Quo vadis?

Michael Opperskalski

Quo vadis?

Diese Frage stellt sich nicht für die imperialistische Barbarei der so genannten „Neuen Weltordnung“. Ihr Weg führt von Krieg zu Krieg um die Neuaufteilung der Welt, der Einflusssphären, Märkte, ihr Weg verschärft damit zugleich die objektive Konkurrenz der imperialistischen Großmächte, mag Angies genüssliches Hinternlecken an Georgies Allerwertestem dies auch oberflächlich verdecken. Das imperialistische Monopolkapital schert sich einen feuchten Dreck um unappetitliche Hinterteile. Es schafft Fakten. Auch mit Schwert und Blut. Und die belegen eindeutig, dass die Konkurrenz der Herren der Welt sich mit wachsender Kriegsgefahr auch unter ihnen selber zuspitzt – selbst wenn einige linke Anhänger der „Neoliberalismustheorie“ es in ihren theoretischen Fieberträumen nicht wahrnehmen wollen.

Der völkerrechtswidrige Krieg gegen den Irak hält unvermindert an, während die israelische Militärmaschine begann, den Libanon zu zerbomben und die Kriegsplaner im Pentagon bereits Syrien und den Iran im Raketenvisier haben. Das ausgesprochene imperialistische Ziel ist es, eine „Neuordnung“ des Nahen Ostens herbeizubomben, jeden Widerstand dagegen mit Stumpf und Stiel auszurotten. In diesem Sinne handelte Israel im Auftrag seines Herren in Washington mit seinem Überfall auf den Libanon, mit seiner Aggression in Gaza und dem Versuch, den palästinensischen Widerstand, seine Organisationen und Institutionen zu zerschlagen. Da schert es auch jene nicht, die so eifrig das Wort Demokratie wie einen alten, ausgelutschten Kaugummi im Munde herumdrehen und diese so vollmundig und wohl formuliert für den Nahen Osten einfordern, dass eine demokratisch gewählte Regierung der Palästinenser von den Israelis einfach zerschlagen wird, ihre Repräsentanten ermordet oder ins Gefängnis gesteckt werden. Man lerne daraus: Demokratie bedeutet für die Herren Imperialisten und ihre Propagandisten einen Zustand, in dem sie machen können, was sie wollen. Wird einmal anders, ganz demokratisch, gewählt, drückt ein Volk in und mit Wahlen aus, dass es keine Befehle der Ausbeuter, Besatzer und Unterdrücker mehr anzunehmen bereit ist und auch mit dem Wahlakt seinen Widerstand dokumentiert: zum Teufel damit!

Und in all dieser imperialistischen Barbarei mischt der BRD-Imperialismus kräftigt mit, sucht – auch mit zunehmenden Militäreinsätzen – seine Interessen gegen den großen Hegemon USA zu sichern. Sie marschieren wieder in ruhig festen Tritt: in Afghanistan, Jugoslawien, dem Kongo und möglicherweise auch bald im Libanon…

Wo sind sie geblieben?

Man müsste eigentlich annehmen dürfen, dass sich der zunehmenden imperialistischen Barbarei ebenfalls zunehmend eine wahrhaft internationalistische Friedensbewegung, eine kämpferische Linke entgegenwirft – auch und gerade im imperialistischen Deutschland. Wo ist sie aber geblieben?

Da gab es einmal einen wahrhaftigen Hoffnungsträger vornehmlich kleinbürgerlicher Linker. Der verbirgt sich hinter dem Kürzel ATTAC. Genüsslich schreibt die BRD-angekommene Kleinbürgerpostille „tageszeitung“ am 8. August unter der Überschrift „Sehr ausgewogen zum Krieg im Nahen Osten“: „Bei einem ATTAC-Treffen vor drei Jahren in Aachen war es bei der Nahostfrage fast zur Spaltung der Bewegung gekommen. Doch von der Sprengkraft dieses Konflikts war auf der derzeit laufenden ATTAC-Sommerakademie kaum mehr etwas zu merken. So kam eine Erklärung zum Krieg im Nahen Osten zustande, die ausgewogener nicht hätte ausfallen können. (…)“. Nicht viel anders sieht es bei einen weiteren Hoffnungsträger der Linken, der Linkspartei eben, aus. So meint ihr Fraktionsvorsitzender Oskar Lafontaine, „dass die Linke in diesem Konflikt nicht parteiisch sein darf“. Also ebenfalls sehr ausgewogen…. Das scheint es wohl jetzt und heute für die Linke und die Friedensbewegung zu sein oder zu werden (wobei einige Ausnahmen diese Regel derzeit noch nicht außer Kraft setzen können): ausgewogen statt parteiisch, emotionale Friedensbekundungen statt klarer Analyse, papierene Resolutionen statt Aktionen, defensiv statt offensiv, Wehklagen statt eindeutiger Benennung des Feindes und seiner Barbarei. Das alles mag bei vielen ja ehrlich motiviert sein, Antiimperialismus und Internationalismus ist das aber nicht!

Die imperialistischen Herren der Welt wird dies kaum erschüttern, nicht einmal ein abfälliges Achselzucken auslösen, zu ihrer Freude jedoch den weiteren Niedergang dessen, was von der Friedensbewegung und der Linken übrig geblieben ist, weiter beschleunigen. Diese abschüssige Ebene endet ganz einfach und ganz ordinär im Ankommen. Die einen werden sich bei solchen Worten vor Abscheu vor so viel „Dogmatismus“ schütteln, dem Autor vorwerfen, jegliche Modernisierung zu verschlafen, die angeblich neuen Verhältnisse nicht zu erkennen oder so ähnlich. Diese sind bereits sehr gut eingerichtet in diesem System, mögen sie auch viele zu reinen Floskeln degenerierte linke Vokabeln ihrer eigenen Vergangenheit (noch) benutzen. Andere werden an einem Punkt aufwachen, zu dem sie eigentlich niemals hin wollten. Ebenfalls angekommen. Deren Kater wird fürchterlich sein…

Wen kann es da noch verwundern, dass sich an der Rändern dieser Linken Kräfte breit machen und zumindest unter kleinbürgerlich-intellektuellen Kreisen stärker werden, die ganz offen die imperialistische Barbarei beklatschen. „Anti-Deutsche“ werden diese Leute gemeinhin genannt. Ihre Positionen beginnen auch, in der Linkspartei hoffähig zu werden, wenn in einem offenen Brief sächsischer Linkspartei-Mitglieder „eine grundsätzliche Solidarisierung mit Israel“ bei gleichzeitiger „Entsolidarisierung mit religiösen, fundamentalistischen (Volks-)Befreiungsbewegungen“ gefordert wird. In der „Kommunistischen Arbeiterzeitung“ (KAZ) schwelt seit längerem ein Konflikt mit solchen prozionistischen Positionen. Der so genannte „Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD“ scheint inzwischen gänzlich auf die „antideutsche Linie“ eingeschwenkt zu sein. Wer es sich zum Beleg letzterer Aussage wirklich antun will, der lese einmal den Aufsatz eines gewissen Nassauer „Deutscher Jihad“ in der Zeitschrift „Streitbarer Materialismus“ (Nr. 27/2006). „Anti-Deutsche Positionen“ pur, drapiert mit Lenin-Zitaten und revolutionärem Wortgeklingel….

…und wo bleibt die DKP?

Kann man in diesem linken Tal der Tränen auf Orientierungen und eigenständiges Handeln der Kommunisten hoffen, um so dem Strudel des Ankommens zu entkommen? Die größte Formation bundesdeutscher Kommunisten ist nach wie vor die DKP, die sich zudem und des öfteren, in lockerer Nichtanerkennung gesellschaftlicher Realitäten in der BRD, als DIE Kommunistische Partei der Bundesrepublik darstellt und sich somit zugleich sehr viel Verantwortung auf die eigenen Schultern lädt. Weist sie also dementsprechend einen Ausweg aus dem Dilemma? Übt sie internationalistische Solidarität mit ihren kämpfenden Bruderparteien zum Beispiel im Libanon und Syrien, die bedingungslos und aktiv den libanesischen Widerstand unterstützen (wobei bereits mehrere Genossen der KP Libanons im Kampf gegen den israelischen Aggressor gefallen sind!!!!)?

Mitnichten. Wer die Wochenzeitung der DKP, UZ, vom 11. August aufschlägt, wird bereits im Aufmacher die Kernforderung der DKP aus dem Mund des Vorsitzenden lesen: „Der Vorsitzende der DKP, Heinz Stehr, forderte den vollständigen Rückzug der Israelischen Truppen und eine Lösung der Probleme im Nahen Osten auf der Grundlage der gültigen UN-Resolutionen.“ Da muss man wirklich zweimal hinschauen, bevor man es glauben will. Der Vorsitzende einer Kommunistischen Partei, hier der DKP, reduziert die umfassende imperialistische Aggression in der gesamten Region des Nahen Ostens, in der Israel aktuell im Libanon stellvertretend für die USA agiert, zu „Problemen“. Die Forderung, diese dann auf „der Grundlage der gültigen UN-Resolutionen“ zu lösen, bedeutet de facto die Anerkennung der imperialistischen Zielsetzung im Nahen Osten im Sinne einer entsprechenden „Neuordnung“. Entsprechende UN-Resolutionen decken nicht nur die völkerrechtswidrige Besatzung des Iraks ab, sie laufen hinsichtlich des Aggressionskrieges gegen den Libanon auf eine diplomatische Durchsetzung der mit ihm verbundenen nordamerikanischen und israelischen Zielsetzungen hinaus: Entwaffnung und Zerschlagung des legitimen libanesischen Widerstandes, Neuordnung des Libanon im Sinne der gesamtregionalen imperialistischen Strategie.

Wer das Klima verstehen möchte, in dem solche Positionen innerhalb der DKP gedeihen, der schlage in der gleichen Ausgabe der UZ die Leserbriefseite auf (Seite 8). Die Redaktion, die sonst nicht müde ist, kritische Leserbriefe zu unterschlagen oder zu verstümmeln, druckt zwei in relativer Länge ab, die durchaus als ein Stimmungsbild angesehen werden können, kommen sie doch nicht von irgendwo her: der eine Briefschreiben ist immerhin der DKP-Vorsitzende von Köln und Delegierter zum Parteitag, der andere, Hans Peter Brenner, ist langjähriger DKP-Funktionsträger, regelmäßiger UZ-Autor, Referent und geriert sich gerne selber als theorie- und standfester Kommunist. Ersterer schreibt u.a.. „Die militärischen Gegenschläge Israels sind gewiss völlig überzogen – von Nasrallah und Co. Aber gezielt herbeigebombt. (…) Die Gründung des Staates Israel ist ein historischer Fakt (…). Es waren arabische Armeen, die damals Israel von allen Seiten überfallen haben, um das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Wie auch im Jom-Kippur-Krieg. Die Aggressionen lagen und liegen auf beiden Seiten.“ Einmal abgesehen davon, dass einige angerissene historische Fakten schlicht und einfach in einem Mischung aus Verzerrung und Falschheit („es waren arabische Armeen, die damals Israel von allen Seiten überfallen haben“) nichts anderes als eine Widerspiegelung der bürgerlichen Propaganda sind, die täglich über uns herniederregnet, sind wir – auch als Konsequenz daraus – wieder bei der Position, eben nur keine Position zu beziehen, eben nicht parteiisch zu sein. Vor allem jedoch: das Opfer, abschätzig „Nasrallah und Co.“ genannt, wird zum eigentlichen Täter. Und auch Hans Peter Brenner bedient sich in seinem Leserbrief trüber, antipalästinensischer Propaganda, wenn er – wahrheitswidrig (!!!!) – schreibt: „Allzu lange hatte auch die PLO unter Arafat (… daran) festgehalten, die ‚Israelis ins Meer zu treiben’. Erst kurz vor seinem Tod deutete sich eine Korrektur dieses Fehlers an, der den israelischen Regierungen immer wieder den Vorwand für ein erneutes militärisches Zuschlagen gegeben hatte.“ Ein kurzer Blick in die PLO-Programmatik seit den siebziger (!!!) Jahren hätten den Leserbriefschreiber Brenner davon überzeugen können, dass seine Darstellung grottenfalsch und den Propagandastories von Hardcore-Zionisten nicht unähnlich ist.

Auf solchen oder ähnlichen Positionen lässt sich einfach keine klare internationalistische Politik entwickeln. Ganz im Gegenteil. Damit können Kommunisten mit diesen Positionen auch keinerlei positive Orientierungen innerhalb des anhaltenden Prozesses des objektiven Niedergangs der Friedensbewegung liefern.

Waren aber solche oder ähnliche Positionen nicht letztendlich zu befürchten, als die DKP-Führung die offene, verräterische Kollaboration der so genannten „Irakischen Kommunistischen Partei“ mit dem US-Imperialismus unterstützte? Eine Position, die sie bis heute unkorrigiert lässt…

Wo bleibt aber gerade jetzt und heute der Aufschrei solcher Genossinnen und Genossen in der DKP, die die Führung bisher kritisierten? Holz schweigt. Andere verkaufen eifrig die Parteizeitung UZ – trotz jener zitierten Positionen.

Mir scheint, dass das Ende des linken Tunnels noch lange nicht erreicht ist, und dass diejenigen, die nicht im Kapitalismus ankommen wollen, wieder von vorne beginnen müssen – auch mit klarer, eindeutiger, parteiischer, antiimperialistischer, internationalistischer Solidarität!

Michael Opperskalski,
Köln