André Vogt:
Die Arbeiterklasse, die kommunistische Partei und Manfred Sohn
In offen-siv 07/2005 lenkt Manfred Sohn zum wiederholten Mal unsere Aufmerksamkeit auf die Themen Arbeiterklasse und kommunistische Partei. Erneut trägt er die Meinung vor, daß die Arbeiterklasse schrumpfe und sie deshalb keine ausreichende Basis mehr für die eigenständige kommunistische Partei sei. Er kreiert einen „dreifach freien Arbeitslosen“, welcher frei sei „von feudalen Fesseln“, „frei von Produktionsmitteln“ und „frei von der Ware Arbeitskraft“.
Nun ist es mit der „Ware“ Arbeitskraft so, daß dieser ihr Warencharakter nichts Zufälliges ist und er auch nicht dadurch verschwindet, daß man der Lohnarbeit fern bleibt. Der doppelt freie Lohnarbeiter war Bedingung für die volle Entfaltung der Warenproduktion; also der Produktionsweise, bei welcher die Ergebnisse der einzelnen unabhängigen Privatarbeiten zum Zwecke des Austausches Warencharakter annehmen müssen.
Ursache hierfür ist das Privateigentum, und die Lösung besteht nicht in der „Offensive“ des „Gemeineigentum(s) gegenüber dem Privateigentum“, wie M.S. schreibt, sondern in der konsequenten Überführung der gesellschaftlichen Produktionsmittel in gesellschaftliches Eigentum; Liquidierung des Privateigentums an Produktionsmitteln. (Das Kapital ist ohnehin ein gesellschaftliches Produkt, was nur durch die gemeinsame Arbeit bewegt werden kann, folglich allen gehört und dessen private Aneignung durch die Kapitalisten ein Widersinn ist.)
Als Voraussetzung zur erfolgreichen Realisierung dieser Maßnahme hat die wissenschaftliche Weltanschauung allerdings eine notwendige, unerläßliche Bedingung erkannt: Die Eroberung der politischen Macht durch das revolutionäre (also klassenbewußte) Proletariat unter Führung der kommunistischen Partei; Beendigung der Diktatur der Bourgeoisie und Einrichtung der Diktatur des Proletariats zur Niederwerfung, Niederhaltung und schließlichen Enteignung der Ausbeuterklassen. Die kommunistische Revolution beendet die Anarchie in der Produktion, die blinde Herrschaft der Produkte über den Produzenten erlischt und der Warencharakter fällt endgültig mit der vollständigen Etablierung sozialistischer Produktionsverhältnisse, wo alle Arbeitskraft planmäßig für gesellschaftlich notwendige und nützliche Zwecke verausgabt wird (siehe Karl Marx: „Das Kapital“, „Kritik des Gothaer Programms“ usw.).
Übrigens hat auch die Arbeitskraft des „Unternehmers“ Warencharakter. Nur ist dieser gewöhnlich nicht zum stückweisen Verkauf derselben gezwungen, denn er lebt ja von der (Mehr)arbeit anderer – und das nicht auf dem ALG-II-Niveau.
Der Lohnarbeiter aber muß sie verkaufen für Lohn oder muß sie anbieten (im Sprachgebrauch der Bourgeoisie: „erwerbsfähiger Hilfebedürftiger“), um Lebensgeld zu erhalten (welches ebenso wie die Altersrente aus dem Arbeitslohn kommt). Manfred Sohn meint, daß „putzige Linke immer noch versuchen, einem Jugendlichen, der nach der Schule von einer perspektivlosen Fortbildungs– und Beschäftigungsmaßnahme zur anderen geschubst wird, einzureden, er sei Teil der Arbeiterklasse und das gesellschaftliche Drama nicht begreift“ (besser: begreifen) „, daß dieser Mensch nie Arbeiterklasse war und niemals sein wird, …“
Die Zugehörigkeit zu einer Klasse ist bekanntermaßen durch die Stellung zu den Produktionsmitteln (und nicht durch „Einreden“) recht eindeutig determiniert. Danach unter-scheiden wir in der kapitalistischen Phase der Ausbeutergesellschaften drei Hauptklassen, nämlich Grundeigentümer, Kapitalisten und Lohnarbeiter. Erstere bilden gemeinsam die Klasse der Bourgeoisie, letztere bilden das Proletariat.
Da oben bezeichneter Jugendlicher in der Regel weder Grundrente noch Profit bezieht, gehört er zum Proletariat. (Er ist weder Bauer noch Handwerker noch Intelligenzler.) Erkennt er diesen seinen objektiven Klassenstandpunkt, dann ist er ein bewußter Proletarier und kämpft für die Befreiung seiner Klasse. Anderenfalls ist er ein klassen-unbewußter Proletarier, ein Möchte-Gern-Bourgeois, ein verhetzter Proletarier oder ein „Linker“, jedenfalls ein Werkzeug der Bourgeoisie gegen die objektiven Interessen seiner Klasse.
Solche einfachen politökonomischen Tatsachen hat Manfred Sohn vergessen. „Gesellschaftliches Drama“ nennt er die Unfähigkeit der Kapitalisten, alle Arbeitskraftanbieter gleichzeitig ausbeuten zu können („weil seine Arbeitskraft unter kapitalistischer Logik überflüssig ist …“). Wäre ihm Vollbeschäftigung im Kapitalismus lieber? Wozu soll das „Mehrgewinnschöpfrad“ rund laufen? Ist es ehrenvoll, lohnzuarbeiten?
Nein, das wirkliche Trauerspiel ist, daß diese „linken“, idealistischen Vorstellungen (falscher Klassenbegriff, Verwerfen der Notwendigkeit und Möglichkeit der marxistisch-leninistischen Partei, Auslassen der Diktatur des Proletariats, Aufgabe der organisatorischen Eigenständigkeit der Kommunisten) von Manfred Sohn im Namen des Marxismus und im Namen des Leninismus vorgetragen werden, obwohl sie doch mit beidem rein gar nichts zu tun haben.
Die offen-siv bietet demnächst ein Fernstudium u.a. zu Fragen der politischen Ökonomie und des Klassenkampfes an. Genosse Sohn sollte diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen und sich im Interesse der Bekämpfung des Revisionismus daran unbedingt und auch als Lernender beteiligen.
André Vogt, Dresden