Mark Staskiewicz:
Murks-ismus oder Marxismus?
Vom 20-22. April fand in Berlin die sog. MarXXIsmus-Konferenz statt. Sie steht in der Tradition der 1. Marxismuskonferenz, die vor vielen Jahren in Hannover durchgeführt wurde. Über einen Teil der Veranstaltungen und Plenums soll im Folgenden berichtet werden.
Veranstalter: Folgende Zeitungen, Organisationen bzw. Stiftungen veranstalteten die Konferenz: Europäisches Friedenszentrum/Deutsche Sektion (epf), Heinz-Jung-Stiftung, Icarus/GBM, isw, Jakob-Moneta-Stiftung, Marxistische Blätter (DKP), Marxistisches Forum, Ossietzky, pad-Verlag / Elisabeth & Nikolaus-Koch-Stiftung, SALZ e.V., Solidarität – Sozialistische Zeitung (SAV), Sozialismus (links-sozialdemokratische Zeitung), Sozialistische Zeitung/SoZ (isl), Unsere Zeit/UZ (DKP), Z – Zeitschrift marxistische Erneuerung und die Zeitung gegen den Krieg /ZgK .
Ziel der Konferenz? Robert Steigerwald (ein führender Theoretiker der DKP), der einer der Organisatoren war, meinte im Interview der UZ: „Ziel der Konferenz war aber, über Marxismus für das 21. Jahrhunderts zu diskutieren“ [UZ, 27.April ’07; S. 15].
TeilnehmerInnen: Trotz des stolzen Preises von 18 Euro für Verdiener kamen nach Angaben der Veranstalter insgesamt 700 TeilnehmerInnen. Die meisten TeilnehmerInnen kamen aus den folgenden drei Spektren: Der trotzkistischen Bewegung, der DKP + Umfeld, und der Linkspartei + Umfeld. Es gab auch die Gelegenheit, Stände zu machen. Auch hier nutzten insbesondere trotzkistische Organisationen die Möglichkeit (SAV, isl, Arbeitermacht, RSB, Sparkatist, PSG…). Es gab aber auch Stände der DKP, von RotFuchs, offen-siv und dem Roten Oktober, sowie Stände von Zeitungen (junge Welt, ND) usw.
Das Interesse an den Ständen war aber recht bescheiden. Vielen TeilnehmerInnen ging es wohl primär um die Vorträge. Einen Austausch über die verschiedenen Positionen der vertretenen Organisationen mit den BesucherInnen gab es eher punktuell.
Die Veranstalter hatten es nicht geschafft, viele Jugendliche zu mobilisieren, so stellten Jugendliche eine absolute Minderheit dar. Aber diesbezüglich wollte zumindest Robert Steigerwald wohl auch primär Jugendliche aus DKP, SDAJ, Linkspartei/WASG mobilisieren. Im Interview sagt er zum Jugendmangel: „Das ist sicher ein Mangel. Bedauerlich finde ich besonders, dass die Konferenz an unserer SDAJ und jüngeren DKP-Mitgliedern weitgehend vorbeigegangen ist. Das gilt auch für organisierte StudentInnen z.B. aus Linkspartei und WASG“ [ebenda]. Und andere Spektren der politischen Jugendbewegung?
Zu einzelnen Veranstaltungen: Es gab insgesamt 38 Veranstaltungspunkte in den 3 Tagen. Viele Veranstaltungen fanden parallel zueinander statt. Die Veranstaltungen im großen Saal waren nicht nur durch die Bestuhlung privilegiert, nein, die anderen Veranstaltungen waren auch nicht so leicht anlaufbar, da sie in einem anderen Gebäude stattfanden.
„Sozialismus im 21.Jahrhundert“: Eröffnet wurde die Konferenz durch das Plenum „Sozialismus im 21.Jahrhundert“. Als erstes sprach hier Uwe-Jens Heuer. Er begann mit einer Unterschätzung von Marx und Engels, durch die in seinen Augen der Sozialismus zwar wissenschaftlich und überprüfbar wurde, dies aber nur zum Teil! Fakt ist aber doch, dass Marx und Engels die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus sind. Natürlich ist der Marxismus nichts Abgeschlossenes und muss ständig weiterentwickelt werden, aber die Leistung von Marx und Engels nur in einer teilweisen wissenschaftlichen Überprüfbarkeit zu sehen, halten wir für eine Herabwürdigung. Und dann folgte auch gleich ein Angriff auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Marx und Engels. Denn Heuer sprach darüber, dass seiner Ansicht nach ein „marxistischer Glaube“ existiere. Zwar ging er nicht so weit, die Wissenschaft abzulehnen, jedoch hielt er den Glauben für durchaus positiv. Damit öffnet sich Heuer dem Glauben, dem Idealismus, während der Materialismus den Glauben kritisiert und davon ausgeht, dass das Bewusstsein, welches das höchste Produkt der materiellen Natur ist, die Welt richtig erkennen kann und der Marxismus die wissenschaftliche Erkenntnis dem Glauben gegenüberstellt. Es war aus Heuer’s Sicht nur konsequent, dass er auch zu dem Schuss kam, dass der christliche Glaube den Menschen im Faschismus ein Rückgrat gebracht habe (hier wurde Niemöller als Beispiel angeführt). Auf den Hauptfeind für MarxistInnen in Deutschland, den deutschen Imperialismus, ging Heuer nicht weiter ein, vielmehr betonte er die Stärke des US-Imperialismus und dessen Macht. Und er kam zu dem Schluss, dass der Kapitalismus möglicherweise zu einer neuen Barbarei führen könne, die so schlimm sei, dass der Sozialismus in absehbarer Zeit nicht möglich sei. Auch diese Kapitulation vor dem Kapitalismus wurde dem Referatthema nicht gerecht.
Frank Deppe meinte, dass Karl Marx nicht nur in die Londoner Bibliothek zurückgekehrt, sondern auch nach Lateinamerika gereist sei. Mit dieser Überschätzung (in Lateinamerika wäre Marx zurückgekehrt) der Prozesse in Lateinamerika begann er die Schilderung seiner Sicht. Er betonte, dass es in Lateinamerika linke Regierungen (was genau er darunter versteht, wurde leider verschwiegen) gibt und Länder sich z.T. dem Projekt „Sozialismus des 21.Jahrunderts“ gewidmet haben. Diesbezüglich sprach er auch von einer sich neu formierenden Linken. Zu Recht wies er darauf hin, dass die Räume der marxistischen Forschungsarbeit enger geworden sind, da es z.B. keine Forschungsakademien der kommunistischen Parteien mehr gibt. Diese Tatsachenbeschreibung verknüpfte er aber mit Illusionen. Denn er sprach seine Hoffnung aus, dass die Linkspartei bzw. die Rosa-Luxemburg-Stiftung Freiräume für die Wissenschaft eröffnet. Allerdings meinte er, dass diese Wissenschaft dann nicht unbedingt die Parteimeinung sei. Sehr positiv sei die Gründung eines neuen Hochschulverbandes (der Linkspartei).
Da Dieter Boris krank war, sprang Sahra Wagenknecht ein. Diese gab sehr allgemein wieder, was ihrer Ansicht nach in Venezuela passiert. Sie meinte, dass es noch kein Sozialismus sei, aber es sich um einen ersten Schritt handele, aus dem Kapitalismus auszubrechen. Sie fand es sehr wichtig zu betonen, dass dieser Prozess nicht von einer Partei eingeleitet wurde, sondern es erst eine Bewegung gab, aus der die Partei entstand. Damit deutete sie auch wohl ihr Konzept für den Parteiaufbau an. Die Bewegung in Venezuela habe sich immer ganz klar auf Marx bezogen. Kuba sei ein sozialistisches Land, so Wagenknecht. Noch oberflächlicher wurde es dann, als sie auf Deutschland zu sprechen kam. Sie führte eine bürgerliche Umfrage an, nach der 70% gegen Kriegseinsätze der Bundeswehr seien. Somit seien linke Positionen z.T. mehrheits-fähig. So einfach ist es aber nicht, Genossin Wagenknecht! Sie gab auch einen falschen Bewusstseinsstand der Nichtwähler wieder. Diese wären der Ansicht, dass die Parteien Akteure des Kapitals seien, somit dürfe man die Nichtwähler auch nicht so negativ sehen. Sicher werden auch kleinere Teile der Nichtwähler dies denken. Aber ein so breit verankertes antikapitalis-tisches Bewusstsein, in dem die bürgerlichen Parteien mit dem Kapital verbunden werden, sehen wir nicht. Laut der Europaabgeordneten der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, müsse man die Leute nicht primär von „unseren“ Positionen überzeugen, sondern ihnen vor allem zeigen, dass wir zu „unseren“ Positionen stehen.
Als Dritter ging Wolfgang Fritz Haug ans Mikrofon. Er betonte seine berechtigte Kritik an den Aussagen von Negri und der „Empire-Theorie“. Aber er kam auch zu vollkommen falschen Aussagen. So z.B., dass durch Bush die USA einen neuen Imperialismus geschaffen hätten. Was diesen „neuen Imperialismus“ ausmachen soll, was in der leninschen Imperialismustheorie bisher nicht berücksichtigt wurde, konnte Haug nicht nachweisen. Und dann lehnte er auch ab, dass man eine marxistische Partei brauche. Dies begründete er lapidar damit, dass keine Partei ewige Wahrheit habe. Sicher wäre es richtig gewesen, hätte er gesagt, dass eine Partei nicht zwangsläufig richtig liegt. Das bedeutet aber noch keinesfalls, dass es keiner Partei bedarf. Diese Ablehnung der Organisation führt zur Kapitulation, denn es ist eine Illusion, die Macht der gut organisierten KapitalistInnen ohne eigene Organisierung und Führung der Massen durch die Partei entreißen zu können. Des Weiteren gibt es durchaus eine objektive Wahrheit (uns wurde nicht ganz klar ob Haug auch diese ggf. leugnet, deshalb diese Ausführung), die eben auch bedeutet, dass die Welt nicht nur materiell, sondern auch erkennbar ist. Haug kritisierte, dass alle in ihrem Saft schmoren und es keine Diskussion der Strömungen gäbe. Und zu Recht kritisierte er auch die Konferenz, weil der Marxismus nicht wirklich Thema war, sondern vor allem politische Fragen diskutiert werden sollten, wie er dem Programm entnahm.
Manuel Kellner von der trotzkistischen 4. Internationale bezog sich auf das Leverkusener Treffen (bei dem sich z.B. TrotzkistInnen mit Mitgliedern der DKP etc. treffen), das er für wichtig hält. Diesbezüglich müsse er auch sagen, dass er seine Ansichten geändert habe. Während er früher z.B. Robert Steigerwald’s größten Fehler in seinem „Stalinismus“ gesehen habe, würde er heute sagen, dass Sterigerwald’s größter Fehler sein Alter sei. Die Definition des Sozialismus die Kellner versuchte, war nicht mehr als die Auflistung bestimmter Erscheinungen, die seiner Ansicht nach im Sozialismus zutreffen müssen. Im Sozialismus gäbe es somit keinen Hunger mehr, gäbe es weniger Arbeitszeit und es sei kein Sozialismus wenn ein paar Hundert entscheiden und glauben die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und des Weiteren müsse es im Sozialismus mehrere Parteien geben, die Verankerung einer Einheitspartei in der Verfassung halte er für falsch.
Als letztes sprach dann Robert Steigerwald, der die Veranstaltung auch moderierte. Steigerwald sprach richtiger Weise die Eigentumsfrage an und drückte aus, dass der Sozialismus des 19. des 20. wie des 21. Jahrhunderts in der Eigentumsfrage identisch ist. Im Gegensatz zu allen anderen Rednern in dieser Plenumsveranstaltung sprach er als einziger die Notwenigkeit der Gewalt beim Kampf für den Sozialismus an. Dann meinte er jedoch, dass der Sozialismus unmöglich sei, solange das Kapital den Knüppel hat (damit meinte er das Militär, Polizei etc.). Deshalb sei der Kampf um Abrüstung so wichtig. Das klang schon fast so, als ob wir ohne Abrüstung nicht den Sozialismus erkämpfen könnten, was natürlich falsch ist. Fakt ist aber auch, dass wir in der Lage sind, die Gewehre umzudrehen! Wir sind nicht unbewaffnet, wenn wir am Marxismus festhalten. Die Theorie wird demnach bekanntlich zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift. Eine wirkliche Abrüstung im eigentlichen Sinne wird sich nicht auf dem Boden des Kapitalismus durchsetzen lassen, denn die Kapitalisten benötigen Waffen zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Interessen.
In der Diskussion gab Heuer zu, dass er in der paradoxen Situation stehe, in der er auf einen Sozialdemokraten hofft, was er auch Lafontaine gesagt habe. Ob ein Hoffen auf einen Sozial-demokraten nun etwas mit dem Marxismus zu tun hat, darüber mag die Leserschaft selbst urteilen.
Sahra Wagenknecht ging auf die Frage ein, warum die Notwendigkeit der gewaltsamen Revolution nicht erwähnt wurde (das stimmte nicht ganz, Steigerwald sprach dies an). Sie halte es für falsch, Prognosen aufzustellen, wie eine Revolution aussieht. Das könne man vorher nicht sagen. Sie wisse nur, wie die Revolution nicht aussehen werde: Dass die Linkspartei 51% der Stimmen bekomme und dann alles verstaatlicht. Chavez führe eine Verstaatlichung durch und wenn er weitergeht, sei das eine Revolution. Sie machte Andeutungen, dass es auch einen friedlichen Übergang geben könne, sprach dies aber nicht explizit aus. Zur Kritik an der Linkspartei, die in der Diskussion von zwei Personen geäußert wurde, sagte sie, dass es gute Chancen gäbe, dass die Linkspartei nicht wie eine Regierungspartei enden werde. Sie nutzte ihre Redezeit als Werbung für diese sozialdemokratische Partei, sie wünschte sich die Unterstützung der Anwesenden im derzeitigen Prozess und bekam diesbezüglich nicht nur von Robert Steigerwald, sondern auch der Mehrheit der anwesenden ZuhörerInnen Applaus.
Deppe ließ in der Diskussion auch so richtig die Katze aus dem Sack, als er meinte, dass man die Parteitheorie überprüfen müsse. Hier sprach er konkret auch die Avantgardepartei an, die er offensichtlich ablehnt. Des Weiteren meinte er, dass man bisher annahm, dass die Arbeiterklasse ein handelndes Subjrkt sei, dies müsse überprüft werden. Offensichtlich sieht er dies anders, blieb aber der Zuhörerschaft jeden Nachweis schuldig.
Heuer untermauerte nochmal seine „Glaubenstheorie“. Er erklärte, dass der Glaube aus dem „Inneren heraus“ komme. Dies ist also ein ganz alter Schuh, der dem Materialismus gegenübersteht. Marx sieht dies zu Recht anders. Für ihn ist das Ideelle – anders als bei Hegel – nichts anderes als das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle. Somit entstehen die Ideen nicht im Kopf und nicht unabhängig vom Materiellen und deshalb auch nicht aus dem „Inneren heraus“. Dies wird Heuer vielleicht formal auch nicht bestreiten, seine „Glaubenstheorie“ widerspricht dem aber deutlich.
„Demokratie verteidigen, Neofaschismus stoppen“: So hieß am folgenden Tag die nächste Veranstaltung im Plenum. Als erstes gab der Moderator, Eckard Spoo, das Wort an Ulla Jelpke, die als innenpolitische Sprecherin für die Linkspartei im Bundestag sitzt.
Jelpke meinte, dass die bürgerlich-parlamentarische Demokratie spätestens an den Grenzen der Unis und Werktore aufhöre. Wenn dem Monopolkapital die reformistische Massenbasis verloren geht, kann es „seine Herrschaft nicht mehr mit der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie aufrechterhalten“, dann „greift es zu offen diktatorischen Herrschaftsformen, im Extremfall zum Faschismus“ [Lion Wagner, Krieg und Gesellschaftssystem; S. 60]. Aber ist dem schon so, wie man aus Jelpkes Aussagen schließen müsste. Strebt der Monopolkapitalismus derzeit eine offen-diktatorische Herrschaftsform an? Dazu sehen wir keine Anhaltspunkte. Jelpke sieht anscheinend in Erscheinungen der kapitalistischen Ausbeutung und Unterdrückung eine neue Qualität, die nicht mehr mit einer bürgerlich-parlamentarischen Demokratie definiert werden könne. Ulla Jelpke benutzte die derzeit gern gebrauchte Phrase, dass rechtsextreme Auffassungen ihre Ursache in der Mitte der Gesellschaft hätten. Was nun die „Mitte“ ist, wurde nicht gesagt. Offensichtlich fehlt es hier auch am theoretischen Verständnis was eine Ursache ist. Ihr war es wichtig zu betonen, dass breite Bündnisse im antifaschistischen Kampf nötig sind. Ein solches Bündnis solle Autonome, Antifas, VVN, Sozialisten aber auch die Kirchen und die Basis der Sozialdemokratie und Grünen umfassen. Man müsse die sozialistische Alternative ansprechen und sich antikapitalistisch ausrichten.
Wolfgang Richter von der Zeitung Icarus war als nächster dran. Er widmete sich primär dem „Streben der USA nach Weltherrschaft“. Die Rolle des deutschen Imperialismus wurde von ihm nicht weiter benannt. Ohne sich selbst explizit dazu zu äußern, erwähnte er, dass diskutiert werde, ob die USA „postfaschistisch“ bzw. „geofaschistisch“ seien. Solche Thesen wurden von Richter nicht entkräftet. Des Weiteren wurde von Wolfgang Richter angesprochen, dass es derzeit in Polen Berufsverbote gegen die Bewegung gibt.
Prof. Werner Röhr ging, anders als sein Vorredner, auf die Rolle des deutschen Imperialismus ein. Er benannte die Kriegspläne ebenso wie z.B. die Angriffe auf die Löhne. Und er kam zu dem Schluss, dass der deutsche Imperialismus für beide Felder derzeit keinen Faschismus benötigt, dass er seine Interessen auch so umsetzen kann. Er meinte in Anlehnung an den Satz, dass die Theorie zur materiellen Gewalt wird, wenn sie die Massen ergreift, dass dies auch bei falschen Theorien der Fall sei. Wie z.B. Theorien der Faschisten. Für falsch halten wir aber die Bezeichnung von Röhr zur Kanzlerin, die er als „das Merkel“ bezeichnete. Unsere Abgrenzung sollte sachlich geschehen und nicht auf eine diskriminierende Weise, die ein Geschlecht bestreitet und so für einen Lacher sorgen soll. Das führt uns nicht weiter. Prof. Röhr ging dann auf die Frage ein, warum der Antifaschismus in der DDR nach der Angliederung an die BRD ausgeschaltet wurde und darauf, dass die Faschisten benutzt werden, um Verschärfungen durchzusetzen, wie z.B. in der Asyl- oder Kriegspolitik. Positiv war es, dass der wissen-schaftliche Faschismusforscher Röhr jegliche Thesen eines Faschismus in Deutschland oder den USA zurückwarf. Er wandte sich dagegen, lapidar bestimmte Erscheinungen als faschistisch zu bezeichnen und somit das Wesen des Faschismus nicht richtig darzustellen.
Hermann Klenner vom Marxistischen Forum zitierte Liebknecht, der mal gesagt habe, dass das juristische Denken das marxistische Denken erschwere. Er meinte weiter, dass er nichts von einem „geschlossenen Marxismus“ hält. Ob er damit Weiterentwicklungen oder Revidierungen meinte, ließ sich aus seiner Rede nicht heraushören.
„Rosa Luxemburg und die Kunst der Politik“: In dieser Plenumsveranstaltung stellte Frigga Haug ihr gleichnamiges Buch vor. Inhaltlich wurde Lenin ein falsches Demokratieverständnis vorgeworfen. Sie stellte „Lenins Diktatur“ der „proletarischen Demokratie“ gegenüber. Und sie behauptete gar, dass Luxemburg die erste gewesen sei, die die Frage der Demokratie richtig erkannt habe. Da stellt sich doch die Frage, ob Frau Haug Lenin gelesen hat. Aussagen von Luxemburg wurden als Axiome dargestellt, die keine sind. So z.B., dass Luxemburg prinzipiell gegen Wahlboykotts sei. Die Bolschewiki hingegen waren es, die zu dieser Frage die konkreten Bedingungen analysierten und sowohl eine Wahlbeteiligung als auch ein Boykott zu Recht nie ausschlossen, sprich, die diese Frage als eine taktische Frage betrachteten. Nach dem Vortrag war unser Eindruck, dass man sich die 16,50 Euro für das Buch gut sparen kann.
„Mit Keynes aus der Krise?“: Eine weitere Plenumsveranstaltung fand zu Keynes statt. Maynard Keynes (1883-1946) war ein bürgerlicher Ökonom, der insbesondere durch den Börsenkrach im Jahre 1929 seine wirtschaftspolitischen Gedanken entwickelte. Sein Ziel war es Krisen und Preisverfälle zu verhindern. Diesbezüglich lehnte er stets Lohnerhöhungen für die Arbeiter-klasse ab. In einem Brief an Georg Bernhard Shaw (1935) formulierte er eindeutig seine Ablehnung von Marx und Engels. Er sähe nicht, dass Marx und Engels irgendeinen Schlüssel für das Verständnis der Ökonomie entdeckt hätten. Er sah einen Grund für Krisen in einem Ungleichgewicht zwischen den Ländern. Die Krise soll durch Keynes dadurch zumindest abgeschwächt werden, dass die Arbeiterklasse mehr Werte produziert, als sie selbst bekommt. Auch noch heute gibt es Kräfte, die sich an Keynes anlehnen. so z.B. in der Linkspartei/WASG oder z.B. auch in der gewerkschaftlichen Memorandum-Gruppe. Und so war es auch nicht ganz verwunderlich, dass solche bürgerlichen Theorien auch nicht vor der MarXXIsmus-Konferenz halt machten.
Die von Jörg Goldberg moderierte Veranstaltung begann Conrad Schuhler. Dieser sprach von transnationalen Konzernen und negierte die Rolle des Staates. Seine Aussagen gingen in Richtung von Kautskys „Superimperialismustheorie“.
Und auch Joachim Bischoff sprach von einem „veränderten Kapitalismus“ und von einem „Ungleichgewicht“, das zur explodieren drohe. Er behauptete dann sogar, dass Keynes eine „Regulierung des Weltsystems“, dass er eine Reform der Weltwirtschaft zu einer nachkapitalistischen Wirtschaft entwickelt habe. Dass solche Vorstellungen der marxistischen Wissenschaft widersprechen, sah der Referent nicht, der nach diesem Lob an Keynes auch von grundlegenden Defiziten bei diesem bürgerlichen Ökonom sprach. Dann wiederum meinte er, dass Keynes Parole gegen die Ungleichheit auch eine Botschaft sei, wie man den Kapitalismus überwinde.
Elmar Altvater stellte Keynes Gedanken bezüglich der Zirkulation des Geldes richtig dar. Er will, dass das Geld zwangsweise immer zirkuliert und dadurch würde dann die Wirtschaft blühen. Trotz der Beschreibung dieser Illusion, die die inneren Widersprüche im Kapitalismus unbeachtet lassen, meinte er aber, das Marx und Keynes verbunden werden können.
Für Sahra Wagenknecht, die zu diesem Thema eigentlich auch sprechen sollte, aber am zweiten Tag nicht zur Verfügung stand, kam dann Leo Meyer ans Mikro. Dieser sprach von „Veränderungen“ des Finanzkapitals. Er brachte die Deutsche Bank als Beispiel an. Diese habe ihr Kapital von Firmenbeteiligungen abgezogen, genauso wie bei Aufsichtsratsposten. Dies sei ein Auflösungsprozess… Solche Theorien waren in der Veranstaltung an der Tagesordnung, in der darüber debattiert wurde, wie Keynes bzw. wie viel von ihm mit Marx verbunden werden könne – also mit wie viel bürgerlicher Theorie Marx verwässert werden kann und zum Murks-ismus wird.
Bei den Veranstaltungen, die wir besucht haben, wurden immens viele Thesen aufgestellt, es gab aber nur wenig erkennbare Versuche einer Argumentation, einer Beweisführung. Wäre dem nicht so gewesen, wären die Diskussionen sicher auch produktiver gewesen.
Diskussionen: Der Raum für Diskussionen war bei den meisten Veranstaltungen recht knapp gehalten. Es ging anscheinen konzeptionell vor allem darum, dass die Zuhörer der Diskussion auf dem Podium folgten. Viele strittige Fragen waren aber auf dem Podium schon ausgeklammert worden. Erfreulich waren aber z.T. recht gute und auch kritische Fragen aus dem Publikum. Deutlich zu beobachten war aber bei vielen ZuhöhrerInnen eine unkritische Betrachtung der „Autoritäten“ auf dem Podium. Teilweise wurden die recht kompliziert ausgedrückten Inhalte nicht verstanden. So kam es vor, dass dieselben Leute bei sich widersprechenden Aussagen zweier Referenten klatschten. Aber dies ist wohl nur ein Spiegelbild der theoretischen Schwäche und Unklarheit der Bewegung.
Zielstellung erreicht? Wie geht’s weiter? Robert Steigerwald sagte: „Ziel der Konferenz war aber, über Marxismus für das 21. Jahrhundert zu diskutieren“ [UZ ebenda]. Aus unseren Erlebnissen schlussfolgern wir aber, dass es viel Murks und wenig Marx auf der Konferenz gab. Für Gen. Steigerwald war die Konferenz „ein intellektuelles und emotionales Erlebnis“, dies war in der Tat der Fall, jedoch spricht dies nicht zwangsläufig für eine hohe Qualität. Er wertete aus: „Die Konferenz war politisch bedeutsam, weil ein breiter Konsens zwischen den sie tragenden Kräften deutlich wurde auf der Grundlage von Marx“. Ob die Konferenz wirklich auf der Grundlage von Marx verlief, darüber sollte intensiv diskutiert werden. Der Vorbereitungskreis wertete aus: „Es ist der 2. Marxismuskonferenz gelungen, Diskussionen anzuregen, die sich vor allem durch den Willen auszeichnen, bei allen Unterschieden gemeinsame Ansatzpunkte der Analyse des gegenwärtigen Kapitalismus und der politischen Kräfteverhältnisse herauszu-arbeiten“ [ebenda]. Lassen wir dies mal unkommentiert stehen.
An sich begrüßen wir erstmal jede Initiative, die sich das Ziel setzt, über den Marxismus zu diskutieren. Konferenzen zu diesem Thema sind wichtig. Die Organisatoren wollen nun alle zwei bis drei Jahre Konferenzen veranstalten. Bleibt zu hoffen, dass es bei der nächsten Konferenz mehr um Marx und weniger um Murks geht!
Mark Staskiewicz,
Berlin