Zum Beitrag von Kurt Gossweiler “Bemerkungen zur Diskussion über die politische Ökonomie des Sozialismus – insbesondere zu den Beiträgen von Hermann Jacobs”.

Wolfgang Hoss:
Zum Beitrag von Kurt Gossweiler “Bemerkungen zur Diskussion über die politische Ökonomie des Sozialismus – insbesondere zu den Beiträgen von Hermann Jacobs”.

Die Kritik von Kurt Gossweiler an den Texten von Hermann Jacobs in den Artikeln in “offensiv” sind meines Erachtens mit Hinsicht auf den Stil der Texte von H. Jacobs, auf seine Methode der Kreation von Unklarheiten und Unverständlichkeiten, voll und ganz berechtigt, aber folgendes sollte unbedingt beachtet werden:

Wenn Hermann Jacobs sagt “In der Tat sind wir, ist der Marxismus außerstande, die Frage des Revisionismus … aufzuwerfen, würde es nicht dieses Schwanken im Verhältnis zu den ökonomischen Mechanismen der Warenproduktion gegeben haben, würde es nicht die Reform gegeben haben, den ersten, den neuen Mechanismus wieder gegen den zweiten, alten auszutauschen” (“offensiv”, Heft 15/03, S. 48), und wenn man die Aussage so formuliert, daß das Schwanken zwischen der Warenproduktion als Grundlage der sozialistischen Wirtschaft und einer neuen nicht auf Warenproduktion gegründeten Ökonomie und schließlich die Entscheidung für die “sozialistische Warenproduktion” eine der wichtigsten Ursachen für die Revision des Marxismus und das Scheitern des Sozialismusversuchs in den Ostblockländern waren, dann vertritt man nur die Position des unverfälschten Marxismus. Die Aussagen von Marx und Engels in dieser Hinsicht sind eindeutig:

“Mit der Besitzergreifung der Besitzergreifung der Produktionsmittel durch die Gesellschaft ist die Warenproduktion beseitigt … ” (Friedrich Engels, MEW, Bd.19, S.226)

“Innerhalb der genossenschaftlichen, auf Gemeingut an den Produktionsmitteln gegründeten Gesellschaft tauschen die Produzenten ihre Produkte nicht aus, …” (Karl Marx, MEW, Bd.19, S.19).

“Gebrauchsgegenstände werden überhaupt nur Waren, weil sie Produkte voneinander unabhängig betriebener Privatarbeiten sind.” (Karl Marx, Das Kapital, Erster Band, S. 87).

Es besteht kein Zweifel, daß es sich hier nicht um Mißverständnisse oder um Widersprüchlichkeiten in Marxens Werk handelt. Hören wir weiter:

“In der Gesamtheit der verschiedenartigen Gebrauchswerte oder Warenkörper erscheint eine Gesamtheit ebenso mannigfaltiger, nach Gattung, Art, Familie, Unterart, Varietät verschiedner nützlicher Arbeiten – eine gesellschaftliche Teilung der Arbeit. Sie ist Existenzbedingung der Warenproduktion, obgleich Warenproduktion nicht umgekehrt die Existenzbedingung gesellschaftlicher Arbeitsteilung. In der altindischen Gemeinde ist die Arbeit gesellschaftlich geteilt, ohne daß die Produkte zu Waren werden. Oder, ein näher liegendes Beispiel, in jeder Fabrik ist die Arbeit systematisch geteilt, aber diese Teilung nicht dadurch vermittelt, daß die Arbeiter ihre individuellen Produkte austauschen. Nur Produkte selbständiger und voneinander unabhängiger Privatarbeiten treten einander als Waren gegenüber.” (Karl Marx, das Kapital, Erster Band, S. 56/57).

Andrea Schön und Gerald Hoffmann zitieren in Ihrem Beitrag “Die Crux mit dem Wertgesetz – zum Revisionismus in der politischen Ökonomie des Sozialismus” Marx zum Teil an gleicher Stelle und in gleichem Sinne und stellen fest: “Nicht die Arbeitsteilung ist das wesentliche oder gar einzig konstituierende Element der Warenproduktion, sondern das Privateigentum an Produktionsmitteln. Die Warenproduktion verleiht der gesellschaftlichen Arbeitsteilung lediglich ihren spezifischen, auf Tausch von Produkten privater Produzenten basierenden, Charakter.” (A. Schön, G. Hoffman, “offensiv”, Heft 13/03)

Tony Cliff hat die faktische Aufhebung der Warenproduktion in Bezug auf die russische Wirtschaft der Stalin-Ära bereits in den siebziger Jahren klar ausgesprochen: “Formal erfolgt die Verteilung der Produkte zwischen den verschiedenen Wirtschaftszweigen über den Austausch; aber da eine Institution, der Staat, Eigentümer aller Unternehmen ist, gibt es keinen realen Warenaustausch.”[20]

Und weiter:

“Der Unterschied läßt sich vielleicht am Beispiel einer weniger komplexen Gesellschaft, etwa der ägyptischen Gesellschaft unter der Herrschaft der Pharaonen, verdeutlichen. Ein Pharao mußte sich ausrechnen, wie er die Gesamtarbeitszeit (….) seiner Sklaven entsprechend den Bedürfnissen seiner Gesellschaft aufteilen sollte. Seine Methode war sehr direkt. Eine bestimmte Anzahl Sklaven wurde in die Lebensmittelproduktion gesteckt, eine bestimmte Anzahl in die Luxusgüterproduktion, andere beim Bau von Bewässerungssystemen eingesetzt, wieder andere beim Pyramidenbau usw. … es mußte nur darauf geachtet werden, daß die Sklaven plangemäß aufgeteilt wurden. Auch in Rußland entwickelte der Staat einen nahezu vollständigen Plan für die Aufteilung der Gesamtarbeitszeit; aber da der Produktionsprozeß viel komplizierter ist als vor ein paar tausend Jahren, genügt es für einen planmäßigen Wirtschaftsablauf nicht, einfach die Anzahl der Arbeiter für die verschiedenen Wirtschaftszweige zu ermitteln. …. Zwischen der Arbeitsteilung unter den Pharaonen ohne Preissystem und der Arbeitsteilung unter Stalin mit Preissystem besteht nur ein gradueller, kein grundlegender Unterschied. Ebenfalls bestände nur ein gradueller Unterschied, ob Ford seine Unternehmen entweder als eine Verwaltungseinheit zusammengefaßt leitet oder sie in kleinere Einheiten aufsplittert, um besser kalkulieren und dirigieren zu können.”[21]

Also nach der Theorie von Marx und Engels wird die Warenproduktion aufgehoben, wenn das Privateigentum an den Produktionsmitteln aufgehoben wird. Da die VEB-Betriebe in der DDR keine Privatunternehmen waren, und da man in der DDR die Warenproduktion als Grundlage der sozialistischen Produktion deklariert hatte – die Kennziffer Steigerung der Warenproduktion war eine der wichtigsten Kennziffern für die Jahresendprämie der VEB-Betriebe – ergibt sich bereits in diesem fundamentalen Grundsatz eine Diskrepanz zur Theorie von Marx und Engels. Wer aber hat sich in diesem Punkt geirrt, Marx und Engels oder die Theoretiker des letzten Sozialismusversuchs? Jedenfalls stellt die Entscheidung für die Warenproduktion als Grundlage der sozialistischen Wirtschaft eine radikale Revision des Marxismus bzw. eine grundlegende Verfälschung der marxistischen Sozialismustheorie dar.

Das hat ganz entscheidende Konsequenzen. Engels formuliert die Konsequenz der Nichtaufhebung der kapitalistischen Warenproduktion wie folgt: “Mit dieser Behandlung der heutigen Produktivkräfte nach ihrer endlich erkannten Natur tritt an die Stelle der gesellschaftlichen Produktionsanarchie eine gesellschaftlich-planmäßige Regelung der Produktion nach den Bedürfnissen der Gesamtheit wie jedes einzelnen; damit wird die kapitalistische Aneignungsweise …. ersetzt durch die in der Natur der modernen Produktionsmittel selbst begründete Aneignungsweise der Produkte : einerseits direkt gesellschaftliche Aneignung als Mittel zur Erhaltung und Erweiterung der Produktion, andrerseits direkt individuelle Aneignung als Lebens- und Genußmittel. Indem die kapitalistische Produktionsweise mehr und mehr die große Mehrzahl der Bevölkerung in Proletarier verwandelt, schafft sie die Macht, die diese Umwälzung, bei Strafe des Untergangs, zu vollziehn genötigt ist.” (Friedrich Engels, MEW Bd. 20, S. 261)

Ingeborg Böttcher zitiert Manfred Sohn in ihrem Beitrag ” Hallo Andrea und Gerald, was ist eigentlich Euer Anliegen?” (offensiv Heft 4/2004): “Nun wäre es albern, so zu tun, als wäre der Imperialismus von 1997 noch derselbe wie der von 1916. Was ist neu? (..) Neu ist vor allem, daß die Entwicklung der technischen Seite der Produktivkräfte die Selbstvernichtung der Menschheit doppelt und vielleicht sogar dreifach ermöglicht. – Anders als 1916 ist die Menschheit seit 1945 in der Lage, sich nicht nur als Zivilisation, sondern als Gattung selbst zu vernichten. Dafür steht Hiroshima. – Sie ist seit ungefähr 1970 in der Lage und dabei, die natürlichen Grundlagen ihrer – wahrscheinlich nicht biologischen, aber zivilisatorischen – Existenz nachhaltig so zu vernichten, daß ein „point of no return“  absehbar ist. Dafür stehen Bophal, Tschernobyl und die Prognosen des Club of Rome. – Sie hat seit Februar 1997 der realen Möglichkeit ins Auge gesehen, sich selbst zu klonen und damit die genetische Individualität der einzelnen Menschen als ein Bestimmungsmerkmal der Gattung Mensch zu eliminieren. Dafür steht Dolly, das Schaf. (..) Neben dieser elementaren Möglichkeit der Selbstvernichtung (..) die Umwandlung eines immer größeren Teils der industriellen Reservearmee in ein wachsendes stehendes Heer von Überflüssigen (..) angedeutet in dem Marxschen Hinweis auf massenhaft entstehende „konsolidierte Überbevölkerung“. (Manfred Sohn, MBL 4/97, Seite 63):

Die durch Marx vorausgesagte “industrielle Reservearmee und konsolidierte Übervölkerung” gibt es heute tatsächlich – etwa eine Milliarde Arbeitsfähige finden in der heutigen Weltwarenwirtschaft keinen Arbeit oder sind dauerhaft unterbeschäftigt – und schlimmer noch als es durch Marx vorhergesehen wurde – heute verhungern an jedem Tag in der Weltwirtschaft etwa 100.000 Menschen. In den letzten beiden Jahrzehnten hat das Verteilungssystem der Warenwirtschaft einerseits zu Not und Elend in vielen Entwicklungsländern und zu etwa einer Milliarde Hungertoden geführt, und andererseits schießen Multimillionäre und Milliardäre in den reichen Ländern wie Pilze aus der Erde. Und langfristig bedroht das exponentielle Wachstum der Weltwarenproduktion, darunter das exponentielle Wachstum der fossilen Energieproduktion und der Treibhausgase, die Lebensgrundalgen der ganzen Menschheit, auch die Lebensgrundalgen der Kinder und Kindeskinder der Superreichen des Westens. Die Aussage von Engels, daß die Ablösung der  kapitalistischen Warenproduktion eine historische Notwendigkeit ist, bei Strafe des Untergangs, ist also keine Übertreibung.

Die Aufhebung der Warenproduktion ist, wie gesagt, eine der grundsätzlichen Vorschläge von Marx und Engels zur Lösung der Widersprüche der veralteten, der kapitalistischen Ordnung. Aber durch welche Produktionsweise soll die Warenwirtschaft ersetzt werden, welche Maßnahmen im einzelnen sind hierfür nötig? Vielleicht war der Hauptgrund für den Revisionismus in den Ostblockländern das Problem eine allseitige, logische und für die Praktiker nachvollziehbare Theorie der sozialistischen Produktion und Verteilung zu entwickeln, die sich von der Warenwirtschaft und ihrem Profitsystem wesentlich unterscheidet. Es müssen grundsätzlich neue Prinzipien der Produktion und Verteilung des Werts, bzw. neue Prinzipien der Produktion und Verteilung der Güter, die Gebrauchswert und arbeitszeitbasierten Wert besitzen, gesucht und gefunden werden.

Es sollten also vornehmlich zwei Prinzipien durch die Theorie gesucht und beschrieben werden, erstens, die Wert- und Preisbildung im Sozialismus, und zweitens, die Verteilung der Güter im Sozialismus, die sich von den entsprechenden Prinzipien der Warenwirtschaft generell unterscheiden.

Kurzgefaßt kann hierzu folgendes gesagt werden:

Im Zentrum der modernen politischen Ökonomie steht die Wert- und Preisbildung, und immanenter Bestandteil der alten Wertbildung ist der Mehrwert oder Profit als Einkommen des Kapitalbesitzers. Und dieses Einkommen ist in großen kapitalistischen Unternehmen ganz oder zum großen Teil das Produkt fremder Arbeit – es ist das Mehrprodukt der Lohnarbeiter in Geldform. In diesem Kontext liegt die Frage nahe, ob eine solidarische Zukunftsgesellschaft nicht einfach auf dieses nicht durch Arbeit, sondern durch Kapitalbesitz erworbene Einkommen und damit in der Preisbildung auf den Gewinnaufschlag verzichten kann.

Preisbildung ohne Gewinnaufschlag erscheint auf den ersten Blick als etwas Absurdes und daher nicht Bedenkenswertes. Denken wir das „Undenkbare“ aber dennoch.

Wenn erstens, auf die betrieblichen Kosten  nur noch ein Steuer- und Abgabenaufschlag ST erhoben wird, so daß für den Wert des Produkts die Formel gilt, statt, wie im kapitalistischen System, , (M gleich Gewinn bzw. Profit), und wenn zweitens, der Staat den Steuer- und Abgabenaufschlag so festlegt, daß alle Ausgaben der öffentlichen Haushalte und der sozialen Sicherungssysteme ersetzt werden können, wozu benötigt dann eine solidarische, auf Arbeitseinkommen festgelegte Gesellschaft, den Gewinn? Alle gesellschaftlich notwendigen Aufwendungen können in diesem Fall durch den Verkauf der Produkte zum Preis  regelmäßig ersetzt werden.

Waren die Kosten des Unternehmenssektors einer Volkswirtschaft z.B.  und die Kosten des öffentlichen Sektors und der sozialen Sicherungssysteme , dann kann ein Aufschlagsatz auf die Kosten von  berechnet und allen Unternehmen verbindlich vorgeschrieben werden. Stellt ein Unternehmen ein Produkt mit den betrieblichen Kosten von z.B. her, dann kann festgelegt werden, daß zur Preisbestimmung ein Kostenaufschlag von 33,33%, also im Beispiel im Betrag von  angerechnet werden muß. Die individuellen betrieblichen Kosten und ein administrativ vorgegebener Aufschlagsatz bestimmen dann den Preis, und nichts sonst weiter. Steigen die Kosten auf , dann steigt der Aufschlag auf . Der Aufschlag steigt also in diesem System, wenn die Kosten steigen. Wäre er Gewinn, dann wäre der Betrieb mit den höchsten Kosten der erfolgreichste, nach dem Motto: um so fauler das Betriebskollektiv um so höher die Kosten und um so höher der Gewinn. Ziel in der sozialistischen Wirtschaft wäre es dann mit möglichst hohen Kosten zu produzieren. Der Widersinn des Profitziels auf Grundlage dieser Preisbildung ist also offensichtlich. Wenn aber kein Profit erwartet wird und prinzipiell im Preis nicht mehr enthalten ist, und wenn der Profit nicht mehr Maß der betrieblichen Leistung ist, dann verschwindet das „Paradoxon“ schlagartig – man verkauft die Produkte dann einfach nur zu ihrem gesellschaft-lichen Kostenpreis. Ein Produkt, welches den Hersteller und die Gesellschaft mehr kostet als ein anderes, wird zu einem höheren Preis verkauft. Die Information, die der Preis darstellt, ist dann eine sehr direkte und zweckmäßige. Ein niedrigerer Preis zeigt dann an, daß das Produkt mit geringerem Aufwand hergestellt wurde, und ein höherer Preis zeigt den höheren Aufwand an. Der Käufer wählt das gleiche Produkt mit dem niedrigeren Preis und damit das Produkt, welches mit dem geringsten Aufwand hergestellt wurde.

Im Lehrbuch “Politische Ökonomie”, Dietz Berlin 1964, heißt es: “Die Ware ist ein Produkt, das nicht für den unmittelbaren Verbrauch, sondern für den Austausch, für den Verkauf auf dem Markt hergestellt wird.” (Politische Ökonomie, S. 32, Berlin 1964)

Sagt man aber, daß die Ware ein Produkt ist, das auf dem Markt verkauft wird, dann hat man die Definition des Begriffs “Ware” grundsätzlich deformiert, denn man hat damit das eigentliche Wesen der Warenproduktion, die Produktion für den Austausch, unter den Tisch fallen lassen. Tatsächlich aber sind Produkte, die nicht wertgleich getauscht, sondern den Produzenten und Konsumenten nach einem gesamtgesellschaftlichen Plan zugeteilt werden, keine Waren. Das hat radikale und für die Gemeinschaft überaus positive Konsequenzen.

Wenn die Einnahmen aus dem Verkauf der Produkte eines sozialistischen Sektors einer Volkswirtschaft in einen großen Fonds der Gemeinschaft bzw. des Volkes geliefert werden, dann kann jedem sozialistischen Unternehmen oder jedem sozialistischen Konzern nach einem gemeinschaftlichen Plan jederzeit soviel Geld für Produktionsmittelkäufe und Löhne zugeteilt werden, daß alle nötigen Produktionsmittel gekauft und hinreichende Löhne gezahlt werden können. Es entsteht damit eine neues Verteilungssystem, das eine planmäßige, solidarische Verteilung möglich macht, die mit der Verteilung in der Warenwirtschaft und mit dem Profitssystem der Warenwirtschaft nichts mehr gemein hat. Alle Unternehmen können aus dem großen Topf des Volkes jederzeit mit den nötigen finanziellen Mitteln versorgt werden, so daß Bankrotte und Massenarbeitslosigkeit jederzeit verhindert werden können. Niemand müßte in einer solchen sozialistischen Welt mit ihrem neuem Verteilungssystem verhungern, der Reichtum könnte durch den Staat nach gesellschaftlichen Übereinkünften hinreichend gleichmäßig und ökonomisch zweckmäßig verteilt werden.

Wenn aber der Gewinn als Maß der wirtschaftlichen Effizienz entfällt, wie soll dann die ökonomische Leistung der Unternehmen gemessen werden? Meines Erachtens kann in der sozialistischen Wirtschaft der Zukunft das Ziel Profitmaximierung durch das Ziel maximale Steigerung der Arbeitsproduktivität ersetzt werden. Die Arbeiter und Angestellten wollen ihren Lohn durch gute Leistungen maximieren, und als Maß der Leistung des sozialistischen Betriebs kann direkt die wichtigste Kennziffer jedes ökonomischen Systems, nämlich die Steigerung der Arbeitsproduktivität benutzt werden. Und demjenigen Betrieb, der die Arbeitsproduktivität am schnellsten steigert, sollte aus einem gesellschaftlichen Fonds die höchste Prämie pro Beschäftigtem garantiert werden. Selbstverständlich ist das letzte Wort noch nicht gesprochen – natürlich geht es zunächst darum, Diskussionen anzuregen. Zum Beispiel die Messung der Steigerung Arbeitsproduktivität zum allgemeinen Vergleich zwischen den Betrieben ist ein Problem, oder andere Vorschläge zur Zielsetzung und Motivation könnten unterbreitet werden.

Die ehemaligen leninistischen Länder sind meines Erachtens in erster Linie ökonomisch gescheitert. Wäre die Arbeitsproduktivität und damit das Realeinkommen in der DDR deutlich höher gewesen als in der BRD, wer hätte dann die Mauer bauen müssen? Einer der wichtigsten Gründe für das ökonomische Scheitern der leninistischen Länder war meines Erachtens die Beibehaltung der Preisbildung mit Profitaufschlag. Die Rückkehr zum natürlichen Profitsystem, dem privatkapitalistischen System, war damit vorprogrammiert. Die falschen Leistungsanreize für die Arbeiter und Angestellten, entweder Belohnung der Betriebe für Profitmaximierung und damit zusätzlich verstärkter Druck zur Rückkehr zum natürlichen Profitsystem, oder Belohnung für Erfüllung einer großen Zahl von Plankennziffern und damit Belohnung für Erfüllung von staatlichen Vorschriften, was zwangsläufig Bürokratisierung und sinkende Arbeitsproduktivität zur Folge haben mußte, kamen noch hinzu. Das ökonomische Scheitern war damit, wie gesagt, vorprogrammiert. Und ein ökonomisch unproduktives System findet keine breite Unterstützung des Volkes, sondern erzeugt Kritik und Aufbegehren, die durch Repressionen des Staates unterdrückt werden müssen, wenn das unproduktive System erhalten werden soll.

                                                                                                                                 Wolfgang Hoss, Berlin

Literaturvorschläge:

Blessing, Klaus, Ist sozialistischer Kapitalismus möglich?, Berlin 2003

Cockshott/Cotrell, Alternativen aus dem Rechner, Köln 2006

Crome, Erhard, Sozialismus im 21. Jahrhundert, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin, 2006

Dieterich, Heinz, Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts, Berlin 2006

Engels, Friedrich, Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, MEW Bd. 19, S.181-210, Dietz Berlin

Hoss, Wolfgang, Modell einer sozialistischen Marktwirtschaft, Norderstedt 2006

Kornai, Janos, Das sozialistische System, Baden-Baden 1995

Marx Karl, Engels Friedrich, Manifest der Kommunistischen Partei, MEW Bd. 4, S.459-493, Dietz Berlin.

Moulian, Tomas, Ein Sozialismus für das 21. Jahrhundert, Zürich 2000

Müller, Horst, Sozialwirtschaft als Alternative zur Kapitalwirtschaft, VorSchein-Heft der Ernst-Bloch-Assoziation Nr. 1/1998, Nürnberg 1998, 24 Seiten

Nehring, Hartmut, Von vorn beginnen, aber nicht bei Null, in “Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Heft 11, 1990

Peters, Arno, Das Äquivalenzprinzip als Grundlage der Globalökonomie, Vaduz 1996

Sik, Ota, Die sozialgerechte Marktwirtschaft, Freiburg im Preisgau 1990

Steinitz, Klaus, Chancen für eine alternative Entwicklung, Linke Wirtschaftspolitik heute, Hamburg 2005

Wagenknecht, Sahra, Elsässer, Jürgen, Vorwärts und vergessen? Hamburg 1996

Wallerstein, Immanuel, Utopistik, Historische Alternativen des 21. Jahrhunderts, Wien 2002

Wenzel, Siegfried, Plan und Wirklichkeit, St.Katharinen 1998

  • [20]Cliff, Tony, Staatskapitalismus in Rußland, S.204, Frankfurt am Main 1975
  • [21]Cliff, Tony, Staatskapitalismus in Rußland, S.206 f, Frankfurt am Main 1975