Ellen Brombacher:
Gestörte Planung? – Leserbrief in „jW“ vom 15.1.07
In einem am 11. Januar 2007 in der jungen Welt veröffentlichten Leserbrief informierte Genossin Ruppert, sie sei von der ND-Redaktion gebeten worden, im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um den Friedrichsfelder Stein „Den Opfern des Stalinismus“ ihre Position darzustellen. Eva Ruppert hatte den Beitrag pünktlich geliefert. Unmittel vor dem geplanten Erscheinen – am 4. Januar – erfuhr sie, ihr Beitrag würde nicht veröffentlicht. Sie habe Stalin verherrlicht. Tags darauf erschien dann die Debattenseite mit einer den Stein befürwortenden Stellungnahme von Prof. Jürgen Hofmann und diversen Leserbriefen anstelle der sonst üblichen Gegenposition.
Dies veranlasst mich, über einen Vorgang zu informieren, der im Zusammenhang mit dem geschilderten Tatbestand stehen dürfte. Am 3. Januar 2007 fand bei der Lichtenberger Bezirksbürgermeisterin Genossin Christina Emmrich ein Gespräch mit Kritikern des Steins statt. Seitens der Kritik nahmen neun Genossinnen und Genossen daran teil, darunter Heinrich Fink, Kurt Goldstein, Andrej Reder und Friedrich Wolff. Genossin Emmrich wurde von Prof. Hofmann begleitet. An deutlichen Worten unsererseits fehlte es nicht. Am Schluss stellte Genossin Emmrich die Frage, wie es mit der Diskussion weitergehen solle. Ich schlug vor, die Genossen des ND zu bitten, das Thema auf der Debattenseite zu behandeln. Daraufhin teilte Prof. Hofmann mit, die Sache mit der Debattenseite sei gegessen. Da wir das nicht verstehen konnten, baten wir um Aufklärung. Eine Debattenseite zu dieser Problematik erschiene bereits am 5. Januar, hieß es. Nun interessierte uns natürlich, wer die Kontrahenten sein würden – zumal keiner der Unterzeichner des im ND vom 15. 12. 2006 veröffentlichten offenen Briefes zum Friedrichsfelder Stein gefragt worden war.
Kurt Gossweiler sei gebeten worden, erfuhren wir, und dass Jürgen Hofmann schreiben würde. Kurt Gossweiler habe aus gesundheitlichen Gründen statt seiner Eva Ruppert vorgeschlagen. Ich bat ums Wort und sagte, ich würde Kurt Gossweiler sehr achten und stimmte mit ihm in vielem überein. Worin wir nicht übereinstimmten, sei seine Bewertung Stalins. Kurt Gossweiler oder auch eine sich mit seiner Stalinposition vermutlich identifizierenden Genossin zu bitten, sich zum Stein zu äußern, bedeute natürlich, dass die Stalin betreffenden Positionen nicht verschwiegen würden. Diese allerdings seien mit denen einer Vielzahl von Stein-Kritikern nicht identisch. Würde nun Kurt Gossweiler bzw. Eva Ruppert zum Kronzeugen der Stein-Gegner gemacht, so ermögliche dies eine Art Umkehrschluss – nämlich den Stein-Kritikern eine Pro-Stalin-Haltung zu unterstellen. Es gehöre wenig Phantasie dazu, sich die dann daraus resultierende Debatte vorzustellen. Das sei eine perfide Vorgehensweise, die ich als Provokation empfände. Diese Position wurde von Friedrich Wolff bekräftigt. Am 5. Januar erschien dann eine merkwürdig anmutende, weil debattenbefreite Debattenseite. Der jW-Leserbrief von Eva Ruppert ist durchaus aufhellend. Dass ihre Stalin-Darstellung der Grund für das Nichterscheinen des Artikels sein könnte, ist eher unwahrscheinlich. Man wusste doch um die Positionen. Man stelle sich vor, Lucy Redler würde gebeten, etwas über die rot-rote Koalition in Berlin zu schreiben, und dann würde ihr Artikel nicht abgedruckt, weil sich in diesem keine positiven Bewertungen derselben fänden.
Wie auch immer: Es ist gut, dass der Partei, noch dazu im Rahmen der programmatischen Debatte, keine Diskussion aufgehalst wurde, die an die Zeiten vor der 1. Tagung des 4. Parteitages im Januar 1995 erinnert hätte. Manchmal bewirkt die Störung mutmaßlicher Planungen etwas Vernünftiges.
Ellen Brombacher,
Berlin