2. die Summe der Produkte, die nicht für die Wiederherstellung der einfachen Form der Produktion/Reproduktion gebraucht werden, ein spezifischer Produktionsüberschuß also. D.h. der Gewinn stellt sich dar nicht mehr als allgemein erscheinender Wertteil in jedem Preis, sondern als ein besonderer Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit, er ist eine besondere „Abteilung“ der Arbeit. Und wir begreifen endlich Ökonomie unter dem Gesichtspunkt der konkreten Arbeit. Hier ist eben alles Produkt, und von besonderer Bedeutung, wenn besonderes Produkt. In der konkreten Ökonomie kommt die Bedeutung eines Produkts von seiner Funktion her, die es im Rahmen der Arbeit spielt. D.h. da ist nichts allgemein, wie in der – Wertinformation. Der Gewinn als allgemein produzierter (in und mit jeder Wertgröße produzierter) verschwindet – um in einem besonderen Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit, als ein besonderer Teil der Produktion wieder zu erscheinen. Und ganz nebenbei: Dieses allgemein und beständig überschießende Produkt (insofern bildet es eine gesellschaftliche Größe) weist eine innere Struktur auf; sie erfordert eine spezifische Aneignung, keine allgemeine. D.h. es ist nicht jedes Pm, nicht jeder Betrieb im Produkt der Akkumulation vertreten. Akkumulation ist nur bei der Kapitalform allgemein und gleich dem eingesetzten Kapital „verteilt“, im Sozialismus/in der Planwirtschaft spezifisch und ungleich dem eingesetzten „Kapital“. Auch deshalb – keine Wertinformation (über bestehende Arbeit) mehr.

Der Kommunismus macht nichts kaputt, er hat eine andere Sicht auf die Ökonomie, und die ist nun mal so, daran muss man sich erst gewöhnen. Der Kommunismus ist nichts als die Ökonomie der konkreten Arbeit. In ihr zieht sich der Wert „in die Produktion zurück“ (Engels). Und was tritt hervor? Die Arbeit in anderer Hinsicht, wir hören ja nicht auf zu arbeiten.

Geldware Gold:

Ein Nebensatz noch: Ich hatte, so hoffte ich, mich klar ausgedrückt: Dass Festpreis heißt und nur heißen kann, dass die Ware ihre Wertform aufgibt, ist das von der sozialistischen Ökonomie zu knackende theoretische Problem. Wolfgang Hoss nun hat mich teilweise so gelesen, als würde es sich nicht um die Ware (WARE) handeln, deren Wertform aufgegeben worden (in der Planwirtschaft), sondern um die Ware, die das Geld historisch darstellte, also im Wesentlichen die Ware Gold. Die ist natürlich schon im Kapitalismus (Hoss macht da ja die entsprechenden geschichtlichen Abläufe klar) im Orkus verschwunden, d.h. Gold „demonetisierte“ (entgeldete).

Darüber gab es in der DDR eine große Diskussion, wobei sich übrigens die so genannten Wertreformer vehement weigerten, die Demonetisierung des Goldes anzuerkennen (einschließlich des Nestors der DDR-Ökonomen Alfred Lemmnitz). Sie konnten sich kein Geld ohne eigene Ware vorstellen. Aber man kann sich aus einer Geldmenge oder Einkommensmenge, die sich auf eine Geldform bezieht, die im Prinzip steigt, wie die Produktionsmenge steigt, nur schlecht noch vorstellen, dass sie zugleich eine Goldmenge repräsentiert, wenn auch pro Geldeinheit immer geringeren Grades (den auch niemand mehr zu messen in der Lage war). Man kann ja nicht jede Warenmenge, die in Geldform umgesetzt wird, nur als eine Warenmenge verstehen, die noch Geld bedeuten soll und – die gar nicht mehr produziert wird; das ist Blödsinn.

Entschuldige lieber Wolfgang Hoss, aber ich meinte wirklich die Ent-Wertung der Ware (= WARE), nicht die Ent-Warung des Geldes. Das interessiert in diesem Falle weniger und trägt nichts zum besseren Verständnis der wesentlichen sachlichen Änderungen in einer Planwirtschaft gegenüber einer Warenproduktion bei. 

Hermann Jacobs,
Berlin

  1. Wir unterscheiden an diesem Punkt zwei Dinge: 1. die reale Entwicklung, die die Sowjetunion seit 1990/91 genommen hat, und die eine im Wesentlichen restaurativ-bürgerliche ist, und jene Reform, die sich lange vor 1990, schon ab den späten 50er und dann 60er Jahren in den sozialistischen Ländern ankündigte und die in Gorbatschow endlich den paraten Generalsekretär gefunden zu haben schien, diese Pläne Wirklichkeit werden zu lassen. Man lese nur nach, was in den 80er Jahren über den notwendigen, endlich richtigen Sozialismus alles verkündet wurde. Gorbatschow hat diese Sehnsucht aber nur benutzt, die Reformer müßten eigentlich ihre Enttäuschung bekunden, was sie aber nicht tun. Umgekehrt: Sie nagen weiter am geliebten Knochen - der Kritik am realen Sozialismus, diese Kritik ist ihnen wichtiger als sich von Gorbatschow enttäuscht zu zeigen.
  2. Hoss stellt die Sache so dar, als hätte die „Festpreisbürokratie“ (sein Begriff) der DDR den neuen Gewinnmechanismus des Festpreissystems bewußt gewollt. Nach meiner Auffassung hat man in der DDR (den sozialistischen Ländern überhaupt) aus der Not eine Tugend gemacht. Die alte Methode – der Preissenkung der Waren mit Übertragung der Preissenkung in den Lohn – war ja passee, und die neue Methode war erschienen. Man hat sich einfach angepasst, und nur den neuen Gewinn so verstanden wie noch den alten. Als würde sich am System überhaupt nichts geändert haben. Von diesem Mangel, dem Zurückbleiben der Theorie hinter der Praxis, sprach ich eingangs bereits. Er nutzt nicht dem realen Sozialisten, wohl aber dem marktwirtschaftlichen Kritiker des Sozialismus.

Zu den Einheitsbestrebungen von KPD und KPD(B)

Redaktion offen-siv:
Bewegung bisher recht einseitig

Wir haben bereits in der letzten Ausgabe der „offen-siv“ über die Vereinigungsgespräche dieser beiden Parteien berichtet, die zum Teil in Form bilateraler Treffen, als auch im Rahmen der so genannten „Berliner Treffen“ stattfinden, die gemeinsam mit Organisationen wie „KPD“ („Roten Morgen“) und „KPD/ML“ („Roter Stern“) organisiert werden.

Wir hatten zudem berichtet, dass die Redaktion der „offen-siv“ inoffiziell von Führungsmitgliedern beider Parteien angesprochen worden war, Ideen und Vorschläge für eine zielgerichtete Unterstützung dieses Einigungsprozesses zu entwickeln. Unter anderem hatte Genosse Michael Opperskalski einen Vorschlag für einen gemeinsamen Einigungsaufruf erarbeitet, der von der KPD(B) übernommen und in ihrem Organ „Trotz Alledem“ inzwischen abgedruckt wurde (wir hatten den Text dieses Vorschlags ebenfalls in der letzten Ausgabe der „offen-siv“ veröffentlicht). Die KPD konnte sich hingegen bisher nicht zu einer – wenn vielleicht auch nur modifizierten Form – einer Veröffentlichung durchringen. Die KPD(B) ist bereits noch einen - aus unserer Sicht für die Einheit beider Parteien sowie aller Marxisten-Leninisten notwendigen - Schritt weiter gegangen: Sie hat aus ihren aktuellen Parteidokumenten (Programm und Statut) den Alleinvertretungsanspruch für die Kommunisten in der BRD gestrichen; die KPD hingegen sieht sich ganz offensichtlich immer noch als DIE Kommunistische Partei in der BRD, ins Leben gerufen in der (noch) DDR 1990, sich in der Tradition und als organisatorische Fortsetzung der von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gegründeten KPD deklamierend. Unterschiedliche Positionen zwischen KPD und KPD(B) wurden aber auch in drei weiteren grundsätzlichen Fragen deutlich:

  1. während die KPD(B) die Verhandlungen im Interesse aller Marxisten-Leninisten möglichst transparent halten möchte und dementsprechend auch in ihrem Zentralorgan „Trotz Alledem“ regelmäßig berichtet, bevorzugt die KPD hingegen ganz offensichtlich eher Verhandlungen „hinter verschlossenen Türen“; dementsprechend spärlich ist ihre Berichterstattung in ihrem Zentralorgan „Die Rote Fahne“;

  2. die KPD(B) hat inzwischen Verhandlungen für die Einheit der Kommunisten mit den im Kern antikommunistischen Organisationen „KPD (Roter Morgen)“ und „KPD/ML“ aus der Konsequenz des tatsächlichen Charakters dieser Organisationen als perspektivlos für die Einheit der Kommunisten abgebrochen. Die KPD hält hingegen an diesen Treffen fest, adelt in ihrer „Roten Fahne“ diese Organisationen sogar zu Kommunisten;

  3. die KPD sieht die Entwicklung der Einheit der Kommunisten letztlich lediglich im Rahmen einer Aktionseinheitspolitik für möglich. Dabei bleiben Basis, Strategie und Konzeption dieser Aktionseinheit jedoch in wesentlichen Elementen unklar. Viele Fragen bleiben in diesem Zusammenhang unbeantwortet und deshalb muss der Eindruck ent-stehen, dass auch bei der KPD der verständliche und sich angesichts der sich verschär-fenden Barbarei des Imperialismus verstärkende Wunsch der Kommunisten nach Einheit, vielleicht sogar in einer einheitlichen Kommunistischen Partei, sowie die Notwendigkeit der Entwicklung einer breiten, anti-imperialistischen Front in Form von Aktionseinheiten unreflektiert durcheinander gewirbelt werden.

Kurzum: hinsichtlich der Einheitsgespräche zwischen KPD und KPD(B) sind noch sehr viele Fragen offen. Eine Ende und ein (hoffentlich) positiver Ausgang sind noch nicht abzusehen. Wir werden weiter berichten... 

Die Redaktion

Aus der Leser/innen-Post

Jürgen Gedicke:
Ideologischer Zustand – zu offen-siv 5/08

Die Ausgabe März-April 2008 ist wieder große Klasse. Ziemlich schlecht sind natürlich die beiden Texte von Blessing, wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass Sie das nicht selber wissen. Der gute Mann hat anscheinend nichts besseres zu tun, als sich seinen guten Ruf, den er mit „Die Schulden des Westens“ erworben hatte, gleich wieder zu ruinieren.

Sein „Diskussionsangebot“ („Unsere Position zum Sozialismus im 21. Jahrhundert“) zu bringen, ist schon in Ordnung, weil es ja augenscheinlich den ideologischen Zustand eines nicht geringen Teils der „Linken“ widerspiegelt. Allerdings glaube ich nicht, dass die Offerte auf besonders große Resonanz stoßen wird.

Viel Erfolg bei dem, was Sie tun und Gesundheit wünscht Ihnen

Jürgen Gedicke,
Beelitz


Hansjörg Schupp:
Verhältnis von Worten und Tat – zu offen-siv 5/08

Die beiden Beiträge „Zum 40. Jahrestag der sozialistischen Verfassung der DDR von 1968“ und „Die Bedeutung des Kommunistischen Manifestes für den Kampf um den Sozialismus im 21. Jahrhundert“ beeindrucken, sollten gegebenenfalls weit publik werden (trotz einigermaßen rosaroter DDR-Brille bei Erich Buchholz), wenn – ja wenn nicht beide Verfasser mehr oder weniger (meines Wissens immer noch!) der opportunistisch-sozialdemokratischen, antikommunistischen Partei „Die Linke“ verbunden wären, was das Verhältnis zwischen Worten und Tat leider erheblich relativieren dürfte.

Die „Linken“-Alibigruppe KPF ist m.E. nicht ernst zu nehmen insgesamt.

Und Marxisten-Leninisten brauchen wohl keinen gleichsam neu zu definierenden „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“.

Hansjörg Schupp,
Appetshofen


 Sascha Heimannsberger:
Sozialismus im 21 Jahrhundert? So nicht! – zu offen-siv 5/08

Liebe Genossen der Redaktion, was habt Ihr denn mit diesem „Diskussionsangebot Sozialismus im 21. Jahrhundert“ für einen Unsinn veröffentlicht?

Richtig ist ja, wie der Imperialismus in seinen Auswirkungen beschrieben wird.

Aber schon beim Rätselraten über die Ursachen des Unterliegens im Klassenstreit wärmt der Autor die alten gorbatschowschen Perestroikavorstellungen wieder auf: Eine intensive Wirtschaftsentwicklung hätte nach Blessing und Co „eine wirkungsvolle Anwendung der ökonomischen Wertkategorien und eine hohe Eigenverantwortung der wirtschaftenden Einheiten erfordert.“ Das ist wegen der „führenden Rolle der Partei in der Wirtschaft“ und der „umfassenden Verstaatlichung in allen Gesellschaftsbereichen“ nicht gelungen. Sozialistische Marktwirtschaft und gemischte Eigentumsformen wären also besser gewesen, was? Die Planwirtschaft war das Hindernis, ach so! Man fragt sich: Was wäre denn noch Sozialismus an so einem Sozialismus?

Dann wird in dem Papier die Frage gestellt: „Welche prinzipiellen Lehren ziehen wir aus der Niederlage?“ – und es fällt in dem gesamten Punkt kein Wort über das Produktiveigentum, über die Klassen und erst recht keins über den Klassenkampf. Stattdessen geht es darum, dass der Sozialismus „eine andere Lebensphilosophie“ erfordere, dass „die Menschheit sparsamer produziert und gerechter verteilt“ und dass dazu „die Solidarität unter den Völkern unabdingbar“ sei. Sozialismus bedeute „Solidarität und nicht Eigennutz. Insofern knüpft der Sozialismus an Verhaltensregeln der Nächstenliebe in Religionen und anderen Kulturen an“ und so weiter. So wird niemals Sozialismus, das sind fromme Wünsche im Bereich moralischen Hoffens.

Im nächsten Teil, den Forderungen, geht es dann doch um reale gesellschaftliche und auch wirtschaftliche Dinge, allerdings in einem wilden Durcheinander von systemimmanenten Reformforderungen („Wir fordern, mit der Privatisierung öffentlicher Leistungen Schluss zu machen“), systemsprengenden Forderungenn („Wir fordern eine stärkere staatliche Wirtschaftssteuerung für den realen Bedarf der Menschen und für die Erhaltung der Umwelt“), utopische und Zukunftsanforderungen an den Sozialismus („Grund und Boden, Wälder und Seen gehören dem Volk und nicht Adligen oder Kapitalisten“). Was soll so ein Durcheinander?

Zum Schluss geht es dann darum, „welche Kräfte“ in der Lage sind,„eine neue sozialistische Gesellschaftsordnung zu gestalten“. In diesem Abschnitt kommt die Arbeiterklasse nicht ein Mal vor, überhaupt gibt es den Begriff „Klasse“ nicht. Stattdessen wird gefaselt von der „großen durch das Kapital geschädigten Mehrheit der Bevölkerung“. Aufgezählt werden dann „neben Arbeitern und Bauern vorrangig alle sozial Ausgegrenzten, aber auch Intellektuelle, Künstler und Mittelständler“- also ein klassenamorphes Bewegungsgebilde. Und wenn man jetzt Antwort will auf die Frage, wie „neben Arbeitern und Bauern vorrangig alle sozial Ausgegrenzten, aber auch Intellektuelle, Künstler und Mittelständler“ organisiert werden sollen: Fehlanzeige. Nicht nur, dass die Partei nicht vorkommt, es kommt überhaupt keine Überlegung über irgendeine Organisationsform vor. Es ist erschreckend. Nach diesem Diskussionsangebot politisch zu handeln bringt garantiert eins hervor: nichts!

Es gibt keine theoretische Grundlage, keine Analyse des untergegangenen Sozialismus, keine Klassenanalyse des aktuellen Imperialismus, kein revolutionäres Subjekt, keine Überlegung zur Organisierung, - aber Sozialismus soll werden!?

Was habt Ihr Euch dabei gedacht, diesen Mumpitz abzudrucken? Wer soll denn davon etwas haben?

Sascha Heimannsberger,
Bielefeld


Erich Buchholz:
Sehr schöne Rubrik – zu offen-siv 5/08

Liebe Anna, lieber Frank,

das neue Heft entschädigt wegen seines Gehalts die Verspätung voll und ganz, werde es in Ruhe lesen. Besonderen Dank für die Veröffentlichung meines Beitrags zur DDR-Verfassung unter einer sehr schönen Rubrik.

Mit solidarischen Grüßen,

Erich Buchholz,
Berlin


Jugendbibliothek Gera:
Danksagung – zu offen-siv Nov-Dez. 07

Liebe Genossen der Redaktion von Offen-siv,

anbei schicken wir euch die Danksagung zu unserem Spendenaufruf vom November 2007. Wir danken euch, dass Ihr diesen in eurer Zeitschrift veröffentlicht habt. Sofern noch Platz zwischen euren Beiträgen ist, würden wir uns freuen, wenn Ihr die folgende Danksagung zum Spendenaufruf ebenfalls abdrucken könntet.

Mit kommunistischen Grüßen,
Jugendbibliothek Gera e.V.

Jugendbibliothek Gera vor dem finanziellen Aus gerettet!
Danksagung

Als sich die Mitglieder der Jugendbibliothek Gera Ende November 2007 entschieden, einen Spendenaufruf zu starten, war in naher Zukunft das finanzielle Aus der Jugendbibliothek Gera abzusehen.

Einige Monate später ist durch sehr viele, teilweise unerwartet hohe Spenden aus ganz Deutschland die Schließung der Bibliothek vorerst abgewendet. In Anerkennung an jede Spende, ungeachtet dessen, ob sie ein-, zwei- oder dreistellig war, möchten wir uns mit dieser Danksagung bei jeder Spenderin und jedem Spender bedanken! Die Solidarität und große Spendenbereitschaft vieler Genossinnen und Genossen ermöglicht den Erhalt einer antifaschistischen und antikapitalistischen Anlaufstelle für Jugendliche in Gera.

Nun wollen wir die Zeit intensiv nutzen, um mehr Spender und Mitglieder zu gewinnen, die uns mit monatlichen Beiträgen unterstützen. Auch ein Umzug in günstigere Räumlichkeiten ist geplant.

Wenn Sie die Jugendbibliothek Gera kennen lernen möchten, dann besuchen Sie uns auf unsere Homepage  www.jugendbibliothek-gera.7to.de  oder schreiben Sie uns

Jugendbibliothek Gera e.V.,
Keplerstraße 34-36,
07549 Gera