Der Guerillakrieg ist kein Terrorismus

Faheem Hussain

Der Guerillakrieg ist kein Terrorismus

Ein Urteil, das die Anerkennung des Widerstands einfordert

Sie wurden von der Anklage des internationalen Terrorismus freigesprochen: Ein historisches Urteil, das von der mutigen italienischen Richterin Clementina Forleo, Richterin der ersten Gerichtsinstanz, gesprochen wurde, sollte nicht unbemerkt bleiben.

Am 24. Januar 2005 endete der Prozess gegen drei der fünf nordafrikanischen Moslems, die 2003 unter der Anklage, eine terroristische Zelle von Al Quaida zu bilden festgenommen wurden. Sie wurden nur der illegalen Einreise und des Besitzes falscher Dokumente schuldig befunden. Der Prozess gegen die anderen beiden Angeklagten, die verdächtig sind, der gleichen Organisation anzugehören, wurde an das Gericht von Brescia verwiesen. Währenddessen widerrief die Richterin die Haft der zwei Angeklagten. Die Begründung dafür ist von historischer Bedeutung. Dies ist ein außerordentlich wichtiges Urteil, das die italienische Regierung und die rechten Parteien wütend machte und das nie dagewesene Angriffe der Lynchjustiz gegen die Richterin, unter anderem von den Ministern der Justiz und des Inneren provozierte. Das außergewöhnliche Urteil wurde von dem Untersuchungsrichter von Brescia bekannt gegeben.

Es lohnt sich, den ganzen Fall genauer zu betrachten, weil es hier um die Frage von Guerillakrieg und Terrorismus geht und um die Einschätzung der zukünftigen europäischen Rechtsprechung.

Gemäß der Mailänder Richterin Clementina Forleo könne man höchstens feststellen, dass die Angeklagten, auch wenn es Kontakte zwischen ihnen und paramilitärischen Gruppen gegeben haben sollte, Sympathisanten des Guerillakrieges im Irak bzw. in Afghanistan seien, was aber nicht bedeute, dass man sie als Terroristen bezeichnen könne, weil es einen riesigen Unterschied zwischen Guerillaaktionen und Terrorismus gebe. Gemäß der Erklärung der Richterin waren die Angeklagten höchstens Teil einer Organisation, die Freiwillige warb und finanzierte, die bereit waren, im Irak gegen die Besatzung durch die USA zu kämpfen, aber es geben nichts, was auf eine Absicht hindeute, terroristische Anschläge zu begehen, erst recht nicht außerhalb des Irak bzw. Afghanistans. Sie sagte: „Jemand, der Angriffe im Kontext eines bewaffneten Konflikts begeht, ist kein Terrorist, wenn er nicht Zivilpersonen verwickelt.“ Die Richterin macht die UNO-Konvention über den Terrorismus von 1999 geltend und bestätigt: „Die Guerrillaaktivität oder die Gewalt, die im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt stattfindet, auch wenn sie von nicht-institutionellen bewaffneten Kräften durchgeführt wird, kann nicht verfolgt werden, nicht einmal auf der Ebene des internationalen Rechts, jedenfalls dann nicht, wenn keine internationalen Menschenrechtsgesetze verletzt werden.“

Dies ist eine grundlegende Klarstellung und Unterscheidung, die bisher an keinem europäischen Gerichtshof so definiert wurde. Gemäß der Erklärung von Clementina Forleo „könnte“ die Ahndung einer Guerrillaaktion „unvermeidlich zu einer ungerechtfertigten Parteinahme, zur Unterstützung einer der Konfliktseiten führen.“ Außerdem hält sie daran fest, dass bei Strafprozessen über gewaltsame Reaktionen gegen eine Besatzungsmacht die Tatsachen genau abgewogen und im Zusammenhang mit dem Einsatz militärischer Mittel der anderen Seite beurteilt werden müssen. Dies bedeute, so die Richterin, dass es sehr schwierig sei, im Zusammenhang des Krieges zwischen Zivilisation und Barbarei zu unterscheiden – und dass in diesen Fällen auf keinen Fall eine Zuständigkeit italienischer Gerichte vorliege.

Dies ist das erste Mal, dass so ein Urteil im „Westen“ gesprochen worden ist. Diese Gerichtesentscheidung ist Sache aller Linken und verpflichtet, grundsätzlich über den Widerstand im Irak nachzudenken. Wir müssen anerkennen, dass es ein unveräußerliches Recht gibt, einer ausländischen Besatzung zu widerstehen und dass das international anerkannt werden muss. Es muss eine Unterscheidung geben zwischen dem legitimen bewaffneten Widerstand, der mit seinen Aktionen auf die Besatzungstruppen und die bewaffneten Kollaborateurskräfte zielt – und den Autobomben in Märkten und Basaren, die undifferenziert Zivilpersonen töten. Wir dürfen nicht die Augen verschließen gegenüber der Tatsache, das diejenigen, die in Fallujah, Najaf, Nassiriyah usw. gegen die Besatzungskräfte kämpfen, echte Widerstandskämpfer sind und unsere größtmögliche moralische, politische und materielle Unterstützung verdienen.

Es geht um eine Auseinandersetzung, die im internationalen Zusammenhang eine Unterscheidung bringt zwischen Guerillakrieg und Terrorismus. In Italien geht es dabei auch um Angriffe gegen die Richterin und gegen die Unabhängigkeit der Justiz.

In diesem Zusammenhang ist das hinderliche Schweigen der italienischen Linken bezeichnend. Nur einige wenige Stimmen erhoben sich zur Verteidigung der Mailänder Richterin. Die Linke vermeidet es, Stellung zu beziehen, weil italienische Truppen im Irak sind und sie den Zorn der öffentlichen Meinung fürchten. Diese Position ist eine Position der Feigheit. Die Linke muss klar sagen, dass dieser Krieg illegal ist, dass die italienische Truppen den Irak verlassen sollen – und sie muss den Mut haben, deutlich zu machen, dass diejenigen, die sich im Irak gegen die Besatzungskräfte wehren, Widerstandskämpfer, Guerilleros sind. Die Linke sollte klar Stellung beziehen und sich nicht hinter einem falschen Patriotismus verstecken.

Die Richterin brachte einen weiteren sehr wichtigen Gesichtspunkt in die Debatte: Auch wenn man davon ausgehen müsse, dass die Beschuldigten Teil einer Organisation waren, sei es unzulässig, deshalb unmittelbar von terroristischen Zusammenhängen auszugehen. Und vor Gericht genüge es nicht, das Gegenteil behaupten zu wollen, indem sich die Anklage auf Geheimdienstdaten stütze. Solche Daten könnten der Polizei von Nutzen sein, vor Gericht aber müssten sie als „nicht verwendbare Informationsquellen, die keiner Billigung in einem Prozess wert sind, weil ihnen jeder Halt fehlt, angesehen werden“. Mit anderen Worten: Die durch die unterschiedlichen Geheimdienstquellen beschafften Daten sind vom Gericht nicht zu akzeptieren. Man könne nicht auf Grundlage von Daten verurteilen, die „von US-Geheimdiensten oder vom BKA stammen“.

Faheem Hussain; aus: Resumen, latinoamericano, Mai-Juni 2005, No. 77.

Übersetzung aus dem Spanischen.