Andrea Schön:
Strategie und Taktik im Parteiprogramm der DKP
Einen Abschnitt über “Strategie und Taktik in der gegenwärtigen Kampfepoche” (o.ä.) sucht man im Parteiprogramm der DKP vergeblich.
In die Richtung einer (strategischen) Zielbestimmung geht Abschnitt IV, in die Richtung einer (taktischen) Bestimmung der Bündnispartner Abschnitt V. Das heißt man kann diese beiden Abschnitte im Sinne von “Strategie und Taktik” interpretieren.
Zur Zielbestimmung des “Sozialismus” in Abschnitt IV (“Unser Weg zum Sozialismus”) wird festgestellt, dass zur Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse eine Gegenmacht aufgebaut werden müsse, bestehend aus kampffähigen Gewerkschaften, demokratischen und sozialen Bewegungen. “Je mehr es dabei gelingt, Veränderungen im Sinne von Selbstbestimmung am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft, von demokratischer Kontrolle, von Entmilitarisierung und Demokratisierung in Staat und Gesellschaft zu erreichen, je größer der Einfluss der demokratischen und sozialistischen Kräfte überall dort ist, wo Meinungsbildung stattfindet, desto besser sind die Chancen im Kampf um die Zurückdrängung der Macht des Monopolkapitals und für die Öffnung des Weges zum Sozialismus.”
Dieser Satz könnte aus den siebziger Jahren stammen, als es – selbstverständlich zur Sicherung kapitalistischer Hegemonie in der größten Nachkriegskrise – einen Schub demokratischer Reformen auf allen gesellschaftlichen Ebenen, teilweise sogar im Betrieb, gegeben hat.
Heutzutage, in Zeiten schwärzester Reaktion, klingt ein solcher Satz – gelinde gesagt – idealistisch und weltfremd. Es wird aus ihm auch deutlich, dass das DKP Parteiprogramm nicht unterscheidet zwischen
- revolutionärem Kampf
- demokratischem Kampf
- antifaschistischem Kampf
Das ist aber das 1×1 eines kommunistischen Parteiprogramms, das klare Vorgaben für alle drei Kampfformen machen muss, insbesondere im Hinblick auf die jeweiligen Bündnispartner, mit denen der jeweilige Kampf zu führen ist!
Im darauf folgenden Unterabschnitt “Für eine Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt” spricht das Programm von diversen Verteidigungskämpfen, die es zu führen gilt. Demokratische Kampfinhalte bilden auch in diesem Abschnitt eine bunte Mischung mit antifaschistischen auf der einen und sozialistischen auf der anderen Seite bzw. mit schlichtem Wunschdenken …, z.B. die Forderung:
– Friedenssicherung, Abrüstung, internationale Kooperation und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung.
Man könnte sich lange an dieser “Einzel”forderung aufhalten … – z.B. wer möge hier welchen Frieden sichern, ganz aktuell zur Zeit gefragt im Libanon?! (“Ihr Friede ist aus dem selben Stoff wie ihr Krieg”/Brecht); “Internationale Kooperation” – wer/welche Institution/Klasse soll hier mit wem/…/… kooperieren? Wie sieht eine “gerechte Weltwirtschaftsordnung” unter kapitalistisch/imperialistischen Bedingungen aus ?? Ist klar, dass eine solche Ordnung die Revolution zumindest in den imperialistischen Hauptländern voraussetzt?
Eine weitere Forderung:
– gegen den Einsatz der Bundeswehr im Innern, gegen die Militarisierung der Gesellschaft, gegen die Militarisierung der Gesellschaft, gegen rassistische Ideologien, Organisationen und Parteien.
Es handelt sich hier im Kern um den antifaschistischen Kampf. Statt einer Aufzählung in Wunschzettelform wäre eine Bestimmung dieses Kampfes angebracht.
Als Fazit aus den diversen Forderungen ist zu lesen:
“In der vor uns liegenden Etappe kommt es darauf an, gesellschaftliche Kräfte weit über die Linke hinaus im Widerstand gegen die neoliberale Politik zu bündeln. Allianzen verschiedener sozialer und gesellschaftlicher Kräfte … sind die Voraussetzung, um die Rechtsentwicklung und den neoliberalen Umbau der Gesellschaft zu stoppen. Wenn aus diesen Allianzen stabile Bündnisbeziehungen und ein fester gesellschaftlicher und politischer Block gegen den Neoliberalismus entwickelt wird, dann können die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse so verändert werden, dass der Kampf um gesellschaftliche Alternativen eine reale Perspektive bekommt. … Die DKP hält es für möglich und notwendig, dass im Ergebnis des antimonopolistischen Kampfes und andere antimonopolistisch-demokratische Umgestaltungen durchgesetzt werden, die zur Zurückdrängung der Allmacht des Monopolkapitals und zur Erweiterung der Einflussnahme der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten führen und so dazu beitragen können, den Weg für den weiteren Kampf um den Sozialismus freizumachen.”
Die Idee, die hier zum Vorschein kommt, ist, dass sich diverse Allianzen im antifaschistischen und demokratischen Kampf derart zusammenschieben, dass sie in der Lage sind, das Monopolkapital zu isolieren, und in der Folge den Übergang zum Sozialismus schaffen. (“Antimonopolistische Umwälzung bedeutet eine Periode des revolutionären Kampfes, in der noch Elemente des Kapitalismus und schon Keimformen des Sozialismus vorhanden sind.”)
Eine ziemliche Verballhornung des Marxismus-Leninismus; Marx, Engels und Lenin würden Kübel bitterster Ironie über solche Sätze/Gedanken kippen. Wir maßen uns an dieser Stelle nicht an, uns derart über unsere verwirrten Genossen zu erheben, gestatten uns aber dennoch die erschrockene Frage: Seid ihr noch bei Trost ??
Heißt es nicht, Illusionen und Verwirrung in die Arbeiterklasse zu tragen, wenn man ihr weismacht, sie könne durch das Bündnis mit allen möglichen kleinbürgerlichen Schichten das Monopolkapital isolieren und es anschließend durch schiere Quantität der Bewegungen in die Knie zwingen? Genossen, das kann nicht Euer Ernst sein!?
Es ist offensichtlich der Ernst des Parteiprogramms, denn im Abschnitt V “Die Kräfte des Widerstands und des Fortschritts” stehen sich “auf der einen Seite (…) eine kleine Gruppe von Konzernherren, Bankchefs und Multimillionären” und “auf der anderen Seite (…) die überwältigende Mehrheit der Arbeiter, Angestellten und Beamten, der in der Landwirtschaft Beschäftigten, der Intelligenz, der Freiberufler und auch kleine und mittlere Unternehmer, die alle der ökonomischen und politischen Herrschaft des Monopolkapitals unterworfen sind.”
Bei dieser gesellschaftlichen Zweiteilung ist auch die Frage der Bündnispolitik schnell gelöst: Um die revolutionäre Hauptkraft, die Arbeiterklasse, schließt man alle anderen demokratischen, antifaschistischen, globalisierungskritischen etc. (= “sozialen”) Bewegungen zusammen, möglichst international – und schon hat man die monopolistischen Bösewichter isoliert.
“Ja wie denn dann, wenn nicht so?”, mag der zur Selbstkritik fähige und willige Genosse fragen. Nun Genosse, es ist sicherlich nicht so, dass wir auf alle Fragen eine Antwort haben, aber, wir müssen sie zumindest entwickeln, müssen in allen Fragen als kommunistische Partei, als Avantgarde (d.h. bewusstester Teil der Arbeiterklasse) in ALLEN Fragen die fortschrittlichste Antwort haben bzw. zumindest sichtbar entwickeln.
Das können wir natürlich nur auf der Basis des 1×1 des Marxismus-Leninismus, so wie wir es alle irgendwann einmal in irgendeiner Schulung gelernt haben – z.B. in puncto Strategie und Taktik:
Die Strategie gibt uns die nächste größere Kampfetappe vor auf dem Weg zur Beseitigung des Kapitalismus (in unserem Falle die imperialistische deutsche Bourgeoisie), die Taktik die jeweiligen Bündnispartner innerhalb einer Kampfetappe.
Die derzeitige Kampfetappe ist die der Defensive, hervorgerufen durch die Konterrevolution, d.h. “schwärzeste Reaktion” seit dem Zweiten Weltkrieg mit Kräfteverhältnissen, die auf Seiten der Bourgeoisien der imperialistischen Länder in ihrem Kampf um Weltmacht/Weltmarktanteile jenen vor dem Ersten Weltkrieg ähneln und auf Seiten der Arbeiterklasse in diesen Ländern jenen Mitte des 19. Jahrhunderts – mit vielen kleinen Parteien und Splittergruppen, die sich kommunistisch wähnen, aber eher Propagandazirkeln gleichen als der “Partei der Arbeiterklasse”.
Der wichtigste Kampf in der Defensive ist
– der antifaschistische Kampf, d.h. die Verhinderung der Terrorherrschaft der aggressivsten Kräfte des Finanzkapitals, die eine aktuell erwogene Option der (deutschen) Bourgeoisie ist zur Absicherung ihrer Hegemonieansprüche und Kriegsabenteuer! Dieser Kampf ist tatsächlich breit zu führen, mit allen kleinbürgerlich-demokratischen Kräften und – sogar! – unter Ausnutzung der Widersprüche innerhalb der Fraktionen des Monopolkapitals (die man natürlich dazu kennen und genau studieren muss!).
Gleichermaßen bedeutsam ist
– der demokratische Kampf, der die Rechte und Lebensbedingungen der Arbeiterklasse sichert und stärkt. Dieser Kampf wird im Bündnis mit dem eigentumslosen (!) Kleinbürgertum, d.h. vor allem der demokratischen Intelligenz, geführt.
Der revolutionäre Kampf wird hingegen derzeit vor allem propagandistisch geführt und wendet sich an die fortschrittlichsten, bewusstesten Kräfte innerhalb der Arbeiterklasse (vor allem ihres Kerns in den Großbetrieben/Monopolen).
Bei all diesen Kämpfen ist zu berücksichtigen, dass das Monopolkapital über starke Reserven innerhalb der Arbeiterklasse bzw. bei unseren Bündnispartnern verfügt:
Innerhalb der Arbeiterklasse ist dies die Sozialdemokratie, deren Träger insbesondere die Arbeiteraristokratie (Spitzen der Arbeitervertreter in Betrieben und Gewerkschaften) ist. Innerhalb des Kleinbürgertums (Landwirte, Kleineigentümer) sind es rassistische bzw. faschistische Ideologien, da sich diese Schicht aufgrund ihres Eigentums nicht zur Arbeiterklasse zählt, dieser tendenziell feindlich gesonnen ist und zugleich immer darauf aus ist, die Konkurrenz zu vernichten (ohne das Eigentum an sich zu beseitigen).
Es gilt also, im revolutionären Kampf den auf Klassenkollaboration ausgerichteten Sozialdemokratismus in der Arbeiterklasse zu überwinden und im demokratischen und antifaschistischen Kampf rassistisches, arbeiterfeindliches, faschistisches Gedankengut bei den kleinbürgerlichen Schichten (sowie natürlich in der Arbeiterklasse, in die mit kleinbürgerlichen Ideologien auch faschistisches Gedankengut dringt, um sie zu spalten).
Entsprechend sortieren sich die Kampffelder und die jeweiligen Bündnispartner.
Die Revolution und Errichtung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung erreicht man allerdings nur durch die Arbeiterklasse, ihre “Speerspitze”, die Partei der klassenbewusstesten Kräfte, und ihre unmittelbaren eigentumslosen Bündnispartner! Das prinzipiell schwankende Kleinbürgertum wird in einer solchen Situation versuchen, in “Deckung” zu gehen (hinter verschlossenen Fensterläden hindurch lugen) oder auf die Seite des jeweils Stärkeren schlagen. Die restlichen gesellschaftlichen Klassen, einschließlich des bürgerlichen Staatsapparates – werden sich auf die Seite der Konterrevolution schlagen und jeden Umsturzversuch zu vereiteln suchen. Nix mit antimonopolistischer Demokratie …
Strategie und Taktik im Umgang mit der DKP
Eine kommunistische Partei, die nicht in der Lage ist, ihre Kampfaufgaben strategisch und taktisch zu bestimmen, kann natürlich auch nicht die Avantgarde der Arbeiterklasse sein. Sie ist damit nicht kommunistisch, allenfalls sozialistisch (d.h. kommunistisch in der Idee und Zielsetzung, nicht in der Praxis, d.h. in den Kampfformen).
Für Kommunisten ist es daher bedeutsam, eine Position zu dieser Partei zu entwickeln, die sich kommunistisch nennt, ohne im eigentlichen Sinne (= Wesen) kommunistisch zu sein.
Grundsätzlich müssen Kommunisten davon ausgehen, dass
– die DKP mit diesem Programm nicht in der Lage ist, den revolutionären Kampf angemessen zu führen (ungeachtet verschiedener Gliederungen der Partei, die dies aufgrund langjähriger Tradition und Erfahrung durchaus können und in dieser Frage das Parteiprogramm erst gar nicht zu Rate ziehen!);
– die DKP mit diesem Programm nur bedingt in der Lage ist, den demokratischen Kampf jederzeit konsequent zu führen (ungeachtet verschiedener Gliederungen …).
Hier haben Kommunisten die Aufgabe, die Partei im demokratischen Kampf zu unterstützen, zugleich aber antidemokratische, antirevolutionäre Positionen aufzuzeigen und offen zu kritisieren. (Das gilt zum Beispiel für die Positionierung der DKP im Irakkrieg! Das gilt aber ebenso für alle verleumderischen Attacken gegen Kritiker des Parteiprogramms bzw. des politisch-ideologischen Kurses der Partei!)
Schließlich und letztendlich führt natürlich kein Weg daran vorbei, in Deutschland eine kommunistische Partei (dem Wesen nach) zu entwickeln. Hierbei kann die DKP eine durchaus noch unersetzliche Rolle spielen. An uns Kommunisten soll es jedenfalls nicht liegen …
Andrea Schön,
Essen