Werner Pirker
Linkes Kriegselend –
Lafontaine antwortet Kritikern
Israels Krieg gegen das libanesische Volk, der alle humanitären Bestimmungen des Völkerrechts außer Kraft setzt, hat in der deutschen Linken keine breite Solidarisierung mit den Opfern ausgelöst. Es ist, als wollte man dem jüdischen Nahoststaat, der das Vermächtnis der Holocaust-Opfer zu wahren vorgibt, einen ewigen Opferstatus zubilligen, der alle von israelischen Tätern begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit relativiert. Im linken Mainstream äußert sich die Sonderbehandlung, die Israel zuteil wird, in einer Position des gleichen Abstands zu Tätern und Opfern. Daneben macht sich immer unverschämter eine Strömung bemerkbar, die offen Partei für das gewalttätige zionistische Machtregime ergreift.
So wird in einem offenen Brief sächsischer Linkspartei-Mitglieder „eine grundsätzliche Solidarisierung mit Israel“ bei gleichzeitiger „Entsolidarisierung mit religiösen, fundamentalistischen (Volks-)Befreiungsbewegungen“ gefordert. Daß es sich hier um Volksbefreiungsbewegungen handelt, wird erst gar nicht in Abrede gestellt, aber offenbar negativ bewertet. Die Autoren nennen ihre Sichtweise einen „zentralen Eckpfeiler eines Perspektivwechsels“, den große Teile der Linken vollzogen hätten. Die neue linke Perspektive hieße demnach, sich in die „Antiterror“-Front zur Niederwerfung nationaler Befreiungsbewegungen einzureihen.
In seiner Antwort an die sächsischen Kriegstreiber schreibt der Linkspartei-Vorsitzende Oskar Lafontaine, „daß die Linke in diesem Konflikt nicht parteiisch sein darf.“ Das ist eine seltsam feige Position. Denn den internationalen Konflikt, in dem die Linke nicht parteiisch sein darf, gibt es nicht. Nicht in einer vom Imperialismus totalitär beherrschten Welt. Und ausgerechnet im Nahostkonflikt, der den Brennpunkt aller globalen Widersprüche zwischen den Kräften der Unterdrückung und der Befreiung bildet, soll es Linken angeraten sein, keine Partei zu beziehen – oder sich in abstrakte Friedensformeln zu flüchten?
Aufgabe der Linken, so Lafontaine, sei es, „für die Existenz des Staates Israel ebenso einzutreten wie für einen unabhängigen, funktionsfähigen Palästinenserstaat“. Das Existenzrecht Israels steht immer an erster Stelle. Und weil dem so ist, gibt es immer noch keinen Palästinenserstaat. Niemand wäre je auf die Idee gekommen, die Solidarität mit der indigenen Bevölkerung Südafrikas an eine Anerkennung des Apartheidregimes durch den ANC zu knüpfen. Das weiße Südafrika gibt es nicht mehr. Und einen funktionsfähigen Palästinenserstaat wird es erst geben, wenn der Zionismus besiegt ist.
Werner Pirker,
danken übernommen aus: Junge Welt, 11.8.06