Zeitschrift für Sozialismus und Frieden 08/08

Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik (e.V.)

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Die Theorie von der sozialistischen Warenproduktion


Ein verhängnisvoller Irrtum

Sowjetische und deutsche Lehrbücher über die Ursache der Warenproduktion im Sozialismus

- Dokumentation und Wertung -

von Hermann Jacobs


Inhalt

Redaktionsnotiz

Hermann Jacobs hat bei seiner Durchsicht der historisch aufeinander folgenden Lehrbücher der politischen Ökonomie des Sozialismus insgesamt acht unterschiedliche Begründungen für die Notwendigkeit gefunden, im Sozialismus die Warenproduktion beizubehalten. Da entsteht der Verdacht, dass offensichtlich keine einzige für wirklich stichhaltig gehalten wurde, sonst hätte man nicht dauernd nachlegen müssen.

Wir wissen, dass diese ökonomischen Themen mühsam sind. Trotzdem bitten wir Euch darum, ihnen das gebührende Augenmerk zu schenken.

Dass es ohne Ziel keinen Weg gibt, ist eine Binsenweisheit. Entscheidend aber ist die Einsicht,  dass es schlecht bzw. verderblich sein kann, sich zu einem falschen Ziel auf den Weg zu machen. Also steht die zur Zeit viel diskutierte und heiß umstrittene Frage zur Beantwortung: was ist Sozialismus? Und als Materialisten müssen wir zunächst die Frage nach der Ökonomie beantworten, bevor wir auf solche Fragen wie Demokratie, Kultur usw. kommen.

Zwischen kapitalistischer Warenproduktion und sozialistischer Planwirtschaft gibt es keinen „dritten Weg“. Planwirtschaft schließ Ware, Wert, Wertgesetz und Kapital aus dem Wirtschaften aus – nicht aber Effizienz, Produktivkraftentwicklung, Augenmerk auf Ressourcen, also vernünftiges Wirtschaften. Im Gegenteil, sie ist für die Menschheit die Grundlage für die welthistorisch erste und einmalige Möglichkeit, vernünftig zu wirtschaften. Dass die Planwirtschaft, die ja nur mittels der politischen Form der Diktatur des Proletariats Wirklichkeit werden kann, auch noch andere Vorteile hat, so z.B. keine Raubkriege um Rohstoffe führen zu müssen, dazu keine „ethnische Konflikte“ zu brauchen, keine imperialistischen Weltkriege vom Zaune brechen zu müssen, ja sogar die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen aufheben zu können und für alle Mitglieder der neuen Gesellschaft ein ökonomisch abgesichertes und menschlich würdiges Dasein garantieren zu können, sei hier der Vollständigkeit halber erwähnt.

Wer die Planwirtschaft anzweifelt und meint, nur mit den kapitalistischen Elementen von Ware, Wert, Geld und Markt - diese auch im Sozialismus - könne die Menschheit wirtschaften, verneint das eben der Vollständigkeit halber Erwähnte, weil er es unmöglich macht.

Wie Ihr wisst, sind wir diskussionsfreudig. Also nur zu: wir reservieren Debattenseiten in den nächsten Heften und drucken Diskussionsbeiträge gern ab.

Redaktion „offen-siv“,

Hannover

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Frank Flegel: Vorwort

Die Debatte um die Ökonomie des Sozialismus hat die Frage der Warenproduktion schon seit langem zum Thema - und seit der Konterrevolution in Europa nimmt sie noch an Schärfe zu. Diese Debatte verläuft nicht in ruhigen, argumentativen Bahnen, so wie es wäre, wenn Genossinnen und Genossen in kameradschaftlicher Weise die beste Lösung suchen. Nein, wir finden heftige Polemiken, Anklagen, Vorwürfe, ja auch Jauchekübel. Im folgenden führe ich drei kleine Beispiele dafür an, die sich zwar von den üblichen Verteufelungen der Planwirtschaft als „Staatssozialismus“, „bürokratische Mangelwirtschaft“, „überzentralisiertes Kommando-system“ etc.p.p. durch etwas mehr Konkretion abheben, aber nicht weniger dogmatisch sind:

Ernst Albrecht sagt, Zitat: „Es geht vor allem darum, voluntaristische Verletzungen des Wertgesetzes und die Untergrabung des Prinzips der materiellen Interessiertheit unbedingt zu vermeiden.“[1]

Ingo Wagner sagt: Gesellschaftliches Eigentum an den Produktionsmitteln im Sozialismus auch auf die kollektivwirtschaftlich organisierte Landwirtschaft ausdehnen zu wollen, um die Warenzirkulation im Sozialismus durch den direkten Produktenaustausch ersetzen zu können, sei „primitiver Dogmatismus“, der „zum negativen Stalinschen Erbe gehört, welches seinen Nachfolgern hinterlassen wurde.“[2]

Fred Matho sagt, Zitat: „Ware-Geld-Beziehungen und Wertgesetz sind also keine Ärgernisse, vielmehr wichtige Errungenschaften hochspezialisierter gesellschaftlicher Produktion, die den Menschen großen Nutzen bringen. Das ins Stammbuch einiger Überschlauer, die das „ultralinks“ negieren, es ideologisch gar verteufeln wollen und meinen, sich sogar auf Karl Marx stützen zu können.“[3]

Bevor wir näher hinsehen, ob und wie sich in dieser Debatte wer auf Marx stützen kann, sei noch angemerkt, dass sowohl Fred Matho als auch Robert Steigerwald öffentlich davon abgeraten haben, zu diesem Thema die Klassiker zu befragen, weil dort nur wenig Aussagekräftiges zu finden sei. Soweit, so schlecht. Ich habe nachgeschaut und musste nicht lange suchen.

Nun also Karl Marx:

„Die Wertform des Arbeitsprodukts ist die abstrakteste, aber auch allgemeinste Form der bürgerlichen Produktionsweise, die hierdurch als eine besondere Art gesellschaftlicher Produktion und damit zugleich historisch charakterisiert wird. Versieht man sie daher für die ewige Naturform gesellschaftlicher Produktion, so übersieht man notwendig auch das Spezifische der Wertform, also der Warenform, weiter entwickelt der Geldform, der Kapitalform usw."[4]

„Gebrauchsgegenstände werden überhaupt nur Waren, weil sie Produkte voneinander unabhängig betriebener Privatarbeiten sind. … Da die Produzenten erst in gesellschaftlichen Kontakt treten durch den Austausch ihrer Arbeitsprodukte, erscheinen auch die spezifisch gesellschaftlichen Charaktere ihrer Privatarbeiten erst innerhalb dieses Austausches. Oder die Privatarbeiten betätigen sich in der Tat erst als Glieder der gesellschaftlichen Gesamtarbeit durch die Beziehungen, worin der Austausch die Arbeitsprodukte und vermittelst derselben die Produzenten versetzt. Den letzteren erscheinen daher die gesellschaftlichen Beziehungen ihrer Privatarbeiten als das, was sie sind, d.h. nicht als unmittelbar gesellschaftliche Verhältnisse der Personen in ihren Arbeiten selbst, sondern vielmehr als sachliche Verhältnisse der Personen  und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen.“[5]

„Stellen wir uns endlich, zur Abwechslung, einen Verein freier Menschen vor, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten und ihre vielen individuellen Arbeitskräfte selbstbewusst als eine gesellschaftliche Arbeitskraft verausgaben. … Das Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Teil dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Er bleibt gesellschaftlich. Aber ein anderer Teil wird als Lebensmittel von den Vereinsgliedern verzehrt. Er muss daher unter sie verteilt werden. Die Art dieser Verteilung wird wechseln mit der besondern Art des gesellschaftlichen Produktionsmechanismus selbst und der entsprechenden geschichtlichen Entwicklungshöhe der Produzenten. Nur zur Parallele mit der Warenproduktion setzen wir voraus, der Anteil jedes Produzenten an den Lebensmitteln sei bestimmt durch seine Arbeitszeit. Die Arbeitszeit würde also eine doppelte Rolle spielen. Ihre gesellschaftlich planmäßige Verteilung regelt die richtige Proportion der verschiednen Arbeitsfunktionen zu den verschiednen Bedürfnissen. Andrerseits dient die Arbeitszeit zugleich als Maß des individuellen Anteils der Produzenten an der Gemeinarbeit und daher auch an dem individuell verzehrbaren Teil des Gemeinprodukts. Die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen zu ihren Arbeiten und ihren Arbeitsprodukten bleiben hier durchsichtig einfach in der Produktion sowohl als in der Distribution.“[6]

 „Innerhalb der genossenschaftlichen, auf Gemeingut an den Produktionsmitteln gegründeten Gesellschaft tauschen die Produzenten ihre Produkte nicht aus; ebenso wenig erscheint hier die auf Produkte verwandte Arbeit als Wert dieser Produkte, als eine von ihnen besessene sachliche Eigenschaft, da jetzt, im Gegensatz zur kapitalistischen Gesellschaft, die individuellen Arbeiten nicht mehr auf einem Umweg, sondern unmittelbar als Bestandteil der Gesamtarbeit existieren.“[7]

„Formeln, denen es auf die Stirn geschrieben steht, dass sie einer Gesellschaftsformation angehören, worin der Produktionsprozess die Menschen (=Kapitalismus; d.Red.), der Mensch noch nicht den Produktionsprozess (= Sozialismus/Kommunismus; d.Red.) bemeistert, gelten ihrem bürgerlichen Bewusstsein für ebenso selbstverständliche Naturnotwendigkeiten als die produktive Arbeit selbst.“[8]

Die Theorie, die „die Warenproduktion verewigen will“, nennt Marx „kleinbürgerlichen Sozialismus“.[9]

Hier liegt der Hase im Pfeffer: bei der Auseinandersetzung um die Warenproduktion im Sozialismus geht es um eine Auseinandersetzung, die Klassenkampfcharakter hat. Die Warenproduktion als Wesensmerkmal des Sozialismus zu behaupten ist, als hole man die Machtfrage des Klassenkampfes, die ja zunächst entschieden war mit der gesellschaftlichen Umgestaltung, mit der die Arbeiterklasse sich in den Besitz der Produktionsmittel gesetzt, also das Privateigentum an ihnen aufgehoben hat, in diese siegreiche Arbeiterklasse zurück – und zwar an einem der wichtigsten Orte, nämlich der Ökonomie.

Dementsprechend wird ein künftiger Sozialismus entweder den Schritt in die neue Gesellschaft mittels einer neuen, höheren Ökonomie schaffen, basierend auf dem Gemeineigentum (und nicht auf unterschiedlichen Eigentumsformen) und basierend auf der gesamtgesellschaftlichen Planung, die die Zurückdrängung und schließlicher Aufhebung von Warenproduktion und Wertgesetz notwendig fordert (und nicht deren Geltung) – oder erneut untergehen.

Frank Flegel, Hannover

Hermann Jacobs:
Die Theorie von der Sozialistischen Warenproduktion

Zur Einführung

Die Sowjetunion „ist zusammengebrochen“ – Rußland lebt! Der Spötter könnte fragen: Was hat  Rußland an sich, was die Sowjetunion nicht an sich hatte? Es ist ja nicht so, dass wir nicht bereit sind, uns auch schwierigen Fragen zu stellen. Zu diesen gehört sicher auch die, ob denn der Sozialismus, also die Sowjetunion, gar nicht lebensfähig gewesen sei. Aber wie ist das möglich, lautet sofort die Gegenfrage: Wieso war sie von den 70 Jahren ihrer Existenz mindestens 50, 60 lebensfähig, sogar zu großem Wachstum fähig, zu großen Siegen – und hier über entwickelte kapitalistische Länder - fähig, und dann plötzlich nicht mehr fähig, nur noch unfähig?

Vielleicht soll das auch gar nicht begriffen werden, weil etwas anderes begriffen werden soll: Das bürgerliche System, wieder das bürgerliche System, das zu größerem Reichtum fähig … wenn auch nur für Wenige. Und: Nicht erst in den 80er Jahren fähig, sondern – von Anfang an! Ja, gegen diesen „Vorteil“ kommt natürlich kein Gleichheitssystem an.

Vielleicht überzeugt das System der Gleichheit, das System nur geringer sozialer Differenzierung doch nicht einen jeden. Vielleicht ist der reale Sozialismus nur deshalb „zusammengebrochen“ (man könnte auch sagen: sollte zusammenbrechen), weil er den privaten Reichtum abgeschafft hat. Er hat versprochen, das Privateigentum abzuschaffen – und das war abstrakt, das hörte sich gut an, war vielversprechend für diejenigen, die kein Eigentum hatten, aber abgeschafft hat er mit dem Privateigentum den privaten Reichtum – und das war konkret, hat jeder begriffen, konnte jeder sehen.

Und so sind über einen längeren Zeitraum die Würfel gemischt worden und schließlich gefallen. „Der Sozialismus ist wohl doch nicht das Richtige, er ist … zu arm.“ Und auch, weil er es bleibt oder zu bleiben scheint. Reichtum allgemein bzw. zu verallgemeinern dauert wohl doch zu lange und ist, auf der individuellen Ebene, kaum zu spüren.

Aber, Hand auf’s Herz: Wie geht es denn der Allgemeinheit in einer Gesellschaft des privaten Reichtums? Bleibt sie nicht immer arm, bewegt sie sich nicht – sozial gesehen – äußerst langsam bis gar nicht, tritt also im realen Sozialismus, nach der Aufhebung des privaten, besonderen, auf Wenige konzentrierten Reichtums (an dem sich aber alle gebadet, mit dem sich alle identifiziert hatten), zunächst nicht nur hervor, was an sich allgemein ist?

Die Menschen, die armen, können immer nur ihre Wahrheit nicht vertragen. Sie wünschen sich Wunder, wenn sie sich schon etwas wünschen – von sich, ihrer Macht. Sie soll Wunder vollbringen, was sie natürlich nicht kann. Die Ernüchterung über die Revolution folgt jeder Revolution, besonders der der Armen, auf dem Fuße. Sie bringt keinen Wechsel, außer ideologischen, zunächst… scheint es.

Darüber wollen wir Klarheit schaffen, und zwar gründlich.

Dies zur Einstimmung auf unser Thema.

Wir gehen im folgenden Texte von Lehrbüchern durch, die zur Ökonomie des Sozialismus, speziell zur Warenökonomie im Sozialismus – dem eigentlich umstrittene Thema -, geschrieben wurden. Indem wir uns Klarheit über die Anlage des Streits, ihre einzelnen Inhalte und Formen verschaffen, tragen wir vielleicht zum besseren Verständnis bei, warum auch im Großen in der Sowjetunion – bis zum Schluß – nicht Klarheit und Wahrheit über den Sozialismus Einzug gehalten haben. Eine Verunsicherung in einem so wichtigen Punkt erklärt vielleicht, warum eine Verunsicherung im Ganzen unvermeidlich nur Folge sein konnte. Denn dass Rußland lebt, wird ja wie erklärt? – Mit der Marktwirtschaft … die die Sowjetunion nicht hatte, trotz der gewissen Experimentierfreudigkeit in dieser Sache.

Wir beginnen mit einer Frage:

Warum ist die sozialistische Wissenschaft von der Ökonomie des Sozialismus, beginnend und maßgeblich die der Sowjetunion (später dazukommend die der DDR und anderer sozialistischer Länder), nie mit dem Thema der Warenproduktion fertig geworden, warum blieb und bleibt das ihr ungelöstes Problem bis zuletzt und vor allem bis heute noch immer das ungelöste Problem der kommunistischen Bewegung?

Ordnen wir diese Frage noch genauer ein, so hätten wir – die Warenproduktion ist ja die Form der bürgerlichen Produktionsweise – wohl zu fragen: Warum ist die sozialistische Ökonomie nie klar gekommen mit der Aufhebung der bürgerlichen Produktionsweise, oder auch Trennung von ihr?

Warum konnte der Sozialismus nicht eindeutig nur Sozialismus oder Kommunismus sein; warum muß die bisher höchste Errungenschaft der Arbeiterbewegung, obwohl sie doch eine höhere Form der Revolution als die bürgerliche ist, immer noch so große Reste der bürgerliche Gesellschaft mit sich weiterschleppen? Und: Ist das ein Problem nur der unentwickelten Länder, oder nur ein Problem der ersten sozialistischen Länder? Oder doch ein generelles Problem?

Man kann die Sache drehen und wenden, wie man will, egal zu welcher Zeit in der sowjetischen Geschichte, mit welchem Argument begründet, immer hieß es in der ökonomischen Wissenschaft, der Sozialismus – diese „erste Phase des Kommunismus“ – sei noch vom Typ her eine besondere Form der Warenproduktion.

Ja, von „gänzlich neuem Inhalt“, gewiss, nicht mehr gleichzusetzen mit der kapitalistischen Form, sie sei sogar „planmäßige Warenproduktion“ (Planwirtschaft mit Warenproduktion), aber nie hieß es von der Planwirtschaft, sie sei eine erste Form der Nichtwarenproduktion, eine erste Form ihrer Aufhebung – obwohl alle wirklichen Mechanismen dieser neuen Produktionsweise auf diese Wende hindeuteten.

Dieser Gedanke wäre eine Haräsie gewesen, so fest waren die Fronten in der Theorie gezogen – wie wir sehen werden.

Unterschiedliches Herangehen an diese Frage war erlaubt – und wir erkennen hierin sogar einen „Reichtum“ der sowjetischen Wissenschaft, ein „schöpferisches Herangehen“ an diese Frage, sogar, wenn man will, eine Logik, eine Entwicklung bis zum „Streit“, aber nie ein Herangehen, das dem Gegensatz Recht gab.

Der historische Verlauf der sowjetischen Debatte

Ein Blick auf den Verlauf der historischen Debatte – rein eine sowjetische -, offenbart uns eine Überraschung: Die Warenproduktion („im Sozialismus“) war beileibe nicht ihr erstes Thema, aber sie wurde dann ihr wichtigstes Thema. Beginn? Zweite Überraschung: Ende der Dreißiger Jahre, explizit thematisiert 1941, kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges, und dann fortlaufend bzw. durchgehend bis zum Ende der Sowjetunion.

Mit anderen Worten: Ernsthaft wurde die Frage einer Fortsetzung der Warenproduktion erst mit einer höheren Entwicklung der Sowjetunion aufgeworfen, nicht also als diese vor dem Beginn der Planwirtschaft stand, sondern als sie bereits eine bestimmte Etappe des Aufbaus der Planwirtschaft zurückgelegt hatte, im Laufe des 3. Fünfjahresplanes. Dieser Umstand, dass die Debatte um die Warenproduktion die Sowjetunion quasi einholte, bedarf einer Aufklärung.

Was wurde aber vorher debattiert?

Nun, am Anfang stand Politik. Den Beginn einer sowjetischen, sozialistischen Wirtschaftspolitik erleben wir logischerweise gleich mit dem Beginn der Sowjetmacht. Ich würde auch die Periode der NÖP noch unter Wirtschaftspolitik der Sowjetmacht subsumieren[10]; in der NÖP sind noch wenig bis keine (!) Aussagen zur Theorie der Ökonomie des Sozialismus enthalten. Grund? Die Planwirtschaft, also die reale Form eines ökonomischen Sozialismus, hatte noch nicht begonnen; die 20er Jahre der Sowjetunion stellen nur eine Übergangsperiode zu dieser eigentlichen Periode (Phase) des Kommunismus in seiner ersten Erscheinung, dem Sozialismus, dar.

Dementsprechend war der theoretische Mut noch nicht groß, als es Mitte der 20er Jahre zu einer ersten Debatte in der Kommunistischen Akademie in Moskau kam bzw. die sowjetische sozialistische Ökonomie ihre Geburtsstunde erlebte[11]: Die erste – grundlegende, verbindliche - Aussage konnte radikaler und zugleich „selbstverständlicher“, ungenierter, nicht sein: Politische Ökonomie (ökonomische Gesetze dito) ist eine Sache der bürgerlichen Gesellschaft, ist bürgerliche Ökonomie.[12]

Eine solche Aussage konnte man umso leichter treffen, als ja eine sozialistische politische Ökonomie – wenn es denn eine solche auch gäbe - noch nicht bekannt war. Wie sollte sie 1926/27 auch bekannt sein, vor dem Beginn der Planwirtschaft.

Aber die Aussage, politische Ökonomie sei bürgerliche Ökonomie, schloß perspektivisch natürlich die Frage ein: Was wird im Sozialismus sein? Ging man von vornherein davon aus, dass ökonomische Gesetze nur der bürgerlichen Ökonomie inhärent sind, mußte die sozialistische Ökonomie, ob es nun eine solche geben würde oder nicht geben würde, anders als durch „objektive Gesetze“ geregelt/reguliert sein.

In einem zweiten großen/größeren Schritt entschloß sich die sowjetische Schule der Ökonomie dazu, der Diktatur des Proletariats die Rolle des Regulators der Ökonomie  zuzusprechen, einem Subjektivum also. Die Politik reguliert die Wirtschaft, hieß das.[13]

Das schien den Sachverhalten, denen der Beginn der Planwirtschaft ab 1929 unterlag, weitgehend zu entsprechen, denn diese waren in einem hohen Maße noch durch das Subjekt bestimmt. (Die sowjetische Planung arbeitete, wie wir wissen, zunächst mit zwei Planentwürfen, a) einem Minimalplan und b) einem Maximalplan, wobei dann mehr und mehr eine Orientierung auf die maximale Variante herauskam, die dann oft nicht erreicht werden konnte und wodurch der Eindruck entstand, trotz allen Wachstums würden Pläne nicht erfüllt, die Planwirtschaft schien mit einem Makel behaftet[14]).

Erst nach längerer Praxis der Planwirtschaft, als gewisse Erfahrungen gesammelt worden waren was denn Planung bedeutet („bewußt aufrechterhaltene Proportionalität“ (Lenin), aber nun in der Praxis!), kam es zur Wende in der sowjetischen sozialistischen Ökonomie: Praxis wurde nicht mehr aus der Theorie, sondern Theorie aus der Praxis formuliert! Die Zeit der reinen Visionen über den Sozialismus, mochten sie noch so sehr auf Marx zurückführen, war zu Ende gegangen.

Die Praxis der Ökonomie/Planwirtschaft fand wesentlich zwei Aufmerksamkeiten. Erste Aufmerksamkeit war auf die Frage der Proportionalität gerichtet, das entsprach direkt dem Beginn der Planung der Produktion. Es wurde ein neues ökonomisches Gesetz formuliert: das Gesetz der planmäßigen proportionalen Entwicklung der Volkswirtschaft. Rang zwei der Aufmerksamkeit aber war dem Erhalt des Geldes gewidmet (und weiterer Kategorien, die auf das Geld zurückführen: Preise, Kosten, Gewinn, Kredit). Sie fanden eine Definition, die nun in die allgemeine Theorie einzog: Geld sei der Planwirtschaft inhärent. Beide Ansätze/Definitionen, Proportionalität und Gelderhalt, erfordern, das sei hier betont, allgemeine Theorie.

Wichtigster Gedanke also, damit dritter historischer Schritt: Ja, der Sozialismus, verstanden noch als erste Phase des Kommunismus, hat eine eigene politische (gesellschaftliche) Ökonomie, sie wird durch objektive ökonomische Gesetze reguliert, nicht schlechthin durch ein nur mit Willen vorgehendes politisches Subjekt. Auch die noch so freie Politik ist in wesentlichen Fragen an objektive Zusammenhänge in der Ökonomie gebunden, reguliert nicht nur (!), sondern wird auch reguliert und muß sich regulieren lassen.

Es wurde ein Gesetz formuliert, worin eine Einheit von neuem Subjekt und neuem Objekt (ökonomischem Gesetz) bestimmt wurde: Es war dies das ökonomische Grundgesetz des Sozialismus der Einheit von Sozialität und Rationalität - Sozialität mit dem Ziel der wachsenden Befriedigung der Bedürfnisse (oder auch Befriedigung der wachsenden Bedürfnisse) der Menschen, und Rationalität mit der Notwendigkeit der stetig steigenden Produktivität in der Arbeit, realisiert über die Planwirtschaft (die bekannteste Definition lieferte später – 1952 - Stalin).

Der historische Diskurs zeigt, dass die Praxis im wesentlichen einen logischen Entwicklungsweg zurücklegt – er gipfelt in der Praxis einer durch den Plan regulierten Ökonomie, in der Subjekt und Objekt, Subjektives und Objektives aufeinander und zusammentreffen, derweil die Theorie einen suchenden, einerseits sich anpassenden Weg an gewisse Gegebenheiten zurücklegt, andererseits sich schließlich auf die letzte und höchste Gegebenheit, den Beginn der Planwirtschaft, einordnet. Die Praxis scheint zu wissen, wohin die Reise geht, die Theorie formuliert, wohin die Reise gegangen ist.

Praktisch aber war klar, dass Politische Ökonomie des Sozialismus Ökonomie der Planwirtschaft ist! (Das hat auch noch mit Marx zu tun.)

Wenn das doch so einfach geblieben wäre…

Gingen wir bei der Bestimmung der Politischen Ökonomie der Planwirtschaft vom sozialistischen Grundgesetz oder vom Gesetz der planmäßigen und proportionalen Entwicklung aus, so wüssten wir, dass sie nicht der bürgerlichen politischen Ökonomie zuzuordnen wären, also neue Gesetze und nur dem Sozialismus/Kommunismus eigentümlich sind. Hier verbietet sich also ein Dualismus, alles, was diese Gesetze besagen, ist unmittelbar und nur auf den Sozialismus zurückzuführen. Anders beim Geld, das in der Planwirtschaft – soviel war ab 1932 sicher abzusehen – „bis zum Kommunismus (der höheren Phase) erhalten bleiben wird“/bleiben soll (Stalin, ZK-Plenum). Hier bietet sich ein gesellschaftlicher Dualismus, eine Bestimmung der Kategorie Geld sowohl aus der bürgerlichen Gesellschaft als auch aus der sozialistischen geradezu an, oder scheint sich anzubieten.

Das reicht nicht einmal: Da es auf den ersten Blick den Anschein hat, dass der Sozialismus am Geld, wie es in der Planwirtschaft gehandhabt wird, nichts ändert bezogen auf frühere Formen, bietet sich faktisch nur die bürgerliche Definition an, keine hinzukommende sozialistische. Die bürgerliche (Definition des Geldes) ist dann auch die sozialistische. Sozialismus, so scheint es, ist bürgerlich begründet, oder muß, um begründet zu sein, bürgerlich begründet werden. Der Sozialismus ist Warenproduktion, die Warenproduktion ist sozialistisch!

Ein verhängnisvoller Irrtum!

Im ersten historischen Schritt schließt die sowjetische Wissenschaft die Warenproduktion aus dem – noch visionären – Sozialismus aus, indem sie außer der bürgerlichen keine andere politische Ökonomie erkennt, in einem zweiten Schritt definiert sie sich politisch, als „über der Ökonomie und Gesetzen der Ökonomie stehend“, in einem dritten Schritt „endlich“ wieder ökonomisch, aber … als sozialistisch und bürgerlich zugleich. Nimmt man den letzten Gesichtspunkt, so scheint ein Kreislauf geschlossen, die sozialistische Gesellschaft auf einen bürgerlichen Ausgangspunkt zurückgekehrt. Warum? Weil sie das Geld nicht als Geld neu definiert.

Neu am Geld ist aber was? Seine Kaufabhängigkeit. In einer Planwirtschaft funktioniert Geld nur in seiner Eigenfunktion: es kauft Waren, genauer: Waren als Gebrauchswerte. In der Planwirtschaft beginnen die Menschen als Bedarfsträger auf Gebrauchswerte ein Verhältnis zum Geld, nicht als Eigentumsträger. Das ökonomische Recht der Betriebe auf Geld leitet sich nicht aus dem Verkauf ihrer Produkte ab, sondern aus dem Kauf – der wiederum auf den Planauflagen beruht; mit Kauf (von Gebrauchswerten durch Geld) beginnt der ökonomische Kreislauf für die Produktion, aber damit ist klar, dass sie gebrauchswert- oder bedarfsorientiert agiert, und das heißt zugleich: die Produktion bestimmt sich gesellschaftlich aus der konkreten Arbeit und damit kommunistisch.

An dieser Stelle der historischen Entwicklung wird es zum Problem der sowjetischen ökonomischen Wissenschaft vom Sozialismus, dass sie nicht wenigstens den Versuch unternimmt, das Geld als Geld der Planwirtschaft unabhängig von der Wertform der Ware zu definieren, d.h. das Geld in seiner spezifischen Funktion, wo es nichts als seinen Wechsel in „andere Formen seines Gebrauchswertes“ (Marx, Kapital Band I) vollzieht. Die sowjetische Wissenschaft geht nicht der reduzierten Form des Geldes in einer Planwirtschaft auf den Grund, sondern … tut was? Sie definiert das Geld ganz nach der Anlage der Ware, sie steigt nun wirklich in den bürgerlichen Horizont hinab oder zurück: Geld ist der Wert der Ware, Geld ist der Wert verwandelt zum Tauschwert. Also, Geld ist die Tauschwertform des Wertes der Ware.

Damit war der Wert bzw. das Produkt als Ware in die sozialistische Ökonomie eingeführt worden, damit das bürgerliche ökonomische Verhältnis. Und nun war eigentlich nur noch zu bestimmen, wer dieses bürgerliche Verhältnis braucht.

Wer braucht den Wert? Wessen Verhältnis im Sozialismus ist der Wert?

Das Suchen begann.

Die ganze sowjetische Wissenschaft seit dieser Zeit – etwa ab Mitte der 50er Jahre -, und damit ihr vierter größerer „historischer“ Schritt, wird mit Suchen nach den „Ursachen und der Notwendigkeit der Warenproduktion im Sozialismus“ regelrecht vertan. Die Suche konnte ja logischerweise nicht zu einem positiven Ergebnis führen, denn es gibt diesen Grund nicht, der uns erklärt, warum die Ware noch im Sozialismus notwendig ist. Es gibt den Privateigentümer an den Produktionsmitteln nicht mehr. Es gibt den klassischen Warenbesitzer der bürgerlichen Gesellschaft nicht mehr.

Anders: In einer Planwirtschaft sind alle ökonomischen Subjekte per Plan gesellschaftlich bestimmt, die Frage einer doppelten gesellschaftlichen Bestimmung durch den Plan und Ware/Geld/Wertgesetz erübrigt sich also, sie ist gegenstandslos und daher sinnlos.

Die Frage hätte anders lauten müssen: Warum ist das Geld noch im Sozialismus notwendig? Weil die sozialistische Gesellschaft über die Verteilung Bedürfnisse der Betriebe, Individuen und gesellschaftlichen Institutionen befriedigt und damit eine Gebrauchswertökonomie gezielt reguliert. Und diese Antwort wäre mit dem realen Umgang mit dem Geld in der Planwirtschaft kompatibel gewesen, das wäre eine fruchtbare Debatte in der Theorie des Sozialismus, der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder geworden. Und zugleich wäre klar geworden, dass über eine Geldverteilung die Form der reinen Gebrauchswertverteilung vorbereitet worden wäre, d.h. eine Einheit, eine innere Gleichstellung der beiden formativen Phasen der neuen Gesellschaft, des Sozialismus und des Kommunismus, wäre sichtbar geworden; die erste ist eine Vorbereitungsphase der zweiten, höheren.

Was ist/heißt Planwirtschaft? „Na, dass man einen Plan bekommt und den muß man erfüllen, abarbeiten“. Wir wissen nun, dass Planwirtschaft mehr heißt. Als Gegensatz zur Warenökonomie heißt Planwirtschaft, dass niemand unmittelbar zu Geld kommt, niemand direkt an einen Geldbesitz gerät, durch Warenverkauf also Geldeigentümer wird. Geld bekommt man, Geld ist eine Zuordnung. Das war zu erkennen, das war die Revolution in der Ökonomie.

Die andere Frage nach dem „objektiven warenökonomischen Subjekt des Sozialismus“ aber mündete in einen Streit letztlich um die Gesellschaft selbst, sie konnte nur einen die Gesellschaft desorientierenden, destruktiven Charakter annehmen. Das Interesse an der Ware und am Wert konnte nur das eines ökonomischen Subjekts sein, das es vom Objektiven her im Sozialismus nach der Aufhebung des Privateigentums nicht mehr gab. Die Frage nach Ware und Wert, und die positive Antwort auf diese Frage, schloß die Aufhebung der realen sozialistischen Gesellschaft nicht nur nicht aus, sondern beförderte Veränderungen an der ökonomischen Basis, die auf die  Herstellung einer anderen Gesellschaftsform drängten. Und ob dies noch ein Sozialismus wäre, wurde zur Frage.

Die Suche nach dem „warenökonomischen Subjekt“

Wir dokumentieren die Debatte um „Ursache und Notwendigkeit der Warenproduktion im Sozialismus“ noch einmal, zunächst die sowjetische Debatte, dann auch die deutsche der DDR, die ab Mitte der 60er Jahre der sowjetischen folgte, aber auch Eigenheiten gegenüber dieser aufweist. Wir erkennen in der Argumentation eine „aufsteigende“ Linie, d.h. sie durchläuft exakt vier Stationen.

1. Am Beginn steht die Frage des Eigentums, resp. die zweier Eigentumsformen, die die Zirkulation der Produkte als Waren erforderlich machen. Da in dieser Fragestellung aber a) bereits eine Reduktion der Geltung der Warenform und b) ein innerer Gegensatz enthalten ist – in sich selber macht keine der beiden Eigentumsformen die Ware erforderlich -, folgt bald

2. eine höhere Konzentration auf das Argument bzw. den Bezug „Arbeitsteilung“, die ja laut Marx eine „allgemeine Existenzbedingung“ bei der Entstehung der Warenproduktion ist; mit diesem Schritt wird die Theorie der Notwendigkeit der Warenproduktion im Sozialismus wesentlich verallgemeinert. Ist sie die Ursache, wird Warenproduktion im Sozialismus allgemeines Gesetz. (Nur kollidiert Arbeitsteilung als Argument für die Warenproduktion mit der Werttheorie an sich, da Gebrauchswertwechsel nicht Austausch von Waren ist.)[15]

3. Es erfolgt das dritte Argument, das die Frage der materiellen Interessiertheit aufwirft. Aus Gründen der Leistungsermittlung und des Vergleichs der „ökonomischen Individuen“ (!?) sei der Wert als allgemeines und gesellschaftliches Maß für Leistung einzuführen, deshalb Ware. Die letzte Bestimmung in der Geschichte der Politischen Ökonomie des Sozialismus erfolgt schließlich

4. im Argument der „relativen ökonomischen Selbstständigkeit der Betriebe“, zunächst: im Rahmen oder als Notwendigkeit der Planmäßigkeit der Produktion selbst. Dann ausgedehnt auf den Kernpunkt: Äquivalenzprinzip als Bedingung der Selbstständigkeit der Betriebe.

Die Argumentationslinie „Warum Ware?“ hat ihr Ziel erreicht: Es ist Volkseigentum, aber es „zerfällt“ in Betrieben, also Besonderheiten, einzelnen Eigenheiten. Und deshalb Ware und Wertform.

Nun brauchte die „relative ökonomische Selbstständigkeit der Betriebe“ nur noch dem ökonomischen Recht nach durchgesetzt zu werden. Das wurde natürlich zum Problem, weil die Planung der Produktion, die Planwirtschaft, ein ökonomisches Recht der Betriebe schon bestimmt hatte; es war aber ein anderes. Es war bezogen auf die Zuordnungen aus der Gesamtarbeit, nicht bezogen auf eine „eigene Arbeitsleistung“.

Das Ganze lief ab jetzt auf eine Kraftprobe hinaus, eine - Reform.

Hier aber tat sich die Theorie schwer, sie spaltete. Die Theorie bietet ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre, als es darum ging, die „Enge“ der von Stalin vertretenen Auffassungen „zu überwinden“, ein verwirrendes Spiel, man findet sich kaum durch den Dschungel der Argumentationen, der sich auftut, hindurch. Die ganze Theorie verwandelt sich in eine Befürwortung der Warenproduktion, aber es bilden sich zwei „Lager“.

Das eine befürwortet mehr den Plan mit Ware, das andere mehr die Ware mit Plan.

Das erste Lager verzichtete auf die endgültige Kraftprobe mit dem Sozialismus, so weit er Planwirtschaft ist , sein eigener Aktivismus erschöpfte sich darin, dass es so tat, als hätte es ihr Ziel, die Warenform der Produkte, schon erreicht; es begnügte sich also mit der bloßen Behauptung, der Sozialismus sei doch eine Warenproduktion, und wollte nur eine „immer bessere Übereinstimmung von Preis mit dem Wert“. Das andere Lager aber wagte die Kraftprobe, und dann forderte es die Reform: Eben die Selbstständigkeit der Betriebe, und zwar Selbstständigkeit auf Basis des Wertes, der Wert als Recht der betrieblichen Aneignung. Und das wäre das Ende der Planwirtschaft geworden – wenn das auch unausgesprochen blieb, - und wurde es auch.

Wir gehen jetzt die einzelnen in der Sowjetunion erschienenen Lehrbücher zur Politischen Ökonomie des Sozialismus durch, und beginnen mit dem ersten, das 1954 editiert wurde und an dessen Ausrichtung noch Stalin maßgeblichen Anteil hatte, und das ihm in seiner Argumentation im Wesentlichen auch folgte. Der Spiritus Rector der Auffassung, nicht an sich Volkseigentum, aber ein Aufeinandertreffen von zwei Eigentumsformen, von Volkseigentum und genossenschaftlichem Eigentum im Sozialismus, mache die Warenform des Produkts notwendig, ist Stalin (siehe: „Ökonomische Probleme des Aufbaus des Sozialismus in der UdSSR“).

Die Begründung mit den „zwei Eigentumsformen“

Uns fällt als erstes die Überschrift zum entsprechenden Kapitel auf; sie lautet: „Die Warenproduktion, das Wertgesetz und das Geld im Sozialismus“.

Ware, Wert, Geld in dieser Allgemeinheit, in dieser Einheit? Das 1. Lehrbuch geht a priori in der thematischen Setzung (die zu klären sie sich vornimmt) schon sehr weit.

Wir waren ja der Meinung, dass sich aus der realen Planwirtschaft nur die Frage nach dem Warum des Geldes im Sozialismus ergibt. Also hier, im 1. Lehrbuch, schon die Erweiterung nach der Ware und dem Wert, sogar als Gesetz!

Dann der erste Satz:

„Die Notwendigkeit der Warenproduktion im Sozialismus entspringt der Existenz der beiden Grundformen der sozialistischen Produktion: der staatlichen und der kollektivwirtschaftlichen Form“. (S. 501)

Weiter: „In den staatlichen Betrieben sind die Produktionsmittel und Produkte (!, J.) Volkseigentum. In den Kollektivwirtschaften sind die Produktionsmittel (Arbeits- und Nutzvieh, landwirtschaftliches Inventar, Wirtschaftsgebäude usw.) sowie die von den Kollektivwirtschaften erzeugten Produkte Gruppeneigentum […] Da die Produkte der staatlichen Betriebe dem sozialistischen Staat, die kollektivwirtschaftlichen Produkte aber den Kollektivwirtschaften gehören, ist der Austausch durch Kauf und Verkauf die unerlässliche Form der wirtschaftlichen Verbindung zwischen Industrie und Landwirtschaft. Hier, wie bei jedem Kauf und Verkauf verliert der Warenbesitzer das Eigentumsrecht an der Ware, während der Käufer Eigentümer dieser Ware wird.“ (ebda.)

Dies ist die Geburtsstunde der warenförmigen Begründung durch die sowjetische ökonomische Wissenschaft – und sie ist falsch.

  1. Sie ist zunächst planungstheoretisch falsch. Die sowjetische oder sozialistische (volkseigene) Wirtschaft will ja, dass ihre Produkte in den genossenschaftlichen Arbeitsprozess einfließen, der genossenschaftliche ist Teil eines gesamtgesellschaftlichen Produktionsprozesses, und der auf das Volkseigentum fallende oder von diesem ausgehende Prozess ist erst vollendet, wenn er in den genossenschaftlichen ein- und übergeht. Im Gebrauchswert als Gegenstand der Pl anung und in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung – mit einem Wort: der konkreten Seite der Arbeit – existiert der Eigentumsgedanke nicht! Im Recht auf Planung der gesellschaftlichen Produktion als solcher ist eine Hoheit ausgesprochen, die bereits über dem Gedanken des Eigentums steht. D.h. unter dem Gesichtspunkt der Planung gibt es bereits kein Eigentum, und damit keine Formen des Eigentums mehr. Was beim Volkseigentum an sich klar sein sollte, gilt auch für die Genossenschaften. Der Gedanke der Planung verbietet, von einem Negativum, also einem Eigentumsverlust oder Eigentumsübergang auszugehen, weil ja ohne diesen Übergang aus der einen in die andere „Eigentumsform“ das Ziel der Produktion, Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, nicht erreicht würde.

  2. Sie ist auch direkt warenökonomisch falsch; sie ist nicht richtig Waren- und Werttheorie.

Sie ist Begründung mit dem Eigentumsrecht auf das Produkt, das gehe verloren, indem es an einen anderen Eigentümer übergehe[16]. Worauf ist demnach in dieser These der Eigentumsgedanke orientiert? Auf die Gebrauchswertform. Denn allein diese „wechselt die Hände“ (Engels). Aber sie muß „durch Austausch übertragen werden“ (wieder Engels). Und was ist Austausch? Erhalt, Behalt der Wertform!

Es ist einfach nicht wahr, dass in der Warenproduktion die Eigentumsform, das Eigentumsrecht verloren geht und an einen anderen Besitzer, Eigentümer übergeht. Im Gegenteil, es bleibt beim Eigentümer, es wird erst ein Eigentum.  In dieser Definition eines Eigentumsverlusts resp. einer Eigentumsübergabe ist die Warenform definiert unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsteilung, aber nicht unter dem Gesichtspunkt des Eigentums, wie er der Warenproduktion zukommt. Die Ware ist doch als ein Doppeltes definiert, also bitte, bleibt beim Doppelten, definiert das Andere auch im Doppelten. Der Wert, den man sich durch Austausch – nämlich zur unmittelbaren Wertform, dem Geld – erst sichert, ist die Wahrnahme eines Eigentumsrechtes. Ihr habt den Gehalt der Warentheorie verwechselt , liebe sowjetische Ökonomen. Wie soll ich denn sonst den Widerspruch der Warenproduktion von einerseits privater Produktion und andererseits gesellschaftlicher Produktion, von einerseits Wert, und andererseits Gebrauchswert begründen. Was bedeuten mir denn diese Widersprüche, wenn ich nicht den Wert als das vom „Verkäufer“ Erhaltene, Gewollte, und den Gebrauchswert als das Weggegebene, nicht selber Gewollte darlege?

Die sowjetische Wissenschaft begründet die Warenproduktion, oder will sie begründen, mit dem Wechsel in der Verfügungsgewalt, dem Wechsel im Recht auf Eigentum am Produkt, aber sie legt das Eigentumsrecht falsch dar, indem sie es auf den Gebrauchswert legt. Austausch ist ihr, und das ist durchgehend, Austausch dem Gebrauchswert nach.[17] Wir geraten an das Paradoxon, dass die sowjetische Ökonomie dort, wo sie von der Planung ausgeht, nicht erkennt, dass Planung ein Eigentum aufhebender Begriff ist, und dass sie dort, wo sie noch ein Eigentum erkennt weil sie noch einen Warenproduzenten erkennen will, das Eigentum falsch darlegt – als Gebrauchswert statt als Wert.

Hat das Weiterungen für die folgende Theorie? Ich sehe eine vorab: Es ist der Staat als der Eigentümer der Produkte eingeführt, die Genossenschaft auch. Aber das staatliche Eigentum ist Volkseigentum, das genossenschaftliche das der Genossenschaftler. Wir werden später, in der Folge der Argumentation lesen: „Der Bereich der Warenproduktion und der Warenzirkulation beschränkt sich vor allem auf Gegenstände des persönlichen Bedarfs“. (S. 502) Und: „Der Wirkungsbereich des Wertgesetzes erstreckt sich im Sozialismus auf die Warenzirkulation, auf den Austausch der Waren (was darunter zu verstehen ist, haben wir gelesen, J.) – vor allen von Gegenständen des persönlichen Bedarfs.“ (S. 506)[18]

Aber zunächst ist das Argument Eigentumsformen im Sozialismus, Eigentümerwechsel im Sozialismus in die Debatte geworfen. Ist das an sich ein logisches, richtiges Argument, begründen Formen des Eigentums im Sozialismus die Notwendigkeit der Warenproduktion im Sozialismus, sind sie seine Ursache? Nein, denn schon vom Begriff her verbietet es sich, das Volkseigentum als Eigentum zu definieren; Volkseigentum ist der aufgehobene Eigentumsbegriff. Eigentum unterstellt eine Individual- oder Personenbeziehung, es sind Individuen als besondere von anderen Individuen als besonderen – in Bezug auf die Arbeit und den Arbeitsprozess, deren gegenständliche Elemente – unterschieden. Und Volkseigentum heißt eben, dass dieser Unterschied erloschen, aufgehoben ist. Aber wie das Eigentum eine besondere Form der ökonomischen Kommunikation, unterstellt das Volks- oder gemeinsame „Eigentum“ auch eine Form der ökonomischen Kommunikation. Dieser Unterschied ist herauszuarbeiten, damit er verstanden werden kann. Ohne ihn aber herauszuarbeiten zu behaupten, die eine wie die andere Form des Eigentums, der eine wie der andere Pol der Gesellschaftlichkeit verlange dieselbe Form des gegenseitigen Kommunizierens, nämlich die der Warenform, muß mindestens den Begriff des Volkseigentums entwerten – was wir dann in der Realität ja auch erleben -, hebt aber im Grunde die gesamte Theorie der bisherigen Ökonomie aus den Angeln, d.h. entwertet jede bisherige Erkenntnis. Die Ware ist nicht mehr eindeutig dem Privateigentum zuzuordnen, das Volkseigentum nicht mehr eindeutig der Planwirtschaft oder einer Ökonomie auf Basis des Gebrauchswertes. Eine Form, die Ware, ist mit allem und jedem zu „begründen“. Die Eigentumsform als Begründung entfällt durch die Vielzahl und die Gleichrangigkeit der Begründungen absolut[19].

Das Argument von der Notwendigkeit der Warenform zwischen den beiden Eigentumsformen im Sozialismus, dem Volkseigentum und dem genossenschaftlichen Eigentum, findet ja noch eine Ergänzung; sie stellt die innere Beziehung im jeweiligen Eigentum klar:

„Die im staatlichen Sektor erzeugten Produktionsmittel – Maschinen, Werkzeugmaschinen, Metall, Kohle, Erdöl – werden auf die staatlichen (sagen wir richtiger: volkseigenen, J.) Betriebe verteilt. In den Volkswirtschaftsplänen werden jedem Betrieb die seinem Produktionsprogramm entsprechenden materiellen Fonds zugewiesen. Diese Fonds werden von den Erzeugerbetrieben an die Verbrauchbetriebe (!, Erzeuger an Verbraucher, eine konkrete Beziehung, J.) auf Grund der zwischen ihnen abgeschlossenen Verträge geliefert. Beim Übergang von Produktionsmitteln (Achtung, nicht Austausch, nicht „Kauf und Verkauf“, sondern Übergang, J.) an einen Betriebe behält der sozialistische Staat (sagen wir besser Volk, Volkseigentümer, J.) das volle Eigentumsrecht an diesen Produktionsmitteln. […] Die Produktionsmittel, die innerhalb des Landes auf die staatlichen Betriebe verteilt werden, sind ihrem Wesen nach keine Waren…“. (S. 502/03)

Folgt der Nachsatz: „… aber sie behalten die Warenform bei, werden in Geld bewertet, was für die Rechnungslegung und die Kalkulation notwendig ist“ (ebda.)

Mit anderen Worten: Das andere ökonomische Verkehrsprinzip, worin Warenökonomie und Gebrauchswertökonomie oder Privateigentum und Volkseigentum klar gegenübergestellt sind, hatte sich der sowjetischen Wissenschaft durchaus offenbart!

Das Volkseigentum verhält sich (ökonomisch, im Händewechsel ihrer Gebrauchswerte/Produkte) untereinander nicht mehr als Warenproduktion; Volkseigentum, Sozialismus soweit Volkseigentum, ist keine Warenproduktion mehr, hat mit der bürgerlichen Produktionsweise gebrochen, muß gesellschaftlich, historisch anders, als Gegensatz zur Warenökonomie eingeordnet werden. Eine – Revolution!

Warum? Weil innerhalb des Volkseigentums kein Eigentümerwechsel mehr stattfindet.

Aber die Produkte wechseln – als Gebrauchswerte. Sie können also als Gebrauchswerte wechseln, ohne Waren zu sein!

Warum ist eigentlich nicht diese Erkenntnis in den Mittelpunkt der sowjetischen ökonomischen Wissenschaft gestellt worden?

Die Begründung mit der „Bewertung der Arbeit durch Geld“

Aber dann die andere Aussage: Sie werden, obwohl keine Waren mehr, „in Geld bewertet“, und das „ist notwendig für die Rechnungslegung und die Kalkulation“. Was bedeutet „Bewertung in Geld“? Das ist nun die Frage.

Das erste sowjetische Lehrbuch lässt darüber keinen Zweifel:

„Die Produkte, die in der sozialistischen Gesellschaft als Waren erzeugt und realisiert werden, haben sowohl einen durch konkrete Arbeit geschaffenen Gebrauchswert als auch einen durch abstrakte Arbeit geschaffenen Wert. Mit anderen Worten, im Sozialismus hat die Ware einen zwieschlächtigen Charakter, der sich aus dem Doppelcharakter der Arbeit ergibt[20], die die Ware erzeugt“. (S. 503)

Gilt, was das Lehrbuch da verkündet, für die Produkte, die sie als Waren aufgespürt hat, also im Wesentlichen für „Gegenstände des persönlichen Bedarfs“, oder gilt das auch für Produktionsmittel, die keine Waren sind, obwohl sie „in Geld bewertet werden“? Heißt also „in Geld bewertet werden“, dass sie doch Waren sind, doch die Wertform besitzen? Dann sind nämlich ausnahmslos alle Produkte im Sozialismus Waren, egal aus welcher Eigentumsform sie stammen, ob sie Produktionsmittel oder Konsumtionsmittel sind, egal wohin sie geliefert, Pardon: verteilt werden.

Das erste sowjetische Lehrbuch definiert die Sache nicht durchgehend. Man kann sich nun also aussuchen: Die Eigentumsform zugrunde gelegt, teilt sich die sozialistische Produktenwelt in Ware und Nichtware, die Geldform zugrunde gelegt, partizipiert sie einheitlich an der Wertform. Was gilt nun? Beides? Das kann nicht sein, das wäre ein sich selbst ausschließender Gegensatz.

Weil alle Produkte in Geld ausgedrückt sind, und sie damit „zwieschlächtig sind, Gebrauchswert und Wert“, demnach dem Begriff der Ware entsprechen, sollen alle Produkte in einer sozialistischen Produktionsweise, egal wie diese noch in Formen des Eigentums unterschieden sein mag, Waren sein. Während die Zurückführung der Frage (Ware – Nichtware) auf das Eigentum die Theorie zu besonderen bis gegensätzlichen Aussagen zwingt, führt die Zurückführung auf die Geldform die Theorie an der Eigentumsfrage vorbei.

In der Tat arbeitet also das erste Lehrbuch der Sowjetunion bereits mit einem inneren argumentativen Gegensatz bzw. einem ambivalenten  theoretischen Ansatz. Sie führt für das Zwischenverhältnis von volkseigenen Betrieben und genossenschaftlichen Betrieben die Warenform ein (oder konserviert sie) und hebt sie für deren innerökonomisches Verhältnis auf. Führt uns das eine/erste Argument nun (absolut) zur Ware hin? Und das andere/zweite (relativ) von der Ware weg? Die Theorie schien das Erstere zu glauben. Und zwar deshalb, weil sie zusätzlich, über die Eigentumsthese hinaus, ja noch das Argument von der Notwendigkeit der allgemeinen „Bewertung der Güter/Arbeit in der Geldform“ postulierte. Bereits in ihrem ersten Ansatz (einer „geschlossenen ökonomischen Lehre vom Sozialismus“) ist die sowjetische Wissenschaft keineswegs auf die Eigentumsthese beschränkt. Zu dieser tritt die allgemeine Erscheinung des Gelderhalts hinzu – und nun deren Erklärung.

Was aber, wenn die Geldform im Sozialismus etwas Neues verkündet? Nicht nur die Produktionsmittel werden, wie wir erfahren haben, „verteilt auf die Betriebe“, sondern alle Produkte werden verteilt, die Geldform deshalb auch; im Sozialismus ist die Verteilung der Geldform die Form der Verteilung vor der Aneignung der Gebrauchswerte. Sie geht dieser voran, um dieser zu entsprechen. Hier ist in der Identität der Verteilung des Geldes und der Verteilung der Gebrauchswerte bereits angekündigt, dass eine höhere Form des Kommunismus auf die Geldform wird verzichten können.

Wie den Beweis antreten, was denn nun richtig ist? Ich würde sagen: Indem man prüft/überprüft, ob die Geldform (Geldmenge, zu der verkauft wird) wechselt wie der Wert. W enn die Warenproduktion herrscht, müssen andere Wertmengen andere Geldmengen werden, oder es stimmt etwas nicht.

Oder das Geld reagiert nicht mehr auf den Wert, und dann ist das Produkt keine Ware mehr. Denn eine Ware ohne Wert, ohne sichtbare Bewegung des quantitativen Verhältnisses zum Geld, ist keine Ware.[21]

Zu sagen: Weil Geld, deshalb die Wertform, also ausgehend von der Geldform die Wertform zu begründen, ist abwegig, weil damit eine nicht durch den Wert regulierte Gesellschaft mit einer durch den Wert regulierten gleichgesetzt würde. Die Theorie fiele auf eine Erscheinung herein. Und es würde die Funktion des Geldes im Sozialismus als nach gesellschaftlicher Übereinkunft verteiltes Maß der Teilhabe am stofflichen gesellschaftlichen Reichtum gleichgesetzt mit der Funktion des Geldes im Kapitalismus als Wertausdruck der Ware. Das erste aber ist Ausdruck eines Verteilungsprinzips, das die kommunistische Perspektive in sich trägt, das zweite ein Ausdruck des Wertgesetzes, das zwangsläufig zur Verwandlung des Geldes in Kapital führt – was ja gerade überwunden werden sollte..

Diese Gleichsetzung hieße: Geld gleich Wert. Es bräuchte dann gar keiner Waren- und Werttheorie, ist damit gesagt, „Geld hat eine Geltung, Wertgeltung“ (wie es in der neueren deutschen Marx-Kritik heißt), an sich. Vom Warenfetischismus zur fetischisierten Theorie.

Ich resümiere: Die Begründung der Warenproduktion mit dem Eigentumswechsel (zwei Eigentumsformen) im Sozialismus war problematisch. Sie arbeitet mit einem Ausschluß: Einerseits Waren, andererseits nicht Waren, aber beide mit einer allgemeinen gleichen Geldform versehen; und die fand ihre Erklärung in einem Geld, das als die Tauschwerterscheinung des Wertes der Waren „erkannt“ worden war. Das schloß die Nichtwarenform der Produktionsmittel wirtschaftstheoretisch aus, obwohl sie praktisch realisiert war. Für die Produktionsmittel galt:. Weil kein Eigentümerwechsel mehr, deshalb keine Ware mehr. Und für das Geld galt: weil das Geld nicht mehr die Erscheinung des Tauschwertes der Warenwerte, sondern Verteilungsmechanismus der Gebrauchswerte, deshalb sind die Produkte keine Waren im Sozialismus mehr – und nunmehr allgemeinbegründet: statt nur mehr mit dem Eigentum nun auch mit der neuen, besonderen, sozialistischen - Geldform begründet. Der Gegensatz, der schon erkannt (Volkseigentum = ohne Ware) wäre verallgemeinert worden (Geld = kein Tauschwert mehr): Nichts ist im Sozialismus mehr Ware.

Maßgeblich für den weiteren Verlauf der sowjetischen Theorie wurde, wie sie sich aus der „Sackgasse“ löste: Sie verallgemeinerte … das sieht erst mal gut aus. Aber was? Den revolutionären Ansatz, wenn nicht mehr die Produkte (Produktionsmittel) als Waren, dann auch nicht mehr das Geld als Ware?

Nun, sie verallgemeinerte - den anderen Ansatz: Auch die Produktionsmittel, die innerhalb des Volkseigentums zirkulieren und realisiert werden, sind Waren. Aber damit war das Argument, das Eigentum begründe die Warenform, passee. Es wurde noch angewendet (in den weiteren Publikationen), aber verlor seine maßgebliche Bedeutung, seine Bedeutung als eine Theorie begründend. Die Theorie ging zur Begründung der Warenproduktion im Sozialismus aus dem Volkseigentum selbst über.

Und vom Geld nahm die sowjetische Wissenschaft einfach an, dass es ein Geld sei wie eh und je.

Die Begründung aus dem „Volkseigentum selbst“

Die sowjetische Lehre begründete diesen Übergang zur „höheren Stufe ihrer Entwicklung“, d.h. der Lehre Entwicklung, mit a) dem staatlichen Eigentum, also Volkseigentum, b) der Einheit der Volkswirtschaft, diese erlaube nicht den Gegensatz von Ware-Nichtware; es heißt (Lehrbuch, 4. Auflage, Moskau 1962, Berlin 1965, Zitate aus der Berliner Ausgabe), dass auch die Produktionsmittel Waren sind. Die bei Stalin und im Lehrbuch von 1954 noch negativ beantwortete Frage ist keine Frage mehr:

„Der Warencharakter der innerhalb des staatlichen Sektors  zirkulierenden Produktionsmittel erklärt sich: 1. durch den Charakter des staatlichen Eigentums im Stadium des Sozialismus und 2. durch die Einheitlichkeit der Volkswirtschaft.“ (S. 538)

Rekapituliere: Erstes Lehrbuch/Stalin stellt das Volkseigentum und das Kollektiveigentum gegenüber, aber kennt keinen Unterschied oder keine Besonderheit im Volkseigentum selbst; jetzt ist eine Besonderheit im Volkseigentum unterstellt – und zugleich eine Einheit der Volkswirtschaft (die worauf beruht?) und die die Warenform des Produkts notwendig macht.

Einen Satz weiter, Bekräftigung: „Der Warencharakter der Produktionsmittel ergibt sich aus den Besonderheiten (hier erstmals Besonderheiten, J.) und den Entwicklungsbedürfnissen (!, J.), die dem staatlichen Eigentum selbst im Stadium des Sozialismus innewohnen.“ (ebda.)

Aus Gründen von Entwicklungsbedürfnissen des Volkseigentums – Warenproduktion? Bedürfnis des Volkes auf Ware? Das ist ganz neu.

Aber ich hatte etwas vorausgegriffen, wir müssen uns noch einmal der Eröffnung des entsprechenden Kapitels zuwenden, es verblüfft den mit dem ersten Text (von 1954) vertrauten Leser doch erheblich. Ein ganz anderes Herangehen, worin sich die marxistische Werttheorie an sich herausgefordert fühlen muß.

Erster Satz, entsprechendes Kapitel („Warenproduktion, Wert und Geld im Sozialismus/Die Notwendigkeit der Warenproduktion“):

„Die sozialistische Revolution trifft auf ein im Schoße des Kapitalismus entstandenes entwickeltes System von Ware-Geld-Beziehungen (das sollte geschenkt sein, weil es keine Frage für den Sozialismus beantwortet, J.), die auf einer weitgehenden gesellschaftlichen Arbeitsteilung (sic, J.) und dem Privateigentum (‚und’ ist köstlich, J.) an den Produktionsmitteln und den Arbeitsprodukten beruht.“ (S. 535)

Nun, wir kennen andere Definitionen, worauf die kapitalistische Warenproduktion beruht. Aber: Die Arbeitsteilung ist mit ins Gefecht geworfen.

„Die gesellschaftliche Arbeitsteilung ist eine notwendige Voraussetzung für die Warenproduktion. Ohne gesellschaftliche Arbeitsteilung ist die Warenproduktion unmöglich, obgleich (!, J.) die gesellschaftliche Arbeitsteilung früher als die Warenproduktion entstanden ist und auch im höheren Stadium des Kommunismus bestehen wird, in dem die Warenproduktion allmählich verschwinden wird.“

Dann:

„Die gesellschaftliche Arbeitsteilung ist also die allgemeine Grundlage der Warenproduktion, die ihre (!, J.) Bedeutung behält, solange es überhaupt eine Warenproduktion gibt.“ (ebda.)

Also ihre Bedeutung behält, Grundlage der Warenproduktion zu sein. In der Lehrbuch-Ausgabe 1 hatten wir bekanntlich mit dem Eigentum angefangen, und auch Marx hatte so angefangen. Was soll das, jetzt die Arbeitsteilung als Grundlage an- und einzuführen? Wenn sie nicht Ursache ist, wenn sie nicht die Notwendigkeit der Ware begründet, macht es bei der Frage nach der Ursache keinen Sinn, sie anzuführen.

Aber die sowjetische Wissenschaft wollte ja aus der Enge der anfänglichen Argumentation für die Berechtigung der Ware im Sozialismus, die unterschiedlichen Eigentumsformen, heraus; sie sucht nach allgemeineren Begründungen, der allgemeinen an sich, deshalb der Rückgriff resp. halbe Fehlgriff auf die Arbeitsteilung. Die Arbeitsteilung, weil unter der Rubrik Notwendigkeit behandelt, erfährt in der 62er Ausgabe eine Überbewertung.

Weiter: „Neben der gesellschaftlichen Arbeitsteilung ist das Vorhandensein bestimmter Formen des Eigentums an den Produktionsmitteln und an den Arbeitsprodukten (Referenz an Stalin/Lehrbuch 1, J.) eine notwendige Voraussetzung für die Existenz der Warenproduktion. Ursprünglich entstanden die Warenbeziehungen bekanntlich durch die Arbeitsteilung auf der Grundlage (!, J.) des urgemeinschaftlichen Eigentums, doch haben sie sich erst in den vorsozialistischen Gesellschaftsformationen auf der Grundlage des Privateigentums (alles nur Grundlage und Voraussetzung, nichts Ursache, J.) weiterentwickelt“ (S. 535/536).

Ein bisschen Hin und Her mit den Begriffen.

Stieg die Arbeitsteilung zur Grundlage auf (bei Marx nur Bedingung, und zwar äußere (!) zur Ursache), so schrumpft hier das Eigentum zu einer Voraussetzung. Warenbeziehungen „entstanden bekanntlich (bekanntlich?, J.) durch Arbeitsteilung“, aber auf der Grundlage (!) des „urgemeinschaftlichen Eigentums“ – von dem man allerdings (und jetzt wirklich bekanntlich) gar nicht sprechen kann. Man könnte ja sonst sagen, der urgemeinschaftliche Kommunismus ergäbe die Grundlage der Warenproduktion: passt das nicht vortrefflich für unseren Hausgebrauch?

Spaß beiseite.

In dem Augenblick, wo Menschen für das von ihnen erarbeitete Produkt ein anderes verlangen – oder auch nur erwarten -, beginnt das Verhalten zur eigenen Arbeit als ein Eigentum. Ware und Eigentum entspringen zeitgleich, sind zwei Bestimmungen desselben; was in einer Hinsicht für das Produkt, ist in anderer Hinsicht für die Arbeit, das Verhältnis zur Arbeit gesagt.

Das Eigentum ist nicht die Voraussetzung der Warenproduktion, wie es im Text heißt, sondern die Ursache der Warenproduktion.

Und was sagt nun unser Lehrbuch? Über unser Eigentum?

„In der sozialistischen Gesellschaft existieren Ware-Geld-Beziehungen im Bereich der Produktion (so allgemein gesagt heißt das: auch im Bereich der Produktion von Produktionsmitteln, das war ja in der ersten Lehrbuchausgabe noch verneint worden, J.) und der Verteilung der Arbeitsprodukte. Das ist bedingt durch die im Sozialismus bestehenden Eigentumsformen (sic., J.) und die sich aus ihnen ergebenden Besonderheiten im Charakter der gesellschaftlichen Arbeit (sic., J.), die die materielle Anregung der Produktion (?, gemeint ist wohl die materielle Interessiertheit der Produzenten, also Arbeiter, J.) und die Äquivalenz in den Wechselbeziehungen zwischen den Betrieben erfordern […]“ (S. 536).

Nun, da haben wir das ganze Programm.

Hinzugekommen sind zu Eigentum und Bewertung aller Produkte in Geld (= erstes Lehrbuch): 1. Charakter der Arbeit, 2. materielle Interessiertheit und 3. Äquivalenzbeziehungen der Betriebe.

In dieser Kette der Argumentation steht das Argument Eigentumswechsel quasi außerhalb, es gemahnt an die alte oder originäre marxistische Diktion, während die drei anderen, neu dazugekommenen Argumente eine innere Logik aufweisen, sich aufsteigend einander ergänzen. Besonderer Charakter der Arbeit = materielle Interessiertheit der besonderen Art = Form der besonderen Art, in der das gemessen wird, werden muß. Wir sind von der Aufhebung des Eigentums ausgegangen - und der einzige Widerspruch auf diesem Stand der Theorie war, dass die Produkte noch eine Bewertung in Geld erfahren müssen -, und sind bei einer Relativierung des Begriffs Volkseigentum gelandet. Es gilt uns plötzlich nicht mehr als warenaufhebend, umgekehrt: als warenschöpfend.

Wie soll man das Volkseigentum auffassen? Als ein besonderes Eigentum, das ergänzt wird durch einen besonderen Charakter der Arbeit, der materiellen Interessiertheit der Produzenten, schließlich dem Äquivalenzprinzip? Oder als das gute, alte Volkseigentum und dann wäre die Formulierung aller dieser drei genannten Besonderheiten ein Widerspruch, nämlich von Volkseigentum und besonderer Arbeit und besonderer Interessiertheit und Äquivalenzprinzip. Wie halten wir es: Entsprechung oder Widerspruch?

Wie hält es das Lehrbuch unserer sowjetischen Ökonomen in dieser „Phase des Kommunismus“?

Bitte:

„Der Warencharakter der Produktionsmittel ergibt sich aus den Besonderheiten und den Entwicklungsbedürfnissen, die dem staatlichen Eigentum selbst (!, J.) im Stadium des Sozialismus innewohnen. Dank dem gesellschaftlichen sozialistischen Eigentum an den Produktionsmitteln arbeiten die Werktätigen … für sich selbst […] Infolgedessen ändert sich der Charakter der Arbeit der in der sozialistischen Gesellschaft Arbeitenden. Die Arbeit … (wird) … zu einer Sache der Ehre. Andererseits wurde die Arbeit für die Masse der Gesellschaftsmitglieder noch nicht zum ersten Lebensbedürfnis […] und aus diesem Grunde bedarf sie des materiellen Anreizes. Die materielle Interessiertheit der Arbeiter der sozialistischen Betriebe an den Ergebnissen ihrer (!, J.) Arbeit ist eine Triebkraft für die Entwicklung der sozialistischen Produktion. Hieraus resultiert die Notwendigkeit, den Wechselbeziehungen zwischen dem Staat und seinen Betrieben wie auch den staatlichen Betrieben untereinander (und zum kollektiven Eigentum, nicht vergessen, J.) eine solche ökonomische Form zu geben, bei der der Staat (!, J.) den Betrieben Produktionsmittel zur Nutzung und Verfügung übergibt mit der Auflage, dass jeder Betrieb seine Produktionskosten durch die Realisierung der Erzeugnisse auf Grund des Äquivalenzprinzips ersetzt. (Der Staat erteilt die Auflage zum Äquivalenzprinzip?, J.) Der äquivalente Ersatz des Aufwands an lebendiger und vergegenständlichter Arbeit vollzieht sich zwangsläufig durch den Warenaustausch, über die Ware-Geld-Beziehungen. Die Ausnutzung der Ware-Geld-Beziehungen in der Produktionstätigkeit der staatlichen Betriebe und bei der Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen ihnen macht die materielle Lage eines jeden Betriebes von seiner Arbeitsleistung abhängig. (Wumm!, J.) Dies regt zu sparsamer Wirtschaftsführung und zur Erhöhung der Rentabilität an.“ (S. 538)

Wie Eure Arbeitsleistung, so Euer Lohn, und was Eure Arbeitsleistung ist, das sagt Euch der Wert! In diesem Zusammenhang können das nur die beim Verkauf der Produkte erzielten Geldeinnahmen sein; sie sind deshalb Arbeitsleistungen, weil die in der Geldform erzielten Einkommen äquivalente Einnahmen zu diesen lebendigen oder unmittelbaren Arbeitsleistungen, d.h. die gegenständliche Form dieser Arbeitsleistungen sind. Man kann nicht gerade sagen, dass uns die Theorie da viel zweifeln lässt, sie ist eindeutig.

Ich frage gar nicht danach, ob das real in den Betrieben so gestimmt hat. Sind denn Löhne im Verhältnis zu diesen Einnahmen bestimmt worden? (Ich habe viele Jahrzehnte in volkseigenen Betrieben gearbeitet, fast immer nach Arbeitsnormen, mein Lohn war bestimmt – entsprechend meiner Lohngruppe oder meiner Qualifikation und im Verhältnis zur Erfüllung der Arbeitsnormen; aber dass es noch eine übergeordnete Bestimmung der Löhne gab, im Verhältnis zum Verkaufserlös der Produkte meiner diversen Betriebe, in denen ich gearbeitet habe, in Abhängigkeit der Ermittlung einer gesellschaftlich durchschnittlich notwendigen Arbeitszeit, Wert genannt, daran kann ich mich nicht erinnern, und zwar deshalb nicht, weil es das nicht gab.) Es ist aber so gewollt, im Rahmen einer Theorie ist das so gewollt. Hier sagt eine Theorie, die die Ursache und Notwendigkeit der Ware im Sozialismus ergründet, dass a) die „materielle Lage eines jeden Betriebes von seinen Arbeitsleistungen abhängt“, und sagt b), dass diese Arbeitsleistungen nach dem Äquivalenzprinzip gemessen werden. Also nicht direkt, in Zeitform, wie es immer so schön und im Unterschied zur Wertform heißt, sondern betrieblich verglichen oder vergleichbar, also nun tatsächlich in Wert (durchschnittlicher Zeitform).

Was ist das Äquivalenzprinzip? Das Wertprinzip, dem die Ware unterliegt. Und was die „materielle Betriebslage“? Nun, das kann Mehreres sein, darunter aber, geht es um eine Subjektbestimmung, der Lohn.

Charakter der Arbeit, materielle Interessiertheit, Einkommensabhängigkeit von den Einnahmen – jetzt wird es spannend. Die Theorie löst sich aus einer reinen Begriffsbestimmung oder Kategorienschau.

Die Begründung mit der „unreifen unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit“

Es ist schon eine Crux mit der Sowjetwissenschaft. Wem zuliebe hat sie eigentlich die Notwendigkeit der Warenproduktion im Sozialismus begründen wollen? Solange der Streit einer um die Begrifflichkeiten schlechthin war, mochte und brauchte sich die Gesellschaft nur akademisch interessieren und beteiligen.[22] Anders, sobald Abhängigkeiten formuliert wurden. Damit bekam der Streit plötzlich Substanz. Es werden Interessen sichtbar – und auch gegründet!

Ich rekapituliere noch einmal: Der kapitalistische private Eigentümer, der der modernen Warenproduktion zugrunde liegt, ist verschwunden – Beweis: Das entstandene Volkseigentum. Und die gesellschaftliche Form des Privateigentümers, Geld, … erhalten, oder nicht erhalten? Frage: Geld = Ware oder Geld = Nichtware? Geld = Ware = Maß der Werte, und zwar für die Arbeit im Volkseigentum – die des Wertes als Triebmittel braucht, so die Antwort der „Theorie“. Da kann also das Eigentumsverhältnis als die Ursache der Warenproduktion (nach bekannter Marxscher Diktion) noch so sehr zum Gegenteil verändert worden sein, für die Arbeit selbst soll das nicht gelten; es soll die Arbeit sein, die der selben Form der Wahrnehmung von Interessen bedarf wie das Privateigentum. Arbeit – im Sozialismus – ist/wirkt wie Eigentum im Kapitalismus Die Theorie der besonderen Warenproduktion im Sozialismus ist von der Begründung mit dem Eigentum abgewichen, hat diesen Grund quasi „aufgehoben“ (erwähnt ihn gerade noch so), aber nur, um ihn in/mit der Arbeit neu zu begründen. Warenproduktion im Sozialismus wird nun mit Arbeit begründet!

Das war noch nie da, oder noch nie der Grund. Es gibt keinen Grund aus der Arbeit, der die Wertform des Produkts notwendig macht, aber bitte … Wir sind ja in einer neuen Gesellschaft.

Fangen wir mit der Arbeit an. Von einer Arbeit, die im Volkseigentum geleistet wird, sagt man, dass sie „unmittelbar gesellschaftliche Arbeit“ ist.

Erstes Lehrbuch von 1954:

„Während die Arbeit im Kapitalismus unmittelbar als private Arbeit auftritt, hat die Arbeit im Sozialismus unmittelbar gesellschaftlichen Charakter.“ (S. 487)

Vorab eine kurze Bemerkung zum ersten Teil des Satzes: Tritt die Arbeit in der bürgerlichen Warenproduktion „unmittelbar als private auf“? Hieße das dann nicht Selbstkonsumtion? Selbstkonsumtion ist aber gerade nicht gemeint, wenn es um Waren geht. Privat will der Warenproduzent den Wert seiner Ware konsumieren. Die unmittelbare, also die noch nicht ausgetauschte Ware ist aber „noch nichts wert“. Um wirklich Form des privaten Eigentums zu sein, muß die Ware ausgetauscht werden. Erst in der Geldform besitzt der Warenproduzent das Resultat seiner Arbeit als privat. Austausch in der Warenproduktion ist daher als Vermittlung des Privateigentümers an die Form zu verstehen, in der er sein Privateigentum gesellschaftlich wahrnimmt.

Es müsste also heißen: „Arbeit wird im Kapitalismus als Privatarbeit verausgabt. Ihr gesellschaftlicher Charakter wird vermittelt über den Warenaustau sch, also über den Wert.“ Dies nur zur Korrektur.

Nun zum ganzen Satz: Das ist natürlich nicht nur so ein Satz, er bedeutet schon etwas. Er ist zuerst ein gegensätzlicher Satz, unmittelbar gesellschaftliche Arbeit wird der „vermittelt gesellschaftlichen Arbeit“ gegenübergestellt. Von vermittelt gesellschaftlicher Arbeit spricht Marx bei der Waren produzierenden Arbeit. Sie arbeitet gesellschaftlich, indem sie für andere arbeitet - einerseits. Sie arbeitet für sich – in einer gesellschaftlichen Form, dies andererseits. Das gesellschaftliche Verständnis des Warenproduzenten ist auf den Wert gerichtet.

De fakto haben wir in diesem Satz zwei Gesellschaftsbegriffe: der eine bedient den Gebrauchswert, der andere den Wert. Der Begriff „vermittelt gesellschaftliche Arbeit“ bedeute t nichts als dass der Gebrauchswert, obwohl er das gesellschaftliche Moment der Ware ist, erst vermittelt werden kann, wenn der Wert, die Wertform der Ware vermittelt ist. Die Waren produzierende Arbeit ist daher nur vermittelt gesellschaftliche Arbeit. („Um Ware zu sein, muß das Produkt dem anderen, dem es als Gebrauchswert dient, durch den Austausch übertragen werden“; Ergänzung von Friedrich Engels in Kapital Band I, S. 55[23]). Einmal die Wertform und die Arbeit in ihr erklärt, ist die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit nun leicht erklärt. Sie vermittelt den Gebrauchswert, der weiter das gesellschaftliche Moment der Arbeit bleibt, unvermittelt, d.h. nicht vermittels des Austausches, nicht vermittels der Wertform. So wie wir privates Eigentum und gemeinschaftliches „Eigentum“ als einen sich ausschließenden Gegensatz verstehen, so bilden die Begriffe „vermittelt gesellschaftliche Arbeit“ und „unmittelbar gesellschaftliche Arbeit“ einen sich ausschließenden Gegensatz; sie bedeuten beide dasselbe in Bezug auf den Gegensatz von Warenproduktion und Sozialismus/Kommunismus, d.h. sie sind dieser Gegensatz: einmal als Eigentum, andermal als Arbeit.

Was sagt nun das zweite Lehrbuch von 1962?

„Wie bereits dargelegt (im Kapitel Arbeit, J.), ist die Arbeit im Sozialismus nicht private, sondern unmittelbar gesellschaftliche Arbeit […]

Die gesellschaftliche Arbeit im Stadium des Sozialismus ist jedoch noch nicht vollständig unmittelbar gesellschaftlich, wie sie in der höheren Phase des Kommunismus sein wird. Sie ist in den verschiedenen Sektoren der Volkswirtschaft nicht in gleicher Weise vergesellschaftet und weist wesentliche soziale Unterschiede auf. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Arbeitsleistung mit Hilfe des Wertes und seiner Formen indirekt auszudrücken.“ (S. 542)

„Ungleiche Weise der Vergesellschaftung“, was ist das? Sind die Privateigentümer ungleich enteignet worden? Sind Momente der Vergesellschaftung – ungleich? Gibt es das, kann es das geben? Und was sind „wesentliche soziale Unterschiede“ der vergesellschafteten, Pardon, der „in nicht gleicher Weise“ vergesellschafteten Arbeit? Das muß doch erklärt werden. Es wird aber nicht erklärt, und trotzdem heißt es: „Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Arbeitsleistung (?) mit Hilfe des Wertes zu messen.“

Und dann der Satz, „Arbeitsleistung“ (!) müsse „mit Hilfe des Wertes und seiner Formen indirekt ausgedrückt werden“, d.h. über die Geldform. Was ist „Arbeitsleistung“? Was kann Arbeitsleistung sein, wenn Betriebe, d.h. die gegenständlichen Produktivkräfte Eigentum des Volkes, Aller sind? Arbeitsleistung könnte z.B. die reale Arbeitszeit sein, d.h. der Begriff ist dann nicht ganz so umfassend, nicht so gegenständlich, auf die besonderen Bedingungen von Produktion bezogen wie bei der Produktion privater Eigentümer. Dieser leistet ja Arbeitszeit unter konkreten Bedingungen, die seine eigenen sind; seine Arbeitszeit muß also immer im Zusammenhang mit den Umständen seiner Produktion bestimmt, gemessen werden. Aber der volkseigene Arbeiter besitzt seinen Betrieb nicht, dessen Produktionsbedingungen sind gesellschaftliche, Eigentum Aller, seine Arbeit ist unmittelbarer Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit, als solche hat sie mit Wertkategorien nichts zu tun.

Man muß dem 2. Lehrbuch aber Gerechtigkeit widerfahren lassen: Diesen falschen Bezug des Wertprinzips auf das sozialistische Leistungsprinzip (oder umgekehrt: diesen falschen Bezug des sozialistischen Leistungsprinzips auf das bürgerlichen Wertprinzip), ihr Identischsetzen, finden wir schon im ersten Lehrbuch von 1954.

„Im Sozialismus bestehen aber Unterschiede zwischen der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit in den staatlichen Betrieben, wo die Arbeit im gesamtstaatlichen Maßstab vergesellschaftet ist, und der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit in den Kollektivwirtschaften, wo die Arbeit nur im Rahmen des jeweiligen landwirtschaftlichen Artels vergesellschaftet ist. […] Diese graduellen Unterschiede in der Vergesellschaftung der Arbeit sowie die bestehenden Warenbeziehungen zwischen der staatlichen Industrie und den Kollektivwirtschaften machen es unmöglich, die gesellschaftliche Arbeit, die für die Produktion der industriellen und der kollektivwirtschaftlichen Erzeugnisse aufgewendet wurde, unmittelbar in Arbeitszeit auszudrücken und zu vergleichen.“ (1. Lehrbuch, S. 503).

Apropos: Die Arbeitszeiten müssen verglichen werden, wenn eine durchschnittliche Arbeitszeit ermittelt werden soll, aber was soll bei der unmittelbar als gesellschaftlich geltenden Arbeitszeit noch verglichen werden? Man weiß doch, weil mit der Uhr gemessen, dass Stunde gleich Stunde ist.

Aber: Bereits das erste Lehrbuch konstatiert einen Unterschied im Charakter der Vergesellschaftung, bezieht ihn aber auf die beiden Eigentumsformen; in ihnen wäre der Vergesellschaftungsgrad (oder –charakter?) unterschiedlich. Wir erinnern uns: Im zweiten Lehrbuch von 1962 spricht man von den „verschiedenen Sektoren der Volkswirtschaft“, in denen es zu Unterschieden im Grad der Vergesellschaftung und in der Sozialität kommt; das ist mindestens diffus – was die Volkswirtschaft betrifft; während der Gedanke in Buch 1 noch rational verstanden ist. Die Vergesellschaftung findet eine Grenze im Eigentum, sie muss über eine Form vermittelt werden – die Ware.

Wir suchen weiter nach dem, was unter „nicht vollständiger Vergesellschaftung“ zu verstehen ist, egal ob im Rahmen von Sektoren der Volkswirtschaft oder im Unterschied von Eigentumsformen, was auch Enteignungsformen (des Privateigentums) bedeuten kann – und stoßen endlich auf einen Gedanken, der fassbar ist, wenn auch nur sehr gewollt als Unterschied im Vergesellschaftungsgrad der Arbeit, eher schon als Unterschied – im Arbeiter.

Lehrbuch 1: „In der sozialistischen Wirtschaft besteht ein Unterschied zwischen der komplizierten (qualifizierten) und der einfachen Arbeit, und die komplizierte wird auf einfache Arbeit reduziert.“ (S. 506) Lehrbuch 2: „In der sozialistischen Wirtschaft besteht ein Unterschied zwischen der komplizierten (qualifizierten) und der einfachen Arbeit; die komplizierte Arbeit wird auf einfache Arbeit reduziert.“ (S. 544)

Bis auf ein Semikolon derselbe Satz.

Es besteht also ein Unterschied zwischen komplizierter und einfacher Arbeit. Natürlich. Aber deshalb Ware? Der Unterschied kann doch einer des Gebrauchswertes sein - und bleiben. Nur wenn die Arbeit an sich der Wert-Bestimmung unterliegt, also von der Arbeit gesagt werden soll, dass ihr quantitativer Verlauf einer Erscheinung bedarf (ein privater Besitz werden soll), wird doch ein qualitativer Unterschied in der Arbeit, soweit sie konkrete Arbeit leistet, von Bedeutung. Mit qualitativer Arbeit kann man qualitativen Gebrauchswert schaffen, basta. Aber was hat das mit Wert zu tun?

Es ist, als habe man immer noch nicht begriffen, dass Momente der konkreten Arbeit nur deshalb in die quantitative Bestimmung der Arbeit hereinspielen, weil es die Notwendigkeit dieser quantitativen Bestimmung gibt. (Das gilt übrigens für alle Momente der konkreten Arbeit, Produktivkraft, Gebrauchswertgüte, organische Zusammensetzung usw., sie sind nicht unmittelbar wertbildend, aber wirken auf die Wertbildung durch abstrakte Arbeit ein.) Aber einfach zu sagen: weil es die qualitative Arbeit gibt (auch die einfache Arbeit ist eine Form der qualitativen Arbeit), müsse es eine auf den Wert bezogene quantitative Bestimmtheit der Arbeit, also die Wertform des Arbeitsprodukts geben, ist gerade so, als würde ich die Notwendigkeit der Ware, ihre Reduktion auf die abstrakte Seite der Arbeit, aus der Existenz der konkreten Seite der Arbeit (im Doppelcharakter der Arbeit) begründen. Weil es konkrete Arbeit gibt, deshalb die Reduktion eines gesellschaftlichen Verhältnisses auf die abstrakte Arbeit. Das soll logisch sein? Nun ja, dem Gläubigen ist alles logisch.

Das ganze, Verzeihung, Theorietheater wird nur deshalb abgezogen, weil die Eigentumsfrage umgangen werden soll. Wir, d.h. wir Marxisten, waren nun mal bei der Frage nach dem Grund der Ware auf das Privateigentum gebannt. Und Volkseigentum ist seine Aufhebung. Ergo kann die logische Konsequenz nur sein: Wo Volkseigentum ist, ist keine Ware mehr. Aber der Apologet – versteht nicht…

Es muß Methode einer Theorie sein, die den Marxismus umgehen will, bei der Arbeit neu einzusteigen, wenn sie von der Eigentumsfrage die Hände lassen muß.

Ebensowenig wie es „unvollständige“, „nicht vollständige“ oder „unreife Aufhebung des Privateigentums“ gibt, also nur vollständige und reife, d.h. wirkliche Aufhebung des Privateigentums – und dementsprechend nur wirkliches Volkseigentum gibt, gibt es unvollständige, halbe oder sonstwie eingeschränkte Vergesellschaftung der Arbeit. Was vom Eigentum, ist von der Arbeit zu sagen. Man kann nicht sagen, der alte, kapitalistische Eigentümer hat nichts mehr zu sagen, hat keine Rechte mehr, der neue Eigentümer dagegen besitzt jedes Recht, wenn man dieses Verhältnis nicht auch auf die Arbeit ausdehnen kann. Die Arbeit ist doch nur das Objekt des Verhältnisses. Vergesellschaftung heißt ja nichts, als dass alles der Gesellschaft gehört, und zwar unverzüglich und unvermittelt. Und was/wer ist die Gesellschaft? Das sind alle, die gearbeitet haben, deren Arbeit in der Arbeit in gegenständlicher Form steckt. Und das sind Millionen.

Im Sozialismus/Kommunismus bekommt der höher qualifizierte Arbeiter einfach einen höheren Lohn. Löhne sind im Sozialismus/Kommunismus ja Anteile an der Gesamtarbeit (Konsumtionsmittel), und der Lohn oder Anteil des kompliziert Arbeitenden ist höher als der des einfach Arbeitenden.[24] Aber keiner Lohnhöhe liegt das rationale Element eines Wertes der Ware Arbeitskraft zugrunde. Nur wenn man will, dass die Betriebe im Sozialismus/Kommunismus wertbestimmt arbeiten, wird wohl der Umstand eintreten, dass Löhne im Verhältnis zum Gewinn der Betriebe bestimmt werden.

Die Wertbildung erklärt sich überhaupt nicht aus der Arbeit an sich, sondern aus dem Privateigentum an den Produktionsmitteln. Dass irgendein Erfordernis aus der Arbeit Ursache der Notwendigkeit der Ware ist, ist an sich falsch, falsch für die Warenproduktion als solche und für den Sozialismus erst recht. Auch in der sowjetischen Literatur taucht dieses Argument nur/erst auf, weil der Auffassung von der Notwendigkeit der Warenproduktion Existenzrecht verliehen werden soll. Man muß den Ausfall des Eigentumsbezugs kompensieren – deshalb die Unzahl der Argumente der anderen Art, nur deshalb die Konzentration auf besondere Momente der Arbeit.

Mit dem Volkseigentum kann man die Ware im Sozialismus nicht begründen, weil dieser Begriff a) ein allgemeines, kein besonderes ökonomisches Subjekt unterstellt, und b) direkt auf die Aufhebung des Waren produzierenden Privateigentümers zurückführt. Mit den Besonderheiten der Arbeit/des Arbeiters scheint es, dass man die Ware im Sozialismus begründen kann, wenn man – das Leistungsprinzip des Sozialismus falsch auslegt. D.h. „mit Produktion“ untermauert.

Die Begründung mit der „materiellen Interessiertheit“

Die sowjetische Theorie von der besonderen Warenproduktion erweckt den Eindruck, dass es zur Durchsetzung des Prinzips der materiellen Interessiertheit des Äquivalenzprinzips bedarf, wir hatten zitiert. („Materielle Interessiertheit hat die eigene Arbeitsleistung im Visier, und deshalb soll diese gemessen werden; man muß an sich von der Gleichheit des Äquivalenzprinzips ausgehen, um einen Unterschied zum gesellschaftlichen Maß, eben die individuelle Leistung bestimmen zu können.“) Allerdings operieren unsere beiden Lehrbücher recht spärlich mit diesem Bezug.

Das hat seinen Grund darin, dass in der ökonomischen Praxis der Betriebe sehr wohl mit dem Prinzip der materiellen Interessiertheit gearbeitet wurde, obwohl es mit dem Äquivalenzprinzip haperte. Es gab ein ausgedehntes Prämiensystem, die Sowjetunion führte 1936 bereits den Direktorfonds ein, der ein besonderer Lohnfonds war, d.h. ein Lohnfonds, der nicht die Form des tariflich fixierten Lohnes, sondern der Prämie, des Prämienlohnes besaß und für besondere Leistungen an die Arbeiter ausgezahlt wurde.

Für uns in der Theorie ist nur wichtig, ob ein Prinzip der materiellen Interessiertheit zur Anwendung kommen kann, ohne dass es ein Äquivalenzprinzip in der Gesellschaft gibt, d.h. ohne dass ständig für den Preis der Produkte eine gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Wertgröße ermittelt werden muß. Diese Frage kann bejaht werden.

Apropos: Der Kapitalismus macht es vor. Lohn wird/muß gezahlt werden, ohne dass klar ist, ob der Verkauf der Ware den Lohn bzw. ein Plus über den Lohn einspielt; er muß eben gezahlt werden, damit der Unternehmer überhaupt Arbeiter bekommt. Was dann im Betrieb passiert, wie die Wertbildung, d.h. der Einsatz der Arbeitskraft im Unternehmen ausfällt, gewinnbringend ist oder nicht oder in welchem Umfang oder in welcher Relation zum Lohn, interessiert den Arbeiter nicht. Das interessiert nur den kapitalistischen Unternehmer. („Der Kapitalist kauft den Gebrauchswert des Arbeiters“, sagt Marx, und das fällt außerhalb des ökonomischen Interesses des Arbeiters.)

Sagen wir so: Auch im sozialistischen Betrieb ist der Lohn eine Vorabvereinbarung des Betriebes mit dem Arbeiter; der sozialistische Betrieb kauft nicht seine Arbeiter - seine Arbeitskraft ist nicht eine Ware und sein Lohn nicht ein Wert der Arbeitskraft -, aber im Einstellungsvertrag ist eine Lohnhöhe mit dem Arbeiter ausgemacht; der Arbeiter weiß, welchen Lohn er erhält, wenn er die tariflich vereinbarte Arbeitszeit einhält und den Produktionsanforderungen des Betriebes gerecht wird. Um seine Lohnhöhe weiß er vorher, vor der Arbeitsaufnahme. Mängel im Betrieb, die nicht vom Arbeiter abhängen, d.h. nicht seiner schlechten Arbeitsleistung entspringen, werden nicht mit Lohnverlust bestraft. Mängel in volkseigenen Betrieben, die nicht subjektiv bedingt sind, gehen voll zu Lasten des Volkes. D.h. wo sie zu Abstrichen an der Produktion, führen sie zu einer allgemeinen, auf alle Schultern verteilten Lohnminderung, aber es steht nicht (!) einer für alle. Umgekehrt: Alle stehen für einen.

Ich bin der Meinung, dass das Prinzip der materiellen Interessiertheit völlig unabhängig vom Äquivalenzprinzip der Warenökonomie ablaufen kann, d.h. völlig unabhängig davon, ob Preise im Sozialismus dem Wert entsprechen oder nicht. Warum? Weil wir natürlich von der Preispraxis in der sozialistischen Planwirtschaft (egal ob UdSSR, DDR oder ein anderes sozialistisches Land) ausgehen, die sich durch im Wesentlichen konstante Preise auszeichnete. Konstante Preise sind aber vom Wesen her keine Wertform der Preise mehr. Die gesamte Lohngestaltung läuft ab, ohne dass eine Wertform der Preise erkennbar ist. Es handelt sich beim Prämienlohnfonds einfach um eine besondere Abteilung des allgemeinen gesellschaftlichen Lohnfonds, über seine Höhe bestimmt die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit.

Mit anderen Worten: Soll von einer Abhängigkeit des Prinzips der materiellen Interessiertheit vom Äquivalenzprinzip gesprochen werden, so hat das das Funktionieren des Äquivalenzprinzips selbst zur Voraussetzung, mithin eine andere Preispraxis als die real planwirtschaftliche. Man muß dieses Prinzip wollen, um jene Abhängigkeit erst herstellen zu können. Die These, dass es aber das Prinzip der materiellen Interessiertheit selbst ist, das das Äquivalenzprinzip erfordere, ist einfach falsch. Man kann es so einrichten, dass diese Abhängigkeit entsteht, aber das ist dann gewollt.

Es gibt also richtigerweise beides: die materielle Interessiertheit des Arbeiters ohne das Äquivalenzprinzip und das Äquivalenzprinzip ohne materielle Interessiertheit des Arbeiters. Die behauptete Abhängigkeit/Verursachung des Äquivalenzprinzips durch das Prinzip der materiellen Interessiertheit ist einfach ein künstlich – und interessiert - hereingebrachter Gedanke.

Er widerspricht auch dem von Marx zuerst formulierten Gedanken, in der ersten Phase des Kommunismus würde noch ein auf das Prinzip der Zeit bezogenes Leistungsprinzip wirken resp. wirken müssen. Marx meinte aber nicht die Wertform, also Durchschnittsform der Zeit, sondern die direkte Zeit; wer 8 Stunden arbeitet, bekommt doppelt soviel Lohn als jemand, der nur vier arbeitet, usw. Was nun das in der realen Planwirtschaft formulierte Prinzip der materiellen Interessiertheit betrifft, so geht es über das von Marx formulierte Leistungsprinzip hinaus, indem es nicht nur den zeitlichen Unterschied von Arbeit beachtet, sondern auch andere Arten von Leistungen in der betrieblichen Arbeit. Es ist also allumfassender als die reine Zeitabhängigkeit der Lohnzahlung.

Könnte es aber in der sozialistischen Gesellschaft Gründe geben, dass diese Abhängigkeit entsteht oder bestehen soll? D.h. könnte es im Sozialismus aus Gründen, der materiellen Interessiertheit eine größere gesellschaftliche Bedeutung zu verleihen, ein Verlangen auf den Wert geben? Einfach zu sagen: „In der sozialistischen Gesellschaft kommt auch dem Wert wesentliche Bedeutung zu“ (Lehrbuch 1, S. 504), oder: „Die gesellschaftlich notwendige Zeit … stellt eine objektiv existierende Größe dar“ (ebda. S. 505), reicht einfach nicht (und stimmte ja auch nicht; um ein Bezug zu werden, muß der Wert schon existieren).

Wir hatten - im Lehrbuch 1, in dieser Arbeit im Kapitel „Eigentumsformen“ – gelesen, dass in einer Planwirtschaft die Betriebe stoffliche Zuwendungen erhalten, die den Planauflagen entsprechen. Ein Wert als Zuwendung könnte von der Planzuwendung abweichen, d.h. die Betriebe könnten über die Wertrealisierung ihrer Arbeit mehr Arbeit realisieren als über eine Planzuwendung. Der Wert könnte mehr einbringen als die Planzuwendung. Das könnte ein materielles Interesse auslösen, so dass ein Interesse der Betriebe am Wert entstünde. Höherer Wert bedeutet für jedes Privatunternehmen automatisch höheren Gewinn/Profit. Um diese Form der Interessiertheit auch für den sozialistischen Betrieb geltend zu machen, müßte er eigenständiges ökonomischen Subjekt sein, wie ein privater Unternehmer über seine Investitionen bzw. Expansionen selbst befinden. Im Rahmen der Bestimmung durch den Plan kann er das aber nicht – und braucht er das auch gar nicht; die Planzuwendung kann ja auch über den Wert hinausgehen. In der Tat muß für einen durch Plan bestimmten Betrieb der Wert, das Äquivalenzprinzip als Moment der Interessiertheit, entfallen.[25]

Warum dann aber diese Aufmerksamkeit in der Theorie?

Man hat in den sowjetischen Publikationen oft das Gefühl, der Wert besitze auch einen erzieherischen Wert; es ist, als sei das Wertverständnis - was in diesem Zusammenhang nur anderer Begriff für Rationalitätsverständnis ist - in der Sowjetunion, oder in der Realität der Betriebe/Planwirtschaft verloren gegangen.

Aber wir sind ja im Sozialismus und da soll gelten das Prinzip (Gesetz?) der materiellen Interessiertheit … am Wert?

Wo verhilft also dieses Prinzip dem Arbeiter zu höhern Lohn? Ginge es „richtig“ zu, dann dort, wo die Produktionsparameter weiter bis am weitesten entwickelt sind, und geringeren Lohn als gesellschaftlichen dort, wo die Betriebe in ihren Produktivitätsstandards zurückhängen. Lohnabhängigkeit von der Wertbildung zerstörte also das Prinzip des gleichen Lohnes für gleiche Arbeitszeit! Man kann das Prinzip der materiellen Interessiertheit auf die betriebliche individuelle Wertbildung beziehen (deren Abweichungen vom gesellschaftlichen Wert), aber nur unter der Bedingung, dass man das Prinzip der materiellen Interessiertheit des gleichen Lohnes bei gleicher Arbeit zerstört.

Weiter ausgebaut - oder mehr Beachtung - als die Lohnabhängigkeit von der Wertbildung fand die These von  der Lohnabhängigkeit vom Gewinn. Der Gewinn gilt ja in einer Warenproduktion als der allgemeinste, beste, konzentrierteste Ausdruck für die Rentabilität oder Rationalität der Arbeit eines Betriebes.

Gab es nun wenigstens das?

Es hat ja Vorschläge gegeben, Löhne auf den Gewinn zu beziehen – ich denke an die „aufgeregte“ Libermann-Diskussion von 1962. Es gab später, Mitte der 80er Jahre, das viel ins Gespräch gebrachte Slawny-Projekt. Später deutet schon darauf hin, dass aus dem ersten Projekt nichts wurde, und wie gesagt: Slawny blieb auch isoliert. (Die gesellschaftliche Folge war nur eine übermäßige Lohnsteigerung in der Sowjetunion in den 80er Jahren, die in eine Inflation mündete.) Es hat eben nie eine umfassende, durchgreifende Abhängigkeit der Löhne in der Sowjetunion (andere sozialistische Länder inklusive) von Gewinnen in Preisen gegeben – was ja auch etwas besagt: Es geht eben nicht, das Ergebnis wäre im Fall der Gewinnabhängigkeit, auch Gewinnbeteiligung genannt, das selbe gewesen wie im Fall der Abhängigkeit von der Wertbildung: Produktivere Betriebe wären bevorzugt, weniger produktive benachteiligt. Und ökonomisch betrachtet – man wäre ja an die allgemeine Bedingung, gesellschaftliche Lohnsumme gleich maximal Summe der Preise von II – gebunden gewesen – wäre die Lohnbindung an den Gewinn (und die Preise als dem Wertgesetz unterworfen) auf eine große Umverteilung der Löhne hinausgelaufen.

Die Frage, ob das Gesetz (oder Prinzip) der Lohnerhöhung mit steigender Produktivkraft bzw. Produktion, das für den Sozialismus/Kommunismus als ökonomisches Gesetz bzw. ökonomische Verbindlichkeit aufgestellt worden war – übrigens schon zu Beginn der 20er Jahre, also vor dem Beginn der Planwirtschaft, und dann ab der Planwirtschaft absolutes Gesetz –, noch behauptbar gewesen wäre, lasse ich dahingestellt sein, möchte ich aber im Grunde verneinen. Es hätte seinen allgemeinen Charakter verloren, womit es kein Gesetz des Sozialismus mehr gewesen wäre.

Im Sozialismus, was auch heißt beim Volkseigentum, müssen alle ökonomischen Gesetze allgemeinen Charakters sein, das ist eine Bedingung der Aufhebung von Antagonismen in den Produktionsverhältnissen. Im Sozialismus, dem Kommunismus von Anfang an, können nie Gegensätze bestimmt werden, höchstens Unterschiede, aber auch diese müssen auf einer allgemeinen Bewegung (Bewegung eines Jeden) in die gleiche Richtung beruhen. Alle partizipieren, die einen etwas mehr als die anderen, aber niemand ist ausgeschlossen. Das ist Volkseigentum.

In letzter Konsequenz ist es beim Prinzip der materiellen Interessiertheit bei der Form geblieben, die bei der ersten Einführung, dem „Direktor“fonds, gefunden wurde. Dass es bei dieser Form geblieben, hat seinen Grund darin, dass die sowjetische Theorie nie begriff, dass sie an eine andere Praxis der so genannten „Wertbildung“ (bzw. Preisbildung) und folglich der „Gewinnbildung“ geraten war.

Die Begründung mit dem „Leistungstrieb im Sozialismus“

An die Planwirtschaft gibt es den großen Vorwurf, sie arbeite uneffektiv. Die Menschen hätten keine Lust mehr auf Leistung; „Leistung lohne nicht“.

Gibt es einen Verlust an Leistungswillen oder Leistungstrieb in oder durch die Planwirtschaft an sich? (Man spricht ja von der Planwirtschaft als einer Kommandowirtschaft, sie ließe keinen eigenen Willen zu, nur Ausführung von Befehlen – und dieses Recht konzentriere sich bei einer „zentralen Bürokratie“; Partei auch.) Und muß man ausgerechnet die Wertform der Ware wiedererwecken, um die Leistungsbereitschaft der Menschen wieder zu erwecken?

Ist es aber so, dass der Leistungswille in der Planwirtschaft sinkt oder gar verschwunden ist? Ich denke, dass hier mit der Wurst nach der Speckseite geworfen wird. Man will einfach die eine Leistungsbereitschaft, und sieht die andere nicht. Man sieht eben nicht die Form der Leistungsbereitschaft, die allein noch bei einer Planwirtschaft möglich ist. Man sieht nur, dass sie die andere, bekannte der Wertform nicht mehr erlaubt. Man erkennt den Verlust am Verlust an Vergangenheit.

Man kann sehr laienhafte Pläne/Planwirtschaft machen, man kann sie laienhafter machen als man die Warenproduktion widersprüchlich bis antagonistisch machen kann. Probleme in der Fähigkeit, Planwirtschaft zu machen, wird man besonders am Anfang, vor jeder Erfahrung schon mit der Planwirtschaft haben. Aber das ist ein Entwicklungsproblem. Man wird Pläne, da sie ja auch eine entwickelte Subjektbestimmung erwarten lassen, immer besser machen (können). Vor allen Dingen gibt es objektive Kriterien, Pläne/Planwirtschaft zu machen. Diese muß man erkennen, entwickeln, und an sie kann man sich halten, d.h. Planungsfachleute muß man auch ausbilden; Planer ist ein Beruf wie Schweißer ein Beruf ist.

Man wird sich einen Überblick verschaffen, was ein Betrieb produziert, produzieren kann. Das geht gar nicht ohne aktive Mitarbeit der Belegschaften der Betriebe, besonders der Betriebsleitungen. Und das ist keine Entgegennahme eines Befehls, sondern eine Zuarbeit des Betriebes zum Zentrum der Planung. Zur Kapazitätsplanung gehört eine perspektivische Investitionsplanung, die aber in Abhängigkeit zur perspektivischen Produktionsplanung als solcher des Betriebes steht. Hier ist mehr der gesellschaftliche Wille auf das Produkt des Betriebes gefragt, also die „zentrale Bürokratie“ – die nun  aber wieder keine Bürokratie, d.h. über der Konsumtion stehende Behörde ist, sondern die eine solche Behörde ist, die auch Bedarfsforschung als Element der Planwirtschaft betreibt. Es gibt keine Planung, die nur nach einer Seite, der Seite der Produktion arbeitet; um Planung zu sein, muß sie auch Planung/Erfassung nach der anderen Seite, der Seite der Konsumtion sein. Planung ist in einem gewissen Sinne nur Vermittlung zwischen Produktion und Konsumtion. Genau betrachtet ist Planung nichts als bewusste Erfassung, möglichst genaue Vorausschau der Prozesse, die in einer Warenproduktion spontan ablaufen, also im Prinzip dort ebenfalls ablaufen, nur eben nicht „kommandiert“. (Außer „selbstkommandiert“, und: muß das besser sein?)

Muß man von vornherein davon ausgehen, dass Planwirtschaft die an sich ökonomisch notwendigen Prozesse schlechter erfasst, nur deshalb, weil sie „von außen“ als Auftrag an den Betrieb herangetragen werden und nicht nur und allein dem Betrieb vom Wertgesetz aufgezwungen wurde?

Was hat die Planung/Planungsbehörde jeder betrieblichen Hoheit voraus? Das Gesamtwissen über die Bewegung der Ökonomie, ihrer einzelnen Einheiten, das Wissen um den Zusammenhang einer Gesellschaft. Genaugenommen sogar die Gesellschaft selbst, sie erscheint ja erst dadurch als Ganzes, dass sie sich von sich eine Vorstellung für die Zukunft gibt. Das kann gar kein Betrieb im Einzelnen können, er kann maximal nur sich einschätzen, vielleicht noch zwei, drei andere ökonomische Beziehungen. In der Planung ist – nach Möglichkeit „genau“ – vorweggenommen, was sich sonst die Betriebe im Einzelnen mühselig erarbeiten müssen. Planung ist die Tätigkeit, die Wirtschaft als einen Gesamtbetrieb zu erfassen und zu leiten.

Der Betrieb in der Planwirtschaft ist nicht ohne eigene Leistungsanforderung, Planung kann nicht exakt funktionieren, ohne dass der Betrieb mitarbeitet und seinen Beitrag dazu leistet, dass der Plan ein Plan ökonomischer Realität ist. Dass der Leistungswillen der Betriebe in der Planwirtschaft erstirbt, so dass alle Initiative auf die Zentralen der Gesellschaft übergeht, und letztlich „unten“ kein eigener Wille mehr ankommt bzw. bleibt, stimmt insofern, dass natürlich ein bestimmter ökonomischer Wille nicht mehr erscheint, tatsächlich den Bach heruntergeht: Das ist der Wille, die eigenen Waren so teuer wie möglich zu verkaufen, einen Gewinn/Profit so hoch als möglich zu erzielen, d.h. den Betrieb auf Kosten aller anderen Betriebe zu bereichern. Freie Preisgestaltung, Konkurrenz mit der eigenen Ware gegen andere Waren – das gibt es in einer Planwirtschaft nicht. Und was die Rationalität, Rentabilität, Kostensenkung usw. angeht, so beachte man die Form der inneren betrieblichen „Rechnungsführung“ als eigenständiges Gebiet der wirtschaftlichen Rechnungsführung und setze dieses System gegen jenes der Wert- und Profitmaximierung.

Niemand verneint, dass das ökonomische Prinzip der Warenproduktion auf den einzelnen Betrieb bezogen ein rationales ist (aber auch da ist es nicht nur ein rationales Prinzip), aber heißt, dass das Prinzip der Warenproduktion im Einzelbetrieb ein rationales ist, dass das der Planwirtschaft kein rationales Prinzip ist? Man muß schon Gläubiger der Warenproduktion sein, um das zu verneinen.

Die Begründung mit dem „ökonomisch selbstständigen Betrieb“

Kommen wir zum letzten Punkt, oder letzten Argument einer Begründung des Sozialismus als einer besonderen Warenproduktion. Es wird das zu findende Subjekt angesprochen: „der relativ (relativ oder nicht relativ ist hier eigentlich egal, der Begriff war sowieso nur ein Feigenblatt) ökonomisch selbstständige Betrieb“, oft auch „eigenverantwortliche Betrieb“ genannt oder manchmal wird auch nur von der „Eigenerwirtschaftung der Mittel“ - gemeint sind die Geldmittel - durch den Betrieb gesprochen.

Nachdem es im 1. Lehrbuch noch heißt, dem in die Planwirtschaft integrierten Betrieb werden staatlicherseits „die seinem Produktionsprogramm entsprechenden materiellen Fonds zugewiesen“, sollte es keine leichte Aufgabe sein, diese ökonomische Selbstständigkeit des Betriebes aufzuspüren. Von ihr wird ja wie von einer Tatsache gesprochen, aus ihr auch tatsächliche Wertform der Produkte abgeleitet – nur, wir finden diese tatsächliche Selbstständigkeit nicht und daher auch nicht die tatsächlichen Wertformen, sondern nur die realen der Planwirtschaft, die auch einer Selbstständigkeit der Betriebe, aber im Rahmen einer Planwirtschaft entsprechen, das ist der ganze Salat.

Noch einmal ein Blick in die Lehrbücher, was finden wir da an Aussagen über die „ökonomische Selbstständigkeit der Betriebe“, oder, in einem zweiten Blick, was über die „ökonomische Selbstständigkeit eines Betriebes in einer Planwirtschaft“? Vielleicht finden wir zum letzteren auch etwas – mehr.

Lehrbuch 1 enthält noch keinen Hinweis über eine ökonomische Selbstständigkeit der Betriebe, die eine Warenproduktion im Sozialismus notwendig mache, d.h. diese Begrifflichkeit wird noch nicht gebraucht, und brauchte auch nicht angewendet zu werden, weil da ja noch das viel weitergehende der beiden besonderen Eigentumsforderungen stand. (Man war noch nicht bei der Arbeit als einer besonderen an gelangt.)

Lehrbuch 2 enthält dann eine solche Stelle, aber nur in der angenäherten Form (siehe obiges Zitat aus Lehrbuch 2, dort Seite 538), das ist noch nicht direkt die Behauptung, die Betriebe würden im Sozialismus ökonomisch selbstständig sein, aber der Übergang zu dieser. Erst in späteren theoretischen Abhandlungen erscheint dieser Fakt explizit und gehäuft. Während die sowjetische Wissenschaft bis zu diesem Argument mehr oder weniger eine Einheit verkörpert, beginnt sie sich ab ihm zu spalten.

Ich zitiere zunächst aus späteren Publikationen, darunter erstmals auch aus nicht sowjetischen (russischen), sondern deutschen.

Die DDR hat zwei Lehrbücher zur politischen Ökonomie des Sozialismus veröffentlicht (neben weiteren Lehrheften für Hochschulen und diversen Einzelpublikationen, die im Wesentlichen aber dieselben Argumentationslinien aufweisen wie die sowjetischen). Das erste von 1967 war in die Zeit des NÖS (Neues ökonomisches System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft) hineingeboren worden, also in die Zeit eines Reformexperimentes, in dem es viel um mehr Selbstständigkeit und Selbstverantwortlichkeit im unteren ökonomischen Bereich ging. Ich habe gesucht und eigentlich gedacht, ich müßte eine solche Stelle finden – wo von der ökonomischen betrieblichen Selbstständigkeit als Ursache der Warenproduktion im Sozialismus gesprochen, aber Irrtum. Ich fand diese Stelle nicht.

Aber im zweiten Buch der DDR zur Politischen Ökonomie des Sozialismus von 1974, als das NÖS schon überwunden schien, fand ich sie[26]: „Die gesellschaftliche Arbeitsteilung ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung (!, J.) für die Existenz von Ware-Geld-Beziehungen im Sozialismus. Während die gesellschaftliche Arbeitsteilung fortwährend existieren wird, wird es die Ware-Geld-Beziehungen nicht immer geben. Es muß folglich eine weitere Ursache (!, Arbeitsteilung als Ursache, J.) vorhanden sein, die die Ware-Geld-Beziehungen im Sozialismus hervorruft. Es ist dies die relative ökonomische Selbstständigkeit der sozialistischen Betriebe.“[27]

Hier haben die Autoren wahrscheinlich ihrem Herzen einen Stoß gegeben, endlich ist es ausgesprochen – das ökonomische Subjekt. Einen Absatz weiter bekräftigen sie:

„Das Volkseigentum an den Produktionsmitteln als gesamtgesellschaftliches Eigentum besitzt im Sozialismus die Besonderheit (der Begriff Sozialismus besitzt hier eigenständigen Status für den Kommunismus, also besonderes Volkseigentum, J.), dass die Betriebe im Rahmen des Volkseigentums relativ ökonomisch selbstständig sind.“

Das Volkseigentum besitzt die Besonderheit, dass die Betriebe selbstständig sind; wenn das mal keine Herausforderung ist.

Aber was nun nicht eintreten sollte, ist, dass beim Beleg der Selbstständigkeit der Betriebe Funktionen aufgeführt werden, die auch sehr gut zur Planwirtschaft gehören und in denen die Betriebe Funktionen der Planwirtschaft ausführen, ausführende Funktionen also, worin nur sie selbstständig auftreten.

Leider ist das aber der Fall:

„Auf der Grundlage der von der zentralen staatlichen Planung vorgegebenen verbindlichen (!, J.) Kennziffern, wie Sortiment der Produktion, Senkung der Kosten, Steigerung der Arbeitsproduktivität und anderes, tragen die Betriebe die volle Verantwortung (!, J.) für die bedarfsgerechte Produktion, den wissenschaftlich-technischen Fortschritt, die Senkung des Aufwandes an vergegenständlichter und lebendiger Arbeit, die Herstellung einer hohen Erzeugnisqualität und anderes.“ (ebda. S. 523)

Nun, dass ich „voll verantwortlich“ bin (ich oder wir, aber niemand anderes), ist natürlich auch eine Selbstständigkeit, eine Fixierung auf einen bestimmten Personenkreis, aber ist denn das gemeint?

„Die relative ökonomische Selbstständigkeit der Betriebe ist zweifach bedingt: Materiell und ökonomisch. Materiell-technisch ergibt sie sich durch die Anwendung der verschiedenartigen Arbeitsmittel, die unterschiedlichen technologischen Prozesse, die unterschiedliche materiell-technische Ausstattung, die Arbeitsteilung und Spezialisierung und anderes.

Ökonomisch ist sie im sozialistischen Eigentum an den Produktionsmitteln und in der Besonderheit des unmittelbar gesellschaftlichen Charakters der Arbeit begründet.“ (S. 523/24)

Bis hierher, würde ich sagen, ist nur auf eine Unterschiedlichkeit der Betriebe, ihren besonderen konkreten Charakter aufmerksam gemacht, und der Hinweis auf eine (imaginäre) Besonderheit im Eigentum und im Charakter der Arbeit, die aber „unmittelbar gesellschaftlich“ wäre, hatten wir schon. Was wir aber noch nicht hatten, war, dass wir eine Selbstständigkeit begründet sehen, die uns die Notwendigkeit der Warenform erschließem soll, worin also Selbstständigkeit und Warenform zwei sich ergänzende, kompatible, also austauschbare Begriffe sind.

Vielleicht hier:

„Bei der Produktion (?, J.) sowie beim Austausch der Erzeugnisse erweist sich (aber dahin wollten wir doch erst kommen, nun ist er schon da, der Austausch, J.), dass im Sozialismus der unmittelbar gesellschaftliche Charakter der Arbeit noch nicht die Reife hat, um die in den Betrieben und Genossenschaften verausgabte Arbeit, die immer konkrete Arbeit ist (unverständlich in diesem Zusammenhang, J.), nach dem Maß der Zeit, als dem der Arbeit immanenten Maß, gleichsetzen zu können. (?, diese Reife ist wahrscheinlich geschenkt, winkt denn im Kommunismus immer noch die Gleichsetzung?, J.) Eine Stunde Arbeitsaufwand im Betrieb A für die Herstellung des Erzeugnisses X ist nicht gleich einer Stunde Arbeitsaufwand im Betrieb B für die Herstellung des Erzeugnisses Y.“ (ebda.)

Arbeitsstunden zweier verschiedener Erzeugnisse sollen gleichgesetzt werden? Im Sozialismus/Kommunismus? Wofür? Das verstehe ein anderer.

Aber was wollten wir denn noch wissen? Ob es eine ökonomische Selbstständigkeit des Betriebes gibt, die eine des Wertes ist, eine Selbstständigkeit ist bezogen auf den Wert, den eigenen Arbeitsaufwand, in der korrigierten, überprüfbaren Weise der gesellschaftlichen Durchschnittsarbeit, die sich im Wert ausdrückt. Man sagt uns immer Gründe für den Wert, aber wir wollen wissen, ob der Wert ein Recht ist. Ist der Wert (der Ware) Maß und Grenze für einen Betrieb, operiert er selbstständig mit ihm, redet ihm  da keiner rein, kein Staat, keine Partei, keine „zentrale Bürokratie“? Nur dann, wenn das so ist, ist der Betrieb ein ökonomisches Subjekt, und dann kann mit der Planwirtschaft (dem Staat, der Partei, der Bürokratie) kein anderes Subjekt mehr gesetzt sein.

Worein wir hier aber, bei der Begründung durch dieses DDR-Lehrbuch hineinrutschen, ist nichts, als einen Unterschied in der Kompliziertheit der Arbeit, („Unterschied von geistiger und körperlicher, von Arbeit in der Industrie und in der Landwirtschaft“) zu konstatieren. Aber das hatten wir schon. Wir differenzieren den Lohn – in einer ersten Phase des Kommunismus -, und dann haben wir das Problem gelöst. Aber, um das Problem „zu lösen“, erst „konkrete auf abstrakte Arbeit zu reduzieren“, wie es dann weiter – und in all den anderen schon angeführten Texten – heißt, ist unsinnig und falsch. Nur wenn verlangt ist, dass die Ausgaben aus den Einnahmen beglichen werden müssen, dann muß der Preis so groß oder hoch sein, dass er allen Umständen gerecht werden kann. Er muß also auch die Löhne der kompliziertesten Arbeit/Arbeiter aufnehmen können, und „darüber hinaus auch noch einen Gewinn erbringen“, denn man muß ja auch für die Erweiterungsinvestitionen „selber aufkommen“, wie es so schön in der Begrifflichkeit der ökonomischen Selbstständigkeit heißt.

Aber: Selbst wenn wir diesen Preis dann gefunden haben – und das dürfte im Prinzip nicht schwer fallen -, müßte der Preis eines tun: Auf die Wertveränderungen reagieren, also sinken, wenn der Wert sinkt, und steigen, wenn er steigt. Sonst bleibt (!) kein Preis gleich dem Wert. Uns interessiert nicht die Warenproduktion in ihrer Einmal-Bestimmung, die nur die Theorie sich auf die Brust klopfen lässt („Recht gehabt, Genosse“), und dann geht alles weiter wie gehabt im Sozialismus (Preise bleiben also fest, und Summe der „Wert-“=Preissteigerung steigt wie die Summe der Produkte steigt, womit die Preise natürlich wieder ungleich dem Wert werden müssen!). Uns interessiert die Bestimmung in ihrer Bewegung; der Wertbezug ist ein bewegender, dynamischer Bezug in der Wirtschaft.[28]

Eigentlich soll es darum gehen, zu einer anderen, höheren Art der Differenzierung von Löhnen, Lohnhöhen überzugehen, als nur nach der simplen Art des reinen Zeitunterschieds, wie lange jemand arbeitet, zu differenzieren. Dazu sollen Löhne/Einkommen in Beziehung auf die Produktion bestimmt werden. Aber dieser Bezug kollidiert mit dem gesellschaftlichen Eigentum, weil die besonderen Bedingungen in der Produktion in Folge des gemeinsamen Titels auf die Arbeit allen Arbeitern der Gesellschaft gemein sind. Ist jedoch von vornherein klar, dass es sich um Sonderformen der Entlohnung handelt, Einmalbezüge, dann geht das, dann ist das mit dem Volkseigentum dem Begriff nach noch zu vereinbaren; anders, wenn es sich um einen Dauerbezug handelt. Dann wird Besonderheit Eigentum! Dann  entsteht ein Recht.

Genaugenommen ist, wenn die Arbeit unmittelbar gesellschaftlichen Charakter besitzt, auch die Arbeitszeit unmittelbar gleichen Charakters. Stunde ist gleich Stunde ohne Bezug auf besondere Produktionsstätten und deren „Verglichenheit“. Und dann müssen die besonderen Arbeitserträge so genommen werden wie sie entstehen; sie gehen an die gesellschaftliche Hoheit und diese verteilt an alle. Der beste und der „schlechteste“ werden ausgeglichen von jedem angeeignet. D.h. dieses Problem des individuellen Unterschieds in der Produktion verschwindet in der Verteilung, wird in der Form der Verteilung nicht mehr ein ökonomischer Gegenstand. Anders, wenn für die Arbeit noch eine Vermittlung ihres gesellschaftlichen Charakters unterstellt ist: Die Wertform der Zeitbestimmung, also die Reduktion auf allgemeine, abstrakte Arbeit (wie im Kapitalismus), dann sind alle Unterschiede und Besonderheiten der Produktion in der Wertbestimmung der Arbeitszeit berücksichtigt wie gleichzeitig „erloschen“. Irgendwie ist es auch irre, wenn immer wieder die Wertform der Zeitbestimmung ins Spiel gebracht wird. Es ist, als würde ihr übergeordnete Bedeutung bei der Einflußnahme auf die Effektivität der Produktion zugeordnet.

Wir erkennen hier den aufkeimenden Gegensatz zwischen Wertbestimmung (aus dem Wert bestimmen) und gesellschaftlicher Lohnbestimmung (aus der Gesamtarbeit bestimmen), den jede Planwirtschaft früher oder später zugunsten des zweiten Prinzips lösen muss..

Schauen wir noch einmal nach Moskau, zu Prof. Zagolow von der Moskauer Lomonossow-Universität. Auch er hat ein vielbeachtetes Buch über die sozialistische ökonomische Theorie geschrieben. Wie sieht er nun die ökonomische Selbstständigkeit der Betriebe und deren Einfluß auf die Notwendigkeit der Ware im Sozialismus; interessant sein Anfang:

„Warenbeziehungen sind vielseitig begründet (glaubt er, stimmt natürlich nicht, nur wenn man die Eigentumsbeziehung in Frage stellt, gelangt man an die ‚vielseitige Begründung’, J.). Im Sozialismus ist die relative ökonomische Selbstständigkeit der Mitglieder der Gesellschaft als Werktätige (!, J.), die qualitative Unterschiedlichkeit ihrer Arbeit ihre Grundlage. (Also nicht die Betriebe, sondern die Werktätigen selbst sind es, die ökonomisch selbstständig sind; was für ein Unsinn, J.) Die gesellschaftliche Erfassung der Arbeit des einzelnen Produzenten wird nicht unmittelbar vorgenommen (nicht am Arbeitsplatz selbst, man stelle sich das einmal konkret vor, J.), sondern durch das Produkt des Gesamtbetriebes. Das hat die relative ökonomische Selbstständigkeit der Betriebe im Rahmen einer einheitlichen planmäßigen gesellschaftlichen Produktion zur Vorbedingung (es gibt kein Argument pro Ware, das die sowjetischen Wissenschaftler nicht sofort wieder relativieren, z.B. dass alles aber im Rahmen der Planung vor sich geht, J.), die zu den wichtigsten Charakteristika des ökonomischen Wesens des Volkseigentums in der gegenwärtigen Etappe seiner Entwicklung gehört und mehrere bedeutungsvolle sozialökonomische Konsequenzen hat. Äußerlich betrachtet ist es nachgerade diese Selbstständigkeit der Betriebe, welche als unmittelbar nächstliegende Ursache der Warenbeziehungen im Sozialismus erscheint. Wie wir jedoch gesehen haben, sind nicht die gegenseitigen Beziehungen der Betriebe, wie bei privater Warenproduktion, der Ausgangspunkt, sondern die Beziehungen der einzelnen Werktätigen zur Gesellschaft, die durch Beziehungen zwischen den Betrieben realisiert werden, die auf dem Austausch durch Entgeld beruhen.“[29]

Wenn schon, denn schon, muß wohl der Professor N. A. Zagolow gedacht haben; wenn Warenproduktion schon durch ökonomische Selbstständigkeit begründet, dann gleich beim einzelnen Werktätigen selbst. Und die Beziehung wird eigentlich nur zwischen diesem einzelnen Werktätigen und der Gesellschaft abgemacht, der Betrieb vermittelt nur. Der Betrieb ist nur deshalb ökonomisch selbstständig, weil es seine Arbeiter sind.

Die Begründung der Ware im Sozialismus mit einer ökonomischen Selbstständigkeit des einzelnen Werktätigen selbst führt so sehr aus dem Schema der bisher üblichen Argumentation heraus, dass sie diese eigentlich schon wieder konterkariert; sie ist eine Begründung mit dem Arbeiter als einem besonderen, nicht als des Trägers eines Teils der gesellschaftlichen Gesamtarbeit, die vermittels des politischen Systems der Diktatur des Proletariats direkt und unmittelbar gesellschaftlich nach einem gemeinsamen Wirtschaftsplan verausgabt wird. In der Konsequenz wird der Arbeiter bei Zagolow wieder zum Verkäufer seiner Arbeitskraft, die Arbeitskraft also wieder zur Ware – wie im Kapitalismus.

Koslow widerspricht …

Wir hatten davon gesprochen, dass, angekommen beim letzten, „höchsten“ Argument der Begründungstheorie für die Warenproduktion im Sozialismus, eine Spaltung der an sich getreuen sowjetischen Ökonomen eintrat. Dem Argument von der ökonomischen Selbstständigkeit der Betriebe, ein Argument ganz nahe dem Ursprungsargument vom Privateigentum an den Produktionsmitteln, quasi ja auch Privateigentum an Betrieben, wurde auf das Heftigste widersprochen. Prinzipiell, d.h. mit dem Argument – endlich – der Ursache und Notwendigkeit des Volkseigentums und dem unmittelbar gesellschaftlichen Charakter der Arbeit, mit dem Wesen der Planwirtschaft, äußert sich G. A. Koslow.[30]

Es lohnt ein Zitat in voller Länge:

„In einigen Arbeiten wird die Notwendigkeit der Warenbeziehungen aus der wirtschaftlichen Verselbstständigung der sozialistischen Betriebe abgeleitet. Natürlich ist unter den Bedingungen des sozialistischen Wirtschaftens eine gewisse Verselbstständigung der Betriebe vorhanden. Sie ist jedoch nicht Ursache, sondern die Folge der Ware-Geld-Beziehungen, ein wichtiges Merkmal, das durch diese Beziehungen hervorgerufen wird. Das Bestreben, die Ursachen der Warenproduktion in der Verselbstständigung der Betriebe zu suchen, bietet sich durch Analogie mit der vorsozialistischen Warenproduktion an. Die sozialistische und die  privatkapitalistische Warenproduktion haben jedoch einen prinzipiell voneinander verschiedenen Inhalt.

Manchmal beruft man sich darauf, dass die sozialistischen Betriebe berechtigt sind, über die Produktionsmittel zu verfügen und diese zu nutzen. Ein solcher Hinweis ist unbegründet. (Nun, so simpel ist die Erklärung der ökonomischen Selbstständigkeit nun auch wieder nicht, J.) In jeder beliebigen Phase des Kommunismus werden die einzelnen Betriebe die Verfügungs- und Nutzungsgewalt besitzen. Das ist keine spezifische Besonderheit des Sozialismus. Auch in der kommunistischen Gesellschaft (an sich in der Planwirtschaft, J.) werden die Betriebe Fonds zugeteilt bekommen und für deren Erhaltung und Mehrung verantwortlich sein. Schließlich werden die von der Gesellschaft bevollmächtigten Leiter der Betriebe im Kommunismus ebenfalls mit den üblichen Rechten hinsichtlich der Disposition über das gesellschaftliche Eigentum ausgestattet sein . […]

Eine gewisse Verselbstständigung der Betriebe in wirtschaftlich-technischer Hinsicht charakterisiert an und für sich nicht die Entwicklungsstadien des gesellschaftlichen Eigentums. Man darf auch nicht denken, dass ein Betrieb irgendwann von der Gesellschaft unbeschränkt Ressourcen erhalten würde oder, genauer gesagt, unabhängig von dem durch den gesellschaftlich notwendigen Arbeitsaufwand festgelegten Rahmen. In diesem Sinne wird eine gewisse wirtschaftlich-technische Verselbstständigung der Betriebe so lange vorhanden sein, wie die Betriebe selbstständige Glieder der gesellschaftlichen Arbeitsteilung bleiben werden. (Koslow verkennt hier etwas, Selbstständigkeit nach der Arbeitsteilung ist nicht dasselbe wie Selbstständigkeit der Wertbildung nach, J.) In absehbarer Perspektive wird das auch für die zweite Phase des Kommunismus charakteristisch sein. Auch dann wird es noch erforderlich sein, den gesellschaftlich notwendigen Arbeitsaufwand für jeden Betrieb auszuweisen. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass auch die Warenproduktion erhalten bleibt.

Dem gesamtgesellschaftlichen Eigentum an den Produktionsmitteln entspricht nicht die Verselbstständigung der Betriebe, sondern ihre Einheit, nicht die für das Privateigentum charakteristische Zersplitterung, sondern die planmäßige Kooperation der Arbeit im volkswirtschaftlichen Maßstab. Gleichzeitig bedingt die Notwendigkeit der Erfassung und Kontrolle des gesellschaftlichen Arbeitsaufwands und die materielle Stimulierung über die Warenbeziehungen die für den Sozialismus spezifische (!, J.) ökonomische Selbstständigkeit der einzelnen Betriebe. […]

Die Vereinigung der Betriebe auf der Grundlage des allgemeinen Volkseigentums und des gesellschaftlichen Charakters des Reproduktionsprozesses (!, neuer Gedanke, J.) verleiht der gesamten Produktion den Charakter einer ‚einheitlichen Fabrik’. Die spezifischen Merkmale eines sozialistischen Betriebes (im Vergleich zum kommunistischen Betrieb) kommen nicht darin zum Ausdruck, dass er überhaupt selbstständig (‚verselbstständigt’) ist, sondern darin, dass er als Warenproduzent auftritt (der sozialistische Warenproduzent ist also unselbstständiger oder nichtselbstständiger Produzent von Waren?, J.). Sie bestehen auch nicht darin, dass seine Beziehungen zur Gesellschaft auf dem Äquivalenzprinzip im Allgemeinen beruhen, sondern darin, dass diesen Beziehungen der äquivalente Warenaustausch zugrunde liegt. (Der nächste Satz erst erklärt, was Koslow meint, denn dieser ist in sich widersprüchlich, J.) Die Ware-Geld-Beziehungen charakterisieren bestimmte Formen ökonomischer Beziehungen auf der Grundlage des allgemeinen Volkseigentums und der gesellschaftlichen Aneignung der Produktionsergebnisse durch das gesamte Volk. (Koslow meint, dass die Warenbeziehungen nur einen Teil der ökonomischen Beziehungen ausmachen, in ihrer Gesamtheit gehen die ökonomischen Beziehungen über diese auch hinaus, gibt es auch Gesamteigentum und Gesamtaneignung, J.)

Die Warenbeziehungen entspringen nicht aus der Verselbstständigung der Betriebe (diese gibt es in dieser Form gar nicht, hatte Koslow gesagt, J.), sondern im Gegenteil, die spezifische Selbstständigkeit der sozialistischen Betriebe, die ihnen gewisse Merkmale der ökonomischen Verselbstständigung verleiht, ergibt sich aus der Existenz der Warenbeziehungen. (Sprach Koslow nicht von einer Selbstständigkeit, die ihnen als wirtschaftlich-technischen Einheiten, also im Rahmen der Arbeitsteilung zukommt?, J.)

[…] Die von einem Betrieb realisierten Einnahmen sind Volkseigentum, und der Betrieb erhält davon für seine Bedürfnisse und die seiner Angehörigen nur so viel, wie die Gesellschaft vorsieht. Der Besitzer aller Einnahmen ist die Gesellschaft in Gestalt des Staates, der diese Einnahmen plant und sowohl die Art und Weise ihrer Bildung und Verteilung, als auch die Normen und deren absolute Größe entsprechend den Interessen des gesamten Volkes verändern kann. Für die Verluste eines Betriebes bezahlt letzten Endes auch die gesamte Gesellschaft. Sie ist es, die sich die Verluste ‚aneignet’.“ (ebda. Seiten 297-299)

Soviel … nicht über die ökonomische Selbstständigkeit als solche, die haben wir ja genügend behandelt – wir können sie unschwer auch mit der persönlichen Verantwortlichkeit in einer Planwirtschaft identifizieren -, sondern über die Selbstständigkeit gegenüber dem Wert, den betrieblichen Einnahmen, die ja eine Voraussetzung für die Bestimmung einer ökonomischen Selbstständigkeit von Betrieben gewesen wären. Auch hier – in letzter Konsequenz - keine Selbstständigkeit, sondern bereits eine Aneignung nach dem betrieblichen – und dem seiner Angehörigen – Bedürfnis. Was widerspricht hier einer Bestimmung durch den Plan, den zu produzierenden Gebrauchswert?

Silenzium, das Kapitel wäre abgeschlossen. Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass das Argument der betrieblichen Selbstständigkeit das Hauptargument n

icht nur der gestrigen, sondern auch der heutigen und zukünftigen Apologeten der „Theorie“ von der Warenproduktion im Sozialismus sein und bleiben wird. Deshalb die perspektivische Frage: Wenn jeder Beschäftigte eines Betriebes seine ökonomischen Beziehungen über die Lohnformen konstituiert, wer im Betrieb bleibt dann übrig, seine ökonomischen Interessen im Wert zu konstituieren? Wer ist der direkte Aneigner des Wertes? Entweder nimmt der Betrieb hier ein namen- oder personenloses Gesicht an, oder – ein Phantom kehrt zurück, d.h. früher oder später wird wieder ein direkter Eigentümer konstituiert.

… und Kusminow verwirft insgesamt

Ein anderer Ökonom geht noch radikaler vor. Koslow verwarf ja nur ein Argument, das letzte, höchste, das maßgebende, in dem es um eine andere Subjektbestimmung im Sozialismus/Kommunismus geht, I. I. Kusminow dagegen fühlt sich durch alle Begründungen der Theorie einer besonderen sozialistischen Warenproduktion herausgefordert – und verwirft sie in Bausch und Bogen.[31]

Ein sowjetischer Ökonom über seine Kollegen, ein sowjetischer Wissenschaftler über die sowjetische Wissenschaft, vor uns passieren noch einmal alle Argumente Revue; auch hier lohnt, den gesamten Gedankengang zu verfolgen:

„Eine wichtige Besonderheit des Sozialismus, der ersten Phase der kommunistischen Formation, besteht darin, dass die unmittelbar gesellschaftliche Produktion mit der Warenform verbunden ist. Die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit erfährt eine zusätzliche Anerkennung durch den Warenaustausch. (Nicht ihre Herausforderung?, dann muß es schon ein besonderer Austausch sein, J.) Diese ‚warenwirtschaftliche Organisation der Volkswirtschaft’ tritt im Sozialismus nicht als herrschende Form auf. Die bestimmende Form ist die planmäßige Organisation der gesamten Volkswirtschaft und schließt als notwendiges, aber untergeordnetes Element die Ware-Geld-Beziehungen und die Warenproduktion ein. […]

Nach der ökonomischen Diskussion der Jahre 1951 und 1952 wird das Vorhandensein der Ware-Geld-Beziehungen und des Wertgesetzes im Sozialismus von der Mehrheit der sowjetischen Ökonomen anerkannt. Damit entstand jedoch die Frage nach den Ursachen für das Bestehen der Warenproduktion, nach den Wurzeln, ihrem Ursprung und ihrer Rolle unter den Bedingungen der sozialistischen Ökonomie.“ (S. 190)

An dieser Stelle der Hinweis: Sowjetische Ökonomen sprechen immer von der sozialistischen Ökonomie – und gemeint ist die Planwirtschaft, der Warenbeziehungen zugeordnet sind, sie sprechen also immer von einem ökonomischen Dualismus; vom Sozialismus als einer Warenproduktion zu sprechen, ist etwas anderes, das würde den Dualismus ausschließen. Weiter:

„Ein erster Versuch, diese Frage zu beantworten, wurde von J. W. Stalin unternommen, der von den zwei Formen des gesellschaftlichen Eigentums ausging: dem staatlichen (Volkseigentum) und dem genossenschaftlichen Eigentum. Nach dieser Konzeption gibt es im Sozialismus zwei kollektive Eigentümer der produzierten Erzeugnisse – den Staat und die Kolchosen. Die ökonomischen Beziehungen zwischen ihnen müssen mit Notwendigkeit den Charakter des Kauf-Verkaufs tragen. […] Da in jener Periode die Hauptmasse der landwirtschaftlichen Maschinen und Ausrüstungen an die MTS (das heißt an staatliche Betriebe) geliefert wurde, zog J. W. Stalin die Schlussfolgerung, dass die Ware-Geld-Beziehungen im Sozialismus nur auf die Gegenstände des persönlichen Bedarfs beschränkt und die Produktionsmittel keine Waren sind.

Diese Konzeption, die weite Verbreitung fand und eine erste wissenschaftliche Hypothese zu dieser Frage war, besaß dennoch äußerst schwache Seiten und angreifbare Punkte.

Sie kann faktisch weder den Warencharakter der Produktion im staatlichen Sektor noch die bisher weitaus schwächere Entwicklung der Warenbeziehungen in der genossenschaftlichen Produktion erklären. (Was schwächere Entwicklung in den Genossenschaften bedeutet, ist von Kusminow nicht erklärt, J.) Die Auffassung, dass die Produktionsmittel keine Ware seien und nicht der Wirkung des Wertgesetzes im Sozialismus unterlägen, ist nicht lebensfähig. […] (?, Kusminow meint, dass Stalins These, weil negativ ausfallend, wohl kaum in eine Begründungstheorie pro Ware hineingehören könne, an sich ist diese These aber sehr lebensfähig, nur eben andersherum, J.)

Es gab neue Versuche, um die Warenproduktion im Sozialismus zu begründen. Im Einzelnen gehen diese von den spezifischen Merkmalen des Eigentums in der gegenwärtigen Etappe und vom Charakter der Arbeit und der Verteilung nach der Leistung im Sozialismus aus.

Typisch für die erste Gruppe ist folgendes: Das Volkseigentum an den Produktionsmitteln bedeutet Gleichheit aller Mitglieder der Gesellschaft ihrem Besitz nach, aber Ungleichheit ihrer Nutzung nach. Die Arbeitsbedingungen, der Grad der technischen Ausrüstung und anderes sind in den verschiedenen Betrieben unterschiedlich, und das bestimmt den Unterschied der Werktätigen in der sozialökonomischen Stellung und bei der Ausnutzung der Produktionsmittel. Diese soziale Ungleichheit der faktischen Stellung der Gruppen von Werktätigen erfordert einen gleichwertigen Ersatz, das heißt die Warenproduktion und die Warenzirkulation.“ (ebda.)

Abgesehen davon, dass Kusminow das Setzen seines generellen Kontrapunktes vorbereitet, was sagen die Leser zu seiner Darlegung? Es muß wohl eine unmittelbare „soziale Ungleichheit der Gruppen von Werktätigen“ geben, und diese erfordere einen „gleichwertigen Ersatz“, und den nun die Ware erbringen soll; ich verstehe das nicht. Ich verstehe nur, dass es aufgrund der unterschiedlichen Technikbedingungen in den Betrieben unterschiedliche Arbeitsergebnisse gibt, und Ware ermittelt nur einen Durchschnitt von Arbeitsbedingungen bzw. -resultat. Und weil dieser Mittelwert den Unterschied nicht aufhebt, sondern erst markierbar macht, kann er kein gleichwertiger Ersatz sein. Die Geltung des Wertgesetzes brächte denjenigen, die mit schlechteren technischen Ausrüstungen produzieren müssen, nicht ein anpassendes Mehr an Konsumgüterzuweisung, sondern machte sie verhältnismäßig noch ärmer. Auch hatten wir ja immer gesagt, dass Arbeiter Lohn erhalten, die Lösung dieses Problems – Unterschied in der Arbeit oder direkt im Arbeiter – muß über die Lohnhöhe erfolgen. Was soll da der Begriff „gleichwertiger Ersatz“? Aber bitte.

Doch Kusminow erkannte eine Kritik des Volkseigentums:

„Also müsse man die Wurzeln der Warenbeziehungen in den Beziehungen des gesellschaftlichen, genauer des staatlichen Eigentums suchen. Die Vertreter dieser Position finden sie in der ökonomischen ‚Selbstständigkeit der staatlichen Betriebe als dem spezifischen Merkmal des Volkseigentums im Sozialismus … Die relative Selbstständigkeit der staatlichen Betriebe, die im Auftrag des Staates über die Produktionsmittel verfügen – das ist der Grund, der die Warenbeziehungen hervorbringt’“. (S. 191)

Kusminow zitiert an diesem Punkt den sowjetischen Ökonomen W. G. Lopatkin, der diese Position in einer 1966 erschienenen Arbeit vertreten hat.

„Aber auch diese Position, die sich im Verlaufe der kritischen Auseinandersetzung mit den schwachen Seiten der Stalinschen Hypothese herausgebildet hat, ist in sich widersprüchlich und äußerst angreifbar. Ihr grundlegender methodologischer Mangel besteht darin, dass Beziehungen, die vielen Formationen gemeinsam sind, (gemeint ist die Ware-Geld-Beziehung, J.) darunter auch der ersten Phase der kommunistischen Formation, aus dem von ihren Anhängern formulierten grundlegenden spezifischen Verhältnis der neuen Formation abgeleitet werden.“ (S. 191-192)

Kusminow betrachtet die Warenproduktion als eine allgemeine Erscheinung, die über die unterschiedlichsten Formationen hinausgreift, er will nur einen allgemeinen Grund akzeptieren und die besonderen der jeweilige n Formation davon ausgenommen sehen.

„Indessen wiederholen die Anhänger der untersuchten Position beharrlich, dass ‚die Warenproduktion den sozialistischen Produktionsbeziehungen immanent sei’, dass ‚die sozialistischen Warenbeziehungen auf Grund der neuen Bedingungen entstehen, die sich im Sozialismus herausbilden’, dass sie ‚durch die sozialistischen Bedingungen hervorgerufen werden’ und dass das Volkseigentum ‚die Warenbeziehungen hervorbringt’“.

„Mit dieser Darstellung der Ware-Geld-Beziehungen im Sozialismus, die eine wichtige These der marxistisch-leninistischen ökonomischen Theorie über die Ware-Geld-Beziehungen als Beziehungen, die vielen Formationen gemeinsam sind, darunter auch der ersten Phase des Kommunismus, ignoriert, kann man nicht einverstanden sein.“ (S. 192)

Nach dem Eigentum behandelt Kusminow die Frage der Arbeit.

„Andere Ökonomen suchen die Ursache der Warenproduktion im Sozialismus im Charakter der Arbeit, genauer gesagt, in der Verteilung nach der Leistung. Zu dieser Gruppe gehören vor allem Ökonomen, die die Verteilung nach der Leistung im Sinne einer wertmäßigen Äquivalenz auffassen. (Das ist endlich kein verschwommener Begriff von Äquivalenz, sondern Wert als Äquivalenz, darum geht es, J.) So meint M. W. Kolganow, dass die Warenbeziehungen im Sozialismus ‚durch das Wesen der Organisation der sozialistischen Produktion … und der Organisation der Verteilung entsprechend dem Prinzip ‚Jedem nach seiner Leistung’ bedingt sind; sie ergeben sich aus dem Charakter der Arbeit im Stadium des Sozialismus. Die Arbeit ist noch nicht zum ersten Lebensbedürfnis geworden und setzt daher materielle Stimuli voraus …’. Das Verhältnis der Verteilung nach der Leistung betrachtet M. W. Kolganow seinem Wesen nach als Warenbeziehung, das die Notwendigkeit der Ware-Geld-Beziehungen auch zwischen den Betrieben bestimmt. […]

Dennoch kann man diesen Erklärungen kaum zustimmen. Erstens entbehren die Versuche, die Verteilung nach der Leistung im Sinne der wertmäßigen Äquivalenz zu betrachten, jeder Grundlage. Folglich sind auch die Versuche nicht stichhaltig, die Ware-Geld-Beziehungen aus der Verteilung nach der Leistung abzuleiten. (Der Leser wird an dieser Stelle – wie ich auch – die konkrete Beweisführung vermissen, man müßte jetzt nämlich den Unterschied einer Verteilung nach der Leistung in der Zeitform bestimmen, um die nach der Wertform zurückweisen zu können, was aber Kusminow nicht tut – aus gutem Grund, denn er hält für uns noch eine Überraschung bereit, J.) Zweitens kann man ein Verhältnis, das vielen Formationen gemeinsam ist, nicht aus einem Verhältnis ableiten, das nur für die erste Phase der kommunistischen Formation spezifisch ist. (Kusminow wiederholt hier seine grundsätzliche Position. Er lehnt also nicht die Warenproduktion im Sozialismus ab, sondern nur deren unterschiedliche Begründungsversuche durch die sowjetische politische Ökonomie. Für seine Thesen braucht er dann auch keine Begründung mehr, weil er einfach behauptet, dass die Warenproduktion „vielen Formationen gemeinsam“ ist – er behauptet für sie also so etwas wie eine Dauergeltung. J.) […] Drittens kann man die Beziehungen der Produktion und des Austauschs, in diesem Fall die Ware-Geld-Beziehungen, nicht aus den Beziehungen der Verteilung ableiten.“ (S. 192/193)

„Welches sind nun die wirklichen Ursachen für die Existenz der Ware-Geld-Beziehungen im Sozialismus, und wie muß man an ihre Klärung herangehen?

Die Ware-Geld-Beziehungen sind Beziehungen, die vielen Formationen gemeinsam sind, und demzufolge handelt es sich nicht um die Ursachen ihrer Entstehung, sondern um die Ursachen ihrer weiteren Existenz (Hervorhebung der Autor, J.) im Sozialismus.

Die Ursache für das Weiterexistieren dieser Beziehung, die vielen Formationen gemeinsam ist, darf man nicht in anderen Produktionsbeziehungen suchen, noch weniger in den spezifischen Beziehungen der neuen Formation, sondern im Niveau und im Charakter der Produktivkräfte (Hervorhebung I. I. Kusminow, J.), in jenen Merkmalen der Produktivkräfte, die ererbt und unter den neuen Bedingungen erhalten bleiben.“ (S. 194)

Ich überlasse Kusminow seinem Argument - indem er das Gebiet der Produktivkräfte aufsucht, verlässt er das Feld der Produktionsverhältnisse überhaupt[32], auf was es mir ankommt: Kusminow spricht die Produktionsverhältnisse des Sozialismus von der Rolle, die Warenökonomie im Sozialismus zu begründen, frei!.

Das war zu sagen.

Die Warenproduktion ist durch Privateigentum verursacht, begründet. Indem wir Volkseigentum gründen, heben wir den Privateigentümer auf. Damit ist der Grund, Warenproduktion zu machen oder fortzusetzen, verschwunden, aufgehoben. Man konnte noch soviel an den Produktionsverhältnissen des Sozialismus herummäkeln und in den so genannten Mängeln dieser neuen Verhältnisse den Grund dafür sehen, die Warenproduktion über das Privateigentum hinausgehend fortzusetzen, in diesen Verhältnissen kommt aber der Privateigentümer, der direkte Interessent am Wert nicht mehr vor. Die Suche mußte also ins Leere laufen. Dies ist die erste Lehre. Und die zweite war die, dass wir alle Probleme, die wir dennoch im Sozialismus erkennen, über das nun direkte Verhältnis des Arbeiters erledigen können wie müssen, den Lohn. Lohn ersetzt den Wert. Weil der Lohn den Wert ersetzt wie der Arbeiter den Kapitalisten ersetzt, bleibt das Geld in seiner Eigenschaft als Lohn (worin es nur noch Konsumgüterzuweisung ist) und verschwindet das Geld in  seiner Eigenschaft als Wert.

Diese Dialektik ist doch begreifbar.

Es ist gut zu wissen, dass sowjetische Ökonomen selbst es sind, die allem, was die sowjetische Wissenschaft an Theorie in dieser Frage der Warenproduktion geboren worden, und was letztlich als ein historischer Mangel des Übergangs der Gesellschaft zum gemeinschaftlichen Eigentum ausgelegt worden ist, auch den Kampf angesagt haben; wir fangen nicht an, wir sind - vergleichbar. Es fehlt ihnen nur die tatsächliche und vollständige Zurückweisung des abstraktesten Begriffs der Warenproduktion, des Wertes, der Wertform selbst.

Letzter Versuch 1987

Alle sowjetischen Ökonomen kennzeichnet bis zuletzt, d.h. bis zum Ende der Sowjetunion, die gute Eigenschaft, immer die Planwirtschaft vor die Warenproduktion zu setzen, die Warenform wird nur integriert, mal mehr, mal weniger. Aber keiner der sowjetischen Ökonomen hat je gefordert, die Planwirtschaft müsse verschwinden und durch die Warenproduktion ersetzt werden. Bis zuletzt? Na, nicht ganz, nur bis zu vorletzt.

Tatsächlich tauchen ab der Mitte der 80er Jahre in der Sowjetunion auch Stimmen auf[33], die die Planwirtschaft angreifen. Eine Stimme möchte ich zitieren: D. Smoldyrew, „Ein neuer Typ der Warenproduktion“, wir befinden uns im Jahr 1987:

„Jegliche Versuche, den Wirtschaftsmechanismus losgelöst vom Wertgesetz oder im Gegensatz zu diesem zu organisieren, erwiesen sich nicht nur als fruchtlos, sondern machten den Wirtschaftsmechanismus auch funktionsuntüchtig, was schwere ökonomische Folgen nach sich zog. (Das hätte man gern belegt gesehen Wir müssen aber wissen, dass Smoldyrew die neuen Wirtschaftsmechanismen feierte und verteidigte, die Gorbatschow einführen wollte, J.) Mehr noch, unter diesen Bedingungen konnten auch die spezifischen Gesetze des Sozialismus nicht wirken – das Grundgesetz, das Gesetz der Planmäßigkeit (!, J.), das Gesetz des ständigen Wachstums der Arbeitsproduktivität, das Gesetz der Verteilung nach der Arbeitsleistung u.a.“ (S. 238)[34]

Das ist mindestens schon die Umkehrung im Verhältnis von Voraussetzung und Folge oder Grundlage Plan und Zuordnung Wert. Die Planmäßigkeit funktionierte nicht, weil das Wertgesetz nicht.

„Die Trägheit des Denkens und die Angst, die Dinge beim Namen zu nennen, waren zu einem großen methodologischen Hemmnis bei der Bestimmung der sozialistischen Warenproduktion als eines prinzipiell neuen, dritten historischen Typs der Warenproduktion geworden.“ (ebda.)

Wir hatten gesagt, dass alle sowjetischen Ökonomen (im Prinzip alle) die Arbeit im Sozialismus/in der Planwirtschaft als Arbeit unmittelbar gesellschaftlichen Charakters würdigten. Das ist nie in Zweifel gezogen worden, und wenn es Kritik oder Abweichung von der „Generallinie“ gab, so hieß es „noch nicht vollständig unmittelbar gesellschaftlich“, oder „unreife Form der unmittelbaren Gesellschaftlichkeit“, was in der Regel auf Unterschiede in der Arbeit (einfachen und komplizierten Charakters) bezogen wurde. Aber nie hatte je ein Ökonom die unmittelbare Gesellschaftlichkeit der Arbeit selbst in Zweifel gezogen, das wäre wohl auch einem Angriff auf das Wesen der sozialistischen Gesellschaft gleichgesetzt worden.

Smoldyrew tut es, womit die 80er Jahre ein neues Kapitel in der sowjetischen Ökonomiegeschichte einleiten: das ihrer Spaltung.

„Methodologischer Ausgangspunkt der Verneinung oder Unterbewertung (!, J.) des Warencharakters der sozialistischen Produktion war die These, dass Arbeit und Produktion im Sozialismus unmittelbar (kursiv der Autor, J.) gesellschaftlichen Charakter hätten.

Unserer Auffassung nach ist diese These zu einem politökonomischen Dogma geworden, ohne dessen Überwindung  (!, das wäre gleichbedeutend mit einer Überwindung des Volkseigentums, J.) eine wirklich wissenschaftliche Analyse der Warenbeziehungen im Sozialismus unmöglich ist. Auch in rein praktischer Hinsicht ist dieses Dogma gefährlich. Als ‚theoretische’ Grundlage für die Leugnung der sozialistischen Warenproduktion hatte es objektiv zur Folge, dass der voluntaristische, bürokratische Kommandostil in der Wirtschaft eine Rechtfertigung erfuhr, dass der objektive Charakter des Marktes, der Warenzirkulation und der Äquivalenz im Austausch sowie andere Forderungen des Wertgesetzes ignoriert wurden. Diese Praxis ihrerseits verstärkte die administrativ-voluntaristischen Methoden der Planung und Leitung […] (Auslassung in der deutschen Übersetzung, J.) Es zeigt sich eine bekannte Abhängigkeit: Eine fehlerhafte Praxis (!, J.) sucht Rechtfertigung in falschen Theorien, diese ihrerseits dienen der untauglichen Praxis (!, J.) als ‚theoretische Begründung’.“

Behauptung: Planung ist von „fehlerhafter Praxis“, und sucht Rechtfertigung in der „falschen Theorie“ vom unmittelbar gesellschaftlichen Charakter der Arbeit, oder umgekehrt: „diese ihrerseits dienen der untauglichen Praxis“ der Planung, Pardon, „voluntaristischen Planung und Leitung“ als „theoretische Begründung“. Tautologisches, aber Tendenz klar.

„Aus der marxistischen Methodologie folgt jedoch (aha, Bewaffnung mit Marx, J.), dass unmittelbar gesellschaftliche Beziehungen (also nicht nur Arbeit, sondern gleich ganz allgemein, bravo, J.) und solche Beziehungen, die über den Markt, das Geld vermittelt werden (kursiv der Autor, J.), Gegensätze darstellen, dass sie miteinander unvereinbar sind, einander ausschließen. Alle Versuche, sie dennoch zu vereinen, zu verbinden, gegenseitig zu ergänzen, bedeuten Eklektizismus in der Theorie und Prinzipienlosigkeit in der Praxis.“ (ebda. 239)

Starker Tobak. Oder Wahrheit – wenn auch nicht, um die Planwirtschaft und den Sozialismus der Planwirtschaft zu verteidigen, sondern um sie anzugreifen und - das wäre nun seinerseits konsequent – durch Zerstörung der Planwirtschaft den Sozialismus zu zerstören.

„Es hat keinen Sinn, über eine Verbindung der unmittelbar gesellschaftlichen Beziehungen mit den Warenbeziehungen zu diskutieren: Zwischen ihnen gibt es einfach keine Berührungspunkte. Daher die Wortakrobatik in den Diskussionen, die zahlreichen ‚Einschränkungen’: Die Arbeit ist schon unmittelbar gesellschaftlich, aber … nicht vollständig, nicht bis zu Ende, in unreifer Form usw. Also sowohl ‚ja’ als auch ‚nein’, sowohl unmittelbar gesellschaftlich als auch vermittelt über den Markt, über das Geld. Wie soll sich die Praxis angesichts so verschwommener Vorstellungen vom Grundphänomen der Wirtschaft verhalten? Ist dies nicht eine theoretische Hintertür, sich der Umgestaltung zu widersetzen?“ (ebda.)

 „Real zeigt sich also der gesellschaftliche Charakter der Arbeit erst nach der Vermittlung ihres Produkts über den Wechsel der Wertform auf dem Markt.“ (ebda.)

Ja, aber nicht der unmittelbar gesellschaftliche.

Wen doch die Umgestaltung alles so geweckt hatte …

Eigentlich ist es immer die gleiche Behauptung: Es gäbe keinen unmittelbaren gesellschaftlichen Charakter der Arbeit, nur einen, der über die Wertform vermittelt ist. Und das ist die Position der Warenproduktion. Eine solche Sicht auf den gesellschaftlichen Charakter der Arbeit entspricht der Warenökonomie. Denn unmittelbar gesellschaftlich heißt nichts als der Gebrauchswert als gesellschaftlich.

*

Dem Leser sei nun Dank, dass er dem Autor bis hierher gefolgt ist. Es könnte sein, dass er – nach soviel kritischer Distanz zum bisherigen Stand der sozialistischen ökonomischen Wissenschaft - ein erhöhtes Bedürfnis darauf hat, zu erfahren, was denn nun richtig ist. Ich hoffe, ich habe dazu, parallel zur Überarbeitung gewisser Texte, schon eine Vorarbeit geleistet, hier noch einmal ein konzentrierter Ausdruck.

Die sozialistische Ökonomie ist eine der Planwirtschaft, sie ist durch die Fortexistenz des Geldes gekennzeichnet – dieser Zusammenhang, oder diese „Einheit“, muß also erklärt sein, aber sie ist nicht gekennzeichnet dadurch, dass es eine systematische Reduktion der Geldform auf die Wertform der Ware gibt, das muß verneint werden – und das will auch erklärt sein. Dazu muß nicht nur der Autor seine Meinung sagen, sondern es hat sich, so hoffe ich, auch ergeben, dass alle solche Überlegungen schon in den sowjetischen Publikationen anklingen, versteckt, unsystematisch, aber dennoch vorhanden sind, wenn auch der Grundtenor von einer besonderen Warenproduktion im Sozialismus alles übertönte.

Aus dieser Fessel müssen wir uns befreien. Notwendig ist eine Sicht auf die Ökonomie im realen Sozialismus, die nicht ideologisch geprägt ist, die nicht etwas sehen will, sondern die etwas sieht. Wir brauchen eine ökonomische Theorie, die sich streng auf die wirklichen Mechanismen der Planwirtschaft orientiert, die nicht Kategorien vorgibt, sondern Kategorien erkennt, bevor sie sie lehrt.

Die Ökonomie des Kommunismus ab der 1. Phase

Heute wissen wir - das ist die Erfahrung und wir denken, dass es auch die wirkliche Lehre aus dem realen Sozialismus/Kommunismus ist -, dass es mindestens drei Perioden gibt, über die die bürgerliche Geschichte oder Geschichte des Privateigentums durch eine Geschichte des Kommunismus oder Geschichte des Volkseigentums abgelöst wird.

Bei vorausgesetztem revolutionärem Weg, also einer tatsächlichen Erhebung der Arbeiter und der Aneignung der Macht durch sie, haben wir es zunächst als kommunistisch mit dieser Macht zu tun. Und maximal über eine Wirtschaftspolitik mischt sich diese Macht in die Produktionsverhältnisse ein oder macht sie sich als kommunistische Macht geltend. Diese ersten Produktionsverhältnisse sind zunächst die noch nicht angetasteten privaten Verhältnisse. Selbst dort, wo schon volkseigene Betriebe entstanden sind, bewegen sie sich nach den Gesetzen der Ökonomie des Privateigentums, d.h. wertökonomisch; sie sind für ihre Reproduktion unmittelbar entsprechend ihren Einnahmen verantwortlich (Selbsterwirtschaftung ihrer Mittel, lautet der entsprechende Begriff, Lenin fand den von der wirtschaftlichen Rechnungsführung). Sie verhalten sich also ökonomisch gesehen noch wie Privatbetriebe und damit entgegen ihrem neuen, eigentlichen Eigentumstitel, was aber noch nicht als ein seiender Widerspruch verstanden sein kann.

Wie lange diese Periode oder damit eine erste Phase einer neuen Gesellschaftsordnung nach dem Kapitalismus dauert, hängt auch von dem Willen der die Gesellschaft führenden politischen Organe (Partei, Parteien, Organisationen) ab, mit dem institutionellen Aufbau der Planwirtschaft zu beginnen. Sie wird sehr lange dauern, wenn dieser Wille gering oder durch gewichtige Gründe - darunter auch äußere - gestört ist, und dann wird diese Übergangsgesellschaft sich festigen nur unter der Bedingung, dass sie an eine spezifische Form innerer Auseinandersetzungen und Kämpfe gerät, die sehr den Kämpfen in einer bürgerlichen Gesellschaft gleichen; insbesondere die sozialen Verhältnisse können keiner befriedigenden Lösung im Sinne kommunistischer Verhältnisse der Aneignung entgegen geführt werden. (Siehe aktuell China).

Diese Phase des Verharrens der revolutionären Veränderung kann schnell vorübergehen und sich kaum als eine spezifische Periode des Übergangs im Bewußtsein der Menschen bemerkbar machen, wenn dieser Wille groß und stark ist, d.h. relativ zügig zu einer Planwirtschaft übergegangen wird (siehe Sowjetunion, DDR usw.); wobei auch möglich ist, dass ein schnelles Verlassen der Vorform vor dem Kommunismus sich ebenfalls in einer spezifischen gesellschaftlichen Form, sagen wir einer sehr streng gehandhabten kommunistischen Politik, niederschlägt. (Problem eines Absolutistischwerdens der Machtausübung beim Übergang zu einer zweiten Phase des Kommunismus (bisher erste oder sozialistische Phase des Kommunismus genannt), was fälschlich als ein Demokratieverlust bezeichnet wird. Der Absolutismus im Kommunismus bestimmt sich aber nicht als Gegensatz zum Volk und auch nicht auf besondere Weise ökonomisch, insofern ist er keinem bisherigen Absolutismus, feudalem etwa, gleichzusetzen.)

Eine Wende in dieser mit einer entweder sozialen oder politischen Problematik behafteten Phase kann erst erfolgen, wenn gesellschaftlich die Bedingungen einer Planwirtschaft geschaffen werden, auch institutionell geschaffen werden, und wenn von diesen Institutionen der Planung die Ausübung der ökonomischen Macht gesellschaftlich erfolgt. Dann erst beginnen Produktionsverhältnisse des Kommunismus zu wirken und steht ein gültiger Charakter des Volkseigentums in Harmonie mit seinen Arbeitern und seinem ökonomischen Prinzip.

Jedoch ist dies noch nicht die reife/vollendete Periode des Kommunismus, denn noch gilt für die Arbeiter/Arbeitenden die Arbeitszeit als Maß für die Aneignung. Es wird mehr Geld (Lohn) gezahlt, wenn länger gearbeitet wird, und weniger, wenn kürzer. (Das gilt übertragen auch für Löhne qualifizierter Arbeiter.) D.h. die Aneignung schwankt entsprechend der gearbeiteten Zeit, noch nicht entsprechend einem Anstieg oder Abfall in den Bedürfnissen. Jedoch gilt dies nur für die Form der individuellen Konsumtion, also nur unmittelbar für den Arbeiter, die Arbeitenden, nicht mehr für die ökonomische Aneignung durch die Produktion, den Arbeitsprozess selbst. Für diesen endet die Aneignung nach dem Prinzip des Wertes, d.h. nach der im Betrieb geleisteten Arbeitszeit sofort; die Aneignung durch die Arbeit wird schon mit der zweiten Periode (bisher erste Phase) direkt und unmittelbar völlig kommunistisch, d.h. sie wird eine Aneignung nach dem Bedarf der Produktion. Der ökonomische Beginn des Kommunismus ist daher auf den Beginn der Planwirtschaft festzulegen.[35]

Die Wende vom Wert zum Bedarf (gleichbedeutend mit dem Übergang von der abstrakten zur konkreten Arbeit als dem Verhältnis der Arbeit) wurde in der sozialistisch/kommunistischen Ökonomie mit dem Übergang zur Planwirtschaft zwar praktisch vollzogen, aber sie wurde theoretisch nicht eindeutig markiert und ist daher in der Wissenschaft vom Kommunismus ungenügend bis gar nicht gewürdigt. Stattdessen kam es mit dem Übergang zur Planwirtschaft zu einem ungemäßen Kampf um die Fortsetzung der Warenökonomie in der zweiten Phase des Kommunismus, auch Sozialismus genannt, der zu einer Spaltung in der sozialistischen Wissenschaft führte; die Gesellschaft insgesamt geriet an eine Form der gesellschaftlichen Stagnation, die ökonomische Revolution - in den Produktionsverhältnissen, insbesondere Lohnverhältnissen - stockte und konnte in der Konsequenz von einer Gegenrevolution, d.h. neobürgerlichen Wende genutzt werden. Der Eigentumsgedanke erfuhr eine Wiederbelebung, der ideologisch innerhalb der Arbeiterbewegung in eine ökonomische Form des Revisionismus umschlug.

Der Revisionismus inmitten der kommunistischen Theorie und sozialistischen Praxis nahm die Form einer Wiederauferstehung der Waren- und Wertökonomie an, die zur Zukunftsform für den Kommunismus erklärt wurde ("sozialistische Warenproduktion"). Diese Form der Fortsetzung der Warenproduktion ist aber revisionistisch, weil sie mit der Planwirtschaft wieder bricht.

Es kann bei einer Aneignung nach dem Bedarf mehr, gleichviel oder weniger Arbeit (in abstrakter Hinsicht, also der in den Gütern, die bezogen werden, getätigten Arbeitszeit) angeeignet werden, d.h. die Aneignung in der Planwirtschaft verläuft proportional den Bedürfnissen auf Arbeit, nicht äquivalent der geleisteten Arbeit, ihr liegt die gesellschaftliche Arbeitsteilung und deren Bewegung zugrunde, nicht Eigentum und dessen Expansion. Die Aneignung in der Planwirtschaft richtet sich nach dem Bedürfnis der Gesellschaft auf die konkrete Arbeit der Betriebe, nicht nach dem von diesen Betrieben geleisteten Arbeitszeitvolumen; insofern endet mit der Planwirtschaft das Wertprinzip in der Aneignung von Arbeit durch die Produktion und ist der Wert nicht mehr ihr Produktionsverhältnis. Die Aneignung nach dem Bedarf wird den Betrieben in den Auflagen des Planes vermittelt, sie sind verbindlich für das Ausmaß der betrieblichen Aneignung, der Plan drückt einen gesellschaftlichen Willen aus, in den die individuellen Wünsche eingehen, aber er drückt nicht ein individuelles Interesse, eben ein Eigentumsinteresse an der Arbeit an sich aus.

Es tut sich ein klareres Verständnis der Periodisierung des Kommunismus auf; das verbietet, von der Formierungsperiode des Kommunismus (Periode nach der Vorperiode), auch Sozialismus genannt, als einer eigenen Gesellschaftsformation oder Gesellschaftsordnung, unterschieden vom Kommunismus, zu sprechen. Diesbezügliche Theorien sind revisionistisch. Sie bremsen den Prozess, tragen die Tendenz in sich, das historische Rad nicht nur nicht vorwärts, sondern sogar zurück zu drehen und bereiten so – auch wenn sie selbst sich nicht für konterrevolutionär halten – die revisionistische Aufweichung der Planwirtschaft und so die Restaurierung des Kapitalismus, also die Konterrevolution vor. Sie widersprechen der Dynamik der einzelnen Perioden beim Aufbau der kommunistischen Gesellschaftsordnung. Elemente des Kommunismus oder überhaupt das Produktionsverhältnis des Kommunismus beginnen früher, wie Elemente der bürgerlichen Ökonomie auch früher enden, eben mit diesem Übergang zu dem neuen Verhältnis des Bedarfs auf Gebrauchsgüter zur Produktion enden!

Der Umstand, dass 1. die so genannte Übergangsgesellschaft, d.h. die Periode vor der bisher erste Phase des Kommunismus genannten Phase, länger dauern und zu einer eigenen gesellschaftlichen Erscheinung führen kann (siehe also China), und 2. sie aber auch nur kurz zu dauern braucht (siehe die 20er Jahre in der UdSSR und die 50er in der DDR) und sofort zur kommunistischen Phase des Aufbaus der Planwirtschaft übergegangen werden kann, und sich nunmehr zeigt, dass sie bereits mit Elementen des reifen Kommunismus durchsetzt ist, führt dazu, quasi von einer Dreiteilung in der Periodisierung des Kommunismus auszugehen. Sie sind allerdings alle Phasen einer gleichen Gesellschaftlichkeit kommunistischen Charakters, die zunächst politisch, als Macht ihr Haupt erhebt, und dann früher oder später in eine Ökonomie der neuen Art umwandelt. Dabei erfährt sowohl der Wille, die reine Form der politischen Macht zu verlassen und zu gesellschaftlichen Formen der neuen Ökonomie überzugehen, als auch die Bereitschaft, Übergangsformen zur kommunistischen Ökonomie sofort mit reifen Formen der kommunistischen Ökonomie zu verbinden, eine Entwicklung.

Die dritte Periode, der so genannte reife Kommunismus (bisher die zweite oder höhere Phase des Kommunismus genannt) beginnt historisch gesehen in Elementen bereits in der zweiten Periode des Kommunismus (bisher erste Phase genannt) und setzt auf dem Gebiet der individuellen Konsumtion zuletzt, mit ihrem letzten Element ein, wenn auch dort nach Kriterien des Bedarfs verteilt werden kann. Formen der Bedarfsentlohnung können insbesondere über gesellschaftliche Formen der Entlohnung geweckt und gefördert werden. Hier kann es, da es sich in der Voraussetzung um Produktionsfortschritt, um ökonomisches Wachstum handelt, auch Rückschläge, sich in die Länge ziehende oder sich verkürzende Phasen geben, aber vom Prinzip geht es immer und nur um diesen Übergang. Ein solcher in die Länge sich ziehender Wechsel vom Maß der Zeit zum Maß des Bedarfs gilt aber, wie schon gesagt, nur für die individuelle Konsumtion.

Für die gesellschaftliche Konsumtion dagegen, also die Aneignung durch die Betriebe und den Staatsverbrauch, beginnt die Aneignung nach dem Bedarf schon in der Periode der reinen Macht, also unmittelbar nach der Übernahme der Staatsgewalt durch die Arbeiter, d.h. ebenfalls früher als erst in der zweiten Periode. Allgemein ökonomisch, für die Betriebe relevant, wird Aneignung nach dem Bedarf ab der Periode der Planwirtschaft.

Der Bruch in der sowjetischen sozialistischen Ökonomie (der die anderen sozialistischen Länder später gefolgt sind) trat ein, als sie sich nicht mit Beginn der Planwirtschaft den ökonomischen Gesetzen und Mechanismen der Planwirtschaft unterordnete, sondern einen Dualismus von Plan und Markt (Plan und Ware), mit der Zeit immer mehr Ware und Plan, ansteuerte, damit wurde sie passiv hinsichtlich der bürgerlichen Kritik, sie übernahm deren Positionen bei der Betrachtung der Planwirtschaft.

Warenproduktion (Wertökonomie), also bürgerliche Form der Produktionsweise als Prinzip der Aneignung (!), kommt in keiner der drei genannten Perioden, auch in der ersten nicht, im vollen Sinne des Wortes vor, mit der Abkehr von der bloß politischen Macht und dem Übergang zu Machtformen der Planwirtschaft quasi gar nicht mehr. Indem wir einerseits die Theorie einer besonderen, dritten Form der Warenökonomie, der sozialistischen Warenproduktion zurückweisen, stehen wir andererseits natürlich in der Pflicht, eine richtige, der Realität gerecht werdende Theorie der Planwirtschaft zu liefern. Mit der These („gar keiner Warenproduktion mehr“) wird endlich die Theorie vom Kommunismus von Anfang an vom Kopf auf die Füße gestellt, wird der Aufbau des Kommunismus nicht mit bürgerlichem Maß gemessen, d.h. mit dem Maß, das der Kommunismus hinter sich lässt, sondern mit dem kommunistischen Maß, dem Maß, das entwicklungsgeschichtlich kommt.

Als letztes bürgerliches Medium bleibt das Geld, das in der individuellen Konsumtion bis in den Kommunismus hinein aufrechterhalten werden muß. Grund ist die Kanalisierung, Begrenzung von Verbräuchen, es kann noch nicht frei konsumiert werden, deshalb muß abstrakt gegen den Gebrauchswert, also in der Geldform eine Begrenzung vorgegeben sein (dies gilt nur für die individuelle Konsumtion). Indem man die Geldmenge begrenzt, begrenzt man den Verbrauch. (Ansonsten müßte man ja über ein Kartensystem begrenzen, und das uniformierte das Individuum.) Was das Geld aber nicht mehr, in keinem Falle mehr - außer in der ersten Periode und hier aus Gründen der noch nicht zum Kommunismus hin entwickelten ökonomischen Verhältnisse - darstellt, ist ein Wertverhältnis der Arbeit.

Dadurch ist unsere Kritik von der des linken Revisionismus oder des Anarchismus verschieden, indem wir nicht – wie diese – die Abschaffung des Geldes fordern, sondern sagen, das Geld ist abgeschafft: als Verhältnis der Ware zum Wert, als das Geld, das die Erscheinungsform des Wertes ist, als Tauschwert.

Wert ist vergegenständlichte menschliche Arbeit, die in der Geldform zum privaten Eigentum wird; im Sozialismus/Kommunismus brauchen wir Gebrauchswert als Aneignung.

Der Theorie von der sozialistischen Warenökonomie demonstriert ihre Unfähigkeit, ökonomische "Phänomene" des Sozialismus zu erklären, d.h. seine Normalität unter Bedingung des formellen Erhalts der Geldform in der Wertform zu verstehen und zu erklären. Er legt an den realen Kommunismus die Elle des Kapitalismus an - und regt sich auf: wie ein Kapitalist. Er nutzt eine Praxis der Revolution für eine Theorie der Restauration ... die ihm nur nicht als eine solche vorkommt, weil sie auch einer Praxis seiner eigenen Macht, allerdings in ihrer frühesten, unentwickeltsten ökonomischen Erscheinung (gleich nach Beginn der Revolution, vor jeder Veränderung in den Verhältnissen des Eigentums) entsprechen kann. In Wirklichkeit läutet das inhaltliche Ende der Wertform nur auch ihr formelles Ende ein - man muß es aber auch "sehen" können. Und dann wollen.

Es liegt kein Interesse beim Kommunismus vor, ein auf dem Wert begründetes Eigentum ökonomisch, d.h. eben per Geld, anzuerkennen. In der Ökonomie unterliegt das Geld demselben Prinzip der Verteilung wie der Gebrauchswert auch ohne Geld ihm unterliegen würde, d.h. es führt keine von diesem unabhängige Bewegung aus ("es zirkuliert nicht", Marx, „Kapital“ Band II), was das Geld ja erst zum Geld, d.h. Wertverhältnis erheben würde. Sondern das Geld wird allgemein, also auch durch die Betriebe angeeignet wie Geld beim Arbeiter in der Form des Lohnes angeeignet wird. Es berechtigt zum Kauf, aber der Kauf ist bestimmt durch Bedarf auf Gebrauchswerte; und was hier Bedarf ist, ist im Betriebsplan vorgegeben. Das Geld wird von der Gesellschaft (ihren Institutionen) verteilt wie die Gesellschaft Rechte auf Gebrauchsgüter - die ja immer einen konkreten Verbraucher haben - verteilt bzw. zuordnet. Damit hört das Geld auf, ein besonderes Eigentum (oder Interesse) zu sein oder hört das Eigentum auf, überhaupt die Form Privateigentum (= Selbsteigentum, sich selbst zum Eigentum) zu haben. Das Geld, welches Rechte auf die Konsumtion vermittelt, unterscheidet sich von einem Geld, das Rechte auf die Produktion vermittelt, wie sich der Kommunismus vom Kapitalismus unterscheidet.

Es gehörte zum Grundirrtum der sich in Revisionen ergehenden „kommunistischen Wissenschaft", den Wechsel im Charakter des Geldes im Sozialismus nicht zu erkennen und es zu einem Neutrum der Geschichte zu machen - mit allerdings immer dem gleichen Charakter: Dem Wert der Ware der Tauschwert zu sein, also Wertmaß zu sein. So konnte im Bewußtsein der Menschen, insbesondere der kommunistischen Wissenschaftler, nicht die bürgerliche Produktionsweise, die Warenproduktion verschwinden und der Charakter des Kommunismus nicht als der eingetretene gesellschaftliche Wandel hervortreten. Die Gesellschaft ... stagnierte: im Bewußtsein. Der Sozialismus war weiter gediehen als seine ökonomische Wissenschaft. Nicht der werdende Kommunismus hat den Menschen, die Menschen (Kommunisten) haben dem kommunistischen Ziel ein Bein gestellt.

Ein – vorläufiges – Schlusswort:

Dass die Wissenschaft sich der Debatte um die Warenproduktion im Sozialismus unterordnete, sie zu ihrem „wichtigsten Thema“ erhob, war gar nicht einmal das Schlimmste, sondern dass die sozialistischen Parteien sich ihr anschlossen; dass die Frage der warenökonomischen Reform (um was anderes ging es in letzter Konsequenz nicht mehr) auch zur Frage der Partei erhoben, wurde zum eigentlichen Problem. Die Suche nach einem inneren Subjekt für die Ware konnte ja nur dazu führen, dass sich niemand unmittelbar mehr als das Subjekt des Sozialismus empfand.

Die Sowjetunion, sie als sozialistisch-kommunistischer Körper, wurde aufgegeben. Aus diesem Grund, ein warenökonomisches Subjekt im Sozialismus zu finden? Mitnichten. Die Sowjetunion ist bürgerlich geworden, restaurativ im kapitalistischen Sinne. Die Reformer müssten sich eigentlich enttäuscht zeigen. Hat sie Gorbatschow nicht enttäuscht? Hat er sie nicht nur benutzt? Nun, Gorbatschow war wohl kein „sozialistischer“ Reformer, sondern war, am sozialistischen Maß gemessen, ein Konterrevolutionär – und ein großer Teil der Apologeten der Warenproduktion im Sozialismus resp. „sozialistischen Marktwirtschaft“ waren es auch.

Wir, d.h. unser Standpunkt, aber hat es mit dem Ende der Planwirtschaft zu tun, soweit das ein Moment der Forderung nach einer neuen, dritten geschichtlichen Form der Warenproduktion war, also einem warenökonomisch organisierten Sozialismus war. D.h. wir müssen das Problem, das uns unmittelbar betraf, noch immer diskutieren – es ist konstitutiv für die kommunistische Identität! Auch wenn es uns unmittelbar nicht mehr praktisch trifft, so trifft es uns doch theoretisch. Wir werden als Kommunisten gar keine Theorie mehr haben, wenn nicht in dieser Frage. Jeder Wiederbeginn des Sozialismus wird zu tun haben mit unserer praktischen und theoretischen Vergangenheit.

Der Gesellschaftswechsel in der Sowjetunion, die Konterrevolution, hat auch andere als nur ökonomische Gründe (um die es hier aber nicht geht), uns bleibt nur, dass es eine gewisse fördernde Rolle für diesen Gesellschaftswechsel gegeben hat, weil es zuvor eben diese ökonomische Debatte als eine die Gesellschaft destrukturierende Debatte gegeben hat. Weil sie dem Gesellschaftswechsel diente, ist sie heute noch immer aktuell, aber ihr eigentliches Problem ist die Frage: was ist Sozialismus?

Fazit: Eine Verurteilung/Verwerfung des realen Sozialismus (noch dazu im Namen des Marxismus) ist in keiner der historischen Perioden, in der der Sozialismus/Kommunismus bisher praktisch existierte, notwendig und gerechtfertigt. Wir müssen von einer negativen bis negierenden Auffassung vom Sozialismus zu einer positiven Auffassung vom realen Sozialismus zurück kehren (oder voran gehen), was aber bedeutet, dass wir in der Frage der Fortsetzbarkeit der Warenökonomie im Kommunismus und/oder über das Wesen einer geplanten Ökonomie endlich zur Klarheit gelangen.

Hermann Jacobs, Berlin


ANMERKUNGEN

  1. Ernst Albrecht, RotFuchs, März 07, Innenblatt, RF-Extra. S. II

  2. Ingo Wagner, Kritische Notizen gegen Geschichtsmystifikationen in Sicht des wissenschaftlichen Sozialismus; in: „Die Legende von der revisionistischen Wende“, Schriftenreihe des „Marxistischen Forums“, Nr. 56, Juni 2008, S. 21/22

  3. Fred Matho, „Gilt das Wertgesetz auch im Sozialismus?“ in: RotFuchs Nr 3-2006, S. 10

  4. Karl Marx, Das Kapital, Band 1, MEW 23, S. 95

  5. Karl Marx, Das Kapital, Band 1, MEW 23, S. 87

  6. Karl Marx, Das Kapital, Band 1, MEW 23, S. 93

  7. Karl Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, S. 19/20

  8. Karl Marx, Das Kapital, Band 1, MEW 23, S. 95/96

  9. Karl Marx, Das Kapital, Band 1, MEW 23, S. 102

  10. Das ist erst in der letzten Zeit, einerseits bei den „Sozialismus-Reformern“, aber auch durch die chinesische Wirtschaftspolitik seit 1978 etwas anders geworden; die NÖP ist in den Rang einer eigenen Wirtschaftsperiode des Sozialismus, der sozialistischen politischen Macht gehoben worden. China beruft sich in seiner 78er Reform auf die Leninsche NÖP. Und die Reformer berufen sich inzwischen gleich auf ein anderes Sozialismus-Modell, dessen Grundlage schon die NÖP gelegt haben soll. Es geht um den Ewigkeitsstatus der Warenproduktion, die Chinesische KP geht eher pragmatisch vor, die Reformer sind – euphorisch.

  11. Die erste theoretische Aussage war auch bauernorientiert: Preobrashenski forderte die „ursprüngliche Akkumulation“ in Bezug auf die Bauern zu Gunsten der Industrie; die KPdSU widersprach vehement – aus Gründen der Bündnispolitik.

  12. „ … unter sowjetischen Ökonomen (waren) lange Zeit (bis zu den 30er Jahren) Vorstellungen verbreitet, dass es eine solche Wissenschaft (wie die politische Ökonomie, J.) unter sozialistischen Bedingungen nicht geben könne. Viele Ökonomen waren damals der Meinung, Objekt der politischen Ökonomie könne nur eine sich spontan entwickelnde Wirtschaft sein, der das Privateigentum an den Produktionsmitteln zugrunde liegt, da angeblich nur hier objektive ökonomische Gesetze wirken. Daraus zogen sie die Schlussfolgerungen: Die politische Ökonomie habe nur die kapitalistische Produktionsweise zu untersuchen. Was den Sozialismus anbetreffe, so seien hier die Produktionsverhältnisse ‚klar’, ‚durchschaubar’, ‚verblaßten’ die objektiven ökonomischen Gesetze und folglich gäbe es hier kein Objekt für die wissenschaftliche, theoretische Forschung.“ In: „Geschichte der politischen Ökonomie des Sozialismus“, Autorenkollektiv der Leningrader Staatlichen A. A. Shdanow-Universität, in Deutsch, Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1973, Seite 24)  

  13. „Die These, dass die Diktatur des Proletariats das Bewegungsgesetz der Sowjetwirtschaft sei, war die zentrale These im Lehrgebiet Wirtschaftspolitik, das 1933 an den Hochschulen statt des Lehrgebiets Theorie der Sowjetwirtschaft eingeführt wurde.“ (ebda, Seite 50)

  14. Was natürlich Unsinn ist; der sozialistische Plan ist Ist und Maß zugleich. Der gedachten/gewollten Wirklichkeit steht immer eine wirkliche Wirklichkeit gegenüber. Diese Korrektur muß auch für den Plan erlaubt sein, ohne dass er gleich einem Verriß anheim fällt.

  15. Arbeitsteilung ist Moment der konkreten Arbeit, und Momente der konkreten Arbeit können bei der Frage nach der Ursache der Ökonomie der abstrakten Arbeit nicht herangezogen werden, da dies den grundsätzlichen methodologischen Fehler bedeutete, die Ökonomie der abstrakten Arbeit aus den Bedingungen und Umständen der konkreten Arbeit zu begründen.

  16. „Hier, wie bei jedem Kauf und Verkauf verliert der Warenbesitzer das Eigentumsrecht an der Ware, während der Käufer Eigentümer dieser Ware wird.“ (1. Lehrbuch, S. 501, s.o.)

  17. Das ist ein frühbürgerliches, fast noch urgesellschaftliches Verständnis der Warenproduktion, oder einfach ein Verständnis der Arbeitsteilung, das auch mit dem entwickelten Kommunismus kompatibel ist. Das ist quasi kein Geldverständnis, aber ein Verständnis des Austausches als Produktenaustausch – Korn gegen Beil.

  18. Und noch später, in der stark überarbeiteten 4. Auflage desselben Lehrbuches – de fakto einer Neufassung -, lesen wir direkt (ich greife hier voraus): „Die Arbeiter und Angestellten erhalten für ihre Arbeit vom Staat einen Geldlohn, den sie durch den Kauf von Konsumgütern in staatlichen und genossenschaftlichen Handelsbetrieben oder auf dem kollektivwirtschaftlichen Markt realisieren. Hier verliert der Verkäufer (also der Staat, J.) das Eigentumsrecht an der Ware, während der Käufer (also der so genannte Mensch, Werktätige oder Konsument seiner Arbeit, J.) Eigentümer dieser Ware wird; die Waren gehen aus dem staatlichen beziehungsweise dem genossenschaftlichen Eigentum oder auch aus dem persönlichen Eigentum der Kollektivbauern in das persönliche Eigentum der Arbeiter und Angestellten über“ (Lehrbuch, 4. Auflage, russisch 1962, deutsch 1965, S. 539). – Es gibt also drei Eigentumsformen; zu den beiden schon genannten gesellt sich noch das „persönliche Eigentum“. Eigentum wird nicht mehr nur für Menschen, für Produzenten, im Verhältnis zu den stofflichen Trägern der Produktion bestimmt, sondern auch nach Konsumenten. Welch Verwirrung des Eigentumsbegriffs.

  19. Und wohin das führt, kann man an den aktuellen Äußerungen von Prof. Matho im RotFuchs oder von Robert Steigerwald in der UZ sehen: Dort wird die Warenproduktion aus der Arbeitsteilung begründet. Die Eigentumsform spielt keine Rolle mehr – womit die genannten Autoren sich im offenen Widerspruch zu Marx befinden.

  20. ---

  21. Unter Bedingung noch der Geldform gibt es keinen anderen Beweis dafür, dass die Produkte im Sozialismus oder in einer Planwirtschaft keine Waren mehr sind, als den des Ausschlusses der Wertveränderung aus dem Verhältnis zu Geldmengen. Nur wenn man sich auf eine Praxis beziehen kann, kann man in der Theorie Recht haben oder zugesprochen bekommen.

  22. Während sonst genau beobachtet wurde, wer was sagte, und man mit einem gesellschaftlichen „Gericht“ nicht lange fackelte, erleben wir bei der ökonomischen Debatte in der Sowjetunion eine seltsame Großzügigkeit und Freiheit der Meinungen. Ich erkläre mir das so, dass die Partei, ihre „führenden Organe“ es selbst nicht genau wussten, und außerdem war, ich betonte das schon, solange es um begriffliche Zuweisungen ging, die Debatte auch nicht „gefährlich“. Erst als die funktionale Ordnung der Planwirtschaft mit ins Gespräch kam und de fakto in Zweifel gestellt wurde, kam es auch zu Ausgrenzungen von Meinungen aus der Debatte bzw. „stagnierte“ diese oder versandete sie in Wiederholungen.

  23. Womit Engels darauf aufmerksam macht - ganz im Sinne von Marx -, dass Austausch etwas anderes ist als das bloße Bewegen, Vermitteln von Gebrauchswerten, derjenigen, die sie produziert haben, zu jenen, die sie konsumieren. In der sozialistischen Literatur, sowjetischen und auch sonstigen, kann man haufenweise die Verwechselung der beiden Bewegungen feststellen, d.h. der Gebrauchswertwechsel wird für den Austausch ausgegeben, womit der Kerngedanke von Marx, dass Austausch ein inneres Moment bei der Herstellung der Wertform der Ware ist, also der Wechsel von der nichtunmittelbaren in die unmittelbare Wertform ist, völlig aus dem Verständnis verschwindet.

  24. Und dass es in der Tat im Kommunismus so ist, würde direkt sichtbar, würden die Betriebe die Löhne nicht aus den Einnahmen der Betriebe begleichen müssen, sondern würde der Lohnfonds als ein eigenständiger Geldfonds neben den anderen Geldfonds (Investitionsfonds, Reparaturfonds usw.) schon geführt worden sein. Auch hätte der Staat/die Gesellschaft den betrieblichen Lohnfo9nds zu speisen, nicht die betrieblichen Einnahmen. Eine Reform in dieser Richtung lag eigentlich in der Luft.

  25. Ich sage an sich entfallen, d.h. auch für den Betrieb entfallen, der mit geringen oder gar keinen Erweiterungsinvestitionen bedacht worden. Warum? Weil natürlich nicht nur Arbeiter eingespart werden, sondern auch ganze Betriebe. Wer eben ökonomisch einsparbar ist, muß nicht mehr mit Gewinn bedacht werden. Das ist normal und das erledigt eine Planwirtschaft auf eine andere Weise als über einen Bankrott oder eine vorhergehende Entlassung von Arbeitern.

  26. Daraus folgt aber auch, dass die DDR-Wissenschaft das eigentliche Anliegen des NÖS theoretisch weitergetrieben hat. Wir haben dadurch die Tatsache zu verzeichnen, dass bis in unsere Zeit ein wesentlicher Teil der einst maßgeblichen Theoretiker der DDR dem Reformgedanken des Sozialismus eingeschworen blieb; ehemalige DDR-Wissenschaftler stellen den maßgeblichen Teil jener Reformer, die ein anderes Sozialismus-„Modell“ als das planwirtschaftliche protegieren, mehr noch als dies von ehemaligen sowjetischen Wissenschaftlern bekannt ist.

  27. In: „Politische Ökonomie des Kapitalismus und des Sozialismus“, Dietz Verlag Berlin, 1974, S. 523.

  28. Wir übersehen hier nicht, dass auch der Festpreis-Bezug ein dynamischer Bezug zur Arbeit ist, eben ihrer anderen, der produktiven, konkreten Seite. Während die Dynamik des Wertes sich den Preisen im Einzelnen, vermittelt sich die Dynamik der Produktivkraft den Preissummen im Gesamten.

  29. Lehrbuch „Politische Ökonomie/Sozialismus“, Herausgegeben vom Lehrstuhl Politische Ökonomie der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Moskauer Staatlichen Lomonossow-Universität, Moskau 1970, Deutsch: Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1972, Seite 264.

  30. In: „Politische Ökonomie / Der Sozialismus – die erste Phase der kommunistischen Produktionsweise“, Deutsch: Dietz Verlag Berlin, 1973.

  31. I. I. Kusminow: „Abriß der politischen Ökonomie des Sozialismus/Methodologie“, Dietz Verlag Berlin, 1976. Übersetzung aus dem Russischen.

  32. Welche sagenhaften Produktivkräfte sollen denn das sein, die die Ware überflüssig machen wenn alle bisherigen die Warenproduktion notwendig machten?

  33. In der bürgerlichen oder reformistischen Kritik ist der Angriff auf die Planwirtschaft ja üblich, aber es wird die Warenproduktion (bei ihnen Marktwirtschaft) auch nur als die bürgerliche verstanden.

  34. D. Smoldyrew: „Das historische Schicksal der Warenproduktion“, in „Ökonomische Wissenschaften“ 1987, Heft 8; Deutsch in „Sowjetwissenschaft / Gesellschaftswissenschaftliche Beiträge“ Heft 3/1988, Seitenangaben nach der deutschen Ausgabe.

  35. Die ökonomische Aneignung der Individuen ist a priori auf den Gebrauchswert fixiert, sie ist von der ökonomischen Form her Umsetzung von Geld in Gebrauchswerte.