André Vogt
Politische Ökonomie des Kommunismus – eine Buchempfehlung –
Rezension: Evelyn Pentzel: »Politische Ökonomie des Kommunismus«
Auf der Suche nach Informationen über einen sowjetischen Ökonomen der siebziger Jahre stieß ich im Internet auf eine Publikation, die es, meiner Meinung nach, in sich hat.
Die Autorin, Evelyn Pentzel, hat ein Buch geschrieben, in welchem sie polit-ökonomische Prämissen, Praktiken und Weichenstellungen während der Zeit des real existierenden Sozia-lismus seit der Oktoberrevolution und insbesondere in der Sowjetunion untersucht.
Im Mittelpunkt steht die Frage: Warum haben wir den ökonomischen Wettbewerb verloren?
Nun war es ja so, daß „wir“ in dem treffender als Kampf zu bezeichnenden Wettbewerb mit dem imperialistischen System auf wirtschaftlichem Gebiet nicht prinzipiell und immer unterlegen waren, sondern daß es, insbesondere in der Anfangszeit, also unter Stalin und in der DDR unter Walter Ulbricht, große und größte Erfolge beim Aufbau einer soliden sozialistischen Wirt-schaftsbasis gab. Dem Niedergang lagen politische Entscheidungen zu Grunde, die aber, da hinlänglich bekannt, im Buch nicht thematisiert werden.
Der Autorin kam es vielmehr darauf an, die sowjetische Preispolitik in ihrer Entstehung, Entwicklung und vor allem in ihrer Wirkung bei der Lenkung der Volkswirtschaft zu analysieren, das Geheimnis der Erfolge der stalinschen Periode wie auch die Folgen der Re-formen seines Nachfolgers unter Berücksichtigung der marxschen Erkenntnisse und der praktischen Erfahrungen auf diesem Gebiet zu ergründen und darüber hinaus die Theoriebildung insbesondere der sowjetischen Ökonomen und Wirtschaftswissenschaftler zu untersuchen. Anschaulich stellt sie die finanzpolitischen Maßnahmen der Sowjetregierung in den Kontext der realen Bedingungen der jeweiligen Entwicklungsperioden.
Der Leser bekommt unter anderem Einblicke in die öffentliche Diskussion über Wertgesetz und Warenproduktion im Sozialismus im Jahr 1958. Eine Diskussion, welche Pentzel „unsäglich“ nennt, weil sie offenbar mit dem Ziel geführt worden war, die erfolgreiche stalinsche Wirtschaftspolitik zu diskreditieren und zu beenden, was ja dann auch geschah.
Anhand des Reproduktionsschemas aus dem „Kapital (II)“ zeigt die Autorin die wirtschaftlichen Konsequenzen der geänderten Preispolitik und die Folgen für Akkumulation, Produktion und Konsum. Obwohl laut Pentzel zu keiner Zeit in der UdSSR voll umfänglich mit dem kapi-talistischen Produktionspreis gearbeitet wurde, war doch der Tendenz, die Produkte im kapitalistischen Sinn als „Waren“ aufzufassen und dementsprechend unterschiedslos „wert-gerecht“ zu behandeln, seit Chruschtschow Tür und Tor weit geöffnet. Hinzu kam die fatale Idee von der relativen Selbständigkeit der Betriebe, die auch um die DDR keinen Bogen machte. Falsche Preispolitik verteuerte Investitionen, was den Anstieg der Arbeitsproduktivität verlangsamte. Außerdem kam es zu einem allgemeinen Preisanstieg, Inflation also, welche „höheres Preisniveau geheißen wurde“. Die Initiative der Werktätigen wurde gebremst.
Ich bin zu wenig Historiker und zu wenig Ökonom, um die Richtigkeit aller angeführten Fakten, Formeln, Schemata und Folgerungen beurteilen zu können. Aber die Art und Weise des Umgangs der Autorin mit der Geschichte der neuen Gesellschaft, den kontroversen Ansichten der sowjetischen Ökonomen und deren Kongruenz oder Divergenz zu Marx begeistert, zumal sie von revolutionärem Optimismus geprägt sind und der Standpunkt der Arbeiterklasse kon-sequent vertreten wird.
Interessant ebenfalls der Abschnitt über die DDR unter Ulbricht mit ihren speziellen Bedin-gungen hinsichtlich Abhängigkeit von der SU und dem gleichsprachigen Klassenfeind vis-à-vis.
Die Lektüre der rund 280 Seiten ist über weite Strecken nicht ohne gewisse Anstrengung zu bewerkstelligen. Dafür wird der Leser mit Klarheit und Stringenz der Darstellung und großer Sachkenntnis der Autorin belohnt.
Das Buch selbst ist momentan nur im Internet als PDF-Datei zugänglich, welche in einem Kopierladen für 10-20 Euro in Buchform verwandelt werden kann:
http://politische-oekonomie.org/Buch/download.htm
André Vogt,
Dresden