Anton Heinrich:
Bleibt, wo der Pfeffer wächst!
Zum „Parteienheft” der „Offensiv”
Zweifellos ist das Parteienheft eine ehrenwerte Angelegenheit. Die Angelegenheit ist aber außer Rand und Band geraten. Die PDS ist fast gar nicht ins Visier geraten, wenn man von der KPF absieht. Und die KPD? Sehr mager, mit einem onkelhaften Blick. Das Hauptfeuer der Kritik ist nicht zu Unrecht auf die DKP gerichtet. Der Revisionismus, der sich in dieser Partei seit langem breit macht, ist nicht zu trennen von dem Schicksal, das einen Großteil der kommunistischen Parteien seit dem XX. Parteitag ereilt hat.
In der Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus/Imperialismus stehen alle kommunistischen Parteien aus klassenkämpferischen Gründen in ständiger härtester Auseinandersetzung mit den Ausbeutern. Sich aus dieser harten Realität herausmogeln zu wollen, etwa mit Rosstäuschermethoden, läuft, die Geschichte bestätigt es immer wieder, schief. Eine kommunistische Partei ist alles andere als ein Zuckerlecken, geht es doch in ihr, wenn sie wirklich die Partei der Arbeiterklasse sein will, um ständige Auseinandersetzungen um den bestmöglichen Inhalt, wie man den Klassenkampf führen soll. In den höchstentwickelten Ländern des Kapitals versucht man auch ständig, die Ausgebeuteten an der kapitalistischen Kandare zu halten. Wo immer es geht und sich angezeigt erweist, versucht man, das eigene Nest nach Raubvogelmanier eventuell in eine Friedhofsruhe zu verwandeln. Das gelingt einmal mit der Korrumpierung von Teilen der eigenen Arbeiterklasse, wie das in allen imperialistischen Staaten mit mehr oder weniger Erfolg allezeit erfolgt. Gleichzeitig werden nach dem Teile-und-Herrsche-Prinzip alle anderen zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt. Der Revisionismus und seine Spielarten hat sich dabei (bisher!) als ein äußerst erfolgreiches Mittel erwiesen. Es sei hier nur auf die beiden Weltkriege verwiesen. Der Revisionismus ist also ein Trojanisches Pferd erster Wahl für den Imperialismus.
Oberflächlich betrachtet scheint es so, als ob nach der Niederlage des Sozialismus in Europa der Imperialismus gewonnen hätte, nicht nur eine Schlacht, so glaubt er. Wenn nur die Krankheit des Profits ihm nicht anhaften würde wie Pech – aus den bekannten hier nicht anzuführenden Gründen. Wenn sich die kommunistischen Parteien aus wissenschaftlicher Einsicht über diesen Todeskeim des Kapitals im Klaren sind, ist es eigentlich ein Leichtes, die Wissenschaftlichkeit des Marxismus-Leninismus zu akzeptieren. Es ist aber auch so, dass eine Wissenschaft kein Dogma, sondern ein lebendiger Organismus ist, der sich ständig mit der Realität auseinandersetzen muss. Die Dialektik erfordert eine ständige Auseinandersetzung mit der Realität der kommunistischen Sache. So war es ein Glück, als nach dem Ableben Lenins Stalin das Heft in der nationalen und internationalen Bewegung in die Hand nahm. Aber nach dem Tode von Stalin sah die Nachfolge alles andere als günstig aus. In aller Welt gab es plötzlich in der kommunistischen Welt heftige Auseinandersetzungen. Oder waren diese Auseinander-setzungen nur verschoben worden durch die herausragende Persönlichkeit Stalins? Eines stellte sich jedenfalls bald heraus: die Nachfolger konnten Stalin, bei allen dessen Fehlern, das Wasser nicht reichen, und so geschah, was geschehen musste. Der Revisionismus, intern der Hauptfeind der kommunistischen Parteien, konnte sein Haupt nun mit Unterstützung des Imperialismus frei erheben. Leute wie Chrustschow und seine Nachfolger machten das mehr oder weniger möglich.
Kommunistische Parteien im Imperialismus hatten und haben ja immer eine doppelte Last zu tragen. Auf sie prasselt das propagandistische Feuer besonders stark nieder. Den Magnetkäfig der Manipulierung in diesen Ländern zu durchbrechen ist schwer. Das erklärt auch die Anfälligkeiten für Revisionismus: ein klassisches Beispiel dafür ist das Einschwenken der SPD in den imperialistischen Ersten Weltkrieg. Und so machten es alle anderen sozialdemokratischen Parteien außer der Partei der Bolschewiki. Es ist schon lange her, dass sozialdemokratische Parteien nicht mehr als Arbeiterparteien bezeichnet werden können.
Aber auch innerhalb der kommunistischen Parteien gibt es ständige Auseinandersetzungen um den Revisionismus. Ebenso gibt es den Kampf um linke Abweichungen, der nach meiner Ansicht im Augenblick nur nicht so im Brennpunkt steht wie beispielsweise der Revisionismus. Mindestens seit dem XX. Parteitag gab es in der SED viel zu wenig dialektische Auseinandersetzungen. Die Konterrevolution hatte deshalb auch in ideologischer Hinsicht ein leichtes Spiel, die vielen intakten Genossen lahm zu legen. Gysi und Genossen hatten ein verhältnismäßig leichtes Spiel, diese Lage für sich auszunützen. Sie tun das bis heute. Gysi müsste schon allein deshalb das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. Die Kommunistische Plattform wirkt in der PDS – eventuell unfreiwillig – als Feigenblatt für eine zweite, immer mehr überflüssige Sozialdemokratie. Entgegen anderen Meinungen bin ich zu der Auffassung gekommen, dass die PDS zum Steigbügelhalter des Kapitals in Ostdeutschland geworden ist. Die Wahlerfolge dieser Partei in Ostdeutschland sind Scheinblüten. Das Überwechseln vieler ehrlicher Genossen aus der PDS in die DKP ist das Vom-Regen-in-die-Traufe-Kommen.
Die westdeutsche DKP, besonders deren Entstehen, war schon nicht koscher und beruht auf einem Kuhhandel, der aber hier nicht mein Thema ist. Die ganze jetzige DKP-Führung „leidet” unter dem Eurokommunismus. Andere westeuropäische Parteien sind davon nicht weniger betroffen. Dieses kleinbürgerliche Angehauchtsein hat natürlich bis heute verheerende ideologische Folgen und verleitet in Serie zu Fehlschlüssen. Ich weise hier nur darauf hin, dass die Funktionärsschicht der DKP sich als auserwählte deutsche Kommunistische Partei betrachtet, analog zu imperialistischen Historikern eine Geschichtsfälschung mit allem, was DDR-Geschichte und –Realität betrifft, betreibt. Besonders der Ost-Teil der DKP hat völlig abweichende ideologische Meinungen, was die DDR-Geschichte betrifft. Haben diese sie doch selbst erlebt und mitgestaltet. Diese Spannungen, die hier zwischen Ost und West der DKP innerhalb der Partei auftreten, führen noch schneller zu einem bereits vorhandenen Mitgliederschwund, als es der natürliche es an und für sich schon ist.
Die vom Genossen Opperskalski im Parteienheft angeführten Analysen über die DKP treffen nach meinem Dafürhalten leider zu. Das bedeutet, wenn keine Grunderneuerung der Führungsgruppe in Richtung auf die Wiederinstallierung einer marxistisch-leninistischen Ideologie in der DKP eintritt, der Schlingerkurs nach rechts immer stärkere Konturen annehmen wird, aber gleichzeitig immer mehr Kommunisten entweder durch den natürlichen Abgang oder den revisionistischen Kurs der Partei eine Annäherung an die PDS nicht mehr mitmachen werden (Schreibweise wie im Original, d.Red.). Gegenwärtig gibt es keine Hoffnung in der DKP, dass ein Richtungswechsel zum Marxismus-Leninismus stattfinden könnte. Es gibt also unter den jetzigen Umständen nur eine kommunistische Partei: die KPD. Nur sie ist vom ideologischen Standpunkt her in der Lage, eine Basis für eine einheitliche deutsche kommunistische Partei zu bilden. Angesichts der gegenwärtigen weltpolitischen Lage haben es alle kommunistischen Parteien schwer, aus dem Sumpf des Revisionismus über einen längeren Zeitraum wieder zurück zu finden zum Marxismus-Leninismus. Nicht zu unterschätzen ist auch das Kaderproblem, das durch den natürlichen Abgang erprobter Kommunisten immer fühlbarere Lücken reißt, die nicht sozusagen über Nacht wieder geschlossen werden könnten.
Im Gegensatz zur DKP stützt sich die KPD auf Kader aus der DDR und zum Teil auch noch auf Internationalisten der kommunistischen Bewegung. Auch die KPD ist durch natürliche Abgänge immer mehr geschwächt, aber sie verfügt mit ihrer wissenschaftlichen Ideologie, die sie zu ihrem Parteiprogramm gemacht hat, über eine unerschütterliche ideologische Waffe, die sie befähigt, auch bei innerparteilichen Auseinandersetzungen stets zum rechten Weg zurückzufinden. Aus dem Klassenkampf wissen wir doch, dass eine kommunistische Partei nicht aus Nettigkeiten oder sonst was besteht, sondern dass die Dialektik des Lebens auch das Parteileben bestimmt. Den Vorwurf der Genossen Flegel und Opperskalski, dass die „Anti-Revisionismus-Passagen” im KPD-Programm sozusagen zu schmalbrüstig wären, nur auf dem Anti-Stalinismus basieren, kann ich mich nicht anschließen. Bei aller historischer Aufklärung, die noch um das Leben und Wirken Stalins notwendig ist, ist das in einem ganz anderen Maßstab als das die Imperialisten als Aashacker bisher getan haben (Schreibweise wie im Original, d.Red.). Das gilt auch für alle anderen kommunistischen Parteien. Es hieße, Eulen nach Athen zu tragen, zu behaupten, die KPF baue ihren Antirevisionismus nur mit dem Antistalinismus auf. Das würde bedeuten, ihr zu unterstellen, sie würde die ganze Problematik des Revisionismus unterschätzen.
Eher glaube ich, dass Flegel/Opperskalski die Analyse der KPD mit der linken Hand vorgenommen haben. Liegt es vielleicht daran, dass entweder der Platz im Parteienheft, wie selbst eingestanden, knapp geworden ist, oder sind es auch geistige Ermüdungserscheinungen, die bei der Erstellung des Parteienheftes aufgetreten sind? Jedenfalls wird die Einschätzung der KPD im Parteienheft bei aller Sympathie, die mir hier durchzuscheinen scheint, dieser nicht gerecht.
Es genügt nicht, die KPD, bei aller kleinen Mitgliederzahl, die ihr im Augenblick ebenso anhaftet wie anderen kommunistischen Parteien, nur mit etwas Schulterklopfen und erhobenem Zeigefinger bei mehr oder weniger Nebensächlichkeiten abzufertigen.
Die Einschätzung des Dokuments der Partei „Sozialismus/Kommunismus – Zukunft der Menschheit” lässt sich auf keinen Fall mit einigen herausgepickten Brosamen abtun. Ich jedenfalls habe den Verdacht, dass die „Analyse” über die KPD mehr eine Alibifunktion ausübt, als eine ernsthafte Untersuchung wenigstens einiger Aspekte versucht. Diesen Vorwurf kann man den Verfassern des Parteienheftes nicht ersparen. Wenn sie schon nicht genug Raum für eine ernsthafte Analyse im Parteienheft gehabt haben, so hätten sie dem Leserkreis der Zeitschrift das auch sagen müssen. Jedenfalls ist die Kritik an der Revisionismusdebatte der KPD sehr fadenscheinig. Dass es bei der sehr kurz gehaltenen Kritik an der KPD auch wirklich Kritikwürdiges zu vermelden gibt, das will ich hier keineswegs zurückweisen. Nur ist es eben nicht einer grundsätzlichen Art.
Leichtfüßig zu erklären, dass „diese KPD nicht die Voraussetzungen (hat), die notwendig sind, um ein Sammelbecken der Kommunistinnen und Kommunisten in Deutschland und darauf folgend eine einheitliche kommunistische Partei zu schaffen”, erinnert mich ein wenig an die spätere Gattin von König Drosselbart. Und damit die Genossen der KPD aber nun nicht anfangen zu weinen, schieben die Artikelschreiber noch den tröstlichen Satz nach: „Die KPD und ihre Mitglieder werden ein unverzichtbarer Bestandteil der noch zu schaffenden einheitlichen kommunistischen Partei in Deutschland sein.” Irgendwie erinnert mich das an Gretchens Frage, wie Fausten es mit der Religion hält. Soweit ich mich erinnere, ist aber der Kommunismus keine Religion, sondern eine bluternste Angelegenheit. Wenn es aber so ist, und so ist es, dann muss man den Kommunismus und die KPD ist eine kommunistische Partei, also auch die KPD einer ernsthaften Kritik unterziehen (Schreibweise wie im Original, d. Red.).
Was ist von meiner Warte aus zu der leichtsinnigen Erklärung, dass die KPD die „Voraussetzungen” für eine „Sammelbecken der Kommunistinnen und Kommunisten in Deutschland” nicht erfüllt, zu sagen? Gegenfrage: Hat die Arbeiterklasse in Deutschland gegenwärtig die historische Mission, den Kapitalismus zu beseitigen? Aber ist sie gegenwärtig dazu auch in der Lage? Die Frage kann sich jeder mit einem gesunden Verstand selbst zufriedenstellend beantworten. Aber deshalb bleibt trotzdem diese historische Aufgabe bestehen. Wenn es in Deutschland gegenwärtig keine einheitliche kommunistische Partei gibt, bedeutet das doch nicht, dass diese historische Aufgabe deshalb nicht erfüllt werden muss. Nicht von der Größe, aber vom Inhalt her hat augenblicklich nicht die KPF, nicht die DKP, keine andere Partei außer der KPD die Voraussetzungen, eine einheitliche deutsche kommunistische Partei zu werden. Ideale Voraussetzungen gibt es allenfalls im Märchen, aber nicht in der Realität.
Übrigens, Ihren Rat (im „Ausblick”), „bleibt, wo Ihr seid!”, könnte man auch so auffassen: im Wolkenkuckucksheim. Ich hoffe nur, dass möglichst gar keine Kommunisten diesen Ratschlag befolgen, sondern beginnen, sich in einer einheitlichen deutschen kommunistischen Partei zu sammeln. So weit ich das überblicken kann, beginnen sich von der Basis aus bereits solche Bewegungen abzuzeichnen. Aus einer objektiven Sicht sind dafür von der KPD her die bisher einzigen Voraussetzungen geschaffen. Die Losung „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!” gilt genau so für die Proletarier auf nationaler Basis. Ansonsten: bleibt, wo der Pfeffer wächst!
Anton Heinrich, Bad Langensalza