Regionalblock der Volksmacht gegründet – Südamerika organisiert Druck “von unten”

Ingo Niebel

Regionalblock der Volksmacht gegründet – Südamerika organisiert Druck “von unten”

In Boliviens Hauptstadt Sucre ist am letzten Oktober-Wochenende aus einer langgehegten Idee Wirklichkeit geworden: seit dem 29. Oktober 2006 gibt es den Regionalen Block der Volksmacht. Dieser Zusammenschluss von Vertretern indigener und sozialer Bewegungen, selbstverwalteten Betrieben und Bauern sowie Menschenrechtlern und Vordenkern des Sozialismus des 21. Jahrhunderts hat den ersten Schritt unternommen, um sich als Akteur in der politischen Landschaft Lateinamerikas zu etablieren.

dass es sich hierbei keineswegs um eine Außenseiterveranstaltung handelte, zeigte die Tatsache, dass Boliviens Präsident Evo Morales zu diesem dreitägigen Treffen eingeladen hatte. Zwar konnte er letztendlich wegen der schwierigen Verhandlungen über die Verstaatlichung der Öl- und Gassektors mit den multinationalen Energieunternehmen nicht daran teilnehmen, aber an seiner Stelle nahm Vizepräsident Álvaro Garcia die Forderungen des Regionalen Blocks entgegen.

Diese verlas Benigno López von der Bauernbewegung aus Formosa in Argentinien. Die Kongressteilnehmer fordern eine vierstündige Fernsehdebatte mit den nord-, mittel- und südamerikanischen Präsidenten. Evo Morales übertrugen sie die Aufgabe, ihnen beim Präsidentengipfel, der am 8./9. Dezember im bolivianischen Cochabamba stattfinden wird, diesen Platz im Programm zu reservieren. Zur Diskussion stehen vier grundlegende Fragen: Warum werden die Auslandsschulden weiterhin bedient? Wann werden endlich sämtliche US-Basen geschlossen? Wann und wie finden die Wiederbelebung der nationalen Landwirtschaft und die Reindustrialisierung statt? Wann kommt es zur Einheit von Bevölkerung und Militär in der Form von Milizen und Volksarmeen? Alle vier Punkte markieren den Ausstieg aus dem Neoliberalismus. Sie trafen beim Vizepräsidenten García auf vollstes Verständnis, der in Anlehnung an Karl Marx feststellte: “Das Gespenst vom Anti-Neoliberalismus oder besser gesagt vom Postneoliberalismus durchläuft den Kontinent.” In seiner Rede entwickelte der zweite Mann im bolivianischen Staat das langfristige Ausstiegsszenario aus diesem Wirtschaftskonzept. Zum Schluss sagte er: “Man muss Mechanismen erfinden, um eine starke, kontinentale Arbeiterbewegung wieder zu stärken, weil es sein könnte, dass in der Vereinigung der indigenen Bauernbewegung mit einer neuen Arbeiterbewegung die wahre soziale Kraftentwicklung des Sozialismus des 21. Jahrhunderts wurzeln könnte.” Garcías Ausführungen bedeuteten zugleich die Adelung dieser sozialistischen Idee, die damit beginnt, Praxis zu werden. Zwei ihrer Vordenker, Allin Cottrell und Heinz Dieterich, letzterer an führender Stelle, nahmen an dem Treffen teil. Dieterich sprach von einem “historischen Kongress” und stellte fest: “Eine Idee, deren Zeit gekommen ist, ist nicht aufzuhalten.”

Der Mitorganisator der Veranstaltung, Alexis Ponce, von der Permanenten Menschenrechtsvereinigung (APDH) aus Ecuador, unterstreicht die Bedeutung dieses Regionalen Blocks, weil dieser die lateinamerikanische Integration mit Inhalten fülle, die für die Völker wichtig sind. Hieraus ergebe sich eine Art Beziehung, die auf Allianzen zwischen Regierung und sozialen Bewegungen beruhe, “wobei letztere ihre Autonomie behalten, um die grundlegenden und strategischen Projekte anzugehen.” Dazu zählen konkret die erwähnten vier Punkte. Es liegt nun bei Morales, diese auf die Tagesordnung des Präsidentengipfels zu setzen.

Ingo Niebel,
Köln*

Weitere Informationen zum Regionalen Block der Volksmacht (i.d.R. auf Spanisch): www.bloquerpp.org

*Der Verfassers des Artikels nahm am o.g. Treffen der Völker und progressiven Staaten zur Befreiung der Patria Grande teil. Er ist Autor des Buches “Venezuela not for Sale” (Berlin: Kai Homilius, 2006.) und steht für Veranstaltungen zur Verfügung (bei Interesse bitte Redaktion kontaktieren!). Vom 29.11. – 6.12.2006 wird er erneut als Internationaler Wahlbeobachter in Venezuela weilen.