Che, Cuba und die Lage der Jugend in der BRD heute

Heinz W. Hammer

Che, Cuba und die Lage der Jugend in der BRD heute

Veranstaltung:
»Internationaler Jugendtreff: Für eine neue Welt und eine neue Kultur / BIR-KAR-Jugend«;
Jugendzentrum Essen, 07.10.2006

Als Einladungsplakat für Eure heutige Veranstaltung »Für eine neue Welt und eine neue Kultur« habt Ihr das weltbekannte Bild des argentinisch-cubanischen Arztes, Revolutionärs und Guerrilleros Ernesto »Che« Guevara ausgewählt. Dieses Photo wurde von dem cubanischen Photographen Alberto Diaz Gutierrez[1] aufgenommen, und zwar am 5. März 1960 bei einer von über 100.000 Menschen besuchten Massenkundgebung in Havanna[2]. Anlass war die am Vortag von der CIA organisierte Bombenexplosion des belgischen Frachters »Coubre«, bei der 137 Menschen ermordet und weitere Hunderte verletzt worden waren. Dieses Attentat war eines der ersten US-organisierten Terrorakte, mit denen die cubanische Revolution seit ihrem Sieg am 1. Januar 1959 liquidiert werden sollte und die bis heute andauern. In einem spektakulären Prozeß vor dem Povinzgericht in Havanna wurde im November 1999 die US-Regierung wegen all dieser Terrorakte angeklagt. Bewiesen und namentlich belegt wurde, dass die USA für den Tod von 3.478 cubanische Menschen verantwortlich waren. Hinzu kamen 2.099 durch Terroranschläge dauerhaft behinderte Menschen. Das Gericht verurteilte die USA am 09.11.1999 zur Zahlung von 181 Milliarden US-Dollar. Nicht eingerechnet darin waren die mehr als 82 Milliarden US-Dollar Schaden, die dem cubanischen Staat seit Beginn der umfassenden Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade vor nunmehr 45 Jahren entstanden sind.

Che Guevara war, ist und bleibt eine Symbolfigur im weltweiten Kampf gegen solchen imperialistischen Terrorismus. Aber der am 28. Juni 1928 im argentinischen Rosario geborene Che, der am 9. Oktober 1967, also vor fast genau 39 Jahren, im bolivianischen La Higueras auf Anweisung der CIA ermordet wurde, dieser Che war natürlich mehr als eine Kopiervorlage für T-Shirts, sondern ein lebendiger Mensch und Kämpfer: Vom jungen Studenten, der auf seinen Motorradreisen durch Lateinamerika mit dem Elend der Arbeiter und Bauern konfrontiert wurde, über die Jahre als Comandante der cubanischen Rebellenarmee an der Seite Fidel Castros, als Chef der cubanischen Nationalbank und Industrieminister, schließlich sein Engagement zur Entwicklung der Trikont-Solidaritätsbewegung bis zu seinem Guerrillakampf im Kongo und Bolivien – ihn zeichnete nicht nur ein unbezähmbarer Kampfeswille, sondern auch seine Authentizität, die Deckungsgleichheit von Wort und Tat aus. Er selbst drückte diese Haltung einmal bei einem Vortrag vor Studenten der Technischen Fakultät in Havanna so aus: »Nicht derjenige ist der bessere Revolutionär, der gegen alles ankämpft, was sich ihm in diesem Augenblick entgegenstellt, gegenüber dem, der argumentiert und versucht, einem Compañero Studenten oder Arbeiter oder Bauer von der Rechtmäßigkeit und Gerechtigkeit zu überzeugen. Im Gegenteil, ein viel besserer Revolutionär ist derjenige, der letzteres [also die Überzeugungsarbeit; hwh] vermag, der es darüber hinaus mit seinem eigenen Beispiel belegt, denn es gibt nichts überzeugenderes als das eigene Beispiel, um eine Idee auszudrücken oder zu verteidigen.«[3]

Che Guevara hatte großes Vertrauen in die schöpferische Kraft der Jugend, stellte an sie aber auch ebenso große Anforderungen. So meinte er in seiner Rede zum 2. Jahrestag der Gründung des UJC (Union de Jovenos Comunistas – Union der Jungkommunisten) 1962 u.a.: »Was ist und was soll die UJC sein? Die UJC muss sich durch ein einziges Wort charakterisieren lassen, das lautet: Vorhut. Ihr, Compañeros, Ihr müsst die Vorhut in allen Bewegungen sein; die ersten, die zu einem Opfer bereit sind, das die Revolution von Euch fordert, egal um welche Opfer es sich handelt – die ersten bei der Arbeit, die ersten beim Lernen, die ersten bei der Verteidigung des Landes (…) Hinzu kommt eine ausgeprägte Opferbereitschaft, und zwar nicht nur in den heroischen Augenblicken, sondern zu jedem Zeitpunkt: Aufopferung, um dem Compañero bei den kleinen Aufgaben zu helfen, damit die Arbeit geleistet wird, damit er seine Aufgaben in der Schule und beim Studium erfüllt, damit er sich weiter verbessern kann in irgendeinem Gebiet, immer sensibel gegenüber den Mitmenschen sein, das heißt: Wir fordern, dass jeder „Junge Kommunist“ menschlich ist, und zwar so menschlich, dass er sich dem besten im Menschen nähert und dass er dahin gelangt durch die Arbeit und das Studium sowie durch die ständige Solidarität mit dem Volk und mit allen Völkern der Welt. Seine Sensibilität muss so geschärft werden, dass er Beklemmung fühlt, wenn ein Mensch in irgend einem anderen Teil der Welt ermordet wird, und dass er begeistert ist, wenn in irgend einem Teil der Welt die Fahne der Freiheit aufgepflanzt wird.«[4]

Was für ein zutiefst humanistisches und von prinzipiellem Internationalismus erfülltes Grundverständnis einer menschlichen Gesellschaft! Und zugleich wie meilenweit entfernt von der Realität des Jahres 2006 in den kapitalistischen Ländern, nicht zuletzt in der Bundesrepublik Deutschland:

Kinderarmut

Der Kinderschutzbund verwies zum Weltkindertag am 20. Juni 2006 darauf, dass in der BRD mehr als 2,5 Millionen Heranwachsende auf Sozialhilfeniveau leben. Von den rund 15 Millionen Kindern ist jedes sechste von Armut betroffen. Besonders besorgniserregend sei die Lage im Osten. Der Paritätische Wohlfahrtverband hatte bereits im August 2005 ausgerechnet, dass dort in vielen Städten fast jedes dritte Kind von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe leben muss. In einigen Städten liege die Quote sogar deutlich über 22 Prozent.[5] In unserer Stadt sind das rund 19.000 Kinder, das heißt jedes sechste Kind in der »Einkaufsstadt Essen« lebt in Armut.[6] Die Zahl der armen Kinder hat sich bundesweit seit 2004 bzw. seit Einführung von Hartz IV mehr als verdoppelt. Der Kinderregelsatz für Hartz IV-Opfer liegt gerade mal bei  207,- € im Monat.[7]  Das Kinderhilfswerk UNICEF weist darauf hin, dass die Folgen der Benachteiligung von Kindern bereits sichtbar sind: Mangelhafte Ernährung, die sich unmittelbar auf die Gesundheit der Heranwachsenden auswirkt, Herausbildung von immer mehr abgeschlossenen Vierteln, in denen es »keine guten Schulen, Ausbildungsmöglichkeiten und ausreichend soziale Unterstützung« gäbe. Ihre Eltern können sich keinen Nachhilfeunterricht leisten, es fehlt das Geld für die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, für Klassenfahrten, Zoo-, Theater- und Schwimmbadbesuche.[8] Die von der BRD unterzeichnete UNO-Kinderrechtskonvention definiert elementare Grundrechte, darunter eine freie Entwicklung ohne Diskriminierungen sowie das Recht auf Bildung und Ausbildung, was erst recht für Jugendliche mit Migrationshintergrund gilt. In der BRD-Realität spielt sich tagtäglich das Gegenteil ab.

Analphabetismus auf dem Vormarsch

Anfang September 2006 musste die CDU-Bundesbildungsministerin zugeben, dass ca. 4 Mio. Menschen in der BRD nicht richtig lesen und schreiben können. Rund 900.000 Menschen verlassen jährlich ohne Abschluss die Schule. Für vier Mio. sog. »funktionelle Analphabeten« bedeutet das noch mal schlechtere Chancen auf einen Arbeitsplatz, Ausschluss von großen Teilen des gesellschaftlichen Lebens, Minderwertigkeitskomplexe, Einsamkeit, Isolierung. Frau Schavan verkündete nun lauthals als Ziel, die Zahl der betroffenen in den nächsten fünf Jahren zu halbieren, während zugleich die Mittel für Kurse an den Volkshochschulen im Verlaufe von zwei Jahren um 40 Prozent zurückgefahren und die Kursgebühren gerade jetzt wieder deutlich angehoben wurden – was für eine Bankrotterklärung für dieses Land.[9] Vielleicht sollte die Bundesregierung mal daran denken, Entwicklungshelfer für Alphabetisierung aus Cuba anzufordern!

Ohne Bücher in die Schule

Wie zum Hohn auf die genannten Beispiele wurde jetzt auch noch die Schulmittelfreiheit für arme Familien abgeschafft. Der Branchenverband der Schulbuchverlage beklagt im September 2006, dass der Schulbuchkauf immer mehr zur Privatsache werde: Seien noch vor einigen Jahren die Lernmittel in vielen Bundesländern kostenlos verliehen worden, müssten Eltern zum Schulstart 2006 in 11 von 16 Bundesländern den Schulbuchkauf ganz oder mit einem Eigenanteil finanzieren.[10] Das heißt in der Praxis, dass zu Beginn des neuen Schuljahres erstmals Kinder von Hartz IV-Opfern ohne Schulbücher in der Klasse saßen, weil dieser Eigenanteil mit dem Hartz IV-Regelsatz einfach nicht aufgebracht werden kann. Hier werden Menschenschicksale bewusst zerstört. In Essen sind rund 9.000 Schulpflichtige betroffen, davon etwa 1.500 im Essener Westen. Der CDU-/Grüne geführte Stadtrat in Essen wurde durch zahlreiche Proteste gezwungen, dieses Thema zumindest anzusprechen. Das Ergebnis teilt der nicht gerade für revolutionäre Umtriebe bekannte »Westanzeiger« am letzten Mittwoch unter der treffenden Schlagzeile »Kein Geld für Bildung« auf Seite 1 mit: »Die Ratsmehrheit von CDU, Grünen, FDP/AE, Bürgerbündnis und Republikanern lehnte in namentlicher Abstimmung ab, Gelder für die Finanzierung von Schulbüchern für Arbeitslosengeld II-Familien zu übernehmen. 60.000 Euro wären etwa notwendig, damit für alle Essener Kinder Chancengleichheit gesichert wäre« und fasst korrekt zusammen: »Eine Stadt im Bildungsnotstand«.[11]

Eine gewisse Konsequenz kann man den genannten Parteienvertretern nicht absprechen, sind es doch die Abgeordneten genau jener Parteien, die sämtliche Verarmungsgesetze (Hartz IV usw.) ja alle gemeinsam beschlossen haben und weiter beschließen! Es sind eben diese Politiker, die dafür verantwortlich sind, dass, wie der Philologenverband am 24.09.06 alarmiert meldete, derzeit rund 16.000 Lehrerstellen fehlen und damit jede Woche geschätzte eine Million Unterrichtsstunden ersatzlos ausfallen![12] Aber wir wollen auch nicht ungerecht sein: Schließlich wird das Geld dringend an anderer Stelle gebraucht, vor allem, um deutsches Militär grundgesetzwidrig wieder in imperialistische Kriege rund um den Globus zu schicken. Das kostet… So wird zwar die Qualität der Schulausbildung immer weiter gedrückt. Dafür wird aber aktuell an der Totalüberwachung der Schülerschaft gearbeitet. Die NRZ berichtete Anfang Oktober von einem schier unglaublichen Vorgang, wonach die Kultusministerkonferenz an der Erstellung eines »Steckbriefes« aller Schülerinnen und Schüler arbeite. Erfasst werden sollen alle erreichbaren Daten. »Wer bleibt wie oft sitzen und wer schafft dennoch das Abitur, wer belegt welche Leistungskurse? Soziale Stellung der Eltern, nationale Herkunft, Umgangssprache in der Familie, Wechsel des Wohnorts, der Schule – oder gar ein Umzug über Landesgrenzen?« Datenschützer protestieren bereits heftig gegen die langfristige Total-Erfassung der individuellen Bildungsverläufe von zwölf Millionen Schülern, die in der Geschichte der Bundesrepublik ihresgleichen suchen würde.[13]  Nun ja, wenn der Jugend schon die Bildung geklaut wird, sollen sie wenigstens komplett ausspioniert werden…

In der »Kulturhauptstadt« Essen wurde jetzt übrigens der sog. »Masterplan Sport« der Stadtverwaltung bekannt, der massive Einschnitte im Sportbereich vorsieht. U. a. ist die Schließung von zwei Bädern, zwei Sporthallen und acht Sportanlagen geplant.[14] Es sei daran erinnert, dass diese Politik von gerade den Typen exekutiert wird, die uns fast jeden Abend in der Tagesschau anlügen, dass ihr brutaler Sozialabbau ja nur »im Sinne unserer Kinder und Kindeskinder« sei.

Schulen für den Kapitalismus?

Zugleich ist die Realität gerade in den »armen« Stadtteilen so, dass die Bausubstanz von immer mehr Schulgebäuden verkommt, die Ausstattung gegen null gefahren wird und als angebliche »Lösung« mit dem Zauberwort »PPP«, also »Public-Private-Partnership«, Investitionen von Privatinvestoren angepriesen wird, letztlich also die Privatisierung des Bildungswesens.[15] Solche Investoren sind jedoch keine Samariter, sondern dem Profitstreben unterworfen. Im Klartext: Schulen sollen zukünftig ebenfalls dem Profitstreben unterworfen werden und wenn dann mal der Investor Pleite geht, werden auch die Schulen dicht gemacht. Was für Zukunftsaussichten.

Von der Schule in die Arbeitslosigkeit

Die offiziell zugegebene Arbeitslosenquote in Essen liegt seit Jahren bei rund 15 Prozent. Im September waren das gut 41.900 Menschen zuzüglich 2.100 Teilnehmer in sog. Trainingsmaßnahmen und beruflicher Weiterbildung. 4.384 Jugendliche unter 25 waren in diesem Monat (offiziell) erwerbslos. Hinzu kommen laut städtischen Zahlen vom Juni rund 3.500 junge Menschen, die als Teilnehmer von Trainings, Gemeinwohlarbeit, Kursen und anderen Maßnahmen als arbeitssuchend gelten. Macht allein in unserer Stadt unterm Strich rund 8.000 junge Essener ohne Arbeit![16] Da haben die Essener Schulabgänger doch schon mal was, worauf sie sich freuen können. Denn zum Internationalen Tag der Jugend am 12. August veröffentlichte das Statistische Bundesamt die neuesten Zahlen zur Jugenderwerbslosenquote, die bundesweit bei 15 %  liegt.[17] Nach den am 01.09.06 von der Bundesagentur für Arbeitslose veröffentlichten Zahlen sind auch im neuen Ausbildungsjahr bundesweit noch 215.000 junge Menschen ohne Lehrstelle. Nach den offiziellen Zahlen aus Nürnberg kommen in diesem Ausbildungsjahr auf rund 703.000 Ausbildungsinteressenten nur 402.000 betriebliche Ausbildungsplätze. Gewerkschaftliche Gremien und Erwerbslosengruppen halten selbst diese dramatischen Zahlen noch für geschönt. In unserem Bundesland meldete sich Mitte September der DGB-Vorsitzende von NRW,  Guntram Schneider, mit einem »Notruf« an die Öffentlichkeit: In diesem Jahr würden in unserem Flächenland 57.000 von 150.000 Jugendlichen keine Lehrstellen erhalten. Nähme man die Schulentlassungsjahrgänge ab 2002 hinzu, konnten über 100.000 Jugendliche keine Ausbildung beginnen. Fast 60.000 junge Erwachsene unter 25 gehörten zu den ungelernten arbeitslosen Jugendlichen und ähnlich groß sei die Anzahl der 25 – 30-jährigen Erwerbslosen ohne Berufsausbildung.[18]

Die Herrschenden nennen das ganze »angespannte Lage auf dem Ausbildungsmarkt«, als ginge es um das Kaufen und Verkaufen von Obst auf dem Wochenmarkt und nicht um das ureigene Recht der Jugend auf Zukunft!

Viele Betriebe nutzen diese Katastrophe zur Senkung der Ausbildungsstandards und zu verschärfter Ausbeutung: Regelungen des Jugendarbeitsschutzes wie bspw. das Wochenend- und Nachtarbeitsverbot werden von interessierten Politikern und Kapitalisten als »Ausbildungshemmnisse« bezeichnet und sollen nach deren Willen möglichst abgeschafft werden. Im Bundesarbeitsministerium soll derzeit bereits eine entsprechende Gesetzesvorlage erarbeitet werden. Arbeitsschutzkontrollen in Ausbildungsbetrieben sollen gelockert, unbezahlte Überstunden während der Ausbildungszeit die Regel werden, während zugleich der Einfluss der Betriebsräte und Jugendvertretungen zurück gedrängt werden soll.[19] Auf ins 19. Jahrhundert! Auch hier soll ganz bewusst der Jugend die Zukunft geklaut werden.

Es sei daran erinnert: All diese menschenfeindliche Politik findet statt im, wie es der Armutsforscher Prof. Dr. Christoph Butterwege richtig formuliert, »ökonomisch und politisch zweitmächtigsten Land der Welt«[20] und führt aus: »In Wirklichkeit ist die Bundesrepublik so reich wie nie zuvor. Nur ist der gesellschaftlich erwirtschaftete Reichtum extrem ungleich verteilt. Die einen werden immer reicher, die anderen immer ärmer und die Armen immer zahlreicher. Um es plastisch zu sagen: Während die Gebrüder Albrecht, Eigentümer der Aldi-Ketten Nord und Süd, laut dem US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ ein Privatvermögen von über 30,6 Milliarden Euro besitzen, gibt es 2,5 Millionen Kinder, die auf Sozialhilfeniveau leben. Tiefer könnte die Kluft innerhalb einer Gesellschaft kaum sein, und die Konzentration des Reichtums nimmt weiter zu, während sich das Elend in unserer Gesellschaft ausbreitet.«[21]

Um mir hier nicht den Vorwurf  »Einseitigkeit« einzuhandeln, möchte ich in aller Deutlichkeit auch darauf hinwesen, dass sich natürlich die gramgebeugten Bundestagsabgeordneten unermüdlich um all diese Probleme kümmern. Am 28. September sollten z.B. auf Antrag der CDU/CSU und SPD zum einen Veränderungen der Regelsätze der Sozialhilfe, die sich auf ca. 7,5 Millionen Menschen auswirken, und zum anderen Vorschläge für Maßnahmen zur Bekämpfung der oben skizzierten Kinderarmut diskutiert werden. Die Bundesregierung hat diese Debatte angesetzt für den Zeitraum zwischen 3:10 und 4:20 Uhr nachts…[22]

Cuba – Die Alternative

Im sozialistischen Cuba, obwohl ein ungleich ärmeres Land der Dritten Welt, wird ein diametral entgegen gesetzter Entwicklungsweg beschritten:

Nach dem Sieg der Revolution am 1. Januar 1959 bestand die erste Großtat in der flächendeckenden Alphabetisierung des Landes.

1959 gab es in ganz Cuba 30.000 – 40.000 (reiche!) Menschen mit Universitätsabschluss, heute sind es 700.000!

Während in der BRD gerade Studiengebühren eingeführt werden, um die Masse der Arbeiterkinder von den Unis fern zu halten, ist in Cuba der Zugang zur Bildung auf allen Ebenen für alle kostenlos.

Vor 50 Jahren gab es in Cuba gerade mal 3.000 Ärzte, heute sind es 70.000; und einige zehntausend aus anderen Ländern der 3. Welt studieren an den cubanischen Universitäten, 28.600 Mitarbeiter des cubanischen Gesundheitswesens sind in den Staaten der 3. Welt in humanitärer Mission tätig.[23]

In der BRD werden Krankenhäuser privatisiert und das gesamte Gesundheitswesen der kapitalistischen Ökonomie unterworfen, in Cuba dagegen ist jegliche medizinische Behandlung, von der Erkältung bis zur Herzoperation, kostenlos, – und zwar für alle.

Diese Aufzählung ließe sich locker noch stundenlang fortsetzen, aber ich glaube, dass ich damit »etwas« mein Zeitlimit überschreiten würde. Also stelle ich mal die Frage, woher denn dieser gravierende Unterschied (zwischen der reichen, kapitalistischen BRD und dem amen, sozialistischen Cuba) wohl kommt. Der bekannte kommunistische Philosoph Hans Heinz Holz brachte die Antwort in einer Würdigung Fidel Castros zu dessen 80. Geburtstag im August auf folgenden Nenner: » (…) Um das politisch garantierte Recht auf Ausbildung zu erfüllen, werden Lehrer [in Cuba, hwh] in entlegene Gebiete abgeordnet, wo sie an 167 Orten jeweils weniger als fünf Kinder unterrichten. Nach kapitalistischer Kalkulation wäre das eine Verschwendung öffentlicher Mittel. Für den cubanischen Sozialismus bedeutet es die Einlösung eines Menschenrechts für Individuen. Verschwendung materieller Ressourcen muss man eindämmen – gerade unter den Bedingungen des durch die Blockade hervorgerufenen Mangels. Aber Ausgaben für die Menschen sind nicht Verschwendung, sondern der Zweck der Gesellschaft.«[24]

Aus cubanischer Sicht wird der selbe Umstand folgendermaßen beschrieben: »Wir glauben fest daran, dass kostenlose und universelle Gesundheitsvorsorge und Ausbildung, anständige Arbeit und Unterkunft unveräußerliche Rechte sind, die jedemzustehen, einschließlich denen, die solcher Rechte in den Vereinigten Staaten beraubt sind.«.

Nachrichten aus einer anderen Galaxie? Beinahe: Diese Grundsatzerklärung stammt vom Präsidenten der cubanischen Nationalversammlung, Ricardo Alarcón, vom 20. Mai 2006 bei der Kundgebung »Hände weg von Venezuela und Cuba« in Havanna.

Weil Cuba täglich beweist, dass eine menschenwürdige, sozialistische Gesellschaft machbar ist, zieht es den Hass des Imperialismus und all seiner Medien auf sich. Aus denselben Gründen halten wir von der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V. es für notwendig, dass wir das so lebendige Erbe des Che Guevara, die cubanische Alternative, mit Zähnen und Klauen gegen alle Angriffe des Imperialismus verteidigen.

Von Cuba lernen, heißt aber auch, die eigene Gesellschaft zu verändern, den Kapitalismus im eigenen Land zu bekämpfen und eine menschenwürdige, gerechte und humanistische Zukunft anzustreben. In der 2. Deklaration von Havanna vom 4. Februar 1962 heißt es: »Die Pflicht eines jeden Revolutionärs ist es, die Revolution zu machen.«

Ehren wir Che am Vorabend des Jahrestages seiner Ermordung in diesem wahrhaft internationalistischen Sinne.

Viva Che!  Viva Fidel!  Viva Cuba – Es lebe der proletarische Internationalismus!

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.

Heinz W. Hammer,
Essen, Sept/Okt. 2006

ANMERKUNGEN

  1. »Korda«, 14.09.1928 – 26.05.2001
  2. an der aus Europa u.a. Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre teilnahmen.
  3. Die neue Universität – Vortrag vor Studenten der Technologie-Fakultät, 11. Mai 1962; in: H.-E. Gross: »Ernesto Che Guevara, Der neue Mensch, Entwürfe für das leben in der Zukunft«; Weltkreis-Verlag, Dortmund, 1984, S. 98f.
  4. Aufgaben der kommunistischen Jugend – Rede anlässlich des zweiten Jahrestags der Gründung des kommunistischen Jugendverbandes „UJC“ – „Union de Jovenes Comunistas“, 20. Oktober 1962; in: H.-E. Gross: »Ernesto Che Guevara, Der neue Mensch, Entwürfe für das leben in der Zukunft«; Weltkreis-Verlag, Dortmund, 1984, S. 112f., 124f.
  5. Deutschlands arme KidsND, 21.09.06
  6. Kinderarmut – Folge von Hartz IV; stadtrotinfo,  7/2007, S.4
  7. stadtrotinfo, a.a.O.
  8. Armut in Deutschland ist jung – ND, 30.08.06; Mit Hartz gegen Kinder – jW, 30.08.06
  9. Schavan: 30 Millionen für Alphabetisierung und ArmutszeugnisND, 09./10.09.06; »Geschenke« zum UN-WeltalphabetisierungstagND, 18.09.06
  10. Schulbücher? Privatsache NRZ, 02.09.06
  11. Kein Geld für Bildung, Westanzeiger, 04.10.06
  12. NRZ, 25.09.06
  13. Der gläserne Schüler treibt Datenschützer „in den Wahnsinn“, NRZ, 02./03.10.06
  14. Brief an Sportvereine von Hans-Willi Linden (1. Vorsitzender Sportverein DJK SG Altenessen) und Marie-Luise Grzefik (Sprecherin Bürgerinitiative Freibad Hesse), 25.09.06
  15. Privatinvestoren raus aus der Schule; in: position – Extraussgabe der SDAJ-Zeitung gegen Bildunsgabbau; September 2006
  16. NRZ, 28.09.06
  17. jW, 12./13.08.06
  18. UZ, 22.09.06
  19. Gunst der StundejW, 23.08.06
  20. Wieviel Armut verträgt eine Gesellschaft? – ND-Interview, 21.08.06
  21. ND-Interview; a.a.O.
  22. Pressemitteilung von Katja kipping und Diana Golze (L.PDS), 27.09.06
  23. Der Sieg der Unbeugsamkeit – Fidel Castro zum 80. Geburtstagstag, Hans Heinz Holz, jW, 12./13.08.06
  24. H.H.Holz, a.a.O.; Hervorhebung hwh