Der europäische Imperialismus

Socialist Unity Center of India (SUCI): Schritte zu den “Vereinigten Staaten von Europa“ oder: Anstrengungen für eine Veränderung der imperialistischen Kräfteverhältnisse

1. Teil

Die aktuellen Entwicklungen in verschiedenen europäischen Ländern, vor allem die Aktivitäten der EU und der Versuch, eine gemeinsame europäische Verfassung zu installieren, haben überall auf der Welt zu großer Aufmerksamkeit geführt. Dabei zeigte sich leider eine große Konfusion über die Rolle der EU in der internationalen Politik und deren Auswirkungen auf das Leben der Menschen.

Zunächst sei hier festgestellt: Die EU ist die Vereinigung der herrschenden Klassen der unterschiedlichen europäischen Länder, gegründet, gestaltet und propagiert von den regierenden bürgerlichen Parteien dieser Länder. Konflikte und Kooperationen, Widersprüche und Gemeinsamkeiten, die diese Entwicklung begleite, können als nichts anderes angesehen werden, denn als verzweifelter Versuch sowohl der großen imperialistischen Staaten als auch der schwächeren und rückständigeren europäischen Länder in Europa, sich über ihre ökonomische Krise hinwegzuretten, die sich u.a. in wachsender Arbeitslosigkeit, niedergehender Industrie, großen Fusionen und rapider Kapitalvernichtung bemerkbar macht und so die Gefahr von sozialen und politischen Unruhen hervorruft.

Grundsätzlich wurzeln diese offenen Widersprüche in der dritten sich nach dem 2. Weltkrieg entwickelnden großen Krise des Weltimperialismus. Wie der Genosse Shibdas Ghosh, Generalsekretär unserer Partei, des „Socialist Unity Center of India“ (SUCI), zu mehreren Gelegenheiten erklärte, begann diese krisenhafte Entwicklung in den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Die Existenz eines parallelen sozialistischen Weltmarktes und dessen Kraft, der Verlust der traditionellen Kolonien, die Anstrengungen der neuen Bourgeoisien in den ehemaligen Kolonien, am kapitalistischen Weltmarkt teilzunehmen, – dies alles zusammen genommen  schmälerte die Märkte der machtvollen imperialistischen Länder, oder anders ausgedrückt;: schmälerte die Märkte für den Welt-Imperialismus.

Akute Absatzkrisen und Rezessionen zwangen die imperialistischen Länder der Welt, eine Maßnahme nach der anderen durchzuführen, um diese Krisen zu überwinden – aber ohne Erfolg, stattdessen verschärften sich die Probleme.

Die aktuellen Entwicklungen in Europa müssen vor diesem Hintergrund beleuchtet und beurteilt werden. Es ist notwendig, vorurteilslose Analysen der Prozesse und ihrer ideologischen Begleitmusik vorzunehmen, um entscheiden zu können, wie der Zusammenschluss der europäischen Länder zu sehen und zu beurteilen ist. Wir legen die folgende kurze marxistische Studie vor, um etwas mehr Licht in die Sache zu bringen. Bevor wir zur Analyse der aktuellen Prozesse kommen, werfen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte der EU.

Der Beginn: Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG).

Die EU ist eine Institution mit dem offiziellen Auftrag, die europäischen Länder mit dem Ziel einer friedlichen Entwicklung zu vereinen. Solche Vereinigungsvorhaben sind nicht wirklich neu für den Kontinent, hier sei nur an Karl den Großen, das Heilige Römische Reich oder die napoleonischen Eroberungen erinnert. Der erste gelungene Versuch einer Einigung aber war die Gründung der EWG, beschlossen mittels der Römischen Verträge am 25. 3. 1957 und in Kraft gesetzt am 1. 1. 1958 zwischen den Ländern Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlanden und Westdeutschland. Der Vorgänger der EWG war die Montanunion, die 1952 unter den eben genannten Ländern einen gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl begründet hatte. 1957 wurde zusätzlich zur EWG eine Europäische Gemeinschaft zur Förderung der Atomenergie, die EURATOM, gegründet.

Die EWG wurde als „Gemeinsamer Markt“ der beteiligten Staaten ins Leben gerufen, Staaten, die im oder nach dem 2. Weltkrieg gänzlich oder zum Teil ihre Kolonien und damit auch deren Ressourcen und Märkte verloren hatten. Geführt wurde die EWG von Frankreich und Westdeutschland – und sie war von Anbeginn an gerichtet gegen den übermächtigen Einfluss des USA-Imperialismus in Europe (und in der Welt).

Die EWG arbeitete für die freie Bewegung von Kapital und Lohnarbeit, für Koordination und Kooperation und für eine dementsprechende Handels-, Verkehrs-, Landwirtschafts-, Arbeits- und Sozialpolitik. Ebenso ging es um eine gemeinsame Linie im Außenhandel, um gemeinsame Zölle und Tarife. 1962 wurde ein gemeinsames Preisniveau für landwirtschaftliche Produkte eingeführt, 1968 wurden ähnliche Verträge für viele andere Produkte geschlossen, 1979 wurde das Europäische Währungssystem gegründet. Und nun schließlich gibt es eine gemeinsame Währung. Mit Ausnahme von Großbritannien, Dänemark und Schweden gilt der Euro nun in 12 Ländern Europas: Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande, Italien, Luxemburg, Griechenland, Spanien, Irland, Österreich, Portugal und Finnland. Die EU ist inzwischen eine Institution mit dem Ziel, nun mit der endgültigen wirtschaftlichen Vereinigung der Mitgliedsländer zu beginnen.

Aber nicht immer verliefen die Entwicklungen gemäß dieses Ziels. So schlug Großbritannien 1958 vor, den „Gemeinsamen Markt“ zu einer transatlantischen Freihandelszone zu erweitern. Denn während der ersten Nachkriegsjahre war us-amerikanisches Kapital in großem Umfang nach Großbritannien geflossen. Deshalb hielten die anderen Staaten Europas, vor allem Frankreich und Westdeutschland, diesen Vorschlag Großbritanniens für einen Versuch, Europa unter die Kontrolle der USA zu stellen. Nachdem Frankreich sein Veto gegen diesen Vorschlag eingelegt hatte, gründete Großbritannien zusammen mit anderen Ländern Europas die Europäische Freihandelszone (EFTA) als Konkurrenz zur EWG. Später aber, beginnend mit dem Jahr 1973 und dem britischen, irischen und dänischem Beitritt zur EWG, kamen sich EFTA und EWG in vielen Bereichen der Wirtschaftspolitik näher und 1995 haben sich alle Kontrahenten in der EU vereinigt – bis auf fünf ehemalige EFTA-Länder.

Die Gründung der EU.

Mit den Verträgen über die EU (auch als Maastricht-Verträge bekannt) wurde das Wort „Wirtschaft“ aus  dem Namen „Europäische Wirtschaftsgemeinschaft“ gestrichen und die EU gegründet.

Von Anfang an zeigten sich Spannungen und Probleme zwischen den Mitgliedsstaaten, die sich vor allem in wiederkehrenden Auseinandersetzungen um die Modalitäten der Beschlussfassung innerhalb der EU äußerte.

Heute hat die EU 25 Mitgliedsstaaten. Zunächst die ursprünglichen Gründerstaaten der EWG, also Frankreich, Italien, Westdeutschland, Belgien, die Niederlande und Luxemburg, 1973 dann traten Großbritannien, Dänemark und Irland bei, 1981 Griechenland, 1986 Portugal und Spanien, 1990 folgte (durch die „Wiedervereinigung Deutschlands“) Ostdeutschland, 1995 folgten Österreich, Finnland und Schweden, und schließlich wurden Zypern, die Tschechische Republik, Ungarn, Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakische Republik und Slowenien in die EU aufgenommen. Grönland, dem 1979 von Dänemark Autonomierechte zugestanden wurden, verließ nach einem Referendum 1985 die EWG. Rumänien und Bulgarien ist die Aufnahme zum 1.1.2007 zugesagt und Kroatien ist Kandidat für den Beitritt. Island, Norwegen und die Schweiz sind keine Mitgliedsstaaten, haben aber Sonderabkommen mit der EU. Mir Russland, das ebenfalls kein Mitglied ist, fand Ende Mai 2005 ein Gipfelgespräch statt, das zu keiner Einigung führte. Es wurden aber weitere Verhandlungen angekündigt. Bei einigen westeuropäischen Mitgliedern der EU gab und gibt es große Vorbehalte gegen die Aufnahme osteuropäischer, ehemals sozialistischer Staaten. Es werden starke Verwerfungen des Arbeitsmarktes befürchtet. Deshalb gelten die osteuropäischen Staaten einigen der Mitgliedsländer als nicht beitrittsfähig. Ein weiterer Streitpunkt ist die Türkei-Frage. In Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und anderen langjährigen Mitgliedsstaaten gibt es große Vorbehalte gegen einen türkischen Beitritt zur EU.

Insgesamt kann man sagen: die EU entwickelte sich durch die Zusammenarbeit einiger europäischer Länder auf wirtschafts- und währungspolitischem Gebiet. Von dort aus wuchs die EU, bekam neue Mitgliedsstaaten und ist heute eine starke, zentralisierte wirtschaftliche und politische Einheit. Während des Entwicklungsprozesses kam es auch vermehrt zu gesetzgeberischen Aktivitäten, die von der EU-Kommission, dem Europäischen Parlament und vom Europarat wahrgenommen wurden. Und die EU hat inzwischen weitere Institutionen: den Europäischen Gerichtshof, die Europäische Zentralbank usw. Durch all diese Strukturen erreicht die EU inzwischen fast-staatliche Kompetenz, die in einigen bereichen auch tatsächlich über den Kompetenzen der Mitgliedsländer stehen.

So weit der Überblick über die Entwicklung der EU.

Die Bemühungen um eine Europäische Verfassung scheitern.

Am 29. 10. 2004 brachten die Führer der Mitgliedsstaaten der EU einen Vertrag über die Verabschiedung einer Europäischen Verfassung auf den Weg, der von allen 25 Mitgliedstaaten unterzeichnet werden sollte.

Die Verfassung sollte die unterschiedlichen, zum Teil sich widersprechenden und auseinanderdriftenden Interessen zusammenfassen und den Dualismus zwischen der starken wirtschaftlichen Kooperation bei gleichzeitigen politischen Widersprüchen überwinden helfen, indem alle europäischen Aktivitäten unter die Schirmherrschaft der EU gestellt werden sollten. Aber dieser Prozess kam am 29. 5. 2005 ins Stocken, als beim Referendum in Frankreich die Europäische Verfassung mit 55 % der Stimmen abgelehnt wurde. Drei Tage später, am 1. Juni 2005, lehnte auch das Volk der Niederlande die Europäische Verfassung ab.

Das brachte die EU in Schwierigkeiten. Der EU-Gipfel in Brüssel am 16. und 17. Juni 2005 verkündete eine „Denkpause“ und bremste das Tempo der Neuaufnahmen in die EU. Außerdem wurde der November-Termin zur Ratifizierung der Verfassung abgesagt – gegen den ausdrücklichen Willen der französischen, deutschen und luxemburgischen Regierungen, die ausdrücklich forderten, den Prozess der Inkraftsetzung der Verfassung trotz der Rückschläge in Frankreich und den Niederlanden wie geplant fortzusetzen. Demgemäß wurde dieser Gipfel ein Erfolg für Großbritannien, das der EU-Verfassung nie sonderlich positiv gegenüber gestanden hatte. Es brachen wieder heftige Widersprüche in der EU auf, z.B. über den Haushalt der EU, über die Agrarpolitik usw.

„Friedliebende“ imperialistische Allianzen wachsen außerhalb der Kriege und legen die Grundlagen für neue Konflikte.

Um eine solche Organisation wie die EWG, dien sich zur EU weiterentwickelte, in die Weltpolitik einordnen zu können, brauchen wir einen kurzen historischen Überblick über die Geschichte Europas. Bevor wir uns nun diesem Thema zuwenden, soll aber kurz Lenin zitiert werden. 1915, mitten im 1. Weltkrieg, als der Imperialismus einer großen wirtschaftlichen und politischen Krise entgegen ging, schrieb Lenin über die Parole der „Vereinigten Staaten von Europa“ im „Sozial-Demokrat“, Nr. 44, 23. August 1915: „Vereiniget Staaten von Europa sind unter kapitalistischen Verhältnissen gleichbedeutend mit Übereinkommen über die Teilung der Kolonien. Unter kapitalistischen Verhältnissen ist jedoch jede andere Basis, jedes andere Prinzip der Teilung als das der Macht unmöglich. … Es kann nicht anders geteilt werden als „entsprechend der Macht“. Die Machtverhältnisse ändern sich aber mit dem Gang der ökonomischen Entwicklung. Nach 1871 erstarkte Deutschland etwa drei- bis viermal so rasch wie England und Frankreich, Japan annähern zehnmal so rasch wie Russland. Um die tatsächliche Macht eines kapitalistischen Staates zu prüfen, gibt es kein anderes Mittel und kann es kein anderes Mittel geben als den Krieg. Der Krieg steht in keinem Widerspruch zu den Grundlagen des Privateigentums, er stellt vielmehr eine direkte und unvermeidliche Entwicklung dieser Grundlagen dar. Unter dem Kapitalismus ist ein gleichmäßiges Wachstum in der ökonomischen Entwicklung einzelner Wirtschaften und einzelner Staaten unmöglich. Unter dem Kapitalismus gibt es keine anderen Mittel, das gestörte Gleichgewicht von Zeit zu Zeit wieder herzustellen, als Krisen in der Industrie und Kriege in der Politik. Natürlich sind zeitweilige Abkommen zwischen den Kapitalisten und zwischen den Mächten möglich. In diesem Sinne sind auch die Vereinigten Staaten von Europa möglich als Abkommen der europäischen Kapitalisten … worüber? Lediglich darüber, wie man gemeinsam … die geraubten Kolonien gegen Japan und Amerika verteidigen könnte…“ (Lenin Werke, Bd. 21, S. 345)

Während der Zeit nach der Industriellen Revolution wuchsen die westeuropäischen Länder schnell zu monopolistischen und imperialistischen Kräften heran. Dieser Prozess verlief natürlich nicht ohne Probleme. In der ersten Phase der Entwicklung der kapitalistischen Ökonomie und des bürgerlichen Staates achtete die Bourgeoisie sehr stark auf die Eigenständigkeit, die Souveränität ihres eigenen Landes und ihrer eigenen Ökonomie. Unbestritten war das notwendig für ein reibungsloses und schnelles Wachstum ihrer Wirtschaft, aber genau so auch für ihre eigene politische Konsolidierung. Aber nachdem der kapitalistische Weltmarkt krisenhafte Entwicklungen zeigte, entwickelten sich in den einzelnen nationalen Ökonomien Tendenzen zur Monopolisierung. Die unterschiedlichen nationalen Bourgeoisien, die bis dahin die nationale Freiheit, die bürgerliche Demokratie und die eigenstaatliche Unabhängigkeit als heiligste Werte gepriesen hatte, schwenkte nun sowohl im wirtschaftlichen als auch im politischen Bereich um – weg vom Nationalstaat und hin zu kosmopolitischen Aktivitäten. Es entwickelten sich imperialistisch-kolonialistische Abhängigkeiten und dementsprechende Konkurrenzen. Diese Prozesse führten immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den imperialistischen Ländern, von denen jedes versuchte, seine eigenen Einflusssphären und Märkte zu verteidigen bzw. zu erweitern. Dies taten sie unter der offiziellen Parole, den Frieden und den Freihandel bewahren zu wollen, es ging ihnen allerdings nur um die Expansion des eigenen Einflussgebietes und den Zugriff auf alle verfügbaren Märkte.

Wir erinnern hier nochmals an die brillante Analyse Lenins in seinem Werk: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Er sagt dort: „In der höchsten Blüte der freien Konkurrenz in England, in den Jahren 1840 bis 1860, waren die führenden bürgerlichen Politiker Englands Gegner der Kolonialpolitik und hielten die Befreiung der Kolonien und ihre völlige Lostrennung von England für unvermeidlich und nützlich. … Gegen Ende des 19. Jahrhunderts aber waren in England die Helden des Tages Cecil Rhodes und Joseph Chamberlain, die offen den Imperialismus predigten und mit dem größten Zynismus eine imperialistische Politik betrieben!“…(Lenin Werke, Band 22, S. 260)

Die akute Überproduktionskrise, die unausweichlich sich verschärfte durch den Übergang des kapitalistischen Systems in seine imperialistische Phase, führte schließlich zum Ersten Weltkrieg. Die wichtigsten imperialistischen Länder Europas waren beteiligt, aufgeteilt in zwei konkurrierende Gruppen, die beide versuchten, ihre eigene Herrschaft über den Weltmarkt durchzusetzen. Aber der Krieg konnte die krisenhafte Entwicklung nicht aufhalten. Vielmehr musste die herrschende Klasse eines imperialistischen Landes, die des zaristischen Russlands, der sozialistischen Revolution weichen, angeführt durch Genosse Lenin. In Europa gab es eine vorübergehende friedliche Periode. Die Krise verschärfte sich weiter und in Deutschland bildete sich der sog. Nationalsozialismus und in Italien der Faschismus als Reaktion auf die Krise. Schließlich trieben diese Länder, selbst getrieben von der eigenen krisenhaften Entwicklung und von der imperialistischen Konkurrenz andere imperialistische Staaten wie Frankreich, Großbritannien und die USA sowie deren Verbündete in den unausweichlichen Zweiten Weltkrieg. Der Sieg der Sowjetunion im Bündnis der Anti-Hitler-Koalition zwang die imperialistischen Räuber zum Frieden, die Krise des Systems des Imperialismus aber verschärfte sich weiter. Der Sozialismus hatte sich als eine starke Kraft gezeigt, die die Welt vom barbarischen Faschismus befreit hatte. Ein Drittel der Welt wurde sozialistisch, es bildete sich das Sozialistische Lager. Zahlreiche Kolonien und halb-koloniale Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika erreichten ihre Unabhängigkeit und einige von ihnen verließen den kapitalistischen Weg, der Weltmarkt bekam durch diese Entwicklungen einen anderen Zuschnitt, neue Kräfte beanspruchten Teile des Marktes, die vorher allein von den mächtigsten imperialistischen Ländern gehalten wurden. Die Märkte wuchsen und wurden stärker ausgepresst als bisher, die Produktionskapazitäten wuchsen dementsprechend – und die folgenden Rezessionen und Krisen übertrafen alle bis dahin bekannten Ausmaße. Die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse wurden dementsprechend unstabil und waren durch häufige Schwenks, Umstrukturierungen, Neuanfänge und interne Veränderungen von hoher Dynamik geprägt.

Der Zweite Weltkrieg führte die Imperialisten zu unterschiedlichen Kooperationen und brachte einen Wandel des Kräfteverhältnisses hervor.

Unterschiedliche kapitalistische Nationalstaaten mit ihren jeweiligen nationalen Besonderheiten und mit ihren im Grundsatz fast gleichen Ansprüchen und mit einer wachsenden Monopolisierung des Kapitals versuchten nun, kosmopolitisch vorzugehen, indem sie unterschiedliche Arten der Kooperation schafften und sich in Teilbereichen direkt zusammentaten – mit dem Ziel, die Krise zu bekämpfen. Wo solche Zusammenschlüsse unmöglich waren, versuchten sie zumindest eine abgestimmte Politik zu verfolgen. Diese Maßnahmen führte zu einer Verdoppelung der Widersprüche: einerseits ließen sie weiterhin die Möglichkeit von nationalen Widersprüchen der imperialistischen Länder untereinander offen, andererseits entstanden neue Widersprüche zwischen den mehr auf Vereinigung drängen und den mehr auf nationaler Souveränität beharrenden Kräften auf unterschiedlichen Ebenen, so sowohl auf der Ebene der verschiedenen Fraktionen des Monopolkapitals als auch auf der zwischenstaatlichen Ebene.

Diese Entwicklung wurde begleitet von einer großen Umgestaltung der Kräfteverhältnisse innerhalb der imperialistischen Länder. Großbritannien und Frankreich waren ebenso wie die Niederlande, Belgien und andere europäische Länder hatten unter den Anstrengungen und Zerstörungen des Krieges zu leiden, außerdem verloren sie einen Teil ihre traditionellen Märkte und Kolonien in Asien und Afrika. Deutschland, Italien und Japan waren zum Teil verwüstet und tief erniedrigt und gedemütigt. Auf der anderen Seite waren die USA erstarkt, waren sie doch vom Krieg wenig betroffen, hatten aber gute Geschäfte mit Waffenexporten an die Krieg führenden europäischen Länder gemacht, so dass sie nun Großbritannien und Frankreich beiseite schieben und sich selbst für die Nachkriegszeit als imperialistische Führungsmacht etablieren konnten. Die USA nutzten die Verhältnisse, um, oftmals mit militärischer Gewalt und/oder mittels Subversion und indirekter Intervention die schwächeren Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas in neo-koloniale Abhängigkeit zu zwingen. Gleichzeitig taten sie sich in Europa durch großzügige finanzielle Unterstützung (die häufig nichts anderes waren als reiner Kapitalexport und so die Ökonomien Europas von den USA abhängig machen sollten), oft getarnt als Aufbauhilfe für die vom Krieg zerstörten europäischen Länder, zur schnellen und reibungslosen Restrukturierung der dortigen Ökonomie hervor, um eine weitere Ausbreitung des Sozialismus zu verhindern. In diesem Zusammenhang wurden Allianzen geschmiedet wie die NATO, um einen Sperrgürtel um die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder zu legen.

Europa ist gezwungen, den US-Imperialismus zu bekämpfen und Märkte zurück zu gewinnen, um die Krise zu überwinden.

Bald standen die europäischen Länder vor zwei Problemen: das eine war, sich frei zu machen von der ökonomischen und politischen Dominanz des aufstrebenden US-Imperialismus, das andere, die alten und zusätzlich neue Märkte unter die eigene Kontrolle zu bringen und in einem solchen Maße abzusichern, dass sie krisenfrei würden. Die im Nachkriegseuropa entstehende EWG zeigt deutlich diese Konflikte, Widersprüche, Hoffnungen und Erwartungen. Der „Gemeinsame Markt“, die abgestimmte Politik, der zollfreie Verkehr, das alles waren Schritte, um die besorgten, vereinzelten, noch relativ schwachen imperialistischen Kräfte Europas zusammen zu bringen und ihre Kräfte zu bündeln mit dem Ziel, zu einer Konsolidierung und Stärkung ihrer eigenen monopolkapitalistischen und imperialistischen Ansprüche zu kommen. Und dies war eine notwendige Bedingung, um überhaupt den versuch wagen zu können, die US-Dominanz zurückzudrängen.

Neben der Konfliktlinie zwischen den USA und den europäischen imperialistischen Staaten bestanden die Konflikte und Widersprüche in Europa zwar weiter, man bemühte sich aber um Verständigung, friedlich Übereinkünfte, und nahm die eigenen nationalen Interessen zugunsten der Entwicklung einer stärkeren gemeinsamen Kraft zurück.

Eine solche Konstellation bildete sich bald nach dem 2. Weltkrieg heraus, führte zur Gründung der EWG und hat – mit kleinen Veränderungen – sich grundsätzlich fortgesetzt bis heute, wobei die EWG inzwischen durch die stärkere EU ersetzt worden ist.

Die Situation war und ist immer von mehreren Widerspruchsebenen gekennzeichnet. Neben den innereuropäischen Widersprüchen (z.B. zwischen Deutschland/Frankreich auf der einen und Großbritannien auf der anderen Seite), die ja, wie eben gesehen, möglichst klein gehalten wurden, und den Widersprüchen zwischen dem US-Imperialismus und den führenden europäischen Mächten erlaubte das allen Imperialisten gemeinsame, gegen den Sozialismus gerichtete Klasseninteresse den USA, die europäischen Konkurrenten  militärisch mittels der NATO unter ihre Vorherrschaft zu stellen. Inzwischen versucht der europäische Imperialismus sich auch auf militärischem Gebiet von der Dominanz der USA zu befreien, um eigenständig, also ohne oder auch gegen die USA, weltweit handlungsfähig zu werden. Die so genannte „unipolare Welt“ ist eine Illusion, wie sich sehr deutlich in der unterschiedlichen Irak-Politik der USA und Großbritanniens auf der einen Seite und Frankreichs/Deutschlands auf der anderen Seite zeigte. Die europäischen Anstrengungen, sehr schnell zu einer stärkeren Einheit, einer stärkeren Macht zu kommen, müssen also gesehen werden im Zusammenhang mit der Notwendigkeit für die europäischen imperialistischen Länder, in der heutigen Welt der globalisierten Ökonomie möglichst schnell die Dominanz der USA zu brechen.

Die größer werdenden Widersprüche nach dem 2. Weltkrieg werden auch innerhalb der EU spürbar.

Es und es gibt natürlich Widersprüche zwischen den europäischen imperialistischen Ländern, mal stärker im Vordergrund, mal mehr zurückgedrängt. Aber z.B. die EWG mit ihren sechs Gründungsstaaten und die von Großbritannien geführte EFTA waren in grundlegende europäische Widersprüche eingebettet. Nun sind die EFTA-Länder der EU beigetreten, aber die Widersprüche zwischen dem britischen Imperialismus und vor allem den französischen, deutschen und einigen anderen Imperialisten sind damit nicht verschwunden, wie die Auseinandersetzungen um die Europäische Verfassung, um den Etat der EU, um die Landwirtschaftssubventionen und anderes zeigen. Außerdem gibt es Konkurrenzen zwischen Deutschland und Frankreich um die Dominanz in Europa.

Die Komplexität der Beziehungen, die Probleme und Schwierigkeiten, die sich immer wieder zwischen den verschiedenen imperialistischen Ländern Europas zeigen und zeigten, müssen auf der Grundlage des gerade Behandelten gesehen werden.

Wir haben gesehen: Gemeinsam ist den Imperialisten allen der Klasseninstinkt, der sie in die Opposition zum Sozialismus treibt. Die europäischen imperialistischen Staaten trieben und treiben ihre Kooperation voran, um der Dominanz des US-Imperialismus international etwas entgegen setzen zu können. Das brachte und bringt gerade Großbritannien in einige Schwierigkeiten, da es einerseits mit im europäischen Boot sitzt, seine Kolonien verloren hat und nur gemeinsam mit den anderen „Europäern“ wieder zu mehr Einfluss gelangen kann. Gleichzeitig spielte und spielt Großbritannien, schon geostrategisch und geographisch abgesetzt vom Festlandseuropa, so etwas wie die zweite Geige, den Juniorpartner des aufstrebenden, um die Weltmacht kämpfenden bzw. diese verteidigenden US-Imperialismus. So ist Großbritannien zwar der EU beigetreten, hat aber auch versucht, den „Gemeinsamen Markt“ für die USA zu öffnen und sich aktuell der so genannten „Anti-Terror-Politik“, also der Kriegspolitik der USA gegen den Irak angeschlossen. Diese offen liegenden Widersprüche sind begründet in der Dynamik des Imperialismus selbst. Und es ist sehr schwer vorher zu sagen, welche Widersprüche eine bestimmende Rolle bekommen, welche sich abschwächen und wo sie unüberbrückbar werden, denn das hängt historisch-konkret von einem ganzen Bündel von Bedingungen ab.

Es sieht so aus, als rücke Europa näher zusammen gegen die USA und als hätten wir von den europäischen imperialistischen Ländern noch weitere Zeichen der Bereitschaft für diesen gemeinsamen Kampf zu erwarten. Leichzeitig aber wird das eine oder andere europäische imperialistische Land unter den Einfluss eines anderen, mächtigeren europäischen Landes geraten, was wahrscheinlich aber trotzdem nicht zur Beherrschung Europas durch eine Führungsmacht führen, sondern in wechselnden Konstellationen zu unterschiedlichen Gewichten führen wird. Auch wenn mit den inneren Widersprüchen der EU zur Zeit friedlich umgegangen wird, sind sie in der Sache antagonistisch, also nicht zu harmonisieren oder gar auszuräumen. Es sind noch immer die gleichen Interessengegensätze und imperialistischen Widersprüche in Europa vorhanden, die eine der Ursachen für die Entfesselung der zwei. Weltkriege durch Deutschland waren. Lenin sagte, dass „der Imperialismus unausweichlich zum Krieg führt“. Diese Aussage bleibt wahr, auch wenn die Auseinandersetzungen zwischen den imperialistischen Ländern in einer so genannten „unipolaren“ Welt stattfinden.

In der EU zeigen sich immer stärker die sozialen Widersprüche zwischen den herrschenden Kapitalisten und den Völkern der beteiligten Länder.

Schließlich zeigen die Bruchlinien der inner-imperialistischen Widersprüche einen weiteren, immer größer werdenden Widerspruch der heutigen Zeit: den Widerspruch zwischen der herrschenden Kapitalistenklasse und der Mehrheit der Unterdrückten, Ausgebeuteten, , Arbeitslosen und Verarmten. Seit der Kapitalismus existiert und insbesondere, seit er sein imperialistisches Stadium erreicht hat, spielt dieser soziale Hauptwiderspruch eine wichtige, manchmal die entscheidende Rolle bei der Frage, wie sich die Gesellschaften entwickeln. Die aktuelle unvermeidliche Krise des Kapitalismus hat die europäischen Imperialisten zur Kooperation gezwungen. Nur so können sie an der „Globalisierung“ teilnehmen, ihre Hoffnung, darin ein Mittel zur Überwindung der Krise gefunden zu haben, hat sie aber betrogen, denn das Gegenteil ist eingetreten: die Krise des Systems hat sich weiter verschärft. Dadurch ist für die Mehrzahl der betroffenen Menschen eine deutlich schlechtere Lage entstanden, verursacht durch ökonomische Stagnation und strukturelle Arbeitslosigkeit.

Die Wut und Verzweiflung der Betroffenen macht sich immer öfter in unterschiedlichsten Aktivitäten bemerkbar, in Demonstrationen, Straßenblockaden, in regionalen oder nationalen, manchmal sogar übernationalen Streiks der Arbeiter, der Bauern und auch Angehöriger der vom Abstieg bedrohten Mittelklassen und Kleinbürger. Diese Gegenwehr nahm Form an in der Ablehnung der Verfassung durch die Mehrheit des französischen und des niederländischen Volkes.

In diesem Zusammenhang erklärte der Pol der Kommunistischen Widergeburt in Frankreich (PRCF), ein Teil der französischen Kommunistischen Bewegung, der gegen den Revisionismus der Führung der Kommunistischen Partei Frankreichs kämpft, parallel und gemeinsam mit solchen Kräften wie der Marxistisch-Leninistischen Partei Dänemarks, der Kommunistischen Partei Dänemarks, der Kommunistischen Partei Spaniens und anderen in klaren Worten, dass die neue EU-Verfassung ein totalitäres Projekt ist, das zu öffentlicher Armut, Vergrößerung der Militärausgaben und der Streitkräfte, zu einer reaktionären Innen- und einer aggressiven Außenpolitik führen wird, um eine Art europäischen Staat zu schaffen, der dem Großkapital beste Bedingungen garantiert. Sie stellten das Bestreben, die EU-Verfassung absegnen zu lassen, in den Zusammenhang mit der internationalen Lage, wo die USA an unterschiedlichen Schauplätzen über die Welt verteilt Offensiven einleiten und die Bourgeoisien der unterschiedlichen europäischen Staaten eine Art Krieg gegen ihre eigenen Völker führen mit dem Ziel, öffentliche Aufgaben zu privatisieren, das Arbeitsrecht auszuhöhlen, die Sozialversicherungen zu liquidieren und den Arbeitsmarkt zu liberalisieren und zu flexibilisieren. Dabei zerstören sie einen Teil ihrer Industrie, einen Teil der Landwirtschaft, den öffentlichen Sektor, Forschung, Kultur und Sprache – alles im Namen einer europäischen Integration.

Und sowohl die rechten, bürgerlichen Parteien, die sozialdemokratischen Parteien, die um einen Kompromiss zwischen der Großbourgeoisie und dem Kleinbürgertum besorgt sind, als auch so genannte Linksparteien und manche linken Bewegungen stimmen ein in den Chor der Befürworter einer solchen Politik. Und sie beziehen dabei auch die Militarisierung der EU mit ein unter dem Etikett: Kampf gegen den Terrorismus“.

Die europäischen Völker identifizieren die EU-Verfassung als eine „neo-liberale“ Gefahr.

In zunehmendem Maße identifizieren die Völker Europas die Verfassung als das, was sie ist: auf der Grundlage eines starken, neo-liberal ausgerichteten Europa soll eine global ausgerichtete Politik beste Bedingungen für das Monopolkapital und dessen imperialistische Ansprüche schaffen.

Die Völker beginnen zu verstehen, dass die Verfassung der letzte Baustein ist, um Europa eine neue Qualität zu geben und dem Monopolkapital zu helfen, seine Krise zu überwinden, indem u.a. die Kosten des Gemeinwesens, die Lasten der Militärhaushalte, der Aufwand für Infrastrukturmaßnahmen usw. den kleinen Leuten aufgebürdet werden. In diesem Prozess sollen die sozialen Rechte und die öffentlichen Leistungen liquidiert werde. Die Verfassung würde weitere Erleichterungen für das Großkapital einführen und den imperialistischen Kräften eine weitere Konsolidierung bringen. Gleichzeitig würden weitere hart erkämpfte demokratische Rechte und Freiheiten aufgehoben sowie auch alle Sozialleistungen, die die Bourgeoisie früher gezwungen war, dem Volk zu gewähren. Die EU-Verfassung beschneidet die Widerstandsrechte und die Möglichkeiten der Einflussnahme für das Volk. Die nationale Souveränität der Völker wird aufgehoben und der Osten Europas einer neuen neokolonialen Offensive ausgeliefert, die die dortigen Länder zu Rohstofflieferanten und Lieferanten von billigen Arbeitskräften degradiert und die dortigen reaktionären, antikommunistischen Kräfte unterstützt.

Diese EU-Verfassung, so die europäischen Kommunisten, ist weit davon entfernt, die Kräfte des Friedens zu unterstützen und kann nichts anderes sein als ein Kontrakt des nach Dominanz strebenden europäischen Monopolkapitals, „zeitweise als Vasall der USA, zeitweise als Rivale um die künftige Weltherrschaft.“

Inzwischen wird eine Politik betrieben, die dem Großkapital enorme Gewinnsteigerungen bringt bei gleichzeitiger Verschärfung der Arbeitslosigkeit, der Armut und des Elends. Die Annahme der EU-Verfassung wurde vom europäischen Monopolkapital in großem Maßstab unterstützt. Die Menschen sollten „Ja“ sagen zu einem „prosperierenden Europa“. Ein prosperierendes Europa heißt beispielsweise in Frankreich, dass der Öl-Konzern „Total“ im 2004 rund 11 Mrd. Dollar Profit einfuhr, die höchste Profitmasse, die je ein französisches Unternehmen realisierte, oder dass die Kosmetikfirma „L’Oréal“ von der reichsten Frau Frankreichs geleitet wird, deren Besitz sich inzwischen auf 13,7 Mrd. Dollar beläuft, oder dass die Aktionäre des Werkzeugmaschinen-Herstellers „Schneider“ die höchste je da gewesene Dividende erhielten: 63,6 %! Auf der anderen Seite erhält jeder sechste französische Arbeiter nur den gesetzlichen Mindestlohn und 7 Millionen Menschen in Frankreich leben in Armut.

Genau so wird von immer mehr Menschen die EU und ihre Verfassung wahrgenommen. Die Ablehnung der Verfassung durch das französische und das niederländische Volk war eine Niederlage der herrschenden Klasse. „Dieser Sieg ist nicht nur ein Akt des Widerstandes; es ist der Ausdruck eines einigen Kampfes gegen den Neo-Liberalismus, gegen eine Politik, die ausschließlich das Monopolkapital bedient“, schrieb die Coordination Communiste (CC). Mit dem Aufruf, eine breite Front der Arbeiterklasse und der fortschrittlichen Kräfte in jedem Land zu bilden, um gegen ein vereintes Europa des großen Kapitals und gegen das Projekt einer europäischen Verfassung zu kämpfen, wollen sie die Kräfte bündeln. Wir hoffen, dass die Völker Europas, nicht nur das französische Volk oder dasjenige eines anderen europäischen Landes allein, sich vereinen werden und dass sie es schaffen werden, dieses monströse Gebilde eines vereinigten Europas zu Fall zu bringen.

Aus dem bisher Diskutierten wird deutlich, dass mit der Herausbildung der EU eine neue welthistorische Situation entstanden ist. Eine lange Periode der Vorherrschaft einzelner imperialistisch-monopolistischer Staaten in Europa geht jetzt über zu einer neuen, gemeinsamen Handlungsweise, die sich auf staatsähnliche Strukturen stützt, eine Art „Vereinigter Staaten von Europa“ bildet und die Mehrheit der europäischen Staaten umfasst. Auf diesem Weg der imperialistischen Vereinigung gab es durch die Ablehnung der EU-Verfassung einen Rückschlag. Die Massen sind wenig begeistert von den Plänen der Imperialisten, obwohl die monopolkontrollierten Massenmedien alles in ihrer Macht stehende getan haben, um den Prozess störungsfrei ablaufen zu lassen.

  1. Teil, der 2. Teil folgt im nächsten Heft)

SUCI, Kalkutta, Indien

(Übersetzung aus dem Englischen: Redaktion Offensiv)

Socialist Unity Center of India (SUCI): Schritte zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ oder: Anstrengungen für eine Veränderung der imperialistischen Kräfteverhältnisse;
2. Teil

(Der erste Teil des Artikels ist erschienen in offen-siv Nr. 10/2005. In der Ausgabe 1/2006 konnten wir die Fortsetzung leider nicht bringen. Hier jetzt also Teil 2 und Schluss des Artikels. Redaktion Offensiv)

Die Auseinandersetzungen um die europäische Verfassung und die Ablehnung derselben durch das französische und das niederländische Volk haben einmal mehr deutlich werden lassen, dass es in den die EU konstituierenden Ländern starke nationalistische Gefühle gibt, die sich auf das jeweils eigene Land beziehen und in keiner Weise eine europäische Ausrichtung besitzen. Dieser Prozess wird verschärft durch die EU-Aufnahme osteuropäischer, früher sozialistischer Länder, deren Wirtschaft zerstört wurde und die nun auf den Arbeitsmarkt in ganz Europa drücken. Diese Situation verschärft die nationalistischen Ressentiments und es sind diese Gefühle, die die Völker daran hindern, ihre nationale Souveränität aufzugeben und das monopolkapitalistische Projekt eines vereinten Europa zu unterstützen.

Zur Geschichte des Entstehens und auch Verschwindens des Nationalismus und der Nationalstaaten und deren Wirkung auf die EU

In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass der Nationalismus als eine ideologisches Glaubensbekenntnis zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt der Menschheitsgeschichte entstand. Er entwickelte sich in den Grenzen eines bestimmten geographischen Territoriums während des Kampfes der dort lebenden Menschen gegen die Feudalherren bzw. Monarchien und später im antiimperialistischen Kampf gegen die herrschenden kolonialistisch-imperialistischen Mächte. Dolche Kämpfe gegen die Feudalherrschaft bzw. gegen den Kolonialismus, die auch „demokratische Revolution“ genannt werden, riefen eine allgemeine Verbundenheit der Kämpfenden hervor, und dies meist unabhängig von ihrer Klassenlage, ihrer Sprache oder Religion, so dass auf dieser Grundlage ein Nationalgefühl entstehen konnte. Inzwischen leben wir jedoch im Zeitalter der proletarischen Revolution, die grundsätzlich über den Nationalismus hinauswächst; trotzdem können nationalistische Kämpfe auf der einen oder anderen Grundlage und unter bestimmten Bedingungen noch immer auftauchen.

Als auf dieser Entwicklungsstufe der menschlichen Geschichte Karl Marx der Arbeiterklasse der Welt die Theorie des Kommunismus gab, formulierte er die Parole: „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!“ Er zeigte damit, dass die Arbeiterbewegung sich auf der Grundlage eines grundsätzlichen proletarischen Internationalismus bewegen muss, nicht aber auf der Grundlage des Nationalismus. Was ist die Bedeutung dieser Aussagen? Die Arbeiterklasse kämpft in den unterschiedlichen Ländern gegen ihre jeweilige herrschende Klasse. In diesem Kampf bemüht sie sich um größtmögliche Gemeinschaftlichkeit und Solidarität der Arbeiter und der werktätigen Massen der unterschiedlichen Länder, um das gemeinsame Ziel, die Ausbeutung und die Unterdrückung zu beenden, zu erreichen. Dadurch wird die Einheit gefordert und gefördert. Marx wusste genau, dass die Arbeiterklasse nicht von heute auf morgen, wie durch einem Handstreich, vom bürgerlichen Nationalismus befreit und unmittelbar unter den Idealen des proletarischen Internationalismus vereint werden kann. Dieser Prozess ist langwierig, braucht harte und vor allem von der Arbeiterklasse geführte Kämpfe, denn diese Kämpfe werden, auch wenn sie in den nationalen Grenzen einzelner Staaten stattfinden, nicht auf der Grundlage des Nationalismus geführt. In solchen Kämpfen werden die Massen an die Theorie des Marxismus und den proletarischen Internationalismus herangeführt. Nur auf diesem Weg kann die proletarische Revolution erfolgreich sein, indem der Kapitalismus in einem Land nach dem anderen überwunden wird, der sozialistische Staat, die Diktatur des Proletariats als Übergangsphase zum Kommunismus aufgebaut wird. Der Sozialismus, begründet und geführt durch den Marxismus-Leninismus wird vollständig und mit Sicherheit den proletarischen Internationalismus durchsetzen und damit die Grundlage legen, um die Schwelle zur Gesellschaft des Weltkommunismus zu überschreiten, mit anderen Worten: die weltweite klassenlose Gesellschaft zu errichten. Die Aufhebung der Klassen wird selbstverständlich den Staat als Unterdrückungsinstrument der einen Klasse gegen die andere überflüssig machen. Diese Art von Staaten, Klassenstaaten in nationalen Grenzen, werden dann keine Rolle mehr spielen und aus der Geschichte der Menschheit verschwinden. Diese Art Staat wird, um Engels zu zitieren, nicht „abgeschafft“, er „stirbt ab“.

Demgegenüber spielte früher und spielt noch heute der Nationalismus eine große Rolle für die Herrschaft der jeweiligen Kapitalistenklasse. Aber alle Anstrengungen der Imperialisten der europäischen Länder hin zu einem vereinten Europa unter ihrer Herrschaft können die Befreiungskämpfe gegen den Feudalismus bzw. den Kolonialismus, die ja das Nationalgefühl hervorbrachten, nicht ersetzen. Es gibt keine gemeinsame Richtung, kein gemeinsames Ziel für die Menschen in den europäischen Ländern, es gibt keinen gemeinsamen Kampf um eine neue Art von Gemeinwesen und Staat. Und deshalb wird es keinen europäischen Nationalstaat mit einem europäischen Nationalgefühl seiner Bürger geben. Allerdings zeigen sich in einigen europäischen Ländern Vorbehalte gegen den US-Imperialismus. Unter der Herrschaft der europäischen Imperialisten entstehen diese Vorbehalte aus Widersprüchen bei der Kontrolle des Weltmarktes und der Krisenbewältigung. Auf der anderen Seite, bei den werktätigen Massen, bilden sich diese Verhältnisse als ein Gefühl gegen die US-amerikanische Dominanz ab. Aber diese Gefühle bleiben auf der nationalen Ebene, erreichen nicht das Niveau Europas als Ganzes. Hätte es eine direkte Herrschaft des US-Imperialismus über ganz Europa gegeben und einen gemeinsamen europäischen Kampf gegen diese Herrschaft, dann wäre die Entwicklung eines einheitlichen europäischen Nationalismus möglich gewesen. Aber die geschichtliche und die aktuelle Situation kommt einem solchen Szenarium in keinster Weise nahe. Und deshalb hindern die jeweiligen Nationalismen in den europäischen Ländern die Völker daran, einen neuen europäischen Staat zu begrüßen, stattdessen lehnen sie ihn ab. Ihre Opposition äußern sie in ihren nationalen Grenzen, sie verweigern die Union vor allem aus ihrem Nationalgefühl heraus, sie wollen ihre nationale Unabhängigkeit verteidigen. Das ist die Crux der aktuellen Situation.

Das Problem der nationalen Unterdrückung wird sich in der EU verstärken

Die Monopolisten der verschiedenen europäischen Länder versuchen krampfhaft, eine Bewegung für die europäische Einigung hervorzurufen, haben aber nur das Ziel, mit einer stärkeren EU ihre Wettbewerbsbedingungen gegenüber den US-Imperialisten zu verbessern. Neben diesem Ziel müssen sie natürlich auch vorbereitet sein auf die Niederschlagung der wachsenden Abwehrkämpfe der Arbeiterklasse – und dazu nutzen sie das Nationalgefühl der Massen und spielen es aus gegen das Klassenbewusstsein. Das alles aber macht den Prozess der europäischen Imperialisten für ein vereintes Europa sehr widersprüchlich. Außerdem werden sie die Krisentendenzen des Weltkapitalismus nicht mittels einer von ihnen geschaffenen EU überwinden können. Die Union wird nur die Ausbeutung und die Unterdrückung in allen beteiligten Ländern verschärfen. Für die Völker birgt dieser von den herrschenden Kapitalisten der unterschiedlichen Länder initiierte Prozess nichts als Gefahren. Zunächst, so lange die nationalen Gefühle der Völker noch andauern und sogar anwachsen, werden die Imperialisten der europäischen Länder ausreichend Spielraum finden, um auf dieser Klaviatur zu spielen und damit die Völker vom Klassenkampf abzuhalten. In ihrem Bestreben, die Menschen immer stärker auszubeuten, werden sie einen Teil des Volkes gegen den anderen Teil des Volkes und die eine Nation gegen die andere aufstacheln. Mit anderen Worten: das Problem des Nationalismus und der nationalen Unterdrückung wird gefährliche Ausmaße annehmen, indem die Herrschenden Zwietracht sähen, Uneinigkeit unter die Völker bringen und damit in den dominierenden Staaten einen aggressiven nationalen Chauvinismus entstehen lassen werden. Die Völker der unterdrückten Länder werden, falls sie den Klassencharakter der Unterdrückung nicht sehen, ihren Zorn gegen die Völker der privilegierten Staaten wenden und dabei vergessen, dass es nicht die Völker sind, sondern eine Handvoll Imperialisten und Kapitalisten und deren Regierungen, die die verschärfte Unterdrückung und Ausbeutung über sie brachten.

Im Resultat werden die Vereinigten Staaten von Europa die Einheit der Völker gefährden, und falls sie die Frage der Macht und der revolutionären Umgestaltung der Verhältnisse nicht stellen, wird es sogar schwierig werden, überhaupt eine einheitliche demokratische Massenbewegung der Werktätigen gegen die schlimmsten Folgen der Union aufzubauen. Unter diesen Umständen können Marxisten-Leninisten diesen Prozess der europäischen Einheit niemals unterstützen, begrüßen, begleiten oder gar verbessern wollen. Ein Marxist-Leninist, ein Revolutionär, der unter Revolution die Emanzipation der Menschheit von Ausbeutung und Unterdrückung versteht, beurteilt historische Prozesse als gut oder schlecht allein nach der Frage, ob sie dem revolutionären Prozess nützen oder nicht.

SUCI, Kalkutta, Indien (Übersetzung aus dem Englischen: Redaktion Offensiv)