Tibor Zenker:
Antimonopolistische Demokratie und Sozialismus
Michael Opperskalski wirft in „offen-siv“, Ausgabe 3/2007, die Frage auf, ob die Theorie der antimonopolistischen Demokratie nicht ein Einfallstor für den Revisionismus öffnet bzw. objektiv darstellt. Gen. Opperskalski bejaht diese Frage – die letztere – und verweist darauf, dass sie es in der Vergangenheit bereits gewesen wäre.
Die Problematik, die angesprochen wird, ist nicht von der Hand zu weisen; die Frage ist berechtigt. In der Tat versuchten und versuchen „linke“ Trittbrett- und Geisterfahrer mitunter in eklektizistischer Weise, hier ihre vermeintlichen Anknüpfungspunkte für Theorien des „Dritten Weges“, für alte eurokommunistische und noch ältere austromarxistische Ansätze sowie für neuere Ansätze einer „transformatorischen“, angeblich „zivilgesellschaftlichen“ Linken zu finden. Es geschieht dies jedoch mittels einer bewussten Verdrehung der Theorie der antimonopolistischen Demokratie, oder, was auch vorkommen mag, durch ein falsches Verständnis derselben. Von größerer Bedeutung ist aber wohl, Missverständnisse von dritter Seite auszuräumen, dort nämlich, wo die „Konzepte“ der „zivilgesellschaftlich-transformatorischen Linken“ fälschlich und zu Unrecht mit der antimonopolistischen Strategie (oder zumindest mit Teilen dieser) identifiziert werden. In diesem Sinne möchte ich zuerst auf das richtige Verständnis dieser Theorie eingehen, und dann anhand der Behandlung (bewusster oder unbewusster) Fehlinterpretationen zeigen, wie die Einfallstore, die sich dadurch ergeben könnten, zu versperren sind. Abschließend wird noch die Frage zu behandeln sein, inwiefern die Theorie der antimonopolistischen Demokratie heute überhaupt von aktueller Relevanz ist.
Staatsmonopolistischer Kapitalismus und Antimonopolismus
Die antimonopolistische Strategie zum Sozialismus ergibt sich zunächst aus einer bestimmten Kapitalismusanalyse, nämlich aus der Imperialismustheorie Lenins und der darauf basierenden marxistisch-leninistischen Stamokap-Theorie. Die antimonopolistische Strategie ist integraler Bestandteil der Stamokap-Theorie. Das zentrale Merkmal des Imperialismus oder Monopolkapitalismus überhaupt ist die Herrschaft der Monopole, oder, genauer, des Finanzkapitals. Das Finanzkapital ist bereits grundsätzlich, verstärkt jedoch durch den Eintritt des Kapitalismus ins Stadium seiner allgemeinen Krise, bestrebt, seine ökonomische Vorherrschaft auch durch die politische Alleinherrschaft zu ergänzen. Rudolf Hilferding hat das einmal auf die prägnante Formel gebracht: „Das Finanzkapital will nicht Freiheit, sondern Herrschaft“.[5] Das Finanzkapital ist die Negation des alten demokratischen, liberalen Bürgertums. Lenin schreibt in diesem Sinne: „Der politische Überbau über der neuen Ökonomik, über dem monopolistischen Kapitalismus … ist die Wendung von der Demokratie zur politischen Reaktion. Der freien Konkurrenz entspricht die Demokratie. Dem Monopol entspricht die politische Reaktion.“[6] Konsequentester Ausdruck dessen ist der Faschismus. Die nicht-faschistische Form ein und derselben Herrschaft in der staatsmonopolistischen Phase des Imperialismus ist die bürgerlich-demokratische, parlamentaristische Herrschaftsform des Finanzkapitals.
Letztlich bedeutet die Herausbildung des Imperialismus, endgültig jedoch jene des staatsmonopolistischen Kapitalismus, dass die damit einhergehenden Differenzierungsprozesse innerhalb der Bourgeoisie auch auf die Herrschafts- und Staatsbetrachtung umzulegen sind. Womit wir es zu tun haben, ist nicht mehr der einfache bürgerliche Staat, der die demokratische Herrschaft der gesamten Bourgeoisie darstellt, sondern wir haben es mit einem differenzierten bürgerlichen Klassenstaat zu tun, mit dem spezifischeren Klassencharakter der Herrschaft des Finanzkapitals. Stalin beschrieb bezüglich dieser Frage die Herausbildung des staatsmonopolistischen Kapitalismus treffend als die „Unterwerfung des Staatsapparates unter die Monopole“[7]. Damit ist die imperialistische Tendenz, von der Hilfering und Lenin sprechen, politischer Normalfall des staatsmonopolistischen Kapitalismus.
Daher bedeutet der bürgerliche Staat im Stamokap, was auch seine Form, die Herrschaft des Finanzkapitals über alle nicht-monopolistischen Klassen und Schichten, nicht nur über die Arbeiterklasse, lohnabhängige Zwischenschichten und die Bauernschaft, sondern auch über das Kleinbürgertum, über die kleine und sogar mittlere Bourgeoisie. Die Errichtung dieser politischen Herrschaft hat eine ökonomische Grundlage, nämlich den Extraprofit. Es ist für das Finanzkapital von existenzieller Bedeutung, nicht nur „normale“ Durchschnittprofite zu realisieren, sondern eben Extraprofite, es geht um den Tribut der gesamten nicht-monopolistischen Gesellschaftsteile an das Monopolkapital. Der Monopolkapitalismus geht über die normale kapitalistische Ausbeutung gewissermaßen hinaus, auch wenn man dies zum Teil als inner-bourgeoise Umverteilung begreifen möchte. Das ist die Lebensgrundlage des Imperialismus – einen anderen Imperialismus gibt es nicht.
Daraus ergibt sich der Gegensatz aller nicht-monopolistischen Klassen und Schichten zum Monopolkapital, und daraus entspringt die objektive Möglichkeit der Etablierung antimonopolistischer Bewegungen und Bündnisse. Darauf fußt letztlich die antimonopolistische Strategie zum Sozialismus, die Theorie der antimonopolistischen Demokratie, wenn man so will.
Zentral ist für die antimonopolistische Strategie die Veränderung des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses. Die monopolkapitalistische Herrschaft im staatsmonopolistischen Kapitalismus bedeutet, im Großen genommen, die Offensivposition des Monopolkapitals, die Defensivposition der revolutionären Kräfte. Die antimonopolistische Strategie gegenüber dieser Situation ist als Volksfrontstrategie zu begreifen, jedoch nicht als eine starre Bündnispolitik, sondern als eine flexible. Der Pol der antimonopolistischen Bündnispartner des Proletariats, der revolutionären Bewegung, ergibt sich zwar aus der grundsätzlichen gesellschaftlichen Konstellation im Stamokap, doch wird man sich nicht an seine punktuellen Bündnispartner binden, sondern taktisch flexibel bleiben.
Es ergeben sich drei Themenfelder der antimonopolistischen Bündnispolitik, nämlich Demokratie, Frieden und sozialer Fortschritt, und diese Felder sind weiter auszudifferenzieren. Es liegt auf der Hand, dass etwaige Bündnispartner in einzelnen Bereichen sich für andere nicht begeistern werden. Ein kleiner Unternehmer sieht wohl das gemeinsame Interesse mit der Arbeiterklasse in der Gegnerschaft gegenüber der Be- und Unterdrückung durch das Monopolkapital, dennoch wird dieser Unternehmer nicht unbedingt ein Verfechter der sozialen Rechte seiner „Angestellten“ sein, denn der Kapitalismus zwingt ja auch ihn zur Ausbeutung derselben. Ähnliches, wenn auch vielleicht weniger offensichtlich, gilt für andere (und strategisch wichtigere) Gesellschaftsschichten. Somit ist die verbindende Kraft einer auf antimonopolistische Bündnisse orientierten Bewegung immer die Arbeiterbewegung. Nur sie erkennt sich in allen „programmatischen“ Facetten wieder, nur sie kann die verbindende und unbeirrt treibende Kraft sein.
Bezüglich der drei erwähnten Themen- und Aufgabenfelder des Antimonopolismus sieht sich jede Bewegung in einer defensiven Ausgangsposition. Sie befindet sich – und das ist ja auch gegenwärtig Realität – im Abwehrkampf gegen Sozialabbau, Lohndruck und Privatisierungspolitik, gegen Militarismus, Militarisierung, imperialistische Kriegs-, Okkupations- und neokoloniale Unterdrückungspolitik, gegen Demokratieabbau und die Stärkung der Staatsgewalt, gegen Tendenzen der Faschisierung. Es ist eine Frage der ideologischen Hegemonie, die Menschen dagegen zu mobilisieren. Es ist die Aufgabe der organisierten Arbeiterbewegung, die über die umfassende Einsicht in die Bedingungen und Entwicklungen verfügen muss, die gefühlten Einzel- und Gruppeninteressen in Kollektivinteressen münden zu lassen, immer das Allgemeine aus dem Besonderen herauszuarbeiten. Die Menschen müssen ihre subjektiven Szenarien wieder erkennen, diese müssen aber von der treibenden und zielsicheren Kraft der Bewegung integral artikuliert, ja gewissermaßen operationalisiert werden. Daraus muss sich das gemeinsame Bewusstsein, das als solches erkannt und anerkannt wird, entwickeln. Erst dann kann sich eine wirklich nachhaltige Mobilisierung und Organisierung im Kampf gegen die Monopole ergeben. Ergebnis muss die konkrete Handlungseinheit sein.
Es genügt in weiterer Folge nicht, im Abwehrkampf Erfolge zu erzielen. Ziel muss sein, aus der Defensive in die Offensive zu gelangen, an kleine Erfolge neue Forderungen anzuschließen. Diese müssen wiederum umsetzbar sein. Eine antimonopolistische Bewegung, die keine vorwärts treibenden Erfolge hat, hat keine Anziehungskraft auf breitere gesellschaftliche Schichten. Banal gesagt geht der Kampf gegen die Privatisierungen über in den Kampf für Verstaatlichungen und Nationalisierungen; der Kampf gegen die Flexibilisierung und Ausweitung der Arbeitszeiten in den Kampf für effektive Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich; der Kampf gegen den imperialistischen Krieg in den Kampf um Abrüstung oder die Demokratisierung der Armee. Es geht also um Forderungen, die zunächst als unzureichend erscheinen, die aber über sich selbst hinausweisen und -treiben.
Letztlich sind alle diese Schritte gegen das Monopolkapital und seine ökonomische und politische Herrschaft gerichtet. Es gilt, dieser Herrschaft nicht nur entgegenzutreten und ihre Ansprüche zurückzuschlagen, sondern die politischen Durchgriffsmöglichkeiten, die Verfügungsgewalt und das Eigentum der Monopole sind eigentliches Angriffsziel. Ziel ist die Entmachtung der Monopole, nicht im utopistischen kleinbürgerlichen Sinn eines vormonopolistischen Ideals, sondern im vorwärts schreitenden Sinn, bei gleichzeitiger radikaler Demokratisierung. „Der objektive Gang der Entwicklung ist derart, dass man von den Monopolen aus … nicht vorwärts schreiten kann, ohne zum Sozialismus zu schreiten“, sagt Lenin.[8] Aber natürlich ist das kein Selbstläufer, die Kommunisten sind es, die an jedem Punkt der Bewegung die Fragen auch genau so stellen und beantworten müssen, dass alles in diese Richtung, nämlich eben auch tatsächlich vorwärts läuft.
Charakteristik und Bedeutung der antimonopolistischen Demokratie
Wir sehen, was letztlich im Rahmen der antimonopolistischen sozialistischen Strategie also deutlich wird: die Revolution ist ein Prozess, der gewissermaßen schon vor der Übernahme der Staatsmacht durch das Proletariat beginnt. Ein revolutionärer Prozess durchläuft verschiedene Etappen. Und es ist eine historische Tatsache, dass die Gesichte des 20. Jahrhunderts nicht ein einziges Beispiel einer sozialistischen Revolution kennt, der nicht in der einen oder anderen Form eine demokratische Etappe, eine antiimperialistische oder antimonopolistische, antifaschistische, volksdemokratische Etappe vorangegangen wäre. Möchte man hoffen, dass der gegenwärtige revolutionäre Prozess in Venezuela in einer sozialistischen Revolution mündet, so würde auch das erste Beispiel des 21. Jahrhunderts dies bestätigen: in Venezuela haben wir es gegenwärtig offenkundig mit der antiimperialistischen Etappe (in den abhängigen Ländern das Gegenstück zur antimonopolistischen) eines revolutionären Prozesses mit Perspektive Sozialismus zu tun. Man möge dies aber nicht falsch verstehen: das muss keineswegs immer so bleiben. Aber es ist der Stand der Dinge, und es ist ratsam, seine Strategie auf realen, praktischen Erfahrungen aufzubauen, nicht auf linksradikalem, infantilem Wunschdenken (für Trotzkisten mögen nämlich solche revolutionären „Etappentheorien“ ein horribles Unding sein; aber wenn es einmal irgendwo außerhalb eines Kopfes eine trotzkistische Revolution gegeben hat, dann kann man ja gerne weiterreden).
Wie aber definiert sich nun eine solche demokratische Etappe eines revolutionären Prozesses, in unserem Fall also die Etappe (besser vielleicht: Durchgangspunkt) der antimonopolistischen Demokratie?
1. Wir haben es mit einem bürgerlichen Staat und mit einer kapitalistischen Gesellschaft zu tun. Ich hielte es für wenig zweckmäßig, sich hier Illusionen über eine „relativ selbständige Formation zwischen Kapitalismus und Sozialismus“ zu machen. Das wird nicht der Fall sein, auch wenn die Kommunisten sich über den Übergangscharakter der antimonopolistischen Demokratie im Klaren sein müssen. Bleiben wir beim aktuellen Beispiel Venezuela, wo man von einer antimonopolistisch-antiimperialistischen Etappe sprechen kann, egal ob dies allen beteiligten Kräften bewusst ist oder nicht: Die bolivarisch-revolutionäre Gesamtbewegung ist eine radikal-demokratische Bewegung mit weitgehend bürgerlichem Charakter, die gegen die einheimische Oligarchie und die ausländischen Monopole gerichtet ist. Dieser revolutionäre Prozess wird dann in einer sozialistischen Revolution münden, wenn sich die Arbeiter und Bauern zur bewussten sozialistisch-revolutionären Massenbewegung organisieren und an die Spitze des revolutionären Prozesses setzen können; hierfür wird unweigerlich die Kommunistische Partei Venezuelas den Prozess weitertreiben müssen und die Massen aufklären, mobilisieren und organisieren, denn die KP ist die einzige konsequente sozialistische Kraft im buntscheckigen „Chávez-Bündnis“. Gelingt dies nicht, so ist der Rückfall in den „normalen“ Kapitalismus unausweichlich.
2. Die antimonopolistische Demokratie zeichnet sich ökonomisch dadurch aus, dass die Herrschaft der Monopole weitgehend gebrochen ist, dass die großen Produktionsmittel ihnen bereits entrissen und in Staatseigentum überführt wurden. Diese großen Betriebe könnten bis zu einem gewissen Grad aus dem System der Profitmaximierung heraus gebrochen werden. Es wären dadurch Ansätze einer geplanten Wirtschaft möglich, daneben bliebe freilich der anarchische Sektor bestehen. Diese großen Betriebe müssen Bastionen der Arbeiter sein: mit größtmöglichen Rechten, Absicherungen, demokratischen und sozialen Verhältnissen bezüglich Arbeitsaufteilung und Löhnen. Diese Betriebe müssen beispielgebend sein. Gleichzeitig muss in der antimonopolistischen Demokratie ein progressives Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen für breite Bevölkerungsschichten verwirklicht werden.
3. Die antimonopolistische Demokratie zeichnet sich politisch dadurch aus, dass das Kräfteverhältnis nachhaltig zuungunsten der Monopole und zugunsten der Werktätigen verändert ist. Der fortgesetzte Kampf von unten kann durch Maßnahmen der revolutionär-demokratischen Staatsmacht von oben begünstigt werden. Es gibt aber kein Verlassen auf diese revolutionär-demokratische Staatsmacht, die wesentlich noch bürgerliche Züge trägt, wenn auch ein wesentlicher Einfluss der sozialistischen Kräfte gegeben sein mag. Wie in der gesamten antimonopolistischen Bewegung findet diese auch in der Etappe der antimonopolistischen Demokratie nicht in den alten Staatsinstitutionen statt, sondern vornehmlich außerparlamentarisch. Aufgabe wäre es daher, neue, wirklich demokratische Einrichtungen (von unten nach oben) zu schaffen, die Keimzellen der Herrschaftsausübung der Werktätigen wären.
4. Die antimonopolistische Demokratie muss verteidigungsfähig sein. Jeder vernunftbegabte Mensch kann sich ausrechnen, dass die Monopolbourgeoise ihre Macht nicht nur nicht freiwillig abgeben wird, sondern sie wird auch mit allen Mitteln um ihre Wiedererlangung kämpfen. Die Mittel erschöpfen sich nicht in Sabotage und Desinformationspolitik seitens der Monopolbourgeoisie, sondern gehen bis zu Methoden des Terrorismus, zu militärischen Staatsstreichen, imperialistischen Interventionen und eventuell bis zum Versuch der Errichtung einer faschistischen Diktatur als antizipierte konterrevolutionäre Maßnahme. All dem ist das ideell und materiell verteidigungsbereite Volk entgegenzustellen. Es wird von der Stärke, vom Bewusstsein, von der Entschlossenheit der demokratischen, antimonopolistischen und revolutionären Kräfte abhängen, welche Möglichkeiten der Monopolbourgeoisie überhaupt noch bleiben.
5. Die antimonopolistische Demokratie muss international nach Verbündeten suchen. Die mächtigsten verbliebenen imperialistischen Staaten werden jeden Staat auf einem alternativen, fortschrittlichen Entwicklungsweg isolieren und bedrohen. Dem ist über alternative diplomatisch-politische, ökonomische und nötigenfalls militärische Kooperationen einer betroffenen etwaigen antimonopolistischen Demokratie mit Staaten auf einem ähnlichen Entwicklungsweg, mit antiimperialistischen Staaten, mit den sozialistischen Staaten der Erde zu begegnen. Es ergibt sich hier die Möglichkeit einer neuen, gleichberechtigten Nord-Süd-Beziehung auf der Basis der antiimperialistischen Solidarität. Der Staat der antimonopolistischen Demokratie muss die globale Front gegen den Imperialismus verstärken und umgekehrt durch diese unterstützt werden. Auch davon hängt die Widerstandsfähigkeit einer antimonopolistischen Demokratie gegenüber dem Weltimperialismus ab.
6. Die Fortschritte der antimonopolistischen Demokratie gegenüber dem alten imperialistischen Staat müssen für die Massen fühlbar sein. Ist das nicht der Fall, so verliert der revolutionäre Prozess an Unterstützung. Gleichzeitig aber müssen die Menschen von der revolutionären organisierten Arbeiterbewegung – von den Kommunisten – aufgeklärt werden, dass alle vorläufigen sozialen und demokratischen Errungenschaften ohne Fortsetzung des revolutionären Prozesses nicht abzusichern sind, dass der Übergang zur sozialistischen Revolution eine Frage des Überlebens darstellt. Ein revolutionärer Prozess, der in seiner antimonopolistischen oder antiimperialistischen Etappe verharrt, wäre zum Scheitern verurteilt. Unweigerlich käme es zum Erfolg der Reaktion, der konterrevolutionären Kräfte im Inneren wie von außen. Die Kommunisten sind an dieser Stelle gefordert: an ihnen liegt es, die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten dazu zu befähigen, den revolutionären Prozess nicht nur fortzuführen, sondern auf seinen Höhepunkt zu führen, zur tatsächlichen sozialistischen Revolution, die eine neue Form der politischen Machtausübung durch die Arbeiterklasse bei gleichzeitiger Zerschlagung aller Reste des alten bürgerlichen Herrschaftsapparates verlangt; erst auf dieser Basis ist eine tatsächliche Vergesellschaftung der Produktionsmittel möglich, eine planmäßige Steigerung der Produktivität, eine dadurch nachhaltig gewährleistete Sicherung des materiellen Lebens aller Menschen. Damit ist klar gesagt: es darf keinen Stillstand geben, die revolutionäre Bewegung muss in Bewegung bleiben, der revolutionäre Gesamtprozess ist ein permanenter. In diesem Sinne ist die antimonopolistische Demokratie auch kein Ziel an sich, sondern ein Durchgangspunkt. Ist diese Etappe erreicht, so ist auch schon wieder an ihrer revolutionären Überwindung zu arbeiten.
7. Der fortgesetzte Kampf um den Sozialismus ist auf dem Boden der antimonopolistischen Demokratie in seinen Bedingungen optimiert. Das gesellschaftliche Kräfteverhältnis ist bereits nachhaltig zugunsten der Werktätigen verändert, deren politische Anteilnahme und Kapazitäten werden durch die demokratischen und sozialen Reformen der antimonopolistischen Demokratie erweitert. Gleichzeitig werden die reaktionärsten Elemente der Bourgeoisie, insbesondere natürlich die Monopolbourgeoise sowie die Großgrundbesitzer, in ihren konterrevolutionären Möglichkeiten eingeschränkt, sie werden ökonomisch und politisch entmachtet. Der fortgesetzte Klassenkampf der Massen „von unten“ kann seitens der revolutionär-demokratischen Macht, wie sie der Staat der antimonopolistischen Demokratie darstellt, „von oben“ durch staatliche Mittel begünstigt und ergänzt werden. In diesem Sinne wird die sozialistische Revolution als Negation dieser revolutionär-demokratischen Macht zwar einen revolutionären Staat neuen Typs, den proletarischen Staat, eben die Diktatur des Proletariats, an Stelle des bisherigen, immer noch bürgerlichen Staatswesens errichten, doch alle positiven Entwicklungsergebnisse bleiben dabei natürlich erhalten.
Missverständnisse über die antimonopolistische Strategie
und die antimonopolistische Demokratie
Bedeutet die antimonopolistische Strategie nicht einen reformistischen Weg zum Sozialismus? – Hier haben wir das häufigste Missverständnis, ein zentrales Kernstück der Verzerrungen bezüglich der antimonopolistischen Strategie, zugrunde liegt ein falsches Verständnis des Verhältnisses von Reform und Revolution. Es wäre ein grober Fehler, die antimonopolistische Strategie etwa mit der austromarxistischen Strategie von Otto Bauer und Konsorten zu identifizieren. Für die antimonopolistische Strategie sind Reformen Stützpunkte auf dem Weg zur vollen Emanzipation des Proletariats, gemäß Rosa Luxemburg „besteht zwischen der Sozialreform und der sozialen Revolution ein untrennbarer Zusammenhang, indem die Sozialreform das Mittel, die soziale Umwälzung aber der Zweck ist.“[9] Das bedeutet natürlich nicht, wie die Sozialdemokratie früher und heute die revisionistische Linke interpretieren wollen, dass man über graduelle Reformen langsam den Sozialismus erreichen kann, in den Sozialismus auf diese Weise hineinwachsen kann, quasi auf „transformatorischem“ Wege, ohne revolutionären Bruch mit dem bürgerlichen Staat. Die antimonopolistische Strategie hat insofern eine radikalreformerische Ausrichtung, als auf diesem Wege optimale Bedingungen für den Kampf um den Sozialismus geschaffen werden sollen. Die Notwendigkeit der sozialistischen Revolution und der Diktatur des Proletariats wird damit aber keineswegs abgesprochen. Mit diesem ersten Missverständnis ist das folgende, zweite verbunden.
Bedeutet die antimonopolistische Strategie die „Revolution mit dem Stimmzettel“? – Auch das trifft nicht zu. Die antimonopolistische Bündnispolitik hat vornehmlich außerparlamentarischen Charakter, wenngleich, solange man sich im bürgerlichen Demokratismus bewegt, die parlamentarische Vermittlungsebene nicht ersetzbar ist. Eine antimonopolistische Bewegung wird auch über eine parlamentarische Vertretung bzw. über Bündnispartner in bürgerlichen Parlamenten verfügen müssen. Jedoch – und dies wiederum in klarer Abgrenzung zu Austromarxismus und Eurokommunismus – kann das nicht bedeuten, dass Kommunisten mit einer antimonopolistischen Strategie zum Steigbügelhalter bloß den Kapitalismus verwaltender Regierungen werden, sondern die kommunistische Partei kann nur im Rahmen einer progressiven Volksfrontregierung Anteil nehmen. Doch auch eine solche bedarf der weiteren Unterstützung und des Drucks durch eine außerparlamentarische revolutionäre Massenbewegung. Und ebenso versteht es sich von selbst, dass es sich um das Mittel zum Zweck handelt. Erfüllt eine antimonopolistische Volksfrontregierung ihren Zweck und ihre Aufgaben, so muss der nächste Schritt die Überwindung des bürgerlichen Parlamentarismus und Wahldemokratismus, die revolutionäre Machübernahme und -ausübung durch die organisierte Arbeiterklasse sowie die unbedingte Niederhaltung aller konterrevolutionären Kräfte bedeuten. Lenin schreibt: „Von der demokratischen Revolution werden wir sofort, und zwar nach Maßgabe unserer Kraft, der Kraft des klassenbewussten und organisierten Proletariats, den Übergang zur sozialistischen Revolution beginnen. Wir sind für die ununterbrochene Revolution. Wir werden nicht auf halbem Wege stehen bleiben. (…) Wir werden mit allen Kräften … helfen, die demokratische Revolution zu vollbringen, damit es uns … umso leichter sei, möglichst rasch zu einer neuen und höheren Aufgabe, zur sozialistischen Revolution, überzugehen.“[10]– Das gilt auch in Bezug auf die antimonopolistische Demokratie.
Ist die antimonopolistische Bewegung eine zivilgesellschaftliche Bewegung? – Mit Gramscis Begriff der Zivilgesellschaft wird heute maßloser Unfug ge- und betrieben, von ehemals kommunistischen über sozialdemokratische bis zu grünen Parteien, ja selbst klerikale Ideologen glauben, hier ihre Anknüpfpunkte zu finden. Die Zivilgesellschaft ist nicht, wie uns heute revisionistische „transformatorische“ Linke weismachen wollen, der gesellschaftliche Bereich der „öffentlichen Zivilcourage“, der „gesellschaftlichen Verantwortung und Moral“, der „political correctness“ oder dergleichen; sie bezeichnet nicht pluralistische gesellschaftliche Gruppen, die unabhängig von staatlichen, parteipolitischen oder privat-wirtschaftlichen Institutionen wirken, wie die „transformatorische Linke“ behauptet. Es gibt keine „zivilgesellschaftlichen Bewegungen“ für Pazifismus, Humanismus, Feminismus, partizipative Demokratie, Tierrechte und Vegetarismus etc. (und das ist auch gewiss nicht das, was ein antimonopolistisches Bündnis darstellen soll). Gramscis Begriff bezeichnet die gesellschaftliche Sphäre zwischen Ökonomie und politischem Staat, in der Politikentwürfe um Hegemonie ringen können. Die Zivilgesellschaft ist nicht per se progressiv oder reaktionär, demokratisch oder undemokratisch, links oder rechts – sie ist notwendiger Ort der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, letztlich des ideologischen Klassenkampfes. In diesem Sinne kann und muss auch die revolutionäre Bewegung um die Hegemonie streiten. Ganz genau in diesem Sinne sagt Gramsci: „Das Proletariat kann in dem Maß zur führenden und herrschenden Klasse werden, wie es ihm gelingt, ein System von Klassenbündnissen zu schaffen, das ihm gestattet, die Mehrheit der werktätigen Bevölkerung gegen den Kapitalismus und den bürgerlichen Staat zu mobilisieren.“[11] Es geht um Bewusstsein als Voraussetzung für erfolgreiche progressive Bündnispolitik, wie weiter oben bereits beschrieben. Und hier ist auch nicht Otto Bauers Vorstellung über die Gewinnung der Mehrheit der Köpfe wieder zu erkennen, sondern Gramscis Vorstellung ist gänzlich anders. Bauer will die Mehrheit der Köpfe für die Übernahme der bürgerlichen Demokratie und ihre Transformation erlangen, Gramsci definiert die Hegemonie der Arbeiterklasse hingegen als Voraussetzung für den Weg zur revolutionären Eroberung der Staatsmacht. Und Gramsci erteilt transformatorischen Illusionen auch eine klare Absage, wenn er schreibt: „Die Formel der ‚Eroberung der Staatsmacht’ muss so verstanden werden, dass es um die Erschaffung eines neuen Typs von Staat geht, der generiert wird aus der gemeinsamen Erfahrung des Proletariats und den demokratisch-parlamentarischen Staat ersetzt.“[12] Und damit kommen wir direkt zum nächsten Punkt, nämlich zur Frage, was von der bürgerlichen Demokratie überhaupt erwartet werden kann.
Schürt die antimonopolistische Demokratie nicht Illusionen in die Möglichkeiten der bürgerlichen Demokratie? – Engels sagt über die bürgerlich-demokratische Republik ganz klar: „Es wäre … eine völlig unbegründete Illusion, sie ihrem Wesen nach für eine sozialistische Form zu halten oder ihr, solange sie von der Bourgeoisie beherrscht ist, sozialistische Aufgaben anzuvertrauen. Wir können ihr Zugeständnisse entreißen, aber ihm niemals die Ausführung unserer eigenen Arbeit übertragen.“[13] Dieser Hinweis ist seitens einer revolutionären antimonopolistischen Strategie durchwegs und unbedingt zu beachten. Ein Mittel auszunützen, bedeutet nicht, sich darauf zu verlassen. Dementsprechend wurde auch bereits auf das unabdingbare sofortige Vowärtsschreiten der revolutionären Arbeiterbewegung mit Erreichung einer revolutionär-demokratischen Übergangsetappe hingewiesen.
Die Bedeutung der antimonopolistischen Strategie für die Gegenwart
Die antimonopolistische Strategie, die Theorie der antimonopolistischen Demokratie, ist also gut und schön – und nicht mehr ganz taufrisch. Es sollte nicht übersehen werden, dass sie eigentlich eine Strategie war, um die Existenz sozialistischer Staaten in Europa sowie insbesondere der Sowjetunion dafür zu nützen, in den kapitalistischen Staaten Westeuropas dieses globale Kräfteverhältnis zuungunsten des Imperialismus für fortschrittliche, letztlich revolutionäre Bewegungen nutzbar zu machen. Dieses Kräfteverhältnis ist nicht mehr gegeben, im Gegenteil: wir haben es gegenwärtig, natürlich massiv verstärkt durch 1989/90, durchaus mit einer regelrechten Offensive des Imperialismus zu tun. Die verbliebenen sozialistischen Bastionen auf der Welt stehen in keinem Verhältnis zum verblichenen Frühsozialismus von der Elbe bis zur Beringstraße, vom nördlichen Polarmeer bis zur Adria. Zwar leben in China immer noch über eine Milliarde Menschen in einem Staat, der von einer kommunistischen Partei geleitet wird, doch ökonomisch hat man es dort wohl mit einem System zu tun, das denn doch als kapitalistisch einzustufen ist: in der chinesischen Praxis hat – entgegen diversen pro-sozialistischen Wortspenden – offenkundig Deng Xiaoping gegen Mao gesiegt. Es ist einerseits fraglich, ob man auch nur einen Cent darauf setzen sollte, dass die KPCh hier wirklich einen langfristigen „Masterplan“ verfolgt; andererseits sind die Opfer, die von den Werktätigen in China verlangt werden, damit nebenbei auch ausländische Monopolkonzerne an deren billiger Arbeitkraft verdienen können, kaum zu rechtfertigen.
Wenn nun also dieser globale Rückhalt eines sozialistischen Weltsystems nicht mehr gegeben ist, ist dann eine antimonopolistische Strategie obsolet? Oder auf einen kleineren Punkt gebracht: Ist eine antimonopolistische Strategie in der BRD noch zeitgemäß und sinnvoll, wenn es keine DDR mehr gibt? – Es mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, aber Tatsache ist, dass die antimonopolistische Strategie aktueller denn je ist. Warum?
Alle Ansatzpunkte einer antimonopolistischen Strategie liegen durch die weitgehend ungehemmte Offensive des Imperialismus heute offener den je vor. Unter dem (übrigens irreführenden und falschen) Begriff „Neoliberalismus“ gehen seit über zwei Jahrzehnten Angriffe auf die sozialen Errungenschaften der Arbeiterbewegung vor sich, die das Finanzkapital vorher nicht gewagt hat. Die Nationalstaaten geben das partielle sozialdemokratische Regulierungsmittel der verstaatlichten Großbetriebe völlig aus der Hand. Hinter dem (ebenfalls untauglichen) Begriff „Globalisierung“ verbirgt sich die dritte Etappe des kapitalistischen Internationalisierungsprozesses, der nach dem Waren- und Kapitalverkehr auch den Produktionsprozess selbst erfasst: dadurch ist quasi der Weltmarkt für die Ware Arbeitskraft geschaffen, d.h. natürlich nur für deren „Käufer“, für das Monopolkapital. Immer offensichtlicher wird die Umwandlung der industriellen Reservearmee in ein stehendes Heer von Beschäftigungslosen, die für das Monopolkapital nicht profitabel genug verwertbar sind (das betrifft mit Afrika fast einen ganzen Kontinent, aber auch in Europa immer mehr, vor allem ganz junge und ältere Menschen, die bestenfalls noch „ausgesteuert“ werden sollen, nicht zuletzt mittels angeblicher „Grundsicherungskonzepte“). Und das Ganze droht an seinen Widersprüchen zu bersten. Daher schafft sich das Finanzkapital neue, supranationale Institutionen, die möglichst keiner (bürgerlich-)demokratischen Kontrolle mehr unterliegen (etwa die EZB) oder nur einer Scheindemokratie (dies betrifft die gesamte EU). Im Zweifelsfall tritt wieder der offene Militarismus auf den Plan, die direkte kriegerische Aggression, Okkupation und permanente Kriegsdrohung des Imperialismus.
Was wäre nahe liegender, als den Imperialismus an seinen offensichtlichsten Widersprüchen zu packen? Der Imperialismus verliert seinen westeuropäischen Sozialstaat, der zur Ruhigstellung der Werktätigen diente. Er verliert seine scheinbare Friedensfähigkeit durch den Wegsfall des relativen Friedenszwanges, der durch die Existenz des Warschauer Vertrages gegeben war. Und er verliert seine scheinbare demokratische Unschuld, die er sich als angeblich postfaschistischer Imperialismus selbst zugeschrieben hat, durch die notwendige Straffung seiner Herrschaftsmethoden.
Angesichts dessen sind auf globaler Ebene die Elemente eines weltrevolutionären Prozesses vielleicht deutlicher als zuvor gegeben: die verbliebenen sozialistischen Bastionen, die sich gegen den Druck des Weltimperialismus und die Gefahren des inneren Revisionismus behaupten müssen; die neuen antiimperialistischen Bastionen und Bewegungen in der Dritten Welt, die sich gegen die Angriffe des neokolonialen Imperialismus behaupten müssen; die Werktätigen in den fortgeschrittenen kapitalistischen Staaten, deren relativ „heile Welt“ gerade zerbröselt.
Vor diesem Hintergrund erscheint die antimonopolistische Strategie auf globaler Ebene aktueller denn je. Wie anders wäre der Weltimperialismus in die Schranken zu weisen? Aber auch auf der Ebene der europäischen Nationalstaaten gilt dies deutlicher denn je. Das effektive Kräfteverhältnis verlangt eine Neuordnung, damit sozialistische Perspektiven wieder Aufschwung erhalten. Unter den gegebenen Verhältnisse ist die antimonopolistische Strategie die einzige konkrete und seriöse Strategie, die auf den Sozialismus gerichtet ist, wenn man nicht gerade trotzkistischen Bürgerkriegsphantasien vertrauen möchte. Eine solche Strategie benötigen die Kommunisten, wenn sie nicht in der Luft hängen wollen. Es genügt nicht, mittels revolutionärer Phrasen eine bessere Zukunft zu versprechen, sondern es muss hier und heute für eine bessere Gegenwart gekämpft werden – und zwar auf eine Weise, die nach vorne gerichtet ist und in einer nachhaltigen Lösung mündet.
Zuletzt noch einige Worte, warum die antimonopolistische Ausrichtung gerade für die österreichischen Kommunisten von zentraler Bedeutung ist. Im imperialistischen System nimmt Österreich eine Position ein, die durch einen widersprüchlichen Doppelcharakter gekennzeichnet ist. Österreich ist ein kleines, aber doch effektives imperialistisches Land. In Ost- und Südosteuropa hat das österreichische Kapital eine Vorreiterrolle eingenommen, als es um die Wiedereingliederung der ehemals sozialistischen Staaten in das imperialistische System ging. Der österreichische Imperialismus ist in all diesen Staaten erfolgreich einmarschiert, zumeist ökonomisch, am Balkan aber sogar auch militärisch, und das alles insbesondere mit Hilfe der EU. Zugleich ist Österreich aber ein Staat, der in teilweiser Abhängigkeit der imperialistischen Großmächte, vor allem der BRD steht. Das Vehikel des BRD-Imperialismus für den dritten Anlauf zur großdeutschen Neuordnung Europas ist wiederum die EU. In Österreich ist der imperialistische Hauptwiderspruch, wenn man so will, durch die Existenz der EU und Österreichs Mitgliedschaft in derselben definiert. Die österreichischen Kommunisten propagieren daher die Losung „Raus aus der EU!“. Diese Losung ist für die österreichischen Kommunisten unbedingt eingebettet in eine antimonopolistische Gesamtstrategie, sie ist integraler Bestandteil einer solchen Strategie. Kein EU-Austritt wäre von Wert, wenn der imperialistische Staat Österreich weiterhin die osteuropäischen Nationen ausplündern würde, ebenso wenig, wenn sich im Inneren des österreichischen Staates nicht eine antimonopolistische Neuordnung der Kräfteverhältnisse vollziehen würde – und umgekehrt: ein EU-Austritt ist ohne antimonopolistische und antiimperialistische Bewegung nicht umzusetzen. Wäre ein solcher Bruch mit der EU vollzogen, so müsste die antimonopolistische Umgestaltung fortgesetzt werden in Richtung sozialistischer Revolution. Alles andere wäre sinnlos und ohne Perspektiven.
Fassen wir nun abschließend zusammen. Die antimonopolistische Demokratie kann eine auf den Sozialismus gerichtete Übergangsetappe sein. Sie ist aber nicht Teil der sozialistischen Übergangsperiode selbst, denn diese ist und bleibt die Diktatur des Proletariats – davon trennt sie also die sozialistische Revolution. Die antimonopolistische Demokratie wird daher auch vornehmlich bürgerlichen Charakter haben, wenngleich im Idealfalls bereits unter weitgehender Hegemonie der sozialistischen Kräfte. Darum geht es zentraler Weise: um die Neuordnung des Kräfteverhältnisses und der Ausgangsbedingungen zugunsten der revolutionäre Arbeiterbewegung, um optimale Bedingungen für den fortgesetzten revolutionären Kampf um den Sozialismus.
Es wird kein Patentrezept für die antimonopolistische Demokratie geben. Nirgends auf der Welt wird jemals eine „antimonopolistische Demokratie“ ausgerufen werden. Sie ist kein messbarer, naturwissenschaftlich einzugrenzender Zustand, der sodann dies und jenes umzusetzen hat, sondern umgekehrt kann dieser Begriff für Übergangsetappen angewendet werden, die in der Praxis in verschiedenen Staaten sehr unterschiedliche Formen haben werden: ob dies offiziellen Charakter hat, indem mittels formeller Neukonstituierung eine „Volksdemokratie“, eine „bolivarische Republik“ oder dergleichen festgeschrieben wird, ist letztlich nebensächlich. Nicht das Etikett ist bestimmend, sondern der Inhalt. In diesem Sinne können Kommunisten mit dem Begriff der antimonopolistischen Demokratie nur in Bezug auf die eigene Strategie operieren, sie kann nicht als Ziel an sich propagiert werden. Gerade dies würde nämlich sehr wohl dem Reformismus Tür und Tor öffnen, womit der konterrevolutionäre Rückschlag nur eine Frage der Zeit wäre. Die Kommunisten müssen vielmehr ihre eigene Agenda mittels konkreter Ziele festschreiben, sie verfolgen und gemäß den realen Bedingungen handeln.
Die im mittleren Abschnitt umrissenen Züge einer möglichen antimonopolistischen Etappe haben somit auch bewusst sehr allgemeinen Charakter. Im Konkreten wird die gesellschaftliche Praxis die genaueren Formen bestimmen, während die Kommunisten auf die strategischen Inhalte orientieren müssen. Das können die Kommunisten bereits heute tun, denn die antimonopolistische Strategie ist eine, die heute beginnt, nicht in ferner Zukunft. Die Kommunisten müssen diese Strategie zielsicher verfolgen, ideologisch unbeirrt, aber taktisch flexibel.
Und zu guter letzt ist die Forcierung der antimonopolistischen Strategie seitens der Kommunisten gerade deshalb von Bedeutung, weil den „Konzepten“ der revisionistischen und „transformatorischen“ Linken eine reale Strategie zum Sozialismus entgegenzustellen ist. Dem Revisionismus kommen die Kommunisten nicht bei, indem sie linksradikale und ultrarevolutionäre Phrasen und Losungen ausgeben, um sich krampfhaft abzugrenzen, sondern indem sie selbst Konzepte und strategische Ansätze haben, die sie in der Praxis handlungsfähig und überlegen machen.
Tibor Zenker, Wien
- [5]Hilferding, Rudolf: Das Finanzkapital. Berlin 1947, S. 462
- [6]Lenin, W. I.: Über eine Karikatur auf den Marxismus. LW 23, S. 34
- [7]Stalin, Josef: Die ökonomischen Probleme des Sozialismus in der UdSSR. Wien 1953, S. 53
- [8]Lenin, W. I.: Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen soll. LW 25, S. 369
- [9]Luxemburg, Rosa: Sozialreform oder Revolution? Gesammelte Werke, Berlin 1973, Bd. 1/1, S. 369
- [10]Lenin, W. I.: Das Verhältnis der Sozialdemokratie zur Bauernbewegung. Ausgewählte Werke in zwei Bänden, Moskau 1946, Bd. I, S. 541
- [11]Gramsci, Antonio: Die süditalienische Frage. Berlin 1955, S. 8
- [12]Gramsci, Antonio: La conquista dello s tato. L’Ordine Nuovo, 12.7.1919
- [13]Engels, Friedrich: Brief an Paul Lafargue, 6. März 1894. MEW 39, S. 216