Redebeitrag bei der internationalen Konferenz am 21. April 2007 in Prag

Andrea und André Vogt:
Redebeitrag bei der internationalen Konferenz am 21. April 2007 in Prag

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde, wir sind glücklich, heute an eurer Konferenz teilnehmen zu können und bedanken uns ganz herzlich für die Einladung. Wir überbringen euch die herzlichsten Grüße der Genossen von der Zeitschrift „offen-siv“, zu deren Herausgeberkreis wir gehören und wünschen der Konferenz und damit uns allen vollen Erfolg und gutes Gelingen.

Wenn wir uns heute Gedanken über den Charakter und die Wirkungen gesellschaftlich relevanter Phänomene machen, so haben wir im Wesentlichen zwei Auffassungen zu berück-sichtigen. Die Vertreter der einen Gruppe sprechen von „Wachstum und Beschäftigung“, von „Effizienz und Leistung, die sich wieder lohnen soll“ und schließlich von „Gewinn und Rendite“. Die andere Gruppe, deren Argumente wir uns anschauen, konstatiert: Stellenabbau, sinkende Reallöhne, längere Wochenarbeitszeiten ohne Lohnausgleich, Aushöhlung von Tarifverträgen, zunehmende und katastrophale Entrechtung von Arbeitslosen und deren Familien bis hin zur Zwangsarbeit. Beide Gruppen sprechen von ein und derselben Sache. Nur können die Wirkungen unter-schiedlicher nicht sein: Die erste Gruppe zieht jeglichen Vorteil und Gewinn aus der Wirt-schaftsweise, währenddessen der anderen Gruppe, trotzdem sie fleißig arbeitet und sich nicht schont, die Mittel zum Leben gekürzt werden.

Nennen wir nun die Gruppen bei ihren Namen, so ist klar, daß es sich um Bourgeoisie und Proletariat handelt und der den Phänomenen zugrunde liegende Vorgang die kapitalistische Rationalisierung ist. In der entwickelten warenproduzierenden Gesellschaft, welche in ihrem Wesen notwendig von Anarchie und Konkurrenz geprägt ist, sind die oben erwähnten Phäno-mene folgerichtig, zwangsläufig und unausweichlich.

Es gab nach dem 2. Weltkrieg in Westdeutschland eine Phase der wirtschaftlichen Entwicklung, in der Lohnsteigerungen von 10 % und mehr von den Gewerkschaften erkämpft werden konnten und nahezu Vollbeschäftigung herrschte. Ja, es wurden sogar Lohnarbeiter aus anderen Ländern in großem Umfang angeworben. Das war die Zeit des sogenannten „Wirtschaftswunders“ und mancher „Linke“ glaubte daraufhin, der Kapitalismus sei zu einer Art Wohlstandsveranstaltung für alle geworden. Als den Imperialisten 1975 in Helsinki faktisch auch noch die Friedens-fähigkeit bescheinigt wurde, war das für viele gleichbedeutend mit dem Ende des Klassen-kampfes überhaupt.

Wenn wir dagegen heute die Welt im Jahr 2oo7 betrachten, so können wir sehen, daß sich der Kapitalismus noch immer in seinem Endstadium, dem Imperialismus befindet, daß er weiterhin Kriege anzettelt, den Planeten verwüstet und die Völker versklavt.

Die Genossinnen und Genossen von der Kommunistischen Partei Griechenlands haben in ihrer Resolution vom 19. Mai des vergangenen Jahres (abgedruckt in offen-siv September-Oktober 06)  die Lage sehr treffend beschrieben:

„Zugleich mit der Durchsetzung einer vereinheitlichten imperialistischen Strategie erhalten die Beziehungen zwischen den stärksten imperialistischen Zentren, USA und EU einen noch mehr antagonistischen und noch komplexeren Charakter. Die Gegensätze innerhalb der EU bezüglich der Beziehungen zu den USA verschärfen sich. Die vereinigte Strategie des Imperialismus übergreifend, entwickeln sich die Widersprüche und der Kampf um die Hegemonie über die Kontrolle der Märkte und Einflusszonen in Asien, dem Mittleren Osten und Afrika und über die Kontrolle der Rohstoffquellen. An diesem Konkurrenzkampf beteiligen sich, abgesehen von den imperialistischen Zentren und imperialistischen Hauptmächten, auch einige sich entwickelnde kapitalistische Länder.

Es sind Entwicklungen im Gange, welche die Tendenz haben könnten, die Kräfteverhältnisse innerhalb des internationalen imperialistischen Systems neuzuordnen. Zweifellos bedarf es einer gründlicheren Untersuchung der „Gruppen“ von Widersprüchen, die auf der internationalen Bühne in Erscheinung treten, sowie einer systematischeren Einschätzung der internationalen Lage, der Widersprüche (vor allem der sozial-ökonomischen im Falle einer kommenden kapit-alistischen Wirtschaftskrise), die in jedem kapitalistischen Land gegenwärtig sind, insbesondere in den USA und den stärkeren Mitgliedsstaaten der EU.“

Die Leninsche Imperialismusdefinition aus dem Jahr 1916, wonach der Imperialismus faulender, parasitärer Monopolkapitalismus ist, in welchem das Bankkapital mit dem Industriekapital unter Dominanz des ersteren zum Finanzkapital verschmolzen ist, der Kapitalexport den Warenexport übersteigt und der Kampf um die Neuaufteilung der Welt immer aufs neue entbrennt, hat also an Aktualität bis heute nichts verloren. Der aus Indien stammende außergewöhnliche und ver-dienstvolle Genosse Harpal Brar hat das in seinem Buch: DER IMPERIALISMUS IM 21. JAHRHUNDERT / SOZIALISMUS ODER BARBEREIbrillant und anschaulich nachgewiesen.

Kehren wir noch einmal zur kapitalistischen Rationalisierung als dem Ausgangspunkt unserer Überlegungen zurück. Der Kapitalist kauft auf dem Warenmarkt Produktionsmittel, Arbeits-mittel und Arbeitskraft. Diese Warenarten kombiniert er und läßt damit produzieren. Gelingt es ihm nun, das Produkt dieser Operation zu verkaufen, so kann er bemerken, daß er mehr Geld herausbekommt, als er ursprünglich in den Prozeß hineingegeben hat. Er wird den Vorgang so oft als möglich wiederholen und dabei feststellen, daß sein Gewinn immer kleiner wird, weil seine Konkurrenten zunehmend billiger produzieren. Um nicht zurückzubleiben, muß er eben-falls investieren, mehr und bessere Maschinerie einsetzen, Arbeitskräfte billiger einkaufen oder ganz einsparen. Es liegt in der Natur der Sache, daß die Rationalisierung, welche an und für sich ein Segen für die Menschheit sein könnte (und im real existierenden Sozialismus ja auch schon war und in Kuba beispielsweise schon ist), unter den Bedingungen des Privateigentums an Produktionsmitteln diese verheerenden Folgen zeitigt, wie wir sie heute rund um den Erdball besichtigen können.

Der Ausweg ist bereits gefunden und wurde sogar schon beschritten. Es gab die siegreiche Sowjetunion; es gab das sozialistische Weltsystem. Es gab allerdings auch den Abstieg und schließlichen Zerfall der UdSSR und es gab den Sieg der Konterrevolution in den europäischen sozialistischen Staaten. Wir müssen also den Ausweg erneut beschreiten.

Was benötigen wir dazu?

Wir benötigen einen Plan und jemanden, der die Führung übernimmt. Nach unserer Kenntnis ist das die Kommunistische Partei mit ihrem marxistisch-leninistischen Programm.

Zweitens benötigen wir Kenntnisse über die Ursachen des Sieges der Konter-revolution. Hierzu gibt es, neben etlichen unzutreffenden und dümmlichen Erklärungen der Bourgeoisie und ihrer Schreiberlinge in den Massenmedien, bereits bedeutende Ausarbeitungen und Analysen kommunistischer Fachleute wie Kurt Gossweiler, Ervin Rosznay, Ulrich Huar und anderer.

Drittens ist eine mit den bestehenden Verhältnissen unzufriedene und zu Kämpfen bereite durchaus revolutionäre Masse erforderlich. Und auch hier hat sich in der letzten Zeit einiges getan. Einige Gewerkschaften beispielsweise erkennen bereits, daß sie vormals im ökonomischen Klassenkampf erreichte Positionen nicht halten können und den Kampf nun auf die politische Ebene ausdehnen müssen. Immer mehr Gewerkschafter erkennen auch, daß es sich bei dem Klassengegner eben nicht um einen sogenannten „Sozialpartner“ handelt, sondern schlichtweg um einen Klassenfeind, und daß der Kampf zu einem Überlebenskampf für die Mehrheit des Proletariats wird.

Dazu gehört außerdem, demokratische Rechte und Freiheiten zu verteidigen und einzufordern. Ein schönes Zeugnis für ihr antiimperialistisches Engagement legten beispielsweise die Be-wohner von Trokavec unweit von Plzen im vergangenen Monat ab. 71 von 90 stimm-berechtigten Einwohnern sprachen sich in einem Referendum gegen die Errichtung einer Radarstation in der Nähe ihrer Ortschaft aus. Die Anlage soll Teil des von den USA in Polen und Tschechien geplanten Raketenabwehrsystems sein.

Genossen!

Nach unserer schweren und verheerenden Niederlage haben wir keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken und den Dingen etwa ihren Lauf zu lassen. Im Gegenteil: In weiten Teilen der Bevölkerung regt sich Entrüstung und Verbitterung über die menschenfeindlichen Machen-schaften der Bourgeoisie und ihrer Agenten. Vielerorts bilden sich Aktionsbündnisse, welche den Protest zu organisieren suchen. Um dieses unmittelbare Aufbegehren in einen zielge-richteten Klassenkampf zu überführen, ist zu beachten, was die griechischen Genossen in der vorhin schon erwähnten Resolution sagen:

„Die Überwindung von Schwächen und Rückschlägen in Ländern, wo kommunistische Parteien aktiv sind, und der Wiederaufbau von kommunistischen Bewegungen in anderen Ländern, wo die kommunistischen Parteien degeneriert sind, von korrupten Opportunisten und bürgerlichen Kräften korrumpiert wurden, und keine revolutionäre Rolle mehr spielen, ist eine elementare Pflicht von Kommunisten in jedem Land sowie der internationalen kommunistischen Bewegung. Der ideologische Gegenangriff kommunistischer Parteien, die an die Notwendigkeit und Mög-lichkeit des Kampfes für die Überwindung des Kapitalismus und für den Sozialismus glauben, ist heute von lebenswichtiger Bedeutung.“  Soweit die Genossen der KKE dazu.

Die kommunistische Bewegung befindet sich im Prozeß der Neuformierung. Sie lernt es zunehmend, die modernen Revisionisten zu entlarven und aus ihren Reihen auszuschließen. Ein wichtiger Prüfstein hierfür ist das Verhältnis zum gewesenen europäischen Sozialismus und insbesondere die Position gegenüber der siegreichen Sowjetunion unter Stalin.

An diesem Wochenende, an dem wir uns hier versammeln, vor genau 61 Jahren wurde mit dem Zusammenschluß von KPD und SPD in der sowjetischen Besatzungszone der Grundstein für die volksdemokratische Entwicklung und den späteren sozialistischen Aufbau in der DDR gelegt. Das war gewissermaßen die letzte Möglichkeit für die SPD, „links“ abzubiegen. Inzwischen hat sie sich mit ihrer arbeiterfeindlichen und kriegstreiberischen Politik selbst vollständig als Agentur der Bourgeoisie entlarvt. Nicht anders steht es mit der Linkspartei PDS. Ihre für den Sommer geplante Verschmelzung mit der den Trotzkisten nahe stehenden WASG (Wahl-alternative Soziale Gerechtigkeit) ist ein weiteres Manöver, die Arbeiterklasse der BRD an der Nase herumzuführen und von der Eigentumsfrage abzulenken.

Was nun die deutschen Kommunisten anbetrifft, so haben sie sich bislang einer der ungefähr ein halbes Dutzend zählenden Kommunistischen Parteien angeschlossen oder sind parteilos ge-blieben. Dieser Zustand währt nicht ewig, sondern ist eine mit Auseinandersetzungen und Lern-prozessen verbundene notwendige Vorstufe zur Bildung der revolutionären antirevisionistischen marxistisch-leninistischen Partei.

Gerade auf diesen Prozess hat die Zeitschrift „offen-siv“ den Fokus ihrer Arbeit gelegt, um die Einheit der Kommunisten zu unseren Lebzeiten zu befördern. Vielleicht ist ja ein wenig Eigen-werbung an dieser Stelle gestattet. Die „offen-siv“ bietet sowohl in ihrer alle 2 Monate erschei-nenden regulären Ausgabe als auch in diversen Sonderheften allen nichtrevisionistischen Kräf-ten ein Forum zur Diskussion über interessierende Themen der Bewegung. Die inhaltlichen Schwerpunkte dabei sind:

  • Probleme der Politischen Ökonomie des Sozialismus;
  • Beiträge zur internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung sowie zu antiimpe-rialistischen Kämpfen;
  • Historische Tatsachen und Analysen über den Sozialismus in Osteuropa und der UdSSR und damit untrennbar verbunden das Wesen, das Erscheinungsbild und die Funktion des Revi-sionismus;
  • Analysen zur Strategie und Taktik wie auch zur Programmatik der einzelnen Gruppierungen und Parteien mit kommunistischem Anspruch in der BRD, insbesondere aber der DKP.

Zur Verbesserung und Erweiterung ihrer Arbeitsfähigkeit hat sich kürzlich auf Initiative des Herausgebervereins ein Freundeskreis um die „offen-siv“ gebildet, welcher von namhaften nationalen und internationalen Persönlichkeiten unterstützt wird und dem weitere Interessenten jederzeit herzlich willkommen sind.

Genossen,

wir hatten das große Glück, auf dem Podium der alljährlich stattfindenden Rosa-Luxemburg-Konferenz Mitte Januar in Berlin, die stellvertretende Vorsitzende des Kommunistischen Jugendverbandes Tschechiens (KSM), die Genossin Veronica Sykorova erleben zu können. Sie sprach mit Leidenschaft und voller Energie. Ihre kämpferische Rede schloss sie mit den folgenden Worten, die auch den Schlußpunkt unserer kurzen Darlegung bilden sollen. Sie sagte: „Wir geben niemals auf und die Internationale Solidarität gibt uns die Kraft, gegen den Antikommunismus zu kämpfen. Hoch die internationale Solidarität!“

Danke schön!

Andrea und André Vogt in Prag
für „offen-siv“, Zeitschrift für Sozialismus und Frieden