„Hysterische Historiker“
von Horst Schneider
Eppelmanns Feuerwerker wollen die Geschichte abbrennen
Im Juni verkündete die berüchtigte Stiftung „Aufarbeitung der SED-Diktatur“ ihre Absicht, zum 20. Jahrestag der Konterrevolution in der DDR und anderen osteuropäischen Ländern 2009/2010 ein „Geschichtsfeuerwerk“ abzubrennen. (ND 9./10. 6.). Ihr Vorbeter, Pfarrer Rainer Eppelmann, befürchte, die Menschen könnten dieses Ereignis sonst „aus den Augen verlieren“, hieß es. Von einem Denkmal ist die Rede, einem „Geschichtsforum“, Sonderbriefmarken, „Bildungsarbeit der Bundeswehr“, Promotionsstipendien und ähnlichen „Kostbarkeiten“. Dieses Programm werde auch von der Rosa-Luxemburg- Stiftung mitgetragen (!), erfuhr man aparterweise.
Wir können uns also darauf gefaßt machen, daß nichts unversucht bleiben wird, um die öffentliche Meinung noch infamer zu manipulieren, die DDR noch gezielter als „Unrechtsstaat“ zu diffamieren und sie in eine Reihe mit dem Hitlerfaschismus zu stellen. Den Herbst 1989 aber will man zur „Sternstunde der Demokratie“hochstilisieren.
„Hysterische Historiker“ nennt Prof. Dr. Horst Schneider seine Streitschrift, die in diesen Tagen erschien. Darin nimmt er „Totalitarismusforscher, DDRologen und Renegaten“ aufs Korn und äußert sich zu „Sinn und Unsinn eines verordneten Geschichtsbildes“. Wenn Frau Merkel behaupte, die DDR sei eine Diktatur gewesen, so kann man dem eigentlich zustimmen, konstatiert der Autor, ist doch jeder Staat eine Diktatur. Das Wort bedeutet – vereinfacht – unumschränkte Herrschaft. Die Frage ist nur, wer wen unumschränkt beherrscht!
Schneider zeigt: Die „Totalitarismusforschung“ untersucht alles mögliche – Ideologien, Wirtschaftsführung, Massenmobilisierung, Nachrichtenmonopol u. v. m. Sie läßt bloß aus, was allem zugrunde liegt: die Eigentums- und die davon bestimmten politischen Machtverhältnisse. Genau diese aber waren „in den ‚zwei Diktaturen in Deutschland’ keineswegs identisch oder ähnlich, wohl aber in der Nazidiktatur und in der Bundesrepublik“. Der namhafte Historiker beweist das am Beispiel der Außenpolitik, der Ideologie, des Militärs, der Justiz, der Geheimdienste, der Kirche, der „Erinnerungspolitik“. Und er zieht das Fazit: „Es dürfte unmöglich sein, bei seriöser Betrachtung Ähnlichkeiten oder Gleichheiten zwischen Hitlerdeutschland und der DDR aus dem Hut zu zaubern. Die DDR war eine progressive Alternative sowohl zur faschistischen als auch zur bundesdeutschen … Politik.“ Das gelte für ihre Ziele und Aufgaben wie für ihr Personal und ihre Methoden.
Für die Totalitarismusforscher stehe das Ergebnis fest, ehe eine Untersuchung beginne: „Die DDR war des Teufels, die BRD das christlich-parlamentarische Musterländle.“ Ihre „Bewußtseinsindustrie“ – Schulwesen, Presse, Film und Funk, Verlage, Museen, Gedenkstätten, Vereine usw. – schreibe „die Geschichte der Besiegten …“ und „zurück bleibt die Lüge“, zitiert der Autor Bertolt Brecht.
Hitler feiert, der Klassenwurzeln seiner Politik entblößt, als Mephisto oder als wahnsinniges Individuum Hochkonjunktur in den „Dokumentationen“ eines Guido Knopp oder in „Spaßfilmen“, in denen weder die verführten Volksmassen noch die Kräfte, die die Faschisten dirigieren, eine Rolle spielen. Gleichzeitig genießt ein Hubertus Knabe Narrenfreiheit, wenn es darum geht, Greuelmärchen über die einstige Untersuchungshaftanstalt des MfS in Berlin Hohenschönhausen zu verbreiten, während unter Verantwortung des – inzwischen abgewählten – Berliner
Senators Thomas Flierl (Die Linke) ein Konzept zur Erinnerung an die „Mauer“ erarbeitet wurde, um „mit Hilfe der Gedenkstättenpolitik das Grenzregime der DDR zu verteufeln, das dem Schutz der Bürger der DDR und dem Frieden in Europa diente“.
Die Quintessenz: „Die Untauglichkeit der Totalitarismusdoktrin beweist nicht deren Ungefährlichkeit.“ Da die in der BRD Herrschenden den Bürgern ihres Landes weder eine Welt des Friedens noch der sozialen Gerechtigkeit in Aussicht stellen könnten oder wollten, bedürfe es der „Feindbilder, ob für die Vergangenheit oder die Gegenwart“. Den Hauptfeind „sahen und sehen sie im Sozialismus, so unvollkommen er auch war … Und nichts fürchten sie mehr als sozialistische Ideen, die zur materiellen Gewalt werden könnten“, schreibt Schneider.
„Was können Linke tun?“, fragt der Dresdner Gelehrte am Schluß. In Abwandlung des Thälmannschen Kriteriums – der Haltung zur Sowjetunion – schlägt er als Bewertungsmaßstab vor: „Sage mir, wie Du zur DDR stehst – damit sind natürlich nicht nur ihre Erfolge gemeint –, und ich sage Dir, wer Du bist!“ Es gehe darum, „jene positiven Ansätze zu bewahren, aus denen eine Welt des Friedens, der Menschlichkeit und der Vernunft entwikkelt werden kann“.
Der jetzt 80jährige Horst Schneider gibt uns mit fundiertem Wissen und zwingender Logik eine Fülle von Argumenten gegen die Herabsetzung und Verleumdung des ersten Arbeiter-und-Bauern-Staates in der deutschen Geschichte an die Hand. Wir brauchen sie, um zu verhindern, daß aus dem von solchen „Lichtgestalten“ wie Eppelmann geplanten „Geschichtsfeuerwerk“ ein Flächenbrand wird. Dr. Ernst Heinz
Horst Schneider: Hysterische Historiker.
Verlag Wiljo Heinen, Böklund 2007,
ISBN 978-3-939828-14-3