Andrea Schön: Interview mit dem Journalisten Zenzile Khoisan

Andrea Schön:
Interview mit dem Journalisten Zenzile Khoisan, Kapstadt (April 2002)

Anmerkung der Redaktion: Zenzile Khoisan ist Autor von “Jakaranda Time”, einem facettenreichen Bericht über seine Ermittlungstätigkeit in der TRC von 1996 bis 1998. Es ist bestellbar bei: Andrea Schön, Tel./Fax 0231-8644976 bzw. E-mail: andreads@t-online.de Andrea Schön ist Gründerin der Panafrikanischen Initiative Patrice Lumumba zur Unterstützung marxistischer Schulung in der DR Kongo und Südafrika (siehe auch: www.antiimperialista.net) und war kürzlich in Südafrika.

Andrea Schön: Zenzile, Du warst als Ermittler in der südafrikanischen Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC – Truth and Reconciliation Commission) tätig. Üblicherweise werden solche Kommissionen von sogenannten Bürgerkriegsparteien dann gebildet, wenn beide Seiten eine Pattsituation feststellen und zu dem Schluß kommen, daß keine Seite den Kampf für sich entscheiden kann. War das auch in Südafrika der Fall? Oder war es doch eher ein Geschenk Gorbatschows, als er in Verhandlungen mit den USA eintrat, um den Krieg in Angola zu beenden, damit also ein Ergebnis der neuen Weltordnung?

Zenzile Khoisan: Der historische Kompromiß brachte die revolutionäre Welle in Südafrika tatsächlich zum Stehen, und die ausgehandelte Lösung führte zum Übergang für eine Elite, bei der die revolutionären Massen buchstäblich aus dem Deal herausgeschrieben wurden. Einige meinen, es gab keine Alternative, andere stimmen dem nicht zu. Die Sicht der letzteren ist, daß lediglich die an der Spitze der Gesellschaft Stehenden einen Weg gefunden haben, sich gegenseitig gefällig zu sein und dabei die Mehrheit der Bevölkerung auszuschließen.

Andrea Schön: Du hast ein Buch über Deine Arbeit in der TRC mit dem Titel “Jakaranda Time” geschrieben, in der Du unter anderem all die Hindernisse und Beschränkungen bei Deinen Ermittlungen aufgezeigt hast. War die ganze Angelegenheit nach Deiner Ansicht eine Farce? Welches sind die entscheidenden Lehren für die Zukunft?

Zenzile Khoisan: Nach meiner Ansicht war die TRC von Anfang an eine schiefe Angelegenheit und ziemlich gefährlich deshalb, weil sie die Taten eines faschistischen Regimes mit den defensiven und revolutionären Aktionen jener Kräfte gleichsetzte, die um Selbstbestimmung kämpften. Die meisten dicken Fische schlüpften durchs Netz und konnten sich erlauben, sich als respektable Persönlichkeiten umzudichten. Aber der Ermittlungseinheit ist es gelungen, die Leibwache aus Lügen zu durchdringen, die das Apartheid-Regime, sein Militär und Geheimdienst sowie deren mächtige westliche Hintermänner aufgestellt hatten. Ich habe mich in meinem ersten Buch mit diesem Prozeß und seinen Fallstricken befaßt und ebenso einige Fälle genauer betrachtet, anhand derer deutlich wird, mit welchen zynischen Methoden Pretoria versucht hat, die revolutionäre Bewegung zu zerstören.

Andrea Schön: Du arbeitest derzeit an einem Nachfolgebuch zu dieser Frage. Was genau strebst Du damit an?

Zenzile Khoisan: Ich möchte auf der Grundlage von Jakaranda Time aufbauen, mehr Namen nennen und die Auswirkungen betrachten, die diese Farce auf das Leben im “neuen Südafrika” hat. Das Buch heißt “Fivas Memo” und rückt die Schlüsselfiguren des Übergangs in den Mittelpunkt sowie die Art und Weise, wie jene ihre Macht absicherten bzw. ihre Spuren verwischten.

Andrea Schön: Nach dem Abschied der Apartheid gibt es ja jetzt in Südafrika eine neue Bourgeoisie, d.h. die alte vorherige PLUS ein paar schwarze Gesichter. Man könnte sagen, Südafrika ist in die Normalität einer Klassengesellschaft eingetreten, in der die gesellschaftliche Hierarchie durch “Rassen”zugehörigkeit zwar wesentlich geprägt, aber nicht mehr determiniert ist. Welche mittelfristige Perspektive siehst Du für die weitere Gesellschaftsentwicklung?

Zenzile Khoisan: Es wird zunehmend Angriffe auf die Armen in der Gesellschaft geben, und es wird ebenso einen Angriff der neuen Regierung auf die Reste einer revolutionären Perspektive geben. Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als die gesamte Bewegung neu zu entwickeln.

Andrea Schön: Schwere Zeiten – wie wohl im Grunde überall in dieser Welt … Zenzile, herzlichen Dank für dieses Gespräch und viel Erfolg für Dein neues Buch!

Andrea Schön, Dortmund; Zenzile Khoisan, Kapstadt