Über die Sozialismusvorstellungen im neuen DKP-Programm

Hermann Jacobs:

Über die Sozialismusvorstellungen im neuen DKP-Programm

Wie weiter nach dem “Programm”? – Mit dem Programm!

Das Programm ist also angenommen – und wie steht es nun mit der Sozialismusauffassung der DKP, mit der wir uns so kritisch beschäftigt haben (siehe “Sonderheft” usw. und, das ist wohl sicher, weiterhin beschäftigen werden)? – Ich will es rundheraus sagen: Es gibt gar keine (mehr). Das erkennt man weniger an den Bekenntnissen, die die DKP dennoch ablegt – die sind die alten -, sondern an der Kritik am Sozialismus, wie er real war. Es muß als einander ausschließender Widerspruch betrachtet werden, dass man sich einerseits zum Sozialismus bekennt, aber andererseits sich von dem Sozialismus, wie er real bestand, trennt. Das ist ein Bekenntnis zu einer Unbekannten, nicht zu einer Bekannten. Es ist letztlich ein Bekenntnis zu einer Kritik.

Was die DKP am realen Sozialismus kritisiert, damit für sich ausschließt, also auch für kommenden Sozialismus, für ihre Kommunismusvorstellung ausschließt, drückt ihre Auffassung vom Sozialismus aus. Nicht, wofür, sondern wogegen sie sich bekennt, ist ihr Bekenntnis. Und ihre Kritik richtet sich gegen den Zentralismus des Sozialismus, d.h. gegen das Fassen, Leiten der Wirtschaft von einem Zentrum aus, worin eine Einheit der Gesellschaft erscheint, nicht ein “Oben”, sondern eine Gemeinschaft als Gesellschaft. Von der Entwicklung zum zentral (einheitlich) geleiteten Sozialismus spricht sie, dass er die Menschen vom Kommunismus entfremdet hätte, was heißt, dieser “zentralistische Kommunismus” sei der Kommunismus nicht. Kommunismus sei ein anderer.

Schon im Verhalten zu einem einzigen Merkmal des realen Sozialismus zeigt sich, wie man in Wahrheit zum Kommunismus steht. Von dieser Frage, wie man es beantwortet, hängt alles ab. Auch die historische Position der DKP.

Es reicht einfach für ein historisches Bekenntnis der DKP zum realen Sozialismus/Kommunismus nicht, sich zu sozialen Seiten/Verhältnissen dieser Gesellschaft zu bekennen, und den Produktionsverhältnissen gegenüber Unverständnis und Entfremdung zu demonstrieren. Da kommt eben kein Bekenntnis heraus, weil es nicht das Eigentliche meint, zu dem sich eine kommunistische Partei zu bekennen hat: Zur ersten Erscheinungsform des Kommunismus in der Geschichte der Menschheit, die Gleichheit Aller vor dem gesellschaftlichen Charakter der Arbeit zu sichern.

Was wird die nahe Zukunft der DKP werden?

Die DKP wird sich in Zukunft im theoretischen Vorfeld des Sozialismus herumtummeln, worin die Identität zu Marx – also den Klassikern – gewahrt ist, aber sich von der Praxis des realen Sozialismus mehr oder weniger fernhalten. Ihr Sozialismus-Verhältnis wird ein theoretisches sein, das sich dem praktischen Vormarsch der Arbeiterbewegung im 20. Jahrhundert, sofern er in den realen Sozialismus mündete (!), verweigert; damit ist die Kontinuität der Arbeiterbewegung abgebrochen. (Die DKP kann maximal in Konkurrenz zur PDS – die ja mit dem Realsozialismus, bei ihr “Stalinismus”, gebrochen hat – stehen, worin aber die PDS das Maß, die höhere Vorgabe für die Richtung der Bewegung liefert.) Statt sich über die PDS zu stellen, stellt sie sich hinter sie – zwar nicht ganz, aber im wesentlichen doch. Die Richtung ist dieselbe.

Wie antworten?

Praktisch! Es geht nur mit einer richtigen Erklärung der Praxis des Realsozialismus. Die DKP muß für die Praxis des realen Sozialismus zurückgewonnen werden, dies gilt allerdings für alle antikapitalistischen Parteien in der Welt.

Ist der allgemeine geschichtliche Stand im Programm der DKP gegenüber der sozialistischen Revolution der eines Bekenntnisses zur politischen Form der Macht, so das fehlende Element das eines Bekenntnisses zu den ökonomischen Mechanismen der Macht. In diesem Unterschied ist ja die reale innere Entwicklung des bisherigen Sozialismus/Kommunismus erfasst. Die Lage auf dem Gebiet der Programmatik ist so, dass die Entwicklung der kommunistischen Praxis (Realsozialismus)historisch weiter war als die heutigen Programme erfassen oder als die neuen Theorien zu erfassen bereit sind. Das wichtigste für die DKP ist daher, die ökonomischen Mechanismen der ersten Phase des Kommunismus deuten zu lernen. Was für die DKP, gilt für alle Arbeiterparteien dieser Welt, zuallererst die russische.

Auf zwei Hauptfragen konzentrieren: 1. Zurückweisung der Selbstschuldfrage (“der reale Sozialismus ist selber Schuld an seiner Niederlage”) in allen ihren Erscheinungsformen, bis hin zur These vom Zusammenbruch des Sozialismus – es gab eine Politik, die ihn “zusammenbrechen” ließ, aber nicht den objektiven, substantiellen, zwangsweisen Zusammenbruch des Sozialismus, sondern nur den seiner revisionistischen Entartung. 2. Zurückweisung der Leninismus-Kritik in ideologisch-theoretischer Form, d.h. Zurückweisung der Kritik an der revolutionären Entwicklung des Marxismus-Leninismus.

Wenn wir dagegen auftreten und auftreten wollen ist umgekehrt zu entwickeln, was der bürgerlichen Restauration im Innern des Sozialismus in die Hände gearbeitet hat – und das sind in der ersten Erscheinung die Reformen in wert- und warenökonomischer Hinsicht ab den 50er- und 60er Jahren, und das würde in der zweiten Erscheinung des Anti-Leninismus die Aufhebung der Imperialismus-Theorie sein. Sowohl der Inhalt/Gegenstand des inneren Revisionismus im Sozialismus als auch die Formen der Leninismus-Liquidation im Gesamten sind zu thematisieren. Das geht nicht, ohne dass wir auch Neuland betreten, d.h. das Bewußtsein dieser beiden Eingriffe in den Marxismus im Großen, dass es solche Eingriffe sind, muß erst geweckt werden. (Heute fungieren beide Kritiken am Leninismus immer noch unter dem Begriff Erneuerung, sind also teilweise in der Arbeiterbewegung anerkannt.)

Der Prozess der Restauration, des Rückbaus des Marxismus und die Überleitung zu einer reinen Reformen-Theorie ist noch nicht beendet. Wir befinden uns mitten in der zweiten Etappe der bürgerlichen Restauration der Arbeiterbewegung, in der Form, die die Arbeiterbewegung direkt betrifft (ihren geschichtlichen Werdegang auch ohne Revolution, noch vor der Oktoberrevolution). Der Prozess hat sowieso eine praktische und eine theoretische Seite. Erst  die praktische Form der Liquidation (der staatliche und soziale Verfall der Sowjetunion) – sie ist die Voraussetzung der theoretischen Liquidation. Mitten in der letzten befinden wir uns, sie greift weit in die kapitalistische Vergangenheit der Arbeiterbewegung zurück, d.h. was nun als falsch, fehlerhaft und irreleitend charakterisiert wird, ist nahezu alles, was den revolutionären Teil der Arbeiterbewegung ausgezeichnet hat. (Und das soll Selbstkritik sein?) Dabei gibt es eine innere Form der Liquidation, bei der revolutionäre durch reformistische Erklärungen der Geschichte ersetzt werden – und es den Anschein hat, dass das Bekenntnis zum Sozialismus … na ja, auch fortgesetzt wird, und es gibt die direkt bürgerliche Form, deren wichtigste die ist, den Kommunismus an sich zu einem Verbrechen zu erklären.

Das Ziel der Umdeutung ist nicht, dem Marxismus seine äußere Form, gewissermaßen die Wortform zu nehmen, sondern seinen revolutionären Inhalt. In Bezug auf die kapitalistische Gesellschaft ist das also die Theorie der Periode des Kapitalismus, die dem Kommunismus unmittelbar vorhergeht, das heißt die Periode der höchsten Widersprüchlichkeit des Kapitalismus (Imperialismustheorie), und in Bezug auf den Kommunismus ist das die Theorie der ersten Periode des Kommunismus, die unmittelbar auf den Kapitalismus folgt und in der die Formen der Lösung der kapitalistischen Widersprüche beginnen; zugleich auch eine Periode höchster “Widersprüchlichkeit” des Kommunismus (Sozialismustheorie oder Theorie der ersten Phase des Kommunismus).

Wir betrachten den Leninismus und alle Erweiterungen des Leninismus nur als die Umsetzung der Theorie des Kommunismus in eine Praxis des Kommunismus, historisch als die Bestimmung der Formen und geschichtlichen Wege, die eine Praxis beschreiten muß, um die Theorie der Arbeiterbewegung umzusetzen.

Hierbei ist das Wichtigste (beim “Aufbau einer Gegenmacht”), den Praxisbegriff in den Marxismus einzuführen und zu behaupten. Leninismus ist praktischer Marxismus. Weil das Wesen des Leninismus angewandter Marxismus ist, kann die Umdeutung des Leninismus nur seine Aufhebung als praktischer Marxismus bedeuten bzw. kann die Umdeutung des Leninismus nur die Reduktion des Marxismus auf einen reinen Theoriebegriff bedeuten.

Ihm, dem Leninismus, den Praxisbezug des Marxismus zu nehmen, d.h. der Praxis den gesellschaftlichen Bezug (zu dem er gediehen war) zu nehmen, bedeutet quasi eine Form der Aufhebung der Theorie. Ist der Leninismus erst einmal diffamiert, kann alles und jedes Marxismus sein und an die Stelle des Leninismus treten. Die Aufhebung des Leninismus als Praxisbegriff des Marxismus gilt an sich, für den gesamten Leninismus und im besonderen für die weiterentwickelten Formen des Leninismus/Kommunismus. Also insbesondere für die Übergangsperiode, für die Periode des Beginns der Planwirtschaft und deren Theorien.

Wie liquidiert man den Leninismus? Indem man ihn (zunächst) auf Lenin selbst eingrenzt (“Lenin – das ist der Leninismus”, “der Leninismus – das ist Lenin”), und alle sich fortsetzende Gesellschaftlichkeit nicht mehr mit seinem Namen verbindet[2]). Dann wird unter dem neuen Namen der Bruch mit dem Inhalt des alten Namens vollzogen; der Inhalt des Neuen entspricht nicht mehr dem Inhalt des Alten. Er ist also neu, auch im Sinne des Leninismus neu. Unter dem Begriff Stalin/Stalinismus z.B. wird der Praxisbezug von der Gesellschaft genommen bzw. dem Leninismus als dem Praxisbegriff des Marxismus wird die Anerkennung verweigert, weil in der höchsten praktischen Form verweigert. Auch der Leninismus ist nur Theorie, ist nur auf Theorie – maximal noch Politik – reduziert. (Dagegen ist Stalin falsche, nichtmarxistische Praxis). Ohne den gesellschaftlichen Praxisbezug des Marxismus aber, ist dieser erst einmal gegeben, ist Marxismus ein Begriff, der seinen Kommunismusgehalt verloren hat.

Wie also liquidiert man den Marxismus? Indem man seine Fortsetzung ab/seit Marx liquidiert, immer seine Fortsetzung, immer das neueste Stück. Immer die Weiter- und Höherentwicklung. Dass jeder neue Schritt historisch falsch ist oder das historisch Falsche des Marxismus immer am Neuen abgehandelt wird, ist die Voraussetzung dafür, dass die Sache selbst falsch ist. Das Falsche immer des Neuen herauszukehren dient nur dazu, das Falsche des Beginns von Anfang an herauszukehren.

Nächster Punkt ist die territoriale Eingrenzung des Leninismus, er soll bezogen sein nur noch auf Rußland. D.h. es müsste dann für uns einen neuen „Leninismus“ geben, der auf Westeuropa Bezug nimmt. Indem Rußland auf Rußland zurückgedrängt wird, wird nach einem anderen Wesen des Westens Europas gefragt, nach einem anderen Praxisbezug des Marxismus als den durch Lenin und die Bolschewiki in Rußland.

Das DKP-Programm nun nimmt diese Seite des gegenwärtigen Kampfes bzw. seine Entwicklung gar nicht wahr, und ist so nicht das Programm, das als revolutionäre Antwort – auf diese doch unübersehbare Entwicklung – zu erwarten gewesen wäre. Es stoppt nicht die Umdeutung der Geschichte des 20. Jahrhunderts bzw. baut nicht die Gegenmeinung/Gegenmacht auf, von der im Programm und von H. H. Holz in “Junge Welt” vom 20. 4. gesprochen wird. (Das Programm ist auch nicht durch breite Diskussion zustande gekommen, nicht durch breite Diskussion verabschiedet. Keine Diskussion in den “Marxistischen Blättern” in den letzten Jahren.)

Das DKP-Programm geht nicht auf die Fortsetzung der Umdeutung der Geschichte des 20. Jahrhunderts in der Form der Degradierung des Leninismus ein. Eine revolutionäre Praxis der Geschichte ist nie völlig beseitigt, wenn nicht auch ihre revolutionäre Theorie, ihre Voraussetzung beseitigt ist. (D.h. Stalin nicht vollständig, wenn nicht auch Lenin.)Wir werden sehen, ob, wenn sich der Kommunismus nicht gegen seine praktische, gesellschaftliche Aufhebung so recht zur Wehr zu setzen vermochte, er wenigstens seine revolutionäre Theorie zu verteidigen versteht, vielleicht gar um so besser, da die besondere Bedeutung der Theorie gegenüber dem Reformismus nun hervortritt. Im Moment sieht es nicht so aus. Es sieht eher so aus, dass, nachdem das Erste den geschichtlichen Bach herunter geflossen ist, die Theorie, das Zweite, folgen wird. Womit wir dann in der Arbeiterbewegung geschichtlich wieder an einem Punkt vor dem Leninismus gelandet wären – wenn das dann noch ginge.

Ich will noch einmal auf einzelne Punkte unserer Kritik am Programm der DKP zu sprechen kommen

Es hat einige Umformulierungen gegeben, die nicht der Vorgabe des Antrages des Parteivorstandes entsprechen; wichtig ist der bisherige Punkt “Bloßer Verstaatlichung und wirklicher Vergesellschaftung”:

1. Hier neuer Satz im Programm: “Der Prozess der Vergesellschaftung blieb vielfach auf der Stufe der Verstaatlichung stecken”. Damit erfolgt seitens der DKP die Anerkennung, dass Verstaatlichung Vergesellschaftung ist, was die DKP bisher so nicht gesagt hat, sie stellte bisher der “bloßen Verstaatlichung” die “wirkliche Vergesellschaftung” gegenüber (was offensichtlich falsch war).

Der Satz, dass zunächst mit Verstaatlichung begonnen werden müßte, führt auf Engels zurück, der von Verstaatlichung sprach, aber als historisch erste (beginnende) Form der Vergesellschaftung im Kommunismus verstand. Dazu noch folgendes: In der Tat – wenn der revolutionäre Staat noch nicht zur Planwirtschaft übergeht, geht er auch nicht zur Leitung der Wirtschaft über, dann muß sich diese selbst leiten – das ist dann das bisherige bürgerliche allgemeine Prinzip, das Wertprinzip. Dann ist die Vergesellschaftung bloße Verstaatlichung (Zusammenfassung des Privateigentums, Privateigentum in allgemeiner Hand = Staat), d.h. dann ist der Staat nur soweit gesellschaftlich, als er gesellschaftlicher, und das heißt politischer Kontrolle unterworfen ist. Entspricht – nach der Revolution – der unmittelbaren Periode nach der Übernahme der Macht. Und soweit diese nicht historisch verlassen wird.

Aber kommt es zu Planwirtschaft, dann tritt dieser Wandel ein, und dann verwandelt sich die bloße Verstaatlichung in wirkliche Vergesellschaftung. Planung der Arbeit ist wirkliche Vergesellschaftung, ist daher Umwandlung/Veränderung der bloßen Verstaatlichung. Die DKP macht den Fehler, die wirkliche Vergesellschaftung nicht mit der Planung zu verbinden, sondern formuliert die Forderung nach der wirklichen Vergesellschaftung im Gegensatz zu dem Staat, der sich zur Planungsform der Wirtschaft entwickelt hat. Damit ignoriert sie die wirkliche Vergesellschaftung auf der einen Seite und erhebt den Ruf nach einer anderen Form der Vergesellschaftung gegen die wirkliche Form der Vergesellschaftung auf der anderen Seite; d.h. sie ruft nach einer anderen Form der Leitung der Wirtschaft. Welche aber ist diese, welche kann diese sein? Nur die alte, bisherige. Also die Warenproduktion. Und die Erbauer des Sozialismus müssten dann die kleinbürgerlichen Warenproduzenten sein!

Überhaupt: “Staatliche Durchdringung” der Gesellschaft. Wo ist das Problem? Woher die plötzliche Staatsangst der DKP)? Der Staat ist doch im Sozialismus durchdrungen von der Gesellschaft. Die Durchdringung geht anders herum, ein neues, anderes Subjekt ergreift eine Institution – das Volk den Staat. Der Staat muß allgemein werden. Wie idiotisch, in der Partei, die den Staat als erste übernimmt, etwas anderes zu sehen als das Proletariat! (Das wäre die Selbstabschaffung (Ausgrenzung) der Partei – und desjenigen, den sie … nicht vertritt, sondern: verkörpert). Gerade das, was man vorgibt zu wollen: Vergesellschaften, darunter den Staat, das erhebt man zum Problem – wenn die Durchdringung erscheint. Das bedeutet, den Sozialismus, den man soeben geschaffen, aufheben zu wollen in seinem Schaffen. Als sei der Staat – als Instrument, Institution – ein etwas an sich Fremdes zum Volks-Schaffen, Als sei nur etwas, was spontan, ungestaltet, also Rohes ist, “volkseigen”, Volk. So stellt sich der Bourgeois das Volk vor.

Nächster Punkt Pluralismus:

Es wird im Programm der Eindruck erweckt, es könne so etwas wie einen “pluralen Sozialismus” geben. Wie steht es nun mit dem Pluralismus im/des Sozialismus, in dem Formen realen Sozialismus gemeint sind? (Theorie vom pluralen Sozialismus; also nicht, dass es in einem einzigen Sozialismus pluralistisch zuzugehen habe, sondern dass es viele Formen des Sozialismus geben werde. (Entspricht auch Ingo Wagner, Festschrift aus Anlass seines 80. Geburtsjahres “Hefte des Marxistisches Forums”, Nr. 51)).

Es gibt nur die drei Möglichkeiten des historischen Verhaltens nach der Revolution: 1. das Verharren bei den politisch-ökonomischen Verhältnissen, wie sie unmittelbar nach der Revolution noch bestehen (Mischökonomie, teils schon volkseigen, teils noch privat – aber noch ohne Planwirtschaft, eventuell erst Wirtschaftsplanung), 2. den Übergang zur Planwirtschaft, 3. den Übergang zur ökonomischen Selbstverwaltung der Betriebe, also “sozialistischen Warenproduktion/Marktwirtschaft”.

Die Existenz dieser drei Möglichkeiten ist gegeben (gegeben gewesen) in a) China, b) Sowjetunion, c) Jugoslawien. D.h. der historische Spielraum einer Geschichte nach dem Kapitalismus ist längst ausgereizt. Und wer das “sowjetische Modell” kritisiert, muß sich zum “chinesischen” resp. “jugoslawischen Modell” erklären (aber nicht zu irgendeinem historischen Neutrum). Wir wissen, dass b) und c) parallel laufen können (Sowjetunion und Jugoslawien); der eine (nach der Machtnahme) macht es so, der andere so. Beide Varianten drücken kein Nacheinander der Geschichte aus. Sollen sie aber im Nacheinander erfolgen (“Jugoslawien” nach der “Sowjetunion”, also die Selbstverwaltungsreform nach der Planwirtschafts-Revolution), so muß die Planwirtschaft, also das “sowjetische Modell”, ihr Vorgänger sein (d.h. die Aufhebung des Privateigentümers muß immer die Voraussetzung sein) und muß diese Planwirtschaft zur selbstverwaltenden Ökonomie (Warenproduktion) reformiert werden, d.h. in eine Selbstverwaltungswirtschaft kollektiven Privateigentums (Werteigentums) übergeführt werden. Variante drei ist – wenn Planwirtschaft vorausgesetzt wird – Revision des Sozialismus, ist Revisionismus. Während umgekehrt Übergang zur Selbstverwaltung, der nur der Kapitalismus vorausgesetzt ist oder einfach die politische Machtnahme, Entwicklung des Reformismus ist – seine ökonomische Entwicklung. Fall A (China) ist immer erst noch eine politisch kommunistisch geleitete Mischökonomie, es ist keine klare Planwirtschaft. China ist aber auch keine Selbstverwaltungsökonomie bekannten (jugoslawischen) Status. China ist der historisch längste Versuch, nach der Revolution bei einer Mischökonomie – teils volkseigener und teils privater Betriebe – zu verbleiben. Das “chinesische Modell” drückt ein Primat der Quantität aus. Man vertraut der kommunistischen Macht; man sieht sie umkämpft, aber nicht gefährdet. Warten wir die kapitalistische Gegenpolitik ab die sich auf China einschießt, die immer gewaltiger, großräumiger und … diffiziler wird. D.h. “eine große Chance” begreift.

Weiterer Punkt: “Was ist Realsozialismus?”; Definition: Realsozialismus ist – und das ist neudefiniert im DKP-Programm, ein “frühes Entwicklungsstadium des Sozialismus”! Sehr wichtig. Denn das ist die These vom Frühsozialismus, die hier von der DKP übernommen ist. – Phasen in einer ersten Phase zu entdecken ist an sich sensationell und müßte gewürdigt werden – wenn es stimmt. Aber der reale Sozialismus war kein frühes Entwicklungsstadium der ersten Phase des Kommunismus. Die Periodisierung ist viel dialektischer zu sehen. Man kann in jeden beginnenden Sozialismus (jede erste Phase) nur die ersten Elemente des Kommunismus aufnehmen[3], aber keine noch früheren als diese frühen/sozialistischen (wenn es noch frühere sozialistische gäbe, wären diese die frühesten).

Noch kurz die Frage „Reformsozialismus“: Das neue Programm enthält keine Kritik an der Reformierungsthese des Realsozialismus. Die These im Programm, der Kommunismus erst der 2. Phase “hebe die Warenform der Produkte auf” ist ein Programm für sich – für den Charakter aller vorhergehenden Phasen. Es werden a) keine Übergänge der Aufhebung der Warenform markiert, so dass b) bis weit in die erste Phase hinein Warenproduktion durch die DKP zugesichert ist. Warum aber? Was ist der Sinn 1. der Aufhebung (der Warenform) in der fernen Zukunft, 2. der Nichtaufhebung in der ersten kommunistischen Gegenwart? Die DKP nähert sich dem Gedanken der Reform des realen Sozialismus – hin zu einer sozialistischen Marktwirtschaft – in der allervorsichtigsten Weise. (Bei der Frage der Warenproduktion ist das Leistungsprinzip zu behandeln – Peter Feist und Ingo Wagner = “Marxistisches Forum” Nr. 51, Festschrift zum 80. Geburtstag von Ingo Wagner; Leistungsprinzip bedinge Warenproduktion).

Die DKP geht – als Letztes – nicht auf die Stalinfrage ein. (Es bietet sich für die “Stalinsche Periode” die Definition an: “Der Stalinismus ist (als positiver Begriff) der Marxismus in der Epoche des Aufbaus des Kommunismus als Planwirtschaft und der Zurückweisung der äußeren und inneren Restauration/Konterrevolution des Sozialismus”. Das erste heißt hierbei Zurückweisung wertökonomischer Reformierung der Planwirtschaft, und das zweite heißt Verteidigung der Politik der friedlichen Koexistenz von Staaten unterschiedlicher sozialer Ordnung. (Koexistenz, die nicht schleichende Form der Unterwerfung ist.) Man muß nicht von Stalin/Stalinismus sprechen, obwohl beide Punkte (Aufbau der Planwirtschaft und kämpferische Form der Koexistenz) in der Politik seit/durch Stalin gesetzt/entwickelt sind, aber man muß von dem bestimmenden Gehalt des Kampfes der Arbeiterbewegung in dieser historischen Periode des Kommunismus und des Kapitalismus sprechen resp. ausgehen. Wir brauchen eine Theorie der Konterrevolution im Kommunismus.

Alles in Allem:

Wir brauchen eine Positionsbestimmung des Kommunismus für Deutschland (Europas und darüber hinaus), wie sie sich aus der Russischen Wende ergibt. Man muß hier sehen, dass die Russische Revolution im ideellen Bild der europäischen Arbeiterbewegung die gerade, direkte Fortsetzung des Marxschen Revolutionsgedankens ist, also als seine Umsetzung gilt resp. galt. Die Aufgabe der Revolution – “durch die Revolutionäre” – verlangt eine Überprüfung der Verhältnisse resp. eine Stellungnahme zu der gesamten Periode der europäischen Geschichte, die hier erfasst ist. Dabei ist für uns die Gesamtbewegung in Deutschland, ist die Gesamtreaktion in Deutschland zu bedenken. Man nimmt im allgemeinen die PDS als die Reaktion der SED – was ich aber zu bedenken gebe. Dann wäre aus der revolutionärsten Form in Deutschland die Rückkehr zur Sozialdemokratie erfolgt. Bei Bruch, also Verwerfung der Revolution, ist nur die Rückkehr zur SPD möglich – die dadurch eine andere Bedeutung in der Arbeiterbewegung zugesprochen kriegt; wobei sich jetzt ein Unterschied in der Arbeiterbewegung nur noch als ein Unterschied in der Sozialdemokratie selbst anböte. Das ist auch – in dieser gewissen Reaktion – offensichtlich gemeint, beabsichtigt. Die PDS trifft sich mit der linken Sozialdemokratie, was wiederum unterstellt – gibt es eine SPD-Linke -, dass sich in der SPD eine Rechtsentwicklung, d.h. eine direkt/offen bürgerliche Form durchgesetzt hat. (Auch eine Form der Reaktion?)

Nicht an sich die PDS, sondern ein intellektuelles Umfeld der PDS geht politisch den Weg zur Sozialdemokratie, hält ökonomisch aber an der ökonomischen Reform des realen Sozialismus fest, womit sie – perspektivisch – ein doppelt politisches Gesicht trägt. – Was allerdings die originäre SED anbetrifft, so hat sie, weil sie als Partei verschwunden, und dies dürfte die richtige Definition sein, überhaupt keine Reaktion entwickelt; innerhalb der PDS erscheint das in der Position der Kommunistischen Plattform, die in der PDS mit einer antikapitalistischen Position und einem dezidiert positiv geprägten Verhältnis zum realen Sozialismus auftritt, also auch der Sozialdemokratisierung der PDS nicht folgt – aber Anknüpfungspunkte an die linke Sozialdemokratie pflegt; und außerhalb erscheint das am ehesten in der politischen Klientel, die sich um den “RotFuchs” schart. Tatsächlich erscheint die SED als Nichtpartei, d.h. als eine politische Strömung Nichtparteicharakters (als eine Gesinnung). Ohne Partei zu sein, ist der Kulturverein “RotFuchs” am ehesten noch ein Widerschein der Tradition DDR. Was die KPD anbetrifft, so ist sie in Bezug auf die SED zu sehr Rückfall in den Ausgangspunkt – die Thälmannsche KPD, verantwortet also zu wenig deren Entwicklung zur SED, was sich aber ändern kann. – Bleibt als einzige Partei, die als Partei noch das Erbe der SED/DDR antreten kann, die Schwesterpartei der SED, die DKP – wenn sie denn wollte. Was sie aber nicht will. Das ist das Problem.

Damit scheint der Reigen der Politik-Darstellung als Reaktion auf den zweiten Russischen Februar beendet, abgeschlossen. Alle Spektren sind wahrgenommen – bis auf eines: Die Zeitschrift “Offen-siv”. Man kann die Sache drehen und wenden wie man will, aber die “Offen-siv” ist am ehesten noch geneigt, auf die Verteidigung der Revolution auch gegenüber der Revolution wie sie war, zu setzen. Sie ist von innerer Kritik am realen Sozialismus, indem sie als einzige die Revisionismusfrage inmitten des Kommunismus thematisiert. Wer macht das sonst noch? Sie ist Verteidigung und Kritik der Revolution zugleich. Deshalb erscheint sie links von Allem – was selbst für die Guten des Guten zuviel ist. Was, die Revolution verteidigen und sie zugleich kritisieren? Das geht doch gar nicht, das kann doch nur der Rückfall in den Linksradikalismus, die Kinderkrankheit des Kommunismus sein. Um das zu verstehen, ist aber nur ein innerer Historismus beim Aufbau des Kommunismus zu Ende zu denken. Dass wir es schon mit richtigem Kommunismus zu tun hatten – und den wir verteidigen -, schließt ja nicht aus, dass er um weitere Elemente seines Wesens zu erweitern war – und wo wir kritisieren, dass das nicht geschehen ist.

“Offen-siv” thematisiert den Revisionismus inmitten des Sozialismus und belegt ihn – soweit es ökonomischer Revisionismus ist – mit der kritischen Analyse der Reformen wertökonomischer Art. Gerade da, wo von anderen von Reform gesprochen wird, sprechen wir von Revisionismus.

Was erscheint als Problem der von “offensiv” veröffentlichten Arbeiten und Polemiken? Dass auch mit ihnen ein Moment der Kritik in den Beginn und in die fortgesetzte Praxis der Revolution eingeführt worden ist. Was aber ist das Wesen dieser Kritik? Dass sie der realisierten Praxis, d.h. dem realen Kommunismus eine andere, höhere Form der Theorie abverlangt, als der reale Kommunismus eine hatte und gebar. Die Theorie muß angesichts des real werdenden Kommunismus beginnen, der Praxis des Kommunismus einmal zu folgen, andermal voranzugehen. D.h. die Theorie muß schneller zum Kommunismus voranschreiten als die Praxis voranschreitet. Was bedeutet, in den Momenten des Realen das Höhere, das Kommunistische schon zu entdecken. Das löst nicht von der Praxis, sondern ist eine höhere Sicht, eine Sicht aus dem Höheren heraus auf den dann real werdenden Kommunismus.

Allen, die sich für das neue Programm der Deutschen Kommunistischen Partei interessieren, es gar für das Programm nun der deutschen Kommunisten nehmen, sei gesagt: Es gibt eine andere kommunistische Auffassung vom Aufbau des Kommunismus in der Sowjetunion und im weiteren Osten Europas bzw. in Deutschland selbst (DDR) als die in diesem Programm vorgestellte. Diese sieht sich weder aufgehoben im neuen Programm der DKP, noch in allen bisherigen von der PDS geprägten Auffassungen, worin einfach vom “Bruch” (mit dem Stalinismus) gesprochen ist. Das heißt: Wir machen darauf aufmerksam, dass es in Deutschland mindestens drei Arten des Herangehens an die bisherige Geschichte des Kommunismus gibt. Nimmt man es genau, so sortieren sich diese heutigen Auffassungen aber grundsätzlich in die zwei konträren Auffassungen vom Kampf der arbeitenden Klassen, mit denen wir es schon immer zu tun gehabt haben – einer solchen, die einen inneren Konsens zwischen der arbeitenden Bevölkerung und dem Kapital gesucht hat und einer anderen, zweiten, die sich in ihren Kämpfen auf eine eigene Gesellschaft orientiert hat. Und dies auch heute noch tut, angesichts der Liquidation des ersten geschichtlichen Beginns einer kommunistischen Gesellschaftsordnung.

Wir gehen also davon aus a), dass es eine kommunistische Ordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse geben muß als die wirkliche Lösung der Widersprüche, die zwischen einer privaten Eigentumsform an der Arbeit und dem gesellschaftlich gewordenen Charakter der Arbeit mit dem Kapitalismus entstanden sind; b), dass diese Gesellschaft in ihren grundsätzlichen Konturen in der Sowjetunion und den weiteren Ländern Osteuropas entstanden war, dass sie praktisch wie theoretisch als die erste Phase bereits des Kommunismus verstanden werden muß, dass c) ihre Liquidation ein gesellschaftshistorischer Fehler war, dass sich d) die sich fortsetzende und wieder formierende Arbeiterbewegung nur dann im kommunistischen Sinne richtig verhält, wenn sie sich weiterhin zu den Gesellschaftsordnungen, die der Liquidation anheim gefallen sind, als den ihren, ureigenen verhält. D.h. eine Wiederholung der sozialen Revolution führt und muß führen zur Wiederholung dieser sozialen Praxis. Jeder weitere, neue Weg des Kommunismus führt nur über den gewesenen Kommunismus, er ist in diesem Sinne kein weiterer, kein neuer Weg. Wir brauchen in diesem Sinne keine neue Sozialismus- oder Kommunismus-Auffassung, sondern nur die Wiederholung der alten. Die kommunistische Bewegung ist nicht konstituiert, wenn sie erneuert, sondern wenn sie bewahrt. Alle theoretischen Initiativen der kommunistischen Bewegung müssen in die Richtung gehen, sich die Praxis des realen Kommunismus noch besser, noch richtiger, mit einem Wort: bewußt/bewußter zu erarbeiten als wir es bisher schon getan haben. An jeder gesellschaftlichen Ordnung kann gearbeitet werden, auch an der kommunistischen. Wir verweigern uns der Kritik, darunter auch der der DKP, die von der Vorstellung der Erstarrung des Kommunismus, der Reformunfähigkeit des realen Sozialismus ausgeht, weil sie mit der grundsätzlichen Kritik am realen Kommunismus einhergeht, dieser müsse ersetzt, durch eine andere Vorstellung vom Sozialismus bzw. Kommunismus abgelöst werden. Wir arbeiten mit der selben Kommunismus-Auffassung – und weiter, immer weiter, während die andere Auffassung – von einem neuen Sozialismus – sich nun der Beweispflicht aussetzt, und die kann nur eine praktische sein. Ihr erster Praxisbeweis – Gorbatschow – ging gründlich daneben und stürzte die Welt in den heutigen barbarischen Zustand. Weiteres geschichtliches Material fehlt.

Allgemeine Wertung des neuen Programms der DKP: Das Programm wird nicht die endgültige resp. gültige Auffassung der deutschen revolutionären Arbeiterbewegung werden. Das betrifft sowohl die Wertung des realen Sozialismus, die ich im Grundsätzlichen für falsch halte – der reale Sozialismus ist nicht als erste Form des Kommunismus, nicht als der beginnende Kommunismus erkannt -, als auch den im Programm erscheinenden Versuch der DKP, Merkmale eines neuen Sozialismus zu kreieren, ausgehend von der Kritik am realen Sozialismus, auch dies ist falsch, ist ein falscher Ansatz.

*

Wenn es richtig wäre – wie die DKP sagt -, dass es immer einen historischen Bezug der sozialistischen Revolution gibt, dann gilt das aber auch für den Realsozialismus. D.h. auch er wäre dann historisch begründet. Das müßte sich dann in seiner Bewertung niederschlagen. Man müßte, wenn es eine historische Begründung für den Realsozialismus gäbe, das Falsche (das man kritisiert) als richtig anerkennen, d.h. als ebenfalls historisch für begründet erklären; man könnte den Realsozialismus dann nur bis zur Form des historischen Überholtseins kritisieren, aber nicht bis zur Verwerfung; neue Situation, neuer Kommunismus, basta. Aber nicht: Unser Sozialismus (der der DKP) wird historisch sein und daher richtig sein, aber der reale ist historisch und dennoch falsch.

Man hebt den historischen Gesichtspunkt, den man für sich beansprucht, auf, wenn man ihm dem realen Vorläufer oder Erstlingswerk des Sozialismus verweigert – indem man ihn der Kritik aussetzt (denn die Kritik besagt ja, dass er historisch nicht gerechtfertigt ist).

Was ist falsch an dieser Theorie? Wer schafft denn die besonderen historischen Situationen für den Sozialismus? Der Kapitalismus. Am Beginn seiner Existenz kann der Sozialismus nicht aus einer eigenen, sondern nur aus einer Situation einer anderen Gesellschaft entstehen, die er nicht zu verantworten hat, die für ihn nur Bedingung ist. Kommunismus kann nur sein, was man aus einer kapitalistischen Voraussetzung macht. Also der Kapitalismus, seine historische Entwicklung, ist für die Besonderheiten des Sozialismus verantwortlich. Die Erfindung/Findung immer neuer Formen des Sozialismus hat zur Voraussetzung die Erfindung/Findung immer neuer Formen des Kapitalismus. Der Sozialismus im Plural = der Kapitalismus im Plural. Insofern beruft sich eine Pluralität in der Entwicklung des Sozialismus auf eine Pluralität in der Entwicklung des Kapitalismus. (Wie “einfach” dagegen die andere Theorie: Immer der selbe Kapitalismus (im Allgemeinen) = immer der selbe Kommunismus (auch im Allgemeinen).

Und was ist dann der Sozialismus in Bezug auf die Widersprüche des Kapitalismus? Sind sie allgemein und an sich, in jeder besonderen geschichtlichen Situation des Kapitalismus, historisch gegeben? Ist nicht der Kapitalismus in seinen begründenden Widersprüchen immer gegeben? Kann er diese im Prinzip nur variieren, auf die Spitze treiben, so ist auch die Lösung dieser Widersprüche, der Kommunismus als derselbe immer gegeben und die Lösung nur auf die Spitze zu treiben. Kommunismus kann man – und da ist die Ableitung eine aus dem Kapitalismus – nur mit mehr oder weniger Konsequenz angehen, aber nie an sich inkonsequent. Das führte nur zur Wahrsagerei in der Gesellschaftsprognostik.

Vielleicht erschreckt es nun doch so manches DKP-Mitglied, dass ihr so mühevoll errungenes neues Parteiprogramm eine solche Abwertung erfährt: Auftakt ja, Text aber nicht tauglich.[4] Das heißt ja, die ganze Mühe hat sich nicht gelohnt.

Die ganze reformistische/revisionistische Kritik geht 1. dahin, in die bürgerliche Gesellschaftsordnung zurückzukehren, und dazu dient die Behauptung, der reale Sozialismus habe sich gesellschaftlich nicht als lebensfähig erwiesen, d.h. seine Verhältnisse stünden im Widerspruch zur Entwicklung der Produktivkräfte (der Kapitalismus könne ihn mühelos abhängen), 2. aber geht sie dahin, von der selben Prämisse auszugehen, d.h. den Sozialismus nicht als lebensfähig zu erklären, aber dennoch nicht zum Kapitalismus zurückzukehren, sondern zu einem … neuen Sozialismus. Ist das nun (wieder, erst) revolutionär oder (nur, erst) eine versteckte Kröte des Reformismus? Sie tröstet über die Niederlage, die man erlitten, “mit neuem Mut” hinweg. Es gäbe dann zwei Wege/Arten, sich vom Sozialismus zurückzuziehen: 1. die bürgerliche, die des Rückzugs in die bürgerliche Klasse, der man wieder die Gesellschaft überantwortet (das wäre die “absolute” Reaktion) und 2. die scheinbar “proletarische”, die des Rückzugs der Arbeiterbewegung, der man zu diesem Zwecke eine neue Sozialismus-Diskussion aufbürdet (das wäre die “revisionistische” Reaktion).

Keine von beiden wollen wir, denn keine von beiden bringt den geschichtlichen Prozess der Menschheit voran.

Hermann Jacobs,
Berlin

  • Es heißt ja auch, dass Lenin, der Leninismus mit der NÖP endet. Mit einer Korrektur in der Politik , was wohl eher für die NÖP stimmt, endet der Leninismus. Was war dieser noch mal? – Er war der zur Praxis gebrachte Marxismus. Also die NÖP = der angewandte Marxismus. Ein die Planung der Produktion “ersetzender” innerrussischer Praxisbezug. Na bitte, man hat doch einen praktischen Lenin.
  • Die historische Erweiterung kann nur nach vorn, in die Zukunft gehen.
  • Ich meine, wie schon im “Offen-siv”-Sonderheft 2/06 erklärt, den Sozialismusteil des Programms der DKP.