André Vogt:
Unmaßgebliche Bemerkungen zu Tibor Zenkers Vorstellungen von der Partei
In offen-siv 6/07 gibt uns Genosse Tibor Zenker seine Auffassung darüber bekannt, „wie sie auszusehen (hat), die kommunistische Partei im 21. Jahrhundert“. Er stellt dazu acht Thesen auf und sucht diese jeweils zu begründen. Ich habe zu einigen wenigen Passagen folgende unmaßgebliche Bemerkungen:
Zu 1.: „Die linke Alternative zur Sozialdemokratie – bleiben wir also beim Namen kommunistische Partei, den auch Marx und Engels für richtig hielten – muß also die Eigentumsfrage stellen, ..“.
Linke Alternativen zur Sozialdemokratie sind vielleicht die Partei „Die Linke“ oder die KPÖ oder die CSU, niemals aber die kommunistische Partei. Links und Rechts und Mitte sind Einteilungen der Bürgerlichen, damit sie sich in ihrem Parlament zurechtfinden und sicher werden Kommunisten, wenn sie denn mal ins Parlament gewählt werden wollen, auch auf der linken Seite Platz nehmen. Nur ändert das nichts daran, daß die Vereinigung der Kommunisten eine andere Qualität darstellt als das, was sich heute alles so bei „links“ sammelt. Die kommunistische Partei ist eine Partei neuen Typs und als besondere Vereinigung der Arbeiterklasse befindet sie sich „im Gegensatz zu allen alten Parteibildungen der besitzenden Klassen“ (MEW Bd 17 S.422). Es bleibt dabei, Kommunisten und Linke sind verschiedene Leute.
„Alternative“ bedeutet Wahl oder auch Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten. Dieses Wort findet mehrfach Anwendung im Text des Genossen Zenker. Aber die Proletarier haben keine Wahl, wenn ihre Kinder und Enkel überleben sollen.
Zu 2.: „Wer den Kapitalismus „abschaffen“ will, muss die kapitalistische Lohnarbeit abschaffen.“
Zu 4.: „Die kommunistische Partei kämpft vehement für Reformen, die tatsächliche Verbesserungen für die werktätigen Menschen bedeuten. Die Kommunisten müssen sogar die eifrigsten Kämpfer für positive Reformen sein, weit mehr als die bloßen Reformisten.“
„Doch alle Reformen sind nur Stützpunkte auf dem Weg zur völligen Emanzipation der Arbeiterklasse.“
Mit den Reformen im Kapitalismus ist das so eine Sache. Die Bourgeoisie macht zuweilen Zugeständnisse an ausgewählte Schichten von Ausgebeuteten mit dem Ziel, ihren Geschäftszweck Mehrwert ohne nennenswerte Störungen realisieren zu können. Sie hat bemerkt, daß es vorteilhaft für sie ist, die Arbeiteraristokratie zu entwickeln. Der Fortschritt der Produktivkräfte macht das möglich. Die Arbeiter sprechen dann davon, daß sie dies und jenes erkämpft haben, weil sie beispielsweise für oder gegen etwas gestreikt hatten. Wenn sie aber, sagen wir mehr Lohn, frühere Rente, mehr Ausbildungsplätze, Versicherung gegen Arbeitslosigkeit und Krankheit usw. usf. erreichen konnten, so haben sie damit zunächst nur die Fortexistenz der Ausbeutung gesichert, nichts weiter. Seit über hundert Jahren müht sich die Arbeiterklasse, kämpft für Reformen zur Verbesserung ihrer Situation und müßte doch nun eigentlich mit gestählter Kampfkraft kurz vor der Zerschmetterung des verfaulten imperialistischen Systems stehen. Stattdessen ist sie handzahm, wählt nicht Stehr sondern Merkel, und ihre Lage verschlechtert sich rasant (und nicht erst seit 1990). Wohlgemerkt, nicht die materielle; die ist grundsätzlich besser als noch vor hundert Jahren. (Obwohl ich mir da auch nicht so sicher bin bei immerhin geschätzten 20 000 Obdachlosen – Menschen ohne zu Hause – im Jahr 2007 in der BRD.) Aber ihr Bewußtsein als Klasse ist aufgrund dieses grundsätzlich konterrevolutionären Charakters des Kampfes für Lohnarbeit logischerweise degeneriert und eben nicht gewachsen. Es handelt sich bei den „positiven Reformen“ nicht um „Stützpunkte auf dem Weg zur völligen Emanzipation“, wie der Genosse Zenker meint, sondern um Stützpunkte auf dem Weg der weiteren Anpassung der Arbeiterklasse an das Bedürfnis der Bourgeoisie. Der Kampf um Arbeitsplätze, der Kampf für einen Grundlohn oder auch ein Grundeinkommen, selbst die verständliche Forderung „Weg mit Hartz IV“ sind ungeeignet, die Verbürgerlichung (im Denken) der Proletarier aufzubrechen, Klassenbewußtsein zu entwickeln.
Die These, es müsse den Leuten schlechter gehen, damit sie begreifen, ist längst durch die Praxis widerlegt. Aber daß die Menschen begreifen und aktiv für ihre Befreiung kämpfen würden, wenn sich ihre Lage bessert, ebenfalls.
Im Programm unserer Partei lesen wir im Abschnitt Bourgeois und Proletarier: „Die Proletarier haben nichts von dem Ihrigen zu sichern, sie haben alle bisherigen Privatsicherheiten und Privatversicherungen zu zerstören.“ (MEW Bd 4 S. 472)
Wenn das zutrifft und sie also nichts von dem Ihrigen zu sichern haben (worüber man ruhig mal nachdenken kann), wieso soll sich dann die kommunistische Partei für die Verbesserung der ohnehin relativ komfortablen Lage der Lohnarbeiter der BRD einsetzen, „vehement für Reformen kämpfen“? Die heutigen, von der Bourgeoisie diktierten Kampfziele der Arbeiter wie höherer Lohn, mehr Arbeit, bessere Arbeitsbedingungen etc. führen nicht hin zum Sozialismus sondern von ihm weg, führen zur Stärkung der Reaktion und zur Schwächung der Arbeiterbewegung, wie wir uns 1989/90 überzeugen konnten. Fleißige Lohnarbeit ist keine Tugend.
Das heißt nicht, daß nicht gekämpft, nicht protestiert werden soll. Der politische Massenstreik beispielsweise, den unsere Großeltern noch kannten, ist eine vorzügliche Sache. Nur darf man dabei das eigentliche, primäre Ziel, die Vorbereitung der Machtübernahme durch das revolutionäre Proletariat (natürlich auf dem Boden des Grundgesetzes) nicht aus dem Auge verlieren. Dazu ist die Stärkung und Unterstützung der kommunistischen Partei Hauptaufgabe und erste Pflicht aller fortschrittlichen Proletarier.[27]
Die unsolidarische in Sparten aufgedröselte Gewerkschaftsrealität der BRD gehört von Grund auf erneuert, zentralisiert. Proletarier können nur gemeinsam überleben, einzeln werden wir immer geschlagen. Vor allem aber ist den Proletariern stets und überall die Wahrheit zu sagen: Lohnarbeit erzeugt Imperialismus – Imperialismus ist tödlich. Das gilt es zu begreifen und nicht: Wie kann ich es mir und meiner Familie möglichst bequem und komfortabel einrichten. Es kommt nämlich niemand, der für die Arbeiter die Lohnarbeit „abschafft“. Sie selber müssen da was tun wollen. Erst dann werden sie realisieren können, daß die kommunistische Partei „eine nützliche Partei“ für sie ist.
Zu 4.: „Die Aufgabe der Kommunisten besteht nicht darin, immer nur eine bessere Zukunft zu versprechen, sondern durchaus auch darin, eine bessere Gegenwart zu schaffen.“
Kommunisten sind bekanntermaßen Realisten, die das Unmögliche versuchen (Che). Sie geben keine Versprechen auf die Zukunft ab. Ihr Maßstab und Erkennungsmerkmal sind ihre Taten.
Und eine bessere Gegenwart? Was soll das sein, angesichts der ungeheuren Verbrechen, welche aufgehetzte feindliche Proletarier tagtäglich und weltweit im Auftrag der Privateigentümer begehen? Schließlich sind auch prügelnde Polizisten in der BRD und palästinensische Kinder erschießende israelische Soldaten Proletarier, die angeblich nur ihr Brot verdienen (w)sollen. Eine bessere Gegenwart gibt es im Imperialismus nicht. Die Gegenwart ist menschenfeindlich und wird von menschenfeindlichen Menschen gemacht. Auch „positive“ Reformen ändern daran nichts. André Vogt, Dresden