Stamokap-Strömung in der Sozialistischen Jugend Österreich: Eine Einschätzung zum Zustand der KPÖ nach dem Linzer “Parteitag”
Am 4. und 5. Dezember 2004 fand in Linz der “33. Parteitag der KPÖ” statt. Diese Veranstaltung ist der vorläufige Abschluss einer Entwicklung in der KPÖ, die wir schon länger mit Verwunderung, aber auch mit schweren Bedenken mitverfolgen. Aus diesem Grund – und vor allem deshalb, weil es alle MarxistInnen angeht, wenn die zuletzt einzige marxistische Partei in Österreich folgenschwere Beschlüsse fasst – möchten wir einige Dinge zum Zustand der KPÖ anmerken.
Der angesprochene 33. Parteitag wurde gegen einen eindeutigen Beschluss des vorangegangenen 32. Parteitages nicht als Mitgliederparteitag, sondern als Delegiertenparteitag durchgeführt. Eine demokratiepolitische Farce eines “Bundesvorstandes”, mit gerade einmal zwei verbliebenen vom letzten Parteitag gewählten Mitgliedern (Vorsitzender Walter Baier und Finanzreferent Michael Graber), hat sich damit selbstherrlich über einen Beschluss des höchsten Gremiums der KPÖ hinweggesetzt. Dieses Vorgehen erscheint uns ganz grundsätzlich und unabhängig von inhaltlichen Diskussionen mehr als undemokratisch und kann nur damit erklärt werden, dass Walter Baier – vermutlich zurecht – befürchtet, in der Partei keine Mehrheit mehr zu haben. Wenn das Statut der KPÖ dieses Vorgehen, eine völlige Entmündigung und Entrechtung der Parteimitglieder von “oben”, zulässt, wie Baiers Schiedskommission feststellte, dann handelt es sich offenkundig um eine demokratiepolitische Lücke im Statut, die geschlossen, und nicht im Fraktionskampf ausgenützt werden sollte.
Große, wichtige und über Parteigrenzen hinweg geschätzte Teile der KPÖ, wie. z.B. die KPÖ Steiermark (Ernest Kaltenegger u.a.), haben folgerichtig bewusst an dieser Linzer Inszenierung nicht teilgenommen. Vor diesem Hintergrund handelt es sich wohl nicht um einen repräsentativen Parteitag der KPÖ, sondern um eine unwürdige und würdelose Selbstlegitimation einer kleinen autokratischen Gruppe rund um Baier.
*Demokratisch?*
Der “Parteitag” hat ein neues Statut beschlossen. Dieses Statut – wäre es nicht zufällig das seiner eigenen Fraktion – würde jemand wie Walter Baier zweifellos als “stalinistisch” bezeichnen. Das Statut ist undemokratisch, repressiv gegen jedes einzelne Mitglied, dessen Meinung von jener der “Parteiführung” abweicht, offen aggressiv gegen jede inhaltliche Strömung, v.a. gegen MarxistInnen, deren grundsätzliche Ansichten sich nicht mit Baiers Beliebigkeitsideologie decken. Durch ein neues Mitgliederprinzip können (und werden) nun alle missliebigen Personen direkt durch Baiers “Bundesvorstand” de facto ausgeschlossen werden – ohne Ausschlussverfahren. Ein Vorgeschmack auf diese Zielsetzung waren die (damals noch statutenwidrigen) Auflösungen der KPÖ Tirol und der KPÖ Ottakring sowie die unbegründeten Ausschlussverfahren gegen Manfred Eber (vormals Landesvorsitzender der KPÖ Tirol) und Petra Stöckl (KPÖ-Frauenvorsitzende). Mit den neuen statutarischen Mitteln sollen diese internen Säuberungen durch die Baier-Fraktion nun beschleunigt werden. Die Baier-Fraktion ist ganz offen demokratiefeindlich, strukturstalinistisch, autokratisch – da wirken Baiers Diffamierungsversuche gegen MarxistInnen in der KPÖ, diese seien “Altstalinisten”, nur noch lächerlich: “Haltet den Dieb!”, ruft Baier mit der Partei in der Tasche…
*Feministisch?*
Den Feminismus hat sich die Baier-Fraktion an die Fahnen geheftet. Sie ist aber in der Praxis antifeministisch. Die vom 32. Parteitag gewählte KPÖ-Frauenvorsitzende Petra Stöckl aus Tirol, die sich damals erdreistete, gegen Baiers Wunschkandidatin Heidi Ambrosch nicht nur zu kandidieren, sondern dann auch noch zu gewinnen, wurde durch die Baier-Fraktion nicht nur von Beginn an in ihrer Arbeit sabotiert, sondern regelrecht aus ihrer Funktion gemobbt: nun soll sie auch ausgeschlossen werden. Damit wird schon deutlich, dass für die Baier-Fraktion der wichtige Feminismus nur ein punktuelles – falls gerade irgendwie instrumentalisierbar – Kampfmittel ist, dass es aber nie um tatsächliche Inhalte geht. Ebenfalls weithin bekannt ist, dass Ambrosch völlig zurecht nicht wiedergewählt wurde: im “Kosmos-Frauenraum” in Wien-Neubau hatte sie zuvor keinerlei Skrupel, jene Frauen zu kündigen, die die Absicht hatten, einen Betriebsrat zu gründen. Auch hier zeigt sich das demokratiefeindliche wahre Gesicht der Baier-Fraktion. Nun wurde eine neue “KPÖ-Frauenvorsitzende” eingesetzt, für die der Feminismus wiederum nur ein Kampfmittel in Diffamierungskampagnen darstellt – bitter, dass dieser “Frauenvorsitzenden” nicht bewusst ist, dass sie hier an einer Ausrichtung beteiligt ist, die antiemanzipatorisch ist und offen frauenfeindlich agiert.
*Pluralistisch?*
Baiers proklamierte “marxistische Partei der Vielfalt” ist ein übler Scherz. Offenbar glaubt Baier, dass Dinge dadurch diese oder jene Qualität bekommen, indem er einfach diesen oder jenen Titel draufschreibt. Dass jedoch Inhalte qualitätsbestimmend sind, sollte sogar mit dem verbliebenen Rest marxistischen Basiswissens klar sein. In dieser Partei herrscht keineswegs Vielfalt, sondern Baiers Einfalt. Die oben beschriebenen Säuberungen sollen ja gerade alle AbweichlerInnen von der Linie der Baier-Fraktion liquidieren: “Wer nicht für mich ist, ist gegen mich”, lautet das Motto. Dass diese Säuberungen sodann ausgerechnet die verbliebenen MarxistInnen, wirklichen FeministInnen und die einzigen erfolgreichen AktivistInnen und MandatarInnen auf Gemeinderats- und Gewerkschaftsebenen betreffen sollen, ist bezeichnend.
Ebenso bezeichnend ist, dass für Baier auch wesentliche AktivistInnen der Kommunistischen Jugend (KJÖ) und des Kommunistischen StudentInnenverbandes offenbar entbehrlich sind: Baiers Säuberungen betreffen zu einem wichtigen Teil gerade junge und jüngste Parteimitglieder oder AktivistInnen.
Und zu guter letzt: Was die programmatische Vielfalt betrifft, so ist die Baier-Fraktion auf der gesamten Linie gescheitert. Die auf dem 32. Parteitag gewählte Programmkommission, die bis zum 33. Parteitag einen neuen Programmentwurf vorlegen sollte – und dies auch tat – wurde von Baier und Graber kurzerhand entmachtet. Wieder ignorierten die beiden in autokratischer Weise einen Beschluss der Mitglieder der KPÖ. Und der Programmentwurf, der war freilich ein sehr guter: eine klare und marxistische Grundlage für die KPÖ. Eine solche kann die Baier-Fraktion aber nicht brauchen. Daher wurde kurzfristig eine neue „Programmkommission”, bestehend aus der Einzelperson Günther Hopfgartner, damit beauftragt, ein anderes Programm zu verfassen, nämlich die in Linz abgesegnete “Programmatische Plattform” – und platt war diese Form ohne Inhalt dann auch.
*Öffnung?*
Die von Baier proklamiere “Öffnung der KPÖ” ist ebenfalls eine Hinterfragung wert. Vorgegeben wird, die KPÖ würde auf eine breite, überparteiliche und mit sozialen Bewegungen interagierende, bündnisorientierte Basis gestellt. Ausgangspunkt war zunächst die Kandidatur als “Linke” bei den letzten EU-Wahlen. Dabei handelte es sich freilich keineswegs um eine überparteiliche Bündniskandidatur, sondern nur um eine Tarnung als trojanischer Esel – offenbar wollte sich Baier vor allem des führ ihn unzutreffenden Adjektivs “kommunistisch” entledigen. Dass als Spitzenkandidat mit Leo Gabriel ein Parteiloser fungierte, sagt nicht aus, denn parteilose SpitzenkandidatInnen gab es bei der KPÖ bereits früher (Alfred Hrdlicka, Helmut Zenker etc.).
Und Leo Gabriel mag ein integrer und ehrlicher Mensch sein, der sich im Rahmen des Kapitalismus für Gerechtigkeit und Frieden einsetzt. Aber er bekannte im Wahlkampf offen: “Ich möchte kein sozialistisches Europa, sondern ein solidarisches.” – Jemand mit einem derart explizit antisozialistischen Bekenntnis wäre vielleicht bei den Grünen gut aufgehoben, würde aber z.B. in der heutigen SJÖ wohl keine Spitzenfunktion bekommen. In der KPÖ kann ein Mensch auf diese Weise sogar Spitzenkandidat werden… – Was das EU-Wahlbündnis “Linke”, Baiers “Koalition der Willigen”, betrifft, so beteiligte sich außer der KPÖ nur noch die trotzkistische Gruppierung SOAL (“Sozialistische Alternative”), die wohl eine der kleinsten und die gewiss unbedeutendste trotzkistische Gruppierung in Österreich darstellt (inzwischen ist die SOAL übrigens aus der „Linken” ausgetreten und Baier bleibt allein mit Gabriel). – Zum Abschluss entledigte sich die Baier-Fraktion durch den Verkauf des EKHs an einen Rechtsextremen endgültig jeder Akzeptanz in der außerparlamentarischen Linken – wo Baier seine potenziellen BündnispartnerInnen jetzt noch hernehmen will, bleibt ein Rätsel. Wer rücksichtslos Wiens einzige offene linke Alternativstruktur – auch wenn sie gewiss alles andere als perfekt war – zerstört, isoliert sich endgültig selbst, da wird alle proklamierte “Offenheit” nichts helfen.
*Ist eine andere KPÖ nötig?*
Was folgt für uns aus dem Gesagten? – Für alle MarxistInnen in der Sozialistischen Jugend steht heute außer Frage, dass es mit dieser KPÖ keine sinnvolle Kooperation mehr geben kann. Walter Baier mag in der Vergangenheit durchaus auch seine Verdienste um die österreichische außerparlamentarische Linke haben – nun aber ist er zu ihrem offenen Gegner mutiert. Die Baier-Fraktion ist entlarvt nicht nur als Feind des Marxismus, sondern in der Praxis – allen Lippenbekenntnissen zum Trotz – auch als Gegnerin jeder ernsthaft emanzipatorischen Bewegung, jedes ehrlichen Feminismus, des Antiimperialismus – und nicht zuletzt jeder demokratischen Selbstbestimmung. Wenn die verbliebenen MarxistInnen in der KPÖ, mit denen wir uns ausdrücklich solidarisch erklären möchten, nun offenbar erkennen müssen, dass mit Baier keine Partei zu machen ist, dann muss für die MarxistInnen in der SJÖ und überall außerhalb der Baier-KPÖ klar sein, dass mit Baier kein Bündnis zu machen ist. Eine andere KPÖ ist dann nötig, wenn diese den Anspruch haben möchte, in der außerparlamentarischen Linken eine seriöse Partnerin zu sein.
Ein andere KPÖ ist außerdem dann nötig, wenn es der Anspruch der KPÖ sein soll, die oder eine marxistische und v.a. revolutionäre Partei der ArbeiterInnenklasse zu sein. Eine “K”PÖ ist nicht nötig, wenn – wie es Baiers Selbstverständnis zu sein scheint – es~ nur darum geht, sich im “links”-liberalen Spektrum um die minimale Konkursmasse des LIF und jene Grün-WählerInnen zu bewerben, die von einer kommenden Regierungsbeteiligung der Grünen enttäuscht sein werden. Die einzige Partei, die dann – bei aller berechtigten und notwendigen Kritik unsererseits – noch klassenspezifische Standpunkte im Sinne der werktätigen Menschen in Österreich hätte, wäre die SPÖ. Stamokap-Strömung in der Sozialistischen Jugend Österreich, 14. 12 2004