André Vogt: Lohnarbeit und Kommunisten
Etwa 5.216.000 Menschen ohne Arbeit zählt die Arbeitsagentur im Februar 2005 in Deutschland. Andere zählen 7 Mio, einige auch 8,2 Mio. Die tatsächliche Anzahl exakt und taggenau zu ermitteln, wäre eine Kleinigkeit. Die Bourgeoisie hat daran kein Interesse. Ein Blick auf ihre eigene Statistik aber zeigt, dass sich die „offizielle” Arbeitslosenzahl in den letzten dreißig Jahren ungefähr um den Faktor fünf erhöht hat. Dieser Anstieg ist (auch) das Ergebnis angestrengter, intensiver und erfolgreicher Bemühungen der Lohnarbeiter, die Aufträge der Kapitalisten zu deren Zufriedenheit zu erfüllen. Zwei Beispiele zu Wirkungen von Arbeit im Kapitalismus:
Die DEUTSCHE BANK gibt für das abgelaufene Geschäftsjahr die Erwirtschaftung eines Rekordgewinnes bekannt. Arbeitsplätze werden gestrichen. GENERAL MOTORS meldete Verluste statt Gewinn. Arbeiter werden entlassen. Das Ergebnis der Lohnarbeit der Belegschaften ist also einmal Gewinn (welcher unter den Eigentümern verteilt wird) und in beiden Fällen Stellenabbau für einen Teil der Beschäftigten. Betroffene und Unterstützer fordern deswegen: „Erhalt der Arbeitsplätze”, „Mindestlohn”, „Weg mit Hartz IV”, „Schaffung von Ausbildungsplätzen” usw. usf. Gefordert werden damit bessere Organisation der Lohnarbeit, bessere Chancen zu ihrer Ausübung sowie Absicherung für die künftige Ausbeutung der (dann qualifizierteren) Jugend. Kommunisten werden diese Forderungen verstehen und mancherorts vielleicht sogar in Teilen (beispielsweise Abschaffung von Zwangsräumung, Abschiebung, Brechmitteleinsatz, Faschistenorganisationen, Menschenhandel, Prostitution, Privateigentum an Produktionsmitteln, Ausbeutung fremder Arbeitskraft usw.) unterstützen. Gleichzeitig aber werden sie ungefähr Folgendes mitzuteilen haben: Die Zeit der friedlichen, bequemen, relativ leicht auszuführenden Knechtschaft geht nun auch in der BRD für die Mehrzahl zu Ende. Den üblichen Schacher mit den Kapitalisten um ein bisschen mehr oder weniger Arbeitszeit, um ein bisschen mehr oder weniger Lohn verlieren die Arbeiter (zwangsläufig) regelmäßig. Er wird sogar ganz unmöglich. Eine neue Entwicklung wird sichtbar: Der Faschismus, die offen terroristische Diktatur der Bourgeoisie, wächst (erneut) allmählich und folgerichtig aus der bürgerlichen Demokratie hervor und wird mit Gesetzen und praktischen Übungen der entsprechenden Akteure (willige, weil käufliche Lohnarbeiter) in Polizei, Staatsanwaltschaft, Geheimdienst, Grenzschutz, Verwaltung usw. entschlossen vorbereitet (was jeder bemerken kann). Das bedeutet Krieg nach innen und außen. Die Tageszeitung „junge Welt” berichtet davon. Die (natürliche) Unfähigkeit der Kapitalisten, mit den modernen Produktivkräften verantwortungsbewußt, also zum Nutzen der Menschheit umzugehen, tritt offener zutage. Planlos lassen sie (unter Benutzung von Menschen) Natur und Mensch verramschen und das Elend (von Menschen) nimmt dadurch zu, nicht ab.
Um die Not zu wenden, ist die Übertragung der bisher als Privateigentum der Ausbeuter deklarierten gesellschaftlichen Produktionsmittel in den Besitz und die Verfügungsgewalt der gesamten Gesellschaft erforderlich. Erst dann können diejenigen, welche den Reichtum erarbeiten, über diesen auch verfügen (die Lohnarbeit wird abgeschafft und gesellschaftlich nützliche Arbeit organisiert). Das können nur die Ausgebeuteten selber tun, sonst niemand. Das ist nicht vorraussetzungslos, sondern muß vorbereitet werden. Dazu ist die politische Macht der Arbeiterklasse erforderlich. Die im Bundestag und in den Länderparlamenten versammelten Parteien sind keine Arbeiterparteien. Das Kreuz auf dem Wahlschein bei einer der „Farben” Parteien bedeutet: Ich bin einverstanden mit Ausbeutung und mit den Verbrechen (die von Kapitalisten angezettelt und von Lohnarbeitern ausgeführt werden) und wünsche die Fortführung dieser elenden Verhältnisse.
Die Aufgaben der Proletarier (wenn sie denn wirklich ernsthaft etwas für die Kinder tun wollen) bestehen nun darin, miteinander ins Gespräch zu kommen über die Zumutungen und Untaten der Ausbeuter (weltweit), über den Widersinn, bei steigender Arbeitslosigkeit länger arbeiten zu müssen, über die Notwendigkeit, sich gegenseitig solidarisch zu unterstützen und zu lernen, mit weniger auszukommen (was möglich ist), die Lohnarbeit zu sabotieren und höchstens ein schlechter Knecht zu sein. (Schließlich hält nicht der Arbeitslose den Kapitalismus am Leben, sondern der (Lohn)arbeitende.)
„Wir haben genau gewußt, daß wir für den Krieg arbeiten, indem wir überhaupt arbeiten,” läßt Bertolt Brecht den Kalle in den „Flüchtlingsgespräche”(n) aussprechen, was vielen immer noch nicht klar ist (und das ist nicht verwunderlich, denn auch Brecht wird in den bürgerlichen Ver–bildungseinrichtungen kaum gelehrt, Marx kommt nur als „Schriftsteller” vor und Sozialismus nennt man wieder „Utopie”). Deshalb, Genossen Proletarier, bildet euch ohne „BILD”, Television, MDR, usw. (Unwissenheit, Dummheit, Hetze, Lüge und Betrug sind Gehilfen der Herrschenden bei der Unterdrückung in der Ausbeutergesellschaft.) Verringert euren Konsum bewusst, nehmt euch Zeit zum Lernen! Es ist die Lohnarbeit, die den Krieg (nach innen und außen) erst möglich und schließlich unumgänglich macht. Sie erzeugt und mehrt das Kapital, die Macht über uns. Wir verschlimmern durch Lohnarbeit unsere Lage, die Lage der Arbeiterklasse (weltweit) weiter. Wenn wir nicht für unsere Klasse handeln, handeln wir für die Ausbeutung, gegen uns. Faschismus kann nur als Kapitalismus, der er ist, bekämpft werden. Kapitalismus ist nur durch die proletarische Revolution abschaffbar, sonst nicht!
Zum Verständnis über den Charakter unseres Kampfes (um die Köpfe) sei hier folgender Absatz aus einem Brief von Marx an den Publizisten Arnold Ruge in Erinnerung gebracht, dem wir uns vorbehaltlos anschließen können: „Es hindert uns also nichts, unsre Kritik an die Kritik der Politik, an die Parteinahme in der Politik, also an wirkliche Kämpfe anzuknüpfen und mit ihnen zu identifizieren. Wir treten dann nicht der Welt doktrinär mit einem neuen Prinzip entgegen: Hier ist die Wahrheit, hier kniee nieder! Wir entwickeln der Welt aus den Prinzipien der Welt neue Prinzipien. Wir sagen ihr nicht: Lass ab von deinen Kämpfen, sie sind dummes Zeug; wir wollen dir die wahre Parole des Kampfes zuschrein. Wir zeigen ihr nur, warum sie eigentlich kämpft, und das Bewusstsein ist eine Sache, die sie sich aneignen muss, wenn sie auch nicht will. Die Reform des Bewusstseins besteht nur darin, dass man die Welt ihr Bewusstsein innewerden lässt, dass man sie aus dem Traum über sich selbst aufweckt, dass man ihre eigenen Aktionen ihr erklärt.” (MEW Bd. I, S.345/346)
Was nun den Kampf des bewussten Proletariats betrifft, so finden wir bei Karl Marx folgende logische Handlungsanleitung: „Das Proletariat vollzieht das Urteil, welches das Privateigentum durch die Erzeugung des Proletariats über sich selbst verhängt, wie es das Urteil vollzieht, welches die Lohnarbeit über sich selbst verhängt, indem sie den fremden Reichtum und das eigene Elend erzeugt. …, darum kann und muss das Proletariat sich selbst befreien. Es kann sich aber nicht selbst befreien, ohne seine eigenen Lebensbedingungen aufzuheben. Es kann seine eigenen Lebensbedingungen nicht aufheben, ohne alle unmenschlichen Lebensbedingungen der heutigen Gesellschaft, die sich in seiner Situation zusammenfassen, aufzuheben.” (MEW Bd II, S.37/38)
Die Lebensbedingung der Proletarier, wie die der ganzen kapitalistischen Gesellschaft, ist die Lohnarbeit. Diese ist aufzuheben, abzuschaffen. Wie geht das? Indem die Arbeiter sich zunächst über die Schädlichkeit der Lohnarbeit klar werden. Die Schädlichkeit der Lohnarbeit besteht darin, dass sie diese heutigen, für die Mehrzahl elenden Zustände tagtäglich herstellt. Die modernen Arbeiter haben vergessen, dass sie ausgebeutet werden, sie haben vergessen, dass sie durch die Lohnarbeit, bei der sie nur einen Teil (des Wertes) ihrer geleisteten Arbeit ausbezahlt bekommen, ausgebeutet werden, sie haben vergessen, dass der Unternehmer ein Kapitalist ist, der über sie und ihre Familie bestimmt, sie entmenscht und dass die Kapitalisten deshalb ihre Feinde, ihre Klassenfeinde sind.
Die Belehrung über diese einfachen Tatsachen erfahren die Arbeiter durch die Kapitalisten selbst. Zur allgemeinen Teuerung gesellen sich sinkender Lohn, längere Arbeitszeit, höhere Arbeitsbelastung, weniger Vollzeitstellen, schlechtere Versorgung bei Arbeitslosigkeit, bei Krankheit, bei Scheidung, bei Elternschaft, …, beim Leben.
Damit aber die Arbeiter den Kapitalisten (und deren Lakaien) ihr Auskommen weiterhin sichern, erzählt man ständig und überall die Mär vom Segen, der durch Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum durch Freihandel und Friedenseinsätze usw. usf. kommen wird. Dieser Verarschung treten Kommunisten entgegen, indem sie eben nicht für Arbeit (Lohnarbeit), eben nicht für Ausbildung (zum Lohnsklaven), eben nicht für Bildung (nach dem reaktionären idealistischen bürgerlichen Standpunkt) eintreten sondern über die unvermeidliche Notwendigkeit der Abschaffung des Systems der Lohnarbeit durch die Proletarier selber aufklären. Zur Rolle der Gewerkschaften dabei fasste Karl Marx am Ende seines Vortrages: „Lohn, Preis und Profit” in aller Deutlichkeit zusammen:
„3. Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkte des Widerstands gegen die Gewalttaten des Kapitals. Sie verfehlen ihren Zweck zum Teil, sobald sie von ihrer Macht einen unsachgemäßen Gebrauch machen. Sie verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als einen Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse, d. h. zur endgültigen Abschaffung des Lohnsystems.” MEW Bd. XVI, S.152
Es ist unschwer zu erkennen, dass sämtliche Gewerkschaften „ihren Zweck gänzlich verfehlen”. Und das bereits seit sehr langer Zeit. Anstatt der Orientierung auf die Befreiung der Arbeiterklasse erwirken sie deren weitere Knechtung und Knebelung mittels vertraglich geregelten Ausbeutungsbedingungen und Bestechungsgeldern für die Arbeiteraristokratie. Sie betreiben damit aktiv die Spaltung der Arbeiterklasse an der Seite und im Interesse der Bourgeoisie. Der scheinbare (private) Vorteil des Arbeitsplatzbesitzers gerät zur Belastung der Lebenssituation des Proletariats insgesamt. Deshalb ist es eben kein Glück für das Proletariat, (Lohn-) „Arbeit zu haben” sondern eine Schande, Lohnarbeit leisten zu müssen. Wenn dieser Unterschied, dieser Klassenstandpunkt des Proletariats (wieder) klar wird, ist die proletarische Revolution vorbereitet. Kommunisten führen diesen Prozess. Nicht selbsternannte Kommunisten oder gar „revolutionäre” Sozialisten sondern Aktivisten der kommunistischen Tat, Bolschewisten also.
André Vogt, Dresden