Hartwig Strohschein
Geschichte Italiens
Rezension: Gerhard Feldbauer, »Geschichte Italiens«
Nachdem Gerhard Feldbauer mit Marsch auf Rom – Faschismus und Antifaschismus in Italien und Agenten, Terror, Staatskomplott – der Mord an Aldo Moro – Bücher zu prägenden Ereignissen der jüngeren italienischen Geschichte vorgelegt hat, stellt er in „Geschichte Italiens“, die erfolgreich auf der Frankfurter Buchmesse 2008 vorgestellt wurde, faktenreich die politischen und sozialen Kämpfe der vergangenen zwei Jahrhunderte dar.
In gewohnter Weise bedient er sich der Methode des dialektischen und historischen Materialismus, die Ereignisse der jeweiligen Epoche als Ergebnisse der Klassenkämpfe in Italien als auch internationaler Einflüsse darzustellen. Dabei stützt er sich auf gründlich recherchierte und in Deutschland nicht allgemein bekannte Fakten. Verschiedentlich geht er auf Parallelen und Unterschiede zur Entwicklung in Deutschland ein, so z. B. dass im Unterschied zu Deutschland durch die bürgerliche Revolution erst die nationale Einheit im Kampf gegen ausländische Mächte, die Habsburger, die Bourbonen und den päpstlichen Kirchenstaat errungen werden musste. Er hebt die dominierende Rolle radikal-demokratische Kräfte, in denen insbesondere Giuseppe Garibaldi und Giuseppe Mazzini eine herausragende Rolle spielten, hervor. Die Arbeiterbewegung in Italien entwickelte sich unter dem Einfluss des Marxismus und Anarchismus von Bakunin. Letzterer erschwerte die Bildung und Entwicklung einer sozialistischen Partei. Ihre widersprüchliche Entwicklung schloss erfolgreiche Arbeitskämpfe, in denen das Streikrecht erstritten wurde wie auch die Unterstützung expansionistischer Kolonialkriege ein. Kaum bekannt sein dürfte der Umstand, dass Benito Mussolini in der Italienischen Sozialistischen Partei Karriere machte, bevor er wegen chauvinistischer Positionen aus der ISP ausgeschlossen wurde und dann in den Auseinandersetzungen um den Kriegseintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg 1915, von dem sich die reaktionärsten Kreise des italienischen Imperialismus Gebiets- und Einflussgewinn versprachen, in der von ihm herausgegebenen faschistischen Zeitung eine zügellose Hetze gegen Abgeordnete entfaltete, die sich widersetzten.
Als Beispiel für die internationale Wirkung der Oktoberrevolution in Russland 1917 kann die Auslösung von Streiks, Besetzungen von Betrieben durch Arbeiter und Ländereien von Latifundistas durch Bauern gelten. Der erstarkenden revolutionären Arbeiterschaft begegneten die reaktionärsten Kreise der Großbourgeoisie 1922 mit der Machtübertragung an Mussolini, der mit beispiellosem Mordterror seiner SA (Squadres d´azione – Namensgeber für Hitlers SA) den „Staatsstreich der Faschisten“ vollzog, die „bewaffnete Garantie des Klassenstaates“ schuf (Gramsci), die vergleichbar mit Deutschland durch die fehlende Einheit der antifaschistischen Kräfte, besonders der Arbeiterklasse möglich wurde.
Expansionistischer Großmacht-Chauvinismus kennzeichnete das faschistische Italien ebenso wie das faschistische Deutschland, der sich hier besonders auf die Unterwerfung afrikanischer Völker und die Errichtung eines Kolonialreiches in Nord- und Ostafrika konzentrierte. Gemeinsam mit Deutschlands wurde auch in Spanien ein faschistisches Regime errichtet. Erst die verheerenden militärischen Niederlagen von Stalingrad und El Alamein im WK II erschütterten das Regime nachhaltig und stärkten die antifaschistischen und Antikriegskräfte, die schließlich zur Absetzung des „Duce“, zum Kriegseintritt Italiens auf der Seite der Alliierten und zur Besetzung des verbleibenden Italien durch die deutsche Wehrmacht und die Errichtung eines terroristischen Besatzungsregimes führte. Im September 1943 konstituierte sich dagegen ein „Nationales Befreiungskomitee“, das den Partisanenkampf organisierte. Vor den Partisanen-einheiten kapitulierten im April 1945 die restlichen deutschen und italienischen Verbände der faschistischen „Salo-Republik“.
Besondere Aufmerksamkeit widmet Feldbauer der Entwicklung und den Positionen der sozia-listischen und der kommunistischen Partei, besonders den Einschätzungen Antonio Gramscis, der wie kaum ein anderer Theorie und politische Praxis des revolutionären Kampfes verband.
Von aktueller Bedeutung für die Antikriegsbewegung ist die 1944 von Togliatti herbeigeführte „Wende von Salerno“, die in die Bildung einer antifaschistischen Einheitsregierung mündete, die Kommunisten, Sozialiste, Christdemokraten und Monarchisten einschloss.
Der Befreiungskampf der italienischen Antifaschisten konnte sich nicht der Sympathie der der us-amerikanischen Armeeführung erfreuen. Feldbauer nennt Tatsachen, die belegen, dass der US-Imperialismus in Gestalt der US-Army und der CIA mit kriminellen Methoden der Mafia und den faschistischen Kräften Vorschub geleistet hat. Dazu gehörten auch die angeordnete Demobilisierung der Partisanenverbände und die Absetzung der demokratischen Selbst-verwaltungen und ihr Ersatz durch die früheren faschistischen Verwaltungsorgane.
Unter Ausnutzung ihrer Militärpräsenz und der Aktivitäten der CIA wurde eine an den nationalen Interessen auch der italienischen Bourgeoisie orientierte Politik vereitelt. Heraus-ragendes Beispiel dafür ist der mittels der „Roten Brigaden“ inszenierte Mord an dem CD-Vorsitzenden Aldo Moro, um ein Zusammengehen der Christdemokraten mit den Kommunisten und einen möglichen Austritt Italiens aus der NATO zu verhindern. CIA und die mit ihr liierten italienischen Geheimdienste, Militärs mit faschistischer Vergangenheit, die ebenfalls von der CIA initiierte Propaganda-Loge P2, der ranghohe Vertreter aus Politik, Militär und Wirtschaft angehörten sowie die CIA-geführte Gladio-Truppe arbeiteten wie rechtzeitig aufgedeckt, an Plänen für einen faschistischen Staatsstreich, wie er in Griechenland und Chile realisiert wurde.
Nach dem Tod Berlinguers stürzte die IKP in eine tiefe Krise, indem reformistische Kräfte unter dem Einfluss der KPdSU unter Gorbatschow die Partei dominierten. Der 20. Parteitag 1991 beschloss die Umwandlung in eine sozialdemokratische Linkspartei und trennte sich somit von ihrer kommunistischen Tradition. Ca 10% der ehemaligen IKP-Mitglieder gründeten daraufhin die Rifondazione Communista.
Nach dem Zusammenbruch des durch Korruption völlig diskreditierten Parteiensystems be-stehend aus DC und ISP formierten sich die reaktionären Kräfte unter dem Eindruck der Wahlerfolge der aus der IKP hervorgegangenen Linkspartei um den Mediendiktator Silvio Berlusconi, der sich unter Einsatz seines Medienmonopols in Verbindung mit der rassistischen und separatistischen Lega Nord und der Mussolini-Nachfolgepartei MSI-AN (Movimento Sociale Italiano – Alleanza Nazionale) überwältigende Wahlsiege sicherte. Damit hatte nicht nur der mächtigste Unternehmer Italiens die politische Macht übernommen sondern auch die Faschisten saßen wieder an den Hebeln der Macht.
Eine Ursache der Wahlniederlagen der Linken sieht Feldbauer in der faktischen Auflösung der kommunistischen Partei, die in der indifferenten Linkspartei, im Wahlkampf Regenbogenlinke getauft, als formlose Strömung aufgehen sollte.
Das Buch trägt wesentlich zum besseren Verständnis der politischen Entwicklung in Italien bei und erleichtert Schlussfolgerungen für den politischen Kampf in der BRD. Es ist ihm ein breiter Leserkreis zu wünschen.
Gerhard Feldbauer: Geschichte Italiens, vom Risorgimento bis heute, PapyRossa Verlag, ISBN 978-3-89438-386-2
Hartwig Strohschein,
Berlin