Heinz W. Hammer
Cuba-Solidarität demnächst unter Generalverdacht ?
Auch in diesem Jahr beteiligte sich die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V., Regionalgruppe Essen, wieder mit einem Informationsstand an der Messe »Mode-Heim-Handwerk«. An fünf Tagen präsentierte sie sich neben zahlreichen anderen Gruppen unter der Dachorganisation Essener Selbsthilfegruppen »Wiese e.V.« und informierte vom 1. bis 5. November durch die Verteilung von mehreren Tausend Flugblättern sowie in zahlreichen Gesprächen mit Messe-Besucher/innen vor allem über die Folgen der Hurrican-Katastrophe sowie den Kampf für die Freilassung der »Miami 5«.
Ein besonderes »Highlight« wurde den Cubafreunden am letzten Tag ihres Einsatzes zuteil. Kurz nach Eröffnung der Messe um 10 Uhr früh lehnte eine Gruppe von fünf Personen zwar die Annahme des angebotenen Flugblatts ab, gab sich dafür aber als Team von Zollfahndern zu erkennen, das den Flugblattverteiler aufforderte, sich auszuweisen und seine aktuelle Tätigkeit zu legitimieren. Begründung: Schwarzarbeitkontrolle!
Der FG-Vertreter lehnte eine solche verdachtsunabhängige Personenkontrolle selbstverständlich sofort ab und äußerte völliges Unverständnis dafür, dass ein unzweifelhaft politischer Infor-mationsstand unter den Verdacht der Schwarzarbeit gerückt würde. Ein solches Vorgehen sei ihm in seiner fast 40jährigen politischen Praxis kein einziges Mal untergekommen.
Die Leiterin der Beamten, Frau T., Zollinspektorin der »Finanzkotrolle Schwarzarbeit, Arbeitsgebiet Prävention, Hauptzollamt Duisburg«, unterstellte derweil unverdrossen, dass der Flugblattverteiler mit dieser Tätigkeit nicht nur als potentieller Schwarzarbeiter verdächtig sei.
Sie teilte auch mit, dass für den Fall, dass der Missetäter erwerbslos sei, der zuständige »Leistungsträger« von ihr über den Verdacht informiert werden würde. In einer sich darob entwickelnden heftigen Diskussion wurde deutlich, dass sich diese Vertreter der Staatsgewalt weder Vorstellungen von dem Begriff »ehrenamtliche Tätigkeit« machen konnten (oder wollten) noch davon, dass es Menschen gibt, die Leistungen (politische Arbeit) ohne Bezahlung zu geben bereit sind.
Die Anschuldigung der unterstellten gewerblich betriebenen Flugblattverteilung wurde seitens des FG-Vertreters in der Diskussion nicht nur mit dem Verweis auf den bereits optisch eindeutig politischen Charakter des Standes zurück gewiesen. Er empfahl Frau Zollinspektorin T., sich beim in der Halle anwesenden Leiter der »Wiese e.V.« die völlig ehrenamtliche Tätigkeit aller Beteiligten bestätigen zu lassen. Diese Möglichkeit wurde von der Fahnderin ebenso wenig genutzt wie ein Anruf bei der FG-Bundesgeschäftsstelle, wo sie sich über die Ehrenamtlichkeit sämtlicher Mandatsträger/innen dieser Organisation hätte informieren lassen können.
Vollends merkwürdig wird die ganze Angelegenheit, wenn man bedenkt, dass von den anwesenden rund 30 Gruppen, die vorwiegend gesundheitliche Aspekte abdecken, tatsächlich nur der einzig dezidiert politische Stand belästigt wurde.
Als Hintergrund ist eine gezielte Denunziation ebenso möglich wie eine bewusste Provokation der einschlägigen, trüben Dienste.
Das Ganze könnte als Kuriosum abgehakt werden und wäre damit nicht der Rede wert, wenn es hier nicht um eine politisch wirklich bedenkliche Entwicklung ginge.
Denn hierzu passend meldet die Fraktion der Partei »Die Linke« in der Hamburger Bürgerschaft am 13.11.08, dass der dortige »Verfassungsschutz« sämtliche Informationsstände kontrolliert, die von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Vereinen, Bürgerinitiativen und Einzelpersonen bei den Bezirksämtern der Hansestadt angemeldet werden. Dieser Zugriff erstrecke sich auch auf personenbezogene Daten der Anmelder.
In einer Pressemitteilung des Landesbezirks Hamburg der Gewerkschaft ver.di vom 14.11.08 fordert deren Landesvorsitzende Wolfgang Rose, diese Praxis sofort zu stoppen: »Diese obrigkeitsstaatlichen Praktiken müssen aufhören (…) Es dürfen nicht alle, die einen Infostand anmelden, unter Verdacht gestellt werden. Ich bin erschüttert, dass derartige Methoden in der Freien und Hansestadt Hamburg üblich sind. So werden ehrenamtliches Engagement und zivile Aktivitäten, ob von Gewerkschaften, Kirchen oder Vereinen erschwert und diskreditiert (…)Hamburg ist kein Überwachungsstaat.«
Ob Hamburg, Essen oder anderswo – Überall, wo solche Einschüchterungsversuche vorkommen, sollten sie öffentlich gemacht und deutlich zurück gewiesen werden. Getreu dem Motto »Bangemachen gilt nicht!« muss dem Überwachungsstaat vor Ort offensiv entgegen getreten werden.
Heinz-W. Hammer,
18.11.08, Essen