Dr. Hans Reichelt
Die ostdeutsche Bilanz – 17 Jahre nach dem Anschluss der DDR an die BRD
Liebe Mitstreiter im Kampf um Recht, Gerechtigkeit und Menschenwürde! Verehrte Gäste!
Vor 17 Jahren wurde die staatliche Einheit in Deutschland vollzogen. Monate vorher war der Markt der DDR durch die BRD–Banken, Ladenketten und Konzerne erobert worden. Mit der Währungsunion war die wirtschaftliche Einheit hergestellt.
Seitdem existiert in Deutschland
· ein einheitliches Grundgesetz, dessen Rechte für Ostdeutsche eingeschränkt gelten,
· eine einheitliche Rechtsordnung mit Sondergesetzen und -gerichten für Ostdeutsche und einer Justiz, die verpflichtet ist, die DDR zu delegitimieren,
· eine einheitliche Währung, durch die über Nacht Industrie- und Landwirtschaftsbetriebe in den Kollaps getrieben, vom Binnen- und Außenmarkt brutal vertrieben und Ersparnisse der Bevölkerung entwertet wurden,
· eine einheitliche Eigentumsordnung, nach der die Enteignung der Ostdeutschen von ihrem Volksvermögen, Teilen des Privatvermögens und Rechtsansprüchen erfolgte,
· eine einheitliche Wirtschaftsordnung, nach der Ostdeutschland deindustrialisiert, große Teile der Landwirtschaft und der überwiegende Teil der Wissenschaft vernichtet wurden,
· eine einheitliche Sozialordnung nach der Ostdeutsche vieler ihrer sozialen Rechte beraubt, Löhne, Gehälter und Renten grundsätzlich niedriger, Arbeitszeiten länger und Urlaubsansprüche kürzer, die Massenarbeitslosigkeit doppelt so hoch als im Westen, prekäre Arbeitsverhältnisse und die Armut um vieles größer sind und
· ein einheitliches Staatswesen, das undurchschaubar und bürgerunfreundlich ist, so dass ein Heer von Renten-, Finanz-, Steuer-, Vermögens- und andere Berater, Anwälte und Gerichte, Verbraucherschützer u.a. benötigt werden, um Rechte zu erkennen, zu vertreten und gelegentlich durchgesetzt zu bekommen.
Vorhanden ist eine Spaltung in zwei Teilgesellschaften mit unterschiedlicher Wirtschaftskraft und Tradition. Unerreicht ist nach Meinung einer Mehrheit, die innere Einheit, die Angleichung der Arbeits- und Lebensverhältnisse und der Wertvorstellungen. Verweigert wird Ostdeutschen eine Sicht auf die Geschichte beider deutschen Staaten, so wie sie nach 1945 verlaufen ist. Mit riesigem Aufwand soll uns eine aufgezwungen werden, die die DDR dämonisiert, verteufelt und Bürger kriminalisiert.
Was 1990/91 für viele nicht erkennbar war, Absichten und Ziele der herrschen Kreise der kapitalistischen BRD und die Wünsche eines großen Teiles der DDR-Bürger an einem einheitlichen Deutschland sind diametral entgegengesetzt. Deshalb feiern heute die Herr-schenden die „Erfolgsstory deutsche Einheit“ und wir demonstrieren und fordern wirksame politische und soziale Veränderungen.
Menschen der DDR ging es um die „harte“ DM, ein großes Angebot an Konsumgütern, um unbegrenzte Reisefreiheit, bei manchem auch um mehr Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
Dabei sollten alle bisherigen Leistungen des sozialistischen Deutschlands, mit Voll-beschäftigung für Mann und Frau, allseitiger Förderung der Familien, Chancengleichheit in der Bildung und der Gesundheitsfürsorge sowie Teilhabe aller am Kulturleben beibehalten werden. Die Sicherung des Friedens, der Schutz vor Kriminalität und das Verbot von Neofaschismus, Rassismus und Antisemitismus gehörten dazu.
Für die Großkonzerne und die politische Führung der BRD standen die Eroberung von unermesslichem Reichtum, des Marktes und die Ausschaltung der Konkurrenz auf der Tages-ordnung. Es ging um ungeahnt große Profite, um mehr Macht und Einfluss in Europa und der Welt. Und das in einer unwahrscheinlich kurzen Zeit. Niemand der Betroffenen im Osten durfte zur Besinnung kommen, kein Widerspruch sich breitmachen.
Schnell sollte vergessen gemacht werden, dass es in einem Teil Deutschlands über 40 Jahre lang ohne Kapitalismus und Ausbeutung ging. Und das, trotz Fehlern, in vielem besser. Der Sozialismus, die Erinnerung an ihn, als eine erwiesen gangbare Alternative zum Kapitalismus, muss ausgerottet werden. Der Weg dazu, der Antikommunismus.
Wie hießen die wahren Absichten vernebelnden Politiker-Versprechungen? Von „Blühenden Landschaften, sicheren Renten, niemandem soll es schlechter gehen als früher und von stei-gendem Wohlstand für alle“ war die Rede. Die grenzenlose „Freiheit für jeden“, hat nicht gefehlt. Das war die, das Volk manipulierende Begleitmusik 1990/91 zur Enteignung und Entrechtung, zur Massenarbeitslosigkeit und Verarmung von Millionen.
Was seit Jahren in allen Medien und der Politik absolut Tabu ist, dagegen haben Millionen im Osten Widerstand geleistet. In Resolutionen, auf Massenkundgebungen, mit Straßen- und Traktorendemonstrationen, Streiks, Autobahn- und Straßensperrungen, Betriebs- und Behör-denbesetzungen, in Protesten mit dem Unterpflügen von Milch und Gemüse kämpften sie um ihre Rechte. Unvergessen muss der Hungerstreik der Kalikumpel von Bischofsrode bleiben. Dieser Kampf konnte nicht siegen. Die Belegschaften führten ihn zersplittert, es mangelte an klaren Zielen und Solidarität. Jeder hatte mit sich zu tun. Es fehlte an einheitlicher Organisation. Die Gewerkschaft und Parteien im Osten befanden sich in Auflösung. Nur die um die eigene Existenz ringende PDS war mit den Kämpfenden solidarisch.
Als Schlussfolgerung daraus, bildeten, engagierte Männer und Frauen, als Interessen-vertretungen und Selbsthilfeorganisationen Gesellschaften und Vereine: Die GBM, GRH, ISOR und viele andere. In diesen vereinigen sich Zehntausende. Als erfolgreiche Sachwalter in juristischen, sozialen und politischen Auseinandersetzungen haben sie Vertrauen erworben. Sie haben sich zum Kuratorium Ostdeutscher Verbände zusammengeschlossen, das heute diese Protestveranstaltung organisiert.
I.
Die DDR-Bürger kamen als reiche Bürger in das größere Deutschland; mit über 1,5 Billionen DM an Volksvermögen. Daran ändert auch Prof. Papier nichts, wenn er seinerzeit als Regierungsberater zu begründen suchte, dass die DDR-Bürger ohne Eigentum in die BRD gekommen seien. Die Bundesrepublik könne deshalb willkürlich bestimmen, ob und welches Eigentum diesen Bürgern ab dem Beitritt zur Bundesrepublik zu oder aberkannt wird. Genauso verlogen ist es, wenn es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Linken am 23.5.07 heißt, dass „die DDR kaum wirtschaftliche Substanz in die gemeinsame Zukunft einbringen konnte“. Zwei Monate später berichtete die Presse, dass die Nachfolgeeinrichtung der Treuhand, die BVVG, noch „im vergangenem Jahr rund 277 Millionen € Überschuss“ … „für Verkauf und Verpachtung der ehemals volkseigenen Flächen“ an den Bund überwiesen habe. „Seit 1992 hat die Gesellschaft mehr als eine Million Hektar privatisiert“ und es geht noch weiter.
Wahr ist, bis zur Währungsunion gab es in der DDR: arbeitende Betriebe und öffentliche Institutionen, Vollbeschäftigung, uneingeschränkte Gewährung der vielfältigen sozialen Leistungen, gesicherte Versorgung und allgemeine Sicherheit. So sieht kein Staatswesen aus, das vor einem wirtschaftlichen Kollaps, einem Staatsbankrott oder gar vor einer „Pleite“ steht, wie Politiker und Medien bis heute nicht müde werden, wieder zu käuen.
Trotz ungünstigster Ausgangsbedingungen, – 97% der gesamten deutschen Repara-tionsleistungen, Abwerbung und Abwanderung von über 2 Mio. vorwiegend arbeitsfähiger Menschen nach dem Westen, ohne Marshallplan – haben die DDR Bürger aus eigener Kraft ein international beachtetes Aufbauwerk geschaffen. Unter allen Ländern des RGW hatte sie die höchste Produktivität und den höchsten Lebensstandard. Wahrlich, wir waren keine armen Verwandten. Dieses Volksvermögen der DDR Bürger wurde enteignet, teils verschleudert teils brachte es hundertfachen Profit. Unter Führung von Kohl, Weigl, Köhler und Breuel haben die Banken und größten westdeutsche Konzerne in der „Treu“handanstalt entschieden.
Alles seit 1945 Geschaffene wurde mit milliardenschweren „Zuwendungen“ zu 85% dem west-deutschen und 7% dem ausländischen Großkapital zugeschanzt. Nur ca. 6% gelangten in ostdeutsche Hände.
Der Preis der Einheit für die Ostdeutschen, die Enteignung und Entrechtung. Der „Lohn“ der Einheit für das Finanz- und Industriekapital, eine gewaltige Bereicherung und Akkumulation.
Und die Folgen für die Ostdeutschen? Die Freiheit in die ganze Welt zu reisen und ein großes Angebot an Gütern aller Art – wenn man das notwendige Geld hat – eine erweiterte Infrastruktur, die Modernisierung von Wohnungen, die Sanierung von Stadtzentren und um-fassendere Dienstleistungen. Dazu gehörten aber besonders der Rückgang der Industrie-produktion um 60%, ein Drittel aller Arbeitsplätze vernichtet, der größte Teil der Forschungs-kapazitäten beseitigt und die Intelligenz in die Arbeitslosigkeit entlassen, über 12 % der Ackerflächen stillgelegt und 50 % der Viehbestände reduziert. In den Folgejahren mehr als 3 Mio. vorwiegend berufstätiger Menschen nach dem Westen abgewandert und heute über 1 Mio. Wohnungen leer stehend.
Die beabsichtigte Zerschlagung der LPG scheiterte am heftigen Widerstand der Genossenschaftsmitglieder.
Und der Nutzen für das westdeutsche Finanz- und Großkapital: Ein riesiger Akkumu-lationsschub, der die westdeutsche Wirtschaft aus der weltweiten Rezession und in der Politik, die angeschlagene CDU zum Machterhalt und einer erneuten Regierungsmehrheit führten. Der westdeutsche Vereinigungsboom erbrachte einen Billionen schweren Transfer von Ost nach West. Über den ist weder von Politikern noch in den Medien zu hören. Er brachte gleich mehrfache Profite durch einen gewaltigen Vermögenszuwachs an finanziellen Bankguthaben, Produktionsanlagen, Immobilien, Böden, Wälder, Seen, Bodenschätzen, Verlagen, Fernseh- und Radiosendern, Zeitungen, Interflug, Ausrüstungen der NVA und sehr vieles mehr.
Hinzu kamen eine beträchtliche Erhöhung der Profite durch die neuen Absatzmärkte im Osten – jährlich 200 Mrd. € Überschuss aus den Lieferungen von Waren – und Dienstleistung von West nach Ost-, über 1,8 Mio. neue Arbeitsplätze im Westen, hohe Steuererleichterungen und Subventionen für Ost-Investitionen sowie günstigste Kapitalverwertungsbedingungen für die Banken.
Was auch schwer wiegt, die Übernahme hochleistungsfähiger international konkurrenzfähiger Produktionskapazitäten als Filetstücke aus Kombinaten mit hoch qualifizierten Facharbeitern, Wissenschaftlern, Forschungs- und Entwicklungsergebnissen wie z. B. in Jena, Dresden, Leuna, Schwarzheide.
Die Banken, Versicherungen, große Konzerne und nicht wenige Spekulanten sind die Hauptnutznießer der Einheit und des „Aufschwungs Ost“.
Statt diesen Transfers werden uns medienwirksam die finanziellen Transferströme West-Ost als Geschenk des Westens dargestellt und Dankbarkeit eingefordert, sonst würden diese Finanz-ströme zum Erliegen kommen.
Heutige Erkenntnis von Wissenschaftler ist es, die gewaltige Deindustrialisierung, Vernichtung großer Teile der Landwirtschaft und wissenschaftlicher Forschungspotentiale, das Brachlegen produktiver Kräfte und schöpferischer Fähigkeiten von Mio. Menschen, die Missachtung der Interessen und des demokratischen Selbstbestimmungsrechtes der Ostdeutschen sind die Ursachen der katastrophalen Folgen der deutschen Einigung. Es sind nicht die immer wieder beschworenen „Erblasten“ und die „marode Wirtschaft der DDR“. Diese Kampfbegriffe sind nur der immer mehr durchlöcherte Nebelvorhang eines von der Mehrheit als Kolonialisierung erlebten „Einigungs“-Prozesses. Nachgewiesenermaßen wurden dies, wie auch die Verödung und Entvölkerung ganzer Landstriche, die Massenarbeitslosigkeit und das Angewiesensein auf eine externe Alimentation – West-Ost Transfer genannt – „nicht nur vorhergesehen, sondern auch billigend in Kauf genommen“.
Deshalb wurde auf eine den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbruch aktiv gestaltende Struktur– und Industriepolitik durch die Kohl-Regierung bewusst verzichtet.
Die neoliberale Vorstellung, der Markt werde es schon richten, führte in das Fiasko; zu einem in der neueren Geschichte wohl einmaligen Verlust an Menschenrechten, Eigentum und Bildung eines Volkes. Verloren gingen für viele an menschlichen Werten Solidarität, Gemein-schaftsleben, Mitverantwortung für das Ganze und praktizierte Basisdemokratie, Existenz-sicherheit und auch Völkerfreundschaft.
Heute erleben es Millionen; von dem viel beschworenen Aufbau Ost mit einem selbsttragenden Aufschwung, der Ostdeutschland zur dynamischsten Wirtschaftsregion Europas machen sollte, ist ebenso wenig erreicht wie bei den „blühenden Landschaften“ einem Leben in Wohlstand und Würde und einer gesicherten Zukunft. „Ostdeutschland ist heute ökonomisch unterentwickelt, in weiten Teilen ohne Chancen und Perspektiven, wird von immer mehr jungen Menschen verlassen und h…ngt „am Tropf“ des Westens.
Entgegen dem von Kohl beschworenen „äußerst engen Zeitfenster“ – einer bewussten Angstmache -, das zu dem wahnwitzigen Überstülpen des kapitalistischen Wirtschaftssystems über das sozialistische führte – gab es einen besseren Weg.
Eine von Hans Modrow und dem Runden Tisch vorgelegte Alternative sah einen längerfristigen Prozess als Konföderation oder Vertragsgemeinschaft vor. In dem von Prof Christa Luft erarbeiteten Stufenprogramm sollte innerhalb von 2½ Jahren eine soziale und ökologisch orientierte Marktwirtschaft bei staatlich regulierten Rahmenbedingungen aus der volkseigenen Wirtschaft entwickelt werden.
Für eine Sanierung der Betriebe vor der Privatisierung schlug Hans Modrow einen Solidar-beitrag in Höhe von 10-15 Mrd. DM vor. Das alles lehnte Kohl rigide ab, weil es den Interessen des Großkapitals entgegenstand.
Vor der Geschichte wird sich die unter Kohl geschaffene Allianz: Bundesregierung – Banken – Konzerne, solche Fragen gefallen lassen müssen wie:
· Weshalb wurde den Ostdeutschen das Völkerrecht auf Selbstbestimmung über ihre exis-tentiellen Fragen genommen und die staatliche und wirtschaftliche Einheit auf dem Wege der Kolonialisierung durchgeboxt?
· Weshalb haben in der Treuhand nicht Ostdeutsche in aller Öffentlichkeit entschieden, sondern westdeutsche Konzernvertreter hinter verschlossenen Türen?
In gewohnt arroganter Art hat unlängst Weigl auf die letzte Frage im Fernsehen geantwortet: „Weil wir nicht mit ostdeutschen Eliten unsere Absichten hätten durchsetzen können.“ Und die Interessen ostdeutscher Menschen spielten keine Rolle, sie störten nur.
Zur Ausschaltung der ostdeutschen Eliten auf allen Ebenen und in allen Einrichtungen wirkt als außerordentliches Organ die Gauck/Birthler Behörde mit Tausenden Mitarbeitern. Ihr gelang es Zehntausende Funktionsträger aus den Ämtern in das politische und soziale Abseits zu drängen, der Justiz fleißig zuzuarbeiten, aktiven Einfluss auf politische Prozesse und deren Führungs-kräfte zu nehmen und insgesamt eine Atmosphäre des Misstrauens zu schaffen.
Anstelle der Vertriebenen besetzten Tausende und Abertausende Juristen, Beamte, Richter, Berater u.a. aus dem Westen deren Positionen und die unendlich vielen hochdotierten, neu geschaffenen.
II.
Mit dem Verschwinden des Sozialismus wurden für Ost- und Westdeutsche gleichermaßen, in zwei lebensnotwendigen Bereichen grundlegende Veränderungen – einem Dammbruch gleich – vorgenommen: In der Friedens- und der Sozialpolitik.
Honecker und Kohl hatten in den 80 er Jahren auf Grund der sich aus der gemeinsamen Geschichte ergebenen Verantwortung vor dem In- und Ausland bekräftigt: „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg, von deutschem Boden muss Frieden ausgehen“.
Erstmalig nach 1945 beteiligte sich das größere Deutschland, an dem völkerrechtswidrigen Krieg in Jugoslawien. Die USA-Invasion im Irak wurde logistisch unterstützt. Direkt beteiligt sie sich an dem völkerrechtswidrigen Krieg in Afghanistan. Die Außenpolitik ist durch 10 Auslandseinsätze der Bundeswehr weltweit an militärischen Konflikten beteiligt. Es gibt mit dem Kampf gegen den sogenannten Terrorismus immer mehr Eingriffe in die Bürger- und Menschenrechte. Das Grundgesetz wird ausgehöhlt. Die Militarisierung im Inneren droht. Nach dem Weißbuch des Verteidigungsministeriums geht es im Kern um die Beteiligung Deutsch-lands an schnellen Eingreiftruppen der NATO und der EU, für den weltweiten Einsatz. Also weg von Landesverteidigung, hin zu Militärinterventionen. Die Bundeskanzlerin hat sich in der Außenpolitik den USA angedient, statt auf Distanz zu gehen. Entgegen allen historischen Lehren werden die Beziehungen zu Russland gelockert und vernachlässigt und zu China an-haltend belastet.
Rüstungsproduktion und Rüstungsexporte werden enorm gesteigert – in den letzten 5 Jahren um 50 % und Frankreich vom dritten Platz der Exporteure verdrängt. Der Rüstungswahn hat, trotz aller feierlicher Beschwörungen der Politiker nach Ende des Kalten Krieges, das gleiche Niveau wie zu dessen Zeit erreicht.
Fast die Hälfte aller Rüstungsausgaben geben die USA aus; 4% dagegen China und Russland 3%. Viele Staaten mit den USA an der Spitze modernisieren ihre Massenvernichtungswaffen, und es entwickeln noch mehr Menschen vernichtende Waffen. Mit den heute vorhandenen Massenvernichtungswaffen kann doch diese Welt mehrmals zerstört werden.
Alles um immer mehr Macht der USA und anderer imperialer Mächte zur Ausbeutung der Völker und der immer knapper werdenden Rohstoffe, zur Beseitigung jeder Konkurrenz. Heute ist das Eintreten der Bundesrepublik für das Beenden des Rüstungswahns, das Verbot der Herstellung neuer Massenvernichtungswaffen und die Beseitigung der vorhandenen das Gebot der Stunde. Dazu gehört der Abzug aller US-Atomwaffen vom deutschen Boden. Ansehen, Einfluss und Autorität Deutschlands sind für friedenserhaltende Maßnahmen, für die Konfliktprävention und -vermeidung, für die Beseitigung der politischen und sozialen Wurzeln der Terrorismus und nicht für Militäreinsätze rund um den Globus gefordert; dafür, dass diese Welt sicher wird. Davon ist deutsche Politik weit entfernt. Das machte die Rede der Bundeskanzlerin vor der UNO erneut deutlich.
Mit der Eingliederung in die BRD war eine Rücksichtnahme in der Sozialpolitik auf die Sozialleistungen der DDR nicht mehr notwendig. Der Weg war frei für den Abbau der Sozialleistungen unter der perfiden Losung „Mehr Eigenverantwortung“. Bis heute werden die Ostdeutschen als Experimentierfeld benutzt für alle sozialen Grausamkeiten, die als “Reformen“ verschleiert zum Sozialabbau und in die Agenda 2010 mit den „Hartz-Gesetzen“ führten.
Neben der doppelt so hohen Massenarbeitslosigkeit, der immer brutaleren Ausbeutung durch immer längere Arbeitszeiten, höhere Arbeitsintensität, kürzeren Urlaubsansprüchen und niedrigeren Krankengeldzahlungen sind es die niedrigeren Löhne der Ostdeutschen die zu immer mehr Armut und Existenzgefährdung führen. Nach dem DGB–Verteilungsbericht 2007 sind die effektiven Nettolöhne im Osten im Durchschnitt um 22 % – in bestimmten Berufsgruppen bis zu 33% – beiden letzten Jahren sogar um 2,7 % gefallen.
Besonders durch Hartz 4 wurden mit dem Fortfall der Zumutbarkeitsgrenze und dem Zwang praktisch jede Arbeit zu beliebig niedrigen Löhnen anzunehmen, die Ausbeutungsverhältnisse, besonders im Osten radikal verschärft.
Die Bundesregierung stellt – völlig abgehoben – überschwänglich, und zynisch im diesjährigen „Jahresbericht deutsche Einheit“ fest: „Die neuen Bundesl…nder befinden sich wieder auf einem guten wirtschaftlichen Entwicklungspfad.“ Ostdeutschland hat sich zum Land der Chancen entwickelt. Viele Menschen erfahren für ihre Leistungen täglich Anerkennung und sehen für sich gute Perspektiven, durch guten Lohn und materielle Sicherheit ebenso wie durch die Aussicht, die eigene soziale Lage zu verbessern und sich in allen Lebensbereichen individuell entfalten zu können“. Es wird eine Trendwende am Arbeitsmarkt herbeigeredet und „eine Angleichung an die materiellen und gesellschaftlichen Verhältnisse in den alten Ländern.“
Sind deshalb die über 3 Mio. Berufstätigen nach dem Westen ausgewandert? Über 50 % der neuen von der Regierung bejubelten neuen Arbeitsplätze sind Leiharbeits-„Jobs“. Sie sind für die Unternehmen billiger, können leichter „entsorgt“ werden und führen zur Vernichtung sozialversicherter Arbeitsplätze, zum Lohn- und Sozialdumping. Es wächst die Forderung nach „Abschaffung der modernen Sklavenarbeit“, auch „prekäre“ Arbeitsverhältnisse genannt.
Vom DGB-Bundesvorstand werden diese als Entwicklung charakterisiert, die inzwischen auch die Mitte der Gesellschaft erfasst hat. In ihnen herrschen Billig- und Niedrigstlöhne, labile Anstellungen ohne Mitbestimmung, Leiharbeit, Mini-Jobs oder der Zwang zur Schein-Selbstständigkeit.
Zu unterstützen sind die Forderungen nach einem gesetzlichen Mindestlohn, der Zurück-drängung der Leiharbeit auf ein Minimum und den Ausbau öffentlicher Beschäf-tigungsverhältnisse.
Wahr ist nach 17 Jahren „Aufschwung“ auch, dass gerade einmal zwei Drittel des DDR–Produktionsniveaus von 1989 erreicht wurden. Nach wie vor stagniert das Pro-Kopf-Einkommen bei 75 % und die Nettoeinkünfte der Haushalte betragen etwa 77% des Westens. Nur rund die Hälfte des Einkommens kommt aus Lohn oder Gehalt. Immer mehr wächst der Anteil aus Arbeitslosengeld und Sozialhilfe, Renten, Kindergeld. Ein Viertel kommt aus den Transferzahlungen.
Bei den Schwanengesängen der Bundesregierung ist in Erinnerung an 1990/91 allergrößte Vorsicht geboten. Der Öffentlichkeit soll suggeriert werden, dass es im Osten, nach der verfehlten wirtschaftlichen Einigung, keine wesentlichen Probleme mehr gibt. Es sei keine besondere Unterstützung mehr erforderlich. Proteste und Kritiker sollen mundtot gemacht werden. Der Osten weiterhin als Jungbrunnen für den Arbeitsmarkt des Westens zur Verfügung stehen. Ansonsten, die Zeit wird es schon richten. Es fehlt nicht an Vorschlägen, welche Regionen denaturiert werden sollen und wann es uns im Osten nicht mehr gibt. Dagegen muss mit aller Schärfe protestiert werden.
Zu unterstützen sind die Forderungen alternativer Ökonomen und Wirtschaftler nach einem völlig neuen Denken in Sachen Ostförderung, nach einem strategischen Konzept, in dem alles Bisherige kritisch bewertet wird, Bundes-, Landes-, Kommunal-, Wirtschafts-, Wissenschafts-, Regional- und Sozialpolitik.
In vielen Städten im Osten gibt es – Berlin an der Spitze – einerseits sehr aufwendig sanierte Zentren, andererseits Ruinen ehemaliger industrieller und landwirtschaftlicher Großbetriebe, massenhaft leerstehende Wohnungen, anhaltende Massenarbeitslosigkeit, fortschreitende Überalterung, Geburtenrückgang bei gleichzeitiger Abwanderung von Berufstätigen besonders jungen engagierten Frauen und eine völlig unzureichende Wirtschaftskraft. Mancherorts kommen neue Investruinen und Prestigeobjekte wie Verwaltungspaläste für Banken, Arbeitsämter, Sparkassen und Landräte hinzu.
Um neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Wirtschaftskraft zu steigern sind weit mehr Investitionen durch Bund und Länder und hohe steuerliche Anreize zur Förderung der Ansiedlung neuer industrieller Unternehmen mit Sitz im Osten erforderlich. Es muss endlich Ernst gemacht werden mit der Förderung mittelständischer Unternehmen – von denen der größte Teil Handwerksbetriebe sind. Nicht wenige haben innovative Produkte und Weltneuheiten. Was fehlt ist Kapital, Marktzugang und Leute, die die Produkte in die Welt bringen.
Nach 17 Jahren ist noch keine Rentengerechtigkeit hergestellt. Unter Verletzung des Einigungsvertrages und des Grundgesetzes wurden Rentenansprüche aus der DDR gekürzt oder gestrichen, gibt es repressive Grenzen für die Einkommensanerkennung zur Rentenberechnung, gelten weiterhin Strafrenten besonders für die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit, trotz deren faktisch juristischer Rehabilitierung – und auch für Angehörige von Justiz-, Staats- und Parteiorganen.
In Abertausenden von Gerichtsverfahren suchen Ostdeutsche immer noch soziale Gerechtigkeit, Einhaltung des Einigungsvertrages und der Menschen- und Grundrechte.
Die Durchschnittsrenten liegen im Osten erheblich unter denen im Westen. Die Legende von den „reichen“ Ostrentnern“ und den „armen“ Westrentnern beruht schlichtweg auf unvoll-ständigen Berechnungsunterlagen. Es fehlen die hohen Renten von Lehrern, Ärzten, Rechts-anwälten, Ingenieuren u. a., im Westen, die diese aus berufsständischen Versorgungssystemen beziehen, nicht aus der gesetzlichen Rentenkasse wie im Osten. Nicht betrachtet werden im Rentenvergleich Betriebsrenten, Erträge aus privaten Vorsorgeverträgen, Mieten u.a. Alarmierend weist die OECD in ihrem jüngsten Bericht „Renten auf einen Blick“, auf die in Deutschland – in einem der reichsten Länder – besonders im Osten sich ausbreitende Altersarmut hin.
Alle Forderungen nach „Eigenvorsorge“ verdecken, dass den Rentnern und Beschäftigten immer mehr abgenommen wird, damit Maximalprofite der Konzerne gesichert werden. Der DGB weist darauf hin, dass der Anteil des Volkseinkommens seit 2000 von 72% auf 66% und die Kaufkraft der Arbeiter und Angestellten um 3,7% gefallen sind. Die Gewinne und Vermögenseinkommen aber wurden auf 138% erhöht, die Dividendenausschüttungen auf 300%.
Es ist zynisch, wenn die Bundeskanzlerin nach dem Kabinettsausflug nach Meseberg verkündete, man sei übereingekommen, jetzt alle an dem Aufschwung der deutschen Wirtschaft zu beteiligen. Drei Viertel fühlen sich nämlich von diesem vergessen.
Wahrheit ist, sinkende Kaufkraft durch Erhöhung der Mehrwertsteuer, Mehrausgaben für die Gesundheit bei ständig höherer Eigenbeteiligung, rapide steigende Lebensmittel-, Verkehrs-, Wasser- und Energiepreise, steigende Mieten, Streichung von Subventionen und vieles mehr.
Kaum eine Woche vergeht ohne Ankündigung neuer Preiserhöhungen und Abzügen von Lohn und Rente.
III.
Nach der Öffnung der Mauer gab es das Begrüßungsgeld. Es folgte die Aufforderung Willy Brandts, dass zusammenwachsen müsse, was zusammengehört. Auch von einer Versöhnung war die Rede.
Schon bald ersetzte diese versöhnlich klingenden Losungen die klassenkämpferische Forderung – von Klaus Kinkel vorgetragen -: „Es muss gelingen, das SED-Regime zu delegitimieren“. Zuerst an die Justiz gerichtet, bald folgten Bundestag, die Regierung, der ganze Tross der Medien. Hoch bezahlte Wissenschaftler wie ein Herr Professor Barring, durfte 1991 die Ost-deutschen als „verzwergt“ und deren Ausbildung als „verhunzt“ beschimpften.
Mit der Eppelmannkommission des Bundestages wurde, nach Wolfgang Harich, „die ideologische und zeitgeschichtliche Grundlage für die Siegerjustiz“ geschaffen. Die psycho-logische Kriegsführung des Kalten Krieges wird nunmehr einseitig vom Westen mit noch größerer Arroganz, Unverfrorenheit und Menschenverachtung fortgesetzt. Neue Kampfbegriffe wie menschenverachtendes SED-Regime, Unrechtsstaat, zweite Diktatur, Stasifolter und Stasi-terror, Staatsdoping, „verordneter“ Antifaschismus, Stalinismus, neuerdings auch Stasivereine u.v.a.
Die Hatz begann auf alles, was im Osten den sozialistischen Aufbau betrieben hatte und was an ihn erinnerte. Denkmale und Gebäude – wie der Palast der Republik – Straßennamen von Antifaschisten wurden beseitigt. Kunstwerke ostdeutscher Künstler, Gemälde, Plastiken, Filme, oft international hoch gewürdigt, wurden beseitigt, verschwanden in Kellern oder Dachböden. Sie durfte es nicht gegeben haben. In Ausstellungen und Museen muss die Darstellung der geschichtsbestimmenden und revolutionären Rolle der Arbeiter und Bauern und der Arbeiterbewegung der Lobhudelei der in der Feudalgesellschaft und dem Kapitalismus Herrschenden weichen. Von den gewaltigen Aufbauleistungen nach dem faschistischen Krieg und danach darf nichts dargestellt werden, oder sie werden der BRD zu geschrieben, wie z.B. bei der Semper Oper, dem Schauspielhaus in Berlin. Die DDR wird als „unerwünschte Person“ behandelt.
Als „staatsnah“ verteufelt wurden alle, die besonders engagiert nach einer Alternative zum Kapitalismus gesucht hatten. Oft genug haben sie ihr ganzes Leben dem Aufbau einer gerechten Gesellschaft ohne Ausbeutung verschrieben. Für diese Andersdenkenden und –handelnden verhängte das kapitalistische Deutschland – wohl wissend, vorsätzlich und verfassungswidrig, Strafrenten.
Mit Ermittlungsverfahren gegen 80.000 Betroffene wurde die Kriminalisierung von An-gehörigen der bewaffneten Organe, der Justiz, von staatlichen Organen und der Führung der Streitkräfte betrieben. Später folgten Sportler und Ärzte. Trotz zweifelhafter, auch international höchst umstrittener Sondergesetze, konnten nur ganz wenige Strafen verhängt werden. Die Absicht, die DDR durchgängig zu kriminalisieren, war fehlgeschlagen.
Der Beitritt zum „Rechtsstaat“ BRD hat sich nach Prof. Buchholz „für die überwiegende als ein massenhafter Verlust von Rechten, eine gravierende Verschlechterung ihrer Rechtslage, und zwar abgesehen von den direkten Benachteiligungen in Gestalt von „Strafrenten“, der Entfernung vieler aus ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit, beim Austausch der Eliten – auch auf Veranlassung der Gauck- bzw. Birthler-Behörde – der Wegnahme von Häusern im Gefolge von Restitutionsverfahren, zahlloser ungerechtfertigter Strafverfolgungen und vieles andere mehr“ erwiesen.
Den herausragenden Platz auch bei der Delegitimierung der DDR hatten die Gauck/Birthler-Behörde und die Hassprediger. Niemand leistet mehr zum „teile und herrsche“, zur Trennung von Ost und West, zur Verletzung und nachhaltiger Beschädigung ostdeutscher Biographien.
Das jüngste Beispiel dafür ist der angeblich endlich aufgefundene „Schießbefehl“. Ich erinnere mich an die Kabinettssitzung, in der der damalige Verteidigungsminister Heinz Hoffmann den Entwurf des Gesetzes zum Schutz der Staatsgrenzen der DDR begründete. Er hob hervor, dass die Regelungen zum Einsatz der Schusswaffen in der NVA mit den Waffen-gebrauchsbestimmungen in der BRD übereinstimmen. Danach gab es in der DDR, wie es auch von der BRD behauptet wird, keinen Schießbefehl. Egon Krenz ist deshalb uneingeschränkt zuzustimmen, alles gegen das im Gesetz geregelte Handeln, verstieß gegen die Gesetze der DDR.
Es ist höchst gradig verwunderlich, dass eine Regierung, die Anspruch darauf erhebt, die Interessen aller Deutschen wahrzunehmen, Milliardensummen aus Steuergeldern für Institute, Medien, Filme, Konferenzen, Denkmale u.a. ausgibt, um einer Mehrheit der Ostdeutschen ihre Würde zu nehmen, sie zu diskriminieren, ihre Verfassungs- und Menschenrechte zu beschneiden. Berufend auf den Anspruch der allein gültigen Deutungshoheit ostdeutscher Geschichte – vergleichbar mit der Hallstein Doktrin – erfolgt die Fortsetzung des Kalten Krieges durch Geschichtsklitterung, Verleumdungen, Fälschungen, Verdrehungen, Versimplifizierungen der Geschichte, die Ausschaltung ostdeutscher Historiker und Zeitzeugen – soweit sie sich nicht in geforderter Weise äußern. Aus gegebenen Anlass sei eingefügt, Verleumdungen und Lügen werden nicht zur Wahrheit, wenn man sie von renommierten Schauspielerinnen und Schauspielern in Filmen oder Talkshows vortragen lässt. Sie vertiefen umso mehr den Bruch Ost-West.
Zu alle dem gehören auch die Ablehnung der Zusammenarbeit und sachliche Diskussionen mit ostdeutschen Historikern und Zeitzeugen und schließlich die Teilung in Täter – Erbauer des Sozialismus – und Opfer – Gegner des Sozialismus – zu den antikommunistischen „Arbeits-methoden“. Geschürt werden heute Gegensätze zwischen Eltern und ihren Kindern.
Verleumdet werden die Organisationen und Persönlichkeiten, die die Interessen Ostdeutscher, ihre politischen und sozialen Rechte gemäß dem Grundgesetz und den Menschenrechten ver-treten.
Die Bundeskanzlerin wird heute nicht müde selektiv in Russland und China – nicht in USA – Menschenrechtsverletzungen anzumahnen. In Ostdeutschland aber übersieht und duldet sie die fortschreitende Verarmung und Verletzung sozialer und politischer Menschenrechte und lässt eine tiefe innere nationale Spaltung zu, was sehr wohl international wahrgenommen wird.
Bereits 1998 forderte der Ausschuss für wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte der UNO von der Bundesregierung „ Prozess der Integration zwischen Ost- und Westdeutschland auf allen Ebenen mit dem Ziel zu beschleunigen, die zwischen ihnen noch bestehende Kluft zu reduzieren.“. Geschehen ist das Gegenteil.
Aus den dargelegten Entwicklungsrichtungen der 17 Jahre zeigt sich die ständige Verletzung der Grundgesetz- und Menschenrechte durch die ständige Diskriminierung von Ostdeutschen und die Verletzung ihrer Menschenwürde, ihre demokratiefeindliche Ausschaltung von allen Ent-scheidungen über ihre Existenzfragen, die soziale und juristische Ungleichbehandlung, die Enteignung und Entrechtung. Unbestritten ist, dass es hier auch Reiche gibt und solche, die im Westen angekommen sind.
Zum 17. Jahrestag haben aber drei Viertel der Ostdeutschen in Meinungsumfragen festgestellt, dass sie sich nicht als gleichrangig sondern als zweitklassig behandelt betrachten.
Wir vertreten ihre Interessen, die der politisch, juristisch Verfolgten und sozial Benachteiligten, die der Rentner, Arbeitslosen, Existenzgefährdeten und Armen, wir haben unseren scharfen Protest und unsere Forderungen in dem Resolutionsentwurf zusammengetragen. Ihn wird Prof. Siegfried Mechler anschließend vortragen.
Unter anhaltendem Druck wächst Zivilcourage unter Journalisten, Historikern, Politikern, Juristen, Schriftstellern, Schauspielern und Künstlern, Zeitzeugen und anderen. Zugang zu den Medien ist ihnen, trotz Meinungsfreiheit, grundsätzlich verwehrt.
In Zeitschriften, Büchern, Artikel und auf Konferenzen suchen sie überzeugend und anhand von Dokumenten die Geschichte so darzustellen, wie sie war. Natürlich auch mit den Defiziten. Sie weisen die Lügen über die DDR zurück und verteidigen ihre Würde und ihr Lebenswerk. Dazu gehören viele Arbeiten über die Geschichte von gesellschaftlichen Organisationen, Wirtschafts-bereichen und persönlichen Lebenswegen. Notwendig werden Arbeiten zur neueren Geschichte der Eingliederung in die BRD und zum „Alltag Ostdeutscher in der BRD“.
Unverzichtbar besonders für alle Linkskräfte, sind die ökonomischen Analysen von politischen Ökonomen und Historikern zur ökonomischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Entwicklung des bisherigen Sozialismus in der DDR und die Schlussfolgerungen für den des 21 Jahrhunderts. Ohne diese muss gesellschaftliche Theorie für einen Sozialismus der Zukunft substanzlos und ein blutloses Konstrukt bleiben.
Immer mehr Ostdeutsche stellen fest, dass das medial über die DDR-Geschichte Gebotene nicht das ist, was sie gelebt, erarbeitet und womit sie sich identifiziert haben oder heute in vielem noch identifizieren. Ist letztlich dies der Grund wütender Hetze, die Furcht vor dem Erinnern, vor einem neuen Sozialismus?
Ist der Glaube an die Zukunft des Kapitalismus, an seine Fähigkeit die bisher größten Herausforderungen der Menschheit in diesem Jahrhundert – als da sind Erschöpfung lebensentscheidender Rohstoffe aus der Natur, ökologischer Katastrophen, besonders durch den Klimawandel, neue Weltwirtschaftsordnung, die die Gleichberechtigung aller Staaten und ihre solidarische Zusammenarbeit gewährleisten und endlich die Verbannung jedes Krieges und jedes Weltvorherrschaftsanspruches aus den Leben der Völker, zu lösen in Zweifel geraten? Der sich ausbreitende Skeptizismus spricht dafür.
Es wird der Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Kapitalismus vorbehalten sein, den Nachweis zu erbringen, wer die besseren Lösungen für die Existenz und Fortentwicklung der menschlichen Gesellschaft hat, der aus den Erfahrungen, Fehlern und der Niederlage eines frühen realen Sozialismus in Europa und den Erkenntnissen der Entwicklung in Asien, Süd- und Mittelamerika gereiften Sozialismus oder der immer labiler und unberechenbarer werdende globale Kapitalismus.
Eins ist sicher, der Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte. Wenn nicht Barbarei, Kriege, ökologischer Katastrophen oder die Selbstzerstörung das Ende der Menschheit sein sollen, muss der Sozialismus siegen.
Dr. Hans Reichelt, 3. Oktober 2007, Berlin