Bundesvorstand der GBM:
Die GBM – ein Menschenrechts-, Friedens- und Sozialverein
Erklärung des Bundesvorstandes der GBM zu fortgesetzten Angriffen auf linke Organisationen der Bundesrepublik im Osten Deutschlands. Berlin, 1. Juli 2008
Die alte Bundesrepublik hat sich verändert. Die Einheit hat mehr Bewegung in das politische Spektrum gebracht, als viele noch vor zehn Jahren gedacht hätten. Das sterile und auf Neoliberalismus eingeschworene Vierparteiensystem wurde durch die PDS/Die Linke infrage gestellt. Sie stellt angesichts der dramatischen Veränderungen des sozialen Klimas Fragen der sozialen Gerechtigkeit in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit. Folgerichtig wird sie von der herrschenden politischen Klasse rhetorisch ausgegrenzt und zur „roten Gefahr“ erklärt. Wer mit ihr koalieren will, wird als „Steigbügelhalter des Kommunismus“ verschrien.
Was mit der Linken und bündnisbereiten Kräften anderer Parteien an Verunglimpfung betrieben wird, hat seine Entsprechung im Umgang mit der Zivilgesellschaft. Ein Pluralismus gleichberechtigter politischer Akteure wird verfemt. Der vor 19 Jahren in der Euphorie der Einheit versprochene Dialog zu ihrer Vollendung degenerierte zum Unwort oder zur leeren Phrase. Konsequent linke Vereine, Organisationen, Bürgerinitiativen und Bewegungen, die sich für Frieden, Menschen- und Bürgerrechte einsetzen und gegen Sozialabbau, Diskriminierung und Neofaschismus wenden, sollen an den politischen Rand gedrängt, verunglimpft und kriminalisiert werden. Ihre Existenz- und Arbeitsbedingungen sollen erschwert und ihr guter Leumund, den sie durch engagierte und aufopferungsvolle ehrenamtliche Arbeit unter ihren Mitgliedern, Sympathisanten und Hilfsbedürftigen haben, zerstört werden. Denn sie wollen und können nicht darauf verzichten, die von ihnen kritisierte neoliberale Politik der Agenda 2010 oder der Bundeswehr und der NATO in den ihr zugrunde liegenden internationalen und innergesellschaftlichen Macht- und Herrschaftsverhältnissen aufzudecken und anzuklagen. Sie sind keine „Randgruppe“. Sie sind eine machtvolle Opposition, die sich auf Einschätzungen und Stimmungen der Bevölkerung stützen kann, wie sie erst kürzlich die Friedrich Ebert Stiftung vorlegte – auch um die Chancen der Koalition im Bundestagswahljahr 2009 zu bemessen. Sie stellen eine große grundsätzliche Distanz der Bürger zur Politik fest. Drei von zehn Westdeutschen und sechs von zehn Ostdeutschen sehen die Verfasstheit der bundesdeutschen Demokratie kritisch. Gründe sind vor allem fehlende Problemlösungsfähigkeit und soziale Ungerechtigkeit. Kampfbereitere Gewerkschaften quittieren wachsenden Sozialabbau.
Das alles hat keineswegs nur mit dem, was die GBM macht, zu tun. Sie hat in vielen Fragen keine anderen Auffassungen als ein großer Teil der NGOs Deutschlands, ob es die Ablehnung der Aggressionskriege der USA und der NATO oder die Forderung ihrer Auflösung ist, ob es den Kampf gegen neoliberalen Sozialabbau, Arbeitslosigkeit, Altersarmut und Rentenungerechtigkeit, die Ablehnung des Schäubleschen Sicherheitsstaates oder den Kampf gegen Rassismus und Neofaschismus betrifft.
Die GBM ist Gründungsmitglied des Forums Menschenrechte und des Ostdeutschen Kuratoriums von Verbänden. Das verweist auch auf ein Geburtsmal der GBM, das sie zur Zielscheibe prädestiniert. Sie ist östlicher Herkunft. Viele ihrer Mitglieder erlebten ihre Sozialisation in der DDR. Und Ostdeutschland ist auch innerhalb der gesamten Bundesrepublik immer noch ein großes menschenrechtliches Entwicklungsland. Das zeigen nicht nur weit höhere Arbeitslosigkeit oder immer noch gültiges Rentenunrecht, das zeigt auch die Enttäuschung von den Segnungen einer Gesellschaft, die inzwischen 38% der Ostdeutschen am liebsten gegen eine bessere tauschen würden – zum Vergleich: 22% der Deutschen insgesamt.
Und was soll eine Menschenrechtsorganisation in Deutschland tun? Soll sie die Defizite der Gesellschaft aufdecken und die Interessen der Menschen gegenüber der Gesellschaft zur Geltung bringen? Soll sie ihr Protestpotential entwickeln, wie es die GBM tut, oder soll sie die Menschen sozusagen auf Kurs der Bundesregierung bringen oder halten? Soll das die Rolle von Interessenvertretern in der Demokratie sein? Menschenrechtsorganisationen sind für Regierungen eben nicht handzahm.
Und die GBM hat ein Menschenrechtsprogramm, das nicht nur einzelne Fragen der Politik betrifft, sie ist keine sog. Einpunktbewegung sondern eine universelle Menschenrechtsorganisation, die bereits sieben Stellungnahmen als Parallelberichte zu Berichten der Bundesrepublik an die UNO abgegeben hat, zur Einhaltung des Sozialpaktes, des Zivilpaktes und der Rassismuskonvention, wie gerade erst wieder in diesen Tagen. Die GBM hat sowohl zahlreiche Stellungnahmen für das Bundesverfassungsgericht verfasst als auch Klagen beim Europäischen Gerichtshof eingereicht oder betrieben.
Die GBM, die auch aktiv im Europäischen Friedensforum tätig ist, bereitet mit diesem zum 10. Jahrestag des Überfalls der NATO auf Jugoslawien eine Europäische Friedenskonferenz vor. Ihren Anti-NATO-Standpunkt kann man wie ihre Opposition zum Afghanistan- und Irakkrieg oder zu Plänen der Aggression gegen den Iran nicht mit einem parlamentarischen Heiligendamm beantworten.
Die GBM ist eine international tätige Organisation, die nicht nur auf dem Boden des Grundgesetzes sondern auch der UNO-Charta steht. Das vertritt sie auch gegenüber der Bundesregierung, die mit den USA in einem Militärbündnis agiert, das nach der Devise handelt: Mit der UNO, wenn möglich, ohne die UNO, wenn nötig. Auch, was die Annahme von über 50 Gesetzen zum Ausbau des Sicherheitsstaates seit 2000 durch den Bundestag betrifft, so ist wohl kaum eine Menschenrechtsorganisation der Meinung, dass sie das Grundgesetz nicht aushöhlen. Dass soziale Menschenrechte es in Deutschland schwer haben, als gleichrangige Menschenrechte angesehen zu werden, was Konventionen verletzt, ist bekannt. Und wenn die GBM neben vielen anderen Persönlichkeiten Fidel Castro einen Menschenrechtspreis verliehen hat, der schon seit der kubanischen Revolution und als Vorsitzender der Blockfreienbewegung eine Hoffnung für die Menschheit ist, so steht es wohl denjenigen nicht zu darüber zu rechten, welche großen Erfolge sozialer Sicherheit er in seinem Land erzielte, die mit wachsenden Rüstungsausgaben und Kriegsvorbereitungen im neuen Jahrtausend mit dazu beitrugen, die Millenniumsziele der UNO, die extreme Armut und den Hunger bis 2015 zu halbieren, schon jetzt zu verfehlen.
Überdies ist die GBM eine ostdeutsche Organisation, die sich nicht der vom Westen beanspruchten Deutungshoheit über die Nachkriegsgeschichte, die DDR und die Biographien ihrer Bürger beugt. Doch weder enttäuschte Liebe noch trotzige Identifikation mit der DDR sind unsere Motive. Die DDR war eine legitime antifaschistische historische und moralische Antwort auf den Faschismus und kann nicht heute mit den fast gleichen antikommunistischen Argumenten, die schon Hitler für den Überfall auf die SU gebrauchte, delegitimiert werden.
Angesichts ihres universellen Profils scheint es heute einigen parlamentarischen, medialen und publizistischen Kräften, sowie auch offensichtlich rechtsradikalen Steinewerfern möglich und geboten, mit der Diffamierung der GBM die Gesamtpolitik der Bundesregierung und der NATO zu rechtfertigen oder ihre extremistischen Ziele ungestörter zu verfolgen.
Es besteht die große Gefahr, dass die politische Kultur des Landes sich über Politik und Politiker definiert, die sich über die Bekämpfung ihrer politischen Gegner profilieren wollen, statt eine Politik zu entwerfen und zu verfolgen, die eine Alternative darstellt, die aus Kriegen, Sozialabbau, Repression, Nichtachtung elementarer Menschenrechte und Raubbau an der Natur hinausführt.
Für den Vorstand: Professor Dr. Wolfgang Richter, Berlin, Bundesvorsitzender, 1. Juli 2008