Irak – Besatzungsherrschaft, Widerstand und die Rolle der irakischen KP

Joachim Guilliard: Irak – Besatzungsherrschaft, Widerstand und die Rolle der irakischen KP

Anmerkungen zu Heinz Stehr: „Zur politischen Situation im Irak”, UZ vom 12. November 2004

Heinz Stehr und die UZ fanden es nötig, zu einem Zeitpunkt eine Unterstützungserklärung für die irakische KP abzugeben, als die USA mit ihrem seit langem vorbereiten Großangriff auf Falluja begannen, einer brutalen Strafaktion gegen eine ganze Stadt, die viele Beobachter an Hue, Algiers oder Guernica erinnerte.

Die Interimsregierung unterstützt die erneute Eskalation des Krieges und offensichtlich tut dies auch die IKP. Zumindest haben sich ihre Vertreter nicht davon distanziert – im Gegensatz zur „Islamischen Partei”, die aus Protest aus dieser „Regierung” austrat und erklärte: „Wir können nicht Teil dieses Angriffs sein”.

Dennoch behauptet Heinz Stehr es gebe keine fundierte Kritik an der Politik der KP Irak, die begründete Zweifel an ihrem Wirken rechtfertigen würden.

Da in der UZ bisher tatsächlich wenig Kritik und Zweifel an der Politik der IKP zu finden war, möchte ich auf einige Punkte etwas ausführlicher eingehen. Ich werde mich dabei stark auf Stellungnahmen der „Iraqi Democrats Against Occupation” (IDAO, http://www.idao.org/) stützen, die die Behauptung, es gäbe keine fundierte Kritik an der IKP, schon lange Lügen strafen.

Es geht bei dieser Kritik keineswegs darum, wie von DKP-Seite oft unterstellt, dass die IKP den bewaffneten Widerstand nicht unterstützen möchte. Sie entzündet sich vielmehr an vielen ganz konkreten Punkten ihrer praktischen Arbeit, die stark daran zweifeln lassen, ob die Selbstdarstellung der Partei mit der tatsächlich verfolgten Agenda übereinstimmt.

Es geht hier auch nicht um eine nebensächliche Debatte über unterschiedliche Ansichten. Schließlich nutzen die IKP und ihre Gewerkschaft IFTU geschickt ihren Einfluss, um die Stimmung und parlamentarische Mehrheiten in den kriegführenden Länder zu beeinflussen. Z.B. gelang es IFTU/ IKP-Leuten, die Gewerkschaftsvertreter auf dem britischen Labor-Parteitag zu einem Votum gegen die Forderung nach einen Rückzug britischer Truppen zu bewegen – entgegen eindeutiger Beschlüsse in diesen Gewerkschaften.

Der Kampf gegen den Krieg der USA hatte für die IKP nie oberste Priorität

Die IKP „war gegen den Krieg der USA und Verbündeter” schreibt Heinz Stehr. Das mag zwar sein, Priorität hatte dies aber nie. Ihr Slogan vor dem Krieg war „Nein zum Krieg, nein zu Saddams Diktatur”. Ihr Engagement konzentrierte sich aber ausschließlich auf dessen zweite Hälfte. Und sie arbeitete dabei sehr wohl auch schon vor Kriegsbeginn mit irakischen Bündnispartnern der USA zusammen, insbesondere mit den beiden kurdischen Parteien, PUK und KDP.

Von einer kommunistischen Partei mit antiimperialistischem Anspruch hätte man erwarten können, dass sie die Verteidigung der Interessen der irakischen Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt und einen klaren Blick für die Ziele der Aggressoren behält. Im Fall der US-Regierung waren sie ja nun wirklich kein Geheimnis. Das hätte aber bedeuten müssen, dem Kampf gegen den Krieg völlige Priorität einzuräumen.

Nach Eintritt in den „Regierungsrat” isoliert

Wer gehofft hatte, die Partei würde wenigsten nach dem Sturz Saddam Husseins ihre Gegnerschaft zur US-Aggression deutlicher zum Ausdruck bringen und sich mit ihrem politischen Gewicht an die Spitze des (politischen) Widerstands gegen die Besatzung stellen, sah sich arg getäuscht. Nichts dergleichen geschah, stattdessen trat der Generalsekretär der Partei, Hamid Majid Mousa, in den von vom US-Statthalter Bremer zusammengestellten „Regierungsrat” (IGC) ein. „Obwohl von Leuten, die mit der Geschichte und den Manövern der Parteiführung vertraut waren, vorhergesehen, traf die Ankündigung einige Parteimitglieder, die ich in Bagdad letztes Jahr traf,, wie ein Schock”, so Sami Ramadani (IDAO). „Von diesem Tag an wurde die Partei von den meisten Irakern als kollaborierende Kraft angesehen, deren Führer z.T. nun ihr Gehalt von der Besatzungsbehörde beziehen.”

Statt kritischer Opposition, Beschönigen der Besatzungspolitik

Man hätte über die Beteiligung am IGC für sich alleine evtl. noch diskutieren können, auch wenn sich die IKP damit schon klar von allen politischen Kräften, die gegen die Besatzung waren, isolierte. Die überwiegende Mehrheit verweigert bis heute jegliche Mitarbeit in den von den Besatzern geschaffenen Gremien.

Die IKP nutzte ihre Mitgliedschaft im „Regierungsrat” und das daraus gewonnene Insiderwissen aber auch nicht etwa – wie mancher ihrer Anhänger vielleicht erhofft hatte – zur Aufdeckung der üblen Machenschaften der Besatzungsbehörde. Im Gegenteil, statt den Charakter der Besatzung zu entlarven, übt sie sich im Beschönigen der Besatzungspolitik und Verharmlosen der sozialen Folgen. „Die Partei, einst eine stolze Organisation, die in den 1950er und 1960er Jahren von Millionen von Irakern unterstützt worden war,” wurde nun, so Ramadani „führend in der Kunst der Rechtfertigung” der Besatzung.

So preist die IKP z.B. den „Regierungsrat” als ein Gremium, das auf Druck der UNO geschaffen worden wäre, und allen „wichtigen politischen Parteien” Mitsprache eingeräumt hätte. Wer die Entstehung dieses Rates verfolgt hat, weiß, dass dies eine glatte Lüge ist. Bekanntlich waren die Mitglieder des Gremiums von Bremer handverlesen worden und hatte der Rat im wesentlichen die Aufgabe, der Besatzung ein irakischeres Gesicht zu verpassen.

Nicht anders verhält es sich mit seiner Nachfolgerin, der Interimsregierung, die auch nicht, durch „Konsultationen zwischen den politischen Hauptkräften” entstand und ganz bestimmt nicht das Land „eigenständig regiert”. Der Sondergesandte der UNO, Lakthar Brahimi hatte in der Tat geplant, eine Übergangsregierung auf breiter Basis und ohne die Organisationen im diskreditierten Regierungsrat zusammenzustellen. Er wurde völlig ausgebootet und in der Interimsregierung saßen am Ende im wesentlichen wieder nur die acht Organisationen, die schon den Regierungsrat dominierten. Auf Fragen, wie es denn zu dieser Neuauflage des diskreditierten Regierungsrat kommen konnte, hatte Brahimi frustriert geantwortet: „Bremer ist der Diktator, seine Unterschrift gilt” (siehe hierzu meine IMI-Studie „In Treibsand Iraks”)

Heinz Stehr schreibt, die „Mitarbeit im Regierungsrat” sei „so lange sinnvoll, wie die Möglichkeit gewährleistet” sei, „im Bündnis mit anderen fortschrittlichen Kräften politische Ziele durchzusetzen.”

Von welchen „fortschrittlichen Kräften” ist denn hier die Rede? Allawis INA und Chalabis INC können ja wohl kaum gemeint sein, ebenso wenig die islamistischen Parteien SCIRI, DAWA und die nun ausgetretene Islamische Partei. Bleiben noch PUK u. KDP, die in der Tat oft als Vertreter einer vermeintlich weit entwickelten Demokratie in den kurdischen Provinzen angesehen werden. Zu Unrecht, herrscht doch jede dieser Parteien jeweils alleine und ohne demokratische Kontrolle über ihren Teil des Autonomiegebiets.

Von einer Möglichkeit, fortschrittliche politische Ziele durchzusetzen, war bisher überhaupt nichts zu sehen. Nach wie vor werden die Lebensbedingungen von Hilfsorganisationen als katastrophal bezeichnet, in den meisten Bereichen sind sie schlimmer als vor der Invasion, d.h. unter Embargo.

Doch weder davon, noch von den vielen Verbrechen der Besatzer (auch jenseits militärischer Gewalt und Folter), erfährt man aus IKP-Texten etwas. Falls hier und da Kritik an den USA eingestreut wird, so bleibt sie immer schön abstrakt und allgemein. Das gilt auch für die wirtschaftliche Umgestaltung des Landes, obwohl auch ihr klar sein müsste, dass hier die Weichen auf lange Sicht gestellt werden sollen.

Ich kann dem DKP-Vorstand und der UZ-Redaktion nur empfehlen, sich hierzu einmal den Bericht des Center for Economic and Social Rights (CESR) vom Juni 2004, „Jenseits der Folter – Verstöße der USA gegen das Besatzungsrecht” anzusehen.

Unwahre Erfolgsmeldungen – der Widerstand, nicht der „Regierungsrat” hat US-Pläne ausgebremst

Es ist daher lächerlich, wenn die Partei behauptet, sie hätte via Regierungsrat Privatisierungsschritte verhindert. Die USA sind zwar tatsächlich bei ihren Privatisierungsbemühungen ziemlich stecken geblieben, aber sicherlich nicht wegen Bedenken im Regierungsrat. Ausgebremst wurde der schwer rückgängig zu machende Ausverkauf allein durch den Widerstand der Iraker – des bewaffneten, wie den der betroffenen Arbeiter (wobei dies z.T. auch ineinander überging), sowie der berechtigten Sorge, durch Entlassungen noch mehr Iraker in den bewaffneten Widerstand zu treiben.

In dem Maße wie deutlich wurde, dass die Übernahme des Landes nicht so glatt über die Bühne geht wie erhofft, zögerten die meisten Konzerne, mit eigenem Kapital einzusteigen. Da es immer unsicherer wurde, ob die USA das Land überhaupt dauerhaft unterwerfen können, mussten sie, angesichts der Völkerrechtswidrigkeit der US-Eingriffe in die irakische Wirtschaft, zudem befürchten, dass alle diesbezüglichen Verträge von künftigen irakischen Regierungen annulliert werden.

Auch deswegen war es der USA wichtig, rasch eine international anerkannte Regierung zu installieren, die – unabhängig vom Rückhalt in der Bevölkerung – wirtschaftlichen Abkommen die nötige internationale Rechtsverbindlichkeit geben kann. Durch ihre Mitarbeit und ihr Bemühen diese Marionettenregierung aufzuwerten, unterstützt die IKP somit aktiv den Ausverkauf des Landes.

Als weitere Verdienste des Regierungsrats nennt Stehr, dass die Voraussetzungen für eine Sozialversicherung geschaffen worden wären und mit einem Verteilungssystem die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet würde. Bekanntlich hatte bis zur US-Invasion – wenn auch im letzten Jahrzehnt durch das Embargo eingeschränkt – der Staat für die Bedürftigen gesorgt, lebensnotwendige Güter subventioniert und einen freien Zugang zur Gesundheitsversorgung und Bildung gewährleistet.

Das zu Recht gelobte Verteilungssystem wurde nicht von den Besatzern, sondern vor 8 Jahren im Rahmen des Oil- for-food-Programms von der alten Regierung in Zusammenarbeit mit der UNO geschaffen. Bremers Programme, die immer noch in Kraft sind, sehen dagegen eine schrittweise Abschaffung aller Subventionen vor. Es war unter den aktuellen Bedingungen bisher nur noch nicht opportun, den Widerstand durch den Abbau dieser Hilfen, von denen 80% der Bevölkerung abhängig sind, noch weiter anzufachen.

Eine grobe Verarschung ist die Behauptung „die Arbeitslosigkeit hätte „in den letzten Monaten von 52 auf 26 Prozent halbiert werden” können. Alle Schätzungen unabhängiger Hilfsorganisationen gehen von einer Arbeitslosigkeit von 60-70% aus.

Die Übergangsverfassung sei eine der fortschrittlichsten im Nahen Osten, heißt es weiter. Tatsächlich enthält sie einen schön zu lesenden Katalog bürgerlicher Grundrechte. Marxisten sollte es aber eigentlich auffallen, dass sie bzgl. sozialer Rechte stark hinter ihre Vorgängerin zurückfällt und alle Schranken beseitigt, die einer neoliberale Umgestaltung im Wege stehen könnten. Zudem können viele Rechte, insbesondere die der Frauen rasch in Konflikt mit dem Passus in der Verfassung geraten, der die Vereinbarkeit aller Gesetze mit islamischem Recht verlangt (mehr hierzu in „Im Treibsand Irak”).

Sofort in Konflikt gerieten die bürgerlichen Rechte aber mit der Realität einer nur leicht getarnten Besatzungsherrschaft – nur wenige Monate nach Inkrafttreten dieser „Verfassung” sind die wesentlichen Grundrechte bereits durch Kriegsrecht außer Kraft gesetzt.

Schaut man sich die Statements der IKP und ihrer Gewerkschaft IFTU an, so sind sie geradezu irreal, schreibt Ramadani: kein Krieg, keine Besatzung, keine Folterung und Ermordung von Arbeitern, keine Privatisierung, kein Ausverkauf irakischer Wirtschaftsgüter an britische und US-Konzerne, keine Reaktivierung von Husseins 1987er Gewerkschafts- und Streikverboten, keine US-Bombardierungen von Arbeitervierteln, keine Opfer von Verstrahlung durch Uranmunition, keine Kinder die an wassergestützten Krankheiten sterben, verursacht durch ungeklärte Abwässer und mangelhafte Trinkwasserversorgung, weil es die größte Militär- und Wirtschaftsmacht der Welt nicht schafft, hier wenigsten den Vorkriegszustand wiederherzustellen.

Wirklich verurteilt wird allein der Terror des Widerstands, und dies in den selben Worten wie die Besatzer. Auf der englischsprachigen Homepage der Partei findet man beispielsweise fünf heftige Verurteilungen von Gewaltakten, kein einziges Mal handelt es sich dabei um Terrorschläge der US-Truppen.

Diese Haltung hat natürlich Konsequenzen. Die traditionsreiche KP des Irak hat im Land mittlerweile kaum noch eine Basis, da können auch 85 (womöglich fremdfinanzierte) Parteibüros nicht darüber hinwegtäuschen. In den diversen Umfragen, die sich nach den Sympathien für irakische Gruppen und Persönlichkeiten erkundigten, wurde die IKP nie erwähnt. Während z.B. sogar in einer Umfrage der Besatzungsbehörde im Juni 2004 Ayatollah Al Sistani und Mukhtada Al Sadr mit 70 bzw. 67% an der Spitze lagen und die Führer von PUK und KDP, Talabani und Barzani mit 21 bzw. 19% immerhin in etwa den Prozentsatz des kurdischen Bevölkerungsanteils erreichten, sucht man IKP-Vertreter vergebens.

Das Hauptengagement richtet sich gegen den Widerstand

Die USA streben die dauerhafte Besetzung des Landes an, schreibt Stehr richtig. Dazu wie die IKP dem nun entgegentreten will, schweigt er, wie auch die Partei. Sie sieht nur „aus nachvollziehbaren Gründen keinerlei Gemeinsamkeiten mit jenen Kräften, die bewaffnete Aktionen durchführen,” meint Stehr und beschreibt diese Kräfte unter Verwendung der aus der US-Propaganda bekannten Stereotypen: „Reste der Diktatur”, „ausländische Kämpfer”, „Islamisten”. Auf hinterhältige Weise werden zudem die Gräueltaten einzelner, recht dubioser Gruppierungen und deren finstere Selbstdarstellung im Internet hervorgehoben und mit dem gesamten Widerstand gleichgesetzt.

Dabei ist es mittlerweile völlig offensichtlich, dass der Widerstand wesentlich breiter ist und von weiten Teilen der Bevölkerung unterstützt wird. Auch eine Reihe kommunistischer Gruppen, die sich von der IKP getrennt haben, sind darunter

Nicht nur die IKP verurteilt „menschenverachtende Aktionen” gegen Zivilisten und „nationale oder religiöse Minderheiten.” Es wird nur von ihr, wie den westlichen Medien völlig unterschlagen, dass auch die wichtigsten Widerstandsorganisationen diese immer wieder verurteilten und dabei klarstellten, dass auch aus ihrer Sicht, diese objektiv nur der Besatzungsmacht nützen. Sie haben mit diesen Aktionen auch nicht mehr zu tun als die IKP.

Wie leicht zu überprüfen ist, richtet sich der überwiegende Teil der Guerillaaktivitäten unmittelbar gegen die Besatzungstruppen und ihre irakischen Hilfstruppen. Im August beispielsweise wurden 2.700 Angriffe auf Besatzungstruppen registriert, gleichzeitig gab es nur sechs Terroraktionen, allerdings besonders grausame, die Al Zarkawi zugeschrieben wurden und die auch, wie gewohnt, die Fernsehnachrichten und Schlagzeilen dominierten.

„Gerade so, wie die 25 Millionen Einwohner Iraks in der öffentlichen Meinung auf die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen reduziert wurden,” schreibt Ramadani, „wird nun der Widerstand mit Hilfe von IKP und IFTU auf einen einzigen Gangster mit Namen Zarqawi reduziert”.

Viele dieser Gräueltaten, zu denen sich angeblich ein Al Zarkawi oder neu auftretende Gruppierungen bekennen, geschehen zudem oft zu einem für die Besatzer so günstigen Zeitpunkt, dass es nicht nur vielen Irakern schwerfällt, zu glauben, dass hier nur fanatische Fundamentalisten am Werk sein sollen. Auffällig ist auch, dass diese Anschläge sich praktisch nie gegen die Besatzer selbst richten.

Unabhängig davon, herrscht nach dem von den USA gezielt herbeigeführten staatlichen Zusammenbruch, eine derartige Gesetzlosigkeit im Land, dass Kriminelle nahezu ungestört ihr Unwesen treiben können. Gleichzeitig gibt es eine Fülle frei zugänglicher Waffen. Die Durchführung von Anschlägen auf zivile Ziele erfordert daher keinen größeren Organisationsgrad, sodass jede Handvoll krimineller oder fanatischer Elemente als Widerstandsorganisation ihr Unwesen treiben kann, ebenso natürlich Menschen, die durch selbsterlebte Brutalität der Besatzer, in blinden Hass getrieben wurden.

Man kann sicherlich aktuell vom irakischen Widerstand noch nicht erwarten, dass er solche terroristischen und für die irakische Sache kontraproduktiven Aktionen selbst unterbinden kann.

Verlangen kann man, dass sich auch Widerstandsgruppen an die internationalen Normen halten. Was die Verhältnismäßigkeit von Aktionen und die Rücksicht auf Unbeteiligte angeht, so gibt es hier –wie früher auch bei anderen Befreiungsbewegung – tatsächlich viel Grund zur Kritik. Nicht vergessen darf man aber, dass die überwiegende Mehrheit derer, die getötet, von Bomben nicht nur geköpft, sondern in Stücke gerissen, gefangen gehalten und gequält werden, Opfer der Besatzungstruppen wurden.

Was die Herkunft der Kämpfer angeht, so konnte man in Falludscha erneut sehen, dass sie überwiegend aus der Gegend kommen, in denen sie kämpfen. Das Märchen von der großen Zahl ausländischer, fundamentalistischer Kämpfer und Terrorgruppen wurde selbst durch Berichte der US-Armee immer wieder als Propaganda entlarvt. Die meisten ausländischen Militanten dürften sich rein aus Solidarität bei befreundeten Organisationen eingegliedert haben.

Auch in den aktuellen Aufstellungen über gefangene und getötete Kämpfer in Falluja (oder was sie als solche ausgibt), registrierte die US-Armee gerade mal 2% als Ausländer.

Im Irak, einem stark säkularisierten Land hat es bisher weder Terrorismus noch Fundamentalismus oder religiösen Extremismus gegeben. Wenn es nun zu einer zunehmenden Zahl solcher Erscheinungen kommt, so ist auch dies eine der vielen hässlichen Folgen der Invasion.

Richtig ist, dass ein nicht unerheblicher Teil der bewaffneten Gruppierungen baathistisch ist. Es ist aber nicht korrekt Baathisten durchweg mit dem alten Regime gleichzusetzen. Schließlich hat sich Saddam Hussein nie vorrangig auf die Baath-Partei gestützt und die Zahl derer, die (noch) loyal zu Saddam Hussein stehen, wird als eher gering eingeschätzt. Und wie man ja auch den Stellungnahmen der IKP zum arabischen Sozialismus und der Baath-Partei entnehmen kann, aus der Zeit, als sie mit ihr in der Regierung war, kann der Baathismus an sich, nicht als reaktionäre Ideologie bezeichnet werden.

Warnung vor islamisch-fundamentalistischem Regime ist überwiegend Propaganda

Es ist auch nicht richtig, dass die maßgeblichen schiitische Kräfte ein „reaktionär-religiöses Gesellschaftskonzept … ähnlich dem im Iran” anstreben würden. Zwei der reaktionärsten schiitischen Organisationen, SCIRI und DAWA sitzen ja aktuell mit der IKP zusammen in den Besatzergremien. Auch die anderen schiitischen Kräfte haben nie solche Absichten geäußert. Sie wären in einem Land mit einer starken säkularen Tradition, auch nicht durchsetzbar.

Wenn religiöse Organisationen mittlerweile ein Übergewicht im Irak haben, so liegt dies nicht zuletzt an der Schwäche der Linken. Und dazu hat die IKP einen guten Teil beigetragen. Ihr Übertritt ins pro-amerikanische Bündnis und die Verunsicherung vieler alter Sympathisanten hat ein großes Loch auf der Seite der Linken gerissen.

Häufig wird auf das Beispiel Iran zurückgegriffen, um Angst vor den islamischen Kräften im Widerstands zu schüren und für eine „neutrale” Haltung zwischen den als gleichrangig betrachteten Übeln US-Imperialismus und „islamischem Fundamentalismus” zu werben (so auch Ulrich Sander in der aktuellen Ausgabe der ZU). Die beiden Länder und die Ausgangssituationen lassen sich allerdings kaum miteinander zu vergleichen, insbesondere stand der Iran damals ja nicht unter direkter Besatzung.

Die Gefahr, dass ein Teil einer Bewegung nach einem Sieg die ganze Macht an sich zu reißen versucht, besteht an sich immer. Die Lehre aus dem Beispiel Iran kann aber nur sein, den damaligen Fehler der „Leichtgläubigkeit”, wie es der iranische Genosse Gh. N. in seinem sehr klugen Leserbrief an die UZ nannte, nicht zu wiederholen, und keineswegs, neutral zu bleiben, oder gar ein Bündnis mit dem imperialistischen Aggressor einzugehen. Gh. N. zufolge, würden die iranischen Kommunisten auch heute, im Falle einer US-Aggression im Bündnis mit den Mullahs dagegen kämpfen.

Weder die IKP, noch Heinz Stehr oder Ulrich Sander scheinen zu realisieren, dass die realste Gefahr für eine brutale Diktatur von ihrem Bündnispartner Allawi droht. Sie können sicher sein, dass dieser sowenig Skrupel haben wird, wie seine Herren, sich der KP-Leute zu entledigen, falls es ihnen gelingt, den irakischen Widerstand zu brechen. Allawi präsentiert sich selbst gern in der Rolle des starken Mannes und zögert nicht, sein Image u.a. durch die eigenhändige Exekution von Gefangenen aufzupolieren. Auch in den großen bürgerlichen Medien, wie der New York Times, wurde ihm von vielen schon bescheinigt, das Zeug zu einem autoritären Herrscher zu haben, wie sie die USA ja schön häufig als Marionetten eingesetzt haben.

Unabhängig davon wie wir zu den diversen Kräften des bewaffneten, wie politischen Widerstands stehen, sie repräsentieren politisch ein breites Spektrum der irakischen Bevölkerung. Wer einen demokratischen Irak will, wird dies anerkennen müssen und darf nicht die Anstrengungen der USA und ihren Marionetten unterstützen, dem Land mit brutaler Gewalt ein pro-westliches Regime überzustülpen.

Die IKP ist auch Gegner des zivilen Widerstands

Indem die IKP dies tut stellt sie sich nicht nur gegen den bewaffneten Widerstand, sondern auch gegen den zivilen, d.h. gegen die Mehrheit der Bevölkerung, die Wahlen unter der Hoheit der USA ablehnen. Ein breites Spektrum irakischer Organisationen und Persönlichkeiten ist dabei, eine breite Einheitsbewegung gegen die Besatzung herzustellen. Sie haben sich im Dachverband „Nationaler Gründungskongress” (Iraqi National Foundation Congress INFC) zusammengeschlossen. Das Spektrum umfasst säkulare linke und patriotische Organisationen, schiitische, sunnitische und christliche, sowie auch kurdische und turkmenische. Mit dabei sind Menschenrechtsgruppen, Wissenschaftler, Gewerkschafter und Geistliche. Der INFC lehnt bewaffneten Widerstand nicht ab, da er das natürliche Recht eines jeden Volkes sei, will aber friedliche Mittel bevorzugen. Die Agenda der Mitglieder des INFC, unter ihnen viele langjährige Gegner Saddam Husseins, unterscheidet sich auch sonst fundamental von der der IKP. So fordern sie, wie schon unter der alten Regierung, einen „politischen Dialog, nationale Versöhnung und den Übergang zur Demokratie”.

Aus dem INFC kamen auch schon mehrere Vorstöße zur Verhinderung einer weiteren Eskalation der Gewalt. So hatten sich INFC-Vertreter noch vor dem Angriff auf Falluja an die Besatzungsmacht gewandt und Vorschläge gemacht, wie die Gewalteskalation gestoppt und Wahlen durchgeführt werden könnten, die tatsächlich frei und fair sein würden.

Sie boten an, über ihren politischen Einfluss auf die wichtigsten Guerillaorganisationen, eine weitgehende Aussetzung von Widerstandsaktionen zu erreichen, wenn im Gegenzug die USA ihre Militäraktionen einstellen und durch eine Reihe von Änderungen im Wahlprozess faire Wahlen ermöglich würden. Gefordert wurde u.a. die Ersetzung der von den USA eingesetzten Wahlkommission durch eine unabhängige, eine internationale Überwachungskommission und Rückzug der Besatzungstruppen in ihre Basen spätestens einen Monat vor den Wahlen.

Anstatt diese nachvollziehbaren Vorschläge zu akzeptieren, ohne deren Erfüllung tatsächlich keine demokratischen Wahlen denkbar sind, ließen die Besatzer das Kriegsrecht verhängen. Statt einem Waffenstillstand erfolgte der Angriff auf Falluja. Da sich Kriegsrecht und freie Wahlen per so ausschließen, wird das geplante Theater nun vollends ad absurdum geführt. Ein großer Teil der irakischen Organisationen erklärte daraufhin ihren Boykott. Die IKP hingegen wird wohl wieder, wie bei der kuriosen „Nationalversammlung” im Sommer auf der pro-amerikanischen Einheitsliste antreten.

Internationale Bedeutung des Widerstands wird ausgeblendet

Völlig ausgeblendet wird bei Heinz Stehr die internationale Dimension dessen, was im Irak passiert – wenn nicht die IKP, so sollte sich doch der Vorstand der DKP darüber im klaren sein. Wäre die Mehrheit der Iraker der IKP gefolgt und würde geduldig innerhalb der Besatzungsstrukturen auf eine schrittweise Rückgabe von Souveränität hinarbeiten, so wäre der Irak schon lange kein Tagesthema mehr, dafür vielleicht schon eines der anderen Länder, die auf der Abschussliste stehen. Nicht nur Syrien, Iran und Nordkorea sind dem irakischen Widerstand dankbar, dass er einen großen Teil der militärischen Ressourcen der USA bindet und die weitreichenden aggressiven Pläne der Supermacht somit ausgebremst wurden. Auch die Genoss/innen aus Kuba und Venezuela berichten, dass sie dadurch etwas mehr Luft bekämen.

Die IKP hingegen stellt sich auch auf internationalem Parkett offen hinter den US-amerikanischen „Krieg gegen Terror”. So versuchte der Generalsekretär der Partei auf der internationalen Irakkonferenz in Scharm el Scheich den zögerlichen Teil der Europäer dadurch für eine stärkere militärische Unterstützung der USA zu gewinnen, dass er den Irak zum Zentrum eines diffusen „internationalen Terrors” erklärte und davor warnte, dass die „Aktivitäten der Terroristen und Saboteure” nicht auf den Irak begrenzt blieben, sondern sich über die ganze Region ausbreiten würden.

Die IKP stünde mit dieser Position nicht weit von den neokonservativen Falken in der US-Regierungen, meinte hierzu der renommierte US-amerikanische Nahostexperte, Juan Cole. Indem sie sich im Gegensatz zu Frankreich auf der Konferenz gegen die Festlegung eines Termins für den Abzug der Besatzer aussprach, stehe die einst linke Partei politisch damit sogar noch rechts von den französischen Gaullisten.

Aufgabe der IKP ist die Desorientierung der internationalen Kritiker der US-Aggression

Die IKP ist nun natürlich besonders bemüht, ihr Image als Gegnerin von Krieg und Besatzung aufrecht zu erhalten um so weiterhin Einfluss auf die Haltung der Antikriegsbewegung, der Gewerkschaften, der Linken allg. in der Welt nehmen zu können. „Dies ist ihre Rolle und das ist der Grund warum CIA, Bremer und Allawi die IKP die ganze Zeit an Board all der von den USA eingesetzten Gremien behielten. Aus welchem Grund sollte die CIA dies sonst einer kleinen Organisation gestatten, die in keiner Meinungsumfrage seit Besatzungsbeginn jemals registriert wurde.” Und aus welchem Grunde sollte die US-Administration, die bisher nicht durch eine pro-kommunistische Haltung auffiel, mit der IFTU ausgerechnet eine KP-geführte Gewerkschaft als einzige Arbeitervertretung anerkennen, wenn nicht in der Absicht dadurch in ihrem Sinne Einfluss auf die Arbeiterschaft nehmen zu können.

Die IKP und die IFTU waren in dieser Hinsicht bisher sehr effektiv, indem sie auch innerhalb der Linken die Illusion verbreiteten, dass die Besatzungsherrschaft an sich bereits beendet wäre und im Rahmen des von den USA konzipierten und kontrollierten „Übergangsprozess” ein demokratischer Staat entstehen auch die volle Souveränität erreicht werden könne. Die Präsenz der „Koalitionstruppen” erscheint so als notwendige Absicherung dieses Vorhabens. Die Iraker werden aufgefordert, sich in Geduld zu üben und sich innerhalb des von den Besatzern gesetzten Rahmens für ihre Rechte einzusetzen.

Doch gibt keinen Grund zur Annahme die USA würden wieder freiwillig von ihrer Beute ablassen, noch herrschen im Irak, Bedingungen, die ein geduldiges Abwarten erlauben würden. Sowohl die Gewalt der Besatzer als auch die Lebensbedingungen fordern täglich ihre Opfer und verschlechtert die Besatzungspolitik der USA die wirtschaftlichen und sozialen Ausgangsbedingungen für einen unabhängigen Staat.

Die USA versuchten von Anfang an, irakische Bevölkerungsgruppen gegeneinander zu hetzen. Dies ist ihnen bisher nicht gelungen, dennoch werden so Risse geschaffen und es wird nicht ohne gesellschaftliche Folgen bleiben, wenn die USA in ihrem Kampf gegen Widerstand irakische Hilfstruppen auf irakische Stadtviertel und Moscheen hetzen.

Es geht beim Kampf der Iraker daher nicht nur um abstrakte Werte, wie Nationalstolz, Menschenwürde und nationale Souveränität, sondern vor allem und ganz konkret gegen wachsende Not und die Zerstörung ihrer Zukunft.

Die Entscheidung, ob dieser Kampf bewaffnet oder ausschließlich mit zivilen Mitteln geführt werden sollte, ist nicht unsere Sache. Wo der Kampf gegen Kolonialismus, Besatzung und Fremdherrschaft erfolgreich war, lag es meist am Zusammenwirken ziviler und militärischer Bewegungen.

Wir können die Frage, ob wir militärische Widerstandsorganisationen unterstützen sollten, getrost noch offen lassen. Wir müssen aber akzeptieren, dass sich Teile der irakischen Opposition für einen bewaffneten Widerstand entschieden haben. Da die Gleichsetzung dieses Widerstands mit Terrorismus das zentrale Element in der US-Propaganda ist und auch in der BRD als Vorwand für die Unterstützung der Besatzungspolitik verwendet wird, ist es wichtig uns dieser Diskreditierung entgegenzustellen und das prinzipielle Recht der Iraker, sich auch militärischen Mitteln gegen die Invasoren zur Wehr zusetzen, zu verteidigen.

Genau dies tut die junge Welt regelmäßig, nicht nur durch den Kommentar von Rüdiger Göbel. Es ist üble Demagogie, wenn die Verteidiger der IKP nun in der neuen Ausgabe der UZ der jungen Welt und allen, die eine ähnliche Haltung einnehmen, zu unterstellen, sie wollten aus sicherer Distanz bis zum letzten Iraker kämpfen. Die Guerillagruppen haben den Kampf aufgenommen ohne unser Urteil abzuwarten und werden sich auch in Zukunft – so wenig wie früher die Vietnamesen – um unsere Meinung dazu kümmern.

Wenn wir der allgemeinen Gewalt im Irak etwas entgegensetzen möchten, so müssen wir den Druck auf die Aggressoren und ihre heimischen Helfern steigern, damit die Hauptursache der Gewalt, die Besatzung möglichst bald beendet wird.

Mit einem „Gut-Böse-Schema” hat dies nichts zu tun, sehr wohl aber mit der Frage, auf welche Seite man sich stellt.

Solange führende DKP-Mitglieder und die UZ-Redaktion die IKP dabei unterstützen, die Verlängerung der Besatzung und das militärische Vorgehen der USA gegen den Widerstand zu rechtfertigen, sind sie von einer„grundsätzlichen antiimperialistischen Solidarität mit dem irakischen Volk” jedenfalls weit entfernt.

Joachim Guilliard, Heidelberg