Interview mit Otto Bruckner, Vorsitzender der am 20. Januar 2005 in Wien gegründeten “Kommunistischen Initiative”
Offensiv: Wieviele Genossinnen und Genossen haben an der Gründung der Kommunistischen Initiative (“KI”) teilgenommen, wie ist die Zusammensetzung – nach Regionen, Klassen-/Berufszugehörigkeit, Geschlecht … ?
Otto Bruckner: Solche Fragen sind noch ein wenig verfrüht. Am 20. Jänner fand die Gründungs-versammlung der KI in Wien statt, und wir sind vorerst eine sehr stark auf die Ostregion Österreichs konzentrierte Gruppe. Es gibt Interesse und auch Beitritte aus den anderen Regionen. Aber im Prinzip kann gesagt werden: Die KI ist ein Versuch, der eben erst beginnt. Das Wiener Gründungsplenum war sehr gut besucht, und, was ich auch bemerkenswert finde, von den Gründungsmitgliedern der KI bin ich mit 43 Jahren eher schon einer der Älteren. Das hängt aber auch damit zusammen, dass bei den älteren GenossInnen eine sehr starke emotionale Bindung an die KPÖ da ist, die nicht von heute auf morgen zu lösen ist. Viele auch der älteren GenossInnen geben uns in der Sache recht und werden uns auch in der praktischen Arbeit unterstützen, aber sie bleiben vorerst in der KPÖ.
Offensiv: Welches sind die politischen Grundsätze, auf die man sich einigen konnte?
Otto Bruckner: Nachdem wir alle ja bis vor kurzem noch Mitglieder der KPÖ waren – und manche sind es nach wie vor – ist zunächst einmal wichtig, was wir nicht wollen: Linke Beliebigkeit. Wir wollen eine Organisation sein, die sich auf die theoretischen Grundlagen von Marx, Engels und Lenin bezieht und am Wiederaufbau einer marxistischem Partei der ArbeiterInnenklasse in Österreich mitwirken will.
Offensiv: Gibt es bereits eine Organisationsstruktur (Statut o.ä.)
Otto Bruckner: Nein. Wir wollen auch nichts überstürzen. Zunächst werden alle Entscheidungen basisdemokratisch getroffen. Strukturen und auch gewählte Organe wollen wir erst zu einem späteren Zeitpunkt schaffen, das soll ein dynamischer Prozess sein und nichts schablonenhaft am Schreibtisch Entworfenes. Es wird sicher noch in diesem Jahr eine bundesweite Gründungskonferenz geben, die über alle diese Fragen entscheiden wird.
Offensiv: Welches sind die nächsten Ziele?
Otto Bruckner: Wieder aktions- und politikfähig zu werden. Wir werden im ersten Halbjahr 2005 unsere Schwerpunkte auf die Erarbeitung von Grundlagen einerseits, und konkrete politische Arbeit andererseits legen, wie z.B. Veranstaltungen zum 60. Jahrestag der Befreiung Österreichs vom Faschismus, Teilnahme an Aktionen gegen die EU-Militarisierung und den EU-Verfassungsentwurf, Mitwirkung an klar antiimperialistisch ausgerichteten Aktion gegen den Krieg und die Besatzung im Irak.
Offensiv: Wo sieht man die wichtigsten ideologischen Widersprüche und Defizite? Und wie will man diese angehen?
Otto Bruckner: Das größte Problem besteht darin, dass in der Kommunistischen Partei Österreichs in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren ein entideologisiertes, im Grunde unpolitisches Klima geschaffen wurde. Das ist natürlich der beste Nährboden für die Verbreitung von Plattitüden wie “Antistalinismus”, “plurale Linke” oder “partizipative Demokratie”, wie sie von der Parteiführung in programmatischen Rang erhoben wurden. Wir sehen die Notwendigkeit einer seriösen marxistischen Bildungsarbeit als eine Grundvoraussetzung für einen gediegenen programmatischen Diskurs an. Oder um es mit einem Beispiel aus meinem Beruf als Tischler zu sagen: Ohne Grundkenntnisse in der Werkstoffkunde und der Maschinenkunde macht ein Experimentieren mit ausgefeilten Techniken der Holzbearbeitung keinen Sinn, sonst fliegen einem sehr schnell die Teile um die Ohren. Es geht also zunächst einmal auch um ein Ausbrechen aus dem konfusen, unsystematischen und willkürlichen Diskurs, der KPs wie die österreichische auf die schiefe Bahn gebracht hat. In einem Antrag an den 17. Parteitag spricht das ZK der griechischen KKE davon, dass wir KommunistInnen international einen strikt antikapitalistischen, antimonopolistischen und antiimperialistischen Pol in der Auseinandersetzung bilden müssen. Diese Definition der aktuellen Aufgaben der KommunistInnen gefällt mir sehr gut.
Offensiv: Was fällt Dir sonst Wichtiges ein, was wir in Deutschland wissen sollten?
Otto Bruckner: Da fallen mir vor allem zwei Argumente ein, die mir wichtig sind:
1.) Wir wollen keine sektiererische, kleine “K-Gruppe” schaffen, sondern eine Organisation, in der sich aktive klassenbewusste Kräfte sammeln. Am Ende des Tages sollte der Wiederaufbau einer kommunistischen Partei der ArbeiterInnenklasse in Österreich stehen. Wir sehen das als eine dynamische Entwicklung an. Die Praxis und das theoretisch-wissenschaftliche Fundament werden entscheidend dafür sein, wie rasch und wie breit unser Vorhaben gelingt.
2.) Es waren nicht – wie mir Genosse Hans Heinz Holz in einem Artikel in der “jungen Welt” unterstellt hat – persönliche Zerwürfnisse mit dem Vorsitzenden der KPÖ, Walter Baier, die mich und andere dazu veranlasst haben, aus der KPÖ auszutreten und eine neue Organisation aufzubauen. Es war die Einsicht, dass KommunistInnen in dieser Partei keinen Platz mehr haben, dass sich Beliebigkeit zum wesentlichen Merkmal der Partei entwickelt hat. Wäre das nun eine Massenpartei, wäre die Frage vielleicht nochmals anders gestanden. Aber unter den konkreten Bedingungen des rapide voranschreitenden Bedeutungs- und Einflussverlustes der KPÖ vor allem in der ArbeiterInnenklasse ist für uns klar geworden, dass das weitere Ankämpfen gegen diese Parteiführung nur bedeuten würde, dass wir unsere Kräfte unnütz in innerparteilichen Kämpfen aufreiben. Noch dazu wurden mit dem putschartigen “Delegiertenparteitag” vom Dezember 2004 Fakten geschaffen, die einen Weiterverbleib zumindest für mich unmöglich machten. Nur wer die Beschlüsse dieses Parteitages anerkennt, soll weiter Mitglied der KPÖ sein dürfen. Dieses Jahr werden sämtliche Mitgliedsausweise neu ausgestellt, obwohl die alten noch bis 2009 Gültigkeit gehabt hätten. Nur wer auf die neue Doktrin der “pluralen Partei”, die in Wahrheit eine monolithische Führerpartei ist, schwört, wird ein neues Mitgliedsbuch bekommen. Ich will niemandem vorschreiben, welche Schlüsse er daraus zieht, ich habe eben meine gezogen. Was eine kommunistische Partei ist, entscheidet sich nicht daran, wie sie heißt, sondern an ihrer Praxis, an ihrer Fähigkeit, wissenschaftlichen Sozialismus und ArbeiterInnenbewegung zusammenzuführen, eben “die” Partei im Lenin’schen Sinne zu sein.